Der springende Punk
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Der springende Punk
Kultur Mittwoch, 5. Juli 2006 KU1 Unser CD-Tipp Drei Fragen Lebenshilfe aus Italien Streicher und Gänsehaut Nessuno É Solo - Niemand ist allein: Der Titel des neuen Albums von Tiziano Ferro klingt ein wenig nach Selbsthilfe-Ratgeber. Und tatsächlich hatte der italienische Sänger etwas Ähnliches im Sinn. „Wer die elf Songs hört, soll erkennen, dass niemand wirklich allein ist“, erklärt er. Viele Menschen redeten sich nur ein, dass sie einsam sind. Ferro, der vor vier Jahren mit dem Lied „Perdono“ einen europaweiten Hit hatte, setzt vor allem auf die Wirkung von Gefühlen. Deshalb finden sich auf dem neuen Album erstaunlich viele Balladen. Ferro singt von schweren Abschieden, der Angst vor dem Alleinsein, aber auch von Lebensfreude. Glaubwürdig, ausdrucksstark und dramatisch, ohne jedoch ins Kitschige abzugleiten. Die Liebe zu Hip-Hop und Funk, die die beiden früheren Alben prägte, ist nur noch in wenigen Songs spürbar. Beispielsweise bei der ersten Singleauskopplung „Stop! Dimentica“ - einer lockeren Dance-Nummer, die in Ulita Knaus in Kassel Ulita Knaus (36), deutsche Jazz-Sängerin mit Latino-Wurzeln, lebt in Hamburg. S Immer noch die Band der Stunde: Sänger Paul Smith (vorn) harmonierte im Kulturzelt bestens mit seinen Kollegen (von links) Duncan Lloyd, Tom English und Archis Tiku. Foto: Schoelzchen Der springende Punk Maximo Park beweisen im Kasseler Kulturzelt, dass sie keine Eintagsfliege sind VON MATTHIAS LOHR diesem Sommer Europas Tanzflächen füllen wird. Pamela Sommer Tiziano Ferro: Nessuno É Solo (Emi) Wertung: 쐓쐓쐓쐓쐒 Interesse an Canossa-Schau PADERBORN. Schon vor Beginn der großen Paderborner Mittelalterschau „Canossa 1077 - Erschütterung der Welt“ findet die Ausstellung bundesweit Interesse. Michael Drewniok vom Ausstellungsbüro sagte am Dienstag in Paderborn, Gruppen aus ganz Deutschland hätten bereits Führungen durch die Ausstellung gebucht, die in knapp drei Wochen beginnt. Den 1000. Rundgang meldete ein Verein aus Regensburg an. Die Ausstellungsmacher rechnen mit insgesamt rund 180 000 Besuchern. Die Ausstellung zeigt vom 21. Juli bis zum 5. November rund 700 teils noch nie präsentierte Ausstellungsstücke. Sie dokumentiert in drei Paderborner Museen den Bußgang König Heinrichs IV. zu Papst Gregor VII., der 1076 den Kirchenbann über den Herrscher verhängt hatte. Der „Gang nach Canossa“ markiert den Beginn der Trennung von Staat und Kirche. (dpa) www.canossa2006.de Kino Top 5 1. (-) Die Chaoscamper 1. Woche 2. (1) Da Vinci Code - Sakrileg 7. Woche 3. (2) Das Omen 4. Woche 4. (4) X-Men 3 6. Woche 5. (5) Unbekannter Anrufer 3. Woche Quelle: dpa So erreichen Sie die Kulturredaktion: Werner Fritsch Tel. 0561-2031425 [email protected] infonischer Jazz in Reinkultur erwartet die Zuhörer beim 2. Jazzkonzert des Kasseler Staatstheaters morgen, 19.30 Uhr, im Kuppeltheater. Erneut heißt es „A Tribute to Duke Ellington“, wenn das Staatsorchester unter der Leitung von Rasmus Baumann die Orchester-Arrangements von Luther Henderson spielt. Als prominente Gesangssolistin wurde diesmal Ulita Knaus gewonnen. Der Tochter einer venezolanischen Mutter und eines deutschen Vaters wird bescheinigt, eine der edelsten Jazzstimmen in Deutschland zu sein. Frau Knaus, ist es etwas Besonderes, mit einem Sinfonieorchester aufzutreten? ULITA KNAUS: Das ist eine sehr schöne Sache, eine derartige Gelegenheit hat man als JazzSängerin nicht sehr oft. Ich liebe diesen Moment, wenn die Streicher hinter einem einsetzen, eine richtige Gänsehautsituation. Und das soll es auch für das Publikum werden. Jazz und Sinfonik - was ist das atmosphärisch Besondere daran? KNAUS: Das ist eben der Streichersound. Die alten Größen wie Frank Sinatra und andere haben das gewusst und sind in den 50ern und 60ern immer wieder mit Orchester aufgetreten. Ich freue mich sehr auf das Kasseler Konzert und hoffe, dass die Reihe weitergeht, weil ich wirklich anspruchsvolle Jazz-Programme liebe. Was sind Ihre aktuellen Pläne? KNAUS: Ich bin auf Konzerttournee mit meinem Programm „Sea Journey“. Im Oktober werde ich mein viertes Album aufnehmen, das 2007 erscheinen wird. (w.f.) Foto: nh Donnerstag, 6. Juli, 19.30 Uhr, Kuppeltheater Kassel, Karten Tel. 0561/1094-222. KASSEL. Jede große Rockband braucht eine Legende. Die Legende von Maximo Park geht so: Vier Musiker aus dem nordenglischen Newcastle spielten zusammen, hatten aber keinen Sänger und dann auch keinen Spaß mehr. Die Geschichte von Maximo Park schien zu Ende zu sein, bevor sie begonnen hatte. Eines Tages hörte die Freundin des Schlagzeugers in einer Kneipe einen Kunststudenten, wie er Stevie Wonders „Superstition“ mitsang. Der Hobbysänger stieg bei dem Quartett ein, und als PostPunk-Band wurden sie Englands ganzer Stolz. Die Anekdote ist eigentlich zu schön, um wahr zu sein. Sicher ist indes: Paul Smith, so heißt der Sänger aus der Kneipe, hat aus Maximo Park eine große Rockband gemacht. Davon konnten sich am Montag über 700 Zuschauer im ausverkauften Kasseler Kulturzelt an der Drahtbrücke überzeugen. Der 27-Jährige ist ein erstklassiger Entertainer und ein Bewegungsphänomen. Er intonierte die Songs mit einer Mimik, als wäre der Gig eine Aufnahmeprüfung für die Schauspielschule, hüpfte bis unter die Decke, machte in der Luft einen Spagat, schien am höchsten Punkt stehen zu bleiben, kam doch wieder runter und sang klar und sauber weiter, als hätte er drei Lungen. Im vergangenen Jahr wurden Maximo Park von der englischen Musikpresse als die beste Band seit den Beatles gefeiert. Das machen sie alle paar Wochen mit einer neuen Gruppe. Doch Maximo Park sind keine Eintagsfliege. Die perfekt harmonierenden Dandys spielen typischen Achtzigerjahre-New-Wave im Stil von The Smiths und The Jam, tun dies aber in einer ureigenen Weise. Allein in der Hitsingle „Apply Some Pressure“ sind so viele Melodien, Riffs und Breaks, wie sie andere Bands nicht mal auf einem ganzen Album unterbringen. Dazu singt Smith schlichte Zeilen für die Ewigkeit. In der Provinzhymne „The Coast Is Always Changing“, die live noch viel energiegeladener daherkommt, heißt es: „I am young and I am lost“. Verloren geht bei Maximo Park nichts und niemand. Vor einem Jahr ist Smith jedoch sein rotes Buch abhanden gekommen, in dem er Texte, Gedichte und Tagebucheinträge notiert. Zeitungen fahndeten nach dem Büchlein, ehe Fans es ihm schließlich zurückbrachten. In Kassel hielt er das gute Stück wieder in der Hand, das nun auch für eine Legende taugt. Vielleicht hat er später darin notiert, wie schön es in Kassel war. Smith, dessen Hut auch bei den waghalsigsten Bühnenchoreografien auf dem Kopf sitzen bleibt, schwärmte vom schönen Ambiente an der Fulda und vom tollen Konzertprogramm des Kulturzelts. So viel Höflichkeit ist man von britischen Rockstars nicht gewohnt. Nicht nur deswegen konnte man es verschmerzen, dass nach etwas über einer Stunde schon alles vorbei war. Denn so muss Pop sein: kurz und intensiv. Kulturzelt an der Drahtbrücke heute (19.30 Uhr): Brad Mehldau Trio. HNA-Kartenservice, Telefon 0561/203-204. documenta setzt auf Taschen Alle Publikationen sollen in dem Kölner Verlag erscheinen - Internationaler Vertrieb VON DIRK SCHWARZE KASSEL. Dreimal, 1992, 1997 und 2002, erschienen die Kataloge und anderen Publikationen der documenta im Cantz Verlag. Das Stuttgarter Unternehmen gilt als einer der wichtigsten und angesehensten deutschen Kunstbuch-Verlage, insbesondere für die Katalog-Produktion. Das documenta-Team unter Roger Buergel hat sich entschieden, die Zusammenarbeit mit Cantz nicht fortzusetzen und zu dem Kölner Verlag Benedikt Taschen zu wechseln. Dieser Wechsel signalisiert eine neue programmatische Ausrichtung der documentaPublikationen - hin zu größeren Auflagen und zu mehr Internationalität. Denn der Taschen-Verlag ist unter den Kunstbuch-Produzenten der ungewöhnlichste und der am stärksten globalisierte. Der Kölner Verlag hat Tochterfirmen in den USA, Spanien, Frankreich, Hongkong, Japan und Großbritannien sowie eigene Buchhandlungen in Berlin, Köln, Los Angeles, New York und Paris. Das heißt: Wenn der Verlag ein Buch herausgibt, erscheint es von vorneherein in drei Sprachen. Der weltweite Vertrieb ist durch das bestehende Auf populärer Welle: Der Verleger Benedikt Taschen (rechts) mit dem Fotografen David LaChapelle. Foto: dpa Filialnetz gesichert. Das sind gute Voraussetzungen für die documenta, die im Vorfeld der Ausstellung (16. Juni bis 23. September 2007) noch stärker als ihre Vorgängerinnen den Dialog mit den lokalen Kunstszenen in aller Welt sucht. Wie berichtet, ist ein Netzwerk geschaffen worden, in das über 80 Zeitschriften eingebunden sind. Deren Redaktionen diskutieren vor dem Hintergrund ihrer lokalen Problematik die Leitmotive der documenta. Wenn ab Dezember die drei documenta-Zeitschriften erscheinen, in denen zentrale Beiträge dieser weltumspannenden Diskussion veröffentlicht werden sollen, kann der Taschen-Verlag mit seinem Vertriebsnetz sicherstellen, dass die Publikationen auch wirklich überall angeboten werden können. Der andere Vorzug des Kölner Verlages ist, dass er die Adresse für preiswerte Großauflagen ist. Er hat der etab- lierten Konkurrenz vorgeführt, wie man das Kunstbuch vom Sockel holen und zu Niedrigstpreisen unters Volk bringen kann. Insofern ist der 45-jährige Verleger Benedikt Taschen der außergewöhnlichste Kunstbuchverleger. Mit 18 Jahren stieg er ins Verlagsgeschäft ein, um Comics zu produzieren. Vier Jahre später hatte er seinen Durchbruch, als er die Restauflage (40 000 Stück) eines amerikanischen MagritteBuches für 40 000 Dollar aufkaufte, um die Bände für 9,99 Mark auf den Markt zu bringen. Über das Geschäft mit Restauflagen fand er Zugang zu Kunstbuch-Produktionen. Heute gibt er billige Kunstbücher ebenso heraus wie Bände zur Erotik und Mode. Ganz gelegentlich entscheidet er sich, exklusive Bände im Großformat in kleiner Auflage herauszugeben. Den Wechsel zu Taschen beurteilt man im Cantz Verlag gelassen. Wenn eine documenta sich neue Kunstebenen erschließen wolle, müsse sie auch andere Vertriebswege wählen, meint Cantz-Pressesprecherin Meike Gatermann auf Anfrage: „Geärgert hätte uns, wenn die documenta zur direkten Konkurrenz gegangen wäre.“ Brücke bedroht Welterbe-Titel DRESDEN. Dem Dresdner Elbtal droht zwei Jahre nach Verleihung des Titels „UnescoWelterbe“ die Aberkennung. Gutachten belegen, dass das Bauprojekt Waldschlösschenbrücke in der 20 Kilometer langen Flusslandschaft im Stadtgebiet die besonderen Qualitäten der Kulturlandschaft gefährden könnte. Das Unesco-Welterbe-Komitee, das vom 8. bis 16. Juli in Vilnius tagt, wird am 10. und 11. Juli über das Elbtal debattieren. Dabei gibt es zwei Möglichkeiten: Entweder wird die Brücke im Welterbe akzeptiert oder die Stadt muss sich entscheiden, ob sie das Bauprojekt auch bei einer Aberkennung des Titels weiter verfolgt. Eigentlich sollten Tourismus und Immobilienwirtschaft vom Gütesiegel der UNOrganisation profitieren. Bund und Land warnen nun vor Imageschäden für ganz Deutschland. Bei der Tagung des Komitees wird es auch um eine eventuelle Anerkennung von Regensburg als Welterbe-Stätte und eine drohende Aberkennung Kölns wegen Hochhausplänen gehen. (dpa)