Zur letzten Eiszeit im alpinen und nordeuropäischen Raum
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Zur letzten Eiszeit im alpinen und nordeuropäischen Raum
Geographica Helvetica 1987 - Nr. Gunnar Gluckert 2 Zur letzten Eiszeit im alpinen und nordeuropäischen Raum Abstract 2. Das Glaciation of the Alps and Fennoscandia. During the Pleistocene the Alps and the Fennoscandian Shield were covered several times with extensive ice caps. During the last Ice Age. theWürmor Weichsel Glaciation, the maximum extent of the glaciers occurred at the end of the Ice Age, as late as 20.000 years ago. The main retreat phases during deglaciation were marked as distinct ice marginal zones and dated between 20,000 and 9,000 BP. Das Würmglazial war die jüngste der vier großen, von penck erkannten, quartären Vereisungen. Die Gliederung der letzten Eiszeit erfolgte zunächst nach geomorphologischen Kriterien. Man unter¬ schied die äußeren Endmoränen des Maximalstan¬ des von den Endmoränen der Rückzugsphasen (penck 1882: penck & Brückner 1901- 1909:troll 1924). Heute geht man. wie schon die eben genann¬ On the last Key words: Würm/Weichsel glaciation, Late Wurm, Late Glacial, inter¬ stadial, chronology, ice-marginal zone, moraine stratigraphy. retreat phases, 1. Einleitung Während des Quartärs sind die Alpen und das skan¬ dinavische Gebirge mehrmals derart mit Eis be¬ deckt gewesen, daß sich das Eisregime bis ins Vor¬ land ausgedehnt hat. Die alpine Gebirgsvergletscherung wird von zahlreichen ein Stück ins Vorland vorgedrungenen einzelnen Gletscherzungen cha¬ rakterisiert, wogegen das skandinavische Inlandeis sich als ein umfangreicher Eiskuchen weit vom Ver¬ eisungszentrum im Gebirge ausgebreitet hat. Wäh¬ rend der Eiszeiten herrschte zwischen dem alpinen und nordischen Eisschild in Mitteleuropa ein frosti¬ ges Periglazial-Klima. Die Grundzüge der Eiszeitforschung, als Beispiel die alpine Vergletscherung, wurden von penck (1882) veröffentlicht. Die glazigenen Formen und Ablagerungen mit den vier Eiszeiten, Günz, Min¬ del, Riß undWürm, wurden von penck und BRÜCK¬ NER (1901-1909) in ihrem umfangreichen dreibän¬ digen Werk «Die Alpen im Eiszeitalter» ausführlich beschrieben. Wie j.geikie (1895) auf den Britischen Inseln, so konnten penck (1879), wahnschaffe (1891) und keilhack (1896) auch am Südrande des skandinavischen Eisschildes mehrere Vorstöße un¬ terscheiden, die keilhack den von ihm benannten Elster-, Saale- undWeichseleiszeit zuwies. Wurmglazial im Alpenraum ten Forscher, von einem einzigen kontinuierlichen Eisaufbau aus. der im Hochglazial vor etwa 20 000 Jahren zur maximalen Ausführung führte. Während des Frühglazials, wo die Alpengletscher nur die zen¬ tralen Gebiete des Gebirges bedeckten und z. B. das Inntal bei Innsbruck vor 30 000 bis 25 000 Jah¬ ren eisfrei lag, kann man von keiner eigentlichen Alpenvergletscherung sprechen. Die Würmeiszeit wird im allgemeinen in das Früh-, Mittel- und Spätwürm eingeteilt. Aufgrund der Aus¬ breitung der Gletscher spricht man auch über das Früh-, Hoch- und Spätglazial. Stratigraphisch wurde das Würmglaziai neulich auch in Unteres, Mittleres und Oberes Wurm eingeteilt (chaline & jerz 1984). Die Gliederung des Frühwürms ist noch ungelöst. Als gesichert gilt ein relativ später Beginn der Hauptwürmzeit vor ca. 25 000 Jahren und die nachfolgende Vorlandvereisung mit einem Maxi¬ Die Dauer der eigentlichen Vergletscherung betrug nur etwa 10 000 mum um 20 000 bis 18 000 Jahre v. h. Jahre. Eine Gliederung der als Rückzugsstadien bezeich¬ neten Wiedervorstöße wurde erstmals auch von penck & Brückner (1909) nach denTyplokalitäten im Räume des eiszeitlichen Inngletschers erarbei¬ tet. Ihre klassische und seither allgemein bekannte Dreigliederung «Bühl-Gschnitz-Daun» repräsen¬ tiert dabei wesentliche nochmalige Vorstoß-Phasen des spätglazialen Eisabbaues. Die Penck und Brücknersche Stadialabfolge bildet in den alpinen glazialgeologischen Arbeiten noch heute einen gül- Gunnar Gluckert, Prof., Institut für Quartärgeologie der Universität Turku. 20500 Turku, Finnland 93 München-.., 5ar-GI AUSBREITUNG DER ALPINEN ¦<"^.Salzach- Gl VORLANDVERGLETSCHERUNG 0 Wurm .Riss Mindel Salzburg Basel Enns Zu Rhetn-G .... Innsbruck ** Bern Graz E * & Genf Drau-Gr^L' A <<, Laibach Lylon Rho Ptave-Gl Q nd Dora Sarca-Gl Bologna Adrtatisches Durance-Gl '¦ 50 N Abb. 1 Meer izza K 100 GG-86 m Ausbreitung der alpinen Vorlandvergletscherungen während der Mindel-, Riß- und Würm-Eiszeit (nach versch. Quel¬ len). Fig. The extent of the last Pleistocene glaciations of the Alps (from various sources). 1 Ausgangspunkt für die Gliederung und Parallelisierung der Gletscherstände. Die Gletscherstände im Hochglazial bilden bei den meisten Vorlandgletschern einen mehrfachen End¬ moränenkranz, der die lokale maximale Ausdeh¬ nung der Würmvereisung vor etwa 20 000 bis 18 000 Jahren markiert. Die äußerste Würmeisrandlage des Inngletschers bildet z. B. drei markante Endmoränenbögen, die nach troll (1924) die Kirchseeoner, die Ebersberger und die Ölkofner Phase be¬ tigen nannt sind. Der bereits im ausgehendenWürm-Hochglazial ein¬ setzende Eiszerfall nahm zu Beginn des Spätglazials zu. Im Alpenvorland rückten die 1972, v. husen 1977, hantke 1978/ eisung die größte Ausbreitung während des Pleisto¬ zäns. Auch die äußersten Endmoränen der Rißver¬ eisung liegen außerhalb des Maximalstandes der Würmgletscher (z. B. gluckert 1974; Abb. 1). Gletscherloben von ihren Zungenbecken umrahmenden äußersten Moränenbögen ab. Beim weiteren etappenweisen Rückschmelzen schalteten sich wiederholt Halte¬ phasen mit kurzfristigen Vorstößen und entspre¬ chenden Stadialmoränen ein. Die Bühl-Rückzugs¬ phase und die Steinach-, Gschnitz-, Daun- und Egesen-Gletscherstände markieren selbständige lokale Gletschervorstöße, deren Eisrandlagen sowohl in Österreich und in der BRD als auch in der Schweiz deutlich zu sehen sind (z. B. kinzl 1932, heuber¬ 94 ger 1968, patzelt 80/83, PATZELTund BORTENSCHLAGER 1978, WELTEN 1981 und maisch 1982;Tabelle 1). Im Alpenraum gibt es auch Zeichen über die Aus¬ breitung der vorwürmeiszeitlichen Vergletscherun¬ gen. Nach den nur teilweise erhaltenen Gletscher¬ ablagerungen und Randlagen besaß die Mindelver- 3. Die Weichseleiszeit im skandinavischen Vereisungsgebiet Die jüngste Weichselvereisung Nordwesteuropas wird mit der Würmeiszeit der Alpen korreliert. Wie im Alpengebiet baute sich auch über Skandinavien ein bis über 2000 m Höhe angewachsener Eisschild auf. Dieser dehnte sich weit außerhalb des Gebir¬ ges, einerseits über die trockengefallene Nordsee bis zu den Vereisungszentren der Britischen Inseln, 20° SPÄTWEICHSELEISZEITLICHE EISRANDLAGEN NORD- IM ^X °o. EUROPÄISCHEN VEREISUNGS¬ GEBIET o0 '1000 (nach ANDERSEN 1981) r.-ifP- ««.!"¦'< oyr ¦,*¦' 4F.-&F _J? P° »II & &? ^ cS-iP o jltv> D "? I." ' / J- ,".t/S \ NLAND (VU'tliv.v« .:!.;::¦.: l'J'*ii:i 9500 sqa QU5 SW ORWEGEN OSLO ELSI Oo° \0 oo V,0 / / 2000 / / ' / * s V WVR A ,:: os? vjeV SLLP' goe rr= uO V*.i*J v^PO ^V Abb. Fig. 2 2 X/r> ^ \* VERMUTLICHE » 18000 EISRANDLAGEN EISRANDLAGEN HAUPTEISBEWEGUNGSRICHTUM tOO Km EISSCHEIDE 20000" Spätweichseleiszeitliche Eisrandlagen Late Weichselian ice-marginal zones GUI AUSGEBILDETE in im nordeuropäischen Vereisungsgebiet (hauptsächlich nach Andersen 1981). northern Europe (mainly after Andersen 1981). 95 andererseits über die Ostsee nach der Sowjetunion. Polen. Norddeutschland und Dänemark aus. Die maximale Ausdehnung des Eisschildes geschah erst Ende der Eiszeit etwa vor 20 000 Jahren am (Abb. 2). Die geologisch bedeutendsten hoch- und spätglazia¬ len Eisrandlagen im skandinavischen Vereisungsge¬ biet können teilweise mit den entsprechenden Sta¬ dien im Alpenraum korreliert werden und sie sind in derTabelle zusammengefaßt. Die Brandenburgerund die Frankfurter-Stadien sowie Pommern-. Ro¬ senthal-, Rügen- und die Ra-Salpausselkä-Stadien sind zwischen 20 000 und 10 000 Jahren datiert wor¬ den. Sie sind auf der Karte in Abb. 2 dargestellt, die mit Hilfe der Zusammenfassung von Andersen (1981) über den Eisrückzug in verschiedenenTeilen des Vereisungsgebiets zusammengestellt ist. Die ausgeprägteste Eisrandlage in Skandinavien ist ohne weiteres die zwei- bis dreifache Ra-Salpausselkär-Eisrandzone aus der Jüngeren Dryaszeit, die Fennoskandien umrahmt. Die Lage dieser Eisrand¬ zone scheint glaziklimatisch bedingt zu sein. Ihre großen Bögen markieren die Grenzen von aktiven Loben des Inlandeises, das teilweise in die ehema¬ ten eines Interstadiales getrennt sind. Weiter im Sü¬ den, in Mittelfinnland, fehlt die untere Moränen¬ schicht, und die Weichselablagerungen bestehen nur aus einem Moränenlager. Das Eis hat während der Frühweichseleiszeit nur Nordfinnland und das 1 Ö 20° c2 Ü c? ^ SS SAALE? lige Ostsee endete (z. B. leiviskä 1920, sauramo 1929, 1958, virkkala 1963, niemelA 1971 undGLÜKW KERT1986). Diese morphologisch randlage besteht aus nalen Deltas und aus nen). Spuren von der gewaltige dryaszeitliche Eis¬ breiten glazifluviatilen margi¬ kleineren Rücken (Endmorä¬ Glazialtektonik gibt es wenig. Im allgemeinen betrachtet man die Eisrandlage als Satzendmoränen, im Gegensatz zu den markanten Stauchendmoränen Norddeutschlands (z. B. lei¬ viskä 1920, Gripp 1964. gluckert 1973, 1977. 1986). Wie im Alpenraum hat man auch in Wil W 1 EEM SAALE 7 SCHWEDEN Skandinavien wenig Kenntnisse über das glazigene Geschehen während der Frühweichseleiszeit, z. B. die exakte Gliederung der Eiszeit ist noch offen. Die Moränenstratigraphie in Nordfinnland läßt etwas über die Ausbreitung der Gletscher während des Spätquar¬ nördlichen Teil Fennoskandiens vermuten. Moränenuntersuchungen wurden auch eine Anzahl submoränaler Sand- und Siltschichten sowie organogene Ablagerungen entdeckt, von denen je¬ doch ein Teil umgelagert ist (z. B. hirvas & nenonen 1987: Abb. 3). Die organisches Material enthaltenden Funde sind durch Pollenanalyse und mit der l4C-Methode da¬ tiert worden. Die Altersbestimmungen liegen meist SI tärs im Bei den über 50 000 Jahren oder zwischen 40 000 und 50 000 Jahren v. h. (Weichsel-Interstadial) (z. B. korpela donner 1983). Sowohl in Nordfinnland Wl/ll ^ 60' ^ 100 Km G&86 Abb. 3 Moränenstratigraphie nördlichen im Fennoskan¬ dien und die vermutliche Verbreitung der Frühweichselverei¬ Submoränale minerogene Grundmoräne, 2 sung (WI). 1 Sedimente, 3 Organische Sedimente, 4 tung der Frühweichselvereisung (W I). 5 Vermutl. Ausbrei¬ Felsen (Grundge¬ birge). 1969, als auch in Nordschweden hat man auf den liegenden Eem-Interglazialablagerungen zwei separate Grundmoränenschichten der letzten Eiszeit entdeckt, die oft durch ein Zwischen¬ lager von minerogenen oder organischen Sedimen¬ 96 Till stratigraphy in northern Fennoscandia and the ex¬ Fig. 3 of the Early Weichselian ice. basal tili. 2 tent submorainic minerogenic Sediments, 3 organic Sediments, 4 the probable extent of the Early Weichselian ice (W I), 5 1 bedrock. Tabelle Chronologisch korrelierbare Eisrandzonen im Bereich des alpinen und nordeuropäischen Vereisungsgebiets wäh¬ rend der Spätweichsel-/Würm-Eiszeit (nach versch. Autoren). 1 Chronologically correlated Late Weichselian ice-margmal zones Sheets (several authors). Table 1 UDSSR 9000ROriERIKE SKI RA + As BILLINGEN I-II 11000- g SKÖl/DE SALPAUSSELKÄ ÖNSÖY-SLAGEN LEVENE KRISTIANSAND POLEN, DDR, TROLLHATTAN BRD, DÄNE M. UND HVALER BERGHEfl SPANGEREID 13000- SALPAUSSELKÄIII SALPAUSSELKÄ TROMSSA-LYNGE 12000- LISTA ALPEN Oster r/Bayern -KROrUR II EGESEN - Max I PALIVERE -KROMER EGESEN -BOCKTEN -Max. DAUN'' "'j' NEVA GÖTEBORG HALLAND LUGA ROGEN KÜSTE G + GSCHNITZ ROSENTHAL E 15000 + DAUN F-LINIE 14000 VEPSOVO POMMERN STEINACH BÜHL -"'-II -I H-LINIE ANDÖYA uooo15000- Schweiz MITTELFINNLAND AKER 10000- the areas of the Alpine and Scandmavian Ice BALTICUM, FINNLAND SCHWEDEN NORWEGEN in CLAVADEL GSCHNITZ-Max? FLISUR STEINACH TIEFENCASTEL D-LINIE CHUR SARGANS 16000- FELDKIRCH UEESEN 17000- IU-PHASE LOFOTEN FRANKFURT 18000- ZÜRICH 18000 III-PHASE KILLUANGEN/ 19000II-PHASE 20000- BRANDENBURG EGGA =C-LINIE skandinavische Gebirge bedeckt 1967, HÜRDEN korpela 1969, donner 1983, (z. B. lundqvist hirvas & neno- nen 1987; Abb. 3). Das glazigene Material und die Formen in Fennoskandien unterscheiden sich erheblich von den ent¬ sprechenden Funden sowohl am Südrand der skan¬ dinavischen Vereisung als auch im Alpenraum. Um¬ fangreiche moorreiche Moränengebiete, zahlreiche BOLOGOE I-PHA5E SPREITENBACH UÜRM-MAX. Endmoränenscharen und große Drumlinfelder, lange, hohe Oszüge charakterisieren die zentralen Teile des fennoskandischen Vereisungsgebiets. Das abgerundete Grundgebirge mit unzähligen eisge¬ schliffenen Rundhöckern, besonders in den felsen¬ reichen Küsten- und Seengebieten in Schweden und Finnland, zeugen von einer intensiven Glazialero¬ sion im Laufe des Pleistozäns. 97 Literatur: K. 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