Intensivtagebuch für Frühgeborene Facharbeit Claudia

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Intensivtagebuch für Frühgeborene Facharbeit Claudia
Ausbildungszentrum Laktation und Stillen
Weiterbildung
Entwicklungsfördernde Begleitung von Familien
mit Frühgeborenen und kranken Neugeborenen
Intensivtagebuch
für Frühgeborene
Claudia Schmitt
Kinderklinik Dritter Orden Passau
Seminar Augsburg 2012 / 2013
erstellt: September 2012
Inhaltsverzeichnis
Einleitung – Eigene Motivation
3
1.
Was versteht man unter einem Intensivtagebuch?
4
2.
Warum ein Tagebuch bei Frühgeborenen?
5
2.1
Das Frühchentagebuch als zusätzliche Informationsquelle
7
2.2
Kompensation von Ängsten und Schuldgefühlen
8
2.3
Festhalten von Erinnerungen
9
2.4
Darstellung der kindlichen Persönlichkeit
10
3.
Einführung des Tagebuches auf meiner Station
11
3.1
Gestaltungsform der Einträge
13
3.1.1 Wer schreibt in das Tagebuch?
13
3.1.2 Was soll eingetragen werden?
14
3.1.3 Wie soll eingetragen werden?
14
4.
Evaluation
15
4.1
Auswertung des Elternfragebogens
16
4.2
Reflexion und Schlussbemerkung
18
Fragebogen
20
Fremdwörterverzeichnis
21
Literaturnachweis
22
-2-
Einleitung – eigene Motivation
Seit meiner Examinierung zur Kinderkrankenschwester im Jahr 1994 arbeitete ich
auf verschiedenen Neonatologischen Intensivstationen. Nicht nur im medizinischen
Bereich, sondern auch in der Elternarbeit gab es in den letzten Jahrzehnten
erhebliche Fortschritte. Die Einbeziehung der Eltern in die Pflege trat immer mehr in
den Vordergrund.
Um die Elternarbeit auf unserer Station weiter verbessern zu können, entschied ich
mich für die Ausbildung zur entwicklungsfördernden Neonatalbegleitung.
Eine Möglichkeit, das bestehende Angebot für die Eltern zu erweitern, sah ich in der
Einführung eines Tagebuches für unsere Intensivpatienten. Die
ersten Lebens-
wochen des Kindes und seine Entwicklungsschritte werden dokumentiert, damit die
Eltern die starke psychische Belastung der Frühgeburt und das damit verbundene
erhebliche Stresspotenzial besser verarbeiten können.
Der Klinikaufenthalt stellt
für alle Familienmitglieder eine anstrengende Zeit mit
Höhen und Tiefen dar. Für die Eltern kann es hilfreich sein, wenn positive Momente
mit Notizen und Fotos festgehalten werden und somit nachhaltig in Erinnerung
bleiben. Sollte es zwischenzeitlich einen Rückschlag geben, kann aus den Einträgen
neuer Mut geschöpft werden.
Zudem entsteht auch für das Kind ein interessantes Dokument, das ihm dabei helfen
kann, wenn es älter ist, seinen ungewöhnlichen Start ins Leben besser zu verstehen.
-3-
1. Was versteht man unter einem Intensivtagebuch?
Einige Menschen führen Tagebuch, um besondere Ereignisse festzuhalten, andere,
um sich mit ihren Sorgen und Ängsten auseinanderzusetzen. Gerade für die
Verarbeitung von negativen Erlebnissen kann ein Tagebuch hilfreich sein.
Das Intensivtagebuch ist ein in erster Linie von der Pflege und den Angehörigen
geführtes Tagebuch, das für bewusstseinseingeschränkte und beatmete Patienten
geschrieben wird.
Worten
alle
In dieses Buch werden mit persönlichen und beschreibenden
Umstände,
Umgebungsfaktoren
des
Entwicklungsschritte,
jeweiligen
besondere
Ereignisse
Patientenaufenthaltes
und
chronologisch
eingetragen. Dem somatisch genesenden Patienten wird mit diesem Tagebuch ein
Instrument an die Hand gegeben, das es ihm ermöglicht, die während seiner
intensivmedizinischen Behandlung aufgetretenen Erinnerungslücken zu füllen und zu
schließen. Viele
Patienten, die längere Zeit auf einer Intensivstation verbracht
haben, leiden unter posttraumatischen Belastungsstörungen. Die im Stadium der
Sedierung durchlebten Wahrnehmungen und Träume, unter denen viele Patienten
leiden, können mit den dokumentierten Tagebuchaufzeichnungen abgeglichen
werden, wodurch ein besseres Verständnis von Traum und Wirklichkeit möglich ist.
Studien beweisen, dass Intensivtagebücher die Entstehung von posttraumatischen
Belastungsstörungen von Intensivpatienten messbar verhindern.
Im Bereich der Erwachsenenpflege werden Intensivtagebücher seit über 20 Jahren in
skandinavischen Ländern und in Großbritannien geführt. In Deutschland wurde durch
D. Knück und P. Nydahl erstmals 2008 eine Erhebung zum Intensivtagebuch
durchgeführt. Dabei musste festgestellt werden, dass es in Deutschland keine
Intensivstation gab, auf der Tagebücher geführt wurden. Daraufhin haben sie mit der
systematischen Implementierung in der Erwachsenenpflege begonnen.
-4-
2. Warum ein Tagebuch bei Frühgeborenen?
Erfahrene Pflegekräfte wissen, wie sich die Situation für Eltern eines Frühgeborenen
darstellt:
Die
Frühgeborenen
werden
direkt
nach
der
Geburt
durch
ein
Kindernotarztteam erstversorgt und mit einem Transportinkubator auf die Intensivstation gebracht. Die Mutter kann meist erst 24 Stunden später erstmals zu ihrem
Kind „zu Besuch“ kommen, wobei sie oft selbst noch verstärkt der Pflege und
medizinischen Betreuung bedarf. Der Vater fungiert oft als Informationsüberbringer
zwischen pflegebedürftiger Mutter und schwerkrankem Kind und pendelt zwischen
Intensivstation und Gynäkologie hin und her. Das sehr kleine Frühgeborene erfährt
schon am ersten Tag diverse invasive Maßnahmen in einer völlig unbekannten,
ungewohnten und isolierten Umgebung.
Eltern von extrem Frühgeborenen geraten in eine Lawine, die mit dem vorzeitigen
Ende der Schwangerschaft beginnt, gefolgt von dem passiven Erleben, wie das
eigene Kind vielen sehr invasiven, medizinischen Prozeduren unterzogen wird und
immer wieder in lebensbedrohliche Situationen gerät, und über eine scheinbar nicht
enden wollende Serie von schlechten Nachrichten andauert.
Ein gesundes Neugeborenes ist rund um die Uhr mit seinen Eltern zusammen und
kann jederzeit zur Tröstung, zum Füttern oder zur Kontaktaufnahme auf den Arm
genommen werden. Der Körperkontakt, die unmittelbare Kommunikation und die
Nähe sind dabei die wesentlichen Elemente, die Bindung entstehen lassen und
vertiefen. Die Eltern eines Frühgeborenen dagegen sehen sich zunächst damit
konfrontiert, dass die Beziehung zu ihrem Kind von ernormen Sorgen und Ängsten
geprägt ist, ihre elterlichen Kompetenzen sind nicht gefragt; sie sind zum Zuschauen
verurteilt, wenn Ärzte und Pflegepersonen ihr Kind therapieren und versorgen. Die
Intensivstation ist für die Eltern genauso fremdartig und potenziell bedrohlich wie für
das Frühgeborene. Es lastet ein extremer Leidensdruck auf den Eltern, der eine
posttraumatische Belastungsstörung auslösen kann.
-5-
Mama mit Baby beim Känguruhen
Mehrere Untersuchungen zeigen, dass neben psychologischen Interventionen ein
Tagebuch ein wertvolles Instrument für Patienten und Angehörige sein kann, den
Intensivaufenthalt langfristig zu verarbeiten. Dabei basiert die Grundidee des
Tagebuches durch die Anteilnahme an dem Erleben des Patienten auf der Haltung
eines heutigen professionellen Pflegeverständnisses, was sich darin äußert, dass
Frühgeborene und Eltern als Einheit wahrgenommen werden und die pflegerische
Sorge sich nicht nur auf das Frühgeborene konzentriert, sondern auch die
psychosomatische Situation der Eltern mit einbezieht.
Die erwähnten Untersuchungen über den Einfluss von Tagebüchern sind bisher bei
erwachsenen Patienten durchgeführt worden. Da aber Eltern sehr kleiner
Frühgeborener ebenfalls unter posttraumatischen Belastungsstörungen leiden, sind
sie selbstverständlich auch für ein Tagebuch prädestiniert.
In der Neonatologie kommen die Pflegepersonen im Rahmen ihrer Tätigkeit mit einer
hoch komplexen Beziehungsstruktur in Berührung, und es ist nicht von der Hand zu
weisen, dass die Eltern zu einem großen Teil auch Patienten sind, wenn auch nicht
im somatischen Sinne. Das Tagebuch wird für die Eltern geschrieben, auch wenn die
Einträge sich an das Frühgeborene wenden.
-6-
Für das Frühgeborene ergibt sich aus den Tagebüchern kein unmittelbarer Vorteil.
Nützlich ist es dennoch auch für die Frühgeborenen, denn nur angst- und stressfreie
Eltern können ihnen zu Hause ein entwicklungsförderndes Umfeld bieten.
Erfahrungen zeigen, dass mitunter die ehemals Frühgeborenen mit 10 – 15 Jahren
nachfragen, wie das damals war. Dann kann das Tagebuch als frühe, oft emotional
verfasste Biographie sehr gut helfen.
Für das Krankenhaus
bzw. die Abteilung ist ein Tagebuch eine eindeutige
Qualitätsverbesserung.
2.1 Das Frühchentagebuch als zusätzliche
Informationsquelle
Für Eltern bedeutet die Frühgeburt ihres Kindes eine enorme emotionale und
psychische Belastung. Der Anblick des viel zu kleinen unreifen Kindes, die Geräte,
die zur intensivmedizinischen Betreuung unabdingbar sind, die zu schnelle Geburt,
auf die sich die Eltern oft kaum
vorbereiten können, sowie der gesundheitliche
Zustand des Kindes bergen ein enormes Stresspotenzial.
Nach Hildegard E. Peplau soll die Beziehung zwischen Pflegekraft und Patient im
Mittelpunkt stehen. Die emotionale Unterstützung und Wertschätzung der Eltern sind
hierbei elementare Bestandteile und für die Neonatologie von großer Bedeutung.
Dabei geht es einerseits darum, eine Atmosphäre und Beziehung zu schaffen, in der
die Eltern die Möglichkeit haben, sich mit der Erkrankung ihres Kindes und den
Herausforderungen auseinanderzusetzen. Gleichzeitig hat die Vermittlung von
Informationen eine große Bedeutung.
Mit dem Frühchentagebuch entsteht eine zusätzliche Ebene der Kommunikation.
Eltern können Erlebtes oder Themen, die sie nicht offen aussprechen möchten,
schriftlich verarbeiten. Sie sollen das Gefühl entwickeln, dass ihr Kind stets gut
-7-
betreut ist, auch in ihrer Abwesenheit. Das Frühchentagebuch dient als Medium, das
den Dialog zwischen Pflegenden und Eltern erweitert und unterstützt und den hohen
Informationsbedarf deckt.
2.2 Kompensation von Ängsten und Schuldgefühlen
Für Eltern ist der Aufenthalt ihres Kindes auf der Intensivstation von Sorgen und
Schuldgefühlen geprägt. Der häufig wechselnde Gesundheitszustand löst Ängste
aus. Besonders Mütter sind dann einer psychischen Belastung ausgesetzt.
Bei einer normal verlaufenden Schwangerschaft haben beide Elternteile 40 Wochen
Zeit, sich auf das zukünftige Leben mit Kind vorzubereiten.
In dem von Gloger-Tippelt entwickelten Phasenmodell wird die in der Schwangerschaft beginnende Beziehungsentwicklung zwischen Eltern und Kind beschrieben.
Daraus wird ersichtlich, dass die eigentliche Geburtsvorbereitung und Vorstellungen
bezüglich des kindlichen Wesens erst ab der 32. Schwangerschaftswoche beginnen.
Eltern von Frühgeborenen vor der 32. SSW haben somit nicht ausreichend Zeit, sich
auf das Leben mit Kind vorzubereiten.
1. Verunsicherungsphase
bis 12. SSW
2. Anpassungsphase
12.-20. SSW
3. Konkretisierungsphase
20.-32. SSW
4. Vorbereitungsphase
32.-40. SSW
Abbildung: 4-Phasen-Modell nach Gloger-Tippelt
-8-
Hinzu kommt oft der Verlust des Geburtserlebens durch die Entbindung per Sectio.
Neben der Angst um das Kind haben Mütter oftmals Schuldgefühle. Ein
Selbstwertgefühl, wie Eltern gesunder Kinder es entwickeln, fehlt. Die meisten Eltern
machen sich während der Schwangerschaft Gedanken über das Aussehen ihres
Kindes. Die Wirklichkeit nach der Geburt ist dann eher desillusionierend. Es entsteht
eine Art Trauer um das imaginäre Kind, vom eigenen ist man mehr oder weniger
enttäuscht. Dieser Prozess gehört zur Entwicklung der elterlichen Identität und wird
durch das Bonding und weitere beziehungsfördernde Prozesse kompensiert.
Das Führen des Tagebuches bietet eine Möglichkeit zur Auseinandersetzung mit
psychisch belastenden Situationen zum Zweck des Stressabbaus und der
Verarbeitung der Geschehnisse.
2.3 Festhalten von Erinnerungen
Erfahrungsberichte von Pflegenden belegen, dass die Erinnerungen an den
Aufenthalt des eigenen Kindes auf einer Intensivstation bei den meisten Eltern
überwiegend mit negativen Emotionen belastet sind – die nachhaltige Verarbeitung
der Ereignisse spielt also eine wichtige Rolle. Die meisten Mütter beschreiben zwar,
dass Auslöser für krisenhafte Erinnerungen frühe Fotos des eigenen Kindes,
Berichte in den Medien oder die Konfrontation mit den Geschichten anderer Kinder
sind. Dennoch, so wird aus selbigem Text ersichtlich, sind Mütter, die sich nicht
ausreichend mit der Situation auseinandersetzen und Erinnerungen meiden, stärker
belastet. Auch das Frühchentagebuch kann beim wiederholten Betrachten bei der
Mutter negative Gefühle auslösen, für den Verarbeitungsprozess ist dies allerdings
sehr wichtig.
Betrachten Eltern das Buch, stoßen sie beim Lesen auf positive Erinnerungen, wie
zum Beispiel das Erreichen des Gewichtes von 1000 g oder den ersten Stillversuch.
Zudem sind fast alle Eltern unserer Station über Fotos ihrer Babys sehr erfreut.
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2.4 Darstellung der kindlichen Persönlichkeit
Der Beziehungsaufbau zwischen Eltern und Kind ist aufgrund der unzureichenden
Vorbereitung durch die Frühgeburt erschwert. Oft haben sie sich bis zur Geburt
wenig Gedanken zum Aussehen ihres Kindes gemacht und können nicht begreifen,
dass das kleine Wesen im Inkubator ihr eigenes Kind ist. Viele Eltern Frühgeborener
bauen zudem deutlich weniger Blickkontakt zu ihrem Kind auf als Eltern reif
geborener Kinder, die von den meisten Eltern intuitiv mit einem Abstand von 20 – 25
cm vor das Gesicht gehalten werden. Viele Eltern tun dies ohne zu wissen, dass das
Kind sie bei diesem Abstand am schärfsten sehen kann. Bei Frühgeborenen wird
dieses Verhalten äußerst selten beobachtet.
Um Identifikationsschwierigkeiten zu verringern, soll den Eltern ihr „einzigartiges“
Kind nahe gebracht werden. Mit Fotos und Beschreibungen kann neben dem
persönlichen Dialog eine Ebene geschaffen werden, die Mutter und Kind
zusammenführt.
Zum
Beispiel
können
Fuß-
und
Handabdruck
sowie
Gesichtsausdrücke mit Fotos festgehalten werden. Den Eltern wird so verdeutlicht,
dass
ihr
Kind
eine
individuelle
Persönlichkeit
ist.
Bei
der
kindlichen
Persönlichkeitsdarstellung können parallel auch aufmunternde Worte über das
Tagebuch an die Eltern gerichtet werden, zum Beispiel „Heute war ich wieder sehr
unruhig und viel in Bewegung, aber als ich mit dir känguruhen durfte, konnte ich mich
endlich entspannen …“ Ihnen sollte immer wieder bewusst gemacht werden, dass
ihr Kind etwas Einzigartiges und Besonderes ist.
Eine sichere Bindung ist ein
stabiles Fundament für die
gesunde Entwicklung der
Persönlichkeit.
Karl Heinz Brisch
- 10 -
3. Einführung des Tagebuches auf meiner Station
Wie bereits in der Einleitung erwähnt, begann ich mit meiner Ausbildung zur
entwicklungsfördernden Neonatalbegleitung im April 2012. Nach Beendigung des
ersten
Ausbildungsmoduls
habe
ich
mein
Projekt
„Intensivtagebuch
für
Frühgeborene“ auf Station 1 der Kinderklinik Dritter Orden in Passau in die Tat
umgesetzt.
Ich stellte mir die Frage über die Gestaltung des Tagebuches und stieß im Internet
auf das Tagebuch für Frühchen-Eltern „Kleine Kinder – große Momente“,
herausgegeben durch den Bundesverband „Das frühgeborene Kind“ e.V.
Im Rahmen einer Teambesprechung habe ich sowohl mein Projekt als auch das
vorliegende Exemplar des Tagebuches vorgestellt.
Es wurde vorgegeben, das Intensivtagebuch für alle Frühgeborenen unter der 32.
Schwangerschaftswoche zu führen. Zudem erhalten das Tagebuch auch schwer
kranke Neugeborene, denen ein längerer Krankenhausaufenthalt mit einer evtl.
invasiven oder non-invasiven Beatmung bevorsteht bzw. deren Entwicklung eventuell
nicht normal verlaufen wird, zum Beispiel durch eine geburtsbedingte Asphyxie mit
anschließender Hypothermiebehandlung, eine angeborene Behinderung, Syndrom
etc.
Nach dem ersten Probelauf sprach sich die Mehrheit des Teams für dieses
ansprechende Tagebuch aus. Die Eigengestaltung eines Frühchen-Tagebuches
wurde für nicht notwendig erachtet.
Die vom Bundesverband herausgegebenen Tagebücher sind in rosa bzw. hellblau
erhältlich. Die Titelseite ist dem Deckblatt meiner Facharbeit zu entnehmen.
- 11 -
Das Tagebuch besteht auf der
ersten Seite aus einem Lückentext, wo Name und Körpermaße
des Kindes eingetragen werden.
Auszug aus dem Frühchentagebuch vom Bundesverband
„Das frühgeborene Kind“
Auf den nächsten Seiten ist Platz für das erste Foto und den Fußabdruck, da - wie
bereits erwähnt - die Darstellung der kindlichen Persönlichkeit für die Eltern sehr
wichtig ist.
Anschließend werden besondere Momente, zum Beispiel das 1. Känguruhen,
erfolgreiche
Extubation,
der
1.
Stillversuch,
Umzug
ins
Wärmebett
und
Gewichtszunahmen u.a., dokumentiert.
Es folgen ausreichend Leerseiten zur individuellen Gestaltung, um
Entwicklungsprozess in den ersten Lebenswochen festzuhalten.
- 12 -
den
Die letzte Seite gehört
dem
großen
lang
ersehnten
Moment
des
Nachhausegehens .
Auszug aus dem Frühchentagebuch vom Bundesverband
„Das frühgeborene Kind“
3.1 Gestaltungsform der Einträge
3.1.1.
Wer schreibt in das Tagebuch?
Die betreuende Pflegekraft beginnt bei Aufnahme des Kindes mit der Erstellung des
Tagebuches. Erfahrungsgemäß werden die ersten Lebenstage ausschließlich von
der Pflege dokumentiert, da sich die Eltern erst mit der außergewöhnlichen Situation
zurechtfinden müssen. Wenn man gefühlsmäßig den Eindruck hat, dass die Eltern in
der Lage sind, Informationen aufzunehmen und sich im Gespräch auf den
Gegenüber einzustellen, wird ihnen das Intensivtagebuch vorgestellt und erklärt.
Somit haben sowohl Eltern als auch Pflegepersonal die Möglichkeit, besondere
Ereignisse festzuhalten. Der Verlauf und die Nutzung des Buches sollen sich bei
allen Familien individuell entwickeln.
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3.1.2
Was soll eingetragen werden?
Am Anfang ist eine Zusammenfassung der Erstversorgung im Kreißsaal, des
Transportes und der Aufnahme auf Station vorgesehen. Des Weiteren werden
besondere Ereignisse, Entwicklungsschritte, der Zustand und das Verhalten des
Kindes, Besuche und getroffene Entscheidungen notiert.
Wichtig ist jedoch, dass nicht nur positive, sondern auch negative Geschehnisse in
angemessener Weise dokumentiert werden, da das Tagebuch die Situation nicht
beschönigen, sondern für die Eltern realistisch darstellen soll.
3.1.3
Wie soll eingetragen werden?
Die Texte werden von den Pflegenden aus der Perspektive des Kindes formuliert.
Der Schreibstil sollte nicht fachspezifisch professionell, sondern eher persönlich und
individuell sein. Dabei geht es nicht darum, Fakten zu benennen oder aufzulisten,
sondern
vielmehr
Gedanken,
Beobachtungen,
Situationen
und
Handlungen
einfühlsam mit einfachen Worten zu beschreiben. Wichtig ist hierbei ein respektvoller
und ehrlicher Umgang mit dem Geschriebenen. Abkürzungen sind zu vermeiden.
Das Tagebuch sollte über die gesamte Aufenthaltsdauer des Kindes auf der
Intensivstation geführt werden, wobei in der intensiven Phase ein Eintrag pro Schicht
als sinnvoll erscheint. Später kann die Zahl der Einträge variieren.
Besondere Momente können mit Fotos noch einprägsamer dargestellt werden.
Eltern schreiben Gedanken, Gefühle, Ängste und Beobachtungen aus ihrer Sicht
nieder.
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Anfangs befindet sich das Tagebuch in der Patientenkurve. Sobald die Eltern
involviert sind, wird es in der Elternschublade des Pflegewagens abgelegt und ist
somit für Eltern und Pflegepersonal greifbar.
Die Eltern können das Tagebuch selbstverständlich mit nach Hause oder auf das
Zimmer der Entbindungsstation nehmen, um die gesamte Familie an der Entwicklung
ihres Kindes teilhaben zu lassen.
4. Evaluation
Im Zeitraum von Mai bis September 2012 gab es 11 Patienten, die das
Frühchentagebuch erhielten.
Wie bereits unter Punkt 3.1.1 erwähnt, wurden die Tagebücher in den ersten
Lebenstagen vom Pflegepersonal geführt. Die Eltern freuten sich sehr über das
Tagebuch und die bisherigen Einträge und Fotos.
Bei der Übergabe des Buches an die Eltern wurden sie über die mögliche
Hilfestellung bei der Angst- und Stressbewältigung informiert.
Die Inhalte der Einträge sind natürlich sehr unterschiedlich und individuell. Einige
Eltern schreiben sehr offen über Gefühle und Ängste, andere können oder wollen
ihre Gefühlswelt nicht darlegen. Es ist festzustellen, dass in der Anfangsphase nur
vereinzelt Einträge vorgenommen werden, nach Überwindung der Hemmschwelle
werden die Eintragungen regelmäßiger.
Interessant ist es, dass die meisten Eltern die Tagebücher am Bettplatz des Kindes
belassen. Nur wenige nehmen es mit und behalten es zu Hause. Dies zeigt, dass
viele Eltern recht offen mit ihren Gefühlen umgehen und andere daran teilhaben
lassen.
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Um ein Feedback der Eltern über die Wirkung der Tagebücher zu bekommen, habe
ich einen Fragebogen (Anlage 1) erstellt, der 9 Elternpaaren nach dem
Krankenhausaufenthalt zugesandt, 2 weiteren noch in der Klinik ausgehändigt
wurde.
4.1 Auswertung des Elternfragebogens
Nachdem bis zur Erstellung der Facharbeit lediglich 11 Fragebögen verteilt wurden,
kann man nur von einem Trend, nicht aber von einem repräsentativen Umfrageergebnis ausgehen. Alle Eltern beteiligten sich an der Befragung und schickten ihre
Fragebögen zurück. Die Beurteilung des Intensivtagebuches fiel durchwegs positiv
aus. Konstruktive Kritik wurde vor allem bei den letzten beiden Fragen, die mit
Freitextfeldern belegt waren, geübt.
Im Einzelnen wurden die Fragen von den Eltern folgendermaßen beantwortet:
Die Aufmachung des Tagebuches wurde von 8 Eltern als sehr gut bewertet. Damit
wird die Frage nach der Gestaltung eines eigenen Buches als hinfällig erachtet.
Auch als sehr hilfreich beurteilten die Eltern die schriftlichen Einträge des
Pflegepersonals und freuten sich über die Fotos ihres Kindes. Vereinzelt wurde
jedoch auf dem Fragebogen vermerkt, dass wichtige Ereignisse nicht lückenlos
dokumentiert waren und die Einträge nach Verlegung des Kindes auf eine andere
Station nicht fortgeführt wurden.
Von einem Großteil der Eltern wurden eigene Einträge gefertigt, die ihnen bei der
Verarbeitung der Erlebnisse auf der Intensivstation geholfen haben. Nach der
Entlassung wurde nur von einem Elternpaar das Tagebuch weitergeführt. Auffällig ist
jedoch, dass alle Eltern das Tagebuch zu Hause noch häufiger zur Hand genommen
und gelesen haben.
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Auszüge aus den Kommentaren der Eltern bezüglich der Tagebuchführung und
weiteren Bemerkungen werden nachfolgend dargelegt:
„Das Tagebuch ist eine echt tolle Sache! Es hat mir wirklich sehr geholfen. DANKE!“
Wir haben erst später angefangen zu schreiben und dann gemerkt, wie gut es tut, es
sich von der Seele zu schreiben.“
„Es hat mich immer sehr gefreut und berührt, wenn ich Einträge von Mitarbeitern
beim nächsten Besuch lesen konnte. Wir werden es dankend aufbewahren.“
„Es wäre ganz toll, wenn Sie die Führung des Tagebuches noch ausweiten könnten,
z.B. stationsübergreifend, bereichsübergreifend.“
„Wir wollten damit gedanklich abschließen, weil unser Sohn gesund war.“
„Wir waren restlos begeistert davon und haben uns unendlich über die Mühe gefreut.
Es hat uns wahnsinnig geholfen zu weinen, nicht zu schlucken. Danke.“
„Das Tagebuch ist eine gute Idee und eine tolle Erinnerung.“
„Es war schade, dass das Tagebuch lange vor der Entlassung endet. Die Einträge
sollten, unabhängig von den Eintragungen der Eltern, fortgeführt werden.“
„Sehr liebevolle und hilfreiche Geste, das Buch.“
„Die Einträge waren immer sehr gut und mit viel Humor geschrieben. Das hat mir
sehr gefallen.“
„Wir fanden das Frühchentagebuch sehr schön, da man hier seine Freuden, Erfolge
und auch Ängste aufschreiben kann und man so für später einmal schöne
Erinnerungen hat, auch wenn die Kinder im Krankenhaus waren.“
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4.2 Reflexion und Schlussbemerkung
Im Kollegenkreis habe ich viele Unterstützer und Befürworter bei der Einführung des
Frühchentagebuches gefunden. Die Beteiligung an den Eintragungen in die Bücher
war erfreulicherweise groß. Einige Kollegen/-innen stellten sich als wahre Schriftsteller/-innen heraus.
Als problematisch erwies sich, dass bei einer hohen Belegungszahl die Zeit oft fehlte,
um z.B. sofort die Erstversorgung zu dokumentieren. Dies konnte erst 2 – 3 Tage
später nachgeholt werden. Die Herausgabe der Tagebücher an die Eltern verzögerte
sich dadurch. In der Anfangsphase war leider auch festzustellen, dass das Buch
noch nicht zum festen Bestandteil der Aufnahme gehörte und deshalb manchmal
vergessen wurde. Mittlerweile hat das Tagebuch seinen festen Platz in der familienzentrierten Betreuung.
Bislang übernimmt das Pflegepersonal zum Großteil die Eintragungen. Die Eltern
zeigen sich eher zurückhaltend. Es ist anzustreben, dass die Eltern das Tagebuch
selbständig führen
und die Kollegen/-innen durch Einträge und Fotos das Buch
vervollständigen. Deshalb sollte den Eltern schon bei der Herausgabe des
Tagebuches
nahegebracht werden, wie wichtig das Schreiben für die bewusste
Verarbeitung der Situation sein könnte.
Aufgrund der Umstrukturierung unserer Station werden die Kinder frühzeitig auf eine
Interimstation verlegt, wodurch die Eintragungen in das Tagebuch abrupt enden. Da
dies auch von einigen Eltern im Fragebogen bemängelt wurde, habe ich mir zum
Ziel gesetzt, den Elternwunsch nach stationsübergreifender Fortführung des Buches
zeitnah umzusetzen.
Die eingangs gestellte Frage, ob sich die Einführung eines Tagebuches auch bei
Frühgeborenen als sinnvoll, nützlich und in der täglichen Praxis umsetzbar erweisen
könnte, ist mit ja zu beantworten.
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Es wurde zwar bislang nicht nachgewiesen, dass Tagebücher eine posttraumatische
Belastungsstörung bei Eltern verhindern helfen, aber die ermittelten Ergebnisse, das
Feedback der befragten Eltern und ihre Reaktionen im direkten Kontakt auf Station
lassen den Rückschluss zu, dass diese pflegerische Intervention in die richtige
Richtung weist.
Da das Projekt zum Zeitpunkt der Bearbeitung erst seit ca. 5 Monaten lief, war es
schwierig, schon verallgemeinernde Rückschlüsse über den Effekt und die Wirkung
der Tagebücher zu ziehen. Es lässt sich jedoch jetzt schon sagen, dass das
Tagebuch eine gute zusätzliche Möglichkeit in der Elternarbeit ist. Ob bzw. wie stark
es Ängste und Schuldgefühle verringern kann, ist zu diesem Zeitpunkt noch schwer
zu beurteilen. Allerdings wird ersichtlich, dass sich viele Eltern nach dem Schreiben
besser fühlen und die Reflexion als hilfreich empfinden.
Ich freue mich sehr über die positive Resonanz, die ich von Seiten der Eltern und des
Teams erfahren habe. Dadurch fühle ich mich bestätigt, dass es die richtige
Entscheidung war, das Intensivtagebuch für Frühgeborene auf unserer Station
einzuführen.
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Fragebogen zum Intensivtagebuch
1. Wie finden Sie die Aufmachung des Tagebuches?
sehr gut
gut
geht so
schlecht
2. Wie beurteilen Sie die schriftlichen Einträge?
sehr hilfreich
hilfreich
weniger hilfreich
nicht hilfreich
3. Die Dokumentation mit Fotos Ihres Kindes ist?
sehr hilfreich
hilfreich
weniger hilfreich
nicht hilfreich
4. Hat Ihnen das Tagebuch bei der Verarbeitung der Erlebnisse auf der
Intensivstation geholfen?
sehr hilfreich
hilfreich
weniger hilfreich
nicht hilfreich
5. Haben Sie eigene Einträge in das Buch gemacht?
ja
nein
6. Wurde das Tagebuch nach Entlassung weitergeführt?
ja
nein
7. Haben Sie das Tagebuch noch einmal gelesen?
einmal
häufiger
nie
8. Sollten wir etwas an der Führung des Tagebuches verändern?
9. Platz für weitere Bemerkungen
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Erklärung von Fachbegriffen
Asphyxie
Unterversorgung des Fötus durch ungenügende Sauerstoffzufuhr durch die Nabelvene
Bonding
Körperlicher Erstkontakt zwischen Mutter und Neugeborenem
Desillusion
Enttäuschung oder negative tiefgreifende Erfahrung, die
zu Resignation führen kann
Extubation
Entfernung eines Beatmungsschlauches
Frühgeburt
Geburt vor Vollendung der 37. Schwangerschaftswoche
Hypothermiebehandlung Senkung der Körpertemperatur auf 320 C
imaginär
scheinhaft, scheinbar
Implementierung
Umsetzung von festgelegten Prozessabläufen
Inkubator
Versorgungseinrichtung für die Versorgung von Frühund Neugeborenen, umgangssprachlich „Brutkasten“
Intervention
akutes, dringliches Einschreiten gegen einen Krankheitsprozess
invasiv
diagnostische oder therapeutische Maßnahmen, die in
den Körper eindringen
känguruhen
Haut-zu-Haut-Kontakt
Kuscheln
Neonatologie
Kinderheilkunde
Posttraumatische
Belastungsstörung
mögliche psychische Folgereaktion eines oder mehrerer
traumatischer Ereignisse
Psychosomatisch
körperliche Symptome, die auf unbewusste Konflikte
zurückgehen
Sectio
Kaiserschnitt
Sedierung
Dämpfung von Funktionen des zentralen Nervensystems durch ein Beruhigungsmittel
somatisch
den Körper betreffend, zum Körper gehörend
Syndrom
gleichzeitiges, komplexes Auftreten von verschiedenen
Krankheitserscheinungen
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zwischen
Eltern
und
Kind,
Literaturverzeichnis
Claudia Christ-Steckhan: Elternberatung in der Neonatologie,
Ernst Reinhardt Verlag, München 2005
Thomas Berry Brazelton, Bertrand Cramer: Die frühe Bindung – Die erste Beziehung
zwischen dem Baby und seinen Eltern, Klett-Cotta Verlag, Stuttgart, Auflage 2 (1994)
Klaus Sarimski: Frühgeburt als Herausforderung - Psychologische Beratung als
Bewältigungshilfe, Hogrefe Verlag, Göttingen 2000
Christine Lang: Bonding – Bindung fördern in der Geburtshilfe,
Urban & Fischer Verlag, München, Auflage 1 (2009)
Juliane Witthaut: Mütterliche posttraumatische Belastungsreaktion nach der Geburt
eines sehr kleinen Frühgeborenen, 2003
miami.uni-muenster.de/servlets/.../dissertation_juliane_witthaut.pdf
Annette Ansorge: Intensivtagebuch für Frühgeborene – Ein Projektbericht,
Zeitschrift Kinderkrankenschwester 30. Jg (2011) Nr. 7, S. 271 – 277
Yvonne Arlt: Hilfe für gestresste Eltern
Fachzeitschrift für Intensivpflege und Anästhesie, Ausgabe 5/2011, S. 249 - 253
www.nydahl.de/Nydahl/Intensivtagebuch
Einverständniserklärung zur Veröffentlichung der Fotos liegt vor.
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