Thieme: Streitgespräche auflösen
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Thieme: Streitgespräche auflösen
HINTERGRÜNDE Streitgespräche auflösen Wie Sie gemeinsam zum Ziel kommen Xavier Amador übersetzt von Bella Wohl Georg Thieme Verlag Stuttgart · New York Bella Wohl Theresiengasse 42/2/1a 1180 Wien Österreich Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar. Originalausgabe: I’m right, you’re wrong, now what?, Copyright © 2008 by Xavier Amador, Ph.D., Published by Arrangement with VIDA PRESS LLC Dieses Werk wurde vermittelt durch die Literarische Agentur Thomas Schlück GmbH, 30827 Garbsen © 2015 Georg Thieme Verlag KG Rüdigerstraße 14 70469 Stuttgart Deutschland Printed in Italy Umschlaggestaltung: Thieme Verlagsgruppe Umschlagfoto: Thieme Verlagsgruppe Redaktion: Katharina Esmarch, Hamburg Satz: SOMMER media GmbH & Co. KG, Feuchtwangen gesetzt in Arbortext APP-Desktop 9.1 Unicode M180 Druck: LEGO S.p.A, Vicenza Auch erhältlich als E-Book: eISBN (PDF) 978-3-13-198911-6 eISBN (epub) 978-3-13-198921-5 Für Angaben über Dosierungsanweisungen und Applikationsformen kann vom Verlag jedoch keine Gewähr übernommen werden. Jeder Benutzer ist angehalten, durch sorgfältige Prüfung der Beipackzettel der verwendeten Präparate und gegebenenfalls nach Konsultation eines Spezialisten festzustellen, ob die dort gegebene Empfehlung für Dosierungen oder die Beachtung von Kontraindikationen gegenüber der Angabe in diesem Buch abweicht. Eine solche Prüfung ist besonders wichtig bei selten verwendeten Präparaten oder solchen, die neu auf den Markt gebracht worden sind. Jede Dosierung oder Applikation erfolgt auf eigene Gefahr des Benutzers. Autoren und Verlag appellieren an jeden Benutzer, ihm etwa auffallende Ungenauigkeiten dem Verlag mitzuteilen. Alle genannten Personen und dargestellten medizinischen Sachverhalte und Krankheiten sind fiktiv. Etwaige Übereinstimmungen mit tatsächlichen Personen oder Sachverhalten sind zufällig und nicht beabsichtigt. www.thieme.de ISBN 978-3-13-198901-7 Wichtiger Hinweis: Wie jede Wissenschaft ist die Medizin ständigen Entwicklungen unterworfen. Forschung und klinische Erfahrung erweitern unsere Erkenntnisse, insbesondere was Behandlung und medikamentöse Therapie anbelangt. Soweit in diesem Werk eine Dosierung oder eine Applikation erwähnt wird, darf der Leser zwar darauf vertrauen, dass Autoren, Herausgeber und Verlag große Sorgfalt darauf verwandt haben, dass diese Angabe dem Wissensstand bei Fertigstellung des Werkes entspricht. 123456 Geschützte Warennamen (Warenzeichen ®) werden nicht immer besonders kenntlich gemacht. Aus dem Fehlen eines solchen Hinweises kann also nicht geschlossen werden, dass es sich um einen freien Warennamen handelt. Das Werk, einschließlich aller seiner Teile, ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwendung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlages unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen oder die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Für Bob, der immer loyal ist. Komm bald nach Hause. Anmerkung des Verfassers Zum Schutz der Identität der in diesem Buch beschriebenen Personen wurden – mit einer Ausnahme, dem Transkript aus einer Fernsehdokumentation, an der ich beteiligt war – die Namen, gewisse biografische Daten und andere Merkmale geändert. Als Beispiele verwende ich häufig zusammengesetzte Fälle, um die Privatsphäre zu wahren und bestimmte Aussagen deutlicher hervorzuheben. Wenn nicht anders angegeben, habe ich persönliche Gespräche aus der Erinnerung und teils anhand von Notizen rekonstruiert, wobei sachliche Fehler unvermeidlich sind. Dennoch war ich stets bemüht, Probleme und Gespräche wahrheitsgetreu darzustellen. 6 Danksagung In erster Linie bin ich den Tausenden von Menschen zu großem Dank verpflichtet, die im Laufe der Jahre an meinen LEAP-Seminaren teilgenommen haben. Ihre Kommentare und Herausforderungen, die eingebrachten Probleme und gemeinsamen Rollenspiele haben mir manches verdeutlicht, was ich anders nicht hätte lernen können. Deshalb, und weil viele von ihnen mich gebeten haben, es zu schreiben, ist dieses Buch auch ihr Buch. Obwohl all diese Personen nicht namentlich als Autoren genannt sind, wäre das Buch ohne sie niemals entstanden. Bedanken möchte ich mich auch bei Brenda Copeland und ihren Kollegen vom Hyperion-Verlag, die das Projekt von Anfang an mit großem Engagement begleiteten. Wie mein guter Freund Stephen King so treffend feststellt: „Schreiben ist menschlich, Lektorieren ist göttlich.“ Danke, Brenda, dass das Buch durch deine Unterstützung so viel besser geworden ist, als es ohne dich jemals hätte werden können. Übrigens kenne ich Stephen King nicht persönlich, doch seine Bemerkungen über Verleger klingen, wie vieles andere, was er schreibt, so logisch, dass es mir oft vorkommt, als wären wir gute Bekannte. Brenda hat viel dazu beigetragen, meinen Text glaubhafter wirken zu lassen; ein größeres Geschenk kann man einem Autor kaum machen. Mein besonderer Dank gilt Steve und Barbara Delinsky für ihre eindringliche Ermutigung, Kontakt mit Susan Ginsberg von der Literaturagentur Writer’s House aufzunehmen. Ihr hattet recht! Vielen Dank, Susan, für dein Vertrauen, deine Unterstützung und deinen Rat. Du hast mir nicht nur bei diesem Buch geholfen, sondern mich auch motiviert, über meine Perspektiven als Autor nachzudenken. Ich freue mich, dass ein gemeinsamer Weg vor uns liegt. 7 Zahlreiche Menschen haben in unterschiedlichster Weise an der Entstehung dieses Buches mitgewirkt; sie haben frühere Versionen des Manuskripts gelesen und mir Feedback gegeben, haben mir ihre Geschichten erzählt oder mit mir debattiert, weil ihnen die Veröffentlichung am Herzen lag. Zu ihnen gehören Henry Amador; Maria Cristina Bielefeld; Gerry Spence; Jaime und Dylan Mackay, Mary Beth Polek; Liz und Tom Brondolo; Bob Leahy; Jim, Yvgette; Noah und Thomas Mina; Hilda Speicher; Bruce Hubbard; Sandra und Marcela Davila; Rachel McCoy; Elizabeth Pappadopolous; Lisa Hunter; Jason Savage; Dave Schaich; Angela Noncarrow; Judy Kern, Les Pockwell; Emily Saladino; und Bethany Strout. Sollte ich jemanden vergessen haben, dem Dank gebührt, wird er mir bestimmt wieder einfallen, sobald das Manuskript in Druck geht! Ich werde mich dann persönlich bei dir bedanken und hoffe, du fühlst dich nicht gekränkt, denn auch wenn ich deinen Namen kurzzeitig nicht im Kopf hatte, bewahre ich ihn immer in meinem Herzen. Xavier Amador 8 Autorenvorstellung Dr. Xavier Amador Dr. Xavier Amador ist klinischer Psychologe. Er führt das von ihm gegründete LEAP-Institut und bekleidet derzeit eine Gastprofessur für Psychologie an der State University in New York. Seit über 30 Jahren ist der renommierte, international tätige Wissenschaftler in der psychologischen Beratung von Paaren, Familien und Kindern tätig. 9 Inhaltsverzeichnis Einleitung ................................................. 12 Vorbereitung auf LEAP . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 26 Ich bin im Recht, Du bist im Unrecht – Wie man erkennt, dass man in einer Sackgasse steckt . . . . . . . . . . 27 Worauf kommt es Ihnen wirklich an? . . . . . . . . . . . . . . . . . . 53 Lernen zu geben, um das zu kriegen, was man wirklich will . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 70 Wie Sie LEAP lernen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 80 Die Psychologie von LEAP ............................... 81 Bevor Sie LEAP anwenden – Anhalten und in beide Richtungen schauen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 93 Zuhören – und entwaffnen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 114 Empathie zeigen – um Freundschaft zu schließen . . . . 140 Was nun? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 155 10 Sich mit dem Gegner abstimmen ....................... 175 Partnerschaftlich handeln – um Ihr Ziel zu erreichen . 191 LEAP für die unterschiedlichsten Arten von Sackgassen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 200 LEAP zur Verbesserung der häuslichen Beziehungen. . 201 LEAP für bessere Beziehungen am Arbeitsplatz ....... 223 Dienstleister zur Mitarbeit bewegen – mithilfe von LEAP . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 249 LEAP bei Verleugnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 266 LEAP als Türöffner. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 297 LEAP fürs Leben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 313 11 Einleitung Durchgefallen – was nun? Ich bin durchgefallen. Ich wusste es gleich beim Lesen der ersten Frage. Mein Körper erstarrte, mein Sichtfeld verengte sich, der Hörsaal wurde dunkel. Der Stift drohte meinen verschwitzten Händen zu entgleiten, sämtliche Prüfungsaufgaben verwandelten sich in Hieroglyphen. In diesem Moment begriff ich, dass ich das statistische – ich nannte es insgeheim das „sadistische“ – Abschlussexamen nicht bestehen würde. Ich war verloren und hätte den Saal sofort verlassen sollen. Der einzige Grund, warum ich blieb, war David, der Lehrassistent, der die Prüfung beaufsichtigte: er war zwei Jahre lang mein Statistiktutor gewesen und glaubte an mich; meine bis dahin guten Noten rechtfertigten seine Zuversicht. „Ich habe schlechte Nachrichten für dich“, sagte David zwei Tage später, als wir uns in der Uniklinik der New York University trafen, wo wir Patienten betreuten. „Lass uns in einen der Therapieräume gehen und reden.“ Seine Wahl des Ortes für die Übermittlung der schlechten Nachricht hätte mich fast zum Lachen gebracht. Stattdessen erwiderte ich: „Ich weiß, ich habe die Abschlussprüfung verbockt.“ „Damit hatte ich wirklich nicht gerechnet“, erklärte er bedauernd. „Du hast den Stoff doch verstanden. Was ist passiert?“ „Ich bekam eine Panikattacke und war völlig blockiert.“ David schlug vor, ich solle Professor Cohen anrufen, ihm die Situation erklären und darum bitten, die Prüfung noch am gleichen Tag wieder12 Einleitung holen zu dürfen. Er sprach sogar im Vorfeld mit ihm und legte ein gutes Wort für mich ein, sodass ich einigermaßen hoffnungsvoll zum Telefon griff. „Hallo“, meldete sich eine tiefe, missmutige Stimme. „Dr. Cohen, hier spricht Xavier Amador. Ich glaube, David hat meinen Anruf angekündigt“, erklärte ich hektisch und aus unerfindlichen Gründen etwas kurzatmig. „Ja, ja, hat er, aber ich sehe nicht, was ich für Sie tun kann. Ich habe noch niemandem gestattet, die Abschlussprüfung zu wiederholen. Das hat’s bei mir noch nie gegeben.“ „Darf ich Ihnen erläutern, was passiert ist, bevor Sie eine endgültige Entscheidung treffen?“ „Das hat mir David schon erzählt“, erwiderte der Professor ungeduldig, „aber wenn Sie darauf bestehen, schießen Sie los.“ Ich erinnerte ihn an meine bisherigen Noten und erwähnte mein kleines – und nun ziemlich großes – Problem: meine Angst vor Mathematik. Er war Psychologe, sodass ich hoffte, mein Geständnis würde sein Mitgefühl wecken. Dann brachte ich mein überzeugendstes Argument für eine Wiederholung der Prüfung ins Spiel. „Wenn ich Ihren Kurs nicht bestehe, muss ich nochmal Studiengebühren zahlen und ein ganzes Jahr auf die Verleihung meines Doktortitels warten – aus meiner Sicht ein unverhältnismäßig hoher Preis für mein Versagen in diesem einen Abschlusstest. Alle anderen Klausuren in den letzten zwei Jahren habe ich doch bestanden.“ „Es tut mir leid, aber ich kann unmöglich einen derartigen Präzedenzfall schaffen. Sobald ich Ihnen das gestatte, werde ich es auch jedem anderen einräumen müssen.“ 13 Einleitung „Aber das kostet mich ein ganzes Jahr! Ich habe bereits ein Stellenangebot von der Columbia University, das ich dann ablehnen muss“, flehte ich mit schriller Stimme. „Ich habe durchaus Verständnis für Ihre Situation, aber einen Präzedenzfall kann ich mir nicht erlauben.“ „Sie können schon. Es ist Ihre Entscheidung!“ „Nein, das kann ich nicht.“ „Natürlich können Sie. Ich habe mich erkundigt…“ „Ich muss jetzt auflegen“, unterbrach der Professor. „Es tut mir leid. Ich wünsche Ihnen alles Gute.“ Er hörte nicht mehr zu, das Gespräch endete in einer Sackgasse. In zwei Wochen würde er die Abschlussnoten einreichen und mein Schicksal besiegeln – es sei denn, dachte ich, ich könnte ihn überzeugen, dass ich im Recht war und er im Unrecht. Wie Sie im Folgenden sehen werden, konnte ich ihn zwar nicht zu dieser Einsicht bewegen – ihn aber dennoch dahingehend umstimmen, mich den Test wiederholen zu lassen. Wie komme ich ans Ziel? Ob es um kleine oder große Dinge geht, wir alle geraten tagtäglich in solche Situationen. Wir wissen, dass wir Recht haben und der andere nicht. Das Problem ist nur: Der andere ist ebenfalls der Meinung, dass er im Recht ist und Sie bloß zu stur sind, das zuzugeben. Solche Sackgassen entstehen innerhalb der Familie, am Arbeitsplatz, in der Schule und anderswo. Die Besonderheiten der Situation und ihre Tragweite variieren, doch die zugrundeliegende Dynamik ist immer gleich. Wie haben Sie bisher versucht, Ihr Gegenüber von Ihrer Sichtweise zu überzeugen? Ihm ein vernünftiges Argument geliefert? Ihm Schuld- 14