Joachim Linder (München)
Transcrição
Joachim Linder (München)
Joachim Linder (München) Fahnder und Verbrecher in Fritz Langs deutschen Polizeifilmen Erschienen in: SPIEL. Siegener Periodicum zur Internationalen Empirischen Literaturwissenschaft 18 (1999), S. 181-215. (Die Druckvorlage ist nicht wortgleich mit dem veröffentlichten Text. Copyright Joachim Linder.) Inhalt 1. Vorbemerkung zur Archivierung der Kriminalität .......................................... 2 2. Fahnder und Verbrecher ................................................................................ 4 3. Fahndungsarbeit ............................................................................................ 8 4. Der Kindermörder Beckert........................................................................... 12 5. Dr. Mabuse - Kriminalität im/als Text.......................................................... 17 6. Schlußbemerkung ........................................................................................ 21 Zitierte Filme .................................................................................................. 22 Zitierte Literatur .............................................................................................. 23 Abbildungen:................................................................................................... 28 Joachim Linder 2 1. Vorbemerkung zur Archivierung der Kriminalität In Fritz Langs Die 1000 Augen des Dr. Mabuse (1960) wird den Zuschauern unmittelbar nach dem Vorspann die Re-Inszenierung der berühmten Mord-Szene aus Das Testament des Dr. Mabuse1 geboten (E 127 ff.): Der Mörder erschießt aus seinem Auto das Opfer, das am Steuer des Wagens auf der Nebenspur sitzt. Das Schußgeräusch geht im Verkehrslärm unter, der Tote wird erst entdeckt, nachdem alle anderen Autos den Staubereich verlassen haben - der Täter kann entkommen, obwohl er seine Tat in voller Öffentlichkeit begangen hat. Die spätere Darstellung einer Untat kopiert die frühere: So kann der Eindruck entstehen, daß sich die Kriminalität über die Zeit (entgegen allem äußeren Anschein) nicht verändert habe. 2 Dieser Eindruck verstärkt sich in Die 1000 Augen des Dr. Mabuse noch dadurch, daß die Darstellung des Tatverlaufs durch eine Sequenz unterbrochen wird, die den Kommissar Kras einführt, der diesmal den nach der Herrschaft greifenden Psychiater entlarven wird (Abb. 1). Der Kommissar liest am Schreibtisch, der Titel seines Buches ist deutlich zu erkennen als eine 'Psychologie des Verbrechens'. 3 Die Wahl dieser Lektüre leuchtet ein, wird sich der Kommissar der sechziger Jahre doch an den Kollegen der dreißiger ebenso erinnern müssen wie an die früheren Personifizierungen des Dr. Mabuse und an dessen 'Testament', das auch als 'Enzyklopädie des Verbrechens' bezeichnet wurde (so Jacques 1997, S. 99). Natürlich gilt ganz allgemein, daß nur derjenige, der sich in der Geschichte des Verbrechens auskennt, mit Fug behaupten kann, daß es sich über die Zeit nicht geändert hat. Wer über 'das' Verbrechen und 'den' Verbrecher räsoniert, bezieht sich auf die Geschichten vieler Verbrecher. Der Kommissar begnügt sich nicht mit der Aktenlektüre, er sucht die größeren Zusammenhänge in einem jener Kompendien, die in Deutschland seit dem letzten Drittel des 19. Jahrhunderts gehäuft erschienen sind. Sie sind meist populärwissenschaftlich orientiert und wollen den Überblick über die Psychologie, die Anthropologie und die Geschichte des Verbrechens vermitteln. Sie alle bedienen sich aus dem Fundus der populären, literarischen Fallgeschichten, die seit dem 18. Jahrhundert veröffentlicht wurden. 4 Ihre Systematisierungsansätze lösen gleichsam ein, was schon Karl Philipp Moritz (im Magazin für Erfahrungsseelenkunde, 1783-1793) oder Friedrich 1 Die Zitate aus den beiden Filmen, die im Vordergrund meiner Überlegungen stehen, werden im fortlaufenden Text durch die Angabe der Einstellung (E) nachgewiesen; M - Eine Stadt sucht einen Mörder (kurz M) nach Lang 1963, Das Testament des Dr. Mabuse (kurz Testament) nach einem eigenen, vorläufigen Protokoll. - Ich danke Claus-Michael Ort für seine wie stets generöse Diskussionsbereitschaft. 2 Ein Eindruck, der auf bemerkenswerte Weise die Zeit des deutschen Terrors und des Kriegs als Leerstelle mit sich führt. 3 Der lesende Kommissar Kras zitiert seinerseits seinen Vorgänger Lohmann (aus dem Testament), wenn er den Assistenten, der ihn ans Telefon holen will, mit der Bemerkung abwehrt: "Sag ihm, ich bin gestorben", so wie früher in ähnlicher Situation Lohmann brummte: "Ich bin leider tot" (Testament, E 31). Wiederum ist die zweite Untat (die Lüge) Nachahmung der ersten - auch die Polizisten scheinen sich gleich zu bleiben, und wir genießen das Zitat, weil wir auf beide Filme, auf beiden Fahndungsgeschichten Zugriff haben. 4 Auf ausführliche Nachweise muß an dieser Stelle verzichtet werden, vgl. aber Linder und Schö nert 1983; zu den zahlreichen Arbeiten von Erich Wulffen (s. u.) vgl. Linder und Ort 1999. Instruktiv ist z. B. der Rückgriff auf P. J. A. Feuerbach bei Krafft-Ebing 1993, S. 75 f. 3 Fritz Langs Polizeifilme Schiller (z. B. im Verbrecher aus verlorener Ehre, 1786/92) als Erwartungen ausdrückten: Wenn man nur genügend Fälle sammeln (d. h. als Fallgeschichten erzählen und archiviert auf Dauer stellen) kann, dann wird man gleichsam automatisch zur Theorie des Verbrechens und zur Typologie der Verbrecher geführt. Kriminalitätsdefinitionen haben ihre Geschichte und bestimmte Erzählformen, in denen sie überliefert werden. Auch der Polizist entzieht sich dem nicht. Der Blickwechsel von der 'Kriminalität der Wirklichkeit' zu ihren medialen (synchronen und diachronen) Konstitutionsbedingungen positioniert die Polizeifilme Langs auch in den Kontext der zeitgenössischen literarischen Kriminalitätsdarstellungen - etwa von Döblin, Musil, Kafka. Aus der Sicht dieser literarischen Moderne, ihrer Sprach- und Wissenschaftskritik, erscheinen diejenigen kriminologischen und kriminalanthropologischen Konzeptionen schon im frühen zwanzigsten Jahrhundert als naiv, die glaubten (bzw. glauben machten), sich beim Typologisieren allein auf das Messen, Wiegen und Sammeln verlassen und dabei den Bestand der Text- und Geschichtenüberlieferungen übersehen zu können. Meine Überlegungen konzentrieren sich im folgenden auf zwei Filme von Fritz Lang - auf M - Eine Stadt sucht einen Mörder (1931) und auf Das Testament des Dr. Mabuse (produziert 1932). Beide Filme stellen Polizeifahndungen dar, in deren Verlauf unterschiedliche Konzeptionen von Kriminalität und Kriminellen, aber auch von Polizeiarbeit und von Polizistenrollen sichtbar werden. Beide Filme zeigen - und insofern möchte ich ein Fazit vorwegnehmen -, daß Fahndungsstrategien und -erfolge eng mit den 'Bildern' verknüpft sind, die sich die Polizisten vorab vom Verbrecher machen. Beide Filme thematisieren darüber hinaus den Zusammenhang zwischen allgemeinen Definitionen bzw. Konzeptionen von Kriminalität und den jeweiligen Aktualisierungen in der Fahndung. Kriminalität, so wird reflektiert, ist immer die vor- und dargestellte, die medial konzipierte und vermittelte Kriminalität. Dabei kommen sowohl die Verbreitungs- und Speicherfunktionen der Medien, als auch ihre Selbstbezüglichkeit in den Blick (vgl. dazu Löschper 1999, Linder und Ort 1999). Langs Spiel mit Zitaten und Medien spannt einen weiten Bogen auf. Im Rahmen dieses Spiels wird Kriminalität nicht als 'Gegenstand', sondern als Konstrukt von Inszenierungen sichtbar, und zwar als ein Konstrukt, das im Zusammenwirken von Rechtswissenschaft, Medizin, Religion usw., aber auch von Justiz, Massenmedien, Film und Literatur entsteht und sich wandelt. Auch die Unterhaltungsqualität von Kriminalität verdankt sich diesem Zusammenwirken (und zusätzlich seiner Beobachtung und Reflexion). 5 Mit den Innovationen seit Beginn des 20. Jahrhunderts ist Kriminalität endgültig zu einem beherrschenden Thema der Unterhaltungs- und Informationsmedien geworden, auch damit hat sich das Bild der Strafjustiz als der 'Ordnungsmacht' schlechthin verfestigt. 6 Langfristig zeigt sich, daß die 5 Zur Strafjustiz als einem Teil der Kulturindustrie vgl. Steinert 1997 sowie Cremer-Schäfer und Steinert 1998. Wichtige Aspekte synchroner und diachroner Wechselwirkungen, nicht zuletzt auch in Selbstdarstellungen von Tätern, bei Black 1991. 6 Wohl kontrafaktisch: Das Versprechen, Verbrechen entscheidend einzudämmen oder gar gänzlich zum Verschwinden zu bringen, kann die Strafjustiz nie einhalten, und doch ist es stets präsent im Diskurs (vgl. Joachim Linder 4 Konkurrenz der Kriminalitätsdarstellungen Homogenisierungstendenzen fördert; die Grenzen zwischen 'authentischer' und 'fiktionaler' Kriminalitätsdarstellung werden durchlässiger, die Bilder und Vorstellungskomplexe flottieren schneller und machen sich weitgehend frei von der Rückbindung an bestimmte Textsorten und/oder Präsentationsformen (und den damit verbundenen Legitimationsstrategien, vgl. dazu z. B. Brück 1996). Bekanntlich produziert Fahndung stets zwei Geschichten: die ihrer selbst und die des Verbrechens, das sie aufdeckt. Detektivromane und Detektivfilme beziehen einen wesentlichen Teil ihrer Anmutung daraus, daß sie dieses Prinzip (das in der Regel an den Anfang einen Sachverhalt, eine Leiche und einen unbekannten Täter setzt), immer von neuem modellieren (vgl. dazu Schulze-Witzenrath 1979, Hühn 1998). Fahndung nach dem unbekannten Täter muß mit vorläufigen Täterkonstrukten und imaginierten Tatverläufen arbeiten, wie der Leser des Detektivromans erfindet der Fahnder immer von neuem mögliche Tatgeschichten, für die er auf individuelle Erfahrungen und gespeicherte Geschichten zurückgreift. Auch die Handbücher der Polizei leiten an, indem sie unter anderem 'Bilder' von Verbrechen und Verbrechern vermitteln, sie erzählen wie Fallsammlungen und wie true-crime-stories. Nicht zuletzt in diesen Geschichten ist das physiognomische, psychologische, soziologische usf. Wissen der Polizei gespeichert und auch verbunden mit dem populären Wissen; in diesen Zusammenhängen wird 'Unterwelt' definiert (vgl. dazu Becker 1992a, Becker 1992b, Becker 1994). Das in den Geschichten überlieferte Wissen wird in einer Polizeiarbeit praktisch, die von neuem Geschichten produziert. 2. Fahnder und Verbrecher Die Fahndung in der Öffentlichkeit, Spuren- und Personensuche mit großem Personalaufwand - dies erscheint vor allem in M als Routinetätigkeit der Polizei, mit der sie erfolglos bleibt (die sie also fallspezifisch anpassen muß). Von Anfang an setzen die 'Praktiker' wenig Hoffnung in diese aufwendige Arbeit, sie wird als Inszenierung gezeigt, die der inneren Legitimation und der Verankerung eines bestimmten Polizeibildes nach außen dient: die Polizei tut ihre Pflicht und ist beruhigend präsent. 7 Innerhalb dieser Inszenierungen konstituiert sich aber auch das 'normale' Verhältnis zwischen Polizei und 'krimineller Unterwelt' (und damit die gemeinsame Ausgrenzung des monströsen Kindermörders, s. u.). Dieser Zusammenhang soll an einem Beispiel verdeutlicht werden: Ort der Handlung ist eine Kellerkneipe; von einer Prostituierten vor der beginnenden Polizeirazzia gewarnt, geraten die Besucher in Panik, ihr Fluchtweg geht über eine Treppe hoch zur Straße. Auf halber Höhe kommt ihnen die Polizeimannschaft entgegen und drückt sie in die Kneipe zurück; es herrscht große Aufregung und Wut auf die Polizisten. Kommissar Lohmann erscheint an der Treppenkehre, bleibt stehen und spricht dazu die Fallstudien in Evans 1997, aus aktueller Sicht auch Frehsee 1997). Aus der Perspektive der Mabuse-Filme Langs ist die prinzipielle Vergeblichkeit der Strafverfolgung evident. 7 Das führt zur Selbstreferentialität, die der öffentlichen Inszenierung von Kriminalitätsbekämpfung immer eigen ist: durch ihre betonte Präsenz schürt die Polizei genau jene Ängste, um derentwillen sie präsent sein muß. 5 Fritz Langs Polizeifilme die Menge mit erhobener Stimme an: "Nanananananana, Kinder...! Macht doch keen Quatsch". Antwortend skandieren die gefangenen Kneipenbesucher im Chor: "Lohmann, Lohmann" (E 99) - man kennt sich eben (Abb. 2). Ruhe kehrt ein und eine Personenkontrolle beginnt, die von Lohmann 8 effizient und ironisch geleitet wird. Seinem Blick entgeht kein falscher Ausweis, er nimmt ganz nebenbei einen gesuchten Einbrecher fest. Die Mannschaft und ihr Chef verrichten ihre Arbeit ohne weitere Zwischenfälle. Der erste Auftritt Lohmanns hat den Handlungsrahmen gezogen, der nun routinemäßig ausgefüllt wird. Lohmann zeigt, daß er mit seiner 'Kundschaft' vertraut ist, er ist bei aller Freundlichkeit streng, er versteht es, bei seinem jeweiligen Gegenüber Vertrauen zu erwecken, ohne sich anzubiedern. 9 Man sieht auch, daß er mit den Ganoven zwischen 'normaler Kriminalität' (die als eine Form von Arbeit verstanden wird, s. u.) und den nur noch verabscheuungswürdigen Taten des Kindermörders unterscheidet. Kurzum: Der Polizist Lohmann ist mit allen Zügen eines zwar strengen, aber gerechten Vaters ausgestattet - eines Vaters, der den Staat vertritt, dessen Strafanspruch unbeirrt durchsetzt, aber dabei doch Wohlwollen auszustrahlen weiß. 10 Der Polizist Lohmann setzt die Tradition deutscher Kriminalitäts- und Strafverfolgungsdarstellung fort; der 'väterliche Polizist' gehört zum Grundinventar der Fallgeschichten und Kriminalerzählungen des 19. Jahrhunderts. Er ist es, der noch den verstocktesten Verbrecher zum Reden bringt, dazu, seine Taten zu gestehen und sich zu seiner Schuld zu bekennen. Häufig wird das spezielle Verhältnis zum Verbrecher noch betont durch den biographischen Rückblick auf dessen defizitäre Familiensituation, auf vaterloses Aufwachsen oder die Unfähigkeit des leiblichen Vaters, seiner Rolle gerecht zu werden. So entsteht (im narrativen Gefüge) eine Leerstelle, die der Polizist ausfüllen kann; sein 'Erziehungserfolg' besteht darin, den Verbrecher dazu gebracht zu haben, im strafjuristischen Urteil den Ausspruch auch der moralischen (allgemeingültigen) Verurteilung zu erkennen und zu akzeptieren. Höhepunkt solcher Schilderungen ist der letzte Gruß voller gegenseitigen Respekts zwischen dem Polizisten und dem Verurteilten auf dem Weg zum Richtplatz, ein Gruß, der den Wandel vom Verbrecher zum sittlichautonomen Individuum anzeigt. Mit dieser Konzeption des Polizisten (allenfalls noch des Untersuchungsrichters) im Inquisitionsverfahren wird das Strafverfahren zu einer 8 Lohmann ist wohl der erste 'Serienkommissar' des deutschen Films; das in M angelegte Profil wird im Testament noch weiterentwickelt. Langs Die 1000 Augen des Dr. Mabuse verzichtet zugunsten von Kras auf Lohmann: so kann mit dem Generationenwechsel die Konstanz von Kriminalität und Polizeiarbeit betont werden; in Harald Reinls Im Stahlnetz des Dr. Mabuse (1961) sowie in Werner Klinglers Remake Das Testament des Dr. Mabuse (1962) taucht Lohmann jedoch wieder auf. 9 Vgl. in M das Verhör mit dem Einbrecher (E 392 ff.), im Testament vor allem die Beendigung der Belagerung der Ganovenwohnung (E 343 ff.) sowie das Verhältnis Lohmanns zu Kent und Lilli. 10 Vgl. zu dieser Perspektive auch Bellour 1981. Die 'Familiarisierung' des Verhältnisses zwischen Po lizei und Verbrechern wird in der Mabuse-Serie in den sechziger Jahren aufgenommen und noch verstärkt; der Befund aus der Lang-Reihe wäre an einem erweiterten Korpus von Polizei- und bzw. oder Kriminalfilmen aus der Zeit zwischen 1925 und 1965 zu überprüfen (in diesen Zusammenhang würden z. B. die verschiedenen Maigret-Verfilmungen nach Simenon gehören). . Joachim Linder 6 pädagogischen Veranstaltung stilisiert.11 Natürlich verknüpft sich mit dem Bild des Vater-Polizisten12 das Bild vom kindlich-unterentwickelten Kriminellen, der sich für die eigenen Taten nicht verantwortlich fühlt, der ohnehin führungsbedürftig ist und der niemals vollständig erwachsen wird. Das Vater-Sohn-Verhältnis zwischen Polizist und Verbrecher gewinnt seine Plausibilität vor allem aus der allgemeineren Konzeption des Verbrechens als einer 'Krankheit der Gesellschaft', die ihren Ursprung in der Familie hat; diese Vorstellung aktualisiert sich immer neu seit dem späten 18. Jahrhundert. Erst die bedrohlichen Züge, die 'Vater Lohmann' in M gewinnt, setzen ihn von der Tradition ab und weisen seine 'Modernität' aus: "Nah. Kamera blickt unter dem Schreibtisch hervor auf Lohmann, der auf dem Stuhl mehr liegt als sitzt. Durch die perspektivische Verzerrung erscheint sein Unterkörper vergrößert" (E 365, Abb. 3). Die Kamera verändert die Perspektive des Verdächtigten, der sich vor dem Schreibtisch des Kommissars aufhält und nun einem Kind gleich, das darauf wartet, was der Vater über ihn beschließen wird. Die Merkmale der Männlichkeit des Kommissars sind hervorgehoben - von der Zigarre im Mund bis zum deutlich ausgebeulten Schritt; Haltung und Kleidung des Kommissars sind nachlässig, er wirkt 'aufgeknöpft' und gleichsam verschwitzt, ein Bild der Macht bei der Arbeit, die sich nicht mit Äußerlichkeiten aufhält,13 die sich selbst nicht in Frage stellt und sich auch nicht in Frage stellen läßt.14 Das väterliche Wohlwollen ist geschwunden oder vielmehr zur Kenntlichkeit entstellt: es ist Teil der Macht-Strategie, mit der der Strafanspruch durchgesetzt wird; so wird auch sichtbar, daß im Kern der Kindlichkeit des Verbrechers seine Ohnmacht steckt, für ihn ist es aussichtslos, eigene Ansprüche auf Anerkennung durchsetzen zu wollen (Abb. 4). Der 'Vater-Kommissar' ist in seinem Büro zu Hause, er schläft und wäscht sich hier, er bricht von hier aus zum abendlichen Opernbesuch auf, über ein anderes 'Heim' scheint er nicht zu verfügen, 'Familie' bleibt unerwähnt: seine 'Kinder' sind ausschließlich die Verbrecher. Wie sie ist er Tag und Nacht im Einsatz, die Grenze zwischen Arbeits- und Privatleben gilt für ihn so wenig wie für sie. Polizist-sein ist nicht bloße Tätigkeit oder Berufsausübung, sondern Merkmal der Person, eine Eigenschaft wie kriminell-sein. Die 11 Vgl. Linder 1991 zu dem in dieser Hinsicht exemplarischen 'Fall Kühnapfel' aus der Mitte des 19. Jahrhunderts; zur Verbindung 'Vater-Polizist' und 'Vater-Staat' in der 'schönen Literatur' vgl. (aus der Sicht des Staatsrechtlers) Schneider 1987. 12 In M wird dies auch in der Straßenszene visualisiert, in der ein Schupo Elsi Beckmann über die stark befahrene Straße führt (E 8); dies ist ein früher Hinweis auf die Gefährdung eines Kindes, das auf die Fürsorge durch Vater und/oder Mutter verzichten muß, s. u. 13 Im Hinblick auf den vestimentären Code erweist sich der Schränker in M (dem Konkurrenten Lohmanns bei der Verfolgung des Kindermörders) als das genaue Gegenbild zum Kommissar: Der Schränker tritt zumeist im Ledermantel und mit Lederhandschuhen auf, betont zugeknöpft (Abb. 5). Die Differenz verweist auf Gemeinsamkeiten: beider leidenschaftliche Jagd auf den Triebmörder ist überdeterminiert und selbst triebhaft. 14 Der Vergleich mit der Vaterfigur in Kafkas Erzählung Das Urteil (1913) und anderen 'bedrohlichen Vätern' aus der Literatur der 'klassischen Moderne' liegt an dieser Stelle nahe, soll aber nicht ausgeführt werden. 7 Fritz Langs Polizeifilme Personen mit diesen (idealerweise alternativ vorhandenen) Eigenschaften konstituieren gemeinsam die 'normale Unterwelt'. Das auffälligste Zeichen für diese Zusammengehörigkeit von Polizisten und Verbrechern ist das unkontrollierte, exzessive Rauchen, das die beiden Männergruppen auszeichnet (vgl. dazu in M E 163, Abb. 6, 164, Abb. 7, sowie die Stammtischsequenz E 52 ff., Abb. 8). Rauchen hat weder mit Kriminalität noch mit ihrer Bekämpfung unmittelbar etwas zu tun: Um so mehr ist seine Betonung als Zeichen für Gemeinsamkeiten von Männergruppen zu verstehen, als Zeichen für die Defizite, die auf beiden Seiten zu suchen sind.15 Der Kommissar repräsentiert die Institution, auch wenn er dem Verbrecher allein gegenüber sitzt. Seine mittlere Führungsrolle im Polizeiapparat bleibt zwischen M und Testament unangefochten (trotz des Untergebenen Hofmeister, der im Testament vorübergehend in den Kriminalitätsbereich überzugehen scheint). Auch die Ganoven verrichten ihre Arbeit (bis hin zur Jagd auf den Kindermörder) in einer Organisation mit Leitungsgremien und Hierarchien. Doch bei ihnen zeichnet sich ein Wandel ab, der auf die Definition von Kriminalität und ihre Geschichte zu beziehen ist: In M wird die Autorität des Schränkers freiwillig anerkannt, sie ist Voraussetzung für Arbeitsteilung und Risikoabsicherung. Im Testament erweisen sich die 'Berufsverbrecher' als anfällig dafür, Selbstbestimmung gänzlich aufzugeben und sich der 'Despotie' des 'Mannes hinter dem Vorhang' auszuliefern, den sie als 'Dr. Mabuse' wahrnehmen. Auch hier soll der diachrone Aspekt hervorgehoben werden: Die Polizeifilme aktualisieren und transformieren das Muster der Räuberromane des 19. Jahrhunderts (vgl. dazu Dainat 1996):16 Der Räuber wird mit Merkmalszuschreibungen charakterisiert, die seine Ausgrenzung rechtfertigen - ungebremste Sinnlichkeit, Gegenwartsbezogenheit und Unfähigkeit, Wunscherfüllungen aufzuschieben, dazu seine manifeste Tendenz zur Gewalt bzw. handgreiflichen Problemlösungen. Hinzu kommt seine Unfähigkeit sich einzufügen, so daß nicht einmal Bandenbildungen auf Dauer gestellt werden können. Doch es gehört auch in die literarische Tradition, daß dem bürgerlichen Räuberbild eine 'Wirklichkeit' der Räuberbanden gegenübergestellt wird, nach dem sie keineswegs aus arbeitsscheuen Menschen bestehen, im Gegenteil: Räuberromane zeigen Hauptleute beim Versuch, die Räuber-Arbeit derart zu organisieren, daß regelmäßige Einkommen erzielt werden können. Erst im Scheitern dieser Ansätze wird das eigentliche Differenzkriterium sichtbar: Räuber können nicht mit Geld umgehen.17 Der Bürger sieht offenkundig in der 15 Es gibt in keinem der beiden Filme, und zwar weder in Verbrecher- noch in Polizeikreisen, Mann-FrauBeziehungen, die man als 'erwachsen' bezeichnen könnte. Einzige tendenzielle Ausnahme ist die Entwicklung der Beziehung zwischen Kent und Lilli im Testament, die schließlich dazu führt, daß Kent die 'Fronten wechseln' kann, und zwar mit der Aussicht, den Unterweltbereich ganz verlassen zu können (so durchgeführt in Jacques 1997). 16 Die Organisation der Ganoven ist freiwillig, aber sie bestätigt durch den Wandel zwischen den beiden Filmen, daß die Fähigkeit zur rationalen Planung, zum effektiven Zusammenschluß, kurz: die Soziabilität unterentwickelt ist. Auch das gehört zum traditionellen Verbrecherbild des Räuberromans. 17 Vgl. Testament, E 150 ff.: Zunächst diskutieren zwei Ganoven angesichts einer reichhaltigen SchmuckSore darüber, was mit dieser Beute alles anzufangen wäre, könnte man sie nur allein zu Geld machen. Parallel geschnitten ist die Klage eines Erpressers, daß 'Dr. Mabuse' sich mit dem Schrecken begnüge, der Joachim Linder 8 regelmäßigen Lohn- oder Gehaltszahlung den Vorteil der Verstetigung, er kann planen er kann sparen, er kann das Gesparte später investieren usw., dabei hält er Summen, die er erhält, stets für geringer als die Sore, die der Ganove aus dem gelungenen Coup erlöst. In dieser Vorstellung18 nutzt Räuber bzw. der Ganove seinen Geldeingang stets nur zur unmittelbaren Wunschbefriedigung. Er verweigert sich der Verstetigung der Lebenshaltung, die als Voraussetzung eines stetigen Geldumlaufs und so einer 'gesunden' Wirtschaft gesehen wird. Aus dieser Sicht entzieht sich der Räuber dem regulären Waren- und Geldumlauf; er gilt als Parasit, der durch unmittelbaren Konsum Werte vernichtet. Die Terrorherrschaft, die im Testament imaginiert ist, treibt die Widersprüchlichkeit der verbreiteten Vorstellungen vom Räuber und von der Räuberarbeit auf die Spitze: Sie will die Vernichtung der Werte im großen Stil betreiben (tut dies auch, vgl. die Falschgeldproduktion und die imposante Visualisierung der explodierenden Fabrik, Testament, E 437 ff.), sie ist aber darauf angewiesen, daß die ausführenden Kriminellen die Vernichtungsarbeit wie einen bürgerlichen Beruf betreiben. In M sind die Grenzen zwischen der Sphäre der Polizei (der Rechtlichkeit) und der des Verbrechens nicht mehr so eindeutig, wie sie im Alltag wahrgenommen werden und wahrgenommen werden sollen. Die Unterscheidung zwischen Recht und Unrecht wird unsicher - etwa, wenn sich der Schränker, dem drei Morde zugeschrieben werden, 19 die Position des Chef-Fahnders und die des Richters anmaßt und sich dabei der Zustimmung seiner Öffentlichkeit sicher sein kann. Auch zwischen dem Polizisten Lohmann und dem Kindermörder kann Gemeinsamkeit ausgemacht werden: Beide betreiben auf ihre Art die Aussonderung und Eliminierung defizitärer (als defizitär wahrgenommener) Menschen (vgl. Tatar 1995, S. 166-168). An die Stelle der Unterscheidung von Recht und Unrecht, von Polizei und Kriminellen tritt ein Geflecht gegenseitiger Bedingt- und Abhängigkeiten, in dem Handlungsweisen austauschbar sind, und in denen die Zuweisung von Recht und Unrecht arbiträr zu werden droht (Verbrecher gerieren sich als Fahnder, Terror wird tendenziell gegen Kinder wie gegen Verbrecher ausgeübt); nur der Kindermörder steht als Monster für das eigentlich Fremde, das von allen Seiten bekämpft wird, damit wieder 'Ruhe' und 'normale Arbeitsverhältnisse' einkehren können. 3. Fahndungsarbeit In M verläßt sich die Polizei bei der Suche nach dem Kindermörder zunächst auf ihre Routinemittel; sie versucht, die jeweils letzte Tat aufzuklären, der Zusammenhang zu den (vermuteten) Vortaten bleibt im Hintergrund. Sachverhalte und Geschehnisse müssen rekonstruiert werden; Schutz vor künftigen Taten ist Nebenfolge. Tatortuntersuchungen von seinen Drohungen ausgehe: In seiner Ganovenlogik fehlt Dr. Mabuse der Sinn fürs Geschäft, wenn er es zuläßt, daß der Bankdirektor, den man ausnehmen könnte, sich umbringt, E 156. 18 Denn natürlich ist die Kriminalität, die Berufskriminalität, die in Filmen und/oder Romanen thematisiert wird, nicht die 'Kriminalität der Wirklichkeit' (was immer man unter der verstehen mag). 19 Seine mutmaßlichen Tötungen sind freilich motiviert und damit 'verständlich': er soll drei Polizisten, die ihn verhaften wollten, getötet haben. Monstrosität entsteht, wenn derartige Motive nicht auf der Hand liegen. 9 Fritz Langs Polizeifilme und Spurensuche, Zeugenbefragungen in immer weiterem Umfeld um den Fundort der Leiche, Überwachung und Razzien an bestimmten, der Unterwelt zugeordneten Orten: All dies führt nicht zum Täter, weil sich die Suche in einem Raum verliert, den die Fahnder im Rahmen ihrer Routinen nicht strukturieren können. Wo im Prinzip jeder (Mann) verdächtig ist (vgl. dazu Kanzog 1997, S. 111), sind alle möglichen Aufenthaltsorte gleichermaßen relevant oder irrelevant. Auch die physiognomischen Erfahrungswerte (die 'gespeicherten' Bilder vom Verbrecher) verlieren ihre Gültigkeit, wenn sich hinter jedem 'Normalgesicht' der Täter 'verstecken' kann, so wie sich der falsche Blinde mit der dunklen Brille tarnt (vgl. E 183, Abb. 9, 10). Das physiognomische Alltagswissen nützt nur im Hinblick auf den 'alltäglichen Verbrecher' (den also, den die Polizei ohnehin schon kennt), es führt so wenig zu Beckert in M wie zu Professor Baum im Testament. M zeigt die Polizeiroutine und ihr Scheitern, dessen Eingeständnis mit der Erkenntnis verknüpft ist, daß man nach einem 'untypischen' Täter sucht: an die Stelle der Sachverhaltsaufklärung tritt die psychologische Spekulation. (Älterer Kriminalbeamter:) - das ist vielleicht ein Mensch, der außerhalb des Zustandes, in welchem er tötet, ein harmlos aussehender, gutbürgerlicher Mensch ist, der keiner Fliege [...] was zuleide tut [...] (Ders.:): Ohne diese ... äh ... ich will mich mal ausdrücken ... private Harmlosigkeit bei Mördern ist es doch gar nicht denkbar, daß ein Mann wie Großmann, Haarmann Jahre [hindurch in einem Haus mit mehreren Mietsparteien leben konnten, ohne auch nur eine Spur eines Verdachtes auf sich zu [...] lenken [...] (Kriminalbeamter:) Die Schwierigkeiten bei der Aufklärung gerade derartiger Verbrechen sind erfahrungsgemäß geradezu ungeheuerlich, weil Opfer und Täter nur durch das Moment des Zufalls zusammengeführt worden sind. Die Instinkte des Augenblicks bestimmen den Mörder (E 148, 150, 161). Es kennzeichnet den herausragenden Polizisten Lohmann, daß er den Fahndungsumschwung herbeiführt, indem er die Abkehr von der 'Raumfahndung' vorschlägt (so wie er im Testament den entscheidenden Hinweis auf Professor Baum erst durch die Auswertung, die 'Lektüre' der unterschiedlichen Raumbewegungen in der Vergangenheit erhält, vgl. Testament, E 376): (Lohmann:) Es gäbe vielleicht noch einen Weg. Über die als Täter in Betracht kommende Person ist zweifellos irgendwo bereits Material vorhanden. Er ist doch sicher als ein schwer pathologischer Mensch schon einmal mit den Behörden im allgemeinen [...] in Berührung gekommen. Darum müssen alle Fürsorgeanstalten, Gefängnisse, Nervenkliniken und Irrenanstalten zu schärfster Mitarbeit angeregt werden. [...] Speziell über die Leute müssen wir Auskunft bekommen, die als ... harmlos entlassen wurden, die ihrer ganzen Veranlagung nach aber mit dem Mörder identisch sein könnten (S. 49 f., E 167). Anstatt sich weiter ziellos durch die Stadt zu bewegen und auf die zufällige Begegnung mit dem Mörder zu hoffen, schlägt Lohmann die 'Fahndung in der Zeit' vor - er besinnt sich auf die Stärke der (Strafverfolgungs-)Behörden, nämlich die Produktion und Archivierung von Texten (der Filmkommissar gesteht damit den Mißerfolg einer Detektions- und Präventionsstrategie ein, die in jedem Bürger den potentiellen Verbrecher sieht). Die Akten speichern Biographien, Geschichten von Abweichungen, die - als Gedankenexperimente - in die Zukunft fortgeschrieben werden können, auf diese Joachim Linder 10 Weise gleichsam Risikoabschätzung ermöglichen und die Zahl der möglichen Täter ganz erheblich einschränken. Verdächtigt wird von der Polizei jetzt, wer in der Vergangenheit spezifische Devianz gezeigt hat; 'Lebensspuren' werden ausgewertet, die als Texte auf Dauer gestellt und archiviert wurden. 20 Lohmanns Suche in den Akten fördert die Geschichte Beckerts zu Tage; damit erst werden die Spuren bedeutungsvoll, die Beckerts eigene Textproduktion hinterläßt, beim Versuch, sich als Täter in der Öffentlichkeit zu inszenieren (vgl. E 30, Abb. 11). Die Verknüpfung der Archiv- mit der Selbstrepräsentation enttarnt den Autor als Täter, der damit weit über die seine Intention hinaus Erfolg hat (vgl. E 190 ff.). 'Fahndung in der Zeit', die Re-Konstruktion von Lebensgeschichten sowie ihre Fortschreibung in eine mögliche Verbrechensgeschichte 21 (die Gegenwart als Zukunft der Vergangenheit begreifen muß und den Polizisten zum Historiker macht) setzt voraus, daß Institutionen kontinuierlich und personenunabhängig arbeiten, daß die Mitarbeiter ein hinreichendes Maß an Lese- und Deutungsfähigkeit besitzen; und sie setzt Vertrauen darauf voraus, daß die Texte Wirklichkeit abbilden. Im Testament wird all dies demonstriert: Während seiner Entführung gelingt es dem Polizisten Hofmeister, eine Nachricht in eine Fensterscheibe zu ritzen, die vom Kommissar prompt erkannt, entziffert und als Hinweis auf die Vergangenheit - Dr. Mabuse - gelesen wird (E 81 ff.). Die Strafverfolgungsbehörden verfügen, ganz unabhängig von den jeweiligen Akteuren, über die Geschichten von Menschen, dies macht sie den Ganoven am Ende überlegen (und nicht umsonst kommt Dr. Mabuse im Testament nur noch als Autor in den Blick). Auch, weil Lesefähigkeit nicht als ihre Stärke unterstellt werden kann, erweisen sich die Ganoven aus der Strafverfolgungperspektive als defizitäre, nicht voll-ausgebildete Menschen. Trotzdem ist die Fahndung der Bettler- und Ganovenorganisationen nach dem Kindermörder in M erfolgreich. Und auch sie bauen auf den inszenatorischen Wert ihrer Fahndung, aber sie können, anders als die Polizei, den populistischen Effekt der Fahndung ausspielen; ihnen geht es nicht um Sachverhaltsrekonstruktionen, Indizien und Spurenlektüre, sondern allein darum, das 'Monster' zu fangen und zu eliminieren. Während die Polizei noch unter allen Männern die Mörderphysiognomie sucht, richten die Unterweltler ihre Aufmerksamkeit schon auf die potentiellen Opfer. So gelingt ihnen, was der Polizei zunächst mißrät. Sie überwachen die Kinder, dadurch erhält der Raum der Großstadt eine einfache Struktur: entweder ist ein Kind anwesend oder nicht - davon allein hängen die weiteren Überwachungshandlungen ab. Der Blickwechsel, den die Ganoven vollziehen, hängt damit zusammen, daß sie die Verbindung der einzelnen Mordtaten (die Serie, die einen Täter, aber eine Mehrzahl von Opfern hat) nicht nur 20 Vgl. Dr. Mabuse im Testament, der mit seinen Texten über die Perfektion des und die Herrschaft durch das Verbrechen genau jene Spur hinterläßt, die auf Professor Baum als Täter weist. Selbst gegenüber dem Autor, nicht nur gegenüber dem Objekt, gewinnt der Text Eigenleben (vgl. Testament E 114 ff). 21 Vergleichbar im Testament: Auch hier muß erst der Fall des 'ursprünglichen' Dr. Mabuse und seiner Internierung im Irrenhaus erinnert - d. h. aus den Akten gehoben werden, ehe die Spuren, die zur Anstalt führen, 'gelesen', gedeutet werden können. - Die ganze - erzählbare/erzählte - Biographie konstituiert den Verbrecher, nicht die einzelne Tat, exemplarisch beim 'Leidenschaftsmörder' Kent im Testament, vgl. dort E 273 ff. 11 Fritz Langs Polizeifilme erkennen, sondern auch in ihr Fahndungskalkül einbauen. Ihr Vorteil ist zweifellos, daß sie nicht an die Regeln der Strafverfolgung gebunden sind. In M können sie für kurze Zeit ihr Defizit in einen Vorteil ummünzen; sie überwachen und beherrschen den Raum der Stadt auf der Grundlage einer ganz einfachen Ja/Nein-Entscheidung: Wo ein Kind allein im Straßenraum ist, wird es überwacht. Diese Entscheidung kann jeder Beobachter unmittelbar und ohne Rücksprache mit einer Zentrale treffen. So bildet sich ein Netz, in dem einfach und effizient kommuniziert wird. Die Organisation der Fahndung bezieht sich klug auf die Möglichkeiten und die Fähigkeiten der Beteiligten. Für die kurze Zeit der Fahndung zeichnet sich für die Unterwelt eine Reorganisation ab, die sich offenkundig an den Modellen zeitgenössischer Fabrikarbeit orientiert: eindeutige Leitungsebene, klare Anweisungen, begrenzte Anforderungen an den einzelnen und enger Entscheidungsspielraum vor Ort. In M ist also schon angelegt, was im Testament breit ausgeführt werden wird, nämlich die Transformation einer exotischen Unterwelt mit durchaus sympathischen Zügen in eine Organisation zur fabrikmäßigen Vernichtung von Werten und Menschen. Der Erfolg der Ganoven verdankt sich ihrem abgestimmten, gemeinsamen Handeln. Demgegenüber tritt die scheinbare Identifizierung des Mörders durch den 'blinden Zeugen' in den Hintergrund. Der Blinde verbindet zwar Ballonkauf, 'Mörderlied' und den Tod von Elsie Beckmann,22 er kann aber nicht belegen, daß der Mörder und das Kind sich überhaupt begegnet sind. Es ist die Schnittfolge, die suggeriert, daß er Beckert als den Mörder identifiziert - dies könnte er gar nicht. Die dramatisch vorgebrachte Beschuldigung führt aber dazu, daß Beckert zusammenbricht, gesteht und sich als krank darstellt. Der Film spielt an dieser Stelle mit dem Alltagswissen, daß Blindheit die anderen Sinne schärft, er stattet den Zeugen zudem mit besonderer Glaubwürdigkeit aus: er ist, obwohl Bettler, tatsächlich blind. Die populären Sammlungen tradieren seit dem 18. Jahrhundert Kriminalfälle, die durch blinde Zeugen aufgeklärt wurden. Daß der Film, als das Augenmedium schlechthin, auf diese Tradition zurückgreift, ist an sich schon bemerkenswert; in der Art, wie er die Tradition ein- und umbaut, stellt er den Wert unmittelbarer Sinneseindrücke ganz allgemein in Frage. Der dramatische Auftritt des Blinden ruft das Geständnis hervor, das den imaginierten Tatverlauf bestätigt. Am Ende der Jagd auf den Mörder steht eben nicht die subtil-kriminalistische Überführung, sondern das Geständnis als Höhepunkt einer dramatischen und gleichermaßen unterhaltsamen Prozeßinszenierung. Das 'Tribunal der Unterwelt' (Kracauer, vgl. Abb. 12), das im Keller der alten Schnapsfabrik abläuft (E 403 ff.), ist höchst eindrucksvoll in Szene gesetzt 23 (der deutsche Film hat mit Gerichtsszenen traditionellerweise Schwierigkeiten, vgl. dazu 22 E 10 begegnet Beckert Elsie Beckmann und fragt sie nach ihrem Namen. E 16 kauft er ihr beim Blinden einen (besonders geformten) Luftballon und pfeift im Weggehen 'seine' Melodie. E 219 hört der Blinde diese Melodie erneut: "An ... an dem Tag, wo die kleine Elsie Beckmann ermordet worden ist, da hat'n Mann bei mir 'n Luftballon jekauft, und der Mann hat 'n kleines Mädchen bei sich jehabt [...] und der Mann hat jenauso gepfiffen wie der da drüben". 23 Auf diese Schlußsequenzen wird man Goebbels Tagebucheintragung beziehen müssen (Aufz. vom 21. Mai 1931): "Abends mit Magda Film 'M' von Fritz Lang gesehen. Fabelhaft! Gegen die Humanitätsduselei. Für Todesstrafe! Gut gemacht. Lang wird einmal unser Regisseur" (Goebbels 1987, Bd. 2, S. 68). Joachim Linder 12 Drexler 1999). Die Ganoven - zumal der Schränker (vgl. E 27624) - belohnen sich gleichsam für die gelungene Fahndung, indem sie den symbolischen Teil der Strafjustiz in eigener Regie übernehmen. (Schränker, nachdem klar ist, daß die Bettler den Kindermörder erkannt und in die Enge getrieben haben, auf den Vorschlag, ihn unmittelbar der Polizei auszuliefern:) "Die Polizei? Nee! Den holen wir uns selber" (E 275). (Schränker, im 'Verfahren' zum Mörder:) "Hier sitzen [...] lauter Sachverständige in Rechtsfragen. Von sechs Wochen Tegel bis fuffzehn Jahre Brandenburg. [...] Die werden schon dafür sorgen, daß die dein Recht wird. Du bekommst sogar'n Verteidiger. Geht alles nach Recht und Ordnung" (E 434 f.). In der Verhandlung bleibt lediglich die Rolle des Anklägers unbesetzt; doch der Schränker, der den 'Vorsitz' führt, läßt an seiner Stelle das Publikum 'mitspielen', und er nimmt deren lautstark angemeldeten Forderungen zielsicher auf. Die Ganoven hätten den Mörder an die Polizei ausliefern können, sie hätten ihn auch umstandslos lynchen können 25 - diese Handlungsalternativen kommen notwendig in den Sinn angesichts der ganz 'unwahrscheinlichen' Inszenierung eines Pseudoverfahrens. Ihr erklärtes Ziel, nämlich den Kindermörder unschädlich zu machen, hätten die Ganoven auf alle mögliche Arten erreichen können, immer mit geringerem Risiko, von der Polizei erwischt zu werden. Aber das erklärte Ziel verdeckt, daß das Vergnügen der Verbrecherjagd ihren Höhepunkt erst in der Inszenierung des Beschuldigens, Zurechnens, symbolischen Ausgrenzens und 'Im-Recht-Seins' findet. Erst der, der dem Monster seine ganze Abscheu zeigen kann, weiß sich wirklich auf der richtigen Seite. Man kann mit Kanzog (1997, S. 116) das Ende des Films mit dem Einschreiten der Polizei als Absage an jede Selbstjustiz verstehen. Doch man kann dieses Ende auch auf die Definition des 'kriminellen Menschen' beziehen: Mit der Gerichtsinszenierung überschreiten die Kriminellen die Grenzen ihres Bereichs, der nur 'eigentliche', direktfolgenorientierte Handlungen kennen soll. Die Zuschreibung von Bedeutungen, die über diese Grenze hinausweisen, haben sie den Gerichten und den Kriminologen zu überlassen, denen also, die sich professionell mit der Kriminalität befassen, ohne Kriminelle zu sein. Der Übergang in den Bereich des symbolischen Handelns ist als Übertretung zu verstehen, die ganz folgerichtig von der Polizei beendet wird. Bei allem Wohlwollen läßt sich der Väter-Staat auf seinem ureigenen Terrain keine Konkurrenz machen: Mit dem Mörder kann die Polizei gleich die Ganoven verhaften, die ihn aufgespürt haben. 4. Der Kindermörder Beckert Aus dem Eingang eines Mietshauses kommt der Mörder; er geht nach links aus dem Bild (E 191, Abb. 13). Der Stand eines fahrenden Obsthändlers. [...] Hinter dem Obstkarren steht, in Hut und Mantel, der Mörder. Genußvoll beißt er in einen 24 Die Selbstüberschätzung Schränkers bestätigt seine Zugehörigkeit zur kriminellen, defizitären (kindlichen) Sphäre. 25 Theodor Lessing hat über diese Lösung im Fall Haarmann räsoniert (vgl. Lessing 1925, S. 122). 13 Fritz Langs Polizeifilme Apfel und bedeutet dem Verkäufer, der ihm eine Tüte füllt, noch einen Apfel mehr einzupacken (E 199). Ordentlich und ohne Zeichen irgendeiner Besonderheit tritt Beckert 26 aus dem Hausflur ins Nachmittagslicht der Straße. Er ist die einzige erwachsene Figur in M, die nicht durch Arbeit (als Polizist, Wirt oder Verbrecher, als Wäscherin oder Prostituierte) definiert ist. Beckert hat Zeit, durch die Stadt zu flanieren. 27 Der Zuschauer weiß, daß er Insasse einer psychiatrischen Anstalt war, aus der er offenkundig weder in eine frühere Tätigkeit oder in eine Familie, noch ins Elend entlassen wurde: 28 Er lebt allein, bewohnt ein möbliertes Zimmer nicht ohne Bequemlichkeit; er liest die Zeitung, die er sich von der Wirtin leiht; er nimmt frugale Mahlzeiten ein, bummelt an den Schaufenstern vorbei und kehrt in einem Café ein. Ganz wie die Kinder, die dann seine Aufmerksamkeit erregen, betritt er die Straße ohne erkennbares Ziel, ohne feste Absicht außer dem Flanieren, das dem kindlichen Spiel nahekommt. Darin vor allem drückt sich seine Affinität zur Kindlichkeit, zur kindlichen Sphäre aus, und nicht bloß in den 'kindlichen Zügen' (die Peter Lorre bestimmt auch auszeichnen 29). Im Film bleibt kein Zweifel, daß Beckert die Taten, für die er verantwortlich gemacht wird, auch begangen hat. Fraglich bleibt, ob ihm seine Taten zugerechnet werden können: Der Erfolg der Fahndung liefert nicht nur den Täter, er generiert auch neue Fragen - M überschreitet insofern die Grenzen des Detektions-Genres, die Schuld des geständigen Täters versteht sich hier nicht von selbst, weil seine Schuldfähigkeit in Zweifel steht. Fragwürdig ist das Deutungsmodell 'Krankheit/krankhafte Triebhaftigkeit', das er selbst anbietet: (Der Mörder:) "Aber ich kann doch nichts ... dafür! [...] Was weißt denn du? Was red'st denn du? Wer bist du denn überhaupt? Wer seid ihr denn ...? Alle miteinander? Verbrecher! Bildet euch womöglich noch was ein drauf, weil ihr Geldschränke knacken könnt, oder Fassaden klettern oder Karten zinken ... Lauter Sachen, denk ich mir, die ihr geradesogut lassen könnten, wenn ihr was Ordentliches gelernt hättet. Oder wenn ihr arbeitet. Oder wenn ihr nicht so faule 26 Aus heutiger Sicht könnte man Beckert wohl Serienkiller, Serienmörder nennen, doch würde dies die Besonderheiten des Begriffs und seiner Entstehung in den siebziger und achtziger Jahren verdecken. Auch der Begriff 'Lustmörder' scheint angesichts der Informationen, die der Film mitteilt unzulässig - doch gehört die Figur zweifellos in das Umfeld dieser Diskussion in der Zeit der Weimarer Republik, vgl. dazu Lindner 1999. 27 Das Konvolut "[Der Flaneur]" aus Benjamins Passagenwerk hat den Ordnungsbuchstaben M (Benjamin 1983, 1. Bd., S. 524): ein immerhin kurioser Zufall. Dort findet sich auch folgendes Notat: "Den Fall, in dem der Flaneur sich ganz vom Typ des philosophischen Spaziergängers entfernt und die Züge des unstet in einer sozialen Wildnis schweifenden Werwolfs annimmt, hat Poe zuerst in seinem 'Mann der Menge' auf immer fixiert" (S. 526). Und: "Dialektik der flanerie: einerseits der Mann, der sich von allem und allen angesehen fühlt, der Verdächtige schlechthin, andererseits der völlig Unauffindbare, Geborgene. Vermutlich ist es eben diese Dialektik, die 'Der Mann in der Menge' entwickelt" (S. 529). 28 Zweifel an der nachhaltigen Wirksamkeit eines Aufenthalts in einer Heilanstalt weckt z. B. Georg Heyms Novelle Der Irre (1911). 29 So Tatar 1995, S. 160: aus dieser Affinität entwickle er die Wut gegen die Mütter, die sich in der Aggression gegen die Kinder entlade. Zur Kindlichkeit/Infantilität Beckerts vgl. auch Kracauer 1984, S. 232 f. Joachim Linder 14 Schweine wärt! Aber ich [...] ... kann ich denn ... kann ich denn anders? Hab ich denn nicht das Verfluchte in mir? Das Feuer?? Die Stimme?? Die Qual...?? Immer...immer muß ich durch die Straßen gehen ... Und immer spür ich, es ist einer hinter mir her...: Das bin ich selber! Und verfolgt mich..." (E 440 ff., Abb. 14). Damit weckt er Verständnis und Mitgefühl, im Ansatz bei den Zuschauern im 'Gerichtssaal' (vgl. E 444 ff., Abb. 15), gewiß auch bei den Kinogängern. Er stellt sich als Opfer eines nicht-beherrschbaren Triebes dar. Die Krankheit ist das Fremde in ihm, das ihn steuert.30 Die Selbstdarstellung erfüllt Erwartungen, die schon in der Polizeikonferenz ausgesprochen wurden; die Krankheit (die ihre Geschichte hat) erklärt sowohl die monströse Untat als auch die Schwierigkeiten der Täterermittlung. Auch der Schränker, als Vorsitzender des Pseudo-Verfahrens, zögert keine Sekunde, Krankheit als wesentliches Element in seine Ausmerze-Argumentation einzubauen. (Schränker:) "Der Angeklagte hat gesagt, daß er nicht anders kann. Das heißt also: daß er morden muß! Und damit hat er sich selbst sein Todesurteil gesprochen [...] Ein Mensch, der von sich selbst sagt, daß er zwangsweise fremdes Leben vernichtet, [...] dieser Mensch muß ausgelöscht werden wie ein Schadfeuer! [...] Dieser Mensch muß ausgerottet werden! Dieser Mensch muß weg!" (E 449 f.) [Denn:] ‘Und eines schönen Tages fängt das Morden-Müssen wieder von vorne an? Wieder monatelange Hetzjagd. Wieder Paragraph einundfünfzig! Wieder Irrenhaus! Wieder Ausbrechen oder Entlassen werden! Und wieder: MordenMüssen! und das geht weiter, bis in alle Ewigkeit, Amen?" (E 463). Doch es sind nicht nur die vom Film geweckten Erwartungen, die im Geständnis und der Selbstdiagnose31 erfüllt werden; vielmehr wird das Dilemma inszeniert, in das die Bewertung monströser Taten regelmäßig gerät, wenn sie moralische und juristische Kriterien zur Deckung bringen will: Auf der einen Seite liegt es nahe, das Unverständlich-Schreckliche des Handelns mit Krankheit zu erklären, lieber das Fremde im Täter als diesen selbst verantwortlich zu machen, andererseits wird in der Krankheit der Versuch des Täters gesehen, sich der Justiz zu entziehen - er entkommt der einzigen Vergeltung, die die Gesellschaft vorzusehen scheint.32 Das Dilemma ist so lange nicht 30 Diese Vorstellung hat ebenfalls eine lange Tradition; vgl. im Hinblick auf den in Rede stehenden Zeitraum Strasser 1984. Kracauer 1984, S. 232 vergleicht Beckert mit dem Mörder Cesare in Wienes Das Cabinet des Dr. Caligari (1919) und arbeitet den Unterschied so heraus: Der Kindermörder unterliege nicht einem äußeren Einfluß, sondern seinen eigenen pathologischen Impulsen und ist sich außerdem seiner zwanghaften Unterwerfung voll bewußt. Fragwürdig bleibt für mich das Moment des 'Zwanghaften'. 31 Deren Plausibilität sich auf wenige Zeichen stützen muß - wie das heftige Atmen beim Anblick eines kleinen Mädchens (E 208), das zwanghafte Pfeifen der Peer-Gynt-Melodie. 32 "Beckert als 'Psychopath', der ebenso wie Mabuse eine ganze Stadt beunruhigt; aber die menschliche Justiz bleibt auch in diesem Fall ohnmächtig, der Mörder der kleinen Mädchen entkommt ihr ins Irrenhaus" (so Sturm 1997, S. 350). Diese Interpretation beruht auf Alltagsvorstellungen von der Justiz, in denen das Strafverfahren als 'gescheitert' gilt, wenn es die Zurechnungsunfähigkeit feststellt. Vgl. dazu sowohl Tatar 1995 als auch Lindner 1999, die beide vom Vorhandensein einer Krankheit ausgehen, die zur Zurechnungsunfähigkeit im Sinne des geltenden Strafrechts führen müßte. Kracauer sieht den Mörder ebenfalls von 'bösen Trieben überwältigt'. Gleichzeitig sieht Kracauer den von seinen Trieben be herrschten Beckert im Café (E 215) als Bestie, die im Dschungel auf Beute lauert (Kracauer 1984, S. 232 f.). Genau diese Sequenz kann man als Versuch Beckerts sehen, sich wieder in die Umgebung einzupassen, alle 15 Fritz Langs Polizeifilme auflösbar, wie die Diskussion über Schuld und Schuldzuweisung (und Anerkennung von Schuld) im Bereich strafrechtlichen Zurechnens und strafrechtlicher Zurechnungsfähigkeit bleibt (so lange also die Verarbeitung der Abweichung allein der Justiz überlassen bleibt). 'Aber ich bin noch nicht am Ende' (E 30, Hervorh. im Original) schreibt Beckert in seinem Brief an die Zeitung - er kündigt die Fortsetzung seiner 'Serie' an und läßt durch sein Schreiben planmäßiges Handeln vermuten; und doch weiß er sich im Geständnis als fremdbestimmt durch Krankheit darzustellen. Wer sich an dieser Stelle auf die alte Diskussion einläßt, ob der kranke Täter zur Planung fähig ist - oder ob planmäßiges Vorgehen für Gesundheit und Zurechnungsfähigkeit eines Täters spricht, der folgt möglicherweise einem vom Film gelegten red herring. In dieser Alternative kann die Ambivalenz der Figur Beckert nicht aufgelöst werden; und sowohl 'Lustmord' als auch 'Mordlust'33 sind Chiffren, die an die Stelle eines kommunikablen Mordmotivs, einer Erklärung für die Taten treten. Alltagsdeutung, aber auch Justiz und kriminologische Wissenschaften haben bekanntlich Schwierigkeiten mit Tätern, deren Motive für eine Tatserie (sei es des Diebstahls, der Brandstiftung oder der Tötung) nicht offenkundig oder nicht akzeptabel erscheinen. Diese Schwierigkeiten sind mit dem Anwachsen der biologischen, anthropologischen, medizinischen und psychologischen Erklärungsansprüche des wissenschaftlichen Diskurses seit dem Ende des 19. Jahrhunderts gewachsen; in aller Regel werden dort, wo ein spezifisches (kommunikables) Motiv für die monströse Tat nicht genannt werden kann, Konzeptionen von Triebhaftigkeit, Degeneration und Vererbbarkeit der Kriminalität an seine Stelle gesetzt, die auf tautologische Weise ein atavistisches 'Krankheitsbild' konstituieren, das dem von Lombroso anthropologisch und semiotisch (phrenologisch, physiognomisch) konstruierten homo delinquens gleichkommt. 34 Das Strafverfahren interessiert sich nur für den Täter und seine Befindlichkeit; die Opfer werden ausgeblendet: Dies stellen die Ganoven in M zielsicher nach. Ihre perfekte Inszenierung definiert das Fremde und schneidet alle Bezüge zum 'Eigenen' ab, die sichtbar werden, wenn man die Informationen über die 'Opfereignung' Elsie Beckmanns reflektiert.35 Sie wird gezeigt, wie sie allein spielt und durch die Stadt geht, während ihre Mutter zu Hause offenkundig als Lohnwäscherin arbeitet. Der Vater bleibt unsichtbar, es gibt kein Zeichen, das auf ihn verwiese. Andere Väter dagegen begleiten ihre Kinder auf dem Weg zur oder von der Schule, andere Mütter können ihre Kinder auf der Straße beaufsichtigen. Der Gedanke, daß eine alleinerziehende Mutter mit Arbeit und Kind Auffälligkeit abzustreifen. Beckerts Verhaftung läßt offen, wie die ordentliche Justiz über ihn urteilen wird. Die Entscheidung über die Zurechnungsfähigkeit ist eine Entscheidung der Strafjustiz, nicht der Medizin; die Informationsbasis, auf der strafjuristisch zu spekulieren wäre bzw. spekuliert wird, ist zu schmal, der Film zeigt lediglich, daß Beckert sich als krank darstellen will. Orientierte man sich an Fällen wie Haarmann, Kürten oder Großmann, dann wäre immerhin zu vermuten, daß die Justiz (der frühen dreißiger Jahre) auch in einem Fall Beckert Zurechnungsfähigkeit annehmen und das Todesurteil verhängen würde. 33 Vgl. dazu - aus entgegengesetzter Sicht - Pfäfflin 1982 und Lindner 1999. 34 Vgl. dazu ausführlicher Linder und Ort 1999 mit Blick auf u. a Birnbaum 1914 sowie Wulffen 1926. 35 Vgl. zum folgenden Tithecott 1997 und Seltzer 1998 zu den Konzeptionen monströser Taten, Täter und ihrer Opfer in den Medien westlicher Kulturen. Joachim Linder 16 überlastet ist, liegt nahe. Aus dieser Zwangssituation gibt es für die Proletarierin keinen Ausweg. Man kann also den Aufruf am Ende des Films, mehr auf die Kinder aufzupassen, nicht nur als unmittelbaren Appell an die Eltern interpretieren, sondern auch als Hinweis auf die Normfamilie, die allein die Voraussetzungen für das gedeihliche Aufwachsen von Kindern zu bieten scheint. 36 Vor diesem Hintergrund erwächst der Beckertschen Tötungsserie eine 'Ratio', die nicht weniger monströs ist, als seine Taten selbst, und die im Rahmen sozialdarwinistischer, eugenischer, rassehygienischer und/oder degenerationstheoretischer Diskurse zu rekonstruieren wäre. Man kann es zugespitzt so ausdrücken: Mit seiner Tötungsserie nimmt der Täter eine gesellschaftlich verbreitete Abwertung von Proletarierfamilien 37 sowie der Anlagen und Chancen ihrer Kinder auf und macht (auf filmisch-monströse Art) Ernst mit ihr. Insofern verdeckt die Diskussion darüber, ob Beckert krank (unfähig, seinen Trieb zu steuern) oder ein böses Monster ist (das seine Triebe ungeniert auslebt), die Einsicht, daß Beckert exekutiert, was in den Diskursen über Fortpflanzung, über Degeneration und Proletarisierung usw. usf. angedacht und angedeutet wird. Der Schränker jedenfalls ist mit seiner Argumentation für die Ausmerzung des 'kranken' Kindermörders durchaus auf der Höhe zeitgenössischer Diskussionen: Die Gesellschaft muß sich schützen - vor den unverbesserlichen Verbrechern genau so wie vor den unheilbar körperlich oder geistig Kranken, vor denen, die Angehörige und Staat emotional und finanziell schwer und unabsehbar belasten. Legitimität und Praxis der Todesstrafe ist eines der Argumente, die stets für die 'Vernichtung lebensunwerten [d. i. unheilbar kranken] Lebens' angeführt werden (vgl. für viele - Binding und Hoche 1920), und jedes Argument für die Tötung unheilbar Kranker bestätigt wiederum die Todesstrafe, denn: "Die Gesellschaft kann kein 'Interesse an der Erhaltung eines stets wieder rückfälligen, sozial also unheilbaren Verbrechers, eines Blödsinnigen, eines Krebskranken [...]' haben" (Pelckmann 1990, S. 119, vgl. Linder und Ort im Ersch.). Gewiß rettet die Polizei am Ende Beckert davor, Opfer einer Lynchjustiz zu werden, mit der die Ringvereine zu 'normalen' kriminellen Verhältnissen zurückkehren wollen. Doch nun ist die Justiz vor die Frage gestellt, ob sie die Logik der Ausmerzung auch auf ihn, den insgeheimen Vollstrecker verbreiteter Ausmerzevorstellungen, anwenden will. Vom Erwachsenen wird erwartet, daß er die 'asozialen' Triebe in sich unterdrückt, gleichsam abtötet. Beckert externalisiert dies, er tötet die Kinder, die er als Ebenbilder des einsamen Triebkindes in seinem Inneren wahrnimmt. Indem er diesem 'davonzulaufen' versucht, erreicht er es immer wieder in der Außenwelt. Die Mordtat wäre als der immer vergebliche, deshalb immer wiederholte Versuch zu werten, sich als Erwachsener zu präsentieren, als das 'ich', das er in seinem Schreiben an die Presse hervorhebt (E 30). Auf schreckliche Weise kann Beckert sich mit seinen Taten als sozial nützlich und somit als erwachsen darstellen: Er tötet in den unbeaufsichtigten, vaterlosen 36 Tatar 1995, 170: "M endorses the image of a vigilant mother who is engaged in unending bodily monitoring of her child": Genau diese Mutterfunktion nicht erfüllen zu können, ist ein geläufiger Vorwurf an die proletarische Mutter. Vgl. Keitz 1999 über die Politisierung der Mutterschaft nach 1900. 37 Zeitgenössisch und im Rahmen der Ausmerze-Diskussion vgl Meltzer 1925; Diskussionen z. B. bei Pick 1989 und bei Becker 1992a. 17 Fritz Langs Polizeifilme Kindern die zukünftigen, potentiellen Monster, diejenigen, die ihn in Zukunft nachahmen werden. Das Böse tilgt das Böse, so wie die Verbrecher in ihrem Tribunal den Verbrecher strafwürdig ausmerzen wollen - und damit Unrecht und Leid wiederholen. Wenn zum Schluß die Polizei diesem 'Spiel' der Ganoven ein Ende macht, um das eigene der Abwertung, Verkindlichung und Aussonderung fortführen zu können, dann führt dieser Auftritt zurück zum 'väterlichen Kommissar': Er geht ganz in seiner Berufspflicht auf, er bleibt an die Unterwelt gebunden, wenn er unablässig Beckert oder den jeweiligen Dr. Mabuse verfolgt. Auch er ist oder wäre als einer jener Väter zu denken, die die eigenen Kinder vernachlässigen und sie so zu den potentiellen Opfern der gesellschaftlichen Abwertung einerseits und des Monsters andererseits machen. 5. Dr. Mabuse - Kriminalität im/als Text An dieser Stelle sei noch einmal an den lesenden Kommissar aus Die 1000 des Dr. Mabuse erinnert (Abb. 1): Er repräsentiert die Selbstreflexivität und macht das Verhältnis der Justiz zu ihren Fällen deutlich: In der Definition und Konstitution von Kriminalität beziehen sich Polizei und Justiz immer auf die eigene Text- und Aktenproduktion (und unterscheiden sich insofern nicht von der literarisch-filmischen Darstellung von Kriminalität und Strafverfolgung). Das Geschichtenmaterial, das die Kommissare produzieren, archivieren und wieder ausgraben, speist die Texte, die es rekombinieren und mit zusätzlichen Sinnzuschreibungen versehen - und ihre Verfasser als die Experten des Verbrechens ausweisen, deren Verdienste z. B. so zur Kenntnis genommen werden: Er wurde der tiefe Kenner der dunklen Nachtseiten des menschlichen Seelenlebens; er stieg hinab in seine Tiefen und holte Schätze herauf, die der wissenschaftlichen Welt als unverlierbares Gut zu eigen geworden sind. Der Biologe, der Psychologe, der Psychiater, der Soziologe, sie alle kehrten heim und werden heimkehren, reich beschenkt von ihrer Wanderung durch die Geisteswelt Erich Wulffens. [...] [Man strebt ihm nach,] fortgerissen von dem immer fesselnden und lebensvollen Schwung seiner Darstellung, die oft zu poetischer Kraft sich steigert, gefesselt durch die Einblicke, die Wulffen aus eigenster Erfahrung als das Ergebnis eines unermüdlichen Bienenfleißes und in verschwenderischer Fülle darbietet [...]' (Juliusburger 1932, S. 50). Die Faszination, die das Werk Erich Wulffens, des Juristen und populären Enzyklopäden der Kriminalität, auf den Sanitätsrat Juliusburger ausübt, ist beträchtlich. In den Formulierungen des Festschriftenbeitrags wird deutlich, worauf der Erfolg der Schriften des Ministerialrats im sächsischen Justizministerium zurückzuführen ist: Er ist es, der die terra incognita der Kriminalität ausmißt, ungeachtet aller Gefahren, die dort auf ihn warten. Gefährlichkeit in diesem Sinne wird schon den symbolischen Repräsentationen der Kriminalität zugeschrieben, keine Rede ist davon, daß der Enzyklopäde sich Begegnungen mit dem 'tatsächlichen' Verbrechen aussetzt. Seine Berichte lassen keinen Zweifel daran, daß die Kriminalität das schlechthin 'Andere' bleibt, auch wenn das Wissen über sie und ihre Ursprungsbedingungen erweitert wird. Die Grenzen bleiben gesichert, zumal dann, wenn eine aufgeklärte und effiziente Justiz über sie wacht. Aus dieser Sicht 'bannt' der Text 'über' die Kriminalität die Gefahren, die im direkten Kontakt mit ihr unausweichlich sind. So kann der Autor die 'Gesamtdarstellung' versprechen, Joachim Linder 18 'welche von den Urformen des Lebens über das Pflanzen- und Tierreich und die Naturvölker rechtsgeschichtlich zu dem im modernen sozialen Milieu geltenden inländischen und ausländischen Strafgesetze und seiner Erklärung bis zu den ethischen Verbesserungsvorschlägen für die künftige Gesetzgebung aufsteigt' (Wulffen 1928, S. 11). Mit dem Psychiater Professor Baum nimmt Langs Testament die Rolle dieses Teilnehmers am zeitgenössischen Diskurs über Kriminalität auf, radikalisiert Konzeption und Selbstdarstellung und führt sie ad absurdum. Die Faszination, die vom genialen Verbrecher ausgeht, steht am Anfang, die Annäherung führt über die Texte und beim Psychiater notwendig zur persönlichen Begegnung mit dem Verbrecher; die 'Übertragung des Bösen' vom stillgestellten Mabuse auf den Psychiater ist aus der Sicht der populären Expertenmythen folgerichtig und führt denn auch in die freigewordenen Zelle Mabuses.38 Baum drückt sich so aus: Dr. Mabuse habe seine 'übermenschliche Logik und Kenntnisse der Hypnose [...] verwendet zur Ausübung von Verbrechen, die man nicht für möglich hielt' (E 59); ein 'phänomenales Gehirn', das immer schon auf der Grenze zwischen 'Genie und Irrsinn' angesiedelt war, bediente sich des fast leblosen Körpers, um in der Zelle der Irrenanstalt eine 'auf unanfechtbarer Logik aufgebaute Anleitung zur Ausübung von Verbrechen' bis ins 'kleinste Detail' auszuarbeiten (E 69, Abb. 16). Von diesem Text läßt sich Professor Baum fesseln und fortreißen; der Psychiater wird zum unsichtbaren Chef einer hocheffizienten Verbrecherbande. 39 In Langs Dr. Mabuse, der Spieler (1922, zweiteilig) bewegte sich ein höchst lebendiger und wandlungsfähiger Psychiater/Psychoanalytiker, Spieler, Hypnotiseur und Frauenheld in der guten Gesellschaft; seine Fähigkeiten machten ihn am Spieltisch unschlagbar. Dr. Mabuse spielte mit Karten und Menschen, bis ihm im Staatsanwalt von Wenk ein gleichwertiger Gegner erwuchs, der sich in der Spieler-Gesellschaft zwar uneingeschränkt bewegen konnte, der im Spiel aber nicht den Selbstzweck sah. Ihm ist zu verdanken, daß Dr. Mabuse (im Testament) stumm und bewegungsunfähig, scheinbar ungefährlich, in der Irrenanstalt stillgestellt werden konnte. Zwar bekam ihn die Justiz nicht zu fassen, aber vom 'lebendigen Leichnam' konnte nach allem Ermessen keine Gefahr mehr ausgehen. Schließlich scheint der Leiter der Anstalt, eben Professor Baum, alles zu kontrollieren: Er verfügt über das Bild Mabuses (das er in seinen Vorlesungen als Dia stillstellt), er verfügt 38 Es gibt eine ganze Reihe von verbundenen Aspekten, die ich hier ausblenden muß, die aber im Kontext so wichtig sind, daß sie wenigstens angesprochen werden sollen: (a) das Jekyll-und-Hyde-Syndrom, der Forscher im Selbstversuch etc., vgl. im Hinblick auf Lang dessen Treatment "Der andere in uns", in dem bemerkenswerterweise ein Strafverteidiger sich auf das kriminelle Milieu so einläßt, daß er sich ihm schließlich anverwandelt (Lang 1987). (b) Die 'Ansteckungsgefahren', der Mediziner/Psychologen/Psychiater regelmäßig ausgesetzt erscheinen, wenn sie sich der Untersuchung von Kriminellen widmen - filmisch in Szene gesetzt von Wienes Caligari bis hin zu Demmes The Silence of the Lambs; (c) die 'Problematik' der Forschungsreisenden, der sich als gänzlich unbeteiligter Beobachter geriert - und damit scheitern muß (vgl. dazu Franz Kafkas Erzählung In der Strafkolonie (entst. 1914) einerseits, Robert Heindls Meine Reise nach den Strafkolonien (Heindl 1913) andererseits). 39 Zum Verhältnis Prof. Baum/Dr. Mabuse im Roman von Norbert Jacques Jacques 1997 vgl. Bronfen 1997; zum Aspekt der technischen Herstellung von Realität vgl. Peucker 1999, S. 40-42. 19 Fritz Langs Polizeifilme über seine Geschichte, 40 seine Biographie (die er einem Studentenpublikum vorträgt, nicht ohne emotionales Involvement zu zeigen und erneut Faszination hervorzurufen, E 55 ff.),41 und schließlich verfügt er auch über seinen Körper, der unverändert/unveränderlich auf der Zellenpritsche liegt. 42 Doch Baum täuscht sich selbst: Nicht er übt Macht über den Patienten aus, der Patient verfügt vielmehr über ihn. Er hätte freilich gewarnt sein können, hätte er die Geschichte seines Patienten erforscht: Mabuses Macht bestand im wesentlichen in der Virtuosität, mit der er die von seinem Körper ausgehenden Zeichen/Signale beherrschte (vgl. seine Wandlungsfähigkeit und seine Leistungen als Hypnotiseur). Die Konzeption der Einheit von Körper und Geist impliziert, daß der Körper unwillkürlich die inneren Vorgänge anzeigt (mithin können Täuschungen nicht von langer Dauer sein: der geübte Physiognom erkennt sie43). Für Mabuse gilt jedoch schon im Spieler die radikale Trennung von Geist und Körper; der Geist beherrscht den Körper, setzt die Zeichen, die von ihm ausgehen, willkürlich (und beherrscht so die Reaktionen).44 40 Die Geschichte, die er seinen Studenten im Hörsaal erzählt, ist schon Täuschungsmanöver: Sie behauptet Abgeschlossenheit und verdeckt dabei, daß Baum schon an die Stelle Mabuses getreten ist. "Der Staat bin ich" wird als Ausspruch Mabuses zitiert und ist doch Anspruch des Erzähler-Ichs, E 62. 41 Das wirft ein Schlaglicht auf die Probleme, die mit der 'Fahndung in der Zeit' (s. o.) verbunden sind, bei der sich die Fahnder nolens, volens den Textproduzenten unterschiedlicher Couleur ausliefern muß. 42 Die unterschiedliche Visualisierungen/Repräsentationen Mabuses im Film müßten ausführlich rekonstruiert werden: zunächst als Dia im Hörsaal (in dem sich zwar nicht 1000 Augen, aber doch einige Hundert auf Mabuse richten und sich dabei jeweils ein eigenes Bild machen, über das Baum eben nicht verfügen kann) und vertreten durch seine Texte (die sich graduell zur Verständlichkeit entwickeln), dann mit beweglicher Hand schreibend in der Zelle und wiederum vertreten durch die geordneten Texte auf Baums Schreibtisch, schließlich als 'Erscheinung' (Doppelbelichtungseffekte), die von Baum Besitz nimmt sowie als Toter auf einer Bahre, zugedeckt mit dem Leichentuch; den Verweisen auf die Rollen, die Photographie und Film für Psychiatrie und Kriminalistik gespielt haben, kann ich ebenfalls nicht im einzelnen nachgehen; vgl. u. a. Lamott 1993, Stingelin 1994, Didi-Huberman 1997. 43 Darauf beruht spätestens seit Lavater und Heinroth die Hoffnung, Kriminalität und/oder das Böse an den Körperzeichen erkennen zu können. 44 Das ist ohne Zweifel eine Radikalisierung lombrososcher Vorstellungen vom 'genialen Verbrecher'. Vgl. etwa Lombroso 1907: "Die eigentlichen kriminellen Genies oder die genialen oder hochbegabten Verbrecher besitzen nur selten den Verbrechertypus. Dies ist merkwürdig, denn zunächst müßte man, insofern es sich um zwei verschiedene Entartungsformen handelt, die sich bei demselben Individuum übereinandergesetzt haben, doch annehmen, daß die degenerativen Merkmale sich häufen würden. Freilich ist auf der anderen Seite wieder in Betracht zuziehen, daß es nur sehr wenige Genies gibt und natürlich noch viel weniger geniale Verbrecher. Wenn nun schon wenigstens 65 % der gewöhnlichen Verbrecher keinerlei äußerliche degenerative Zeichen aufweisen, so muß, selbst wenn das eben Gesagte zutrifft, auch aus diesem Grunde der kriminelle Typ unter den gedachten Genies noch spärlicher vertreten sein" (S. 117). Und ebd.: "Wenn die genialen Verbrecher im barbarischen Milieu aufwachsen, dann ist Kriminalität nicht krankhaft, sondern physiologisch - es ist die Normalität ihres Milieus, und dann unterscheiden sie sich äußerlich auch nicht vom Milieu. [...] Viele Handlungen des genialen Verbrechers erheben sich weit über jene des gewöhnlichen geborenen [Verbrechers], deshalb zeigen ihre physiognomischen Züge nicht das atavistische Gepräge und den niedrig brutalen Ausdruck, sondern mehr die eigentlich geniale Configuration" (S. 117). Vgl. auch Lombroso o. J. [ca. 1887]. Joachim Linder 20 In der Anstaltszelle geht ein Wandel mit Mabuse vor sich, der dies noch radikalisiert und gewissermaßen modernisiert, der jedenfalls als Anpassungsleistung an die neue Situation zu verstehen ist. Der Körper scheint sich völlig vom Geist zu lösen und zum Werkzeug, zur Schreibmaschine zu werden. Die vollzieht sich in einem graduellen Lernprozeß: die Hand beginnt zunächst zu kritzeln, dann einzelne Wörter, erst später ganze Sätze und Seiten zu schreiben. 45 Die Hand wird zur Schreibmaschine, die ohne Bedienerin auskommt und auskommen muß (und so werden die beschriebenen Blätter einfach auf den Fußboden ausgeworfen und müssen vom Wärter aufgesammelt, von Baum geordnet werden, E 84 ff., Abb. 17). Im Testament steht der Text, der das Verbrechen imaginiert, am Anfang der Verbrechensserie. 46 Die Lebenszeit Mabuses endet in dem Moment, in dem sein Text (die Anweisung zur vollständigen Herrschaft durch Verbrechen) vollendet ist.47 Mit seinem Tod endet auch die Macht des Verbrechers, er wird zur Figur der Kriminalitätsgeschichte (und der Kriminalkommissar zum Kriminalitätshistoriker, der den Autor des Textes ausfindig machen muß, um zu erkennen, daß der Text als Script verwendet wird). 48 Der Text verselbständigt sich, er, nicht Dr. Mabuse, macht Baum zum Gehilfen. Die Verbrechen, die Baum nach dem Vorbild der Imaginationen realisiert, sind die Verbrechen Baums. In dem Maße aber, in dem sich Baum in den Dienst der Imaginationen nehmen läßt, verliert er sein Ich und erst als 'lebender Leichnam' in der Zelle der eigenen Anstalt nimmt er wirklich Mabuses Stelle ein. Zwei Formen der medialen Repräsentation werden ins Spiel gebracht: der Text tritt an die Stelle von Mabuses Geist, Baum tritt an die Stelle von Mabuses Körper. Die Dissoziierung von Körper und Geist wird bis zum Bruch und zur Zerstörung des Stellvertreters getrieben. Mabuse freilich erhält sich - auf der Ebene der Filme, wie man aus der Mabuse-Serie der sechziger Jahre weiß. Im bleibt die Potenz, Filme anzuregen, Publika zu unterhalten, Film-Polizisten in Lohn und Brot zu setzen - und die populären Mythen über das schlechthin Böse zu perpetuieren. 45 (Prof. Baum:) "Wir beobachteten, daß Mabuses Hand ununterbrochen in der Luft, an der Wand, auf der Decke seines Bettes, Schreibbewegungen machte. Wir gaben ihm Bleistift und Papier, das er Anfangs mit völlig sinnlosen Kritzeleien bedeckte. [...] Dann bildeten sich Sätze, zunächst noch sinnlos und verworren, später immer zusammenhängender und logischer, und gaben uns [...] endlich Einblick das einmalige Phänomen dieses Gehirns. Seine Gedanken bewegen sich im gleichen kriminellen Ideenkreis wie früher" (E 66 ff.): Da er ihm das Schreibmaterial zur Verfügung stellt, ist Baum ganz aktiv an der Herstellung des Mabuseschen Textkonvoluts beteiligt. 46 Der im Gefängnis, also nach der Tatserie, zwanghaft schreibende Verbrecher ist Thema in Ernst Weiß' Erzählung Hodin von 1923 (deren Titelfigur auch auf M zu beziehen wäre: Hodins Text ist allerdings retrospektiv auf die Rekonstruktion der eigenen Verbrechen gerichtet; an der Deutung dieses Textes scheitert der 'Gefängnisarzt', der Text repräsentiert einen Täter, der (so) nicht zu verstehen ist. 47 Die Korrelation von Lebens- und Schreibzeit läßt an den Marquis de Sade bei Foucault denken: "Schreiben, um nicht zu sterben [...], ist wahrscheinlich eine Beschäftigung, die so alt ist wie das Wort" (Foucault 1979, S. 90); vgl. Meister 1990, S. 246: "In seinem [Sades] Gefängnis war die Sprache das letzte und einzige Mittel der Grenzüberschreitung. Diesen Prozeß der Übertretung ins Unterträgliche zu steigern, war sein Alltagsgeschäft". 48 Norbert Jacques Roman sagt genau dies: "Von Dr. Mabuse sprach eigentlich niemand mehr. [...] so blieb der Fall Mabuse [...] ein beinahe klassischer kriminalhistorischer Stoff, etwa wie Schinderhannes oder Marquise von Brinvilliers" (Jacques 1997, S. 9). 21 Fritz Langs Polizeifilme 6. Schlußbemerkung Es gibt in den beiden Filmen Langs, die hier vor allem zur Rede standen, die ganz normale Kriminalität (des Einbrechens, Betrügens, Durchstechens - bis hin zur Leidenschaftstötung), die nicht nur die Kriminellen, sondern auch die Polizeibeamten in Lohn und Brot erhält. In ihrem dauernden Einsatz scheinen sowohl Polizisten wie Verbrecher zu wissen, daß sie aufeinander angewiesen sind. Durch ihre Fahndungsarbeit, durch ihre Ab- und Ausgrenzungstätigkeit sorgt die Polizei für die begrenzte Entfaltungsmöglichkeit der Kriminalität; zu wissen, wie, wo und mit welchen Mitteln Kriminalität 'bekämpft' wird, eröffnet Spielräume für einzelne, die schlauer sind, und für Organisationen, die sich unterschiedliche Fähigkeiten zunutze machen. Umgekehrt: Hätte die Polizei den endgültigen Erfolg, fiele das Tätigkeitsfeld weg, in dem sie die individuellen und kollektiven Fähigkeiten ihrer Beamten und ihrer Apparate entwickeln kann. So inszenieren die Filme in der Strafverfolgung und im Verhältnis zwischen Polizei und Ganoven eine väterliche Obrigkeit, die einerseits den Guten ihren Schutz (um den Preis der Unterordnung) angedeihen läßt, die aber auch dem 'Normal-Abweichenden' einen gewissen Spielraum läßt. Die Wissenschaften von der Kriminalität und den Kriminellen sind Teil dieses Zusammenhanges; ihre Texte und Narrationen gewährleisten seine Dauerhaftigkeit. Sie erst sorgen dafür, daß der Verbrecher "nicht nur Verbrechen", sondern auch "einen Eindruck, teils moralisch, teils tragisch, je nachdem" produzieren kann, und so "der Bewegung der moralischen und ästhetischen Gefühle des Publikums einen 'Dienst'" leistet (Karl Marx: Theorien über den Mehrwert, Teil I). Die Normalität von Kriminalität grenzt sich ab gegen das radikal Andere, gegen 'das Böse an sich', das in M durch den Kindermörder, im Testament durch den kriminellen Despoten repräsentiert wird. An der Eliminierung des Bösen haben beide Seiten ein vitales Interesse, denn es gefährdet die Existenz sowohl der Polizei als auch der normalen Unterwelt. Die Repräsentanten des Bösen zeichnen sich in beiden Filmen dadurch aus, daß sie sich in der Öffentlichkeit (auf unterschiedliche Weise und mit unterschiedlichem Erfolg) als unüberwindlich darstellen. Indem sie so auf Machtlosigkeit und Lächerlichkeit der Polizei zu verweisen suchen, ziehen sie deren ganze Macht auf sich. Doch wenn die Polizei erst einmal Erfolg hat, entsteht für die Strafverfolgung ein neues Dilemma: Man kann, wie in M, das Böse als Krankheit erklären. Doch damit wird dem Täter Schuldfähigkeit und persönliche 'Motivierbarkeit' entzogen, aus juristischer Sicht entfällt die Legitimation von Strafe; der kranke Täter wird nicht mehr als Person gesehen, sondern als Körper, der einem fremden 'Willen' gehorcht - und allein deswegen ausgeschlossen, weggesperrt, ausgemerzt werden muß. So stellt das 'Böse' die Justiz selbst in Frage, wenn es nicht mehr als Teil der autonomen, schuld- und zurechnungsfähigen Person gesehen werden kann. Der Polizist, der sich in der 'Psychologie des Verbrechens' informiert (anstatt beispielsweise im 'Handbuch für Kriminalistik'), sucht insofern nicht nach Fahndungsanleitungen, sondern nach dem Sinn seiner Tätigkeit.49 Die Gefährdung der Unterwelt durch das 'Böse' ist vor allem im 49 "Hier hat ein kleiner Kriminalkommissar nichts mehr zu suchen" - bemerkt Lohmann angesichts Baums, der unzugänglich in seiner Zelle sitzt und Papiere zerreißt (s. Abb. 18, 19). Joachim Linder 22 Testament inszeniert: Die Unterordnung unter den Despoten zerstört den begrenzten Spielraum der Kriminellen und ihrer Organisationen. Und stärker noch als das 'Tribunal der Unterwelt' stellt Dr. Mabuse das Deutungsmonopol der Justiz (und der ihr 'angelagerten' Wissenschaften) in Frage. Das Böse sucht sich im Text auf Dauer zu stellen und Teil der Überlieferung zu werden. Die Filme thematisieren, daß die Zuschreibung von Monstrosität in Einzelfällen sowie die Beschäftigung allein mit dieser Monstrosität den Blick auf die sozialen Funktionen des Verbrechens einerseits und auf die Verknüpfung individueller Motive mit den allgemeinen Diskursen des Ausgrenzens und Aussonderns andererseits verstellt. Zwar setzen sich, sobald das Böse sich manifestiert und Spuren hinterläßt, Detektion und Strafverfolgung in Bewegung, Indiziensuche wird verbunden mit Kriminalitätshistorie, die, ehe sie neue Geschichten konstruieren kann, alte Texte ausgraben und interpretieren muß. Doch wenn am Ende die Polizei ihren Täter hat, dann setzt er, wenn er als Monster wahrgenommen wird, die Logik der Strafverfolgung wieder außer Kraft. Dem, wie gesagt, sucht Kommissar Kras zu entkommen auf eine andere Ebene, auf der die zwar die Sinnzuschreibungen und Erklärungen konkurrieren mögen, die aber in der Konkurrenz das Verfolgungssystem stabil auf Dauer halten wollen: Er könnte womöglich auch einen der gängigen Krimis lesen oder sie im Kino ansehen. Zitierte Filme Das Cabinet des Dr. Caligari. Deutschland 1919; Regie: Robert Wiene; Buch: Hans Janowitz, Carl Mayer. Dr. Mabuse, der Spieler. Deutschland 1921/22; Regie: Fritz Lang; Buch: Fritz Lang, Thea von Harbou. M - Eine Stadt sucht einen Mörder. Deutschland 1931; Regie: Fritz Lang; Buch: Fritz Lang, Thea von Harbou. Das Testament des Dr. Mabuse. Deutschland 1932; Regie: Fritz Lang; Buch: Thea von Harbou. Fury. USA 1936; Regie: Fritz Lang; Buch: Fritz Lang und Bartlett Cormack. Die 1000 Augen des Dr. Mabuse. BR Deutschland/Italien/Frankreich, 1960; Regie: Fritz Lang; Buch: Fritz Lang, Heinz Oskar Wuttig. Im Stahlnetz des Dr. Mabuse. BR Deutschland 1961; Regie: Harald Reinl; Buch: Ladislas Fodor, Marc Behm. Das Testament des Dr. Mabuse (1962). BR Deutschland 1962; Regie: Werner Klingler; Buch: Ladislas Fodor, Robert A. Stemmle. The Silence of the Lambs. USA 1990; Regie: Jonathan Demme; Buch: Ted Tally. 23 Fritz Langs Polizeifilme Zitierte Literatur Becker, Peter (1992a): "Randgruppen im Blickfeld der Polizei. Ein Versuch über die Perspektivität des 'praktischen Blicks". In: Archiv für Sozialgeschichte 32, S. 283304. Becker, Peter (1992b): "Vom 'Haltlosen' zur 'Bestie.' Das polizeiliche Bild des 'Verbrechers' im 19. Jahrhundert.' In: 'Sicherheit' und 'Wohlfahrt.' Polizei, Gesellschaft und Herrschaft im 19. und 20. Jahrhundert. Hg. von Alf Lüdtke. (Suhrkamp Taschenbuch Wissenschaft 991) Frankfurt/M., S. 97-132. Becker, Peter (1994): "Kriminelle Identitäten im 19. Jahrhundert. Neue Entwicklungen in der Historischen Kriminalitätsforschung." In: Historische Anthropologie 2, S. 142-57. Bellour, Raymond (1981): On Fritz Lang. (Translated by Tom Milne). In: Fritz Lang. The Image and the Look. Ed. by Stephen Jenkins. London, S. 26-37. Benjamin, Walter (1983): Das Passagenwerk. Hg. von Rolf Tiedemann. 2 Bde. (edition suhrkamp 1200) Frankfurt/M. Binding, Karl und Alfred Hoche (1920): Die Freigabe der Vernichtung lebensunwerten Lebens. Ihr Maß und ihre Form. Leipzig. Birnbaum, Karl (1914): Die psychopathischen Verbrecher. Die Grenzzustände zwischen geistiger Gesundheit und Krankheit in Ihren Beziehungen zu Verbrechen und Strafwesen. Handbuch für Ärzte, Juristen und Strafanstaltsbeamte. (Enzyklopädie der modernen Kriminalistik, hg. von Paul Langenscheidt, Band XI) Berlin. Black, Joel (1991): The Aesthetics of Murder. A Study in Romantic Literature and Contemporary Culture. Baltimore. Bronfen, Elisabeth (1997): "Die tödliche Schrift des Dr. Mabuse: Ein Spiel mit der Tiefe, dem Double, der Abwesenheit." In: Norbert Jacques: Das Testament des Dr. Mabuse. Mit dem Briefwechsel Norbert Jacques/Thea von Harbou/Fritz Lang und Aussagen Fritz Langs zu seinen Mabuse-Filmen, mit Essays von Elisabeth Bronfen, Michael Farin, Fritz Göttler, Hans Schmid, Georges Sturm und Michael Töteberg sowie Filmbildern und einer Bibliographie/Filmographie. (Rowohlt Taschenbuch 13954) Reinbek b. Hamburg, S. 323-334. Brück, Ingrid (1996): "Der Westdeutsche Fernsehkrimi: Anmerkungen zur Forschungslage." In: Einem Erfolgsgenre auf der Spur: Forschungsstand und Auswahlbibliographie. Zum Westdeutschen Fernsehkrimi. (HALMA Hallische Medienarbeiten Jg. 1), S. 2-40. Cremer-Schäfer, Helga und Heinz Steinert (1998): Straflust und Repression. (einsprüche 8) Münster. Dainat, Holger (1996): Abaellino, Rinaldini und Konsorten. Zur Geschichte der Räuberromane in Deutschland. (Studien und Texte zur Sozialgeschichte der Literatur, Bd. 55) Tübingen. Drexler, Peter (1999): "Der Deutsche Gerichtsfilm 1930-1960. Annäherungen an eine problematische Tradition." In: Verbrechen - Justiz - Medien. Deutsche Konstellationen von 1900 bis zur Gegenwart. Hg. von Joachim Linder und Claus- Joachim Linder 24 Michael Ort, in Zusammenarbeit mit Jörg Schönert und Marianne Wünsch. (Studien und Texte zur Sozialgeschichte der Literatur, Bd. 70), S. 387-401. Evans, Richard J. (1997): Szenen aus der deutschen Unterwelt. Verbrechen und Strafe, 1800-1914. Aus dem Englischen von Claudia Preuschoft. (rororo Sachbuch 60522) Reinbek bei Hamburg. Foucault, Michel (1979): "Das unendliche Sprechen (Le Langage à l'Infini, 1963)." In: M. F.: Schriften zur Literatur. Aus dem Französischen übersetzt von Karin von Hofer. Ullstein Buch 35011. Frankfurt/M. S. 90-103. Frehsee, Detlev (1997): "Fehlfunktionen des Strafrechts und der Verfall Rechtsstaatlichen Freiheitsschutzes." In: Konstruktion der Wirklichkeit durch Kriminalität und Strafe. Hg. von Detlev Frehsee, Gabi Löschper und Gerlinda Smaus. (Interdisziplinäre Studien zu Recht und Staat, Bd. 5) Baden-Baden, S. 1446. Goebbels, Joseph (1987): Die Tagebücher. Sämtliche Fragmente hg. von Elke Fröhlich im Auftrag des Instituts für Zeitgeschichte in Verbindung mit dem Bundesarchiv. 4 Bde. München u.a. Heindl, Robert (1913): Meine Reise nach den Strafkolonien. Berlin und Wien. Hühn, Peter. 'Der Detektiv Als Leser. Narrativität und Lesekonzepte in der Detektivliteratur.' In: Der Kriminalroman. Poetik - Theorie - Geschichte. Hg. von Jochen Vogt. UTB für Wissenschaft 8147, Große Reihe. München: Fink, 1998, S. 239-254. Jacques, Norbert (1997): "Dr. Mabuses letztes Spiel" (1932/1950). In: Das Testament des Dr. Mabuse. Mit dem Briefwechsel Norbert Jacques/Thea von Harbou/Fritz Lang und Aussagen Fritz Langs zu seinen Mabuse-Filmen, mit Essays von Elisabeth Bronfen, Michael Farin, Fritz Göttler, Hans Schmid, Georges Sturm und Michael Töteberg sowie Filmbildern und einer Bibliographie/Filmographie. (Rowohlt Taschenbuch 13954) Reinbek b. Hamburg, S. 7-214. Juliusburger, Ernst (1932): "Erich Wulffens Bedeutung für die psychische Hygiene." In: Erich Wulffen. Festschrift zu Seinem 70. Geburtstag. Hg. von Reichsgerichtsrat Dr. Baumgarten u. A. Berlin, S. 49-53. Kanzog, Klaus (1997): Einführung in die Filmphilologie. Mit Beiträgen von Kirsten Burghardt, Ludwig Bauer und Michael Schaudig. 2., aktualisierte und erweiterte Auflage. (diskurs film, Bd. 4) München. Keitz, Ursula von (1999): "Vom weiblichen Crimen zur kranken Frau. Narration und Argumentation zu 'Abtreibung' und 'Vernichtung lebensunwerten Lebens' im Film der Weimarer Republik und der NS-Zeit." In: Verbrechen - Justiz - Medien. Konstellationen in Deutschland von 1900 bis zur Gegenwart. Hg. von Joachim Linder und Claus-Michael Ort, in Zusammenarbeit mit Jörg Schönert und Marianne Wünsch. (Studien und Texte zur Sozialgeschichte der Literatur, Bd. 70) Tübingen, S. 357-386. Kracauer, Siegfried (1984): Von Caligari zu Hitler. Eine psychologische Geschichte des Deutschen Films. (1947) Mit 64 Abbildungen. Übersetzt von Ruth Baumgarten und Karsten Witte. (Suhrkamp Taschenbuch Wissenschaft 479) Frankfurt/M. 25 Fritz Langs Polizeifilme Krafft-Ebing, Richard von (1993): Psychopathia Sexualis. Mit Beiträgen von Georges Bataille u. a. München. Lang, Fritz (1987): "Der andere in uns." In: F. L.: Der Tod eines Karrieregirls und andere Geschichten. Hg. und kommentiert von Cornelius Schnauber. Wien, S. 11-56. Lang, Fritz (1963): M. Protokoll. Mit einem Interview des Regisseurs von Gero Gandert. (Protokolliert nach dem Original des Films von Gero Gandert und Ulrich Gregor). (Cinemathek 3) Hamburg. Lessing, Theodor (1925): Haarmann. Die Geschichte eines Werwolfs. (Außenseiter der Gesellschaft. Die Verbrechen der Gegenwart. Hg. von Rudolf Leonhard, Bd. 6) Berlin. Linder, Joachim und Claus-Michael Ort (im Ersch.): "Recht auf Den Tod - Pflicht zum Sterben. Diskurse über Tötung auf Verlangen, Sterbehilfe und 'Euthanasie' in Medizin, Recht und Literatur." In: Menschenbilder [...]. Hg. von Achim Barsch und Peter Hejl. Frankfurt/M. Linder, Joachim und Claus-Michael Ort (1999): "Zur sozialen Konstruktion der Übertretung und zu ihren Repräsentationen im 20. Jahrhundert." In: Verbrechen Justiz - Medien. Konstellationen in Deutschland von 1900 bis zur Gegenwart. Herausgegeben von Joachim Linder und Claus-Michael Ort in Zusammenarbeit mit Jörg Schönert und Marianne Wünsch. (Studien und Texte zur Sozialgeschichte der Literatur, Bd. 70) Tübingen, S. 3-80. Linder, Joachim und Jörg Schönert (1983): "Ein Beispiel: Der Mordprozeß gegen Christiane Ruthardt (1844/45). Prozeßakten, publizistische und literarische Dastellungen zum Giftmord.' In: Literatur und Kriminalität. Die gesellschaftliche Erfahrung von Verbrechen und Strafverfolgung als Gegenstand des Erzählens. Deutschland, England und Frankreich 1850-1880. Hg. von Jörg Schönert. (Studien und Texte zur Sozialgeschichte der Literatur, Bd. 8) Tübingen, S. 239359. Lindner, Martin (1999): "Der Mythos 'Lustmord.' Serienmörder in der deutschen Literatur, dem Film und der bildenden Kunst zwischen 1892 und 1932'. In: Verbrechen - Justiz - Medien. Konstellationen in Deutschland von 1900 bis zur Gegenwart. Hg. von Joachim Linder und Claus-Michael Ort, in Zusammenarbeit mit Jörg Schönert und Marianne Wünsch. Tübingen, S. 273-306. Lombroso, Cesare (o. J.): Genie und Irrsinn in ihren Beziehungen zum Gesetz, zur Kritik und zur Geschichte. Mit Bewilligung des Verfassers nach der 4. Aufl. des Italienischen Originaltextes übersetzt von W. Courth. Leipzig [ca. 1887]. Lombroso, Cesare (1907): Neue Verbrecherstudien. Autorisierte Übersetzung Aus dem Italienischen von Dr. Ernst Jentsch. Mit 35 Abbildungen im Text und auf 2 Tafeln. Halle a. S. Löschper, Gabi (1999): "Kriminologien und der Komplex Verbrechen-Justiz-Medien." In: Verbrechen - Justiz - Medien. Konstellationen in Deutschland von 1900 bis zur Gegenwart. Hg. von Joachim Linder und Claus-Michael Ort, in Zusammenarbeit mit Jörg Schönert und Marianne Wünsch. (Studien und Texte zur Sozialgeschichte der Literatur, Bd. 70) Tübingen, S. 81-100. Joachim Linder 26 Meister, Martina (1990): "Die Sprache, die nichts sagt und die nie schweigt. Literatur als Übertretung." In: Ethos der Moderne. Foucaults Kritik der Aufklärung. Hg. von Eva Erdmann, Rainer Forst und Axel Honneth. Frankfurt/M., S. 235-259. Meltzer, Ewald (1925): Das Problem der Abkürzung 'lebensunwerten Lebens.' Halle a. S. Pelckmann, Fritz (1990): "Das Recht des Arztes zur Tötung [1923]." In: Recht und Medizin. Hg. von Albin Eser unter Mitarbeit von Alfred Kürschner. (Wege der Forschung, Bd. 650) Darmstadt, S. 102-133. Peucker, Brigitte (1999): Verkörpernde Bilder - das Bild des Körpers. Film und die anderen Künste. Aus dem Amerikanischen von Sabine Zolchow. (Traversen 5) Berlin. Pfäfflin, Friedemann (1982): "Zur Lust am Lustmord." In: Der Nervenarzt 53, S. 547-50. Pick, Daniel (1989): Faces of Degeneration. A European Disorder, c. 1848 - c. 1918. Cambridge. Schneider, Peter (1987): '... Ein einzig Volk von Brüdern.' Recht und Staat in der Literatur. Frankfurt/M. Schulze-Witzenrath, Elisabeth (1979): "Die Geschichten des Detektivromans. Zur Struktur und Rezeptionsweise seiner klassischen Form." In: Poetica 12, S. 233-58. Seltzer, Mark. Serial Killers (1998): Death and Life in America's Wound Culture. New York and London. Steinert, Heinz (1997): "Über symbolisches und instrumentelles Strafrecht". In: Konstruktion der Wirklichkeit durch Kriminalität und Strafe. Hg. von Detlev Frehsee, Gabi Löschper und Gerlinda Smaus. (Interdisziplinäre Studien zu Recht und Staat, Bd. 5) Baden-Baden, S. 101-116. Strasser, Peter (1984): Verbrechermenschen. Zur kriminalwissenschaftlichen Erzeugung des Bösen. Frankfurt/M. und New York. Sturm, Georges (1997): "Mabuse, ein Bild der Zeit, ein Spiel mit dem Bild." In: Norbert Jacques: Das Testament des Dr. Mabuse. Mit dem Briefwechsel Norbert Jacques/Thea von Harbou/Fritz Lang und Aussagen Fritz Langs zu Seinen Mabuse-Filmen, mit Essays von Elisabeth Bronfen, Michael Farin, Fritz Göttler, Hans Schmid, Georges Sturm und Michael Töteberg sowie Filmbildern und einer Bibliographie/Filmographie. (Rowohlt Taschenbuch 13954) Reinbek b. Hamburg: Rowohlt, S. 336-359. Tatar, Maria M. (1995): Lustmord: Sexual Murder in Weimar Germany. Princeton, N.J. Tithecott, Richard (1997): Of Men and Monsters: Jeffrey Dahmer and the Construction of the Serial Killer. Foreword by James R. Kincaid. Madison, WI. Wulffen, Erich (1926): Kriminalpsychologie. Psychologie des Täters. Ein Handbuch für Juristen, Justiz-Verwaltungs- und Polizeibeamte, Ärzte, Pädagogen und Gebildete aller Stände. Berlin. Wulffen, Erich (1928): Der Sexualverbrecher. Ein Handbuch für Juristen, Polizei- und Verwaltungsbeamte, Mediziner und Pädagogen. Mit zahlreichen kriminalistischen Originalaufnahmen. 11. Aufl. (Encyklopädie der Kriminalistik. Sammlung von Einzelwerken berufener Fachmänner. Hg. von Kurt Langenscheidt) Hamburg. 27 Fritz Langs Polizeifilme Dr. Joachim Linder, Fürstenriederstraße 9, D-80687 München, e-mail: [email protected] Joachim Linder 28 Abbildungen: Abb. 1: Gert Fröbe als Kommissar Kras (Die 1000 Augen des Dr. Mabuse) Abb. 2: Otto Wernicke als Kommissar Lohmann, Auftritt in der Kellerkneipe (M) Abb. 3: Kommissar Lohmann am Schreibtisch (M) Abb. 4: Der Einbrecher (Friedrich Gnaß) und Kommissar Lohmann (M) Abb. 5: Gustav Gründgens koordiniert die Fahndung der Ganoven Abb. 6: Polizeikonferenz (M) Abb. 7: Konferenz der Ringvereine (M) Abb. 8: Stammtisch (M) Abb. 9: Blinder Ballonverkäufer (Georg John, M) Abb. 10: 'falscher' blinder Bettler (N. N., M) Abb. 11: Beckert stellt sich dar - und hinterläßt Spuren (M) Abb. 12: Das Tribunal der Unterwelt (M) Abb. 13: Beckert (Peter Lorre) betritt den Straßenraum (M) Abb. 14: Der Kindermörder gesteht (M) Abb. 15: Gerichtspublikum zwischen Abscheu und Mitleid (M) Abb. 16: Dr. Mabuse (Rudolf Klein-Rogge) verfaßt sein Testament Abb. 17: Enzyklopädie des Verbrechens - ungeordnet (Testament) Abb. 18: Prof. Baum (Oscar Beregi, Sr.) in der Zelle (Testament) Abb. 19: Kommissar Lohmann und Hofmeister (Karl Meixner) vor der Zelle Baums (Testament)