Wahlen auf den Philippinen

Transcrição

Wahlen auf den Philippinen
POLITISCHER SONDERBERICHT
Philippinen
Wahlen auf den Philippinen
Am 10. Mai 2010 finden auf den Philippinen allgemeine Wahlen statt. Neben Präsident und
Vizepräsident, sind alle Abgeordneten des Repräsentantenhauses, die Hälfte der Mitglieder des
Senats (zwölf Senatoren), die Gouverneure und Bürgermeister sowie ihre jeweiligen Vertreter
und die Mitglieder von Provinz-, Stadt- und Gemeinderäten neu zu bestimmen. Für 17.000 zu
vergebene Positionen bewerben sich insgesamt 85.000 Kandidaten in dem südostasiatischen
Inselstaat.
Mit Spannung wird besonders der Ausgang der Wahl für das Präsidentenamt erwartet. In den
bisherigen Umfragen - die letzten erfolgten Ende April – lag Senator Benigno „Noynoy“ Aquino
mit zum Teil deutlichem Vorsprung an der Spitze. Er ist der Sohn der früheren Präsidentin
Corazon „Cory“ C. Aquino und hatte sich erst nach dem Tod seiner Mutter Anfang August 2009
auf Drängen von Politikern und vor allem von Vertretern aus der Zivilgesellschaft zur Kandidatur
entschlossen. Viele Filipinos verbinden mit dem Namen Aquino eine Politik, die für Ehrlichkeit,
Volksnähe, Korruptionsfreiheit und demokratische Prinzipienfestigkeit steht. Bereits in den ersten
Umfragen nach seiner Entscheidung eroberte er die Spitzenposition, die er auch im Verlauf des
gesamten Wahlkampfs innehielt. Zuletzt erreichte er eine Zustimmung von 39 Prozent.
Unterstützung erfährt Senator Aquino aus praktisch allen Bevölkerungsschichten. Dazu hat die
einflussreiche „Iglesia Ni Christo“ (Christuskirche), mit einer in die Millionen gehenden
Anhängerschar, zur Wahl Aquinos aufgerufen.
Der Kandidat der Regierungspartei und frühere Verteidigungsminister im Kabinett von
Präsidentin Arroyo, Gilbert „Gibo“ Teodoro, ist in den Wahlumfragen dagegen nie über einen
Wert von sieben bis acht Prozent hinausgekommen. Er erwartet, durch die Mithilfe von lokalen
politischen Vertretern am Wahltag das Blatt wenden und als Sieger aus der Abstimmung
hervorgehen zu können. Allerdings sind in den letzten Wochen zahlreiche Mitglieder des
Regierungslagers zu Senator Aquino oder zu anderen Mitbewerbern übergelaufen.
Zwei weitere Kandidaten, Senator Manuel „Manny“ Villar sowie der ehemalige Präsident Joseph
„Erap“ Estrada, liegen in den Umfragen mit jeweils zwanzig Prozent gleichauf. Dabei hat Villar
seit Anfang des Jahres kontinuierlich an Zustimmung verloren, während Estrada am Wahltag auf
sein Charisma und den Rückhalt aus den ärmeren Bevölkerungsschichten hofft. Den übrigen fünf
Bewerbern für das Präsidentenamt wird kaum eine Chance eingeräumt, in die Entscheidung
eingreifen zu können.
Die Position des Präsidenten der Philippinen ist nach der geltenden Verfassung mit einer
umfangreichen Machtfülle ausgestatten und von daher im demokratischen System des Landes
von herausragender Bedeutung.
Im bisherigen Wahlkampf ist es zu über neunzig gewaltsamen Vorfällen gekommen, darunter
auch das brutale Massaker im November 2009 in der Provinz Maguindanao auf der Insel
Mindanao, bei dem 57 Menschen ermordet wurden. Polizei und Militär sind in Alarmbereitschaft
versetzt, um die Ordnungsmäßigkeit der Wahl sicherzustellen und Fälle von Gewalt zu
1
unterbinden. Zusätzlich haben die Philippinische Nationalpolizei (PNP) und die staatliche
Menschenrechtskommission (CHRP) eine Vereinbarung unterzeichnet, um gemeinsam für
„ordnungsgemäße, korrekte und friedliche Wahlen“ Sorge zu tragen. Vor allem in den
Krisenregionen im Süden des Landes wie auch in einzelnen nördlichen Provinzen der Hauptinsel
Luzon gilt die Situation als angespannt.
Sorge bereitet vielen in- und ausländischen Beobachtern die Tatsache, dass die gesamte
Stimmauszählung – bis auf wenige Ausnahmen – automatisiert ablaufen soll. Hierfür wurden
mehr als 82.000 spezielle Computer zur Auswertung der Stimmzettel und zur Übermittlung der
Ergebnisse beschafft. Trotz Bedenken zahlreicher Experten besteht die staatliche
Wahlkommission auf der durch ein Gesetz bestimmten Automatisierung und lehnt eine von
Politikern und zahlreichen zivilgesellschaftlichen Organisationen – unter ihnen führende
Wirtschaftsverbände und die Juristenvereinigung – geforderte manuelle Nachprüfung der
Ergebnisse für die wichtigsten Positionen des Wahlvorgangs ab. Letzte Tests dieser
Zählmaschinen haben eindeutige Fehlermeldungen und gravierende Unzulänglichkeiten zu Tage
gefördert.
Dies hat in der Bevölkerung zu Befürchtungen geführt, fahrlässig oder gar vorsätzlich könnte eine
Situation herbeigeführt werden, in der die Ausrufung eines neu gewählten Präsidenten nicht
möglich wäre, z.B. wenn ein bedeutender Teil der Stimmen nicht oder nicht korrekt ausgezählt
oder wegen darauf beruhender Wahlanfechtungsklagen kein Endergebnis verkündet werden
könnte. Verfassungsgemäß endet die Amtszeit von Präsidentin Arroyo am 30. Juni 2010. Und da
dies auch gleichzeitig auf den Senat und das Repräsentantenhaus zutrifft, ist keine Vertretung im
Amt durch den Vorsitzenden einer dieser beiden Kammern des Philippinischen Kongresses
gegeben und eine weitergehende Regelung sieht die jetzige Verfassung nicht vor. Beobachter
schließen daher ein politisches Vakuum im Anschluss an die Wahlen als mögliches Szenario
nicht aus.
Herausgeber: Christian J. Hegemer, Leiter IBZ
Autor: Paul G. Schäfer
Redaktion: Richard Asbeck
Lazarettstr. 33 – 80636 München –
Tel.: +49 (0)89 1258-0 – Fax:+49 (0)89 1258-359
E-Mail: [email protected] – Homepage: www.hss.de
Erstellt am: 5. Mai 2010
2