Der Wasserträger
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Der Wasserträger
Lutz Schäfer Der Wasserträger Die Klassements der Tour de France Eine Reihe von farblich abgehobenen Trikots kennzeichnen die besten Fahrer verschiedener Wertungen bei der Tour de France. Das Farbspektrum der Trikots ist von der Tourleitung streng festgelegt. Der Fahrer mit der geringsten Gesamtzeit trägt das berühmte Gelbe Trikot (le maillot jaune) des Führenden der Gesamtwertung. Das Gelbe Trikot wurde 1919 eingeführt, um die Identifizierung des Spitzenreiters für die Zuschauer zu vereinfachen. Am längsten trug der belgische „Kannibale“ und fünffache Toursieger Eddy Merckx das Gelbe Trikot – insgesamt 96 Etappen lang (incl. Ruhetage 111 Tage). Der beste Sprinter wird seit 1953 mit dem Grünen Trikot (le maillot vert) geehrt. Die Wertung erfolgt durch ein Punktesystem, welches vor allem Etappenankünfte, aber auch Zwischensprints bewertet. Flachetappen zählen hierbei deutlich mehr als Bergetappen. Das Grüne Trikot ist farblich im dunkelgrünen Bereich angesiedelt. Der Bergpreis wird bereits seit 1933 ausgelobt, aber erst seit 1975 wird auch hier ein Bergtrikot – weiß mit roten Punkten (le maillot à pois rouges) – verliehen. Seit 1975 wird bei der Tour ein weißes Trikot für den besten Jungprofi vergeben. Diese Wertung ermittelt die besten Fahrer, die im Jahr der jeweiligen Tour höchstens 25 Jahre alt sind. Zwischen 1989 und 1999 war dieses Klassement keine offizielle Wertung der Tour de France, wurde jedoch im Jahr 2000 wieder eingeführt. Die „rote Rückennummer“ wird nach jeder Etappe an den kämpferischsten Fahrer des gesamten Fahrerfeldes vergeben. Diese Auszeichnung ist die einzige bei der Tour, die durch eine Fachjury ermittelt wird. Die Fahrer sind verpflichtet, die entsprechenden Wertungstrikots zu tragen. Wenn ein Fahrer im Besitz mehrerer Trikots ist, trägt er das wichtigere. Dabei gilt folgende Reihenfolge: Gelbes, Grünes, Bergtrikot, Weißes Trikot. Ohne eigenes Trikot fahren die vielen Wasserträger, die unverzichtbarer Bestandteil jedes Radteams sind. Wasserträger versorgen ihre Teamkapitäne mit Nahrung und Getränken (daher der Name) und sind immens wichtige Helfer, beispielsweise bei der Verfolgung von Ausreißern oder als Windschatten-Spender. Ohne herausragende Wasserträger kann kein Chef die Tour de France gewinnen. Das Wort Design (dt.: „Gestaltung“) bedeutet meist Entwurf oder Formgebung. Es ist ein Lehnwort aus dem Englischen, das wiederum aus dem Lateinischen abgeleitet ist (designare = (be)zeichnen) und in viele Sprachen Eingang gefunden hat. Im Englischen und Französischen bedeutet „design“ „Gestaltung“ oder „Entwurf“, während das italienische „disegno“ „Zeichnung“ stärker einen erprobenden Vorgang betont, ähnlich dem spanischen „diseño“. Im Gegensatz zum deutschen Sprachgebrauch, der eher auf formal/künstlerische Aspekte abzielt und den Designbegriff weitgehend verdinglicht, umfasst der angelsächsische Begriff „design“ auch technisch-konstruktive Anteile der „Gestaltung“. Im Deutschen ist die Bezeichnung „Design“ als Bezeichnung für den Prozess des bewussten Gestaltens vor allem einer Fachszene geläufig. aus: Wikipedia: Design 24 BDK-Mitteilungen 2/2007 Kaum ein Gestaltungsfeld scheint so bestellt, wie das des Designs. In allen Bereichen des Designs leben professionelle Kräfte ein für Schüler nahezu unerreichbares Niveau vor. Durch den hohen Verbreitungsgrad der Produkte wirkt sich hier das Problem der prägenden Vorbilder besonders problematisch aus, so dass es zunehmend schwerer wird, zu eigenen Bildern zu finden. Dies gilt für alle Bereiche des Designs. Gerade im Bereich Produktdesign, in welchem konstruktiv-handwerkliche Aspekte bei der Gestaltung eine große Rolle spielen, kann das Niveau der bestehenden Objekte demotivierend wirken. Etwas mehr Spielraum lässt der Bereich des Grafik-Designs. Bei konkreten Projekten muss aber darauf geachtet werden, dass das spezifische Feld noch nicht zur Genüge beackert wurde – ein neues Logo oder einen neuen Prospekt für einen Kaffeebohnenhersteller zu kreieren, gerät nahezu unvermeidbar in unmittelbare Nähe zu bestehenden Entwürfen, deren Prägekraft auch deshalb so hoch sind, weil die Gestaltungsqualität in der Regel höchsten Ansprüchen genügt. Trotz dieser Bedenken ist gerade der Bereich des Designs in besonderer Weise für Schulprojekte geeignet, weil zum einen die Anziehungskraft auf die Schüler und damit ihre Motivation besonders hoch ist. Zum anderen kann hier deutlicher als in freien künstlerischen Bereichen die Korrespondenz von Form und Inhalt überprüft werden, da die Ausdrucksziele in der Regel präziser formuliert werden müssen. Werke des Designs dienen mehr als solche der Kunst einem Zweck, der vor der Gestaltung reflektiert werden kann. Im Bereich des Unterrichts können Designprojekte vor allem deshalb eine besondere Qualität entfalten, weil die Gestaltung von inhaltlich gebundenen Ausdrucksträgern gelehrt werden kann. Am Anfang sollen aber nicht fertige Bilder stehen, sondern Inhalte, die noch nicht vermittelt wurden – und solche kann man immer noch finden. Auch das Feld Fahrradtrikots scheint bereits zur Genüge bestellt. In erster Linie ist die Gestaltung der Trikots der 1 4 7 2 5 8 3 6 9 BDK-Mitteilungen 2/2007 25 11 12 Fahrer vom Werbeträger bestimmt (z.B. Team Telecom oder Team Bianchi). Es gibt darüber hinaus aber Trikots, die besonders erfolgreiche Fahrer auszeichnen, wie bei der Tour de France (siehe oben). Diese zugrunde liegenden Gestaltungsabsichten erlauben noch weitere Differenzierungen, woraus sich die folgende Aufgabe entwickelte. Die Schüler einer 10. Klasse des Windeck-Gymnasiums in Bühl waren aufgefordert, ein Rad-Team zu erfinden. Dafür musste zunächst ein Teamname gefunden und grafisch umgesetzt werden. Für dieses Team sollten die Schüler anschleißend Fahrradtrikots entwerfen, wobei die unterschiedlichen Funktionen der Fahrer im Team in den jeweiligen Trikots Ausdruck finden sollten: So sollte ein Trikot für den Leader, eines für den besten Sprinter, eines für den Bergspezialisten und eines für die Wasserträger im Team entworfen werden, welches kein „offizielles“ Trikot ist. Um die Arbeit zu erleichtern, erhielten die Schüler ein Trikotbogen (DIN A4), auf dem sie ihre Entwürfe hinein zeichnen konnten (Abb. 9). Bei dieser Aufgabe können die Vorteile des Designs zum Tragen kommen, weil sich inhaltliche Aspekte und Ausdruck gut verbinden. Natürlich steht die Visualisierung der oben angesprochenen Team-Funktionen auch unter der Gefahr, von konventionellen Vorbildern bestimmt zu sein; trotzdem lässt diese Aufgabe genügend Offenheit, auch weniger ausgetretene Pfade zu gehen, wie die Abbildungen belegen sollen. So erinnert die Gestaltung der Trikots des Teams WinX (Abb. 1-4) auf den ersten Blick vielleicht an eine im Sportbereich übliche Ausdrucksweise, doch schon der zweite Blick auf das Hemd des Leaders zeigt eine eigenwillige Erfindungskraft: Da er als Führungsfahrer die Ideen des gesamten Teams in sich vereint, gestalteten die Schüler für ihn ein Symbol, das dem chinesischen Yin und Yan Zeichen entlehnt ist. Bei der Kreation des Teams Epon spielten die Farben Gold und Silber eine entscheidende Rolle. Die Überlegungen zur Gestaltung der einzelnen Motive zeigen die oben angesprochenen Korrelationen. „Die nach oben gerichteten grün-silbernen Zacken sollen Berge darstellen. Der rote Pfeil gibt die Richtung nach oben an.“ (Die Schülerin Svenja zu ihrem Entwurf des Kletterers, Abb. 5). Von einer lediglichen „Übersetzung“ geistiger Überlegungen kann aber nicht gesprochen werden, da die Entwürfe die verbalisierten Planungen weit übersteigen, wie das Beispiel des Sprinters des Team Epon zeigt: „Die Streifen auf dem Trikot sollen die Geschwindigkeit des Fahrers darstellen“ (Abb. 6). Besonders interessant waren am Ende die Trikots für die Wasserträger, die es bei echten Radrennen nicht gibt, weil sie wohl als diskriminierend empfunden würden. Helfende Hände (Abb. 7) oder ineinander greifende Sternzacken sollen hier die Aufgabe des Einzelnen für die Gemeinschaft ausdrücken (Abb. 8). Eine lohneswerte Alternative der inneren Differenzierung des Unterrichts ergab sich gegen Ende des Projekts: Die Schülerinnen und Schüler, die mit ihren Entwürfen fertig waren, konnten sich auf der schuleigenen Nähmaschine ein Trikot nähen und dieses anschließend farbig gestalten (Abb. 11 u. 12). Rückblickend war die Unterrichtseinheit „Fahrradtrikots“ auch deshalb sehr gelungen, weil es keine Diskrepanz zwischen der Gestaltungsfreude der Schüler und den entstandenen bildnerischen Qualitäten gab – und dies bei einer sehr anspruchsvollen Aufgabe: schließlich sollten die entworfenen Trikots einerseits so einheitlich gestaltet sein, dass sie ein Team kennzeichneten und gleichzeitig so differenziert, dass die einzelnen Spezialisierungen der Fahrer erkennbar wurden. 26 BDK-Mitteilungen 2/2007 Schäfer, Lutz (Jg. 1965), Dr., StR am Windeck-Gymnasium in Bühl/ Baden, E-Mail: [email protected]