Treiber Immobilienmarkt
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Treiber Immobilienmarkt
Zürich, 26.9.August 2014 Zürich, Oktober 2013 Economic Research Einblick Wöchentlicher Marktausblick Raiffeisen Economic Research Raiffeisen Economic Research [email protected] [email protected] Tel. +41 044 226 7474 4141 Tel. +41 044 226 Private Verschuldung - Treiber Immobilienmarkt Die drastische private Schuldenausweitung in vielen Industrieländern wurde mit der Finanzkrise abrupt gestoppt. Die Banken, die in Kontinentaleuropa das Gros der Privatverschuldung finanzieren, verbuchten in den letzten Jahren sehr hohe Kreditausfälle – speziell in den Euroraum-Schuldenkrisenländern mit zwei aufeinanderfolgenden Rezessionen. Bei den privaten Haushalten wurde die exzessive Zunahme der Schulden durch den Immobilienboom getrieben, der in der Euroraum-Peripherie vor allem durch den massiven Rückgang der Zinsen angefeuert worden ist. Die Tragbarkeit von Hypotheken hat sich dort seit dem Platzen der Blase aber wieder weitgehend normalisiert. Weltweit ist die Korrektur in den USA am weitesten fortgeschritten. In der Schweiz hat der Boom der letzten Jahre den Immobilienerwerb zwar weniger erschwinglich gemacht, die Tragbarkeitswerte bleiben jedoch ausser im Extremzinsszenario moderat. Auch der steile Schuldenanstieg bei den Unternehmen basierte vornehmlich auf Immobilienkrediten. Neben einer generellen Ausweitung der konzerninternen Kredite, konzentrierte sich der übermässige Schuldenanstieg auf Bau- und Immobilienunternehmen, während das Verarbeitende Gewerbe auch in den Schuldenkrisenländern grundsätzlich keinen überhöhten Fremdkapitalanteil aufbaute. Der Entschuldungsprozess ist in den Hochschuldenländern Irland, Spanien und Portugal bereits gut vorangekommen, nicht zuletzt dank der Rettungsprogramme und der Bankenunion. Der Anteil Not leidender Kredite bleibt zwar, im Gegensatz zu den USA und auch dem konstant niedrigen Niveau in der Schweiz, weiterhin hoch und wird die Kreditvergabe weiterhin dämpfen. Im Szenario einer nachhaltigen Konjunkturerholung sollte sich jedoch das Kreditumfeld für den Privatsektor zunehmend verbessern. Steiler Anstieg der Verschuldung In vielen Industrieländern kannte der Weg der Verschuldung über einen längeren Zeitraum nur eine Richtung: nach oben. In den letzten Jahren stand dabei vor allem die öffentliche Verschuldung im Fokus, angeschwollen aufgrund riesiger Hilfspakete zur Stabilisierung der Konjunktur und speziell zur Rettung des Finanzsektors. Gleichzeitig haben sich die Sozialausgaben massiv erhöht und die Staatseinnahmen sind weggebrochen. Insgesamt eine explosive Mischung. Am stärksten fiel der fiskalische Absturz in Irland aus (siehe Grafik 1). Grafik 1: Bruttostaatsverschuldung, in % des BIP 180 160 140 120 100 80 60 40 20 0 2007 2013 Quelle: IWF, Raiffeisen Research Economic Research Dort wurde nicht zuletzt auf Grund des boomenden Immobiliensektors 2006 noch ein gesamtstaatlicher Budgetüberschuss von +3% des BIP erreicht. 2010 schloss der Staat seine Rechnung, stark belastet durch die Rekapitalisierung des Bankensektors, hingegen mit einem Rekorddefizit von über -30% des BIP ab. Im gleichen Zeitraum schoss die Schuldenquote von sehr niedrigen 24% auf mittlerweile über 120% des BIP in die Höhe. Die Schweiz war im Gegensatz dazu eines der wenigen Länder, das die Schuldenquote im Vergleich zum Vorkrisenniveau zurückführen konnte. Um die exzessiven staatlichen Schuldenquoten in Zukunft wieder senken zu können, ist neben der Rückführung der Budgetdefizite eine nachhaltige Erholung der Konjunktur notwendig. Ein Schlüsselfaktor hierbei ist ein funktionierender Kreditmarkt – sowohl auf der Angebotsseite als auch der Nachfrageseite. Drastische Belastungen für den Bankensektor Auf der Angebotsseite, sprich dem Bankensektor und dem Kapitalmarkt, hat sich im internationalen Vergleich vor allem die Situation in den USA mittlerweile wieder erheblich verbessert. Die Erholung des Bankensystems in den Euroraum-Schuldenkrisenländern hinkt hingegen hinterher. Dies liegt zum einen daran, dass der Anteil der Banken an der Fremdkapitalfinanzierung der Unternehmen in Kontinentaleuropa traditionell wesentlich höher ist als in den angelsächsischen Län- starken Korrekturen bei den Aktienkursen sowie Immobilienpreisen im Stress-Szenario (siehe Tabelle 1). Damit sollen endgültig die in Japan begangenen Fehler vermieden werden, wo eine Verschleppung der Bilanzbereinigung bei den Banken die Kreditvergabe an die Wirtschaft über einen sehr langen Zeitraum von 15 Jahren stark eingeschränkt hat. dern. Entsprechend waren die Bankenbilanzen in den USA vor Krisenbeginn weniger stark belastet (siehe Grafik 2). Grafik 2: Bankenkredite in % der Gesamtverschuldung im privaten Nicht-Finanzsektor (2013) 90 80 70 Tabelle 1: Bankenstresstests, Adverses Szenario 60 Abweichung vom Basisszenario Staatsanleihenrenditen, Ø in bp Aktienkurse, in % Häuserpreise, in % Gewerbeimmobilienpreise, in % 50 40 30 20 10 Mindestkapitalquote (CET1), in % 0 2011 2014 75 -15.0 -9.7 - 152 -18.3 -19.2 -11.7 5.0 5.5 Quelle: EZB, Eurostat, Raiffeisen Research Im Gegensatz zum Bankensektor, der intensiv durchleuchtet wird, findet die ebenso wichtige Nachfrageseite, also der Kreditbedarf des privaten NichtFinanzsektors, in der öffentlichen Wahrnehmung deutlich weniger Beachtung. In der folgenden Analyse betrachten wir daher detailliert die Verschuldungsentwicklung sowie -situation bei den NichtFinanzunternehmen und privaten Haushalten im internationalen Vergleich, um Rückschlüsse auf die Nachhaltigkeit der aktuellen Verschuldungsniveaus in den einzelnen Ländern ziehen zu können. Quelle: BIZ, Raiffeisen Research Zweitens wurde die Eurozone durch die in Griechenland Ende 2009 ausgebrochene Schuldenkrise nach der Subprime-Krise im Gegensatz zu den USA doppelt getroffen. Die Subprime-Krise ging zwar vom USImmobilienmarkt aus, war aber aufgrund des sehr hohen Engagements europäischer Banken in verbrieften US-Schuldtiteln eine mindestens genauso grosse Belastung für den europäischen Finanzsektor. Die Anstrengungen in der Eurozone laufen jedoch auf Hochtouren, um nach dem Doppelschock den Bankensektor bis nächstes Jahr wieder nachhaltig auf die Beine zu stellen und Vertrauen zurückzugewinnen – primär mit der Schaffung einer Bankenunion. Diese basiert im Wesentlichen auf einer gemeinschaftlichen Bankenaufsicht, der Möglichkeit Banken mit vorübergehenden Liquiditätsproblemen im Extremfall auch direkt mit Hilfsmitteln aus dem Rettungsfonds ESM zu stützen, sowie einem Bankenabwicklungsmechanismus (Single Resolution Mechanism) mit einer klar definierten Haftungskaskade. Vor der Übernahme der Bankenaufsicht für die grösseren rund 130 Banken durch die EZB werden derzeit die Bankenbilanzen einer intensiven Qualitätsprüfung unterzogen (Asset Quality Review). Dabei kommen erstmals einheitliche Standards für die Bewertung der Vermögenswerte und Sicherheiten sowie die adäquate Risikovorsorge der Banken zur Anwendung. Desweiteren wird auf Basis der neuen Bilanzbewertung ein Stress-Test durchgeführt. Die Veröffentlichung der Ergebnisse vor der Übernahme der Aufsicht durch die EZB ist für Mitte Oktober geplant. Die Banken müssen dann etwaige Kapitallücken decken. Vorsorgliche Kapitalmassnahmen sind bereits auf breiter Basis zu beobachten. Nachdem die Stress-Tests durch die europäische Bankenvereinigung (EBA) in der Vergangenheit milde gesagt wenig überzeugend waren, kündigt die EZB diesmal ein härteres Vorgehen an, um nicht die letzte Chance zur Vertrauensbildung in den europäischen Bankensektors zu verspielen. Die veröffentlichten Details zum Stress-Test weisen, trotz der bereits zwei aufeinanderfolgenden Rezessionsphasen der letzten Jahre, nochmals härtere Kriterien auf, mit einem simulierten deutlichen Anstieg der langfristigen Zinsen und Produktivitätsfortschritte rechtfertigen Schuldenboom nicht … Bevor wir uns den Schuldenzahlen näher zuwenden, ist ein genereller Blick auf die Funktionsweise des durch Fremdkapital „geschmierten“ Wachstumsmodells sinnvoll. Das Wachstumspotential einer Volkswirtschaft wird langfristig - abgesehen von der demographischen Entwicklung - durch den Produktivitätsfortschritt vorgegeben. Die Kreditvergabe schafft zwar ebenfalls zusätzliches Einkommen und Wertschöpfung. Allerdings müssen die darüber getätigten Ausgaben in der Zukunft wieder zurückgezahlt werden und senken dabei das verfügbare Einkommen. Dauerhaft kann damit das Wachstum nur positiv beeinflusst werden, wenn die Kredite erfolgreich für produktivitätssteigernde Investitionen verwendet werden. Dazu zählt aber definitiv nicht eine übermässige Kreditfinanzierung des privaten Konsums – wie es vornehmlich vor der Finanzkrise der Fall gewesen ist. Auch nicht sinnvoll sind zum Beispiel Infrastrukturinvestitionen in leerstehende Feriensiedlungen bzw. Bürokomplexe oder überdimensionierte Regionalflughäfen. Theoretisch sollte also das volkswirtschaftliche Kreditvolumen langfristig den Produktivitätsfortschritt nicht übersteigen. Überschiesst die Kreditvergabe das nominale BIP-Wachstum über einen längeren Zeitraum erheblich, steigt die Wahrscheinlichkeit einer Finanzkrise und einer späteren Korrektur1 – wie zuletzt eindrucksvoll zu beobachten war. Sehr langfristige Kreditdaten für die USA belegen den drastischen Anpassungsprozess im Zuge der „Grossen Depression“ (siehe 1 Drehmann M.: "Total credit as an early warning indicator for systemic banking crisis"; BIS Quarterly Review June 2013 2 soziale Risiken, desto geringer die Notwendigkeit des „Sicherheitssparens“ und desto grösser die Möglichkeit höherer Konsum- bzw. Investitionsausgaben. Dies ist auch eine Priorität der chinesischen Wirtschaftspolitik, um die sehr hohe private Sparquote von über 30% des verfügbaren Haushaltseinkommens zu senken und die Binnennachfrage anzukurbeln. Zum Vergleich, in der Schweiz beträgt die Sparquote rund 13%. Weiterhin können Finanzinnovationen zumindest teilweise für ein dauerhaft höheres Kreditangebot und einen besseren Zugang zu Fremdkapital sorgen, über eine höhere Effizienz und Tiefe der Kreditintermediation. Grafik 3). Seit dem Tiefpunkt der gesamtwirtschaftlichen Verschuldungsquote zum Ende des 2. Weltkriegs zeigte der Trend unter Schwankungen jedoch wieder kontinuierlich nach oben. Speziell der Verschuldungsgrad der privaten Haushalte liegt trotz des Schuldenabbaus im Nachgang der Subprime-Krise noch deutlich über vergangenen Hochpunkten. Grafik 3: US-Verschuldung nach Sektor in % des BIP 375 350 325 300 275 250 225 200 175 150 125 100 75 50 25 0 1929 In zahlreichen Ländern ist die private Verschuldung nochmals wesentlich stärker angestiegen als in den USA (siehe Grafik 4). Spitzenreiter ist wiederum Irland, mit einem drastischen Anstieg der Unternehmensverschuldung. Auch die Schweiz weist eine vergleichsweise hohe Verschuldungsquote auf, getrieben hingegen durch die privaten Haushalte. In Italien fällt die Quote im Privatsektor hingegen interessanterweise sehr viel niedriger aus als beim Staat. Abwärtstrend bei Zinsen hebt Tragbarkeit Desweiteren spielt der langfristige Abwärtstrend bei den Zinsen („Great moderation“), eine bedeutende Rolle für die Entwicklung der Schuldentragbarkeit. Seit der geldpolitischen Straffung der Fed unter Paul Volcker Anfang der 1980er zur Bekämpfung der hohen Inflationsraten im Nachgang der Ölpreiskrisen zeigt der Trend bei den langfristigen Zinsen weltweit nach unten. In den ehemaligen Hochzinsländern der Euroraum-Peripherie fiel dieser Effekt mit der Einführung der Gemeinschaftswährung und einer einheitlichen, unabhängigen Geldpolitik besonders stark aus. In Spanien sanken die Hypothekenzinsen beispielsweise von über 15% Anfang der 1990er bis auf unter 4% Mitte des letzten Jahrzehnts (siehe Grafik 5). Damit hat sich die Tragbarkeit von Immobilienfinanzierungen trotz des massiven Anstiegs der Immobilienpreise lange Zeit sogar noch weiter verbessert. Erst mit dem Zinserhöhungszyklus der EZB vor der Finanzkrise hat sich der Trend gedreht. Grafik 4: Private Verschuldung in % des BIP (4Q13) Grafik 5: Durchschnittliche Hypothekenzinsen, in % 1939 1949 Private Haushalte GSEs* 1959 1969 1979 Nicht-Finanzunternehmen Öffentlicher Sektor 1989 1999 2009 Finanzsektor * Government Sponsored Enterprises (u.a. Fannie Mae, Freddie Mac) Quelle: Fed, Raiffeisen Research 350 18 300 16 250 14 200 12 150 10 100 8 50 6 0 4 2 0 Private Haushalte 1990 1992 1994 1996 1998 2000 2002 2004 2006 2008 2010 2012 Italien Nicht-Finanzunternehmen Spanien Irland Schweiz USA Quelle: Datastream, Raiffeisen Research Quelle: BIZ, Eurostat, Raiffeisen Research Es gibt also einige handfeste Gründe dafür, dass der langfristige Aufwärtstrend bei der Verschuldungsquote nicht zwangsläufig eine Überschuldung bedeuten muss. Allerdings erscheint es aber auch kaum vorstellbar, dass ein weiterer dauerhafter und steiler Anstieg der Verschuldungsquoten in einer entwickelten Volkswirtschaft nachhaltig ist. Der Trend darf also nicht einfach fortgeschrieben werden. Man kann damit auch nicht davon ausgehen, dass die Rückkehr der Schuldenquoten nach dem Überschiessen zu ihrem Trend eine nachhaltige Korrektur bedeutet. Dies ist umso mehr der Fall, da mittlerweile wohl der Tiefpunkt beim Zinsniveau erreicht worden ist. … aber strukturelle Faktoren teilweise Ein Blick alleine auf die reine Schulden-BIP-Relation reicht jedoch nicht aus, um mögliche Überschuldungstendenzen feststellen zu können. Obwohl sich, wie weiter oben beschrieben, der Schuldenstand rein theoretisch am Wachstumspfad orientieren sollte, können strukturelle Veränderungen den „tragfähigen“ Verschuldungsgrad einer Volkswirtschaft massiv anheben. Erhöht sich zum Beispiel der Wohlstand eines Landes mit steigendem Entwicklungsstand, ermöglicht die Zunahme der Haushaltseinkommen einem grösseren Anteil der Bevölkerung überhaupt erst den Zugang zu Krediten. Ähnliches gilt für die Effizienz der Sozialversicherungssysteme. Je besser die Absicherung gegen 3 Grafik 7: Private Haushaltsverschuldung (gesamt) in % des BIP (Irland 2001 statt 1999) Um Aussagen über die „Angemessenheit“ der privaten Verschuldung in den einzelnen Ländern treffen zu können, ist ein Blick auf die nationalen Kreditmarktstrukturen und -konditionen für die einzelnen Sektoren notwendig. 140 120 100 80 Private Haushalte verschulden sich hauptsächlich für Hauskauf Betrachten wir zunächst die privaten Haushalte. Deren Verschuldung beruht überwiegend auf Immobilienfinanzierungen. Der Anteil der Konsumentenkredite ist in den meisten Ländern vergleichsweise gering. Eine Ausnahme bilden die angelsächsischen Länder. In den USA finanzieren die privaten Haushalte einen erheblich grösseren Teil ihrer Konsumausgaben auf Pump (siehe Grafik 6). Die weit verbreitete Verbriefung von Autound Studienkrediten spielt dabei eine unterstützende Rolle. 60 40 20 0 1999 Quelle: BIZ, Datastream, Raiffeisen Research Verschuldungshöhe durch Politik verzerrt Der Hypothekenverschuldungsgrad wird wesentlich durch nationale regulatorische und steuerliche Rahmenbedingungen beeinflusst. Zwei Faktoren stechen dabei hervor. Erstens, die politische Gewichtung der Wohnungsbauförderung. Aufgrund des stark unterschiedlichen Engagements des öffentlichen Sektors im Sozialwohnungsbau, wegen starker Unterschiede beim Mietrecht und somit beim Anreiz zur Bereitstellung von Mietwohnungen sowie wegen der unterschiedlichen Förderung des Eigentumserwerbs variieren die Eigentümerquoten international stark (siehe Grafik 8). Je höher die Eigentümerquote, desto höher tendenziell auch die Nachfrage an Hypothekenfinanzierungen privater Haushalte. Entsprechend sollte ein hohes Schuldenniveau bei den spanischen Haushalten nicht überraschen. Allerdings ist der Zusammenhang nicht zwangsläufig. Denn zum Beispiel weist Italien trotz einer hohen Eigentümerquote eine geringe Haushaltsverschuldungsquote auf. In der Schweiz ist wie oben bereits erwähnt wiederum das Gegenteil der Fall. Grafik 6: Kredite zu Konsumzwecken privater Haushalte in % des BIP 26 24 22 20 18 16 14 12 10 8 6 4 2 0 1999 2000 2001 2002 2003 2004 2005 2006 2007 2008 2009 2010 2011 2012 2013 USA Konsumentenkredite Schweiz Konsumentenkredite 2013 USA Home Equity Loans EWU Konsumentenkredite Quelle: SNB, EZB, Fed, Raiffeisen Research Die Konsumentenkredite haben sich im Jahrzehnt vor der Finanzkrise weitgehend im Gleichklang mit dem BIP entwickelt. Hier gibt es keine Hinweise auf eine exzessive Ausweitung, auch in den USA nicht. Dort hat sich allerdings während des Immobilienbooms das Volumen der sog. „Home Equity Loans“ erheblich ausgeweitet (siehe Grafik 6). Diese Kredite sind aufgestockte Hypotheken, die zur Finanzierung von Konsumgütern verwendet werden. Trotz des hohen Anteils der Konsumentenkredite bleibt die Gesamtverschuldungsquote der Haushalte in den USA aber unterdurchschnittlich (siehe Grafik 7). In der Schweiz ist der Anteil der Konsumentenkredite besonders niedrig (siehe Grafik 6). Dahingegen weist die Quote der Hypothekenschulden zusammen mit den Niederlanden ein Spitzenniveau auf. Grafik 8: Eigentümerquote in % aller Haushalte (2012) 90 80 70 60 50 40 30 20 10 0 Quelle: Eurostat, Raiffeisen Research Der übermässige Anstieg der Verschuldung der privaten Haushalte in einigen Ländern ist also insgesamt auf direkte und teilweise indirekte Immobilienfinanzierungen zurückzuführen. Ein klassischer Fall verzerrender Regulierung war auch die US-Eigenheimpolitik im Vorfeld der Subprime-Krise. Dies begann bereits 1994 unter Präsident Clinton mit der Reform des „Community Reinvestment Act“, die die Anreize für Banken erhöhte, mehr Kredite an Geringverdienerhaushalte auszureichen. Die Hauspreise und die Eigenheimquote wurden in die Höhe getrieben durch die Kreditvergabe an Haushalte, die die üblichen Tragbarkeitskriterien für den Erwerb eines Eigenheims nicht erfüllt haben. Entsprechend kam die Korrektur der Eigenheimquote in den USA in den letzten Jahren 4 enmarktdynamik sind, hat der Bundesrat bedenken. Dies schränke die persönliche Vertragsfreiheit zu sehr ein2. Im Gegensatz dazu hat zum Beispiel die Bank of England erst Ende Juni 2014 beschlossen, dass Banken nur noch beschränkt Neuhypotheken vergeben dürfen, die das 4.5-fache des Haushaltseinkommens übersteigen. zurück Richtung Vor-Boom-Niveau nicht überraschend (siehe Grafik 9). Grafik 9: US-Eigenheimquote in % aller Haushalte 70 69 68 Dem durch politische Anreize „verzerrten“ hohen Hypothekarvolumen in der Schweiz und den Niederlanden stehen auf der anderen Seite verhältnismässig hohe Nettofinanzvermögen gegenüber (siehe Grafik 10), die von privaten Pensions- und Versicherungsforderungen dominiert werden. Das Vermögen dient unter anderem zur späteren Bedienung der Hypothekenschuld. Dieses finanzielle Polster relativiert natürlich die hohe Bruttoverschuldung. Wie stark dadurch allerdings in einem adversen Szenario die Verschlechterung der Schuldentragbarkeit abgefedert werden kann, ist schwer zu beurteilen. Denn diese Vermögenswerte können nicht immer kurzfristig zur Deckung der Finanzierungskosten verwendet werden. 67 66 65 64 63 62 1Q85 1Q87 1Q89 1Q91 1Q93 1Q95 1Q97 1Q99 1Q01 1Q03 1Q05 1Q07 1Q09 1Q11 1Q13 Quelle: US Census, Raiffeisen Research Zweitens, kann die steuerliche Behandlung von Immobilienvermögen die Hypothekenhöhe beeinflussen. Ein sehr gutes Beispiel dafür ist die Schweiz. Im Gegensatz zu den meisten anderen Ländern wird hier privates, selbstgenutztes Immobilienvermögen einkommenssteuerwirksam. Ein fiktiver Eigenmietwert wird dem steuerbaren Einkommen hinzugerechnet. Im Gegenzug sind die entsprechenden Hypothekenzinszahlungen voll abzugsfähig. Dieses System verringert grundsätzlich den Anreiz zur Amortisation der Hypothekenschulden. Grafik 10: Vermögensbilanz Schweizer Haushalte 2200 500 2000 450 1800 400 1600 350 1400 300 1200 1000 250 200 800 In den Niederlanden hat die steuerliche Abzugsfähigkeit für Schuldzinsen ebenfalls die Rückzahlung der Schulden gedämpft. Zusätzlich hat die Möglichkeit für die Banken Hypotheken über dem Marktwert der Immobilie zu vergeben (Belehnungswert > 100%) die Entwicklung forciert. Die niederländische Regierung hat mittlerweile Massnahmen ergriffen, um die Fehlanreize zu reduzieren – insbesondere mit einer Einschränkung der Zinsabzugsfähigkeit und einer maximalen Belehnungshöhe. 600 150 400 100 200 50 0 2000 2001 2002 2003 2004 2005 2006 2007 2008 2009 2010 2011 2012 0 Finanzvermögen (inkl. Ansprüche ggü. priv. Versicherungen / Pensionskassen), Mrd. Hypothekenschulden, Mrd. Finanzvermögen in % der Hypothekenschulden (r.S.) Quelle: SNB, Raiffeisen Research Tragbarkeitswerte derzeit weitgehend „erträglich“ Zur Messung der „Angemessenheit“ der Verschuldung berechnen wir schliesslich Tragbarkeitswerte für die Hypothekenfinanzierungen. Es wird dabei erfasst, welchen Anteil des verfügbaren Nettoeinkommens ein Haushalt zur Bedienung einer marktüblichen Hypothekenfinanzierung aufwenden muss. Je höher der Wert, desto grösser ist die Gefahr, dass der Schuldner bei Einkommenseinbussen bzw. Arbeitslosigkeit oder schlechteren Finanzierungskonditionen die Schulden nicht mehr bedienen kann. Eine einfache „goldene“ Finanzierungsregel besagt, der Schuldendienst soll ein Drittel des Haushaltseinkommens nicht überschreiten. Internationale Vergleiche zeigen auch, dass über diesem Schwellenwert die Wahrscheinlichkeit für Schuldner in Zahlungsschwierigkeiten zu geraten deutlich ansteigt3. Auch in der Schweiz hat man bezüglich der Belehnung reagiert. Erstens haben die Banken über Selbstregulierung die Mindestanforderungen bei Hypothekarfinanzierungen zweimal verschärft. Seit Juli 2012 sind mindestens 10% Eigenmittel erforderlich, die nicht aus dem Guthaben der 2. Säule stammen. Zudem wurde im Juni 2014 beschlossen, dass neue Hypotheken innerhalb von 15 Jahren linear auf zwei Drittel des Belehnungswertes amortisiert werden müssen, wobei für den Belehnungswert grundsätzlich das Niederstwertprinzip gilt. Zweitens müssen bei Nichteinhaltung und Belehnungen von über 80% des Verkehrswertes höhere Eigenmittel durch die Bank hinterlegt werden. Die Zinsabzugsfähigkeit bleibt allerdings weiter unangetastet. In den Konsultationen mit dem IWF im letzten Jahr bemerkten die Schweizer Offiziellen dazu, dass sie die politische Unterstützung zu diesem Thema als gering ansehen und Reformen deshalb unwahrscheinlich erscheinen. Auch bei konkreten Tragbarkeitsregeln, z.B. einem Höchstwert für den Anteil kalkulatorischer Zinsen am Haushaltseinkommen, die laut empirischen Analysen mit die wirksamsten makroprudentiellen Massnahmen zur Abkühlung der Immobili- Zunächst vergleichen wir die von uns berechneten Werte für einen Immobilienneukauf für verschiedene Szenarien. Direkt vor dem Ausbruch der Finanzkrise 2008 – zum Höhepunkt des Hauspreisbooms in zahl2 3 5 IMF Country Report No. 13/128 Bank of England, Financial Stability Report, June 2014 Die Tragbarkeitswerte für einen Hausneukauf können sich wie oben dargestellt bei starken Preisbewegungen und Veränderungen der Finanzierungskonditionen schnell verändern. Für die Belastung der bestehenden Hypothekenfinanzierungen gilt dies hingegen nicht im gleichen Ausmass. Ein Blick auf die Struktur der Hypotheken in den einzelnen Ländern liefert weitere wichtige Informationen über die „Angemessenheit“ der Haushaltsverschuldung. Neuere Umfragen liefern Daten für die Medianwerte der Hypothekenschuld der Haushalte, die eine Hypothek aufgenommen haben also nicht verzerrt durch die länderspezifischen Eigentümerquoten bzw. den Anteil der Hypothekennehmer an den Gesamthaushalten. Im Vergleich zu den Zahlen für einen Hausneukauf liefert diese Betrachtung grundsätzlich tiefere Hypothekenbeträge je Finanzierung, aufgrund der bereits getätigten Amortisation. reichen Industrieländern – waren die Werte in der Euroraum-Peripherie und in Grossbritannien überhöht (siehe Grafik 11). Mit der teilweise massiven Korrektur der Hauspreise, Kreditabschreibungen sowie der Lockerung der Geldpolitik hat sich die Situation seitdem entschärft. Zu den aktuellen Hypothekenzinsen liegen die Tragbarkeitswerte wieder auf annehmbaren Niveaus, allen voran in den USA. Die USA können bei dieser Betrachtung aufgrund der starken Konzentration der Finanzierungsprobleme im Subprime-Segment als Sonderfall angesehen werden. Die Tragbarkeitswerte waren im Durchschnitt auch zum Höhepunkt des Immobilienbooms nicht kritisch, jedoch für die zum Hauskauf animierten Geringverdienerhaushalte umso mehr. Und auch im Szenario eines kalkulatorischen Zinssatzes von 5% (+ 1% jährliche Instandhaltungspauschale; also einer Gesamtbelastung von 6%) wird die "goldene" Finanzierungsregel in den ehemaligen Blasenländern aktuell im Durchschnitt nicht mehr verletzt. Bei dieser Berechnung verringert sich der Tragbarkeitswert für alle Länder, jedoch in einem stark unterschiedlichen Ausmass. Während die Daten für die Niederlande, Irland und die USA im Vergleich zum Neukauf nur geringe Rückgänge zeigen, drittelt sich zum Beispiel der Tragbarkeitswert für Portugal. Auch für die Schweiz berechnen wir auf Basis des aktuellen durchschnittlichen Hypothekenzinssatzes eine Halbierung auf sehr moderate 10% (siehe Grafik 12). Und berücksichtigt man zusätzlich den steuersystembedingten Anreiz zu geringerer Amortisation in der Schweiz, ist die Situation nochmals besser zu bewerten. In Grossbritannien wurde hingegen mit der durch öffentliche Subventionen weiter angefachten Hauspreisbeschleunigung der Schwellenwert der "goldenen" Finanzierungsregel zuletzt wieder erreicht. Auch in der Schweiz hat sich der Wert für das 5%-ZinsSzenario im Zuge der starken Immobilienpreissteigerungen der letzten Jahre auf einen Spitzenplatz erhöht, was per se eigentlich auf ein erhöhtes Risiko schliessen lässt. Allerdings lag der Durchschnittszinssatz für Hypothekenfinanzierungen in der Schweiz seit Mitte der 1990er immer deutlich unter der 5%-Marke – im Gegensatz zu allen anderen beobachteten Ländern. Im Durchschnitt der letzten 10 Jahre mussten die Schweizer Immobilienkäufer etwas weniger als 3,0% Zinsen zahlen, 1-2 Prozentpunkte weniger als in den anderen Ländern. Das historisch strukturell niedrigere Zinsniveau in der Schweiz, basierend hauptsächlich auf dem stabilen wirtschaftlichen und politischen Umfeld mit soliden Staatsfinanzen, sollte auch in Zukunft erhalten bleiben. Und zu den aktuellen durchschnittlichen Hypothekenkonditionen lässt sich mit 20% kein überdurchschnittlicher oder gar kritischer Tragbarkeitswert feststellen (siehe Grafik 11). Grafik 12: Tragbarkeit: Schuldendienst in % des verfügbaren Median-Einkommens für Durchschnittszinssatz 25 20 15 10 5 0 Neukauf Grafik 11: Tragbarkeit: Schuldendienst in % des verfügbaren Median-Einkommens für Kauf mit 20%-EKAnteil (Zins + 1% Instandhaltungspauschale) Quelle: Raiffeisen Research Zinssensitivität in Euroraum-Peripherie hoch 50 Wie schnell sich höhere Zinsen im Schuldendienst laufender Finanzierungen niederschlagen, hängt von der Zinsbindung der Hypothekenkredite ab. Je höher der Anteil variabler Verzinsung, desto rascher verschlechtern Zinserhöhungen die Tragbarkeit des Immobilienfinanzierungsportfolios. Die nationalen Kreditstatistiken zeigen für Frankreich und Deutschland einen sehr hohen Anteil an Hypotheken mit längerer Zinsbindung (siehe Grafik 13). Auch in der Schweiz ist der Anteil an Hypotheken mit einer Zinsbindungsrestlaufzeit von über einem Jahr noch überdurchschnittlich hoch. In Italien gibt es eine ausgewogene Mischung. Die anderen Euroraum-Schuldenkrisenländer weisen hingegen einen sehr hohen Anteil an variabel verzinslichen Hypotheken auf. Dort wären die kurzfristigen 45 40 35 30 25 20 15 10 5 0 2007/8, Durchschnittssatz Aktuell, Durchschnittssatz Medianhypothek Aktuell, 5% Quelle: Raiffeisen Research 6 am Schweizer Häusermarkt wie von uns erwartet weiter kontinuierlich ab, dürften die Tragbarkeitswerte auch künftig keineswegs bedrohliche Niveaus erreichen, wie es Anfang der 1990er der Fall war – in der Spitze mit einem Tragbarkeitswert für einen Neukauf von über 90%. Auswirkungen steigender Zinsen auf den Schuldendienst der privaten Haushalte am stärksten. Grafik 13: Anteil Hypotheken mit anfänglicher Zinsbindung < 1 Jahr in % (2013) 90 80 70 Konzerninterne Kredite blähen Unternehmensverschuldung auf Kommen wir nun zu den Unternehmen. Genau wie bei den privaten Haushalten gibt es im Unternehmenssektor eine starke Divergenz bei den nationalen Schuldenquoten und deren Entwicklung vor der Finanzkrise. 60 50 40 30 20 10 0 Die Unternehmensverschuldung in den USA hat den Höhenflug der Haushaltsverschuldung nicht mitgemacht. Der Anstieg im Vorfeld der Finanzkrise fiel deutlich gedämpfter aus. Die Quote bleibt im internationalen Vergleich moderat. Dies gilt auch für Italien, wo sowohl die Verschuldung der privaten Haushalte als auch der Nicht-Finanzunternehmen im Gegensatz zum Staat ein niedriges Niveau aufweist. Auch in der Schweiz ist die Schuldenquote der Unternehmen nicht überhöht. Anders sieht es für Spanien, Portugal und allen voran abermals für Irland aus (siehe Grafik 15). Quelle: EZB, SNB, Raiffeisen Research Dies ist ein bedeutender Faktor, den die EZB sicher bei der Entscheidung über Beginn und Ausmass einer zukünftigen Zinsnormalisierung berücksichtigen wird. Derzeit wird ein erster Zinsschritt nach oben allerdings nicht vor 2016 erwartet. Die negativen Effekte eines raschen Anstiegs der Kapitalmarktzinsen zeigten sich im letzten Jahr in den USA. Die „Tapering“Ankündigung durch den damaligen Fed-Vorsitzenden Ben Bernanke trieb die Renditen für US-Treasuries und im Gefolge auch die langfristigen Hypothekenzinsen in die Höhe. Der Zinssatz für fixe 30-Jährige Hypotheken stieg in kurzer Zeit von 3.4% auf 4.6% an. Daraufhin war eine starke Korrektur der Genehmigungen für neue Hypotheken festzustellen, die die Erholung auf dem Immobilienmarkt abbremste (siehe Grafik 14). Grafik 15: Bruttoverschuldung Nicht-Finanzunternehmen in % des BIP (Irland 2001 statt 1999) 220 200 180 160 140 120 100 80 60 40 20 0 Grafik 14: Zinsschub bremst Erholung am USImmobilienmarkt aus 4.8 220 4.6 210 4.4 200 4.2 1999 190 4.0 Quelle: BIZ, Eurostat, Raiffeisen Research 180 3.8 Der starke Anstieg der Bruttoverschuldung in einigen Ländern ist jedoch erheblich nach oben verzerrt. Die zunehmende internationale Verflechtung im Unternehmenssektor hat über eine starke Ausweitung der konzerninternen Kredite (Intra-company loans) zu einem entsprechenden Anstieg der nichtkonsolidierten Unternehmensverschuldung geführt. Steuervermeidungsstrategien spielen dabei eine wichtige Rolle. Im Euroraum hat sich der statistisch erfasste Anteil konzerninterner Kredite am BIP seit 1995 auf über 15% verdreifacht. In den meisten Schuldenkrisenländern hatte dieser Faktor einen nennenswerten Einfluss auf den Anstieg der Unternehmensverschuldung. Vorreiter sind dabei Irland und Portugal, mit einem Anteil von über 25% des BIP (siehe Grafik 16). Aber auch in Spanien ist der Anteil erheblich angestiegen. Eine geringe Bedeutung haben diese Kredite hingegen in Italien. Bereinigt um diesen Effekt fallen die konsolidierten Schuldenquoten für die hochverschuldeten Länder bereits spürbar niedriger aus. Darüber hinaus ist zu berücksichtigen, dass die verfügbaren konsolidierten 3.6 170 3.4 160 3.2 3.0 150 Jan 12 Jul 12 Jan 13 Hypothekengenehmigungen (Index) Jul 13 2013 Jan 14 Hypothekenzins, 30 Jahre (r.S.) Quelle: Bloomberg, Raiffeisen Research Insgesamt zeigen die Daten zur Verschuldung der privaten Haushalte, dass die Tragbarkeit in den untersuchten Ländern derzeit auf breiter Front keine exzessiven Werte (mehr) aufweist. Die Lage in den Blasenländern hat sich in den letzten Jahren bereits zu einem guten Stück normalisiert. In der Schweiz weisen die Tragbarkeitswerte trotz des starken Hauspreiswachstums der letzten Jahre wie beschrieben keine kritischen Niveaus auf. Ausser im unwahrscheinlichen 5%-Zins-Szenario bleiben die Werte moderat, trotz der systembedingten höheren Bruttoverschuldung. Und schwächt sich die Dynamik 7 Grafik 17: Verschuldung Nicht-Finanzunternehmen Daten nicht um „Intra-company loans“ von ausländischen Konzern- bzw. Tochtergesellschaften bereinigt sind. Damit sollte das „effektive“ Schuldenniveau nochmals deutlich geringer sein als es die Bruttodaten anzeigen – besonders in Irland, wo der Anteil multinationaler Konzerne an der Wertschöpfung besonders hoch ist. Auch für die Schweiz dürfte aufgrund der hohen Internationalisierung der Wirtschaft die bereinigte Quote spürbar niedriger ausfallen als der nur ohne inländische "Intra-company loans" ausgewiesene Wert von rund 85% (siehe Grafik 16). 200 180 160 140 120 100 80 60 40 20 0 1995 1997 1999 2001 2003 Spanien, in % der Bilanzsumme Irland, in % der Bilanzsumme Portugal, in % der Bilanzsumme Grafik 16: Verschuldung Nicht-Finanzunternehmen in % des BIP (2012) 2005 2007 2009 2011 Spanien, in % des BIP Irland, in % des BIP Portugal, in % des BIP Quelle: Eurostat, Raiffeisen Research 225 200 Mit dem Aufbau der Immobilienpreisblase haben sich die Bilanzen der Unternehmen in diesen beiden Sektoren extrem aufgebläht, während die Entwicklung zum Beispiel im Verarbeitenden Gewerbe im Einklang mit der BIP-Entwicklung verlaufen ist. Dies unterlegen verfügbare Sektordaten für Spanien (siehe Grafik 18). Ein ähnliches Muster war auch für Irland und Portugal festzustellen. 175 150 125 100 75 50 25 0 Konsolidiert Grafik 18: Spanien Unternehmenskredite und BIP, Index (1Q95=100) Konzerninterne Kredite (soweit berechnet) Quelle: BIZ, Eurostat, Raiffeisen Research 2500 2300 Immobilienkredite dominieren auch Überschuldung der Unternehmen Die Untersuchung des Haushaltssektors hat eine Konzentration der Verschuldung im Immobilienbereich gezeigt. Interessanterweise hängt auch der massive Anstieg der Unternehmensverschuldung in den Peripherieländern überwiegend mit dem Immobilienmarktboom zusammen. 2100 1900 1700 1500 1300 1100 900 700 500 300 100 Betrachtet man neben der Schulden-BIP-Relation das Verhältnis der Schulden zum Wert des Gesamtvermögens bzw. der Bilanzsumme der Nicht-Finanzunternehmen ergibt sich für die Hochschuldenländer ein ganz anderes Bild. In Portugal, Spanien und Irland hat im Vorfeld der Krise neben der Verschuldung auch die Bewertung der unterliegenden Vermögen erheblich schneller als die Wirtschaft zugelegt. Entsprechend hat sich die Höhe der "Sicherheiten" der Unternehmen ausgeweitet. Besonders frappant war die Entwicklung wenig überraschend wiederum in Irland. In allen drei Ländern kann die exzessive Verschuldung fast vollständig durch den Anstieg der Vermögenswerte erklärt werden (siehe Grafik 17). 1Q95 1Q97 1Q99 Industrie 1Q01 Bau 1Q03 1Q05 1Q07 1Q09 Immobilienwirtschaft 1Q11 1Q13 BIP Quelle: Banco de España, Raiffeisen Research Die heterogene Verschuldungssituation bedeutet entsprechend auch sehr unterschiedliche Tragbarkeitsniveaus in den einzelnen Sektoren. Die Zinsbelastung in Prozent des Bruttobetriebsergebnisses hat sich bereits auf Grund des Zinserhöhungszyklus der EZB während der Boomphase und weiter nach dem Platzen der Blase während der Doppel-Rezession aufgrund wegbrechender Umsätze in den Hochschuldenländern bei den Bauunternehmen dramatisch erhöht (siehe Grafik 19). 8 Grafik 19: Bauunternehmen; Zinsausgaben in % EBITDA (keine Daten für Irland verfügbar) Bausektor halbierte und endgültig stabilisierte (siehe Grafik 21). Die Korrektur in Irland sollte nun grösstenteils abgeschlossen sein. Denn laut Berechnungen der irischen Zentralbank hat sich das den Krediten unterliegende Immobilienvermögen seit 2007 ebenfalls knapp halbiert bevor es seit Ende 2013 wieder nach oben zeigt. Aktuell legen die Hauspreise in Irland im Jahresvergleich wieder spürbar zu. Ein erneuter starker Hauspreiszyklus birgt allerdings mittelfristig die Gefahr die vergleichsweise höheren Tragbarkeitswerte erneut auf kritische Niveaus zu heben. Dies gilt auch für Grossbritannien, wo die Regierung mit dem neuen Eigenheimförderprogramm "Help to buy" die Immobilienpreise weiter in die Höhe getrieben hat. In Spanien und Portugal wurde im ersten Halbjahr 2014 hingegen noch ein weiterer Rückgang der Hauspreise gegenüber Vorjahr verzeichnet. 180 160 140 120 100 80 60 40 20 0 Deutschland Frankreich Italien 2001 Spanien Portugal 2012 Quelle: BACH, Raiffeisen Research Im Verarbeitenden Gewerbe hat sich die Tragbarkeit trotz der tiefen Rezession hingegen viel besser gehalten – mit ähnlichen Werten wie zum Beispiel in Deutschland (siehe Grafik 20). Entsprechend ist in diesem Sektor auch in den Hochschuldenländern, im Falle einer nachhaltigen Konjunkturerholung, generell kein besonderer Korrekturbedarf auszumachen. Grafik 21: Bankenkredite an Bau- und Immobilienunternehmen, Index (Kredithochpunkt=T, in Quartalen) 110 100 90 80 70 Grafik 20: Verarbeitendes Gewerbe; Zinsausgaben in % EBITDA (keine Daten für Irland verfügbar) 60 50 40 40 30 30 20 10 0 20 T-20 T-16 T-12 T-8 T-4 Irland T+4 T+8 T+12 T+16 T+20 T+24 T+28 T+32 T+36 T+40 T+44 T+48 Portugal Schweiz USA Quelle: Nationale Zentralbanken, Raiffeisen Research 10 0 T Spanien Italien Spanien Deutschland 2001 Frankreich Die Bereinigung der Bankenbilanzen in der Eurozone, die durch die Einführung der Bankenunion in diesem Jahr weiter vorangetrieben wird, ist ein wichtiger Schritt in Richtung Normalisierung des Kreditumfelds. Mit gesunden Bilanzen können die Banken bei voranschreitender Konjunkturerholung in den Krisenstaaten ihre Kreditvergabe wieder ausweiten. Etwas unterstützend werden sich hier auch die neu angekündigten gezielten Langfristrefinanzierungsgeschäfte (TLTRO) der EZB auswirken. Sie bieten den Geschäftsbanken bei einer Ausweitung des Kreditvolumens an die privaten Nichtfinanzunternehmen langfristig sehr günstige Refinanzierungskonditionen. Die verbesserte Lage spiegelt sich mittlerweile in den zunehmend positiveren Bankenumfragen zur Kreditvergabe wider. Portugal 2012 Quelle: BACH, Raiffeisen Research Banken müssen die Altlasten endgültig regeln Der Finanzsektor in Spanien, Portugal und Irland wurde im Rahmen der Rettungsprogramme in den letzten Jahren weitreichend restrukturiert. Die drastisch gestiegenen Not leidenden Kredite wurden in den Bankenbilanzen mittlerweile zu einem guten Teil berücksichtigt und durch umfangreiche Rekapitalisierungen des Bankensystems kompensiert. Am weitesten fortgeschritten ist der Entschuldungsprozess in Irland und Spanien. Mit der Gründung von „Bad Banks“ (NAMA respektive Sareb) hat der Abbau des toxischen Kreditportfolios jeweils einen Schub bekommen. In beiden Ländern hat sich das Volumen der Bankenkredite an Unternehmen im Bausektor und der Immobilienwirtschaft im Vergleich zum Höhepunkt halbiert (siehe Grafik 21). Die Anpassung in Portugal ist in dieser Beziehung weniger fortgeschritten. Allerdings fielen dort die Hauspreisanstiege vor der Krise weit weniger exzessiv aus. Die Bilanzbereinigung verläuft damit in den Krisenländern vergleichsweise schnell – ähnlich wie in den USA. Dies verdeutlicht auch ein Vergleich mit dem Anpassungsprozess in der Schweiz nach dem Platzen der Immobilienblase in den 1990ern. Damals dauerte es 12 Jahre bis sich das Kreditvolumen im Hemmend für eine sich belebende Kreditdynamik bleibt im Gegensatz zur weitreichenden Anerkennung und Bilanzierung (Wertberichtigungen) der in der Vergangenheit aufgelaufenen Kreditrisiken in den Bankenbilanzen die konkrete Abwicklung der Altlasten, um letztendlich die gebundenen Ressourcen wieder freizusetzen und den betroffenen Kreditnehmern einen Neustart zu ermöglichen. In den Immobilienblasenländern ist bislang nur in den USA ein grosser Fortschritt bei der endgültigen Restrukturierung der Not leidenden Kredite zu beobachten. Die Quote Not leidender Kredite am Gesamtkreditvolumen ist dort auf dem Weg Richtung Vorkrisenniveau (siehe Grafik 22). In den anderen Ländern liegt der Anteil weiterhin auf 9 hohen Niveaus bzw. war zuletzt noch nach oben gerichtet. In der Schweiz stellt sich die Frage der Bereinigung von Altlasten hingegen gar nicht – untermauert durch die konstant niedrige Rate an Not leidenden Krediten. Und auch im Falle einer Eintrübung des konjunkturellen Umfelds sehen wir trotz des dynamischen Hypothekenwachstums der letzten Jahre und der vergleichsweise hohen Bruttoverschuldung der privaten Haushalte auf Basis der vorhergehenden Analyse keine akuten, hohen Systemrisiken für den Finanzsektor. Die von der Politik und den Banken selbst verschärften Kreditvergaberichtlinien, sowie der wegen des sehr niedrigen Zinsniveaus gesunkene steuerliche Anreiz Hypotheken nicht zu amortisieren, sollten zudem einen dämpfenden Einfluss auf die Entwicklung der Schuldenquote haben. Eine zügige Regelung der Altlasten und vor allem eine nachhaltige konjunkturelle Erholung sind nun entscheidend, um letztlich die Früchte der harten Anpassungen ernten zu können. Eine klare Trendwende bei den Unternehmensinsolvenzen und am Arbeitsmarkt ist die Bedingung dafür, dass sich der Bereinigungsbedarf bei den Banken und den Kreditnehmern nicht nochmals weiter erhöht, sondern allmählich abklingt. Im Basisszenario einer moderaten und fortlaufenden Konjunkturerholung sollte sich die Kreditvergabe im Euroraum in absehbarer Zukunft wieder beleben. Von einem Quantensprung bei den Neukrediten ist jedoch nicht auszugehen. Daran werden auch jedwede Anreize der EZB nicht sehr viel ändern. [email protected] Grafik 22: Not leidende Kredite, in % aller ausstehenden Kredite 14 13 12 11 10 9 8 7 6 5 4 3 2 1 0 2000 2001 2002 2003 2004 2005 2006 2007 2008 2009 2010 2011 2012 2013 1Q14 Schweiz Spanien Irland Italien USA Portugal Quelle: Nationale Zentralbanken, Raiffeisen Research 10 HERAUSGEBER TEAM Raiffeisen Schweiz, Economic Research Chefökonom Martin Neff Brandschenkestrasse 110d, CH-8002 Zürich Tel.: 044 226 74 41 E-Mail: [email protected] Roland Kläger (Schweiz) Tel.: 044 226 74 22 E-Mail: [email protected] Alexander Koch (EWU, Deutschland) Tel.: 044 226 74 37 E-Mail: [email protected] Santosh Brivio (Weltwirtschaft) Tel.: 044 226 74 35 E-Mail: [email protected] Domagoj Arapovic (USA, Weltwirtschaft) Tel.: 044 226 74 38 E-Mail: [email protected] Möchten Sie diese Publikation abonnieren? Der Wochenausblick kann unter http://www.raiffeisen.ch/web/research+publikationen abonniert werden. 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