California Dreaming
Transcrição
California Dreaming
Über den Tellerrand geschauT - california dreaming California Dreaming oder wie lange taugt das Verbrennerauto als deutsches Exportmodell noch? Deutschland will zugleich leitanbieter und leitmarkt für elektrische Fahrzeuge sein. Ein ambitionierter Wunsch. Hintergrund der idee der Nationalen Plattform Elektromobilität ist, dass Exportmärkte nur dann erfolgreich bearbeitet werden können, wenn die Produkte und Dienstleistungen glaubwürdig erscheinen. Gemeint ist damit, dass die Produkte, die anderen ländern angeboten werden sollen, auch auf den heimischen Märkten teil des mobilen lebens sind. Das Schicksal der Magnetschnellbahn transrapid, die von der deutschen industrie den chinesischen Verantwortlichen als die fortschrittlichste transporttechnik überhaupt angeboten wurde, war in dem Moment besiegelt, als sich bund und länder gegen die Einführung in Deutschland entschieden. Ein Produkt, dass - aus welchen Gründen auch immer - nicht selbst genutzt wird, kann von der industrie nicht glaubwürdig im Export vermarktet werden. Man kann also - so die erste Erkenntnis - nur dann etwas wirklich gut verkaufen, wenn man durch die stetige Selbstnutzung glaubhaft für das eigene Produkt wirbt und in anderen Märkten dieses Modell auch adaptierbar ist. insofern ist der Ansatz der Nationalen Plattform plausibel. Blicken wir vor diesem Hintergrund auf den deutschen Markt für elektrische Straßenfahrzeuge, dann erkennt man schnell, dass hier nicht viel los ist. Die nicht einmal 35.000 reinen batterieelektrischen Fahrzeuge sind in der Regel Flottenfahrzeuge in und um Forschungsvorhaben herum sowie das Hobby einiger, weniger Pioniere. In Berlin und Stuttgart sind immerhin mittlerweile einige Hundert Fahrzeuge im elektrischen Carsharing unterwegs. Alles in allem wirkt der Betrieb von eFahrzeugen in Deutschland doch noch sehr künstlich, noch sehr experimentell, noch sehr bemüht, er ist weit davon entfernt, Teil einer breiten gesellschaftlichen Praxis zu sein. Jedenfalls sind dies keine Signale, die einen Aufbruch Deutschlands in eine neue Form der Mobilität präsentieren. Wie sollte es auch anders sein? Im privaten Gebrauch ist ein eAuto immer noch mehr als doppelt so teuer wie ein gewohntes Fahrzeug und die Nutzung muss auch erst erlernt werden. Die zweite erkenntnis im Spätsommer 2015 in Deutschland ist 16 Neue Mobilität daher auch völlig klar: Forschungsprojekte sind gut, aber für den operativen Betrieb gibt es hierzulande keine Hilfe: wer elektrisch fährt, ist selbst schuld. Teil eines neuen Lebensstils sind elektrische Fahrzeuge in Deutschland jedenfalls noch nicht. Aus Sicht der deutschen Industrie ist dies aber auch nicht weiter schlimm, da weltweit das mit einem Verbrennungsmotor betriebene Auto weiter das Maß der Dinge ist. und hier sendet Deutschland die genau richtigen Signale: Weiter mit dem Bestehenden. Mittlerweile sind über 44 Mio. Fahrzeuge alleine als Personenkraftwagen in Deutschland zugelassen. Das passt in die Welt. Denn hier haben sich die Fahrzeugzahlen von 66 Mrd. einheiten in 2011 auf mittlerweile über 78 Mrd. im Jahre 2014 erhöht! Während Afrika, europa sowie Nord- und Südamerika zwar eher stagnieren, sind es vor allen Dingen die asiatischen Märkte - insbesondere China die boomen. Für Daimler, BMW und Volkswagen ist der chinesische Markt der mittlerweile mit Abstand größte einzelmarkt. Insofern sieht aus Sicht der deutschen Industrie mit dem Blick auf den wichtigsten exportmarkt der Welt das Verhalten völlig konsistent aus. Also lautet die dritte erkenntnis: Die deutsche Autoindustrie macht alles richtig. Der Mainstream setzt klar auf Verbrenner! Hier ist die heimische Praxis völlig kompatibel mit den Interessen der Industrie. es erscheint alles aus einem Guss, man ist glaubhaft unterwegs und langsam begreift man, warum in Deutschland bei den politischen Rahmenbedingungen zur unterstützung von elektroautos nichts passiert. Das sind sicherlich zutreffende Momentaufnahmen. Schaut man sich in den einzelnen Staaten etwas genauer um, dann ergibt sich ein differenzierteres Bild. Grundsätzlich lässt sich erkennen, dass in vielen verschiedenen Regionen der Welt am Ausstieg aus dem Paradigma des Verbrennerfahrzeuges gearbeitet wird. Am weitesten vorangekommen sind dabei sicherlich die skandinavischen Länder mit Norwegen an der Spitze. In einem Mix von Nutzervorteilen und steuerlichen Nachlässen sind hier die Zulassungszahlen elektrischer Fahr- Über den Tellerrand geschauT - california dreaming zeuge vergleichsweise hoch. Diese Staaten, in denen vor allen Dingen die sogenannten »post-materialistischen Werte« gelebt werden, sind in puncto staatlicher Interventionstiefe am weitesten fortgeschritten. Hierzu zählen in europa noch die Niederlande und die Schweiz. entscheidend für den umbruch bzw. die Neuausrichtung der »Spielregeln« für den Verkehr sind die Kommunen. Hier entscheidet sich, ob die im nationalen Recht eingeräumten Spielräume auch tatsächlich wahrgenommen bzw. ob eventuell sogar ganz neue Gestaltungsräume für einen Wandel der Verkehrspolitik deklariert werden. Helsinki hat in dieser Hinsicht die Spitze übernommen und möchte eine Stadt werden, in der kein Bürger mehr ein Auto besitzen muss. Alles funktioniert über den SharingModus. Die Fahrzeuge selbst sollen allesamt »decarbonisiert« sein, sprich mit elektrischen Antrieben fahren und miteinander vernetzt werden. Kopenhagen, Oslo, Paris verfolgen ähnliche Pläne. Selbst London - völlig im Kontrast zum übrigen Land - möchte den privaten Kfz-Verkehr zurückdrän- gen und Automobile mit alternativen Antrieben weiter bevorzugen. Allerdings fehlt diesen Initiativen und Ansätzen noch die Strahlkraft. London und Paris stellen zwar international stark beachtete Referenzräume dar, aber die getroffenen bzw. die geplanten Maßnahmen sind noch nicht wirklich sichtbar. In Asien wiederum passiert auf der Förderschiene sehr viel. Japan hat schon seit Jahrzehnten eine hohe Kultur des experimentierens entwickelt und ist hinsichtlich Antriebe, Batterieentwicklung sowie der Integration der Fahrzeuge in intelligente energiespeicherlandschaften - Stichworte Micro Smart Grid - mit Abstand führend. Allerdings sind hier die gesellschaftlichen Voraussetzungen völlig andere. Die Wertestruktur, die Verhaltensdispositionen und auch die politische Interventionskultur sind noch konservativ-konventionell ausgeprägt. Internationale Rahmenbedingungen für Elektromobilität Aktivierung Leitmarkt nichtmonetäre Anreize monetäre Anreize SteuerNachteilserleichterung* ausgleich Dienstwagen Kaufprämie Vergünstigung SonderFahrstrom nutzungsrechte und Privilegierung Aktivierung Leitanbieter LIS Auf- und Ausbau öffentliche Forschungsförderung Ausbildung und Qualifizierung Investitionsförderung Fünf wichtige Automobilnationen USA Frankreich Deutschland China Japan Drei Länder mit aktuell hoher Nachfrage und ohne nennenswerte eigene Automobilindustrie Norwegen Niederlande Dänemark starke Ausprägung mittlere Ausprägung nicht vorhanden * Steuererleichterung = Steuerbefreiung (z.B. KfZ-Steuer, MWST, Luxussteuer, Anmeldesteuer) und verringerte Steuersätze QueLLe: eXPeRTeNSCHÄTZuNG Neue Mobilität 17 Über den Tellerrand geschaut - California Dreaming Über den Tellerrand geschaut - California Dreaming Hohe Dynamik in den Elektromobilitätsmärkten ist weltweit zu erkennen Zuwachs in Deutschland im 1. Quartal 2015: 4.500 eFahrzeuge (˜100%) +23% 1000.000 Erstmalig 2.000 eFahrzeuge in einem Monat (März) zugelassen Hoher Zuwachs insbesondere bei PHEV (+400 %) 50.000 -7 % 0 137 % -31 % +164 % +14 % +66 % +140 % USA Japan Norwegen Niederlande China 2013 96949 26936 8564 22785 10857 14728 8354 566 2014 119067 25031 20326 15835 28612 16843 13836 1355 Besonders hohe Marktdynamik in Märkten mit unterstützenden Rahmenbedingungen Frankreich Deutschland Dänemark Quelle: kba, polk In China liegen ohne Zweifel die größten Hebelwirkungen. In dem Land, in dem fast 25% der Weltbevölkerung wohnt, sind die Perspektiven klar abgesteckt: die Zukunft der Fahrzeuge wird elektrisch sein! Aber die gesellschaftlichen, technischinfrastrukturellen und auch politischen Rahmenbedingungen sind landesweit noch zu wenig entwickelt, wenngleich in einzelnen Städten wie in Shanghai bereits ganze Quartiere für Verbrennerfahrzeuge verboten sind. Doch in der Summe sind asiatische Staaten doch zu sehr adaptive Gesellschaften, Entwicklungen werden nicht proaktiv vorangetrieben, sondern vielmehr kopiert. Dann allerdings mit einer sehr durchschlagenden Wirkung. Die vierte Erkenntnis aus diesem kurzen internationalen Überflug zeigt, dass trotz vielerlei erfolgversprechender Initiativen und Perspektiven in keinem internationalen Markt die Strahlkraft für eine Wende in der Verkehrspolitik erkennbar ist und daher die deutsche Autoindustrie mit dem »Modell Deutschland« und dem privaten Automobil mit Verbrennungsmotor im Rücken noch immer richtig zu liegen scheint. Noch werden mit diesem Lebens- und Konsumstil keine entscheidenden Exportmärkte verpasst. Es bleibt aber noch an eine Region im Weltautomobilmarkt zu erinnern, die in den letzten Jahren zwar weniger durch automobiltechnische Innovationen aufgefallen ist, die aber durch ihren medial inszenierten Lebens- und Technikstil immer noch der Welt den Stempel aufdrückt. Vordergründig repräsentieren die USA ein Land mit einem überwiegend technisch wenig anspruchsvollen Fahrzeugpark. Aber in Kalifornien hat sich das Bild bereits geändert. Im digitalen Zeitalter stellen Unternehmen wie Google, Facebook und Apple das Maß der 18 Neue Mobilität Dinge dar und prägen den modernen »Business Style«. Zum offenen Hemd gehört eben auch ein Tesla vor der Tür. Bereits jetzt ist der »Newcomer aus dem Internet« im Premiumsegment führend und dient vor allen Dingen als Imageträger. Im letzten Jahr sind geschätzt ein Drittel der deutschen DAX Vorstände ins »Valley« geflogen, um den besonderen »Spirit« zu spüren. In Kalifornien werden nach wie vor die Bilder der Zukunft gemalt und elektrische Fahrzeuge spielen dabei eine wichtige Rolle. Was immer gerne vergessen wird: Kalifornien hat auch eine lange Tradition in der Suche nach Alternativen zum Verbrennungsmotor und den dazu notwendigen Regulierungsansätzen. Die Renaissance elektrischer Fahrzeuge nach dem Zweiten Weltkrieg startete nirgendwo anders als in Kalifornien. Der größte US-amerikanische Bundesstaat ist nicht nur der größte Automarkt in den USA, die Einwohner leiden aufgrund seiner topographischen Situation auch ganz besonders an den Emissionen. In Kalifornien wurde schon in den 1960er Jahren der Zusammenhang von Fahrzeugabgasen und Smogbildungen nachgewiesen. Das in der Hauptstadt Sacramento angesiedelte »California Air Resources Board« verkündete im 1990 modifizierten Clean Air Act erstmals, das ab dem Jahr 1998 von allen in Kalifornien zugelassenen Automobilflotten mindestens 2 % sogenannte »Zero-Emission Vehicles« sein mussten, der Anteil sollte im Jahre 2003 auf 10% steigen. Noch heute wird immer wieder gemutmaßt, warum die kalifornische Umweltbehörde einen so mutigen, viele Kommentatoren meinten sogar übermütigen, Vorschlag unterbreiten konnten. Doch das CARB war bereits in den 1970er und 1980er Jahre immer wieder Vorreiter bei der Setzung und Einklagung ambitionierter Zero-Emission-Verordnungen, hier beginnen elektrische Autos Autos auch mehr und mehr Teil einer modernen Lebensführung zu werden. Die Kraft dieser Bilder wirkt. Das selbstfahrende Auto hat durch das Google Car ein erstes Gesicht erhalten, die Gerüchte über das Apple Car wollen gar nicht mehr verstummen. Entscheidend scheint, dass es weniger um einen technologischen Durchbruch geht, sondern um eine Neuinterpretation des Autos als langsam fahrendes »Robocar«, eingebettet in einer Smart City Landschaft. Das Auto ist nicht mehr der Fixpunkt des Universums, es wird Teil dessen: Das Internet kommt nicht ins Auto, sondern das Auto wird Teil des Internets der Dinge. von Emissionsstandards und daher im Kampf mit der Automobilindustrie durchaus erfahren. Der Entschluss zur ZEV Verkündung ruhte einem immer wieder gemachten Versprechen seitens der US-amerikanischen Industrie - der »Big3« jederzeit in der Lage zu sein, ein »Null-Emissions-Auto« zu bauen, wenn man denn nur wollte. Besonders tat sich Roger Smith, damaliger CEO von General Motors, in solchen Ankündigungen hervor. Die kalifornische Behörde nahm die Autohersteller daher nur beim Wort. Heraus kamen dann eine Reihe halbherziger Modelle wie der Toyota EV RAV4, der Ford Electric Ranger oder Nissan Altra sowie der erstmals als »Purpose Design« entwickelte EV 1. Ein Fahrzeug, das zwischen 1996 und 1999 immerhin in 1.200 Einheiten produziert wurde. Privatpersonen konnten das Fahrzeug für 499 Dollar im Großraum Los Angeles leasen, insgesamt wurden dazu 350 Ladepunkte installiert. Bereits damals war der EV1 der Liebling Hollywoods und hatte unter anderem mit Mel Gibson und Tom Hanks prominente Nutzer und Unterstützer. Wenn also das selbstfahrende, vernetzte, elektrische Auto ähnlich wie Google und Facebook das Maß der Dinge wird, dann sieht die deutsche Welt mit ihrer ingenieurwissenschaftlichen Gründlichkeit, aber auch mit ihrer Behäbigkeit, doch etwas altbacken aus. Es heißt also, vorsichtig zu schauen, ob wir mit dem Verbrennungsmotor auch zukünftig noch die richtigen Bilder und Lebensstile bedienen oder ob wir uns nicht doch langsam umstellen sollten. Die fünfte Erkenntnis zeigt damit, dass in Deutschland alle Augen nach China gerichtet sind und hier die Entwicklungen mit hoher Aufmerksamkeit verfolgt werden. Dabei liegt die »Prägeanstalt der Moderne« in Kalifornien. Kalifornien hat nicht nur eine lange Tradition in der Verabschiedung extrem Prof. Dr. Andreas Knie Wissenschaftlicher Beirat im Bundesverband eMobilität (OHNWUR0RELOLWlWUHDOLQ' Mit vitrios erleben Sie ein absolut neues und einzigartiges Display- und Präsentationskonzept: ELV]XVHFKV3URMHNWLRQVÀlFKHQ 360-Grad-Anordnung innovative Technologie multi-dimensionale Darstellung von Objekten Gestensteuerung Eine reale Interaktion nicht nur für Elektromobilität! Weitere Informationen unter: www.proevent.de/leistungen/vitrios Neue Mobilität 19