Der Dienst bei der „Asche“ – Was Brandenburger über die Nationale
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Der Dienst bei der „Asche“ – Was Brandenburger über die Nationale
Der Dienst bei der „Asche“ – Was Brandenburger über die Nationale Volksarmee berichten Am 1. März beging die DDR den „Tag der NVA“. Im Jahre 1956 war die DDR-Armee offiziell gegründet worden. Heute weiß man, dass es sich bei diesem Akt eher um eine Umbenennung längst bestehender Strukturen gehandelt hatte. Genau 55 Jahre und 3 Tage nach diesem Ereignis fand im Standort Frey-Haus des Stadtmuseums Brandenburg an der Havel eine Podiumsdiskussion statt, die sich dem Dienst in den Reihen dieser Armee widmete. Neben dem Moderator Jobst van Lessen, einem Schüler aus dem Sonderausstellungsprojekt „Jugend in der DDR“ hatten auf dem Podium Platz genommen: PD Dr. Christian Th. Müller, Historiker mit Schwerpunkt auf der Geschichte der NVA im Militärbündnis der Staaten des „Warschauer Vertrages“ Jens Kühne, Brandenburger und ehemaliger Bausoldat Hans-Jürgen Arndt, Brandenburger, ehemaliger Grundwehrdienstleistender bei der Bereitschaftspolizei Oberstleutnant Thomas Hausmann, ehem. Oberstleutnant der NVA, nach der Demokratischen Revolution in die Bundeswehr gewechselt Wieder zeigte sich, dass die Brandenburger der Beschäftigung mit der DDR-Geschichte großes Interesse entgegenbringen. Bereits um dreiviertel sechs war kein freier Platz mehr zu bekommen. Der Gesprächsbedarf war gewaltig. Die Zeit in der DDR-Armee ist wohl an niemandem spurlos vorübergegangen. Die Wahrnehmung und Wertung der ostdeutschen Streitkräfte durch die ehemaligen Grundwehrdienstleistenden und Unteroffiziere auf Zeit unterschied sich stark von der, die von den ehemaligen Berufssoldaten vorgetragen wurde. Für letztere war der Dienst in den Einheiten der DDR-Armee ein Beruf, dem sie wie alle anderen nachgegangen waren und in dem sie Leistungen vollbracht hatten, auf die sie heute noch stolz sind. Ein Gast wies darauf hin, dass das Brandenburger Hubschraubergeschwader innerhalb von 90 Minuten einsatzbereit gewesen war. Dies, so sagte er, solle „erstmal einer nachmachen“. Diese Sichtweise blieb unbenommen, denn den Grundwehrdienstleistenden ging es nicht um eine Verurteilung der Berufssoldaten. Niemand würde ja zum Beispiel den Stahlwerkern heute einen Vorwurf daraus machen, Stahl für die DDR erzeugt zu haben. Vielmehr wurde immer wieder die Sinnlosigkeit des Waffendienstes angesichts der atomaren Bedrohung angesprochen. Der aus Sicht der Soldaten sinnlose und übertriebene Drill, die Entfernung zu Frau und Kindern, die wenigen Urlaubstage, der Zwang, sich auch im Ausgang und Urlaub in Uniform zu bewegen, kurz, die totale Unterordnung unter eine Institution, deren Führung stets behauptete, sich mit ihren Mitgliedern in bester Übereinstimmung zu befinden. Noch an diesem Abend herrschte Fassungslosigkeit über das Geschwätz im Politunterricht, das niemand geglaubt und doch alle nachgesprochen hatten. Was von den einen als allgemein bekannte Bagatelle abgetan wurde, versetzte andere erneut in Rage. Wenn niemand an den Sozialismus geglaubt hatte, wenn alle gewusst hätten, dass der Atomkrieg zur Vernichtung Mitteleuropas binnen Minuten geführt hätte, welchen Zweck hätte dann der Zwang zur 85%igen Einsatzbereitschaft gehabt? Wenn es nur um die Abwehr eines Angriffs gegangen wäre, warum durften dann die Bausoldaten nicht am Wochenende nach Hause? Weshalb wurden die Wehrpflichtigen meist am ihrer Heimat entgegengesetzten Ecke der kleinen Republik eingesetzt? Natürlich konnten all diese Fragen an diesem Abend nicht beantwortet werden. Die Fragen vermehrten sich im Gegenteil und so war es nicht verwunderlich, dass die Gäste nach dem offiziellen Ende der Diskussion nicht schnell auseinanderliefen, sondern in kleinen Gruppen weiterdiskutierten. Die Atmosphäre bleib dabei frei von Aggressionen und Anschuldigen. Ein Gespräch ist möglich und es wird geführt, wenn das Forum dafür geboten wird.