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Inhalt 4 Grußworte Renke Brahms Probst Martin Schomacker 65 Umbau des evangelischen Gemeindezentrums Matthias-Claudius Axel Krause 7 Vorwort Eberhard Syring 71 Denkmalpflege und moderner Kirchenbau Georg Skalecki 12 2009 bis 2016 – Was inzwischen geschah Bauen in der Bremischen Evangelischen Kirche Axel Krause 79 „Man muss seine eigene Haltung finden“ – Ein Gespräch mit Karl-Heinz Bruns Eberhard Syring 16 Von kreativer Umnutzung bis Abriss – Veränderungen katholischer Gotteshäuser in Bremen seit 2009 Martina Höhns 85 „Das war damals die Zeit des Umbruchs“ – Ein Gespräch mit Hermann Brede Eberhard Syring 20 Zwischen Kultraum und Gemeindezentrum – Neue Kirchen in Bremen nach 1945 Sunke Herlyn 49 Die neue Synagoge in Bremen Sunke Herlyn 51 Die Fatih-Moschee in Bremen Sunke Herlyn 53 „Doxologie in Stein“. Katholische Kirchenbauten in Bremen im Wandel der Zeit – Herz-Jesu als Beispiel einer Umnutzung Martina Höhns 93 99 Der Umgebung verpflichtet – Ein Gespräch mit Claus Hübener Eberhard Syring „Vom Raum positiv empfangen werden“ – Ein Gespräch mit Ulrich Tilgner Sunke Herlyn 103 Kirche – mehr als eine Immobilie Thomas Erne 115 Katalog Katrin Höpker und Eberhard Syring 266 Glossar, Autoren, Bildnachweis 3 Zwischen Kultraum und Gemeindezentrum Neue Kirchen in Bremen nach 1945 Sunke Herlyn „Die Liturgie ist die Bauherrin“. Diese Feststellung des Kunsthistorikers Cornelius Gurlitt verdeutlicht die besondere Stellung des Kirchenbaus in der europäischen Baukultur: Gebäudekonzeption und architektonische Gestalt entspringen nicht nur – wie im Profanbau üblich – zweckrationalen und ästhetischen Erwägungen, sondern zu allererst einem durch die kirchliche Liturgie geprägten Streben der christlichen Gemeinden nach Gottesnähe im Kirchenraum. Erst die „religiöse Kommunikation“ – wie Thomas Erne in diesem Buch darlegt – macht den Architekturraum zum Kirchen- bzw. Sakralraum. So ist der Begriff „Gotteshaus“ zur Bezeichnung von Kirchen seit Jahrhunderten geläufig. Deutlich wahrnehmbar hebt sich daher der Kirchenbau aus der alltäglichen Architektursprache der jeweiligen Zeit heraus. Die Kathedralen des Mittelalters mögen dies ebenso belegen wie der moderne Kirchenbau mit seinen expressiven Bauformen. Diese liturgisch bestimmte Heraushebung findet sich nicht nur in der sakralen Architektur der Kirchenbauten, sondern auch in dem Anspruch ihrer Bauherren nach Überzeitlichkeit und Einmaligkeit des geschaffenen Bauwerks. Dies mag erklären, warum sich Kirchenbauten häufig dem sonst üblichen Veränderungsdruck und der Anpassung an gewandelte Bedürfnisse entziehen. Wir stoßen daher heute auf baulich kaum veränderte Sakralbauten, die den Geist und die Inspiration ihrer Bauzeit widerspiegeln – ein Umstand, der die Spurensuche und Erforschung des modernen Kirchenbaus wesentlich erleichtert. 20 Kirchenbau im Aufbruch Historisch betrachtet steht der moderne Kirchenbau in der Tradition der kirchlichen Reformbewegungen des 20. Jahrhunderts. Während bis in die Mitte des Jahrhunderts noch tradierte Formen der Neoromanik und der Neogotik vorherrschten – gelegentlich mit modernen Fassadenelementen dekoriert –, gab es zeitgleich in beiden Konfessionen Bestrebungen, die Sakralbauten auf urchristliche Prinzipien zurückzuführen und für die Gemeinde funktional und gestalterisch zu öffnen. Auf katholischer Seite waren es vor allem die Bauten und Schriften der Kirchenarchitekten Dominikus Böhm und Rudolf Schwarz, die im Zeichen der liturgischen Bewegung für „Wahrhaftigkeit“ im Kirchenbau und Beschränkung auf wenige wesentliche Raumfiguren eintraten. Den protestantischen Kirchenbau prägten unter anderen Otto Bartning und Martin Elsässer mit ihrem schon 1920 erschienenen Buch „Vom neuen Kirchenbau“, in dem sie sich für eine liturgisch begründete „Einfalt des Sakralraumes“ einsetzten. Die gesellschaftliche Erneuerung nach dem Zweiten Weltkrieg führte auch in der kirchlichen Baukultur zu einem radikalen Umdenken. Ausgehend von umfassenden Reformansätzen der evangelischen Synoden und Kirchenbautage sowie des Zweiten Vatikanischen Konzils wurde das Kirchenbauprogramm beider Konfessionen von strengen Gestaltungsfesseln befreit und für zeitgemäße Baukonzepte geöffnet. Die theologische Reform des Gottesdienstes, die vor allem die Distanz von Klerus und Gemeinde zu überwinden suchte, erlaubte nun auch neue, oft ungewohnte Grundrissformen des Kultraumes. Neben der vom alten Kathedralenbau abgeleiteten Längsausrichtung des „gerichteten Raumes“ mit strenger Orientierung des Gestühls auf den Altar traten immer mehr zentrierende Grundrisskonzepte auf, wie sie Otto Bartning bereits 1929 in der Essener Auferstehungskirche entwarf (siehe Beitrag von Thomas Erne). Solche dem Zentralbau der Ostkirche oder später der protestantischen Predigtkirche entlehnten Raumauffassungen förderten mit ihrer zentralen Aufstellung des Altars die von theologischer Seite geforderte Hinwendung der Pastoren zur Gemeinde. Wieder andere lösten sich ganz von den herkömmlichen Baukonzepten, indem sie halbrunde, asymmetrisch geschwungene, vieleckige oder fächerförmige Grundrisse entwarfen und damit ihre Vorstellungen von Spiritualität und gemeindlicher Zentrierung baulich zum Ausdruck brachten. Nicht selten wurden solche „freien“ Raumbildungen mit semantischen Inhalten unterlegt, zum Beispiel Dreiecksformen als Symbol für die Dreieinigkeit oder fischförmige Grundrisse als Christussymbol, wie bei der Bremer St. Hedwig Kirche. Der neuen Entwicklung im Sakralbau kamen natürlich auch neue Materialien und Konstruktionsweisen entgegen. Während zum Beispiel Stahl und Glas transparente und auch transzendente Raumwirkungen erzeugten – erinnert sei hier an die Expo-Kirche in Hannover –, erlaubte der Baustoff Beton eher skulpturale, archaische Raumbildungen, wie wir sie bei den Kirchen von Gottfried Böhm antreffen. Beton und Ziegelstein avancierten später zu den im Kirchenbau meist verwendeten Materialien, kamen sie doch dem Wunsch nach „Entdekorierung“ (Kölner Kirchenbautag 1953), Kargheit und kultischer Strenge besonders entgegen. Bei aller theologischen Öffnung wünschte man sich offensichtlich für die Predigt und das Gebet doch eher verinnerlichende, von Reizüberflutungen des Alltags abgeschirmte Räume, die eine festliche, transzendente Wirkung entfalteten. Der neuen Öffnung des Kirchenbaus entsprach auch ein gewandeltes GemeindeMariendom in Neviges leben. Nach all den Schrecken des Krieges gab es einerseits ein neues Verlangen nach Spiritualität, ethischer Orientierung und Innerlichkeit, das sich im Wunsch nach neuen Kulträumen niederschlug. Andererseits aber wuchsen der Gemeinde auch neue Aufgaben der kirchlichen Diakonie und Integration von Zuwanderern und Flüchtlingen zu, was ein umfangreiches Gemeindezentrum mit Sozial- und Gruppenräumen erforderlich machte. Es ist daher nicht verwunderlich, dass die Kirchen der Nachkriegszeit überwiegend als Gemeindezentren konzipiert wurden, die funktional und architektonisch von einem spannungsreichen Neben- und Ineinander von Kultraum und Gemeinderäumen geprägt waren. Neuere Baumodelle überwanden häufig sogar die strenge Trennung von Kirchen- und Gemeinderaum, indem sie bei starkem Gottesdienstbesuch eine räumliche Verbindung beider Bereiche anstrebten oder von vornherein variable Nutzungen des einen und des anderen Bereiches konzipierten. So finden wir heute im Kirchenbau eine Fülle mehr oder weniger ungewöhnlicher Raumkonzepte, die mit unterschiedlicher architektonischer Qualität eine Antwort auf die liturgischen Vorgaben und spirituellen Empfindungen der Gemeinden und ihrer Funktionsträger geben. Im 21 Folgenden sollen das Spektrum und der gestalterische Reichtum kirchenbaulicher Äußerungen unserer Zeit am Beispiel des Bremer Kirchenbaus der Nachkriegszeit aufgezeigt werden. Der Kirchenbau dieser Stadt erfuhr in den 1950er-, 1960er- und frühen 1970er-Jahren einen bis dahin nicht gekannten Aufschwung – Grund genug, den verschiedenen Stilrichtungen im historischen, städtebaulichen und gemeindlichen Kontext nachzuspüren. Bremen nach 1945 – neue Stadtteile, neue Kirchen Nach dem Einwohnerverlust während des Krieges stieg die Einwohnerzahl Bremens infolge der Rückwanderung der Bremer Bevölkerung und des Flüchtlingszustroms aus dem Osten von 289.000 (1945) auf 507.000 (1955). Enorme Kraftanstrengungen der Stadtgemeinde waren erforderlich, um insbesondere die Wohnungsnot zu beheben. Alte Stadtteile wurden wiederaufgebaut, neue Quartiere entstanden in den Außenbereichen. Die Entwicklung kulminierte in der Revitalisierung des „Neuen Westens“ (22.000–25.000 Einwohner) und der Errichtung der Neuen Vahr (40.000 Einwohner). Diese und viele spätere Wohnungsbauquartiere folgten dem damals bevorzugten städtebaulichen Prinzip der „Gegliederten und aufgelockerten Stadt“, bei dem im Idealfall sogenannte Nachbarschaften mit eigenen Zentren ausgestattet und durch großzügige Verkehrsbeziehungen untereinander verbunden wurden. Erst Mitte der 1970er-Jahre kam dieses Stadtwachstum – ausgelöst durch wirtschaftliche und demografische Einbrüche – zum Stillstand. Die Bremer Kirchengemeinden waren durch den Krieg und die Naziherrschaft schwer getroffen. Der mit Unterstützung der amerikanischen Militärregierung bereits am 15. Juni 1945 zusammengerufene Kirchenausschuss der Bremischen Evangelischen Kirche (BEK) knüpfte an die freiheitliche Kirchenverfassung von 1920 an, um das 22 Gemeindeleben neu und demokratisch zu ordnen. Die in der Präambel verbriefte Glaubens-, Gewissens- und Lehrfreiheit der Gemeinden – einmalig in der Evangelischen Kirche Deutschlands (EKD) – stärkte fortan die Gemeindeautonomie und mit ihr das Selbstbewusstsein und auch die Baufreudigkeit der Gemeinden. Auf katholischer Seite blieben die Organisationsstrukturen der Vorkriegszeit entsprechend der Verfassung von 1929 erhalten und mit ihr auch die Zugehörigkeit der katholischen Gemeinden einerseits zum Bistum Osnabrück (Stadt Bremen) und andererseits zum Bistum Hildesheim (Bremen Nord). Durch die Zuwanderung vor allem aus dem Osten wuchs die dem Bistum Osnabrück zugehörige Zahl der katholischen Neubürger von 25.600 (1929) auf 34.000 (1954) an. Das Mitte der 1950er-Jahre einsetzende Stadtwachstum und der damit einhergehende wirtschaftliche Aufschwung führten nach den Notmaßnahmen der ersten Nachkriegsjahre zu einer Expansion bestehender und Ausgründung neuer Kirchengemeinden. 65 heute noch existierende Kirchen mit Gemeindezentren wurden binnen weniger Jahrzehnte bis Mitte der 1970er-Jahre errichtet – davon 15 katholische und 40 protestantische Kirchen. Wir finden sie fast ausschließlich in den Außenbezirken der Stadt: etwa je ein Fünftel im Westen, im Süden und im Norden, der weitaus größere Teil mit zwei Fünfteln im Osten der Stadt, woran deutlich wird, wo die Siedlungsschwerpunkte lagen. Hinzu kommen vier neue Kapellen auf dem Huckelrieder, Hemelinger und Waller Friedhof sowie auf dem Blumenthaler Waldfriedhof, jeweils eine Kirche auf dem Gelände des Zentralkrankenhauses Mitte und des Diakonissenkrankenhauses Gröpelingen sowie eine Vielzahl kleinerer Sakralbauten auch anderer Religionsgemeinschaften, auf die hier nur in Einzelfällen eingegangen werden kann. Außerdem entstanden im Umfeld alter Kirchen häufig neue Gemeindezentren. Viele der Gemeinden suchten entsprechend dem städtebaulichen Nachbarschaftsprinzip die Verortung ihrer Zentren inmitten der Stadtteile, um sich der Alltagswelt öffnen zu können. In Kattenturm, in Findorff oder in der Neustadt liegen die Kirchenzentren sogar unmittelbar neben einem Einkaufs- oder Stadtteilzentrum. Baulich passen sich die Gemeindezentren dem Maßstab der umliegenden Bebauung an, nur die herausragenden Kirchtürme markieren die besondere sakrale Funktion des jeweiligen Gemeindezentrums im städtebaulichen Kontext, ein „öffentliches Zeichen der Transzendenz“, wie Thomas Erne sagt. In einigen Fällen bildet sogar der Turm das Eingangsportal zur Kirche oder zum Gemeindezentrum. Die katholischen Kirchen verzichteten dagegen entsprechend einem Appell des Hilfswerks Misereor in den meisten Fällen auf aufwendige, kostenträchtige Kirchtürme und somit auch auf deren städtebauliche Signalwirkung. Bremer Baukultur – der Tradition verpflichtet Die Bremer Architekturdiskussion der Nachkriegszeit war bestimmt von einem Spannungsfeld zwischen Traditionalisten und Modernisten, deren Meinungsverschiedenheiten vor allem im Siedlungsbau offen und heftig ausgetragen wurden. Rückblickend hat sich eher eine traditionelle Baugesinnung, erkennbar an der häufigen Verwendung von Ziegelmauerwerk und Satteldächern, in der Bremer Baukultur durchgesetzt. Offensichtlich wirkte der in Norddeutschland seit Anfang des 20. Jahrhunderts gepflegte niederdeutsche Heimatstil mit seiner Materialtreue und seinen handwerklich soliden Gebäudekonstruktionen stilprägend auch für die Architektur nach dem Kriege. Erst seit den 1960er-Jahren finden wir – wenn auch in sehr zurückhaltender Weise – modernere Architekturformen, erkennbar z. B. an asymmetrischen Baukonzepten, Flachdächern und gerasterten Fassaden. Kirchenturm als Eingangstor der Christuskirche, Vahr 23 19 Katholische Heilig-Kreuz-Kirche (bis 2014) Architekt Leo Golombek, Bremen Eingeweiht am 13. August 1960 Blumenthal-Bockhorn, Treuburger Platz 10 Durch den Fortfall eines ursprünglich geplanten Glockenturms wirkt das längliche Gebäude mit schlichtem Satteldach an der Südseite des Treuburger Platzes eher profan, fast einer Turnhalle ähnlich. Lediglich ein Rundfenster an der Eingangsseite, überlagert durch ein griechisches Kreuz, setzt ein äußeres sakrales Zeichen. Das Haus sollte als zweite Kirche für die auf 8.000 Seelen angewachsene Blumenthaler Gemeinde dienen sowie als Garnisonskirche für rund 600 katholische Bundeswehrangehörige der nahen Schwaneweder Kaserne. Unter der Orgelempore betritt man den durch das sichtbar gelassene Betontragwerk gegliederten Kirchenraum mit leicht eingerücktem Altarbereich. Bemerkenswert ist die Deckenuntersicht mit sich spreizendem Gebälk. Der Raum wirkt hell. Die Nordwand ist in große, mit Buntglas gestaltete Fensterflächen aufgelöst. An der Südseite mit Seitenschiff erfolgt der Lichteinfall vor allem über ein Fensterband mit Klarglas im Obergaden. Im November 2014 wurde das Gebäude profanisiert und privat verkauft. Ein Umbau zu Wohnzwecken ist in Planung. Die Inneneinrichtung wurde einer Gemeinde in Polen und die Orgel einer Gemeinde in der Ukraine geschenkt. Sitzplätze 350 Kunst und Ausstattung Fenster: Claus Kilian Orgel: Fa. Walker 152 Abbildungen • • Eingangsfront Zeichnung mit geplantem Turm • • • • Buntglasfenster im Bereich der Orgelempore Fensterdetail Blick zum Altar Übergang zur Altarzone 153 39 Kapelle Waldfriedhof Architekt Bauamt Bremen Nord (Baurat Uhlhorn) Eingeweiht am 10. August 1966 Blumenthal, Turnerstraße 201 Die Kapelle liegt auf einer leichten Anhöhe im Zentrum des Friedhofs. Östlich schließt ein flach gehaltener Flügel mit Nebengebäuden an. Der Sakralbau selbst zeigt eine außergewöhnliche formale Lösung, die auf einem raffinierten Aufbau aus sechs Dreiecksflächen über einem trapezförmigen Grundriss basiert. Geht man axial auf den Eingang zu, hat man den Eindruck, vor einem Haus mit zum Boden heruntergezogenem Dach zu stehen. Doch der Seitenblick verrät: Die kupfergedeckten Dachflächen erweisen sich als auf der Spitze stehende Dreiecke, deren gegenüberliegende Seiten, die zusammen die Firstlinie der Kapelle bilden, vom Eingangsgiebel ausgehend ansteigen und auf der Rückseite einen schmaleren und steileren Giebel bilden. Zwischen den Dachdreiecken und dem rückwärtigen Giebel verlaufen zwei leicht nach innen geneigte dreieckige Sichtbetonwände. Der steile Giebel ist verglast. Er befindet sich im Rücken des Katafalks und bietet den Trauergästen einen beeindruckenden Blick in die Waldlandschaft. Sitzplätze 70 Abbildungen • • Eingangsseite Blick zur Empore • • • Entwurfszeichnung Rückfront Blick von der Empore 192 193 57 Evangelische Dietrich-Bonhoeffer-Gemeinde Architekt Carsten Schröck, Bremen Eingeweiht am 5. November 1971 Huchting, Luxemburger Straße 29 Das Dietrich-Bonhoeffer-Gemeindezentrum steht für die seinerzeit verbreitete Haltung einer „Entsakralisierung“ des Kirchenbaus. Auf einen Turm wurde bewusst verzichtet. Die zeltartige Anmutung der Seilnetzkonstruktion versinnbildlicht eine offene, an den konkreten Bedürfnissen der Menschen ansetzende Gemeindearbeit. In seiner durch banale Miethauszeilen geprägten Umgebung wirkt die Gestalt des Gebäudes, ein unsymmetrisches, organisches Gebilde, geradezu provozierend. Die Konstruktion wurde in Zusammenarbeit mit dem bekannten Tragwerksplaner Frei Otto entwickelt, der sich durch den Deutschen Expo-Pavillon in Montreal (1967) und die Zeltdächer im Münchner Olympiapark (1972) einen Namen gemacht hatte. Anders als bei der sieben Jahre zuvor gebauten St. LukasKirche in Grolland vom selben Architekten ist das Seilnetz nur auf das Dach beschränkt, was am Übergang von Wand und Dach zu konstruktiv problematischen Anschlusspunkten führt. Das Zeltdach hängt von zwei hohen Betonpfeilern herab und wird über drei niedrige Pfeiler „gespannt“. Darunter befindet sich der fünfeckige Hauptraum, der als Sakral- und Gemeinderaum genutzt werden soll. Niedrig und um einen Hof gruppiert schließen die anderen Bauten des Zentrums an. Durch eine spätere bauliche Erweiterung des Gemeindezentrums (Architekt: William Weiss) wurde die plastische Wirkung des Kirchenbaus beeinträchtigt. Sitzplätze ca. 150 228 Abbildungen • Aus jedem Blickwinkel anders – das expressive Seilnetzdach • • • • Ansicht von der Heinrich-Plett-Allee Blick zum Altar Ein aufragender Pfeiler Blick zur Empore 229