n°415
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Kunsträume DAS MAGAZIN DER MDW U N I V E R S I TÄT F Ü R M U S I K U N D DARSTELLENDE KUNST WIEN Die Swarowsky Idee The “Swarowsky Idea” KUNSTRÄUME – DAS MAGAZIN DER MDW E R S C H E I N U N G S O R T: 1 0 3 0 W I E N , V E R L A G S P O S TA M T 1 0 3 0 W I E N P. B . B . G Z 0 4 Z 0 3 5 5 5 1 M 20 n°4 15 MAGAZINE OF THE MDW UNIVERSITY OF MUSIC AND PERFORMING ARTS VIENNA 11 Standorte UNIVERSITY OF MUSIC AND PERFORMING ARTS VIENNA LOCATIONS 11. 10. 01. 02. A l f r e d e i s e n s tA e d t, VJ d A y, t i m e s s q u A r e , n y, 14 . A u g u s t 1 9 4 5 © A l f r e d e i s e n s tA e d t, 2 0 14 / l e i c A c A m e r A A g , c o u r t e s y o f s k r e i n P h o t o c o l l e c t i o n U N I V E R S I TÄT F Ü R MUSIK UND DARSTELLENDE KUNST WIEN 03. + 04. 08. 07. 05.+06. 09. Anton-von-Webern-Platz 1 02. Lothringerstraße 18 03. Metternichgasse 8 04. Metternichgasse 12 05. Penzinger Straße 7 06. Penzinger Straße 9 07. Rennweg 8 08. Rienößlgasse 12 Schönbrunner Schlossstraße 10. Seilerstätte 26 11. Singerstraße 26A 01. 09. Augen AuF! 100 JAhre leicA FotogrAFie 04.12.2015—21.02.2016 Führung durch die Ausstellung Für mdw club mitglieder 10. dezember 2015, 17 h Anmeldung unter [email protected] www.mdw.Ac.At/mdwclub Westlicht. schAuPlAtz für fotogrAfie WestbAhnstrAsse 40, 1070 Wien, +43 (0)1 522 66 36–60 [email protected], WWW.Westlicht.com Editorial Sehr geehrte Damen und Herren, ich begrüße Sie herzlich, auch im Namen des neuen Rektorates, bei der Lektüre dieser Kunsträume. Am 9. November wurden unsere neuen Vizerektorinnen, Vizerektoren und ich inauguriert. Einen Bericht zu diesem großen Fest finden Sie auf den Seiten 6 bis 11. Schon die ersten Wochen im Amt waren begleitet von vielfältigen Erfolgsmeldungen unserer Studierenden, AbsolventInnen und Lehrenden − ein für das neue Rektorat wundervoller Start! Das Special dieser Kunsträume widmet sich dem Thema DirigentInnenausbildung an der mdw, eine Erfolgsstory seit vielen Jahrzehnten. Bereits im 19. Jahrhundert waren mit Gustav Mahler und Franz Schreker zwei Ikonen dieses Fachs aus unserer Schule hervorgegangen, nach Ende des II. Weltkrieges sorgten insbesondere die Schüler des legendären Professors Hans Swarowsky für Furore, und mdw-Absolvent Kirill Petrenko hat es in kürzester Zeit an die Spitze der wenigen ausgewählten Dirigenten-Stars unserer Zeit geschafft. Mit den beiden Professoren Mark Stringer und Johannes Wildner findet das Fach seine hoffnungsvolle Fortsetzung. Entdecken Sie in dieser Ausgabe spannende Facetten der Musik- und Kunstausbildung an unserem Haus und tauchen Sie in die vielfältigen Kunsträume der mdw ein. Einen vergnüglichen Lesegenuss wünscht Ladies and Gentlemen, On behalf of the entire new rectorate team, I bid you a warm welcome to this issue of Kunsträume. On 9 November, our new vice rectors and I were inaugurated, and you will find a report on this major celebration on pages 6 to 11. My initial weeks in office were accompanied by news of success on the part our students, alumni, and instructors in diverse areas—a wonderful start to the new rectorate’s term of office! The “Special” section of this Kunsträume issue, on the other hand, is devoted to an mdw success story that already covers decades upon decades, namely: the training of conductors. As early as the 19th century, two icons of this field—Gustav Mahler and Franz Schreker—graduated from our school, while during the period following World War Two it was particularly the students of the legendary mdw professor Hans Swarowsky who made waves. Today, mdw alumnus Kirill Petrenko has ascended to the apex of our era’s small, select group of conducting stars in an amazingly brief span of time. And in Professors Mark Stringer and Johannes Wildner, the conducting programme looks forward to a future full of hope. So please enjoy discovering this issue’s multifarious insights on musical and artistic training at the mdw, immersing yourself in its diverse “Kunsträume” —realms of art—as you do so. Sincerely yours, Ulrike Sych, Rector Ulrike Sych, Rektorin 1 Content 01 Editorial EDITORIAL 05 Kolumne Barbara Kaufmann: Vom Takt angeben COLUMN Barbara Kaufmann: On Dictating the Rhythm 06 Report Inauguration von Rektorin Ulrike Sych REPORT The Inauguration of Rector Ulrike Sych 12 Newcomer DRAMA 44 Stefanie Reinsperger im Porträt A PORTRAIT OF STEFANIE REINSPERGER 48 Glaube, Liebe, Hoff nung FAITH, HOPE AND CHARITY FILM 52 Alles wird gut Patrick Vollrath im Porträt EVERYTHING WILL BE OKAY A portrait of Patrick Vollrath NEWCOMER RESEARCH SPECIAL 14 Die Swarowsky-Idee THE “SWAROWSKY IDEA” 16 Die Wahrung der Gestalt KEEPING SHAPE 22 Zwischen Demut und Dominanz Johannes Wildner im Interview BETWEEN HUMILITY AND DOMINANCE Interview with Johannes Wildner 28 Forschungsprojekt Hans Swarowsky 56 Ein Grund zu feiern Michaela Hahn im Interview A CAUSE TO CELEBRATE Interview with Michaela Hahn 60 Gender goes Musik * Theater * Film GENDER GOES MUSIC * THEATRE * FILM 62 Rethinking Belcanto RETHINKING BEL CANTO 64 Transfer und Transformation TRANSFER AND TRANSFORMATION RESEARCH PROJECT: HANS SWAROWSKY MUSIC 34 Clara Maria Bauer im Porträt A PORTRAIT OF CLARA MARIA BAUER 36 Fließende Grenzen Pier Damiano Peretti im Interview BLURRED DISTINCTIONS Interview with Pier Damiano Peretti 40 Von Wassernixen und anderen Geistern ON WATER NYMPHS AND OTHER SPIRITS 66 mdw club Alumni im Fokus: Kirill Petrenko Alumni in Focus: Kirill Petrenko Europa ist überall. Österreich Welt Bestellung unter: www.wienerzeitung.at T. 0810 0810 99, F. 0810 0810 90 E. [email protected] www.wienerzeitung.at/abo KIRCHE ST. URSULA 26 Seilerstätte © mollom © mollom Die mehrhöfige barocke Klosteranlage der Ursulinen, deren Klostergebäude und Kirche zum großen Teil vom österreichischen Baumeister Anton Erhard Martinelli erbaut wurden, entstand von 1666 bis 1745. Die Ursulinen-Schwestern, die bereits im Jahr ihres Eintreffens eine Schule eröffneten, führten diese in den historischen Räumlichkeiten bis zum Jahr 1960. In den Jahren 1963 bis 1968 wurde das Kloster in der Seilerstätte für die Bedürfnisse der damaligen Akademie für Musik und darstellende Kunst adaptiert und umgebaut. Das Haus blickt somit auf 350 Jahre Unterrichtstätigkeit zurück. Die mit einer zweimanualigen Orgel von Gregor Hradetzky aus dem Jahr 1968 ausgestattete Kirche bietet 90 Personen Platz. Die barocke Kirche, die den regelmäßigen Aufführungen des Instituts für Orgel, Orgelforschung und Kirchenmusik der mdw Raum bietet, verfügt über eine reiche einheitliche Stuckausstattung aus dem späten 17. Jahrhundert sowie klassizistische Hoch- und Wandaltäre und die Heilig-Grab-Kapelle mit einer bemerkenswerten Grablegungsgruppe. Die Kirche ist zum Besuch von Klassenabenden und öffentlichen Diplomprüfungen sowie zu den musikalisch gestalteten Gottesdiensten öffentlich zugänglich. © mollom The multi-courtyard baroque convent and church of the Order of St. Ursula, much of which was built by the Austrian architect Anton Erhard Martinelli, took shape between 1666 and 1745. The Ursulines opened a school the year they moved in, and they ran it here until 1960. Thereafter, from 1963 to 1968, these spaces on Seilerstätte were adapted and altered to suit the needs of the then-Academy of Music and Performing Arts. This location can thus look back on 350 years of teaching history. The church, equipped with a two-manual organ built in 1968 by Gregor Hradetzky, can seat 90 people. This baroque space, which plays host to regular performances by students of the Department of Organ, Organ Research and Church Music, exhibits rich, unified stucco decorations from the late 17th century along with a classicist high altar and bye-altars plus the Heilig-Grab-Kapelle [Chapel of the Holy Sepulchre] with its remarkable entombment scene. The church is publically accessible for recitals and public diploma examinations as well as for services with music provided by the department. Kolumne Vom Takt angeben W enn man über jemanden sagt, dass er „den Takt angibt“, meint man damit oft, er hat das Sagen. Es ist gleichbedeutend damit, die Führung zu übernehmen, die Kontrolle über eine Situation zu haben, eine Vormachtstellung einzunehmen. Der Dirigent eines Orchesters tut all diese Dinge. Er leitet das Ensemble, er bestimmt die Interpretation eines Musikstückes. Er steht stark exponiert und gut erkennbar für das Publikum an der Spitze des Orchesters. Nicht umsonst nennt man ihn auch den Meister, il Maestro. Doch der Dirigent bewegt während seiner Arbeit weit mehr als nur den Taktstock. Um zu unterstreichen, was er von den Musikern möchte, um sie gemeinsam in eine Richtung zu leiten, benützt er Hände und Arme, setzt seine Augen und seine Mimik ein. Er legt seinen Finger an die Lippen, um zu veranschaulichen, dass das Musikstück an einer Stelle leiser werden soll. Je nach Typus ist er theatralisch, leidenschaftlich, dramatisch, reißt die Arme hoch, springt auf und nieder, um die Musiker mitzureißen. Oder er ist nüchtern, konzentriert, akribisch in seinem Arbeitsstil. In jedem Fall ist Dirigieren eine Ganzkörpererfahrung, ein Mitleben mit jeder Note, jedem Takt, jedem Ton. Selbst bei großen Orchestern steht der Dirigent unweigerlich im Mittelpunkt. Ob Exzentriker oder sensibler Pultstar mit natürlicher Autorität, nachdem der Mann mit dem Taktstock die Musiker durch die Vorstellung führt, sind automatisch alle Augen auf ihn gerichtet. Selbst jene von Unternehmensberatern, Coaches und Managern, denen in eigenen Kursen immer häufiger die Grundlagen des Dirigierens beigebracht werden. Das Schwingen des Taktstockes als Übung für Leadership in Großkonzernen. In den vergangenen Jahren nehmen endlich immer mehr Frauen am Dirigentenpult Platz. Auch wenn sie noch immer eine Ausnahme in vielen Opernhäusern repräsentieren, scheint das old boys network an vielen Stellen durchbrochen zu werden, die gläserne Decke, durch die Frauen vom Taktstock getrennt werden, bekommt Sprünge. Frauen, die den Ton angeben, sind auch auf den Kunstuniversitäten keine seltene Spezies mehr. Das gibt Hoffnung, denn die Zeiten sind mehr als reif für la Maestra, die Meisterin. ON DICTATING THE RHYTHM When it’s said about someone that they “dictate the rhythm”, or for that matter “set the tone”, what’s often meant is that they’re in charge. It’s synonymous with taking the lead, having control over a situation, being in a position of authority. An orchestral conductor does all of these things. He leads the ensemble and determines how a musical work will be interpreted. And he takes up an exposed position at the head of the orchestra, in clear view of the audience. It’s not for nothing that conductors are often called Maestro, that is: “master”. As he works, a conductor will move far more than just the baton. In order to underline what he wants from musicians and lead them all in a certain direction, he’ll also use his hands and arms, his eyes and facial expressions. He’ll hold a finger up to his lips when the music should grow softer. And depending on his personality, he might be theatrical, passionate, or dramatic, even throwing up his arms or jumping up and down in order to sweep the musicians along. Or he’ll exhibit a sober, concentrated, and fastidious working style. Whatever the case, conducting is a total body experience of every note, measure, and sound. Even in large orchestras, it’s undeniably the conductor who stands at the centre of attention. And regardless of whether he’s an eccentric or a sensitive podium star with natural authority: after the man with the baton has led the musicians through the performance, all eyes are trained on him. Including those of business consultants, coaches, and managers, more and more of whom are now taking special courses to learn conducting basics—swinging a baton as an exercise for leadership in large corporations. In recent years, we’ve finally seen more and more women taking their places on the conductor’s rostrum. And even if woman conductors do still represent the exception at many opera houses, the operatic “good old boys’ network” and the glass ceiling separating women from the baton would indeed seem to have been penetrated in several places. These days, at arts universities, women who set the tone have long since ceased to be a rare species. Which lets ups hope that the time is also more than ripe for la Maestra. Kolumnistin Barbara Kaufmann, mdw-Absolventin (Filmakademie), Filmemacherin und freie Journalistin, liebt Programmkinos, Oper und Off-Theater Columnist, mdw graduate (Filmakademie Wien), filmmaker, and freelance journalist; loves art-house cinemas, opera and fringe theatre 5 Report Inauguration von Rektorin Ulrike Sych AM 9. NOVEMBER FAND IM JOSEPH HAYDN-SAAL DER MDW – UNIVERSITÄT FÜR MUSIK UND DARSTELLENDE KUNST WIEN DIE INAUGURATION VON REKTORIN ULRIKE SYCH UND IHREM TEAM – DEN VIZEREKTORINNEN CHRISTIAN MEYER, BARBARA GISLER-HAASE, GERDA MÜLLER UND JOHANN BERGMANN STATT. „Ich möchte eine Universität, in der das Aneignen von Wissen und Fertigkeiten nicht additiv lose aneinandergereiht wird, sondern inhaltliche Zusammenhänge effizient hergestellt und Synergien entwickelt werden.“ REKTORIN ULRIKE SYCH “I want to have a University where the acquisition of knowledge and skills is not simply sequenced in an additive fashion, with relationships and synergies between various types of content instead being efficiently set up and developed.” „ICH HABE VOR, DIE UNIVERSITÄT INTERNATIONAL IN G R O SSE M AU SMASS Z U REPRÄSENTIEREN UND MICH UM INTERESSANTE KÜNSTLERISCHE, WISSENSCHAFTLICHE UND PÄDAGOGISCHE KOOPERATIONEN WELTWEIT ZU BEMÜHEN.“ REKTORIN ULRIKE SYCH © Stephan Polzer WERTSCHÄTZUNG DER MDW Mit der tongewaltigen Danubiafanfare von Leonhard Paul wurde der Festakt eröffnet. Das neue Rektorat, RektorInnen von 14 in- und ausländischen Universitäten ebenso wie die Mitglieder des Universitätsrates und des Senats, die Altrektoren Gottfried Scholz und Erwin Ortner sowie VertreterInnen der Universität und der Studierenden zogen feierlich in den Saal ein. Begrüßt wurden die Gäste von der Vorsitzenden des Universitätsrates Haide Tenner, die das zahlreiche Erscheinen der Gäste als „Wertschätzung gegenüber der mdw“ würdigte. Die Grußworte seitens der Universitätenkonferenz (Uniko) verfasste der Rektor der Universität für angewandte Kunst Wien und Vizepräsident der Uniko Gerald Bast 6 mit treffenden Worten: „Kunst und Wissenschaft sind nicht, wie manchmal behauptet wird, wirklichkeitsfern oder realitätsfremd, sondern sie sind viel näher an dem, was unsere Welt zusammenhält, viel wichtiger als manches, was heute als systemrelevant bezeichnet wird. Systemrelevant für die menschliche Gesellschaft war und ist nicht zuletzt die Kunst. Sie bleibt jedoch oft unerkannt, weil wir die Zeit zum bewussten Hinhören und Hinsehen, die Kraft zum Vor- und Nachdenken und auch die Kraft zum Widerspruch nicht aufwenden können oder wollen.“ Bast sieht die Kunst als Verbindung von innen und außen, von Künstlerin und Künstler mit der umgebenden Gesellschaft. Sich selbst und die Umgebung beobachten lernen, kritisch am eigenen Inneren und an den eigenen Fähigkeiten zu arbeiten und auf das Äußere einzuwirken, erachtet Bast als die Aufgabe der Universitäten. R E P O R T „Mich hat das Max Reinhardt Seminar wirklich gut auf den Beruf vorbereitet und ich glaube, genau das ist auch die Aufgabe dieses Instituts. Das ist keine Agentur, das ist eine Ausbildungsstätte.“ S T E FA N I E R E I N S P E R G E R “The Max Reinhardt Seminar prepared me exceptionally well for my career, and to my mind, precisely that is the mission of this department. It’s not an agency—it’s a place of training.” OTTO BRUSATTI (Ö1) MIT REKTORIN ULRIKE SYCH UND KOMPONIST ALEXANDER KUKELKA, PRÄSIDENT ÖSTERREICHISCHER KOMPONISTENBUND. © Stephan Polzer 01. 02. 01. JOHANNES MEISSL, SENATS- VORSITZENDER UND LEITER DES JOSEPH HAYDN INSTITUTS FÜR KAMMERMUSIK UND SPEZIALENSEMBLES, FÜHRTE DURCH DIE FEIERLICHKEITEN. 03. MENSCHWERDUNG AN DER MDW mdw-Absolventin Stefanie Reinsperger, frisch gekürte Nestroy-Preisträgerin und Schauspielerin des Jahres/ Theater heute, erzählte anschließend von ihrer Ausbildungszeit am Max Reinhardt Seminar und ihren StudienkollegInnen. „Ich war und bin nach wie vor sehr dankbar und glücklich, mit diesen 13 Menschen ( JahrgangskollegInnen, Anm. der Red.) meine ‚vier Jahre Menschwerdung‘ erlebt zu haben.“ Aus Stanislawskis „Ethik und Disziplin“ nahm sie im Rahmen ihrer Ausbildung das Staunen mit, „wie sehr wir alle, als SpielerIn für einen gesamten Abend, für unser Theater, an dem wir spielen, für unsere PartnerInnen, für die AutorInnen, für uns selbst und unsere Figuren Verantwortung tragen. NOTWENDIGKEIT ZEITGENÖSSISCHEN KUNSTSCHAFFENS Komponist Heinz Karl Gruber, selbst Absolvent des Hauses, sprach in seiner Festrede über die Notwendigkeit zeitgenössischen Kunstschaffens sowie über die Bedeutung der Zusammenarbeit von KomponistInnen und Ausführenden: „Wenn man sich die Plakate an den 02. STEFANIE REINSPERGER, ABSOLVENTIN DES INSTITUTS FÜR SCHAUSPIEL UND SCHAUSPIELREGIE, ERZÄHLTE VON IHREN POSITIVEN ERFAHRUNGEN WÄHREND IHRER STUDIENZEIT AM MAX REINHARDT SEMINAR. 03. KOMPONIST HEINZ KARL GRUBER, SELBST ABSOLVENT DES HAUSES, SPRACH IN SEINER FESTREDE ÜBER DIE NOTWENDIGKEIT ZEITGENÖSSISCHEN KUNSTSCHAFFENS. © Stephan Polzer Konzerthäusern draußen in der Welt ansieht, die die jeweils 5. der Thielemans oder die 9. der Mutis ankündigen, sollten wir uns doch wieder einmal ins Bewusstsein rufen, dass all die Suppen, von denen die Damen und Herren Stargeiger, Startenöre, Starpianisten, Starcellisten und Dirigenten, Intendanten und Festivalleiter leben, von Komponisten und Komponistinnen im Lauf der letzten Jahrhunderte gekocht wurden. Und dass es die heute lebenden KomponistInnen sind, die garantieren, dass der Betrieb eines Tages nicht stehen bleibt und das Futter nicht versiegt.“ Genau dieses Bewusstsein auch als Zukunftsprojekt muss laut Gruber schon in den Aus 7 R E P O R T 01. „Die Universität für Musik und darstellende Kunst Wien war und ist ein Leuchtturm für die Bedeutung der Kunst in der Welt. Und solche Leuchttürme haben wir wahrlich notwendig!“ 02. 03. 04. 05. G E R A L D B A S T, VIZEPRÄSIDENT DER U N I V E R S I TÄT E N K O N F E R E N Z “The University of Music and Performing Arts Vienna has been and continues to be a beacon for the significance of art in our world. And we absolutely do have a need for such beacons!” 06. 01. SOPRANISTIN IVA MARTINCEVIC INTERPRETIERTE DAS RODAKS TÜCK S EH NEN , DA S R EKTO R IN ULRIKE SYCH GEWIDMET IST. 02. DIE BEITRÄGE DER STUDIEREN- DEN DES MAX REINHARDT SEMINARS – EINE LESUNG DREIER GEDICHTE VON ALFRED BRENDEL – SORGTEN FÜR GROSSE UNTERHALTUNG IM JOSEPH HAYDN-SAAL. 03. DAS STREICHQUARTETT QUATUOR AKILONE SORGTE IN DER AULA DER MDW FÜR EIN STIMMUNGSVOLLES EINTREFFEN DER GÄSTE. DAZU PRÄSENTIEREN STUDIERENDE DER FILMAKADEMIE WIEN IHR „BEST OF 2014“. 04. DAS ERSTE MUSIKALISCHE INTER MEZZO, DIE A R IE „NOBLES SEIGNEURS SALUT“ AUS LES HUGUENOTS, WURDE VON DERPREISGEKRÖNTEN MEZZOSOPRANISTIN MIRIAM ALBANO, STUDENTIN VON CLAUDIA VISCA, PRÄSENTIERT. 8 05. DER AUSZUG DER FESTGÄSTE ERFOLGTE NACH EINEM BESCHWINGTEN AUFTRITT DES AUS DER MDW HERVORGEGANGENEN BLÄSERENSEMBLES „FEDERSPIEL“ UND MIT DER SOUTH RAMPERT STREET PARADE VON BOB HAGGART. 06. „AN DER MDW WIRD GROSSER WERT AUF DEN DIREKTEN KONTAKT ZWISCHEN LEHRENDEN UND STUDIERENDEN GELEGT. DER PERSÖNLICHE AUSTAUSCH, GEMEINSAME GESPRÄCHE UND DISKUSSIONEN BEREICHERN SOWOHL DEN KÜNSTLERISCHEN ALS AUCH DEN WISSENSCHAFTLICHEN UNTERRICHT.“ REKTORIN ULRIKE SYCH © Stephan Polzer R E P O R T bildungsstätten geschärft und entwickelt werden. „Das neue Rektorat weckt in mir die sehr, sehr große Hoffnung, dass Visionen und Luftschlösser auch in Wien realisiert werden könnten, und damit hätte die Universität für Musik und darstellende Kunst Wien weltweit die Nase vorne!“ EMOTION UND PRÄZISION Passend zu den Worten HK Grubers interpretierte die Sopranistin Iva Martincevic das zeitgenössische Werk Sehnen, das Dominik Rodak für Rektorin Ulrike Sych komponiert hat. „Das Stück ist auf die Persönlichkeit Ulrike Sychs zugeschnitten, da diese meines Erachtens eine Mischung aus Emotion und Präzision darstellt“, erklärt der Komponist. „Das Werk ist eine Art Porträt von Ulrike Sych: Extreme, Emotionalität, Durchbrechung, Inanspruchnahme eines breiten Spielraumes, aber auch Stabilität und Kontrolle.“ EIN BLICK IN DIE ZUKUNFT Nach dem Höhepunkt der Feierlichkeiten – der Übergabe der Amtskette an Rektorin Ulrike Sych – betonte diese in ihrer Festrede, dass sich die Anforderungskriterien für eine künstlerische Laufbahn weltweit in den letzten Jahren rapide verändert haben: „Künstlerische Fertigkeiten, hohe Begabung und technische Perfektion sind schon lange nicht mehr genug. Dazu gepaart haben sich Selbstmanagement, Marketing, Networking, Performance, Creating New Audiences, Musikvermittlung und digitales Wissen. Ein wissenschaftliches Grundverständnis sowie die künstlerische und wissenschaftliche Forschung sind in der Ausbildung von Künstlerinnen und Künstlern nicht mehr wegzudenken. Dies erfordert ständiges Evaluieren, Hinterfragen und Adaptieren von Curricula.“ Dazu sieht es die Rektorin als ihre große Verantwortung, darauf zu achten, die Wiener Tradition zu bewahren und diese innovativ so zu erweitern, dass die Studierenden bestausgebildet, selbstsicher und dem internationalen Wettbewerb gewachsen sind, und ihnen darüber hinaus eine erfolgreiche Zukunft als Künstlerinnen und Künstler ermöglicht wird. DAS GIOCOSO QUARTETT PRÄSENTIERTE DEN ERSTEN SATZ DES SCHUMANN-KLAVIERQUINTETTS ES-DUR, OP.44. © Stephan Polzer THE INAUGURATION OF RECTOR ULRIKE SYCH AT THE MDW On 9 November, the Joseph Haydn-Saal of the mdw – University of Music and Performing Arts Vienna played host to the inauguration of Rector Ulrike Sych and her team, comprised of Vice Rectors Christian Meyer, Barbara Gisler-Haase, Gerda Müller, and Johann Bergmann. Esteem for the mdw This festive inauguration ceremony opened to the powerful strains of the Danubiafanfare by Leonhard Paul. The new rectorate team plus the rectors of 14 Austrian and foreign universities, as well as members of the University Board and Senate, former rectors Gottfried Scholz and Erwin Ortner, and university and student representatives made their formal entrance. They were greeted by University Board Chairwoman Haide Tenner, who acknowledged the large turnout of guests as “a show of esteem for the mdw”. Art as a Connection between the Inner and the Outer The words of greeting on behalf of Universities Austria (Uniko) by its vice president, University of Applied Arts Vienna Rector Gerald Bast, were fitting indeed: “Art and research are not, as is occasionally claimed, detached or estranged from reality, but rather far closer to what holds our world together and far more important than some of what is typically labelled ‘systematically relevant’. Art has been and continues to be systematically relevant to human society, and not unimportantly so. But art frequently goes unrecognised because we lack the desire and the ability to invest the time necessary to consciously listen and look, to think ahead and reflect on that which lies behind, as well as to muster up the strength necessary to contradict.” Bast views art as the union of the inner and the outer, of the artist with the society surrounding him or her. To learn to observe oneself and one’s environment, to work critically on one’s own inner being and skills, and to have an effect on that which lies outside are what Bast considers the mission of universities. Becoming Complete at the mdw Next, mdw graduate Stefanie Reinsperger, freshly crowned Nestroy Award winner and Actress of the Year (Theater heute), spoke about her training at the Max Reinhardt Seminar and her fellow students. “I was and still remain extremely grateful and happy to have experienced my ‘four years of becoming a complete person’ with these 13 individuals from her graduating class.” Based on Stanislavsky’s “ethics „mdw des 21. Jahrhunderts bedeutet für mich im Spannungsfeld Kunst, Wissenschaft und Pädagogik auch, wissenschaftlichkünstlerische Studien zu kreieren und zu designen, dadurch neue Impulse und Profilbildung auch im Sinne der Artistic Research zu setzen und uns bestmöglich im internationalen Wissenschaftsfeld zu positionieren.“ REKTORIN ULRIKE SYCH “To me, and viewed from the confluence of art, research, and education, shaping the mdw of the 21st century includes creating and designing courses of study that combine art and research, thus giving rise to new impulses and facets of our institution’s profile in terms of artistic research and in turn laying the best possible foundation upon which to position it inthe research field internationally.” Die Zitate wurden von der Redaktion gegendert. 9 R E P O R T A Look into the Future Following the ceremony’s climax—at which Rector Ulrike Sych formally accepted the rector’s chain of office—Sych emphasised in her own address how, all over the world, recent years have seen the prerequisites for an artistic career go through rapid change: “Artistic skills, a great deal of talent, and technical perfection have long since ceased to be enough. These now need to be combined with selfmanagement, marketing, networking, performing, creating new audiences, music appreciation efforts, and digital knowledge. Furthermore, conveying a fundamental scholarly understanding as well as aspects of artistic and academic research have now become essential components of artists’ training. All this makes it necessary for curricula to be constantly evaluated, questioned, and adapted.” Finally, the new rector views it as a central responsibility of hers to ensure that Viennese tradition is upheld and expanded upon in an innovative way such that students will receive the best possible training and be able to hold their own in international competition, thus being afforded the opportunity to enjoy successful futures as artists. 01. 02. 01. ZAHLREICHE EHRENGÄSTE, DARUNTER DIPLOMATISCHE, KIRCHLICHE UND POLITISCHE VERTRETERINNEN, WIE NATIONALRATSABGEORDNETE BRIGITTE JANK, VERTRETERINNEN DES WISSENSCHAFTSMINISTERIUMSSOWIE REKTORINNEN UND VIZEREKTORINNEN VON 14 IN- UND AUSLÄNDISCHEN UNIVERSITÄTEN UND VERTRETERINNEN SÄMTLICHER KUNSTUNIVERSITÄTEN ÖSTERREICHS, ERSCHIENEN ZUR FEIERLICHEN INAUGURATION DES NEUEN REKTORATES. 02. LEHRENDER NICHOLAS OFCZAREK APPLAUDIERTE DER GELUNGENEN DARBIETUNG DER STUDIERENDEN DES MAX REINHARDT SEMINARS. © Stephan Polzer and discipline”, Reinsperger took with her from her training the awe at “just how much all of us, as thespians, bear responsibility for an entire evening, for the theatre where we’re performing, for our partners, for the authors, for ourselves, and for our characters.” The Essentiality of Contemporary Artistic Output Composer Heinz Karl Gruber, himself an mdw alumnus, spoke in his address about the essentiality of contemporary artistic output and the significance of collaboration between composers and performers. “When we go out in the world and see the posters in front of concert halls, all announcing Tielemann’s 5th or Muti’s 9th, we really do need to remind ourselves of how all the soups on which these star violinists, star tenors, star pianists, star cellists and conductors, artistic directors and festival heads feed were cooked up by composers over the past few centuries. And of how it is today’s living composers who guarantee that this business won’t someday come to a standstill, with its feed exhausted.” Precisely this awareness and the project for the future that it entails, said Gruber, need to be brought into focus and developed at institutions of music education. “The new rectorate has me very, very hopeful that visions and castles in the sky can be realised in Vienna, as well, with the University of Music and Performing Arts Vienna coming to lead the world!” Emotion and Precision Very much in keeping with HK Gruber’s words, soprano Iva Martincevic then performed the contemporary work Sehnen [Longing], composed by Dominik Rodak for Rector Ulrike Sych. “This piece is modelled on Ulrike Sych’s personality, which I conceive of as a mixture of emotion and precision,” explained the composer. “So this work is a kind of portrait— with extreme emotionality, breakthroughs, and the need for a great deal of latitude in which to unfold, but also characterised by stability and control.” 10 „Die mdw ist beispielgebend dafür, dass Menschen verschiedenster Nationen und Kulturen in Frieden und wertschätzender Kommunikation miteinander wirken. Künstlerinnen und Künstler, Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler übernehmen immer mehr die Rolle der Friedensbotschafterinnen und Friedensbotschafter. Meine Aufgabe als Rektorin ist es, Bewusstseinsprozesse für Themen wie Antidiskriminierung, Gender and Diversity in Gang zu setzen und weiter zu verfolgen, strukturelle Maßnahmen zu entwickeln und umzusetzen.“ REKTORIN ULRIKE SYCH “The mdw is a prime example of how people from the most diverse countries and cultures can work together in peaceful manner and communicate in an atmosphere of mutual esteem. Artists and researchers are increasingly assuming the role of ambassadors for peace. And my mission as rector is to initiate and provide continuing support to consciousness-raising processes related to themes such as anti-discrimination, gender, and diversity, as well as to develop and implement structural measures.” R E P O R T „Der Austausch zwischen KomponistInnen und Ausführenden muss auf Augenhöhe und mit Respekt stattfinden – sie müssen sich ‚begegnen lernen‘.“ HEINZ KARL GRUBER “The exchange between composers and performers has to take place on an equal footing and with respect—the two sides need to ‘learn how to encounter each other’.” © Stephan Polzer 11 N E W C O M E R Neue ProfessorInnen an der mdw MIRJAM SCHRÖDER CHRISTOPH KHITTL HARFE MUSIKPÄDAGOGIK M TEXT: SUSANNE GRADL irjam Schröder ist mit Oktober 2015 neu berufene Professorin für Harfe am Institut für Streich- und andere Saiteninstrumente (Podium / Konzert) an der mdw. Ihren ersten Unterricht erhielt sie bei Renie Yamahata in Stuttgart und studierte anschließend am Koninklijk Conservatorium Brussel bei Susanne Mildonian. Anschließend setzte sie ihr Studium an der Hochschule für Musik Detmold bei Catherine Michel und Godelieve Schrama fort. Ihr Konzertdebüt gab sie bereits im Alter von 15 Jahren mit Mozarts Doppelkonzert für Harfe und Flöte. Seitdem konzertiert sie in ganz Europa als Solistin, Kammermusikerin und in Ensembles für Neue Musik, wie dem Ensemble musikFabrik Köln. Ihre rege Konzerttätigkeit wird komplettiert durch zahlreiche Rundfunk- und CD-Einspielungen. Für ihr Harfenspiel wurde sie bei zahlreichen Wettbewerben ausgezeichnet, u.a. beim Internationalen Musikwettbewerb der ARD und dem Concorsi Arpista Ludovico Madrid. Mirjam Schröders neueste Solo-CD bei Musicaphon erschien im Oktober 2014 unter dem Titel Don Quijote träumt… und enthält Werke für Solo-Harfe von u. a. von Fauré, Tournier, Poenitz und Guridi. Mirjam Schröder has been the newly appointed harp professor at the mdw’s String Department (Performance) since October 2015. She received her initial instruction from Renie Yamahata in Stuttgart and went on to study with Susanne Mildonian at the Royal Conservatory of Brussels. Thereafter, she continued her studies at the Hochschule für Musik Detmold with Catherine Michel and Godelieve Schrama. She gave her concert debut at the early age of 15 with Mozart’s Concerto for Flute, Harp and Orchestra. And since then, she has given concerts all over Europe as a soloist, as a chamber musician, and with contemporary music formations including Cologne’s Ensemble musikFabrik. Frequent concerts are joined by numerous broadcast and CD recordings. She has been recognised for her playing at numerous competitions, including the ARD International Music Competition and Concorsi Arpista Ludovico in Madrid. Mirjam Schröder’s newest solo CD, released by Musicaphon in October 2014, is entitled Don Quijote träumt / Don Quijote dreams… and contains solo works for harp by Fauré, Tournier, Poenitz, Guridi, and others. 12 C hristoph Khittl ist mit November 2015 neu berufener Professor für Musikpädagogik am Institut für Musikpädagogik an der mdw. Nach seinem Studium der Musikwissenschaft, Musikpädagogik, Philosophie, Psychologie und Pädagogik in Wien folgten sieben Jahre als Gymnasiallehrer sowie eine Tätigkeit als Hochschulassistent am Mozarteum Salzburg. Von 1998 bis 2015 war Christoph Khittl Professor für „Musik und ihre Didaktik“ an der Pädagogischen Hochschule Heidelberg, zwischen 2002 bis 2009 Prorektor der Hochschule und ab 2013 Leiter des Instituts für Kunst, Musik und Medien. Seine Arbeitsschwerpunkte liegen im Bereich der Musikanthropologie, Musikphänomenologie, der musikalischen Produktions- und Rezeptionsdidaktik, der Musiktheater- und Musikvermittlung sowie der kulturellen Bildung. Dazu kommen kontinuierliche Publikations-, Herausgeber- und Lehrtätigkeiten sowie Erfahrungen in unterrichtlichen Kontexten in sämtlichen Schultypen und Bildungseinrichtungen. Christoph Khittl is the newly appointed music education professor at the mdw’s Department of Music Education as of November 2015. Following studies in musicology, music education, philosophy, psychology, and general pedagogy in Vienna, Khittl spent seven years teaching at academic secondary schools while also working as an assistant at the Mozarteum in Salzburg. From 1998 to 2015, he held a professorship in “music and its didactics” at the Heidelberg University of Education, where he was also vice rector from 2002 to 2009 and assumed leadership of the Institute of Art, Music, and Media beginning in 2013. The emphases of his work lie in music anthropology, the didactics of music production and reception, music theatre, music appreciation, and cultural education. These are joined by constant publishing, editing, and teaching work as well as by experiences in instructional contexts at all types of schools and other educational institutions. N E W C O M E R FLORIAN BOESCH F CHRISTOPH PEHAM C HORN hristoph Peham ist mit Oktober 2015 neu berufener Professor für Horn am Leonard Bernstein Institut für Blas- und Schlaginstrumente an der mdw. Er absolvierte sein Horn Studium an der mdw – Universität für Musik und darstellende Kunst Wien bei Roland Berger mit Auszeichnung. Anschließend folgten Saisonverträge beim Bühnenorchester der Wiener Staatsoper sowie Auftritte mit den Wiener Philharmonikern, den Wiener Symphonikern, dem Wiener Kammerorchester sowie dem Concentus Musicus. Kammermusikkonzerte mit den Wiener Virtuosen sowie mit diversen Ensembleformationen des Tonkünstlerorchesters im Rahmen des Internationalen Musikfestivals Grafenegg. Zahlreiche Konzertreisen in die europäischen Musikmetropolen sowie in die USA, Australien und Asien ergänzen seine musikalische Laufbahn. 2008 bis 2012 als Assistent der Hornklasse bei Thomas Jöbstl an der mdw tätig, folgten 2012 bis 2015 Lehraufträge an der Konservatorium Wien Privatuniversität sowie der A. Bruckner Privatuniversität Linz. Seit 2007 ist Christoph Peham 1. Hornist des Tonkünstlerorchesters Niederösterreich. In October 2015, Christoph Peham became the new horn professor at the mdw’s Leonard Bernstein Department of Wind and Percussion Instruments. Peham graduated with honours from his horn studies under Roland Berger at the mdw – University of Music and Performing Arts Vienna. Thereafter, he held season contracts with the Stage Orchestra of the Vienna State Opera and also performed with the Vienna Philharmonic, the Vienna Symphony, the Vienna Chamber Orchestra, and Concentus Musicus Wien. Further more, he participated in chamber music concerts with the Vienna Virtuosi as well as with various ensembles comprised of Lower Austrian Tonkünstler Orchestra members at the Grafenegg Festival. Numerous concert tours to the great musical cities of Europe as well as to the US,Australia, and Asia round out his musical career. From 2008 to 2012, Christoph Peham was an assistant for the horn class of Thomas Jöbstl at the mdw, after which he held teaching contracts at the Konservatorium Wien University as well as the Anton Bruckner Private University in Linz from 2012 to 2015. Christoph Peham has been first hornist of the Lower Austrian Tonkünstler Orchestra since 2007. LIED UND ORATORIUM lorian Boesch ist mit Oktober 2015 neu berufener Professor für Lied und Oratorium am Institut für Gesang und Musiktheater an der mdw. Seinen ersten Gesangsunterricht erhielt er bei Ruthilde Boesch. Während des Studiums an der mdw – Universität für Musik und darstellende Kunst Wien besuchte er die Klasse Lied und Oratorium bei Robert Holl. Florian Boesch zählt zu den großen Liedinterpreten mit Auftritten im Wiener Musikverein und dem Konzerthaus, der Carnegie Hall New York, der London Wigmore Hall, der BBC uvm. und war bei zahlreichen Festivals u. a. in England, Dänemark und in den USA zu Gast. Jüngste Konzertprojekte umfassen u. a. Die glückliche Hand von Arnold Schönberg unter Simon Rattle in Berlin und Das Buch mit Sieben Siegeln von Franz Schmidt unter Manfred Honeck im Wiener Musikverein. Für die Saison 2014/15 war Boesch von der Wigmore Hall als artist in residence eingeladen. Florian Boesch arbeitet regelmäßig mit Nikolaus Harnoncourt, Simon Rattle, Franz Welser-Möst, Gustavo Dudamel uvm. Für seine Einspielung von Liedern und Balladen von Carl Loewe (hyperion) wurde ihm der renommierte Musikpreis Edison Klassiek Award 2012 verliehen und Die schöne Müllerin (onyx classics) war für den Grammy 2015 in der Kategorie Best Classical Vocal Solo nominiert. Since October 2015, Florian Boesch has been the newly appointed art song and oratorio professor at the mdw’s Department of Voice and Music Theatre. Ruthilde Boesch provided him with his first vocal instruction, and during his subsequent studies at the mdw – University of Music and Performing Arts Vienna, he was himself a member of the art song and oratorio class under Robert Holl. Florian Boesch numbers among today’s great Lied recitalists and has appeared at Vienna’s Musikverein and Konzerthaus, at Carnegie Hall in New York, at Wigmore Hall in London, on the BBC, and in many other prominent contexts, and has also been a guest of numerous festivals in England, Denmark and the USA. His most recent concert projects have included Arnold Schönberg’s Die glückliche Hand under Simon Rattle in Berlin and Franz Schmidt’s Das Buch mit Sieben Siegeln under Manfred Honeck at the Vienna Musikverein. Boesch spent the 2014/15 season as an artist in residence at Wigmore Hall. He works together regularly with Nikolaus Harnoncourt, Simon Rattle, Franz Welser-Möst, Gustavo Dudamel, and many others. He received the renowned Edison Klassiek Award 2012 for his recording of art songs and ballads by Carl Loewe (Hyperion), and his interpretation of Die Schöne Müllerin (ONYX Classics) received a 2015 Grammy nomination in the Best Classical Vocal Solo category. 13 DIE SWAROWSKY IDEE Hans Swarowsky legte einst mit seiner „Dirigier-Schule“ den Grundstein zur Ausbildung zahlreicher herausragender Dirigentinnen und Dirigenten. Claudio Abbado, Mariss Jansons und Zubin Mehta sind nur drei berühmte Namen aus einer lange Liste an SchülerInnen. Auch heute hat seine Idee nicht an Bedeutung verloren und ist nach wie vor maßgebend für kommende Generationen junger KünstlerInnen. THE “SWAROWSKY IDEA” Hans Swarowsky’s seminal work as a teacher laid the cornerstone for the training of numerous men and women who would go on to become outstanding conductors. Claudio Abbado, Mariss Jansons, and Zubin Mehta are just three of the famous names from his long list of students. Today, his ideals continue to represent a significant guidepost and a gold standard for new generations of young artists. 14 Die Swarowsky-Idee The “Swarowsky Idea” 16 Die Wahrung der Gestalt Keeping Shape 22 Zwischen Demut und Dominanz – Johannes Wildner im Interview Between Humility and Dominance – Interview with Johannes Wildner 28 Forschungsprojekt Hans Swarowsky Research Project: Hans Swarowsky HANS SWAROWSKY BEIM CARINTHISCHEN SOMMER 1972 © Nachlass Hans Swaro wsky Die Wahrung der Gestalt Hans Swarowsky war Dirigent, Pädagoge, Pianist, Übersetzer und Autor – vor allem aber war er eine beeindruckende Persönlichkeit. Ein Porträt zum 40. Todestag. TEXT: MANFRED HUSS 16 S P E C I A L R ückblickend betrachtet, überrascht es nicht, dass Hans Swarowsky auch vierzig Jahre nach seinem Tode (10. September 1975) immer noch ein Begriff ist: Vielseitigkeit und universelles Wissen prägten seine Persönlichkeit, deren Charisma jeden beeindruckte, selbst wenn man Opfer seines Wortwitzes wurde. Von seinen Tätigkeiten sollte – nach seinem eigenem Selbstverständnis – der Dirigent an erster Stelle stehen, als der er schnell Karriere machte, die ihn, 1924 beginnend an der Wiener Volksoper, bereits 1935 an die Spitze der Berliner Staatsoper führte. Vom NS-Regime boykottiert, fand er von 1937 bis 1940 Zuflucht an der Zürcher Oper: damals reichte sein Repertoire bereits von Gluck bis Strawinsky inklusive der großen Werke von Mozart, Verdi, Wagner (u.a. Die Götterdämmerung) und Richard Strauss. Insgesamt hatte er damals mehr als hundert Opern dirigiert und dutzende Premieren einstudiert (u.a. Die Frau ohne Schatten, Salome). DER ÜBERSETZER Durch die politischen Verhältnisse wurde eine Unterbrechung seiner Karriere bis zum Kriegsende erzwungen. Allerdings entwickelte Swarowsky in der selbst gewählten „inneren Emigration“ (Swarowsky kehrte 1941 nolens volens nach Deutschland zurück) ein weiteres Betätigungsfeld: als Übersetzer vor allem italienischer Opernlibretti ins Deutsche, von denen rund dreißig bis heute bei Ricordi und Bärenreiter verlegt sind. „Ich kenne keinen Nicht-Italiener, der besser Italienisch spricht als Hans Swarowsky“, sagte Giuseppe Sinopoli, der Anfang der 1970er Jahre bei ihm studierte. Otto Edelmann meinte über Falstaff, dass Swarowskys Übersetzung „fast besser sangbar sei als das Original“. In Zürich verfasste Swarowsky auch Teile des Librettos für Richard Strauss’ Capriccio: dort entdeckte er in einem Antiquariat die Sonette des französischen Lyrikers Pierre de Ronsard, übertrug sie für Strauss ins Deutsche – und so entstand das werktragende Sonett aus Capriccio. DIE FREUNDE Seine Bekanntschaft, ja in vielen Fällen die Freundschaft, mit bedeutenden Persönlichkeiten war für Swarowsky auch eine wichtige Quelle seines so sehr auf Authentizität gerichteten Musikverständnisses: gemeinsam mit Krauss und Böhm war er wohl der mit Richard Strauss am besten vertraute Dirigent, aber bereits früher lernte er Schönberg, Webern und Bartók kennen, auch Pfitzner, dem er im Januar 1945 vielleicht sogar das Leben rettete. In der Zürcher Zeit begegnete er erstmals Hindemith und Strawinsky, nach dem Krieg waren es vor allem Einem, Britten und Bernstein, aber auch Otto Erich Deutsch und H. C. Robbins Landon, mit dem bereits um 1950 ein intensiver Gedankenaustausch über historische Aufführungspraxis einsetzte. Die zahlreichen Erkenntnisse der Neuen Mozart Ausgabe waren für Swarowsky so wichtig, dass er einer ihrer ersten Subskribenten wurde, gleiches gilt für die erste kritische Ausgabe sämtlicher Haydn-Sinfonien durch Landon. DER PIANIST Bereits in jungen Jahren war Swarowsky ein blendender Pianist, ausgebildet bei Rosenthal, Sauer, Steuermann und Busoni, nach dem Ersten Weltkrieg spielte auf Diaghilews Tourneen Klavier und begleitete u.a. Jan Kiepura im Konzert. All das authentische Wissen und die aus diesen Bekanntschaften resultierenden Eindrücke gab Swarowsky stets an seine Studierenden weiter. DER PÄDAGOGE Damit kommen wir zu Swarowsky, dem Pädagogen: niemals an Formalitäten wie Prüfungen, Benotungen, Diplomen oder Anwesenheit, sondern lediglich an Talent und Können interessiert, unterrichte er von 1946 bis 1975 an der damaligen Musikakademie – heute mdw – Universität für Musik und darstellende Kunst Wien – und baute einen systematischen Dirigentenunterricht auf. Parallel dazu leitete er seit den 1950er-Jahren fast jedes Jahr mehrwöchige Sommerkurse, u.a. in Bad Aussee, Nizza, Ossiach, Wien, aber auch in den USA, Südamerika und während der Weltausstellung 1958 in Brüssel. Swarowsky unterrichtete in der ganzen Welt und seine Studierenden kamen aus der ganzen Welt zu ihm: während einer Diplomprüfung sagte er: „Jetzt kommt mein bester Ägypter!“ – Frage aus der Prüfungskommission: „Ja, wie viele Ägypter haben Sie denn, Herr Kollege?“ – Antwort: „No dieser Eine!“. In Wien verlegte er gelegentlich Vorlesungen ins „Kunsthistorische“, wohin er die Studierenden mit der selbstironischen Begründung führte: „von Kunstgeschichte verstehe ich mehr als von Musik“. Aus der Bildenden Kunst leitete er für die Musik ein neuartiges Stilbewusstsein ab, indem er die Elemente formaler Gestaltung in der Musik mit jenen in der Malerei verglich. Diese und die analytische Betrachtung, ja Aufgliederung ins kleinste Detail von Musikwerken, wie er sie bei Schönberg und vor allem Webern kennengelernt hatte, bildeten die Basis für Swarowskys Methode eines sachlich nur in der Musik begründeten und umfassenden Werkverständnisses. „Hans Swarowsky war niemals an Formalitäten wie Prüfungen, Benotungen, Diplomen oder Anwesenheit, sondern lediglich an Talent und Können interessiert.“ MANFRED HUSS “Hans Swarowsky was never interested in formalities like exams, marks, diplomas, or attendance, only in talent and ability.” Über 600 Studierende kamen in diesen dreißig Jahren nach Wien und zu den Swarowsky-Kursen. Zahlreiche davon sind heute noch aktiv und vielfach in Chefpositionen tätig, viele der Namen sind so bekannt, dass sie nicht eigens erwähnt werden müssen, und sie sind keinesfalls auf Abbado und Mehta zu beschränken: auch Martha Argerich saß Notizen machend in den Vorle17 S P E C I A L sungen (ohne Inskription), Domingo erlernte das Dirigieren privat und trotz des Eisernen Vorhangs gelang es zuletzt jedes Jahr ein bis zwei sowjetische Studierende nach Wien zu bringen, darunter Jansons und Kitaenko. Unter den Professoren der Dirigierabteilung schätzte Swarowsky vor allem: Franz Eibner (Schenker-Seminar), Josef Mertin (Alte Musik) und Erwin Ratz (Formanalyse und Herausgeber der Mahler-Gesamtausgabe), mit Letzerem war er auch persönlich aus der Endzeit des NS-Terrors verbunden. WIRKEN IM KONZERT Swarowsky überlebte die Verfolgung durch das NSRegime nur knapp und die Alliierten attestierten ihm umgehend eine „weiße Weste“, sodass er zu den ersten österreichischen Dirigenten zählte, die 1945 sofort wieder auftreten konnten. Die erzwungene Unterbrechung und damit verbundene nachhaltige Beschädigung seiner Karriere konnte Swarowsky jedoch – wie so viele andere – nie mehr ganz überwinden. Nach 1945 verlagerte sich der Schwerpunkt seines Dirigierens von der Oper ins Konzert und dies trotz vieler Gastdirigate an bedeutenden Opernhäusern oder seinem dauerhaften Engagement an der Wiener Staatsoper durch Karajan, wo er auch das Studio für junge SängerInnen leitete, aus dem u.a. Edita Gruberová hervorging. Swarowskys Wirken im Konzert scheint im Rückblick indes eigentlich noch interessanter zu sein. Bereits in den frühen 50er-Jahren ging er daran, Barockmusik zu dirigieren, darunter Schütz, Telemann, Bach, Händel, Pergolesi. Höhepunkt dieser Auseinandersetzung ist seine Schallplattenaufnahme von Bachs Matthäuspassion, die er erstmals mit einem klein besetzten Orchester und Chor sowie mit ersten Ansätzen einer „historisch“ informierten Aufführungspraxis realisierte (das Orgelpositiv wurde z.B. eigens dafür von Josef Mertin betreut). Insgesamt spielte Swarowsky rund 300 Werke für Schallplatte ein (u.a. Wagners Ring), wovon heute leider nur das Wenigste erhältlich ist – nicht zuletzt auch deshalb, weil er selbst diesem Medium skeptisch bis desinteressiert gegenüberstand und dessen Tragweite offenbar nicht richtig einschätzte. SEIN REPERTOIRE Swarowskys Repertoire war von folgenden Säulen getragen: Wiener Klassik samt Brahms und Schubert (u.a. die erste komplette Aufnahme einer Haydn- Opern: Orfeo ed Euridice, 1951); die Klassiker des 20. Jahrhunderts: kaum ein anderer Dirigent seiner Generation hatte so viele Werke Schönbergs dirigiert (u.a. Moses und Aron) oder so viele Uraufführungen (z.B. Strawinsky). Seine besondere Zuwendung galt Mahler, durch den Swarowsky mehrfach von Kindheit an geprägt wurde (u.a. 1910 sein Erlebnis als Chorknabe bei der Urauffüh18 rung der VIII. Sinfonie): schon unmittelbar nach Kriegsende dirigierte er Das Lied von der Erde (vor Kriegsende war es im Jänner 1945 die IX. von Beethoven, die er trotz NS-Verbots in Krakau für polnisches Publikum zugänglich machte). In Wien 1957 leitete er nach rund 25 Jahren (!) die erste Wiederaufführung von Mahlers III. Sinfonie, die damals so gut wie unbekannt war, was toute Vienne anlockte, Karajan und alle anderen Wiener Respektabilitäten waren in den Musikvereins-Logen zu sehen. Dieser „Mahler-Renaissance“ fühlte sich Swarowsky bis zu seinem Tode verpflichtet, er dirigierte fast sämtliche Werke Mahlers mehrfach mit den Wiener Symphonikern, zuletzt die Neunte im März 1975. Swarowskys allerletztes Konzert fand im Juni 1975 im Teatro Colon in Buenos Aires statt, danach leitete er in Wien, bereits von Krankheit gezeichnet, seinen letzten Dirigierkurs. DER AUTOR Hans Swarowsky war als leidenschaftlicher Fotograf in der Zwischenkriegszeit auch Präsident des deutschen Leica-Vereins und bis zuletzt Sammler einer immensen Bibliothek von Erstausgaben, die weithin bekannt war. Man könnte ihn durchaus auch als Schriftsteller sehen, der sich brillant auszudrücken wusste, der tausende Briefe sowie eine große Zahl an Aufsätzen und Entwürfen über die Musik und das Dirigieren hinterließ, aus denen posthum das Buch Wahrung der Gestalt, sein künstlerisches Vermächtnis, von mir redigiert werden konnte 2016 wird dieses Werk in einer revidierten Ausgabe in englischer Sprache erscheinen. In diesen Schriften begegnen wir einem stets kritischen, unangepassten, in Grundsatzfragen der Musik sehr streitbaren und kompromisslosen, aber auch ebenso witzigen wie umfassend gebildeten Autor, dessen Polemik und Apodiktik jener seines Lehrers Schönberg und seines Vorbilds Karl Kraus um nichts nachstehen. KEEPING SHAPE Hans Swarowsky was a conductor, a teacher, a pianist, a translator, and an author. Above all, however, he was an impressive personality. A portrait upon the 40th anniversary of his death. In hindsight, it’s not surprising that Hans Swarowsky is still well known even forty years after his death on 10 September 1975: his personality was marked by versatility and comprehensive knowledge, as well as by a charisma that impressed even those who fell victim to his verbal wit. Despite his many widespread activities, he defined himself first and foremost as a conductor—as which he had indeed launched a meteoric career that, following an initial phase at the Vienna Volksoper in 1924, had taken him to the top post at the Berlin State Opera by 1935. Being subsequently boycotted by the National Socialist regime, he took refuge at the Zurich Opera from 1937 to 1940: at the time, his repertoire already ranged from Gluck to Stravinsky, including the great works of Mozart, Verdi, Wagner (Die Götterdämmerung), and Richard Strauss; S P E C I A L HANS SWAROWSKY MIT SEINEN SCHÜLERN ZUBIN MEHTA UND CLAUDIO ABBADO (1. UND 3. VON RECHTS) © Nachlass Hans Swaro wsky altogether, Swarowsky had conducted over one hundred operas by that time, as well as dozens of world premières (including Die Frau ohne Schatten and Salome). he put into German for Strauss, who would later use them for the love sonnet that is central to the opera’s plot. The Translator Swarowsky’s acquaintances—in many cases, friendships— with important personalities were also important sources from which he drew his understanding of music, which was so strongly oriented toward authenticity: along with Krauss and Böhm, he was probably one of those conductors who were most familiar with Richard Strauss, and he had previously gotten to know Schönberg, Webern, and Bartók, as well as Pfitzner (whose life he may have well rescued in January 1945); his Zurich period saw his first encounters with Hindemith and Stravinsky, and following the war it was above all Einem, Britten, and Bernstein, as well as Otto Erich Deutsch and H. C. Robbins Landon; an intense exchange of thoughts between Swarowsky and Landon on historically informed performance began as early as 1950. The numerous revelations of the The political situation more or less interrupted his career until the end of the war. However, Swarowsky’s self-imposed “inner emigration” in the wake of his forced return to Germany in 1941 saw him develop a further area of activity: as a translator, above all of Italian opera libretti into German. Around thirty such libretti are still available from Ricordi and Bärenreiter. “I know of no non-Italian who speaks better Italian than Hans Swarowsky,” says Giuseppe Sinopoli, who studied with him in the early 1970s; and Otto Edelmann has said that Swarowsky’s translation of Falstaff “is almost easier to sing than the original.” In Zürich, Swarowsky also authored parts of the libretto for Richard Strauss’s Capriccio: it was there that he had discovered the sonnets by the French lyric poet Pierre de Ronsard. These Friends 19 S P E C I A L „Über 600 Studierende kamen in diesen dreißig Jahren nach Wien und zu den Swarowsky-Kursen.“ MANFRED HUSS “During Swarowsky’s 30 years or teaching, over 600 students came to Vienna to attend his courses.” VON 1946 BIS 1975 WAR HANS SWAROWSKY AN DER DAMALIGEN MUSIKAKADEMIE – HEUTE MDW – UNIVERSITÄT FÜR MUSIK UND DARSTELLENDE KUNST WIEN – TÄTIG. HIER BEIM SOMMERKURS IN OSSIACH 1972. © Nachlass Hans Swaro wsky New Mozart Edition were so important to Swarowsky that he became one of its first subscribers, and the same went for Landon’s critical edition of all the Haydn symphonies. The Pianist Even at a young age, Swarowsky had already become a brilliant pianist under the tutelage of Rosenthal, Sauer, Steuermann, and Busoni, and he played piano on Diaghilev’s post-World War I ballet tours as well as accompanied performances of figures including Jan Kiepura. Swarowsky consistently passed on to his students all oft he authentic knowledge and impressions gleaned from these acquaintances. 20 The Teacher This brings us to Swarowsky the teacher: never interested in formalities like exams, marks, diplomas, or attendance, but rather in talent and ability, Swarowsky taught from 1945 to 1975 at the Academy of Music (today’s mdw – University of Music and Performing Arts Vienna), where he built up a systematic programme of training for conductors. Parallel to this, the 1950s saw him begin holding summer courses almost every year in locations including Bad Aussee, Nice, Ossiach, and Vienna, as well as in the USA, in South America, and—during the 1958 World’s Fair—in Brussels. Swarowsky taught all over the world, and his students came from all over the world to study with him. Once, during an diploma exam, S P E C I A L he said: “And now comes my best Egyptian!” – Question from the exam commission: “Oh, how many Egyptians do you have, Professor?” – Answer: “Just this one!” In Vienna, he would occasionally move his lectures to the Kunsthistorisches Museum, to which he would direct students with the self-ironic justification: “I know more about art history than I do about music.” He derived his new stylistic consciousness for music from the comparison of music’s formal structural elements with those in painting. Those observations—plus his analytical view and his method of breaking down of musical works into their smallest details, a way of thinking he’d learned from Schönberg and, above all, from Webern—formed the basis for Swarowsky’s method of an objective, comprehensive, and solely music-based understanding of musical works. During Swarowsky’s 30 years of teaching, over 600 students came to Vienna to attend his courses; many of them are still active today, often in leading positions, and more than a few of these names are so well known that they need not be mentioned specifically, and this group is by no means limited to Abbado and Mehta: Martha Argerich, too, sat in the lectures and took notes (without actually being enrolled), Placido Domingo took private conducting lessons, and despite the Iron Curtain, one or two “Soviet” students each year would also succeed in getting to Vienna, including Mariss Jansons and Dmitri Kitayenko. Among the professors in the conducting department, Swarowsky particularly admired Franz Eibner (Schenker Seminar), Josef Mertin (early music), and Erwin Ratz (formal analysis and editor of the Gustav Mahler Complete Edition); he had known Ratz, incidentally, since the final days of Nazi terror. Concert Activities Swarowsky, who had himself only barely survived persecution by the Nazis, was quickly declared innocent of wrongdoing by the Allies, making him one of those Austrian conductors who were allowed to appear in public immediately following the war’s conclusion in 1945. But like so many others, he never succeeded in overcoming the forced interruption and associated long-term damage to his career. After 1945, his conducting activities shifted from the opera house to the concert hall despite numerous guest appearances at important opera houses and Karajan’s procurement for him of a constant engagement at the Vienna State Opera, where he also led the studio for young singers from which figures including Edita Gruberová were to emerge. In hindsight, though, Swarowsky’s concert activities would appear even more interesting. As early as the 1950s, he managed to conduct performances of music by baroque composers including Schütz, Telemann, Bach, Händel, and Pergolesi. The apex of these explorations was the first-ever LP recording of Bach’s St. Matthew Passion, which he became the first to perform with a small orchestra and choir along with initial attempts at a historically informed approach (Josef Mertin, for example, took charge of the positive organ). Altogether, Swarowsky recorded around 300 works on LP (including Wagner’s Ring), but only very few of these recordings are available today. This comes not least due to the fact that Swarowsky’s own attitude towards recording (the importance of which he evidently hadn’t accurately ascertained) was sceptical or even downright disinterested. Repertoire Swarowsky’s repertoire rested on the following pillars: Viennese classicism up to Brahms and Schubert (including the first complete recording of a Haydn opera, Orfeo ed Euridice, in 1951), and the classics of the 20th century—few other conductors of his generation conducted as many works by Schönberg (including Moses and Aron) or so many premières (like of works by Stravinsky). He paid special attention to Mahler, who had left several lasting impressions on him beginning in his childhood (when he participated as a choirboy at the première of Mahler’s 8th Symphony in 1910). Immediately following the war, he conducted Das Lied von der Erde (and before the war had ended, it was a January 1945 performance of Beethoven’s Symphony No. 9 in Krakow to which Poles were admitted despite a Nazi ban). In Vienna, 1957 saw him conduct the first performance in 25 (!) years of Mahler’s Symphony No. 3, a piece that was as good as unknown at the time, which drew all of Vienna—Karajan and a who's-who of other prominent figures were to be seen in the boxes at the Musikverein. Swarowsky remained devoted to this “Mahler Renaissance” right up to his death: he conducted almost all of Mahler’s works several times with the Vienna Symphony, the last such occasion being with his Ninth Symphony in March 1975. Swarowsky’s very last concert, however, took place in June 1975 at Teatro Colon in Buenos Aires, at which time—already marked by illness—he was also leading his last conducting course in Vienna. The Author A passionate photographer, Hans Swarowsky was also president of the German Leica Association during the interwar period, and by the end of his life he had collected an immense library of first editions that was known far and wide. One could also most certainly view him as an author who was capable of expressing himself brilliantly in writing, and he left behind thousands of letters as well as a large body of essays and notes on music and conducting, from which—following his death—I was able to compile and edit the book Wahrung der Gestalt (Keeping Shape – a revised English edition will be released in 2016). In these writings, we encounter a consistently critical and iconoclastic author who is highly combative and uncompromising in fundamental questions of music but equally humorous and broadly educated, an author whose polemic and apodictic statements need fear no comparison with those of his teacher Schönberg and his role model Karl Kraus. 21 S P E C I A L Zwischen Demut und Dominanz Johannes Wildner ist seit einem Jahr Professor für Dirigieren an der mdw. Kunsträume traf ihn zum Gespräch über die Grundsätze der DirigentInnenausbildung und die Bedeutung von Hans Swarowsky. INTERVIEW: SUSANNE GRADL H err Wildner, Uroš Lajovic ist einer der letzten direkten Schüler von Hans Swarowsky. Denken Sie, dass mit seiner Emeritierung das Ende der SwarowskyÄra eingeläutet wurde? Ich denke nicht, denn das Christentum ist auch nicht zu Ende gegangen, als der letzte der zwölf Apostel gestorben ist. Es handelt sich vielmehr um einen Generationsprozess. Lajovic hat noch selbst bei Swarowsky studiert, das habe ich leider nicht mehr geschafft. Ich habe ihn daher nicht mehr persönlich erlebt, aber der Geist seiner musikalischen Vorstellung ist durch meine Lehrer an mich weitergegangen. Weiters ist durchaus nicht gesagt, dass die zeitliche Entfernung die Reinheit des Geistes abnehmen lässt. Es ist eher so, dass man den Geist von Generation zu Generation aufgrund einer pädagogischen und künstlerischen Notwendigkeit in eine neue Position bringt. In dieser Aufbereitung liegt eine starke Verantwortung. Es ist so wie Gustav Mahler sagte: „Tradition ist nicht die Anbetung der Asche, sondern die Weitergabe des Feuers.“ Genauso sehe ich das auch. Der Geist von Swarowskys Lehre geht also von Generation zu Generation weiter und jede dieser Generationen hat, wenn sie sich diesem Geist verpflichtet fühlt, die Aufgabe ihn zu adaptieren, weiterzuleben und ihn wiederum an die nächste Generation weiterzugeben. Kann sich die DirigentInnenausbildung dann entwickeln, wenn der Geist stets derselbe bleibt? Natürlich entwickelt sich etwas, denn jede pädagogische 22 Generation muss die Inhalte reaktiv auf die entsprechende Schülergeneration adjustieren. Würde sich nichts entwickeln, hätten wir das Dictum missachtet, dass wir die Genialität und Autarkie des individuellen Geistes jedes Einzelnen berücksichtigen müssen. Dazu hat sich das Lehrer-Schüler-Verhältnis enorm geändert. Ich denke, dass Lehrende lange Zeit extrem durch politische Tabuisierungen belastet worden sind und sie daher keine Lust hatten, intensive Gespräche mit ihren Schülern zu führen. Denn man kann nicht über Tschaikowsky sprechen, ohne die Politik von Zar Alexander II. zu behandeln – oder über Strawinsky ohne die russische Revolution. Ich denke, dass man vermieden hat, eine allzu große Nähe aufzubauen. Ich freue mich heute umso mehr, wenn wir gerade das geschafft haben und über Dinge sprechen, auch wenn wir unterschiedlicher Meinung sind – wir beschäftigen uns mit derselben Materie. Im Grunde geht es um das Weitergeben und durch unsere eigene Individualität entwickelt sich der Geist laufend. Was macht den Geist von Swarowsky aus? Ich beschreibe die Grundlagen von Swarowsky gerne mit einem Drei-Säulen-Modell. Die erste Säule ist die rein mechanische Organisation, also die sogenannte „Technik des Dirigierens“; die zweite die psychische Disposition des Dirigenten zur musikalischen Substanz und die dritte, die psychische Beziehung des Dirigenten zur Umwelt, die das Notenmaterial zu einem klingenden Ereignis macht. Von diesen drei Säulen kann man eine hundertprozentig lehren – die Technik. Die zweite Säule kann man sehr stark befördern, man muss sie fordern und lebenslang an ihr arbeiten. Die dritte Säule ist abhän- „Ein Dirigent ist nicht nur dafür verantwortlich, dass die Trompeten nicht zu laut sind. Sondern dafür, in welcher Weise das musikalische Angebot mit der gesellschaftlichen Situation der Menschen interagiert.“ “A conductor is not responsible for making sure the trumpets aren’t too loud. What he is responsible for is how the music being offered interacts with the societal situation of the people being addressed.” „DER AUSSPRUCH: ‚DIRIGIEREN MUSS MAN NICHT LERNEN‘ IST GENAUSO FALSCH, WIE DER SPR UCH ‚DIRIGIEREN KANN MAN NICHT LERNEN‘.“ © Lukas Beck S P E C I A L gig von der Gesamtpersönlichkeit, die können wir analysieren, aber kaum verändern. „Ich glaube, dass jeder Mensch ein eigenes Bewegungsrepertoire hat, mit dem er beim Dirigieren auskommen muss. Daher kann man auch keinen Dirigenten imitieren. Man kann jemanden kopieren, aber die Wirkung tritt nicht ein.“ “I believe that every human being has his own repertoire of movements, on which he has to draw when conducting. That’s why it’s not possible to imitate another conductor. You may be able to copy someone, but one can’t copy the effect they have.” UNTERRICHT IM ORCHESTERDIRIGIEREN © Ewald Grabenbauer 24 Das heißt, man wird als Dirigent geboren? Ja, zum Teil. Ein Beispiel: Das erste Mal als Gustavo Dudamel in Erscheinung getreten ist, war in Bamberg, er war damals 18 Jahre alt. Man hat trotzdem sofort gesehen, dass er eine enorme Führungskompetenz und Gestaltungskraft hat, denn er möchte, dass etwas so wird, wie es seiner Vision entspricht. Mir wurde unlängst in einer Diskussion vorgehalten, seine Meinung vehement zu vertreten, sei elitär und dominant. Das ist aber genau das, was einen Dirigenten ausmacht. Wenn ich nicht elitär und dominant bin, habe ich nicht einmal im Vorraum eines Orchesters etwas verloren. Ich muss etwas anbieten, das elitär ist, denn sonst braucht es keiner und ich muss etwas anbieten, das dominant ist, denn sonst existiert es nicht. Gibt es noch einen zweiten großen Maestro, der eine ähnliche Auswirkung auf die DirigentInnenausbildung hatte wie Swarowsky? Franco Ferrara in Italien vielleicht. Er hat in ähnlicher Weise schulbildend gewirkt wie Swarowsky. Seine Botschaft war ähnlich: in der Kunst hat nur das eine Berechtigung, das von ganzem Herzen und mit totaler Identifikation passiert. Indifferente Beliebigkeit hat keine Existenzberechtigung. Als weiteren Titanen in der Geschichte der Dirigierpädagogik kann man den Finnen Jorma Panula nennen, der seinerseits selbst ein Schüler von Ferrara war. In Italien gab es auch den russischstämmigen Vladimir Delman, bei dem ich in Parma studiert habe. Von ihm habe ich jene bedingungs- und kompromisslose Wahrhaftigkeit lernen dürfen, wie sie etwa in den Romanen von Jakob Wassermann beschrieben wird. Schulbildend gewirkt hat auf jeden Fall auch Hideo Saito, der japanische Dirigent und Musikpädagoge. Gibt es große Dirigenten, die Swarowsky beeinflusst haben? Swarowsky war als Student und junger Künstler in einer Atmosphäre, die von mehreren Titanen geprägt war. Er hat bei Schönberg und Webern studiert und hat dann engste Verbindungen zu Richard Strauss und Clemens Krauss gehabt. Das sind Prägungen und Einflüsse, denen sich niemand entziehen kann. Ich denke, dass das perfekte Erfassen der Dirigiertechnik durch Swarowsky schon das Erbe von Clemens Krauss war. Eine Frage, die ich für mich gerne klären würde, ist, ob es eine Beziehung oder sogar eine wechselseitige Beeinflussung zwischen Hans Swarowsky und dem um drei Jahre älteren Oswald Kabasta gegeben hat. Kabasta war Nationalsozialist, hat sich nach dem Krieg erschossen und wir schweigen ihn heute tot. Das ist verständlich, aber vom Standpunkt der Entwicklung unserer musikalischen Tradition her ein Fehler. Sein prominentester und wohl auch bedeutendster Schüler, Herbert von Karajan, hat zeitlebens seinen Unterricht gelobt. Das heißt, es können viele Einflüsse auf die Swarowsky-Schule eingewirkt haben? Ja, aber ich wehre mich dagegen, es eine Schule zu nennen. Eine Schule hat für mich immer etwas Eigenbrötlerisches, etwas Abgeschlossenes, mit einem verdunkelten Horizont, über den man nicht hinausschauen darf. Also eine Swarowsky-Idee? Genau! Das war die Stärke von Swarowsky. Er hat erklärt, wie bestimmte Dinge funktionieren, war aber gegenüber anderem nie blind oder verschlossen. Eine Schule könnte man vielleicht die Methode von Saito nennen. Wenn man in Japan Dirigieren studiert, gibt es eine gewisse Zeit, in der man nur die Muskeln trainiert. Das ist etwas, was wir bedenken müssen. Wir erzeugen sehr viel Unsicherheit, wenn wir es unterlassen, den Körper zu trainieren. Swarowsky hat formuliert, wie man den Körper einsetzen muss, d. h. wie man zum Beispiel das Handgelenk richtig führen muss. Ich finde allerdings, dass die japanische Schule nach dem Erlernen des technischen Rüstzeuges bisweilen die Universalität zu kurz kommen lässt, sodass in der Umsetzung von musikalischen Ideen die Gefahr von Uniformität und Monotonie auftreten kann. Das heißt, die Technik soll nur so weit gehen, dass sie nicht das Eigene einschränkt? Ja, genau. Die Technik muss zu großer Perfektion getrieben werden, aber sie muss sich immer amalgamierend mit der Körpersprache verbinden, damit man sich selbst treu bleibt. Swarowskys große Stärke war zu erklären, wie weit wir in der Perfektion der Technik gehen können, ohne einander zu imitieren. Das ist auch mein Credo: ich muss dem Schüler ermöglichen mit seinen Händen zu sprechen, aber ich darf nicht sagen, dass die Stimmen von allen gleich klingen müssen. Die Hervorbringung der Kunst muss in jeder Phase mit hundertprozentiger Identifikation kombiniert werden. S P E C I A L ASPEN MUSIC FESTIVAL AND SCHOOL © Ryan Cutler Bei der zweiten Säule von Swarowsky haben wir sehr großen Handlungsbedarf. Die totale spiritualistische Durchdringung der Materie. Vereinfacht gesagt: Man muss alles wissen. Haben Sie deswegen Musikwissenschaft studiert? Ja, auch deswegen. Man kann nie genug wissen! Was Swarowsky unbedingt gefordert hat, war die Beschäftigung mit der Materie bis hin zum Atom. Ich spreche z.B. drei Stunden lang über die Dritte Beethoven, freue mich dann aber sehr, wenn die KollegInnen selber weiterforschen. Ich bin der Ansicht, dass man beispielsweise keinen einzigen Ton von Beethoven dirigieren kann, ohne alle Stadien der französischen Revolution intus zu haben. Das heißt, wir müssen alles wissen. Geht sich das in einem einzigen Leben aus? Ein Leben ist nie genug. (lacht) Es geht auch gar nicht so sehr um das Wissen an sich, sondern um den Prozess, um das Streben nach Wissen. Nur dieses Streben schafft die notwendige Demut. Diesem Grundsatz von Swarowsky müssen wir für immer verpflichtet bleiben. Ein Dirigent oszilliert ständig zwischen der Bereitschaft, sich selbst permanent in Frage zu stellen und der Selbstsicherheit, in jedem Moment der richtige Anwalt des schöpferischen Genies des Komponisten zu sein. Nur das eine ohne das andere zu haben, wäre falsch. Wir müssen unsere Dominanz weiterentwickeln und die Demut täglich neu und ohne Unterlass üben. BETWEEN HUMILITY AND DOMINANCE Johannes Wildner has embarked on his second year as a conducting professor at the mdw. Kunsträume met him for a conversation on the fundaments of conductors’ training and the significance of Hans Swarowsky. Professor Wildner, Uroš Lajovic is one of the last direct students of Hans Swarowsky. Does his retirement spell the end of the Swarowsky era? I don’t think so—after all, Christianity didn’t end with the death of the twelfth apostle. It’s more of a generational process. Lajovic was still able to study with Swarowsky himself; unfortunately, I no longer managed to do that. So I didn’t experience him personally, but my teachers passed on to me the spirit of his musical ideas. Besides which, there’s no reason why temporal distance would necessarily entail a reduction in the purity of this spirit. It’s more the case that pedagogical and artistic necessity causes the spirit to be brought into a new position from generation to generation. The task of accomplishing this represents a weighty responsibility. It’s just like Gustav Mahler said: “Tradition is not worshipping the ashes, but passing on the flame.” And that’s my view, as well. So the spirit of Swarowsky’s teachings get passed on from generation to generation, and each such generation—insofar as they feel beholden to this spirit—has the job of adapting it, living with it, and in turn passing it on to the generation that succeeds them. TAKTANGEBENDE ABSOLVENTINNEN DER MDW MARIE JACQUOT ABSOLVENTIN ORCHESTERDIRIGIEREN „Die Musik berührt mich, wenn ich einen Sinn fühlen kann. Es ist einfach, eine Reihenfolge von Noten zu spielen, es ist aber schwieriger, dieser Reihenfolge eine Bedeutung zu geben. Das ist der Grund, warum ich als Musikerin immer versuche, meine Seele so viel wie möglich einzubringen.“ In Paris geboren, begann Marie Jacquot bereits mit 14 Jahren zu dirigieren. Sie nahm an zahlreichen Meisterklassen bei internationalen Größen wie Fabio Luisi, Simone Young, Zubin Mehta und Bertrand de Billy teil. 2012 dirigierte sie als Gastdirigentin das Sofia und Gdansk Philharmonic Orchestra. 2014 gab sie ihr Debüt mit dem ORF Radio-Symphonieorchester im Wiener Musikverein. Zu Beginn des Jahres 2015 assistierte sie Maestro Kirill Petrenko an der Bayerischen Staatsoper. Seit Oktober 2014 unterrichtet Marie Jacquot am Institut Franz Schubert an der mdw als Dirigentin des Sinfonisches Blasorchesters. “Music touches me when I can sense a meaning. It’s easy to play a sequence of notes, but lending this sequence meaning is more difficult. That’s why, as a musician, I always try to involve my soul as much as possible.” Paris-native Marie Jacquot began conducting at the young age of 14. She has since taken part in numerous master classes with international greats such as Fabio Luisi, Simone Young, Zubin Mehta, and Bertrand de Billy. In 2012, she led the Philharmonic Orchestras of both Sofia and Gdansk as a guest conductor. 2014 saw her debut with the ORF Radio Symphony Orchestra at the Vienna Musikverein. And at the beginning of 2015, she served as an assistant to Maestro Kirill Petrenko at the Bavarian State Opera. Since October 2014, Marie Jacquot has taught at the mdw’s Franz Schubert Department as conductor of the Symphonic Wind Orchestra. 25 ´ MARTA GARDOLINSKA ABSOLVENTIN ORCHESTERDIRIGIEREN „Ich glaube, dass die DirigentInnenausbildung eine sehr heikle und komplexe Sache ist. Sie sollte zum größten Teil aus Persönlichkeitsentwicklung bestehen. Es gibt viele fantastische MusikerInnen, die Partituren lesen und die Arme bewegen können. Ein Dirigent sollte aber imstande sein, eine Gruppe von achtzig Menschen zu inspirieren und in einen musikalischen Körper zu verwandeln – auch ohne Wörter und Gesten. Alles andere ist nur Organisation und Choreografie.“ 1988 in Warschau geboren, beeindruckte Marta Gardolińska in den vergangenen Jahren als inspirierte, energische und versierte Dirigentin. Mit großer Leichtigkeit leitete sie diverse Instrumentalund Vokalensembles verschiedener Stilrichtungen, wie das ORF Radio-Symphonieorchester. Als Dirigentin trat sie u.a. im Wiener Konzerthaus, im Saal der Baltic Philharmonic Gdansk sowie im Goldenen Saal des Wiener Musikvereins auf. “I think that the training of conductors is an extremely delicate and complex thing. The greatest emphasis should be on personality development. There are loads of fantastic musicians out there who can read scores and wave their arms. But a conductor has to be able to inspire a group of 80 people and transform them into a musical organism—even without words or gestures. Everything else is just organisation and choreography.” ´ Marta Gardolinska, born in Warsaw in 1988, has impressed orchestras and audiences in recent years as an inspired, energetic, and well-versed conductor. With great ease and lightness, she has led various vocal and instrumental ensembles—including the ORF Radio Symphony Orchestra— in performances featuring diverse styles of music. She has appeared as a conductor at venues including the Vienna Konzerthaus, the concert hall of the Baltic Philharmonic Gdansk, and the Golden Hall of the Vienna Musikverein. © Annamaria Kowalsky Can the training of conductors still continue developing if the spirit remains the same? Of course things develop, because every generation of teachers has to adapt the content to the generation of students they’re teaching. If all development were to stop, we’d have ignored the dictum according to which we have to take into account the genius and independence of each individual spirit. 26 What’s more, the teacher-student relationship has changed drastically. I think that teachers were long burdened to an extreme extent by political taboos, for which reason they weren’t all that disposed to having intense conversations with their students. Because you can’t talk about Tchaikovsky without talking about the policies of Tsar Alexander II—or about Stravinsky without touching on the Russian Revolution. I believe they tried to avoid the development of all too much closeness. So I’m all the happier if we’ve managed just that today, being able to discuss things even if our opinions differ— we’re dealing with the same material, after all. Fundamentally, it’s about passing things on, and our own individuality allows the spirit in question to continue developing. What is the essence of Swarowsky’s spirit? I like to describe the fundamental things about Swarowsky in terms of a model with three pillars. The first pillar consists in purely mechanical organisation—in other words, the socalled technique of conducting; the second is the conductor’s psychological disposition towards the musical substance; and the third is the physical relationship of the conductor with his or her environment, that relationship which turns the notes written on the paper into an audible experience. Of these three pillars, one—technique—is 100% learnable. The second pillar is something that can be lent very strong support, and one has to challenge it and continue working on it one’s whole life long. The third pillar depends on one’s overall personality; it can be analysed, but it’s hardly possible for us to change it. So you’re saying that you have to be born to be a conductor? In part, yes. For instance: the first time Gustavo Dudamel appeared on the scene was as an 18-year-old in Bamberg. But despite his age, it was immediately recognised that he had an enormous ability to lead and to shape things; he had this desire for things to become like he’d envisioned them. Recently, in a discussion, someone charged that it was elitist and dominant to vehemently assert one's own opinion. But that’s precisely what makes a conductor a conductor. If I’m not elitist and dominant, then I have no business even setting foot in the antechamber of an orchestra. I have to offer something that’s elitist, because otherwise, nobody needs it; and I have to offer something that’s dominant, because otherwise, it doesn’t exist. Is there any other great maestro who’s had an impact on conductor training similar to that of Swarowsky? Franco Ferrara in Italy, perhaps. He established a school similar to the way in which Swarowsky did. And his message was similar: in art, the only things that deserve to exist are those that are done with one’s whole heart and one’s total identification. Indifferent randomness has no place. Another titan in the history of training conductors would be Finland’s Jorma Panula, who was himself a student of Ferrara’s. In Italy, there was also the Russian-born Vladimir Delman, under whom I studied in Parma. I had the privilege of learning from him that kind of unconditional and uncompromising veracity that one finds described in the novels of Jakob Wassermann. And another one who founded his own school was definitely Hideo Saito, the Japanese conductor and music educator. Were there great conductors who had influenced Swarowsky? As a student and young artist, Swarowsky came of age in an atmosphere that had been shaped by several titans. He studied with Schönberg and Webern, after which he was quite close to Richard Strauss and Clemens Krauss. Those were formative influences that left nobody unaffected. And I S P E C I A L think that Swarowsky’s perfect understanding of conducting technique was indeed the heritage of Clemens Krauss. A question that I’d like to answer for myself is whether there existed any relationship or even mutual influence between Hans Swarowsky and Oswald Kabasta, who was three years older. Kabasta was a national socialist, he shot himself following the war, and we speak not a word of him today. That’s understandable, but in terms of the development of our musical tradition, it’s a mistake. Kabasta’s most prominent and probably most important student, Herbert von Karajan, praised his teaching for as long as he lived. So there were a large number of possible influences on the Swarowsky school? Yes, but I'd object to its being called a school. To me, a “school” always has something hermetic and closed to it, with a darkened horizon beyond which one isn’t allowed to peer. So it’s more the “Swarowsky idea”? Exactly! That was Swarowsky’s virtue. He explained how certain things work, but he was never blind or closed to other things. What you might indeed be able to call a school is Saito’s method. If you study conducting in Japan, you go through a certain phase where you train only your muscles. Which certainly is something that demands consideration. Neglecting to train the body results in a lot of insecurity. And Swarowsky did formulate how the body’s to be used, for example how to correctly move the wrist. But I do feel that the Japanese school, once the technical arsenal has been learned, concentrates too little on universal aspects, which entails the risk of uniformity and monotony in the way musical ideas are put into practice. study the material down to the smallest atom. So I can talk for three hours about Beethoven’s Third, but I’m also quite happy when my young colleagues continue researching it on their own. Because I think that you can’t conduct a single note of Beethoven without intimate knowledge of all stages of the French Revolution, for example. So we really do have to know everything. Is it at all possible to achieve that within a single lifetime? A single lifetime is never enough. (laughs) But it’s perhaps not so much about the knowledge itself but rather about the process, about striving for knowledge. Only this quest gives rise to the necessary humility. This principle of Swarowsky is something we must always uphold. A conductor is constantly oscillating between the willingness to constantly question himself and the self-assurance necessary to be a suitable advocate of the composer's creative genius at any given moment. Having only one without the other would be wrong. So we need to continue developing our dominance while renewing our practice of humility every day, without cease. HANS SWAROWSKY © Anton Swarowsky / Nachlass Hans Swarowsky So technique should only go as far as it can without limiting individuality, correct? Yes, that’s right. Technique has to be mastered to a high degree of perfection, but it always has to be joined with body language if one intends to remain true to oneself. Swarowsky’s great strength was the fact that he explained how far we can go in perfecting technique without imitating each other. Which is my maxim, too: I have to make it possible for students to speak with their hands, but I can’t say that all the resulting voices have to sound the same. In each individual phase, one needs to identify one hundred percent with one’s own realisation of art. In terms of Swarowsky’s second pillar, there’s a lot that we have to do. It’s about total spiritual penetration of the material. Or put more simply: you have to know everything. Is that why you studied musicology? Yes, that’s one of the reasons. You can never know enough! What Swarowsky demanded unconditionally was that one „Die Schule von Swarowsky hat darin bestanden, dass er, bei strengster Beachtung der ‚Wahrung der Gestalt‘, seinen Schülern den Weg gewiesen hat, wie sie seine Lehre mit ihrem persönlichen und individuellen Bild der Kunst verbinden können. “Swarowsky’s school was characterised by the fact that, although he insisted on the strictest ‘preservation of form’, he also showed his students ways in which they could connect his teachings with their personal and individual perspectives on art.” S P E C I A L HANS SWAROWSKY © Nachlass Hans Swaro wsky Forschungsprojekt Hans Swarowsky Reinhard Kapp vom Institut für Analyse, Theorie und Geschichte der Musik leitete ein Forschungsprojekt zum Phänomen Swarowsky. 28 S P E C I A L D er Dirigent Hans Swarowsky kam in Budapest als außerehelicher Spross eines Wiener Paares zur Welt: eines jüdischen Großindustriellen und einer Schauspielelevin. Er wuchs bei der Mutter auf, hatte aber auch Zutritt zum repräsentativen Stadtpalais des Vaters. Die Spannung zwischen auseinanderdriftenden Schichten des Bürgertums, Aufsteigermentalität und punktuellen Kontakten zur „großen Welt“ dürfte ihn geprägt haben. Nach einem geregelten Bildungsgang bis zum Universitätsstudium der Kunstgeschichte musste er sich schließlich auf eigene Füße stellen und entschloss sich zur Laufbahn des Musikers. Er praktizierte als Pianist und Korrepetitor bei verschiedenen Gelegenheiten und nahm Theorieunterricht bei Schönberg und Webern – im Umkreis der Wiener Schule, in Theorie und Praxis, empfing er die wohl entscheidenden Lehren für sein musikalisches Leben. PROPHET IM EIGENEN LAND Bald ließ sich eine steile Kapellmeisterkarriere an mit den Stationen Wiener Volksoper, Stuttgart, Gera, Hamburg, Berlin. Nachdem die Gerüchte über Swarowskys nicht rein arische Abstammung nicht verstummen wollten und er vorübergehend unbeschäftigt blieb, gelang es ihm, als Kapellmeister in Zürich zu arbeiten. Dort wurde er wegen der restriktiven nationalen Politik gekündigt und da die Emigration an der Beschaffung eines Visums scheiterte, war er 1940 gezwungen, nach Nazideutschland zurückzukehren, wo er sich mit allerlei durch Richard Strauss und Clemens Krauss vermittelten Arbeiten durchschlug (und, wie es scheint, für die Engländer spionierte). Nach dieser abenteuerlichen und lebensgefährlichen Episode wurde er noch vorübergehend Chef der Wiener Symphoniker und Generalmusikdirektor in Graz, konnte darüber hinaus aber keine seinem Rang entsprechende Position mehr erringen. Er war als internationaler Gastdirigent sehr gefragt, aber trotz zahlreicher Auftritte in Oper und Konzert blieb er in Wien der Prophet im eigenen Land. Umso durchschlagender waren seine Erfolge als Pädagoge. SWAROWSKYS DIRIGIERSTIL Die historische Stellung ergibt sich aus der Generationenkonstellation: Swarowsky teilt das gleiche Geburtsjahr mit den Dirigenten Barbirolli, Matačič, Ormandy, Wilhelm (William) Steinberg, umgeben von den etwas Älteren Busch, Kleiber, Scherchen, Krauss, Rosbaud, Mitropoulos, Desormière, Horenstein (geboren zwischen 1890 und 1899) und Jüngeren wie Kletzki, Konwitschny, Krips, Goehr, Cluytens, Zillig, Karajan (1900 bis 1908). Man findet bei ihnen allen einen Anteil, der sich mit den Idealen der Neuen Sachlichkeit berührt (unter den Kom- ponisten die Generation mit Eisler, Hindemith, Krenek, Weill), aber es gab mehrfache Kontakte mit der Wiener Schule und ihrer charakteristischen Verbindung des Analytischen mit dem Expressiven. So erklären sich wohl auch bestimmte Eigentümlichkeiten von Swarowskys Dirigierstil: gegenüber dem Zerfasernden des vorausgegangenen Interpretationsideals eine gewisse Stabilisierung, manchmal bis zur Härte. Dabei ist Flexibilität nicht unterdrückt, nur kontrolliert: Die Musik soll sich in die ihr gemäße Bewegungsform einschwingen können. Mit seinem Programm vollständigen Zurücktretens des Interpreten hinter das Werk konnte Swarowsky nicht zu einer der Kultfiguren des Musikbetriebs werden, er prägte kein „Markenzeichen“ aus. Als erklärter Feind der sogenannten individuellen Nuance und willkürlicher Entstellung der Meisterwerke ging er stets von scharf umrissenen Vorstellungen aus, die ihn oft genug mit den Traditionen der Orchester in Konflikt geraten ließen. Im Idealfall waren seine Aufführungen von dramatischem Impetus ebenso wie Feinheit der Artikulation und Durchsichtigkeit der musikalischen Faktur bestimmt; Koloristik stand im Dienste der Verdeutlichung, war kein Selbstzweck. Swarowskys Stärken waren die Wiener Klassiker, italienische Oper, Wagner, Mahler (er gehörte zu den Pionieren der Mahler-Renaissance nach dem Krieg) und Strauss, aber auch (soweit das damals durchzusetzen war) die Musik der Wiener Schule. Daneben nahm er Kontakt zur Alte-Musik-Bewegung auf und versuchte deren Wissen über Instrumentarium, Improvisation, Appoggiaturen, Tempoproportionen für sich fruchtbar zu machen. TEXT: REINHARD KAPP Weitere Informationen zum Forschungsprojekt unter: www.mdw.ac.at/iatgm WIRKEN ALS LEHRER Sein Unterricht umfasste die ganze Breite von Werkanalyse und Stilkunde über technische Ratschläge bis zu umfassender Orientierung über den kulturgeschichtlichen Hintergrund der in Rede stehenden Musik, deren geistige Erfassung im Zentrum stand. Auch hier galten natürlich die Grundsätze, die Swarowskys eigene Praxis bestimmten: Interpreten sind als bloße Ausführende prinzipiell den Komponisten nachgeordnet. Der Zugang zur Musik erfolgt primär analytisch (formal wie inhaltlich, aber auch praktisch, etwa in der Einteilung der Stücke nach Taktgruppen). Es geht nicht um Vermeidung des Espressivo, sondern um Bindung an die Erfordernisse des jeweiligen Werks. Anzustreben ist bewusste Verfügung über Technik, Form und Ausdruck. Als Person in seinen Äußerungen nicht immer verbindlich (was ihm das Leben sicher nicht leichter gemacht hat), erlaubte er sich auch im Unterricht maliziöse Bemerkungen und hat manch einen vor den Kopf gestoßen, aber die als begabt Erkannten stets nach Kräften gefördert. Gegen Frauen am Dirigentenpult sprach er sich gelegentlich 29 HANS SWAROWSKY MIT RICHARD STRAUSS UND WALTER FELSENSTEIN ( 2. V O N LIN KS ) B EI SALOME IN ZÜRICH, 1940 © Nachlass Hans Swarowsk S P E C I A L RESEARCH PROJECT: HANS SWAROWSKY Reinhard Kapp of the Department of Music Analysis, Theory, and History recently headed a research project on the Swarowsky phenomenon. HANS SWAROWSKY MIT MSTISLAW ROSTROPOWITSCH IM MUSIKVEREIN, 1965 © Nachlass Hans Swaro wsky (wiederum generationenbedingt) abfällig aus. Doch berichtet seine Schülerin Roswitha Heintze, nie in irgendeiner Weise herabgesetzt oder benachteiligt worden zu sein. So hat Swarowsky buchstäblich Generationen von erfolgreichen Schülern (später vielfach in Ersten Stellungen) hervorgebracht. Aber so anerkannt sein Wirken als Lehrer – als der bedeutende Dirigent, der er jedenfalls auch war, wird er noch kaum angemessen wahrgenommen und bleibt zu entdecken und zu studieren (wobei die, gelinde gesagt, unübersichtliche diskografische Situation eine gewisse Schwierigkeit darstellt). 30 The conductor Hans Swarowsky was born in Budapest as the illegitimate son of two Viennese: a wealthy Jewish industrialist and an acting student. He was raised by his mother but also had access to the representative city palace of his father. The tension between the increasingly estranged bourgeois and petit-bourgeois classes, social climbing-related ambitions, and occasional contact with elite circles probably all left their mark on him. Following his formal education, which he concluded with a university degree in art history, he ultimately had to stand on his own two feet—and decided to begin a musical career. He therefore pursued various opportunities to hone his skills as a pianist and accompanist while also taking theory lessons with Schönberg and Webern, thus situating himself theoretically and practically within the circles of the Second Viennese School. What he learned there was doubtless to play a decisive role in his future musical life. A Prophet in his own Land Swarowsky soon embarked upon a steeply ascendant conducting career, going from the Vienna Volksoper to Stuttgart and on to Gera, Hamburg, and Berlin. With the rumours about his not purely Aryan ancestry refusing to go away, Swarowsky eventually found himself temporarily out of work and successfully applied for a conducting post in Zurich. He was soon fired there due to restrictive national policy, however, and since he was unable to emigrate from Germany due to his inability to obtain a visa, he was forced to return to there in 1940—where he managed to get by with S P E C I A L With his mission of withdrawing completely behind the work itself as a performer, Swarowsky was unfit to become a cult figure in the music business; he had no “trademark”. As a declared enemy of so-called individual nuance and wilful distortion of masterpieces, he always based his work on sharply defined concepts that often enough came into conflict with the traditions of the orchestras with which he worked. At their best, his performances were characterised by a dramatic impetus plus freedom of articulation and transparent musical structures; colour was employed to make things clearer, not as an end in itself. Swarowsky’s strengths were Viennese classicism, Italian opera, Wagner, Mahler (he was a pioneer of the post-war Mahler Renaissance) and Strauss, as well as (insofar as performances could be arranged) the music of the Second Viennese School. And alongside all this, he made contact with the early music movement and attempted to make fruitful use of its knowledge of instruments, improvisation, appoggiaturas, and tempo proportions. Impact as a Teacher all manner of odd jobs procured for him by Richard Strauss and Clemens Krauss (while also, it would seem, spying for the British). Following this adventurous and dangerous episode, Swarowsky served temporarily as conductor of the Vienna Symphony and General Music Director in Graz, but was thereafter unable to procure a position appropriate to his rank. He was in high demand internationally as a guest conductor, but in Vienna, despite numerous appearances at opera houses and in concert, he was to remain a prophet in his own land. His successes as a teacher, however, were all the more spectacular for it. Swarowsky’s Conducting Style Swarowsky’s historical situation resulted from the generational constellation in which he found himself: he shared his year of ˇ ˇ Ormandy, and birth with the conductors Barbirolli, Matacic, Wilhelm (William) Steinberg, and slightly post-dated the older Busch, Kleiber, Scherchen, Krauss, Rosbaud, Mitropoulos, Desormière, and Horenstein (born between 1890 and 1899) while predating the younger Kletzki, Konwitschny, Krips, Goehr, Cluytens, Zillig, and Karajan (1900–1908). All of them were influenced to some extent by the ideals of New Objectivity (as seen among composers of Eisler, Hindemith, Krenek, and Weill’s generation), but there were also multiple contacts with the Second Viennese School and its characteristic linkage of the analytical with the expressive. This probably also explains certain peculiarities of Swarowsky’s conducting style: compared to the fragmentation of the previous interpretive ideal , there was a stabilisation of sorts, even to the point of hardness—but with flexibility not being repressed, just controlled. The idea was to allow the music to settle into the form of motion to which it was best suited. Swarowsky’s teaching encompassed the entire range of subject matter from work analysis and musical styles to technical recommendations and comprehensive orientation pertaining to the cultural history relevant to the music in question, the intellectual comprehension of which stood in the foreground. Here too, of course, Swarowsky applied the precepts that governed his own practice: as a matter of principle, interpreters are subordinate to the composers as mere executors of their will. Access to the music is achieved primarily via analysis (formally and in terms of content, as well as practically, such as in the division of the pieces into groups of measures). This is not to avoid expressivity, but in order to harness it to the demands of the work at hand. The overarching objective is to achieve a conscious command of technique, form, and expressivity. As a person who occasionally failed to express himself in an engaging manner (a fact that certainly didn’t make his life any easier), he also allowed himself malicious comments in class and ended up alienating some of his students—but even so, he did all he could to encourage those whose talents he recognised. And in a way that was common among members of his generation, he would occasionally also make derogatory comments about women as conductors. On the other hand, though, his student Roswitha Heintze has stated that he never put her down or disadvantaged her in any way. Swarowsky trained literally generations of successful students (many of whom later assumed first-tier posts). But as acknowledged as his work as a teacher is, he is hardly given the appropriate attention as the important conductor that he most certainly also was, and thus remains to be discovered and studied (although the situation in terms of recordings—which is confusing, to put it mildly—does represent a certain difficulty). 31 mu sic 34 Clara Maria Bauer im Porträt A portrait of Clara Maria Bauer 36 Fließende Grenzen – Pier Damiano Peretti im Interview Blurred Distinctions – Interview with Pier Damiano Peretti 40 Von Wassernixen und anderen Geistern On Water Nymphs and other Spirits M U S I C „ICH MÖCHTE MIT MEINEM STUDIUM AUCH ANDEREN FRAUEN MUT MACHEN, DIESEN WEG ZU GEHEN.“ © music.camps Clara Maria Bauer DER WEG EINER JUNGEN DIRIGENTIN IN EINEM MÄNNERDOMINIERTEN BERUF. „In diesem Beruf kann ich alle meine Fähigkeiten zusammenführen: bestimmte Vorstellungen zu vermitteln, auch durch die Gestik, meine Musikalität und meine Flexibilität im Führungsstil.“ “In this profession, I can bring to bear all of my abilities: conveying specific ideas (in part via gestures), my musicality, and the flexibility of my leadership style.” S eit 1. Oktober 2015 hat die mdw – Universität für Musik und darstellende Kunst Wien eine weibliche Dirigierstudierende mehr, was an sich schon eine Notiz wert wäre, denn lediglich elf von insgesamt 51 Studierenden im Studium Dirigieren bzw. in den Studienzweigen Orchesterdirigieren, Chordirigieren und Korrepetition sind Frauen. TEXT: CLEMENS AIGNER 34 Doch auch der Weg, der Clara Maria Bauer an das Institut für Musikleitung der mdw geführt hat, ist ungewöhnlich. Die in eine musikalische Familie hineingeborene Wienerin – die Mutter ist Musikpädagogin – beschloss in der Folge des Wiener Töchtertags 2007: „Ich werde Dirigentin!“ Der Wiener Töchtertag, eine Einrichtung der Stadt Wien, 2002 von der Frauenstadträtin Renate Brauner initiiert und heute unter der Ägide von Sandra Frauenberger in diesem Amt, engagierte im Jahr 2007 Fabio Luisi und die Wiener Symphoniker. Damit wollte man jungen Frauen die Möglichkeit aufzuzeigen, dass ihnen auch in musikalischer Hinsicht der Weg zu einer leitenden Position offensteht. Und so wurde für die Gymnasiastin die Gesprächsrunde mit dem Maestro inklusive einem kurzen Dirigiereinsatz bei einem der bekanntesten österreichischen Orchester zum Schlüsselerlebnis. Nach mehreren Chorleitungskursen in St. Martin bei Graz und erster praktischer Erfahrung im Leiten eines Schulensembles folgte das Studium des Lehramts Musikerziehung an der mdw, gleichzeitig ein Jahr Chordirigieren am Mozarteum Salzburg, ehe Bauer die Studien Dirigieren bei Mark Stringer und Musiktheorie an der mdw inskribierte. M U S I C Die beruflichen Möglichkeiten in Österreich schätzt die junge Studentin sehr nüchtern ein. Mit Assistenzen, viel Reisetätigkeit und der Belegung von Meisterkursen zusätzlich zur universitären Ausbildung wird es ihrer Einschätzung nach dennoch nicht einfach werden, eine Dirigierstelle bei einem Orchester antreten zu können. Trotz sporadischer Ablehnung von Frauen in diesem männerdominierten Beruf nimmt Clara Maria Bauer aber einen deutlichen Meinungsumschwung in der jüngeren Generation wahr, die viel offener und selbstverständlicher mit weiblichen Kolleginnen umgehe. Für Bauer zählt bei DirigentInnen vor allem die Persönlichkeit und so sind ihre Vorbilder neben international bekannten Dirigentinnen wie Nadia Boulanger und Simone Young auch Cornelius Meister für seinen präzisen Schlag, Nikolaus Harnoncourt für seinen emotionalen Stil und Claudio Abbado für seinen freundlichen Umgang mit Orchestern. Besonders am Herzen liegt ihr die Bildung eines offenen Konzertwesens, bei dem vor allem auch zeitgenössische Musik und weniger bekannte Werke vergangener Zeiten genügend Platz finden. Ein Ziel ihrer Arbeit liegt in der Verbreitung der Werke von Frauen, die aufgrund ihres Geschlechts kaum in der Musikgeschichtsschreibung aufscheinen – unter ihnen Louise Farrenc, Ethel Smyth, Lili Boulanger und Emilie Mayer. CLARA MARIA BAUER A Young Woman Conductor’s Way into a Male-Dominated Profession Since 1 October 2015, the mdw – University of Music and Performing Arts Vienna has had an additional young woman studying conducting, which is noteworthy all by itself since only eleven of the altogether 51 students in the conducting programme (with its specialisations of orchestral conducting, choral conducting, and accompaniment) are women. But the path that took Clara Bauer to the mdw’s Conducting Department was likewise unusual. It was following Vienna Daughters’ Day in 2007 that this Vienna native, born into a family of musicians (her mother is a music teacher), decided: “I’m going to be a conductor!” That year, Vienna Daughters’ Day (Wiener Tochtertag)—an event of the City of Vienna initiated in 2002 by Executive City Councillor for Women’s Issues Renate Brauner and now continuing under the aegis of current office-holder Sandra Frauenberger—had brought on board Fabio Luisi and the Vienna Symphony. In doing so, their aim was to make young women more aware of how they had the option to assume a leading role in music, as well. And the secondary school student’s talk with the maestro, which included a brief experience on the conductor’s rostrum before one of Austria’s best-known orchestras, turned out to be a key experience. „Mit dem Hinweis, dass ich aufpassen solle, nicht zu „weiblich“ zu dirigieren, konnte ich nie etwas anfangen. Es kommt auf die individuelle Persönlichkeit an.“ “I’ve never been able to make anything of admonishments to the effect that I should be careful not to conduct in a ‘feminine’ way. It’s really all about one’s individual personality.” Following several choir direction courses in St. Martin near Graz and initial practical experiences leading a school ensemble, she studied Music Education (including teacher’s accreditation) at the mdw and simultaneously enrolled in the choir direction programme at the Mozarteum in Salzburg, before eventually leaving the Mozarteum to pursue the mdw’s Conducting major (under Mark Stringer) as well as Music Theory. The young student has no illusions about the general career opportunities in terms of work with orchestras. Even with assistant conducting posts, lots of travel, and attending masterclasses in addition to her university training, she expects that it won’t be easy finding full-time employment as a conductor. But despite the occasional rejection of women in this maledominated profession, Clara Bauer does perceive a clear shift of opinion among members of the younger generation, who take a far more open and matter-of-fact view of their woman colleagues. For Bauer, what counts in conducting is above all one’s personality, and her role models in this—alongside internationally known woman conductors such as Nadia Boulanger and Simone Young—also include Cornelius Meister for his precise technique, Nikolaus Harnoncourt for his emotional style, and Claudio Abbado for his friendly way of interacting with orchestras. Especially close to her heart is the project of building an open concert life in which sufficient space is given above all to contemporary music and to less-known works from bygone eras. And yet another goal in her work is the dissemination of music by woman composers who are hardly present in music historiography simply due to their gender, composers like Louise Farrenc, Ethel Smyth, Lili Boulanger, and Emilie Mayer. EIN VORBILD FÜR CLARA MARIA BAUER: CLAUDIO ABBADO, BEKANNT FÜR SEINE OFFENHEIT UND SEINEN KOLLEGIALEN FÜHRUNGSSTIL. © Ali Schafler / First Look / picturedesk.com 35 M U S I C Fließende Grenzen PIER DAMIANO PERETTI IST KOMPONIST, ORGANIST UND LEHRENDER AN DER MDW. IN ANERKENNUNG SEINER BISHERIGEN LEISTUNGEN WURDE ER VOM BUNDESKANZLERAMT AM 2. OKTOBER MIT DEM OUTSTANDING ARTIST AWARD FÜR MUSIK (KOMPOSITION) 2015 AUSGEZEICHNET. PIER DAMIANO PERETTI © Weinwurm 36 H err Peretti, welche Bedeutung hat diese Auszeichnung für Sie, mit der zuvor herausragende Komponisten wie Georg Friedrich Haas und Friedrich Cerha geehrt wurden? Mit den von Ihnen genannten Größen wage ich mich kaum zu vergleichen. Vielmehr scheint mir diese Entscheidung die Existenzberechtigung jener Komponisten anzuerkennen, die ihren Weg auch abseits der institutionalisierten Schauplätze der Neuen Musik gehen: Allein, dass die Ausschreibung an scheinbar „unzeitgemäße“ Gattungen wie Messe und Oratorium gerichtet war, zeigt, dass dabei quer zu den herkömmlichen Stil-Schubladen gedacht wurde. Zugleich teile ich die Auszeichnung mit der experimentellen Performerin Pia Palme, die sich in einer völlig anderen Ästhetik bewegt als meine es ist. Das finde ich ganz im Sinne desn heutigen Pluralismus’. Der Outstanding Artist Award steht für die „Anerkennung bisheriger Leistungen und zur unmittelbaren Förderung des weiteren künstlerischen Schaffens“ – inwiefern ist der Preis eine Unterstützung für Sie? Vor allem eine moralische – dafür sind Kulturinstitutionen auch da! Irgendwann, wenn man nicht zu den wenigen gehört, die davon leben (dürfen), und im eigentlichen Alltagsberuf als Lehrender und Musiker beide Hände voll zu tun hat, stellt sich beim Komponieren die Frage nach dem Sinn. Als Heranwachsender kommt man zum schöpferischen Tun aus einer inneren Notwendigkeit heraus, nach und nach sollte es sich aber an die Welt „da draußen“ richten… Heute lautet daher meine Devise: So lang meine Musik nicht nur für mich, sondern auch für andere irgendeine Relevanz hat, lohnt es sich weiter nachzuhaken. Solche Preise sind ein eindeutiges, ja notwendiges Signal. M U S I C „So lang meine Musik nicht nur für mich, sondern auch für andere irgendeine Relevanz hat, lohnt es sich weiter nachzuhaken.“ “As long as my music has some kind of relevance not only for me, but also for others, it’s worth it to keep on going.” Ihr prämiertes Werk Mane nobiscum – Missa für die Osterzeit wurde im Rahmen eines Rundfunkgottesdienstes in der St. Ursula Kirche uraufgeführt. Wo sehen Sie den Unterschied im Komponieren von weltlicher und geistlicher Musik? Zunächst sollte man sich über den Begriff geistlich im Klaren sein. In seiner Konferenz von Notre-Dame hat Olivier Messiaen – nicht nur für sich – eine Trennlinie zwischen „liturgischer“ und „religiöser“ Musik gezogen. Die erste entsteht, heute noch, mit einer klar definierten Funktion im Rahmen der kultischen Handlung: Dauer, Textwahl, Besetzung, oft selbst die ästhetische Haltung des Komponisten richten sich nach gegebenen Vorgaben; diese entsprechen wiederum den Hörerwartungen einer Gemeinde, die Musik nur als Teil eines Gesamterlebnisses wahrnimmt. Hier gelten also andere Qualitätskriterien als bei einem Wien Modern-Konzert: Um mit H. H. Eggebrecht zu sprechen, wird solche angewandte Musik an den Zwecken gemessen, die sie erfüllen soll. Als „religiös“ bezeichnet aber Messiaen eine zweckfreie, autonome Musik, die sich der Transzendenz im weitesten Sinne öffnet – anders gesagt: Sich dem Weltlich-Materiellen zugunsten des Geistes entziehen will… Unter den lebenden Komponisten, die sich gerne dem Spirituellen zuwenden, fallen mir die unterschiedlichsten ein, etwa Arvo Pärt und Klaus Huber oder Wolfgang Rihm und Sofia Gubaidulina: Die eine bezeichnet das Komponieren als „eine Art Gottesdienst“, der andere taucht immer wieder in liturgische Texte ein… Aber so gesehen, sind nicht auch Bruckner-Symphonien oder Beethovens Heiliger Dankgesang für Streichquartett geistliche Musik? Da sind Grenzen durchaus fließend. INTERVIEW: SUSANNE GRADL Sie sind Komponist, Lehrender und Konzertorganist. Vor welche Herausforderungen stellen Sie diese unterschiedlichen Aufgaben? Da ist zunächst gutes Zeitmanagement gefragt… Spaß beiseite: Am Papier lesen sie sich wie voneinander klar abgegrenzte Betätigungsfelder, sie sind es aber nicht. Denn wenn ich unterrichte, zerlege ich wieder, was ich zuvor als Interpret zusammengebaut habe. Und wenn ich komponiere, lasse ich bei aller Abstraktion auch mein instrumentales Know-how mitwirken, Ideen entstehen ja auch aus ihrer physischen Machbarkeit heraus. Diese wird mir wiederum oft erst beim Unterrichten bewusst… Wir könnten das Spiel ad infinitum fortsetzen, der Blick richtet sich in Wahrheit immer auf dieselbe Sache, von verschiedenen Winkeln aus betrachtet. Aber meine Art, Musik zu machen und zu „denken“, verdanke ich zweifellos dem Organist-Sein. 37 M U S I C „Auf selbst auferlegte ‚Marken’ habe ich bisher immer verzichtet, diese Buntheit ist mir viel zu wichtig.“ “I’ve always done without self-imposed ‘brands’ because this range of colour is much too important to me.” Was macht heute das Leben eines Konzertorganisten aus? Vordergründig gesehen, ist es sicher die Notwendigkeit, sich blitzschnell auf die unterschiedlichsten Instrumente, Räume und Situationen einzustellen. Wenn ich meinen diesjährigen Terminkalender Revue passieren lasse: Von den herrlichen norddeutschen Barockorgeln bis zu hochtechnologisierten neuen Instrumenten in Israel, vom Auditorio Nacional in Madrid bis zur 1558 entstandenen Orgel der Hofkirche Innsbruck – es ist ein bisschen von allem dabei… Diese Vielfalt an Instrumenten und „Milieus“ hat zur Folge, dass Organisten – im Idealfall – einen universalistischen approach entwickeln, der unter ausführenden Musikern recht ungewöhnlich ist. Unser Repertoire-Blick spannt sich weit über den tradierten klassisch-romantischen Kern hinaus, reicht sogar vom Spätmittelalter bis heute: Das ist einzigartig! In der Ausbildung stehen daher alle diese Epochen gleichwertig nebeneinander und Konzertprogramme werden vom jeweiligen Instrument nahezu „diktiert“. Sicher, auch in der Orgelszene beobachtet man eine Tendenz zur Spezialisierung, meistens in Richtung Alter Musik… Aber auf selbst auferlegte „Marken“ habe ich bisher immer verzichtet, diese Buntheit ist mir viel zu wichtig. Ich bin gerne Zeitreisender. Sie stammen ursprünglich aus Vicenza, Italien. Inwiefern hat der Umzug nach Wien Ihr Leben verändert? Der Umzug liegt schon sehr weit zurück, bald werde ich die Hälfte meines Lebens nördlich der Alpen verbracht haben. Und nach dem Studium in Wien habe ich ja sieben Jahre an der Musikhochschule Hannover gelehrt – das hat den Italiener zusätzlich „verwässert“… Klar, ich verdanke der Lebenserfahrung und Ausbildung im deutschen Sprachraum viel von dem, was heute mein künstlerisches Tun ausmacht; aber ohne italienische Wurzeln wäre ich einfach nicht der, der ich bin. BLURRED DISTINCTIONS Pier Damiano Peretti is a composer, an organist, and an instructor at the mdw. Peretti recently received the Outstanding Artist Award for Music (Composition) 2015 from the Austrian Federal Chancellery in recognition of his achievements to date. Mr. Peretti, what significance does this award, previously conferred on such prominent composers as Georg Friedrich Haas and Friedrich Cerha, have for you? I hardly dare compare myself with those two figures. But I do think that giving it to me was a decision to recognise how those composers who are making their way outside of institutionalised contemporary music contexts also have a right to exist. Even just the fact that the competition was directed at supposedly “outdated” genres such as masses and oratorios shows that they were thinking counter to the stylistic cubbyholes that have become normal in recent times. And what’s more, I share this award with the experimental performer Pia Palme, who works in an aesthetic that’s entirely different than my own. And I think that’s thoroughly in keeping with the pluralism of our era. The Outstanding Artist Award serves the “recognition of prior achievements and direct support of further artistic work”. To what extent does this award actually provide you with support? It’s above all moral support—after all, that’s what cultural institutions are there for! At some point, if you’re not among those very few who (are able to) live from composing, but instead loaded down with work as a teacher and a musician, you do wonder what sense it makes to compose. As a young person, your creative activities arise from inner necessity, but they really should gradually begin to address the world outside … so today, my motto is this: as long as my music has some kind of relevance not only for me, but also for others, it’s worth it to keep on going. And awards like this one are a clear—and indeed very necessary—signal. Your award-winning work Mane nobiscum – Missa for the Easter time was performed as part of a broadcast service at St. Ursula. What difference do you perceive between the composition of secular and of sacred music? First, one needs to be clear on the term “sacred”. In his Conférence de Notre-Dame, Olivier Messiaen drew a line—not just for himself—between “liturgical” and “religious” music. The first arises, today as well, from a clearly defined function as part of the cultic act: duration, text selection, the forces employed, and often even the aesthetic stance are governed by predetermined parameters; these, in term, conform to the listening expectations of a congregation that perceives music as one element of an overall experience. So here, other quality criteria apply than at a concert of [the contemporary music festival] Wien Modern: by way of paraphrasing H. H. Eggebrecht, you could say that such applied music is evaluated according to the purposes that it’s intended to serve. “Religious”, on the other hand, is the word Messiaen uses to denote a purpose-free, autonomous piece of music that is in the broadest sense open to transcendence—or put differently: disassociates itself from the worldly and material in favour of the spirit. I can think of a very diverse group of living composers who are fond of addressing the spiritual, figures like Arvo Pärt and Klaus Huber, or Wolfgang Rihm and Sofia Gubaidulina. Some of them might refer to composing as “a kind of worship service”, while others will repeatedly delve deep into liturgical texts. But viewed this way, aren’t Bruckner symphonies or Beethoven’s string quartet movement Sacred Song of Thanks also spiritual music? The distinctions really are quite blurry. You’re a composer, a teacher, and a concert organist. What challenges are involved in doing these different things? First of all, you need decent time management ... but seriously: 38 PIER DAMIANO PERETTI DAS PRÄMIERTE WERK MANE NOBISCUM – MISSA FÜR DIE OSTERZEIT WURDE IM RAHMEN EINES RUNDFUNKGOTTES-DIENSTES IN DER MDW-EIGENEN KIRCHE ST. URSULA URAUFGEFÜHRT. © mollom on paper, they’d seem to be clearly separate areas of activity, but they aren’t. Because when I teach, I take apart what I had been putting together just before as a composer; and when I compose, as abstract a pursuit as that may be, I also allow my instrumental know-how to play a role; after all, one source of ideas is physical feasibility. And this, in turn, often comes to mind when I teach … and on and on it goes. So it’s really always the same thing that’s in view, just from different angles. But my way of making music and “thinking” music is definitely owed to the fact that I’m an organist. What’s life like for a concert organist today? On the surface, what stands out is the necessity of being able to immediately adapt to the most diverse instruments, spaces, and situations. When I scan this year’s calendar, there’s a bit of everything there: from magnificent north German baroque organs to new, high-tech instruments in Israel, and from the Auditorio Nacional in Madrid to the Innsbruck’s Hofkirche, with its organ that was built in 1588. And this diversity of instruments and environments means that organists ideally develop a kind of universalist approach that’s otherwise fairly unusual among musicians. Our view of the repertoire ranges far beyond the traditional classical-romantic core, really from the late Middle Ages to the present, which is unique! In our training, all of these eras stand alongside one another equally, and concert programmes are more or less “dictated” by the instruments to be played on. Sure, in the organ scene, like elsewhere, one does observe a tendency towards specialisation, mostly towards early music … but I’ve always done without self-imposed “brands” because this range of colour is far too important to me. I like travelling through time. You’re originally from Vicenza, Italy. To what extent has moving to Vienna changed your life? It’s been quite a while since I moved here, and soon I’ll have spent half my life north of the Alps. After studying in Vienna, I spent seven years teaching at the University of Music in Hannover—and that “watered down” the Italian in me even more. So sure, lots of what I do artistically these days is thanks to my life experience and training in the German-speaking world, but without my Italian roots, I just wouldn’t be the person I am. Pier Damiano Peretti (geb. 1974) studierte zunächst Orgel und Komposition am Conservatorio von Vicenza (I) und 1996 bis 2002 Orgelkonzertfach an der damaligen Hochschule für Musik und darstellende Kunst Wien. 2002 bis 2009 war er Professor für Orgel an der Hochschule für Musik und Theater Hannover, 2009 wurde er als Nachfolger seines Lehrers Michael Radulescu an die mdw – Universität für Musik und darstellende Kunst Wien berufen. Der mehrfache internationale Preisträger konzertierte in nahezu allen Ländern Europas, in Fernost, Nordamerika und Israel. Dazu kommen Meisterklassen, Artikelpublikationen und weltweite Jurorentätigkeit. Sein kompositorisches Schaffen, vom Orgelsolostück bis zu Kammer- und Vokalmusik für größere Besetzungen, ist meist von spirituellen Inhalten geprägt. Ab 2015 werden ausgewählte Kompositionen beim Verlag Bärenreiter erscheinen. Jurybegründung "In Sprache, Instrumentation, Notation und insbesondere in der Behandlung der menschlichen Stimme lotet Peretti mit Feingefühl für Aufführungspraxis den Raum zwischen älteren Techniken und neuen, noch ungedachten Wegen aus ... Speziell mit dem von ihm initiierten Studio für Neue Orgelmusik am Institut für Orgel, Orgelforschung und Kirchenmusik der Universität für Musik und darstellende Kunst Wien und mit seiner unermüdlichen Sorge um zeitgenössische Musik, vor allem im Bereich Orgel (und Instrumente) leistet Peretti in Ergänzung zum eigenen kompositorischen Schaffen einen wichtigen Beitrag für die österreichische Neue-Musik-Szene.” ( Jurybegründung, Auszug) Pier Damiano Peretti (born in 1974) first studied organ and composition at the Conservatori of Vicenza (I) and went on to study organ (performance) at what was then the Academy of Music and Performing Arts Vienna from 1996 to 2002. From 2002 to 2009, he was a professor of organ at the Hannover University of Music, Drama and Media, and 2009 saw him succeed his own former teacher Michael Radulescu at the mdw – University of Music and Performing Arts Vienna. A winner of multiple international prizes, Peretti has performed in nearly all countries in Europe, as well as in the Far East, North America, and Israel; these activities are joined by master classes, the publication of articles, and participation in juries worldwide. His compositional output, from solo organ pieces to chamber music and vocal works for large ensembles, is usually spiritual in content; beginning this year, selected compositions by him will be published by Bärenreiter. Jury Opinion “In language, instrumentation, notation, and especially in his treatment of the human voice, Peretti—with a finely honed sense for performance practice—explores the space between older techniques and new, yetunthought-of paths…. In particular with the Studio for New Organ Music that he founded at the Department of Organ, Organ Research, and Church Music at the University of Music and Performing Arts Vienna, and particularly as pertains to the organ (and other instruments), Peretti goes beyond mere compositional work to make an important contribution to the Austrian contemporary music scene.” (jury opinion, excerpt) M U S I C © shutterstock.com EleniKa © shutterstock.com EleniKa Von Wassernixen und anderen Geistern AM DONNERSTAG, DEN 3. DEZEMBER UM 20.00 UHR, FINDET IM GLÄSERNEN SAAL DES WIENER MUSIKVEREINS EIN KONZERT MIT KLAVIERWERKEN VON CHOPIN UND RAVEL STATT, DAS MUSIK UND POESIE VERSCHMELZEN LÄSST. TEXT: JAN JIRACEK VON ARNIM 40 I m ersten Teil des Konzerts Von Wassernixen und anderen Geistern werden drei Balladen Chopins mit den 1822 erschienenen Balladen und Romanzen des polnischen Nationaldichters Adam Mickiewicz in Verbindung gebracht, insbesondere mit der literarischen Ballade Die Wassernixe von Switez. Im zweiten Teil des Konzerts kommen drei Sätze des Gaspard de la nuit (etwa: Wächter der Nacht) zur Aufführung, die Ravel 1908 als drei Gedichte nach Aloysius Bertrand komponiert hat. In der Partitur sind die entsprechenden Gedichte von Bertrand abgedruckt und somit für die InterpretInnen eng mit dem Klavierwerk verzahnt – doch in Aufführungen bleiben sie meist un- gehört. Im Konzert am 3. Dezember werden alle Gedichte in deutscher Übersetzung sowie in ihrer Originalsprache rezitiert werden. Chopin ist der erste Komponist, der instrumentale Balladen geschrieben hat. Die literarische Gattung der Ballade vereinigt laut Goethe „alle drei Grundarten der Poesie“: das Epische, das Lyrische und das Dramatische. Dies ist auch in den Klavier-Balladen Chopins zu finden: sie beginnen mit einer epischen Einleitung und werden durch lyrische, liedhafte Elemente zu virtuosen, dramatischen Höhepunkten entwickelt, immer wieder mit teils abrupten Stimmungsschwankungen. So wandelt sich etwa in der Ballade op. 23 blitzschnell M U S I C der wehmütige, schlichte Charakter des Beginns zum Zerstörerischen, Verzweifelten. „Eine seiner wildesten, eigenthümlichsten Kompositionen“, schrieb Robert Schumann über dieses Werk. ON WATER NYMPHS AND OTHER SPIRITS On Thursday, 3 December 2015 at 8:00 pm, the Vienna Musikverein’s Glass Hall will play host to a concert of piano works by Chopin and Ravel in which poetry and music unite to form a whole. Frédéric Chopin – als Kind einer polnischen Mutter und eines französischen Vaters in Polen geboren und teilweise in Deutschland erzogen – wird von Heinrich Heine als „höchst merkwürdige Erscheinung“ porträtiert: „er hat sich nämlich das Beste angeeignet, wodurch sich die drei Völker auszeichnen: Polen gab ihm seinen chevaleresken Sinn und seinen geschichtlichen Schmerz, Frankreich gab ihm seine leichte Anmut, seine Grazie, Deutschland gab ihm romantischen Tiefsinn. Die Natur aber gab ihm eine zierliche, schlanke, etwas schmächtige Gestalt, das edelste Herz und das Genie ... Er ist alsdann weder Pole noch Franzose noch Deutscher, er verrät einen weit höheren Ursprung, man merkt alsdann, er stammt aus dem Lande Mozarts, Raffaels, Goethes, sein wahres Vaterland ist das Traumreich der Poesie.“ In the first part of this concert, three ballades by Chopin will be linked with the 1822 Ballads and Romances by Polish national poet Adam Mickiewicz, particularly with the literary ballade The Nymph of Lake Switez. „Höre! Höre! Ich bin es, Ondine, die mit diesen Wassertropfen die klingenden Rauten deines von den trüben Strahlen des Mondes beleuchteten Fensters streift…“ “Listen! Listen! It is I, Ondine, who with these drops of water brush against the resonant glass panes of your window, Lit by the pale rays of the moon…” Die drei Sätze des Klavierwerks Gaspard de la nuit von Maurice Ravel wurden als „zu Klang geronnene Alpträume“ bezeichnet – Ravel hat die obskuren und morbiden Gedanken der Gedichte (erschienen 1842 unter dem gleichnamigen Titel) von Aloysius Betrand (1807 bis 1841) geschätzt, besonders wegen ihrer Eleganz und Raffinesse der Sprache. In seinem Klavierwerk von 1908 überträgt er den Ausdrucksgehalt der Prosagedichte Bertrands in Klänge. Geht es im 1. Satz bei dicht aufeinander folgenden Arpeggien, die an perlende Regentropfen erinnern, noch um den Besuch einer Wassernixe (Ondine), spürt man in Le Gibet (Der Galgen) den Hauch des Todes – so wird in nur 52 Takten 153 Mal der Ton B angeschlagen: Dieser Ton symbolisiert die Glocke, die an den Mauern der Stadt läutet, während die untergehende Sonne den Leichnam des Gehängten rötet. Der letzte Satz, Scarbo, handelt von einem boshaften Zwerg, der den Dichter im Traum stört. Ravel wollte „eine Karikatur auf die Romantik“ schaffen. Das Werk gilt als eines der schwierigsten in der Klavierliteratur. The second part will feature the three movements of Gaspard de la nuit (loosely translated: Treasurer of the Night), which Ravel composed in 1908 as “three poems after Aloysius Bertrand”. The corresponding poems by Bertrand, which are included in the score, present themselves to pianists as being closely linked with the musical work. In concert performances, these poems typically go unheard. But at this concert, all three poems will be recited in German translation as well as in their original versions. Chopin was the first composer to write instrumental ballads. Goethe wrote that the literary genre of the ballad “unites all three basic types of poetry”: the epic, the lyrical, and the dramatic. This can also be said of the piano ballads by Chopin: each begins with an epic introduction, which is followed by lyrical, song-like elements that develop toward virtuosic, dramatic climaxes, a process that includes repeated and occasionally abrupt changes of mood. In Chopin’s Ballade op. 23, for example, the simple and mournful character of the beginning transforms lightning-fast into one that is destructive and full of despair. “One of his wildest, most idiosyncratic compositions”, wrote Robert Schumann of this work. Frédéric Chopin—born in Poland to a Polish mother and a French father and raised partly in Germany—was described by Heinrich Heine as a “highly peculiar figure”: “He appropriated the best things that respectively characterise these three peoples: Poland gave him its sense of chivalry and historical suffering, France gave him an airy charm and grace, and Germany gave him romantic melancholy. Nature, however, gave him a delicate, slender, somewhat frail figure, the most noble of hearts and genius … He is then neither a Pole, nor a Frenchman, nor German; he reveals a far loftier origin: one soon realises that he comes from the land of Mozart, Raffael, and Goethe—his true fatherland is the dream-realm of poetry.” The three movements of the piano work Gaspard de la nuit by Maurice Ravel have been called “nightmares curdled into sound”; Ravel was taken with the obscure and morbid thoughts contained in the corresponding poems (published under the same title in 1842) by Aloysius Bertrand (1807–1841), particularly on account of their elegance and refined language. In his piano work of 1908, he transfers the expressive content of these prose poems by Bertrand into sounds. While the first movement, built upon a dense sequence of arpeggios reminiscent of sparkling raindrops, is still about the visit of a water nymph (Ondine), Le Gibet (The Gallows) already has a whiff of death to it—with B-flat being struck 153 times within a space of just 52 measures. This note symbolises the bell tolling on the city walls as the setting sun casts its red glow on the corpse of the hanged. The final movement, Scarbo, is about an evil dwarf who disturbs the poet in his sleep. Ravel intended to write “a caricature of romanticism”—and the caricature he ended up creating is now viewed as one of the most difficult works in the piano’s entire repertoire. DONNERSTAG 3.12. VON WASSERNIXEN UND ANDEREN GEISTERN 20.00 UHR GLÄSERNER SAAL, MUSIKVEREIN WIEN MUSIKVEREINSPLATZ 1 1010 WIEN „Meine Ambition ist es, mit Noten so zu sprechen, wie es der Poet mit Wörtern tut.“ MAURICE RAVEL “My ambition is to say with notes what a poet expresses with words.” 41 dra ma 44 Stefanie Reinsperger im Porträt A portrait of Stefanie Reinsperger 48 Glaube, Liebe, Hoff nung Faith, Hope and Charity D R A M A „Für zwei, drei Stunden in einen Menschen hinein schauen“ STEFANIE REINSPERGER © www.lupispuma.com / Volksthea ter 44 D R A M A DIE 1988 GEBORENE SCHAUSPIELERIN STEFANIE REINSPERGER WAR NACH IHRER AUSBILDUNG AM MAX REINHARDT SEMINAR BEREITS BURGSCHAUSPIELERIN – NUN IST SIE ENSEMBLEMITGLIED AM G WIENER VOLKSTHEATER UNTER ANNA BADORA UND FRISCH GEKÜRTE SCHAUSPIELERIN DES JAHRES. espielt hat Stefanie Reinsperger schon immer. Das war schon als Kind so, wie die 1988 in Baden bei Wien geborene Schauspielerin erzählt. Fernsehen durften die beiden Reinsperger-Töchter (sie hat noch eine Schwester) nur am Sonntag, ansonsten wurde gemeinsam gespielt. „Das war nicht aus irgendeiner Ideologie heraus. Meine Eltern haben einfach gesagt: wir haben einen Garten, wir haben Spielzeug, ihr habt einander – macht was draus!“ Das Repertoire war schon damals groß: mal kamen Märchen auf den Spielplan, die mit Barbie-Puppen inszeniert wurden, oft waren es auch die Geschichten, die am Vorabend vorgelesen worden waren. Schon damals interessierte sie sich mehr für Charaktere als für Verkleidung und Tand: „Die Prinzessin wollte ich nie spielen. Ich wollte immer ein armes Mädchen sein – das fand ich viel spannender.“ In London, wo Stefanie Reinsperger mit ihrer Familie lebte, ging sie bald in eine Kindertheatergruppe, nachdem die Familie nach Wien zurückgekehrt war, spielte sie im Theater der Jugend. Um sich schließlich die entscheidende Frage zu stellen: Wie wird man das eigentlich, Schauspielerin? Das Vorsprechen an der Ernst-BuschSchule verlief enttäuschend, in der Endrunde schied sie aus. „Das hat mich sehr ernüchtert, danach wollte ich eigentlich nicht mehr.“ Es brauchte einen Schubser von der Mutter, einen letzten Versuch, der sie schließlich doch zur Schauspielerin machen sollte: Sie sprach am Konservatorium und am Max Reinhardt Seminar an der mdw vor, wäre an beiden Schulen aufgenommen worden und entschied sich für das Max Reinhardt Seminar. Bereut hat sie es nicht: „Das war für mich die beste Schule, die mir hätte passieren können. Ich hatte dort das Gefühl, erst einmal so angenommen zu wer- den, wie ich bin. Mir wurde zwar durchaus bewusst gemacht, was da alles nicht ist – aber ohne etwas aus mir herauszwingen zu wollen. Vielmehr wurde sehr liebevoll versucht, diese Seiten hervorzukehren. Ich habe mich dort sehr wohl und geborgen gefühlt.“ Seither hat Steffi Reinsperger eine beachtliche Karriere hingelegt: Bevor sie zu Anna Badora ans Volkstheater wechselte (eine „Bauchentscheidung“, wie sie sagt), war sie Burgschauspielerin und spielte dort in so erfolgreichen Produktionen wie Die lächerliche Finsternis unter der Regie von Dušan David Pařízek, die heuer auch als beste deutschsprachige Aufführung für den Nestroy nominiert ist. Und schließlich wurde sie im Sommer 2015 in der alljährlichen Theater heute-Kritikerumfrage sowohl zur Schauspielerin als auch zur Nachwuchsschauspielerin des Jahres gekürt. Gefreut hat sie sich darüber sehr – trotzdem „geht es ja weiter. Ich probe wieder, der Job hört ja jetzt nicht auf.“ Es geht ihr bei diesem Beruf auch um mehr, als nur um den Ruhm. Für sie hat Theater immer auch mit Verantwortung zu tun: „Wir gehen auf die Bühne und tun oder sagen Sachen in aller Öffentlichkeit, die sich die Leute vielleicht selbst nicht zu tun oder zu sagen trauen, von denen sie vielleicht auch nicht genau wissen, wie sie sie formulieren können oder sollen. Dafür sind wir da. Das muss auch so sein. Sonst würde ich mir die Frage stellen: Wieso gehen wir da hinaus?“ Geht es ihr also um ein Weltverändern, ein Weltverbessern? „Ja, im besten Fall. Und ich glaube total daran, dass Theater das kann. Für mich muss es das, sonst kann ich diese Arbeit gar nicht machen.“ Zum einen Teil speist sich die Arbeit (und auch die Faszination) der Schauspielerin Stefanie Reinsperger wohl aus diesem politischen Anspruch, diesem Ernst-Nehmen. TEXT: ANDREA HEINZ, VOLKSTHEATER Der Artikel ist in einer früheren Version bereits im Magazin des Volkstheaters Wien erschienen www.volks theater.at/magazin 45 D R A M A Die andere Hälfte ist die Lust am Spiel, die Freude am Facettenreichtum des menschlichen Seins und Scheinen. Tatsächlich kann man ja überall dort, wo Menschen zusammenleben, Rollen entdecken, die es zu spielen gäbe. Stefanie Reinsperger etwa hat die Vienna Business School besucht und erzählt: „Wenn ich BWL- oder Management-Präsentationen machen musste, dann habe ich sie gespielt. Die ersten Jahre habe ich Ferialjobs in Firmen oder Banken gemacht, das war dann auch eine Rolle, die ich sechs Wochen lang gespielt habe.“ Wobei es hier nicht darum geht, vorzugeben, jemand zu sein – sondern vielmehr darum, bestimmte Verhaltens- oder Sprechweisen im Reservoir der eigenen Persönlichkeit zu entdecken und zu bergen. Es geht ihr aber nicht nur um das pure Entdecken – sondern auch um eine Freiheit, die es im „echten Leben“ wohl niemals geben wird. „Man darf hier alles sein, was man ist. Man kann viel mehr sein als im Leben.“ Dort nämlich versucht jeder, die Rolle seines Gegenübers möglichst genau zu definieren: Ist das ein lustiger Mensch? Ein jähzorniger? Menschen müssen das wohl tun, um halbwegs reibungsfrei miteinander leben zu können. Der einzelne landet so natürlich schnell in einer Schublade, in die er eigentlich gar nicht gehört. So gesehen, versteht man, wieso Stefanie Reinsperger sagt, sie sei auf der Bühne viel geschützter, freier. „Es ist ein Spielplatz. Ich meine damit nicht, dass man Theater als Selbsttherapie begreift, nach dem Motto: ‚Weil es mir scheiße geht, muss ich auf der Bühne auch so sein.‘ Aber man lässt auf der Bühne einfach Sachen raus, die sonst vielleicht nirgends hin können. Wenn ich länger nicht probe, werde ich wahnsinnig unausgeglichen. Mir fehlt dann etwas: eine Art von Streitlust, eine Sehnsucht, Hass, Liebe … – eben alles, was auf der Bühne Platz hat und im Leben nicht. Oder nur in einer sehr gedrosselten Version.“ Wenn man es herunterbrechen wollte, müsste man wohl sagen: Stefanie Reinsperger interessiert sich für das Mensch-Sein. Sie schwärmt von jenen SchauspielerInnen, die sich auf der Bühne wirklich ausliefern: „Ich finde es am spannendsten, wenn ich für zwei, drei Stunden in einen Menschen hineinschauen darf.“ Das ist es auch, was ihr Spiel ausmacht: Sei es Henrik Ibsens und Elfriede Jelineks Nora, die sie spielt oder die Hilga in Fasching – sie lässt einen in diese Menschen hinein schauen. Auf dass man die Welt vielleicht ein wenig anders sieht, wenn man das Theater danach verlässt. 46 “LOOKING INTO A PERSON FOR TWO, THREE HOURS” The actress Stefanie Reinsperger, born in 1988, was already a member of the Burgtheater’s ensemble upon her graduation from the Max Reinhardt Seminar—and now she’s an ensemble member at the Vienna Volkstheater under Anna Badora, not to mention the freshly crowned Actress of the Year. Stefanie Reinsperger has always acted—even as a child, recalls the actress, who was born in the town of Baden (just south of Vienna) in 1988. She and her sister were only allowed to watch TV on Sundays, and they spent the rest of their time playing together. “That wasn’t owed to any particular child-raising ideology. My parents just said, we’ve got a garden, we’ve got toys, and you have each other, so make something out of it!” Even back then, the repertoire was broad: sometimes they’d act out fairly tales with Barbie dolls, and often, it was whatever stories had been read to them the evening before. From the very beginning, she was more interested in characters than in costumes or props: “I never wanted to play the princess. I always wanted to be some poor girl—that was more interesting.” In London, where Reinsperger’s family lived for a while, she soon joined a children’s theatre group. After their return to Vienna, she performed at the youth venue Theater der Jugend. And one day, she posed herself the crucial question: How does one actually go about becoming an actress? Her subsequent audition at the Ernst Busch Academy went disappointingly; she was passed over in the final round. “That was a sobering experience that left me with no real desire to keep on trying.” She needed a push from her mother to make a final attempt that, ultimately, did enable her to become an actress: she auditioned at Konservatorium Wien University and at the mdw’s Max Reinhardt Seminar, was accepted to both institutions, and decided in favour of the latter. It’s a decision she’s never regretted: “It was the best school that could have happened to me. I had the feeling there that they first of all just accepted me as I was. They absolutely did make me conscious of what all wasn’t there yet—but without trying to force anything. Instead, they worked very gently to bring out those sides of me. I felt very good and safe there.” Since then, Steffi Reinsperger has built an impressive career for herself: before she joined Anna Badora at the Volkstheater (a “gut decision”, she says), she was an ensemble member at the Burgtheater and acted in such successful productions as Die lächerliche Finsternis under the direction of Dušan David Pa�ízek, which was nominated for a Nestroy Award this year as the best German-language production. And finally, summer 2015 saw her named both Actress and Young Actress of the Year in the annual critics’ survey of the publication Theater heute. Despite being very happy about all this, “Life goes on. I’m back to rehearsing; my work is anything but over.” D R A M A For her, this profession is about more than just fame. She says that, always, theatre is also about responsibility: “We go out onstage and do or say things in public that people might not have the courage to do or say, or that they might not even know how they could or should formulate. That’s what we’re there for. And that’s how it has to be. Otherwise, I’d ask myself why we’re going out there.” So is this about changing or improving the world as well? “Yes, in the best case. And I absolutely do believe that theatre can do that. For me, in fact, it has to; otherwise, I can’t do this work at all.” And in part, the work (and the fascination) of the actress Stefanie Reinsperger is surely also derived from this political interest, this seriousness. each other without an unmanageable amount of friction. And naturally, individuals end up landing in cubby-holes where they don’t really belong. So viewed this way, one understands why Stefanie Reinsperger says that she feels far more protected and far freer onstage. “It’s a playground. By that I don’t mean defining theatre as self-therapy, as in: ‘Because I feel like shit, I’ve got to be that way onstage, too.’ But even so, you really do unleash things onstage that wouldn’t otherwise have had any place to go. If I haven’t rehearsed anything for a while, I get quite jittery. Because I’m missing something: some kind of argumentativeness, yearning, hate, love … everything that there’s room for on a stage but not in life. Or only in very subdued form.” The other part is the joy to be had from acting and from the multifaceted nature of human-being and human-seeming. After all, one really can discover possible roles in every place where people live together. For her part, Stefanie Reinsperger also attended the Vienna Business School, and she remembers: “When I had to do presentations on business administration topics, I slipped into the appropriate roles. And the first few years, I had summer jobs at private companies or banks— those were likewise roles that I played for six weeks or so.” Although the point here isn’t to pretend to actually be someone; it’s more about discovering and eliciting certain ways of behaving and speaking that are already present in the reservoir of one’s own personality. If you wanted to break it down to the essence, you’d probably have to say: Stefanie Reinsperger is interested in what it means to be human. She enthuses about those actors and actresses who truly give themselves over to what’s going on onstage: “I think it’s most exciting when I can look right into a person for two, three hours.” And that’s also what makes her performing what it is: be it Henrik Ibsen’s and Elfriede Jelinek’s Nora, or Hilga in Fasching—she lets the audience peer inside these people. So that one might view the world just a bit differently upon leaving the theatre afterwards. But it’s not just about discovery for her—it’s also about a freedom that one will probably never have in “real life”. “Here, you can be anything that you are. And that’s much more than you can afford to be in real life.” Because there, everyone tries to define the roles of their counterparts in the most exact way possible: Is this a funny person? A hot-tempered one? People probably have to do that in order to get along with SZENENFOTO NORA³ VON HENRIK IBSEN / ˇ ELFRIEDE JELINEK, REGIE: DUŠAN DAVID PARÍZEK © www.lupispuma.com/ Volksthea ter 47 D R A M A Glaube, Liebe, Hoffnung JE GRÖSSER ANDERSWO DAS ELEND IST, UM SO VIEL GRÖSSER MUSS IN ASTORIA DIE SELIGKEIT SEIN. AUTOMATISCH. WEIL SONST GLEICHERT SICH‘S NIE AUS AUF DER WELT. (ASTORIA VON JURA SOYFER, 1937) DONNERSTAG 17.12. ASTORIA (PREMIERE) von Jura Soyfer Musik von Jimmy Berg Regie: Felix Hafner 19.30 UHR NEUE STUDIOBÜHNE PENZINGER STRASSE 7-9 1140 WIEN WEITERE VORSTELLUNGEN: 18.12., 8. / 9.1.2016 D as Max Reinhardt Seminar zeigt im Studienjahr 2015/16 – neben den fortlaufenden Kooperationen mit den großen Theaterhäusern Wiens – drei spannende Diplominszenierungen. Den Anfang machte bereits im Oktober Die Heirat (1841) von Nikolai Gogol in der Regie von Evgeny Titov. In der Hauptrolle war erstmals Mercy Dorcas Otieno auf der Neuen Studiobühne des Max Reinhardt Seminars zu sehen. TEXT: SUSANNE FERNANDES SILVA 48 Am 17. Dezember erwartet Sie die Premiere von Astoria (1937) von Jura Soyfer auf der Neuen Studiobühne des Max Reinhardt Seminars. Felix Hafner wagt in seiner Diplominszenierung die rare Unternehmung, die handschriftliche Originalnotation des vergessenen Exil-Komponisten Jimmy Berg musikalisch umzusetzen. In Soyfers Stück sind die Lieder der Armen und Obdachlosen das Sprachrohr gegen ein ungerechtes und ausbeuterisches System. Das Werk handelt von der Behauptung des Vagabunden Hupka, dass es ein Land gäbe – Astoria – in dem niemand hungern oder auf der Straße schlafen muss. Während die Reichen exzessive Partys feiern, klopfen die Armen an die Tore der astorischen Botschaft. Sie alle wollen in dieses Land einreisen. Astoria ist zur Zeit des Austrofaschismus und der Bedrohung durch den Nationalsozialismus entstanden. Felix Hafner wird in seiner Inszenierung den Bezug zu aktuellen gesellschaftspolitischen Verhältnissen herausarbeiten. Nach den Weihnachtsferien setzt das Max Reinhardt Seminar am 27. Jänner 2016 die Serie der Diplominszenierungen mit David Stöhrs Bearbeitung von Ödön von Horváths Glaube Liebe Hoffnung fort, ebenfalls auf der Neuen Studiobühne. In Glaube Liebe Hoffnung (1932) schildert Horváth den realen Fall einer Korsettvertreterin: die zunehmende soziale Isolation einer jungen, tatkräftigen Frau, die an den Verhältnissen und an der Gesellschaft scheitert. Horváths Totentanz beschreibt den ewigen Kampf zwischen Individuum und Gesellschaft als einen Abgrund, der sich zwischen Leben und Tod auftut und sich in den Begegnungen seiner Figuren spiegelt. David Stöhr zu seiner Inszenierung: „Glaube Liebe Hoffnung soll ein Tanz sein, der sich zwischen den unermesslichen Tiefen des unbewussten Seelenlebens und der unerklärlichen Leichtigkeit, Nachlässigkeit, Unbeholfenheit und Oberflächlichkeit, die Menschen in ihren Begegnungen erleben, bewegt.“ D R A M A FAITH, HOPE AND CHARITY The greater the suffering elsewhere, the happier things must be in Astoria. Automatically. Because otherwise, there’d be no balance in the world. (from Jura Soyfer’s Astoria, 1937) In addition to the ongoing partnerships with the major theatres in Vienna, the 2015/16 academic year at the Max Reinhardt Seminar will feature three interesting diploma productions. The beginning has already been made with Marriage (1841) by Nikolai Gogol under the direction of Evgeny Titov, featuring Mercy Dorcas Otieno in her debut at the Max Reinhardt Seminar’s Neue Studiobühne. 17 December will mark the première of Astoria (1937) by Jura Soyfer at the Neue Studiobühne. In this, his diploma production, director Felix Hafner will dare to make a rare attempt at realisation of the original handwritten musical notation by the forgotten exiled composer Jimmy Berg. In Soyfer’s play, the songs of the poor and homeless act as a megaphone directed at an unjust and exploitative system. The overall work revolves around the claim of the vagabond Hupka that there exists a country—Astoria—where nobody has to go hungry or sleep on the street. So while the rich celebrate excessive parties, the poor pound on the doors of the Astorian Embassy, all demanding admission to this legendary country. Astoria was written during the Austro-fascist period, with the threat of National Socialism looming up on the horizon. And in his production, Felix Hafner will be drawing parallels to certain aspects of the present-day socio-political situation. Following Christmas break, the Max Reinhardt Seminar will continue its series of diploma productions on 27 January 2016 with David Stöhr’s take on Glaube, Liebe, Hoffnung (Faith, Love and Charity) by Ödön von Horváth, likewise at the Neue Studiobühne. In this work from 1932, Horváth relates the real-life case of a corset saleswoman: one sees a young, go-getting individual’s increasing social isolation as she is crushed by prevailing conditions and society at large. Horváth’s dance of death describes the eternal battle between the individual and society as a chasm that opens up between life and death, a chasm that is reflected in the encounters between his characters. David Stöhr on his production: “Glaube Liebe Hoffnung should be a dance that moves between the unfathomable depths of the soul’s unconscious life and the inexplicable glibness, negligence, clumsiness, and superficiality that human beings experience in their encounters with one another.” MITTWOCH 27.1. GLAUBE LIEBE HOFFNUNG (PREMIERE) von Ödön von Horváth Regie: David Stöhr 19.30 UHR NEUE STUDIOBÜHNE PENZINGER STRASSE 7-9 1140 WIEN WEITERE VORSTELLUNGEN: 28., 29., 30.1.2016 NEUE STUDIOBÜHNE © mollom 49 fil m 52 Alles wird gut – Patrick Vollrath im Porträt Everything will be okay – A p ortrait of Patrick Vollrath F I L M Alles wird gut STUDENTENOSCAR-PREISTRÄGER PATRICK VOLLRATH IM PORTRÄT. FILMSTILL AUS ALLES WIRD GUT © Pa trick Vollrath TEXT: DORIS PILLER 52 M it seinem Film Alles wird gut hat Patrick Vollrath Filmakademie-Geschichte geschrieben: Im September 2015 wurde ihm von der Academy of Motion Pictures Arts and Sciences der Studentenoscar verliehen – der Höhepunkt eines erfolgreichen Jahres für den 30-jährigen Deutschen, dessen Spielfilm über einen Vater, der seine Tochter entführen will, eine ganze Reihe wichtiger Preise einheimsen konnte. „Zu Beginn war es fast ein wenig überfordernd“, beschreibt Patrick Vollrath das Gefühl einen so preisgekrönten Film gemacht zu haben, „doch es ist auch sehr motivierend und lässt einen an sich selbst glauben.“ Gemacht habe er den Film jedoch nicht, um Preise zu gewinnen, sondern weil ihn die Geschichte berührt habe, schildert er. „Ich wollte diese Geschichte gerne erzählen, mit den Schauspielern arbeiten und etwas kreieren, was Menschen emotional berühren kann.“ DER WEG ZUM REGISSEUR Alles wird gut ist nicht der erste erfolgreiche Film von Patrick Vollrath, der sein Studium an der Filmakademie 2015 abgeschlossen hat. Auch seine Kurzfilme Die Jacke (2014) und Ketchup Kid (2013) sind mit internationalen Preisen ausgezeichnet worden. Dabei ist der Filmemacher erst über einen kurzen Umweg zur Regie gekommen. Nach einer Ausbildung in München war er zuerst als Cutter beim Film tätig. Ab 2008 studierte er an der Filmakademie Wien bei Michael Haneke, um das zu tun, was er eigentlich immer im Sinn gehabt hatte – Filme zu machen. „Nachdem ich als Teenager Titanic im Kino gesehen hatte, wollte ich Schauspieler werden. Doch alles entwickelte sich dann Richtung Regie. Von meinem Gehalt aus dem Ferienjob habe ich mir meine erste Filmkamera gekauft, kleine Filme gedreht und dabei auch den Schnitt entdeckt“, erzählt Patrick Vollrath. Heute vereint er alle seine Fähigkeiten in seinem Filmen: Er führt Regie, schreibt die Drehbücher, manchmal – wie im Falle von Alles wird gut – schneidet er den Film auch selbst und er liebt die Arbeit mit seinen SchauspielerInnen. EHRLICHKEIT Für die Zukunft wünscht sich Patrick Vollrath, weiter als Regisseur arbeiten und von seiner Kunst leben zu können. Auch das Weiterentwickeln seiner eigenen filmischen Handschrift gehört zu seinen Zielen. Ein wichtiger Teil dieser Handschrift ist es schon jetzt, dass er ehrliche Filme machen will: Filme, in denen er Geschichten erzählt in einer Art, die glaubwürdig ist: „Es gibt gespielte Gefühle und echte Gefühle, und ich möchte gerne die echten Gefühle haben.“ Selbst wenn eine Fantasiefigur wie ein Drache in einem Film vorkomme, solle das Gefühl, das die Menschen zu diesem Drachen entwickeln, die Welt, die um ihn herum geschaffen werde, echt sein, erklärt er. Diese Ehrlichkeit möchte er auch im nächsten Projekt, seinem ersten Langfilm, umsetzen – vorausgesetzt, die Finanzierung klappt. „Hier kann es helfen, dass Alles wird gut sehr erfolgreich war“, sagt er. ZUR ZUKUNFT DES FILMS Um die Zukunft des Films selbst macht sich der junge Regisseur keine Sorgen. „Selbst wenn die Medien, die Filme beziehungsweise bewegte Bilder zeigen, sich verändern, werden die Menschen wohl immer gerne filmisch erzählte Geschichten sehen wollen“, so Patrick Vollrath. Als Filmemacher müsse man auf die Veränderungen in der Medienlandschaft Rücksicht nehmen, sich darüber Gedanken machen, welche Formate gezeigt werden, was die ZuschauerInnen sehen wollen. „Doch selbst wenn wir in Zukunft die Filme auf dem Handy, in einer Brille oder Uhr sehen werden, das Bedürfnis der Menschen nach Geschichten bleibt gleich.“ EVERYTHING WILL BE OKAY A portrait of Student Academy Award winner Patrick Vollrath ALLES WIRD GUT With his film Alles wird gut (Everything Will Be Okay), Patrick Vollrath made Filmakademie history. In September 2015, the Academy of Motion Pictures Arts and Sciences awarded him a Student Oscar. This represents the highlight of a year that’s been successful indeed for the 30-year-old German, whose feature film about a father who intends to kidnap his daughter managed to claim a whole series of important awards. “At first, it was almost too much to take,” says Vollrath on the feeling of having a film he’s made heaped with so many honours, “but it’s also very motivating and makes it easier to believe in yourself.” He says that he made the movie not to win awards, but because he found the story moving: “I just really wanted to tell this story, to work with the actors and actresses to create something that can touch people emotionally.” Ein Wochenend-Vater holt seine achtjährige Tochter Lea ab. Es ist eigentlich alles wie immer. Doch nach und nach beschleicht sie das Gefühl, dass diesmal irgendwas nicht stimmt, und es beginnt eine verhängnisvolle Reise. Becoming a Director Alles wird gut isn’t the first successful film by Patrick Vollrath, who graduated from the Filmakademie in 2015. His short films Die Jacke (The Jacket, 2014) and Ketchup Kid (2013) also won international awards. All this notwithstanding, it was only after a short detour that the filmmaker actually came to filmmaking. Following a course of training in Munich, his first jobs in film were as a editor. Then, in 2008, he began studying at Filmakademie Wien in under Michael Haneke in order to do what he’d really always wanted: make movies. “After having seen Titanic at the cinema as a teenager, I wanted to become an actor. But then, everything kind of shifted towards directing. So I bought my first film camera with the money I’d earned from a summer job, and it was by making little films with it that I discovered editing,” Vollrath recalls. Today, his films unite all of his abilities: he directs, writes the screenplays, and sometimes—as was the case in Alles wird gut—even edits the films himself; what’s more, he loves working with actors and actresses. REGIE / DREHBUCH / SCHNITT / PRODUKTION Patrick Vollrath KAMERA Sebastian Thaler DARSTELLERiNNEN Simon Schwarz, Julia Pointner, Marion Rottenhofer, Daniel Keberle u.a. Genuineness In the future, Patrick Vollrath hopes to continue working as a director and to be able to live from his art, with the further development of his own cinematic handwriting being another major goal. An important element of said handwriting thus far has been the fact that he wants to make honest films: films that allow him to tell a story so as to be credible. “There are feelings that feel acted and feelings that feel genuine, and what I want are the genuine-feeling ones.” So even if a film contains a fantasy character like a dragon, he says, the feelings that human beings develop for this dragon and the world that’s created around it need to feel genuine. And this genuineness is something he’d also like to build into his next project, his first evening-filling work—if he can get it financed, that is. “And here, the fact that Alles wird gut was so successful might help,” he says. On the Future of Film The young director has few worries about film’s future. “Even if the media that show motion pictures are changing, human beings will probably always like seeing stories told in a filmic format,” says Patrick Vollrath. He adds that, as a filmmaker, one has to take into account changes in the media world and think about what formats are receiving play, what viewers want to see. “But even if we’ll someday be watching films on our phones, in a pair of glasses, or on a wristwatch, people’s need to be told stories will remain the same.” 53 54 res ear ch 56 Ein Grund zu feiern – Michaela Hahn im Interview A Reason to celebrate – Interview with Michaela Hahn 60 Gender goes Musik * Theater * Film Gender Goes Music * Theatre * Film 62 Rethinking Belcanto Rethinking Belcanto 64 Transfer und Transformation Transfer and Transformation © Olschinsky R E S E A R C H Ein Grund zu feiern ANLÄSSLICH DES 40. JUBILÄUMS WÜRDIGT MICHAELA HAHN, LEITERIN DES MUSIKSCHULMANAGEMENTS NIEDERÖSTERREICH UND LEHRGANGS-ABSOLVENTIN, DIE VIELSCHICHTIGEN TÄTIGKEITEN DES F INSTITUTS FÜR KULTURMANAGEMENT UND KULTURWISSENSCHAFT. INTERVIEW: SUSANNE GRADL 56 rau Hahn, das Institut für Kulturmanagement und Kulturwissenschaft – kurz IKM – feiert heuer sein 40-jähriges Bestehen. Was verbinden Sie persönlich mit diesem Institut? Das IKM hat mir persönlich den Weg zu dem Arbeitsfeld eröffnet, in dem ich nun seit mehr als 15 Jahren tätig sein darf. Schon dadurch habe ich zu diesem Institut eine ganz besondere Verbindung. Ich habe fast meine gesamte berufliche Ausbildung an der mdw erhalten – zunächst das frühere B1 Studium, das ich teilweise während meiner Zeit im Musikgymnasium Neustiftgasse absolviert habe, und dann mein IGP2 Studium (Hauptfach Klavier). Im Hinblick auf meine musikalisch-künstlerische Ausbildung hat das Studium kaum Wünsche offen gelassen. Mich interessierten aber damals wie heute noch viele weitere Themen, wie organisatorische und rechtliche Rahmenbedingungen, kulturpolitische Zusammenhänge und auch der Kulturjournalismus hat mich viele Jahre gereizt. Diese Themen habe ich dann im IKM behandelt gefunden und Anfang der 90-er Jahre den damaligen Lehrgang besucht. Während dieser Zeit hat sich meine Affinität zu Zahlen und Statistiken intensiviert und so durfte ich kurz darauf als externe Beauftragte die Evaluierung des niederösterreichischen Musikschulwesens für das Amt der NÖ Landesregierung übernehmen. Diesem Bereich bin ich dann auch bis heute treu geblieben. Der Kontakt zum IKM ist aber nie abgerissen und hat sich nicht nur aufgrund meiner Dissertation in den letzten Jahren noch intensiviert. Ich halte es für sehr wesentlich, dass das Institut Personen aus der Praxis zur Forschung motiviert. Und da ich viel von Vorbildwirkungen halte, habe ich mich selbst auch dazu entschlossen, meine Arbeit über die Organisation Musikschule zu verfassen. In Kooperation mit dem IKM haben wir als Musikschulmanagement Niederösterreich vor zwei Jahren gemeinsam die Reihe „Beiträge zur Musikschulforschung“ ins Leben gerufen, in der Arbeiten, die sich mit dem Thema Musikschule als Organisation beschäftigen, publiziert werden. Mir ist durchaus bewusst, dass die Musikschulforschung noch einen langen Weg vor sich hat, aber es ist schön, dass mit den bestehenden und geplanten Forschungsvorhaben wichtige Schritte gesetzt werden. Wo sehen Sie die Herausforderungen für junge KulturmanagerInnen heutzutage? Kulturmanagement war und ist immer eine Herausforderung. Das liegt schon in der Sache selbst begründet. Als KulturmanagerIn wechselt man ständig zwischen verschiedenen Welten und ist nur dann erfolgreich, wenn man Verständnis für das jeweils „andere“ wecken kann. Das bedeutet in erster Linie viel Übersetzungsarbeit und als Voraussetzung dafür sensibles Zuhören können. Und es bringt einen auch R E S E A R C H immer wieder an die eigenen Grenzen – das ist das Spannende und Herausfordernde in der Tätigkeit. Ich kann in erster Linie für das Musikschulwesen sprechen, den Bereich, in dem ich seit rund 25 Jahren tätig bin. Auch hier gibt es einen großen Bedarf an Kulturmanagementkompetenz. Die gesellschaftlichen Entwicklungen sind auch an der Musikschule spürbar. Als MusikschulpädagogIn muss man seinen eigenen Arbeitsplatz schaffen und erhalten – im Gegensatz zum Regelschulwesen. Musikschulen müssen den persönlichen und gesellschaftlichen Wert ihrer künstlerischen Ausbildung stetig nachweisen und argumentieren, durchaus auch in Konkurrenz zu unterschiedlichen Freizeitbeschäftigungen. Neben musikalisch-künstlerischer und pädagogischer Kompetenz brauchen wir daher vor allem auch Lehrende, die in der Gestaltung der öffentlichen Konzerte Musikvermittlungskompetenzen einbringen, die in der Arbeit mit Orchestern und Ensembles organisatorische und Führungskompetenzen beweisen und die durch ihre Persönlichkeit und ihre Kommunikation dazu beitragen, dass die Arbeit der Musikschulen in der Öffentlichkeit den Stellenwert und auch die Wertschätzung erhält, die ihr zusteht. Inwiefern geht das IKM auf diese Punkte ein? Die größte Herausforderung für alle Universitätsinstitute ist sicher die Bewährung ihrer Studierenden in der Praxis. Die Liste der Lehrenden am IKM zeugt von hoher Qualität in Theorie und Praxis. Und wie bereits gesagt motiviert das IKM, insbesondere Franz-Otto Hofecker, auch immer wieder Personen, ihre Praxiserfahrungen in Forschungsvorhaben zu erweitern und vertiefen. Durch diese institutionalisierte Zusammenarbeit mit aktiven KulturmanagerInnen und den damit verbundenen Möglichkeiten, Theorie und Praxis schon im Studium zu verbinden, ergeben sich für Studierende Einblicke und Erkenntnisse, die ihren weiteren Weg prägen können. Die Liste der AbsolventInnen des IKM auf der Homepage spricht hier eigentlich für sich! Auch bei mir im Musikschulmanagement sind immer wieder IKM AbsolventInnen tätig – derzeit sind es drei Mitarbeiterinnen. Ich schätze die strukturierte Sichtweise auf unterschiedliche Kulturbereiche sehr, die auch am IKM entwickelt wird. Die Erfahrung zeigt, dass in erster Linie Menschen mit persönlichem Interesse am Kulturbereich – bei uns insbesondere am Musikschulwesen – erfolgreich bei uns tätig sind. In meinem Team ist es mir wichtig, unterschiedliche Hintergründe bzw. Werdegänge und damit vielfältige Sichtweisen zu integrieren. Dadurch werden „blinde Flecken“ und auch die Gefahr vieler guter Teams vermieden, nämlich sich selbst immer wieder zu bestätigen und damit mittelfristig wichtige Tendenzen und Entwicklungen von außen zu vernachlässigen. Ein buntes Team ist zwar in der Führung herausfordernder, aber jede dafür aufgewendete Anstrengung wert. So sind meine MitarbeiterInnen für mich persönlich tagtäglich auch eine Quelle kreativer Ideen. Seit diesem Jahr sind Sie selbst als Lehrende am IKM tätig. Was unterrichten Sie und was ist Ihre Motivation dahinter? Ich unterrichte das Seminar Kulturbetriebslehre – Steuerung von Musikschulen. Es ist mir ein großes Anliegen, mein Wissen und meine Erfahrungen im Musikschulwesen weiterzugeben, damit interessierte Studierende mit einem Wissensvorsprung in die Berufspraxis starten können. Der Kulturbetrieb Musikschule hat durchaus eine Sonderstellung, nicht nur am IKM. Als Organisation, die sowohl Schule als auch Kulturbetrieb ist, sind die Rahmenbedingungen nicht immer eindeutig geregelt und so haben sich z.B. die Strukturen in den Bundesländern auch unterschiedlich entwickelt. Meiner Meinung nach ist es immer wichtig, das System dahinter zu verstehen. Das hängt auch mit meinem persönlichen Führungsverständnis zusammen. Ich möchte, dass jede und jeder weiß, wo es hingehen soll und wie die Rahmenbedingungen aussehen. Die Wege können und sollen dann durchaus unterschiedlich und kreativ sein – aber wenn ich die Strukturen dahinter nicht verstanden habe, dann ist ein Scheitern am Weg sehr viel wahrscheinlicher. Das bedeutet aber nicht, dass man bestehende Strukturen nicht auch hinterfragen soll – und ein Seminar ist eine wunderbare Möglichkeit, dies sehr kritisch, aber auch konstruktiv zu tun. Wie im Beruf sehe ich es also als wichtige Aufgabe, Wissen weiterzugeben und damit auch Voraussetzungen zu schaffen, in denen Menschen dann erfolgreich sein können. Persönlich kann ich nach diesem ersten Semester sagen, dass mir die Arbeit mit den Studierenden sehr viel Freude bereitet und ihre Fragestellungen und Ideen auch mein Berufsleben bereichern. Sie haben Ihre Karriere als Musikschullehrerin begonnen. Was hat Sie zum Umstieg ins Management bewogen? Wie schon erwähnt, waren es in erster Linie meine vielfältigen Interessen. Aber auch persönliche Schlüssel- © Olschinsky „Kulturmanagement war und ist immer eine Herausforderung. Das liegt schon in der Sache selbst begründet.“ “Cultural management is and always has been a challenge. It’s the nature of the beast.” Haydn Festspiele Eisenstadt Burgtheater Wien GmbH Künstlerhaus Wien Naturhistorisches Museum Wien Philharmonie Essen ImpulStanz Neue Oper Wien Gustav Mahler Jugendorchester Staatstheater Darmstadt Carinthischer Sommer NETZWERK IKM ABSOLVENTINNEN Volkstheater Wien Essl Museum Grazer Oper Österreichische Nationalbibliothek Landestheater Linz Kunsthaus Wien Kunsthistorisches Museum Wien Museum Volksoper Klangforum Wien TAK – Theater Liechtenstein Wiener Konzerthaus Bregenzer Festspiele Vereinigte Bühnen Bozen Universal Edition AG DONNERSTAG 3.12. 40 JAHRE IKM Workshops, Diskussionen, Präsentationen AB 9.30 UHR IKM ANTON-VON-WEBERN-PLATZ 1 1030 WIEN Vereinigte Bühnen Wien Staatsoper Wien erlebnisse, die mich herausgefordert haben. Ich habe an einigen, sehr unterschiedlichen Musikschulen gearbeitet, bevor ich ins Management gewechselt habe. Als ich die Chance erhielt, die künftigen Strukturen und Rahmenbedingungen mitzugestalten, habe ich also nicht lange gezögert. Obgleich der Beruf Musikschullehrerin für mich insbesondere aufgrund des großen Gestaltungsspielraums sehr erfüllend war und ich anfangs die direkte Kommunikation mit meinen SchülerInnen sehr vermisst habe. Den Schritt ins Management habe ich eigentlich nie bereut. Nach wie vor ist es für mich einer der spannendsten Arbeitsplätze, die ich mir vorstellen kann. Vor allem auch, weil kein Arbeitstag wie der andere ist und ich – neben allen rechtlichen und administrativen Notwendigkeiten – das Musikschulwesen auch inhaltlich mitgestalten kann. Das Schönste für mich ist, wenn ich Dinge erleichtern oder sogar ermöglichen kann. Denn das Musikschulwesen in Niederösterreich ist deshalb so gut, weil wir hervorragende Lehrende und LeiterInnen haben. Und die Rahmenbedingungen für deren wertvolle Tätigkeit erfolgreich weiter zu entwickeln, dafür ist das Musikschulmanagement da. Was sind Ihre zukünftigen Visionen für das Musikschulmanagement Niederösterreich? Das Musikschulwesen in Österreich befindet sich derzeit in einer sehr spannenden Phase. Mein Ziel ist es, die Qualität und Quantität der musikalischen Ausbildung für Kinder und Jugendliche in Österreich zu erhalten, zu stärken und weiterzuentwickeln. Ein zentraler Punkt ist für mich dabei, das gemeinsame Musizieren nochmal auf eine breitere Basis zu stellen und als Hauptzielrichtung für die kommenden Jahre zu definieren. Ich bin der festen Überzeugung, dass eine Musikschulausbildung Kindern und Jugendlichen unendlich viel ermöglicht. Sie fördert ihre Kreativität und ihre künstlerische Ausdrucksmöglichkeiten ebenso wie ihre emotionalen und sozialen Kompetenzen. Das sind Schlüsselqualifikationen, die Menschen ihr Leben lang benötigen und die nicht nur zum Erfolg sondern letztlich auch zur Zufriedenheit und zum Glück eines Menschen beitragen. 58 CAUSE TO CELEBRATE In celebration of 40 years of the Department of Cultural Management and Cultural Studies, Michaela Hahn, head of the Lower Austrian music school system’s management organisation Musikschulmanagement Niederösterreich and a certificate course graduate, pays tribute to the department’s widespread activities. Mrs. Hahn, this year the Department of Cultural Management and Cultural Studies—IKM for short— is celebrating the 40th anniversary of its founding. What connects you personally with the department? The IKM opened up my way into the field where I’ve now had the privilege of working for 15 years. So even just because of that, I have a very special connection to the department. I received almost all my professional training at the mdw—first the former B1 course of studies, part of which I completed while still at BORG Neustiftgasse [a secondary school for musicians] and then the second phase of my Music Education degree (IGP2 , piano). In terms of my training as a musician and an artist, the programme left hardly anything to be desired. But then as now, I’ve been interested in lots of other topics, too, such as organisational and legal parameters as well as cultural policy—and for many years, I was also interested in cultural journalism. I came to realise that the IKM dealt with all these themes, so I enrolled in the certificate programme that was being offered during the 1990s. That period saw my interest in numbers and statistics grow even stronger, and I was shortly thereafter entrusted with performing an evaluation of the Lower Austrian music school system for the Government of Lower Austria as an external consultant. And that ended up being the field of work to which I’ve remained loyal ever since. But I’ve never lost contact with the IKM, and this contact has actually grown more intense in recent years due to my dissertation and other things. I think it’s very important that this department motivates artistic practitioners to also do research. And since I think a lot of role models and the effect they can have, I decided to do my dissertation on music schools as organisations. Then, two years ago, we at Musikschulmanagement Niederösterreich initiated the book series Beiträge zur Musikschulforschung [Writings on Music School Research] as a cooperative project with the IKM in order to publish papers on the topic of music schools as organisations. And while I absolutely am conscious of the fact that research on music schools still has a long way to go, it’s great that important steps are being taken in the form of existing and planned projects. Where do you see the challenges for young cultural managers, these days? Cultural management is and always has been a challenge. It’s the nature of the beast. Cultural managers are required to constantly switch between different worlds and can only be successful if they succeed in eliciting understanding for the respective “other”. For the most part, that means lots of work convincing people, which requires one to be a sensitive listener. And it frequently takes you to your own limits, which is what’s so exciting and challenging about it. I can speak mainly for music schools, the area where I’ve worked for around 25 years. Here, as elsewhere, there’s a great need for cultural management competencies. And developments that we see our society going through can be felt here just like anywhere else. Music teachers have to create and maintain their own jobs— as opposed to how it is for teachers at regular schools. And music schools have to constantly justify the personal and societal value of their artistic training, and in this context, they’re also forced to compete with all sorts of leisure time offerings. So apart from musical/artistic and teaching competencies, what we need most of all are teachers who bring to bear their ability to get music across to audiences in the preparation of the schools’ © Olschinsky public concerts, who show organisational and leadership abilities in their work with orchestras and other ensembles, and whose personalities and communication skills contribute to music schools’ being accorded by the public the status and esteem that their work deserves. To what extent does the IKM address these points? The greatest challenge for any university department is certainly enabling their students to succeed afterwards in their professional lives. The list of instructors at the IKM speaks to its quality in both theory and practice. And as I’ve said, the IKM—and I’ll single out Franz-Otto Hofecker specifically, here—motivates people again and again to expand and deepen their practical experience as part of research projects. What’s more, its institutionalised collaboration with active cultural managers and the resulting opportunities to link theory and practice while still at the university help students to arrive at insights and realisations that end up positively influencing their future paths. In this regard, the list of graduates on the IKM’s homepage really does speak for itself! Where I work, at Musikschulmanagement, we often employ IKM graduates—currently three of them. I think a lot of taking a structured approach to looking at various areas of the cultural field, an approach that the IKM is involved in developing. Experience has shown that it’s above all people who are personally interested in culture—and particularly in the music school system—that work successfully in our organisation. And it’s important to me, personally, to integrate different backgrounds and/or educational and career histories, and thus diverse perspectives, into my team. This helps to avoid blind spots as well as another thing that affects a lot of otherwise good teams: constant mutual affirmation, which over the medium term feeds a tendency to neglect important trends and developments going on outside. It’s true that a colourful team is more challenging to lead, but it’s worth every bit of the additional effort that’s required. And it also means that my employees are a daily source of creative ideas for me personally. This year you’ve begun teaching at the IKM yourself. Can you say something about what you teach and your motivation for doing so? I teach the seminar Kulturbetriebslehre – Steuerung von Musikschulen [Cultural Administration – Guiding Music Schools]. I have a keen desire to pass on the knowledge and experience I’ve gained from working with music schools so that interested students can get a head-start in terms of knowledge for their professional careers. The music school as a cultural organisation definitely occupies a special status, both at and outside the IKM. Since music schools function both as schools and as cultural institutions, the conditions under which they operate aren’t clearly defined in all respects—and one of the effects this has had is that Austria’s music school systems are organised differently from state to state. I think it’s always important to understand the system behind something. This has to do with, among other things, my personal understanding of leadership. I want everyone to know where we’re going and within what framework we need to get there. The routes can and absolutely should be different and creative—but if the underlying structures haven’t been understood, then there’s a far higher risk of failure somewhere along the way. This doesn’t mean, however, that one shouldn’t question existing structures— and a seminar represents a wonderful opportunity to do so both very critically and constructively. So just like in professional life, I view it as an important task to pass on knowledge and thus also create the conditions within which people can be successful. Personally, I can say after this first semester that I get a lot of pleasure out of working with the students, and that their questions and their ideas also enrich my professional life. You started your career as a teacher in a music school. What moved you to switch to management? As I mentioned before, it was primarily the fact that I’m interested in so many different things. And there were also some key personal experiences that really challenged me. I’d worked at several very different music schools before I went into management. So when I was given the opportunity to participate in shaping their future structures and underlying conditions, I didn’t hesitate for long. I had found a lot of fulfilment in my work as a music teacher, especially because of the freedom and flexibility involved, and communicating with my students was something that I missed a whole lot at first. But even so, I’ve never regretted the step I took into management. Then as now, my workplace is one of the most exciting ones I can imagine. Especially since no one day is like the next, and because I do actually get to help shape the music school system in terms of content despite all the necessary legal and administrative responsibilities. The nicest thing for me is when I can make things easier or even possible to begin with. Because our outstanding teachers are the reason why the music school system in Lower Austria is so good. And further development of the conditions they need in order to do their valuable work is what we at Musikschulmanagement are there for. DONNERSTAG 25.2. BERUF KULTURMANAGER_IN Podiumsdiskussion anlässlich 40-Jahre-IKM-Lehrgang 18.00 UHR IKM ANTON-VON-WEBERN-PLATZ 1 1030 WIEN What are your visions for the future of Musikschulmanagement Niederösterreich? Austrian music schools are currently in a very exciting phase. My goal is to preserve, reinforce, and further develop the quantity and quality of musical training for children and youth in Austria. A central point for me here is to once again put group music-making on a broader footing, and I’m looking to define this as a main thrust for the upcoming years. I’m of the firm conviction that music school training for children and teens opens up infinite possibilities. It encourages their creativity and enhances their means of artistic expression while also helping their emotional and social competencies to develop. These are key qualifications that people need their whole life long, ones that contribute not only to success but also to an individual’s personal satisfaction and happiness. 59 R E S E A R C H Gender goes Musik* Theater* Film 10 JAHRE GENDER STUDIES AM IKM TEXT: ANDREA ELLMEIER / DORIS INGRISCH T o be related nannte sich die anlässlich von vierzig Jahre IKM und zehn Jahre Gender Studies am IKM im September 2015 stattgefundene Tagung, die das Zusammenwirken von Kultur, Management und Gender in seiner Vielfalt und Unabdingbarkeit vor Augen führte. Nicht das Trennende stand im Mittelpunkt des Interesses, sondern das Gemeinsame, jenes, das die Disziplinen, ein Innen und Außen verbindet. GENDER-WISSEN Für Genderfragen zu sensibilisieren, gelingt über mehr Gender-Wissen. Für die Generierung und Vermittlung von Gender-Wissen wurden und werden von der Gender Studies Professorin, der Koordinationsstelle für Frauenförderung und Gender Studies und in Kooperation mit und von KollegInnen der Plattform Gender_mdw unterschiedlichste Formate entwickelt: 60 01. Die jährliche Interdisziplinäre Gender-Ringvorlesung, deren Themen Screenings, Gender Performances, Kultur der Gefühle, Ratio und Intuition, SpielRäume lauteten und als Sammelbände in der Böhlau-Reihe mdw Gender Wissen erschienen. Band 6 über Körper/Denken. Wissen und Geschlecht in Musik Theater Film wird am 3. Dezember 2015 präsentiert. 02. Die Veranstaltungsreihe mdw Gender Talks, in der genderrelevante Abschlussarbeiten, jeweils ergänzt durch künstlerische Darbietungen, vorgestellt werden – der nächste Gender Talk über Königin Elizabeth I. in der Film- und Fernsehgeschichte findet am 12. Jänner 2016 statt. 03. Die Podiumsdiskussionsreihe Gender Screening mdw, in denen mdw-Studienfächer hinsichtlich ihrer Geschlechterverhältnisse gescreent (durchleuchtet) werden, bisher waren es die Fachrichtungen Komposition, Dirigieren und Musikleitung, Orgel und Kirchenmusik, Schauspielregie, Musikpädagogik und Popularmusik. 04. Die Forcierung von kunstspartenübergreifender interdisziplinärer Forschung in Richtung arts based research, wie in Kunst_Wissenschaft. Don’t Mind the Gap! 05. Wissenschaft und Kunst im Dialog, eine internationale Tagungsreihe, in der Versuchsanordnungen zwischen Gender Studies und künstlerischem Forschen gesetzt werden. 06. Das von KollegInnen der Plattform Gender_mdw initiierte Gender-Projekt Holz-Blech-Schlag (www.mdw. ac.at/ifs/projekte) 07. Raum für Fanny Hensel war schließlich das erste sehr große künstlerisch-wissenschaftliche Gender-Jahresprojekt, das am 14. November 2015, dem 210. Geburtstag R E S E A R C H der Komponistin, mit einem Finalkonzert des Kompositionswettbewerbs Fanny Hensel abgeschlossen wurde. (www.mdw.ac.at/fanny_hensel) Die Gender-Studies-Professorin Doris Ingrisch erarbeitete ein PhD Programm Gender Studies, das einzigartig an einer Kunstuniversität in Österreich ist. Im laufenden Semester bietet sie gemeinsam mit einer Musikerin „Applied Gender Studies“ als neues Lehrveranstaltungsformat an, um praxisorientiert angehenden KünstlerInnen das Wissen der Gender und Queer Studies für Lebensund Arbeitsformen verfügbar zu machen. Die Implementierung von mehr Gender Wissen in die Studienpläne der mdw ist der logische nächste Schritt auf dem Weg zu einer geschlechtergerechteren Kunstuniversität. Im Juni 2015 erging ein Call für die Einreichung von Gender-Projekten an alle Mitglieder der Plattform Gender_mdw, acht Einreichungen bekamen eine Förderung zugesprochen. Es handelt sich um eine breite Palette an sehr unterschiedlichen Gender-Projekten – zwischen Grete Trakl – Schwester: Möndin – eine kontrafaktische Kompositionsgeschichte“ und der Integration der Frage „Berufsbild Kulturmanagerin – Chancen und Risken in eine AbsolventInnenstudie des Universitätslehrgangs Aufbaustudium Kulturmanagement am IKM (mehr Informationen unter www.mdw.ac.at/gender). 01. The annual Interdisciplinary Gender Lecture Series, the themes of which have so far been screenings, gender performances, the culture of feelings, ratio and intuition, and spaces of latitude (SpielRäume), transcriptions from which were published in the Böhlau series mdw Gender Wissen. Volume 6, entitled Körper/Denken. Wissen und Geschlecht in Musik Theater Film [Body/Thought. Knowledge and Gender in Music Theatre Film], was presented on 3 December 2015. The event series mdw Gender Talks, in which gender-relevant final papers were introduced in combination with corresponding artistic presentations; the next Gender Talk, on the topic of Queen Elizabeth I in the history of film and television, will take place on 12 January 2016. 02. Weitere Informationen unter: www.mdw.ac.at/gender, www.mdw.ac.at/ikm The panel discussion series Gender Screening mdw, in which mdw degree programmes are screened with regard to their gender ratios; so far, it has looked at Composition, Orchestral and Choral Conducting, Organ and Church Music, Stage Direction, Music Education, and Popular Music. 03. Actively supporting interdisciplinary research across artistic programmes in the sense of arts-based research, such as in ARTs-based PHILOSOPHY. Don’t Mind the Gap! 04. 05. Art and Research in Dialogue, an international conference series focussed on the establishment of experimental models situated between gender studies and artistic research. The gender project Holz-Blech-Schlag (www.mdw.ac.at/ifs/ projekte), initiated by colleagues from Plattform Gender_mdw 06. A Room for Fanny Hensel, finally, was the first large-scale, year-long artistic research / gender project, which concluded on 14 November 2015—the composer’s 210th birthday—with the final concert of the Fanny Hensel Composing Competition. (www.mdw.ac.at/fanny_hensel) 07. Durch diese kontinuierlich-engagierte Arbeit erhielten Gender-Studies an der mdw – Universität für Musk und darstellende Kunst Wien einen höheren Stellenwert und wurden im Gefüge der Kunstuniversität mdw sichtbarer, eine erfreuliche Entwicklung also, der im neuen Rektorat durch die Einrichtung eines Vizerekorates für Organisationsentwicklung, Gender & Diversity Rechnung getragen wird. GENDER GOES MUSIC * THEATRE * FILM 10 years of gender studies at the IKM To be related is the title of the conference held in September 2015 to celebrate 40 years of the IKM and 10 years of gender studies at the IKM. This event served to shed light on the interaction of culture, of management, and of gender in its diversity and its absolutely essential nature. Interest was focussed not on that which separates, but on commonalities— that which connects disciplines as well as the inner with the outer. Gender Knowledge Sensitising people to gender issues is a matter of instilling greater gender-related knowledge. For the generation and conveyance of such knowledge, various formats have been developed and are under development by gender studies professors, by the Coordination Office for Women’s Advancement and Gender Studies, and in cooperation with and by colleagues from Plattform Gender_mdw: Gender studies professor Doris Ingrisch has developed a PhD programme, Gender Studies, that is unique in the context of Austria’s arts universities. And the current semester will see her join forces with a woman musician to launch the new course format “Applied Gender Studies” in order to facilitate future artists’ access to gender studies and queer studies-related knowledge as it applies to forms of life and work. The integration of more gender studies knowledge into the mdw’s curricula is the logical next step on the way to a more gender-just arts university. In June 2015, a call was issued to all members of Plattform Gender_mdw for the submission of gender projects, and eight of the submitted proposals were awarded financial support. The gender projects at issue cover a broad range—from Grete Trakl – Sisters: Moon-ess – A Counterfactual History of Composition to the inclusion of the topic Woman Cultural Manager as a Professional Profile – Opportunities and Risks in a study of graduates of the Cultural Management postgraduate programme at the IKM (more information at www.mdw.ac.at/gender). Through this continuous and dedicated work, gender studies at the mdw – University of Music and Performing Arts Vienna has been accorded a higher status and lent more visibility within the university’s hierarchy, a very happy development that will be done further justice by the institution of a Vice Rectorate for Organisational Development, Gender & Diversity by the new rectorate team. 61 R E S E A R C H PETER A. LEUSSINK © Daniel Nuderscher Rethinking Belcanto EIN FORSCHUNGSPROJEKT ÜBER DEN D ZUSAMMENHANG VON BELCANTO UND DEMENZ. TEXT: SUSANNE GRADL 62 as mit viel Prominenz besetzte multimediale Kunstprojekt Song Book – Klassisches Lied trifft auf modernen Videoclip in Zusammenarbeit mit Michael Haneke, Ildikó Raimondi, Herbert Lippert, der mdw – Universität für Musik und darstellenden Kunst Wien, dem ORF sowie der Konservatorium Wien Privatuniversität hat jetzt ein spannendes Follow-up-Forschungsprojekt namens „Song Book meets Research“ gefunden. Peter A. Leussink, der niederländische lyrische Tenor, akademische Gesangspädagoge und Doktorand am Institut für Musiksoziologie an der mdw, untersucht im Rahmen seiner Dissertation The Essence of Bel Canto die Gesangskunst des Belcanto, mit dem Ziel, diese Praxis als eine Kunstform und Lebensform mit Relevanz für die heutige Gesellschaft zu beschreiben. Nach seinen erfolgreich absolvierten Studien Gesang, Lied & Oratorium und Oper in den Niederlanden sowie an der mdw entwickelte er mehrere Projekte mit Bezug zu Belcanto, wobei eines seiner Projekte Zurück ins Leben – Auf den Flügeln des Gesangs 2014 für den Sozialpreis des österreichischen Sozialministeriums nominiert wurde. R E S E A R C H Peter A. Leussink ist als Purple Angel-Ambassador für Österreich tätig, im Rahmen dessen er sich für die Belange von Demenz betroffenen Menschen weltweit einsetzt. Sein Hauptanliegen ist es, Demenz einen Platz in der Mitte unserer Gesellschaft zu geben und dabei von Demenz betroffenen Menschen trotz ihrer Einschränkungen ein Leben in Würde zu ermöglichen. Vor einigen Jahren hatte er bereits das weltweit einzigartiges Belcanto-Projekt Sinn-G’sang in Zusammenhang mit Demenz initiiert. An einem Tageszentrum des Wiener Hilfswerks trainiert er Belcanto mit Menschen mit Demenz, Alzheimer und anderen neurologischen Einschränkungen. Beobachtungen zeigen deutlich positive Auswirkungen auf die psychophysischen und geistigen Fähigkeiten. Peter A. Leussink ist davon überzeugt, dass Belcanto nicht nur die Herzen der Menschen erreicht, es verändert auch ihr Leben. Für Leussink haben SängerInnen und MusikerInnen eine soziale Verantwortung gegenüber dem Kulturkreis, in dem sie leben und arbeiten. Belcanto scheint geradezu prädestiniert zu sein, den Bedürfnissen derer, die nicht mehr für sich selbst sprechen können, in unserer Gesellschaft „eine Stimme“ zu geben. Wenn es so etwas wie eine übergeordnete Bedeutung für die Kunst des Belcanto gibt, dann besteht dieser Sinn vielleicht in der Fähigkeit, einen über die Selbstdarstellung professionellen Könnens hinausgehenden Sinn, der selbsttranszendierend auf eine gewissenhafte und wertvolle modernen Gesellschaft abzielt, zu kommunizieren. RETHINKING BEL CANTO A research project on the relationship between bel canto singing and dementia. The multimedia art project Song Book – Classical Song Meets Modern Video Clip, a collaborative production involving prominent figures such as Michael Haneke, Ildikó Raimondi, and Herbert Lippert, as well as the mdw – University of Music and Performing Arts Vienna, the ORF, and Konservatorium Wien University, is now to be followed by an exciting project entitled Song Book Meets Research. Holland-native Peter A. Leussink, a lyric tenor, academic vocal teacher, and doctoral candidate at the mdw’s Department of Music Sociology, is using his dissertation The Essence of Bel Canto as an opportunity to examine the vocal art of bel canto with the objective of describing the practice as an art form and a form of life that is relevant to present-day society. Since his graduation from programmes encompassing voice, lied & oratorio, and opera in the Netherlands and at the mdw, he has already developed several bel canto-related projects, with one—Zurück ins Leben – Auf den Flügeln des Gesangs [Back into Life – On the Wings of Song]—having been nominated for the 2014 Social Prize of the Austrian Federal Ministry of Social Affairs. Peter A. Leussink represents Austria as a Purple Angel Ambassador, as part of which he supports the concerns of people affected by dementia worldwide. His primary aim is to accord dementia a place at the centre of society, thereby enabling people with dementia to live in dignity despite their limitations. A few years back, Leussink initiated the dementia-related bel canto project Sinn-G’sang, which is unique the world over: at an adult day care centre of the charitable organisation Wiener Hilfswerk, he teaches bel canto singing to people affected by dementia, Alzheimer’s disease, and other neurological impairments. Observations confirm clear positive effects on his participants’ psycho-physical and mental abilities, and Leussink is convinced that bel canto can not only reach people’s hearts, but also change their lives. Leussink generally feels that singers and other musicians have a social responsibility to the respective cultures within which they live and work. And bel canto, he says, would seem predestined to “lend a voice” to the needs of those individuals in our society who are no longer capable of speaking for themselves. So if there exists something like an overarching significance of the art of bel canto, then perhaps it consists in the ability to communicate a meaning that goes beyond portrayal of one’s own professional ability, transcending itself to support the development of a modern society that is conscientious and of value. V.L.N.R.: MARTIN TRAXL, ADRIAN ERÖD, ANGELIKA KIRCHSCHLAGER, HERBERT LIPPERT, ILDIKÓ RAIMONDI, MICHAEL HANEKE UND PETER A. LEUSSINK © ORF / Günther Pichlkostner 63 © Iby-Jolande Varga R E S E A R C H Transfer und Transformation IM 18. JAHRHUNDERT FÜHRTE DAS VIELFÄLTIGE KULTURLEBEN WIENS ZU ZAHLREICHEN KULTURELLEN TRANSFERPROZESSEN, DIE WIEN ZU EINEM DER BEDEUTENDSTEN MUSIKZENTREN EUROPAS ERHOBEN. EIN FORSCHUNGSPROJEKT ZU MUSIKBEZOGENEN TRANSFERPROZESSEN IM THERESIANISCHEN WIEN. O b dick mit Schimmel bewachsene Rechnungsbücher eines Klosters oder mit Goldstaub übersäte Opernpartituren des Wiener Hoftheaters – Archivbesuche halten oft Überraschungen bereit. Die Untersuchung einer historischen Quelle oder die Suche nach bisher unbekannten Dokumenten kann ebenso im Sand verlaufen wie neue, unvorhergesehene Einblicke in die Vergangenheit eröffnen – Einblicke, die vielleicht noch keiner/m ForscherIn je zuvor gewährt wurden. Genau das fasziniert die vier jungen WissenschaftlerInnen, die seit Juli 2014 unter der Leitung von Martin Eybl im Forschungsprojekt „Transferprozesse in der Musikkultur Wiens 1755 bis 1780“ arbeiten. Das vom FWF geförderte Projekt ist am Institut für Analyse, Theorie und Geschichte der Musik angesiedelt und untersucht die musikbezogenen Transferprozesse im Theresianischen Wien. Kunsträume traf das Projektteam bei seiner Arbeit in der Musiksammlung der Österreichischen Nationalbibliothek. 64 KULTURTRANSFER „Einendes Element unserer vier Projektteile ist das Konzept des Kulturtransfers“, erklärt Projektleiter Martin Eybl. „Kulturtransfer – damit ist der Prozess der Übernahme eines kulturellen Phänomens aus einer Kultursphäre in eine andere gemeint, beispielsweise die Verwendung einer Wiener Konzertsymphonie als Tafelmusik im Stift Göttweig. Ein solcher Transfer, der normalerweise zu Veränderungen am Kulturgut führt und nachhaltige Spuren in der aufnehmenden Kultur hinterlassen kann, wird nicht als Missbrauch oder Missverständnis des Originals angesehen, sondern wertfrei als Anpassung an einen neuen Kontext.“ Das vielfältige Kulturleben Wiens zwischen 1755 und 1780 ist gemeinsamer Ausgangspunkt der Teilprojekte und bietet Raum für die Untersuchung ganz unterschiedlicher kultureller Transfers, welche den rasanten Aufstieg Wiens zu einem der bedeutendsten Musikzentren Europas in jenen Jahren begleiteten und zum Teil auch bedingten. Die künstlerischen Aktivitäten in diesem Zeitraum sind geprägt durch die immer stärkere Beteiligung neuer Akteure aus der Mittelschicht. Damit veränderte sich auch die soziale Struktur des Publikums. VIER THEMEN MIT VIELEN ANKNÜPFUNGSPUNKTEN So geht es bei der Opéra comique in Wien um französische komische Opern, die vielfach in Wien aufgeführt R E S E A R C H wurden. „Auf welchen Wegen kamen die Werke hier her, wer hatte ein Interesse daran und vor allem: was wurde für das Wiener Publikum verändert? Das sind die Fragen, die mich interessieren“, so Projektmitarbeiterin Julia Ackermann. Ihre Kollegin Sarah Schulmeister fährt fort: „Bei mir geht es um die umgekehrte geografische Richtung: Ich beschäftige mich mit der Wiener Instrumentalmusik am Pariser Druckmarkt – eine Entwicklung mit weitreichenden Folgen, denn über Paris wurde die Musik der Wiener Komponisten in ganz Europa bekannt. Da spielen natürlich auch kommerzielle Aspekte eine wichtige Rolle.“ „Stimmt!“, bemerkt Christiane Hornbachner. „In Wien war der rege Handel mit Musikalien ja noch ein recht neues Phänomen. Auch der Klerus hat hier mitgemischt und sich am neuen Angebot bedient.“ Ihr Thema sind die Klöster als Konsumenten am Wiener Musikalienmarkt. „Aber nicht nur zwischen geografischen, auch zwischen sozialen Räumen kann man Transfers beschreiben“, wirft Marko Motnik ein. Er schreibt Eine sozialhistorische Topographie des Oratoriums, denn die Werke wurden in Wien ab der Jahrhundertmitte plötzlich nicht nur in den Kirchen, sondern auch im Theater aufgeführt. „Das sind ja ganz unterschiedliche soziale Kontexte, in denen die Musik erklingt. Das Aufkommen des öffentlichen Konzertwesens und eines kulturfördernden Bürgertums war für diese Entwicklung enorm wichtig“, erläutert Marko Motnik sein Thema. WASSERZEICHEN Und was steht heute auf dem Plan beim gemeinsamen Arbeitstreffen in der ÖNB? „Gerade geht es um die Erfassung von Wasserzeichen und Kopisten in Wiener Opernpartituren. Das ist ein weiterer Teilbereich unseres Projekts, mit dem wir Grundlagenforschung betreiben“, erklärt Projektleiter Martin Eybl. „Diese Arbeit wird in Form einer Datenbank aufbereitet und in Zukunft WissenschaftlerInnen von großem praktischen Nutzen für die Datierung von Musikalien sein.“ TRANSFER AND TRANSFORMATION During the 18th century, Vienna’s multifaceted cultural life gave rise to numerous processes of cultural transfer that were to make the city one of Europe’s most important musical centres. A research project on music-related processes of transfer in Empress Maria Theresia’s Vienna. Be they mouldy accounting books from a monastery or gold dust-coated opera scores from the Vienna Court Theatre: numerous surprises await those who visit archives. Scrutiny of a historical source or the search for hitherto unknown documents can lead to nothing, or can just as well open up new, unexpected insights into the past that may have never before revealed themselves to researchers. And precisely that is what fascinates the four young scholars who, since July 2014, have been participating in Martin Eybl’s research project Processes of Transfer in the Musical Culture of Vienna, 1755– 1780. This FWF-sponsored project is based at the Department of Music Analysis, Theory and History and looks at musicrelated processes of cultural transfer in Vienna during the rule of Maria Theresia. Kunsträume met with the project team as they worked at the Austrian National Library’s Department of Music. Cultural Transfer “The unifying element of our project’s fourfold focus is the concept of cultural transfer,” explains project head Martin Eybl. “What we mean here by cultural transfer is the process by which a phenomenon from one cultural sphere is assumed by another, like when a Viennese concert symphony was used as music for a banquet at Göttweig Abbey. Such a transfer, which normally changes the cultural product in question and can also leave lasting traces in the culture that assumes it, is not judged to be a misuse or a misunderstanding of the original, but rather viewed neutrally as an adaptation to a new context.” The multifaceted cultural life of Vienna between 1755 and 1780 is a common starting point for this project’s various specific focuses and offers space within which to examine the highly diverse cultural transfers that accompanied—and in some cases made pivotal contributions to—Vienna’s rapid development into one of Europe’s most important musical centres during those years. The artistic activities of this period are characterised by the ever-stronger participation of new protagonists from the middle class, a fact that, in turn, changed the social structure of the audience, as well. Four Focuses with Numerous Points of Contact Opéra comique in Vienna deals with the many French comic operas that were performed in the city. “By what routes did these works get here, who was interested in them, and above all: how were they modified for the Viennese audience? These are the questions that interest me,” says project participant Julia Ackermann. Her colleague Sarah Schulmeister continues: “My work here is about the geographical reverse: I’m looking at Instrumental Music from Vienna on the Parisian Printed Music Market—a phenomenon with huge consequences, since it was via publishers in Paris that Viennese composers succeeded in making their music known throughout Europe. Commercial aspects played an important role here, of course.” “True,” agrees Christiane Hornbachner: “In Vienna, the trade in printed music was still a relatively new phenomenon. And clergymen were among the customers who took advantage of these new offerings.” Her topic is Abbeys as Consumers on the Viennese Printed Music Market. “So it’s also possible to describe transfers between social spaces, as well as geographic ones,” points out Marko Motnik: he is working on A Social-Historical Topography of the Oratorio, which starts from the fact that in Vienna, from mid-century onwards, such works rather suddenly began to be performed not only in churches, but also in theatres. “We have two very different social contexts in which the music was heard. And the rise of public concert life along with a bourgeois class that supported cultural activities was enormously important for this development,” explains Motnik. Watermarks There’s a specific purpose for today’s work session at the National Library: “Right now, we’re compiling an index of watermarks and copyists relevant to Viennese opera scores. This is a further element of our project, and it’s a manifestation of basic research,” explains project coordinator Martin Eybl. “This research work will be presented as a database that will be of great practical use to scholars looking to date musical materials.” 65 mdw club Alumni im Fokus KIRILL PETRENKO „Meine Heimat, das klingt zwar sehr pathetisch, aber ich fühle mich in der Musik zu Hause. Eine geografische Heimat für mich zu finden, ist sehr schwierig.“ “My homeland – it sounds a bit pathetic, but it’s really in music that I feel at home. It would be very difficult for me to make out a geographic home.” © Wilfried Hösl MDW-ABSOLVENT KIRILL PETRENKO IST DERZEIT GENERALMUSIKDIREKTOR DER BAYERISCHEN STAATSOPER. 2018 TRITT ER DIE PROMINENTESTE DIRIGENTENSTELLE DER WELT AN: ER WIRD CHEFDIRIGENT DER BERLINER PHILHARMONIKER. KUNSTRÄUME AUF SPURENSUCHE DES ÖFFENTLICHKEITSSCHEUEN AUSNAHMETALENTS. TEXT: BARBARA STIEBER 66 D er gebürtige Russe Kirill Petrenko ist nach vielen Stationen seiner Bilderbuchkarriere im Zentrum der Welt der klassischen Musik angekommen. Aufgewachsen im russischen Omsk, nahe der kasachischen Grenze, zog er als 18-Jähriger mit seiner Familie (sein Vater war Geiger, seine Mutter Musikwissenschaftlerin) nach Vorarlberg. Sein bereits in der Omsker Musikfachschule begonnenes Klavier-Studium setzte er zunächst am Landeskonservatorium Vorarlberg in Feldkirch fort. Drei Jahre später begann er bei Uroš Lajovic das Studium der Musikleitung an der mdw in Wien. Lajovic kannte Petrenko bereits durch seine Arbeit mit dem Kammerorchester Arpeggione, wo Petrenkos Vater als Konzertmeister wirkte. „Petrenko war damals noch sehr jung, zeigte aber großes Interesse für Musik und war oft bei den Proben anwesend“, erinnert sich Lajovic. Bereits ein Jahr vor Studienbeginn reiste Petrenko fast jeden Monat nach Wien, um dem Unterricht beizuwohnen. „Er wollte sich ein Bild verschaffen, wie der Unterricht aussieht und was von ihm als Student erwartet wird“, so Lajovic weiter. Petrenkos Aufnahmeprüfung blieb nicht nur ihm, sondern auch anderen Mitgliedern der Aufnahmeprüfungskommission in bester Erinnerung: er bekam in allen Punkten die allerbesten Noten bis zum Moment, als ihm ein Stück zum Blattlesen vorgelegt wurde. Als er die Noten sah, sagte er, das könne er nicht spielen. Großes Staunen bei der Kommission und die unausweichliche Frage, warum er das denn nicht spielen könne? Petrenko antwortete, dass er das Stück kenne. Somit wäre es kein Prima Vista Spiel gewesen. „Diese Ehrlichkeit und Bescheidenheit zeichneten Kirill Petrenko im ganzen Studium aus“, erzählt Roswitha Heintze, die Petrenko im Fach Klavier unterrichtete. „Obwohl er sich viele Fächer hätte anrechnen lassen können, beispielsweise Klavier, absolvierte er alle Disziplinen mit großem Ernst. Ich M D W „Wenn man vor ein Orchester tritt, kommen so viele klangliche Möglichkeiten auf einen Dirigenten zu. Wer da keine eigene klangliche Sichtweise entwickelt hat, geht unter.“ “When you get up in front of an orchestra as a conductor, you’re faced with so many sonic possibilities. So anyone who’s neglected to develop their own views on sound will just sink.” glaube, für alle KollegInnen, die ihn unterrichten durften, war es eine große Ehre – für mich darüber hinaus eine fast zu große Herausforderung“, so Roswitha Heintze weiter. Für Uroš Lajovic war Petrenko „ohne Zweifel der beste Studierende in allen Jahren meiner Tätigkeit als Dirigierprofessor an der mdw“. Sein Debüt als Operndirigent gab Petrenko bereits während seines Studiums 1995 mit Benjamin Brittens Let’s Make an Opera in Vorarlberg. Unter diesem Motto stand dann zunächst auch sein Werdegang. Das erste Engagement führte den heute 43-Jährigen als Kapellmeister an die Wiener Volksoper, danach war er Generalmusikdirektor am Theater in Meiningen. Sein Dirigat von Wagners Ring des Nibelungen an vier Abenden in Folge brachte ihm internationale Aufmerksamkeit und war die beste Vorbereitung für den Ring, den er 2013 bis 2015 (Inszenierung: Frank Castorf) bei den Bayreuther Festspielen stemmen sollte. Es folgten fünf Jahre als Generalmusikdirektor an der Komischen Oper Berlin und Debüts an den großen Opernbühnen der Welt, bevor er 2013 als Generalmusikdirektor an die Bayerische Staatsoper nach München berufen wurde. Parallel zu Petrenkos Opernkarriere entwickelte sich aber auch sein Weg auf den internationalen Konzertpodien. Er dirigierte unter anderem die Berliner Philharmoniker, das Cleveland Orchestra, das Concertgebouworkest Amsterdam und das London Philharmonic Orchestra, um nur einige zu nennen. Die Fachzeitschrift Opernwelt kürte Petrenko mehrfach zum Dirigenten des Jahres, zuletzt 2015. An die mdw kehrte Petrenko 2012 zurück, um das Webern Symphonie Orchester (WSO) im Wiener Musikverein zu dirigieren. Für die mitwirkenden Studierenden ein Erlebnis, das in Erinnerung geblieben ist. „Durch seinen natürlichen Zu- gang zum Orchesterdirigieren, ist es ihm gelungen, bis nach dem Konzert eine angenehme Atmosphäre zu schaffen. Man konnte spüren, dass ihm die Arbeit mit uns Freude bereitet hat“, berichtet Fabio Kapeller, der als Pauker mitwirkte. Elisabeth Stix, damals Flötistin im WSO, erinnert sich an die intensive Probenzeit und das große persönliche Engagement von Petrenko. Und die damalige Konzertmeisterin Katharina Schwamm war nicht nur von Petrenkos Gelassenheit beeindruckt: „Ich hatte immer das Gefühl, einen Dirigenten vor mir zu haben, dem es nicht um sich, sondern um die Musik geht.“ Mit seinem nächsten Engagement kehrt Petrenko, der seit einigen Jahren keine Interviews mehr gibt, dem Musiktheater den Rücken und geht zurück nach Berlin. Petrenko hofft auf „viele Momente des künstlerischen Glücks“ mit den Berliner Philharmonikern. Die Kunsträume wünschen alles Gute. Zitate aus: Kirill Petrenko im Gespräch mit Andreas Bader (Klarinettist der Berliner Philharmoniker) für die Digital Concert Hall der Berliner Philharmoniker, Dezember 2012 ALUMNI IN FOCUS KIRILL PETRENKO mdw graduate Kirill Petrenko is currently General Music Director at the Bavarian State Opera. And in 2018, he will be assuming the world’s most prominent conductor’s post: Chief Conductor of the Berlin Philharmonic. Kunsträume retraces the story of this exceptional, publicity-shy talent. With several stops of his storybook career already in his pocket, Russian native Kirill Petrenko has now arrived at the epicentre of the classical music world. Having been raised in the city of Omsk, near the border with Kazakhstan, Petrenko moved to Vorarlberg with his family (his father a violinist, his mother a musicologist) at age 18. At first, he continued his piano degree (begun at the music college in Omsk) at the State Conservatory of Vorarlberg. But three years later, he entered the conducting programme under Uroš Lajovic at the mdw in Vienna. Lajovic had already known Petrenko through his work with the chamber orchestra Arpeggione, where Petrenko’s father was concertmaster. “Petrenko was still very young at the time, but he showed great interest in music and attended the rehearsals frequently,” remembers Lajovic. And a year before he began studying, Petrenko was already travelling to Vienna nearly every month in order to audit classes. “He wanted to get an impression of how the teaching was and a feel for what would be expected of him as a student,” continues Lajovic. Petrenko’s admissions exam is remembered well by Lajovic and by all the other members of the exam commission: he got the highest-possible score in every category, C L U B up to the moment where he was given a piece to sight-read. When he saw the music, he said he couldn’t play it. The commission’s members were quite surprised and asked the unavoidable question of why he couldn’t. Petrenko’s answer was that he already knew the piece, for which reason it wouldn’t be sight-reading. “This honesty and modesty is something that was to characterise Kirill Petrenko throughout his studies,” says Roswitha Heintze, Petrenko’s piano instructor. “And although he could have had a lot of subjects credited, like piano, for instance, he enrolled in everything and went at it all with the utmost seriousness. I think that it was a great honour for all of us who had the privilege of teaching him—and for me, it was also a challenge that was almost to big to handle,” continues Heintze. For Uroš Lajovic, Petrenko was “without a doubt the best student I’ve ever had in all my years as a conducting professor at the mdw.” Petrenko gave his debut as an operatic conductor in 1995, while still a student, with Benjamin Britten’s Let’s Make an Opera in Vorarlberg. It’s a title that could also serve well as a motto for his early career. The conductor, now 43 years old, was first hired by the Vienna Volksoper, after which he served as General Music Director at the theatre of Meiningen, Germany. His conducting of Wagner’s Ring cycle on four consecutive evenings attracted international attention and was the best-possible preparation for the Ring that he was to take on between 2013 and 2015 at the Bayreuth Festival (with stage director Frank Castorf). There followed five years as General Music Director at the Komische Oper in Berlin and debuts on the world’s great operatic stages, after which he was called to Munich in 2013 to become General Music Director at the Bavarian State Opera. Parallel to his operatic career, Petrenko also appeared on international concert stages. He conducted formations including the Berlin Philharmonic, the Cleveland Orchestra, the Amsterdam Concertgebouw Orchestra, and the London Philharmonic Orchestra, to name just a few. The opera magazine Opernwelt has repeatedly named Petrenko Conductor of the Year, most recently in 2015. And at the mdw, Petrenko returned in 2012 to conduct the Webern Symphony Orchestra (WSO) at the Vienna Musikverein. For the participating students, it was an experienced that won’t soon be forgotten. “His natural approach to orchestral conducting allowed him to create a very pleasant atmosphere that held all the way through the end of the concert. You could really feel that he enjoyed working with us,” recalls Fabio Kapeller, who played tympani. Elisabeth Stix, who played flute in the WSO at the time, remembers the intense rehearsals and Petrenko’s great personal dedication. And the concertmistress, Katharina Schwamm, was impressed by more than just his relaxed manner: “I always had the feeling that I had a conductor in front of me who was concerned not with himself, but with the music.” With his next engagement, Petrenko—who stopped giving interviews a few years ago—will be departing from music theatre and returning to Berlin. He hopes for “many moments of artistic joy” with the Berlin Philharmonic. And Kunsträume wishes him all the very best. 67 mdw club Bist auch du AbsolventIn der mdw? Dann freuen wir uns, wenn du mit dem mdw club Kontakt aufnimmst! T: +43 1 71155 7470 [email protected] Redaktionsschluss der März / April Ausgabe: Donnerstag, 7. Jänner 2016 Impressum & Offenlegung Herausgeber und Medieninhaber: mdw – Universität für Musik und darstellende Kunst Wien, vertreten durch Rektorin Ulrike Sych, 1030 Wien, Anton-von-Webern-Platz 1, www.mdw.ac.at, DVRNr.: 044 7331. 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Redaktionsschluss: 6. Oktober 2015, Erscheinungsweise, 4x jährlich, www.mdw.ac.at 11 Standorte UNIVERSITY OF MUSIC AND PERFORMING ARTS VIENNA LOCATIONS 11. 10. 01. 02. A l f r e d e i s e n s tA e d t, VJ d A y, t i m e s s q u A r e , n y, 14 . A u g u s t 1 9 4 5 © A l f r e d e i s e n s tA e d t, 2 0 14 / l e i c A c A m e r A A g , c o u r t e s y o f s k r e i n P h o t o c o l l e c t i o n U N I V E R S I TÄT F Ü R MUSIK UND DARSTELLENDE KUNST WIEN 03. + 04. 08. 07. 05.+06. 09. Anton-von-Webern-Platz 1 02. Lothringerstraße 18 03. Metternichgasse 8 04. Metternichgasse 12 05. Penzinger Straße 7 06. Penzinger Straße 9 07. Rennweg 8 08. Rienößlgasse 12 Schönbrunner Schlossstraße 10. Seilerstätte 26 11. Singerstraße 26A 01. 09. Augen AuF! 100 JAhre leicA FotogrAFie 04.12.2015—21.02.2016 Führung durch die Ausstellung Für mdw club mitglieder 10. dezember 2015, 17 h Anmeldung unter [email protected] www.mdw.Ac.At/mdwclub Westlicht. schAuPlAtz für fotogrAfie WestbAhnstrAsse 40, 1070 Wien, +43 (0)1 522 66 36–60 [email protected], WWW.Westlicht.com Kunsträume DAS MAGAZIN DER MDW U N I V E R S I TÄT F Ü R M U S I K U N D DARSTELLENDE KUNST WIEN Die Swarowsky Idee The “Swarowsky Idea” KUNSTRÄUME – DAS MAGAZIN DER MDW E R S C H E I N U N G S O R T: 1 0 3 0 W I E N , V E R L A G S P O S TA M T 1 0 3 0 W I E N P. B . B . G Z 0 4 Z 0 3 5 5 5 1 M 20 n°4 15 MAGAZINE OF THE MDW UNIVERSITY OF MUSIC AND PERFORMING ARTS VIENNA