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Alarmmanagement Einfach, preiswert und sicher Flughafen-Bodenüberwachung mit Magnetfeld-Sensoren Bild 1: Wenn ein Flieger falsch rollt oder ein Transporter vom Weg abkommt, schlägt das System Alarm. Innerhalb der nächsten drei Jahre sollen auf den Flughäfen Frankfurt und Thessaloniki in Griechenland erste Prototypen für ein Bodenüberwachungssystem entstehen, das mithilfe von Magnetfeld-Sensoren einfacher, kostengünstiger und sicherer als herkömmliche Überwachungssysteme arbeiten soll. 16 Auf großen Flughäfen herrscht eine enorme Verkehrsdichte. Neben Flugzeugen bewegen sich auf dem Flugvorfeld auch Versorgungsfahrzeuge, Busse und Fußgänger. Dabei ist es äußerst wichtig, den reibungslosen Ablauf der Starts und Landungen zu gewährleisten und Kollisionen zwischen startenden und landenden Flugzeugen sowie Flugzeugen und Straßenfahrzeugen zu verhindern. Sicherheitsrelevante Zwischenfälle auf dem Vorfeld von Flughäfen sind, wie eine Statistik der amerikanischen Flugaufsichtsbehörde FAA zeigt, überraschend häufig. „Diese Statistik dokumentiert etwa 300 bis 400 Beinaheunfälle im Jahr, die dadurch zustande kommen, dass Flugzeuge am Boden mit anderen Flugzeugen oder Bodenfahrzeugen kollidieren“, so Prof. Dr. Uwe Hartmann, Experimentalphysiker der Universität Saarland und Koordinator des EU-Projekts ISMAEL. ISMAEL bedeutet „Intelligent surveillance and management functions for airfield applications based on low cost magnetic field detectors“ und steht für die Möglichkeiten eines Bodenüberwachungssystems für Flughäfen, das mithilfe von Magnetfeld-Sensoren arbeitet. „Erst vor ein paar Wochen hatte es in München fast einen Unfall gegeben“, so Hartmann weiter. „Es standen sich zwei Flugzeuge gegenüber, und die Piloten wollten beschleunigen. Man denke auch nur an das tragische Unglück in Mailand, bei dem eine kleine Maschine auf einer falschen Bahn starten wollte, auf der gerade eine größere Maschine landete. Durch menschliches Versagen kann so etwas einfach vorkommen.“ Innerhalb des EU-Projekts soll das neue A-SMGCS-Konzept (Advanced surface movement guidance and control system) für mehr Sicherheit sorgen (Bild 1). Die sehr genauen Magnetfeld-Sensoren können nämlich den Bewegungszustand von Straßenfahrzeugen und auch die Position von Flugzeugen, ihre Bewegungsrichtung und Geschwindigkeit zuverlässig erfassen. Auch für kleinere Flughäfen Das Überwachungssystem basiert auf einem von Hartmann entwickelten und vom Elektronikspezialisten Votronic im saarländischen St. Ingbert produzierten Magnetfeld-Sensor, der ursprünglich für den Einsatz in Verkehrsleitsystemen gedacht war. „Der besondere Charme dieser Sensoren liegt darin“, so Hartmann, „dass ein Sensor inklusive der dazugehörigen Elektronik nur ein paar Euro kostet. Man kann also ein großflächiges Netz aufbauen (Bild 2).“ Das komplette Vorfeld eines Flughafens ließe sich ganz leicht je nach Größe mit einigen Hundert oder einigen Tausend Bild 2: Der Magnetfeld-Sensor ist kostengünstig und misst inklusive der dazugehörigen Elektronik nur ein paar Zentimeter. W+S 6-7/04 Alarmmanagement Sensoren überwachen. „Vor allem Bereiche zwischen Gebäuden, die ein Bodenradar schlecht oder gar nicht erreicht, könnten mit den Magnetfeld-Sensoren ausgestattet werden. Das neue System ist auf Grund der kostengünstigen Produktion und Installation auch für mittlere und kleinere Flughäfen geeignet“, erläutert Hartmann. Und so funktioniert das System: Flugzeuge und sonstige Fahrzeuge deformieren minimal die Feldlinien des Erdmagnetfeldes. Verantwortlich dafür sind Metallteile und elektrische Aggregate in den Fahrzeugen. Die Magnetfeld-Sensoren messen Änderungen im Bereich eines Tausendstels des Erdmagnetfeldes und lassen sich witterungsunabhängig einsetzen. Regen oder Nebel, der zum Beispiel die Funktionsweise von Kameras stört, ist damit kein Problem mehr. Tests mit dem neuen System haben gezeigt, dass Flugzeuge auf einem Taxiway, also einer Verbindung zur Start- oder Landebahn, bis hin zum Erreichen ihrer gewünschten Parkposition exakt zu detektieren sind. In den bisher durchgeführten W+S 6-7/04 Versuchen erzeugten hauptsächlich Flugzeugturbinen die Magnetfelder. Die Sensoren befanden sich neben dem Taxiway im Abstand von einigen Metern. Die Testmessungen haben gezeigt, dass sich Flugzeuge am Boden anhand von Magnetfeldprofilen auch teilweise klassifizieren lassen. „Darüber hinaus können natürlich ebenfalls Straßenfahrzeuge erfasst werden. Wir sind gerade dabei, Muster für neun verschiedene Fahrzeugklassen festzulegen“, so Hartmann. Sowohl für den Straßenverkehr als auch für das Flughafenvorfeld entwickeln die Forscher mathematische Algorithmen, die eine möglichst umfassende Klassifikation der Fahrzeuge auf der Basis ihres magnetischen Fingerabdrucks ermöglichen. Unterschiedliche Anforderungen Im Rahmen des Projekts arbeitet das Team um Hartmann eng mit Fraport, der Betreibergesellschaft des Frankfurter Flughafens, und dem Flughafen Thessaloniki in Griechenland zusammen. Auch der Flughafen Saarbrücken-Ensheim hat Interesse signalisiert. Die beteiligten Flughafenbetreiber und -ausstatter sowie Experten für integrierte Verkehrssysteme, Elektronikfirmen und Grundlagenentwickler planen, innerhalb der nächsten drei Jahre in Frankfurt und in Thessaloniki erste Prototypen des Bodenüberwachungssystems zu installieren. „Die beiden Flughäfen sind sehr unterschiedlich“, so Hartmann, „Thessaloniki ist ein typischer Urlaubsflughafen, der in einer Bucht liegt, die an 30 Tagen im Jahr komplett im Nebel liegt und weder Starten noch Landen möglich macht. Der Flughafen hat generell eine hohe Anzahl an Flugbewegungen pro Stunde, zum einen in der Urlaubssaison, zum anderen, da er auch militärisch genutzt wird“, so Hartmann weiter. Im Bereich der Vorfeldüberwachung gibt es hier bisher überhaupt kein Überwachungssystem. „Der Fluglotse schaut aus dem Tower und sieht sich das Vorfeld an, das ist die ganze Überwachung“, so Hartmann. „Mag sein, dass es an der einen oder anderen Häuserecke eine Kamera gibt, aber es gibt kein flächen- 17 (Fotos: Universität Saarland) Alarmmanagement deckendes Überwachungssystem. Insbesondere gibt es kein Bodenradar.“ In Frankfurt existiert eine Kombination mehrerer Überwachungssysteme. „Zum einen ein großes Netz digitaler CCD-Kameras, die ständig Bilder liefern, zum anderen Bodenradarsysteme“, beschreibt Hartmann. „Diese sind allerdings nicht flächendeckend, da sie zum Beispiel im Schatten von Häusern nicht funktionieren. Man versucht zwar, die toten Bereiche hier mit anderen Überwachungstechniken abzudecken. Bei den 20 Kilometer Bahnen auf dem Frankfurter Flughafen klappt dies letztendlich aber nur für einen sehr kleinen Teil. Es gibt immer noch sehr viele nicht permanent überwachte Bereiche des Flughafens.“ Integration in vorhandene Systeme Die neuen Sensorsysteme sind in bestehende Kontrollsysteme so zu integrieren, dass sich die neu gewonnenen Daten in vorhandene Datenströme übernehmen und in Verkehrsleitrechnern oder im Flughafen-Tower verrechnen lassen. Die Integration in vorhandene Systeme ist ein wesentlicher Gegenstand des Projekts. Die Vernetzung mit allen Informationen, die im Tower zusammenströmen, zum Beispiel mit Flugplänen, muss entwickelt werden. Dies gilt auch für die Schnittstelle zwischen dem Sensorfeld und den Rechnern im Tower. Ein weiterer Entwicklungsbedarf besteht auch darin, die gewonnenen Informationen in einer für den Fluglotsen sinnvollen Weise zur Verfügung zu stellen. Die Einbindung der Sensoren in die auf dem Vorfeld vorhandene Infrastruktur ist allerdings schon jetzt möglich (Bild 3). Bild 3: Die Sensoren lassen sich in die Bus-Systeme der Beleuchtungsanlage auf Start- und Landebahnen integrieren. 18 Bild 4: Durch eindeutige Positionsbestimmung der Schiffe kann das Überwachungssystem auch die Beschädigung von Schleusenbecken für die Binnenschifffahrt verhindern. Damit ist ein nicht zu unterschätzendes Problem gelöst: „Wenn Sie erst einmal das gesamte Vorfeld aufreißen müssten, um die Sensorik zu integrieren, dann wäre die Technik nicht akzeptabel“, so Hartmann. „Ein weiteres Problem ist, dass Magnetfelder auch gestört werden können. Ein Flughafen ist nämlich ein magnetisch sehr ‚verseuchtes‘ Areal, und es gibt Störfaktoren verschiedener Art. Hier gilt es noch, etwa beim Betreiben der Beleuchtungsanlage in Verbindung mit der Sensorik, eine intelligente Entkoppelung von Störungen zu entwickeln.“ Die neuen Sensoren eröffnen zahlreiche Anwendungen zur Quantifizierung von Verkehrsströmen und zur Steuerung von Signalanlagen. „Ein künftiges Anwendungsfeld wäre beispielsweise auch die Binnenschifffahrt“, so beschreibt Hartmann die Möglichkeiten. „Das deutsche Wasser- und Schifffahrtsamt hatte sich erst neulich mit der Frage an uns gewandt, ob es mit der Sensorik möglich ist, Schleusenbecken so zu überwachen, dass eindeutig feststeht, ob ein Schiff in der Schleuse ist und ob die Position des Schiffes stimmt.“ Vor ein paar Wochen erst gab es nämlich im Binnenschifffahrtsbereich einen beachtlichen Unfall, bei dem sich ein Schiff in einer Schleuse verkeilt hatte. Das Problem bei automatisch öffnenden und schließenden Schleusentoren ist, dass das Schleusentor gegen das Schiff fährt, sollte es sich nicht an der richtigen Position befinden. Dabei liegt das Problem nicht vorwiegend darin, dass das Schiff beschädigt wird, sondern dass eine Schleuse im laufenden Binnenschifffahrtsbetrieb außer Funktion gerät, was mit immensen Kosten verbunden ist. „Alle Bestrebungen, diese Problematik über Kameras in den Griff zu kriegen, sind bisher gescheitert, da die Schleusen in Deutschland nur über Telefonleitungen miteinander und mit dem Binnenschifffahrtsamt kommunizieren können“, so Hartmann. „Die großen Datenmengen, die eine Kamera liefert, lassen sich aber über Telefonleitungen nicht übertragen. Ein einfaches Magnetfeldsignal ist hier bei weitem viel versprechender. Wir haben durch erste Testmessungen gezeigt, dass man zumindest das Vorhandensein eines Schiffes in einer solchen Schleuse sehr gut magnetisch nachweisen kann (Bild 4).“ Weitere potenzielle Anwendungsfelder sind effizientes Parkplatzmanagement und die Detektion der Fahrtrichtung von Fahrzeugen auf Autobahnauffahrten. Hartmann bezieht hier industrielle Kooperationspartner in die weiteren Arbeiten ein und treibt eine Integration der Sensorsysteme in komplette Verkehrsdatenerfassungs- und -leitsysteme voran, um die neuen Systeme auf breiter Ebene zu etablieren. Dahingehend konnte er insbesondere saarländische Unternehmen gewinnen. (CB) Universität des Saarlandes, Saarbrücken Tel.: 0681/302-3799 [email protected] www.uni-saarland.de W+S 6-7/04