Präzisionsbearbeitung von Glas mit ultrakurzen
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Präzisionsbearbeitung von Glas mit ultrakurzen
LaserANWENDUNGEN Präzisionsbearbeitung von Glas mit ultrakurzen Laserpulsen Glas ist ein sehr vielseitiges Material, was in seinen ausgezeichneten physikalischen und chemischen Eigenschaften, wie z. B. seiner Transparenz, seines hohen Schmelzpunkts oder seiner Beständigkeit gegenüber chemisch aggressiven Umgebungen begründet liegt. Daher findet es in vielen verschiedenen Bereichen Anwendung, angefangen von der Optik, Elektronik, Telekommunikation oder Biomedizin bis hin zu Bauwesen oder Architektur. Damit Glas für die Endanwendung eingesetzt werden kann, muss es jedoch vorher bearbeitet werden (z. B. mittels Schneiden, Bohren, Strukturieren oder Fügen/Schweißen). Während jedoch einerseits die aufgeführten Materialeigenschaften Glas so vielseitig einsetzbar machen, sind dies andererseits die gleichen Eigenschaften, die eine Laserbearbeitung von Glas schwierig gestalten. Dennoch konnten sich Laserbearbeitungsprozesse etablieren, die auf linearer Absorption (entsprechend des LambertBeerschen-Gesetzes) und auf Laserwellenlängen basieren, für die Glas über eine hohe Absorption verfügt. Beispiele hierfür sind das Schneiden oder Schweißen mittels CO2-Laser (ferne IR-Strahlung) und die Oberflächenstrukturierung mittels ExcimerLaser (UV-Strahlung). In beiden Fällen findet eine Interaktion der Laserstrahlung mit der Glasoberfläche statt, so- dass jegliche Strukturänderungen im Glasinneren über Wärmeleitungsvorgänge induziert werden müssen. Dies reduziert die Anwendbarkeit dieser Verfahren auf bestimmte Bearbeitungsgeometrien und Glassorten. Die Einschränkung der auf linearer Absorption basierenden Laserbearbeitungsverfahren kann umgangen werden, indem fundamental andere, nämlich nichtlineare Absorptionsprozesse ausgenutzt werden. Diese treten bei sehr hohen Intensitäten auf, die derzeit nur mit sogenannten Ultrakurzpulslasern (UKP-Laser) erreicht werden können. Die Pulsdauern solcher Strahlquellen reichen bei industriell erhältlichen Systemen von weniger als 100 Femtosekunden bis zu mehreren 10 Pikosekunden, während Pulsenergien von mehreren Millijoule erreicht werden können. Die so entstehende sehr hohe Spitzenleistung innerhalb des Pulses ▲ A bb. 1: Dreidimensionale Oberflächenstrukturierung von Kalk-Natron-Glas mittels ultrakurzen Laserpulsen. Laserparameter: Pulsdauer τ = 10 ps, Wellenlänge λ =1.064 nm, Repetitionsrate frep = 100 kHz, Pulsenergie EP = 160 µJ. 24 LASER MAGAZIN 5/2013 und die damit verbundene hohe Intensität im Fokus kann oberhalb einer Schwellintensität zur Multiphotonenionisation führen. Dieser Effekt macht es möglich, dass Licht bei Laserwellenlängen, für die Glas vollständig transparent ist, bei ausreichend hohen Intensitäten absorbiert wird. Bei geeigneter Strahlfokussierung kann so erreicht werden, dass die nichtlineare Absorption nur in einem sehr begrenzten Volumenbereich auftritt. Ein weiterer Vorteil, der sich durch Überschreiten der benötigten Schwellintensität für die Multiphotonenionisation ergibt, ist die Möglichkeit der Erzeugung von Strukturgrößen unterhalb des Abbe-Limits im Glas. Diese im Vergleich zu linearer Absorption grundlegend verschiedenen Bearbeitungsmöglichkeiten, die ein Ultrakurzpulslaser bietet, eröffnen neue und zugleich flexible Möglichkeiten der Glasbearbeitung. Nachfolgend werden einige ausgewählte Prozesse der Glasbearbeitung mittels ultrakurzen Laserpulsen, die an der Bayerisches Laserzentrum GmbH untersucht werden, vorgestellt. Bei der Oberflächenstrukturierung wird, wie bereits beschrieben, die Multiphotonenabsorption und -ionisation ausgenutzt. Diese führt innerhalb weniger Pikosekunden nach Pulsbeginn zur Ionisation des bestrahlten Bereichs. Das Plasma erreicht daraufhin innerhalb weniger Nanosekunden hohe Temperaturen und damit verbunden hohe Drücke, sodass es von der Oberfläche expandiert. Bei dieser Expansion wird ein Großteil der eingebrachten Pulsenergie in Form von Wärme mit dem expandierenden Plasma von der Oberfläche entfernt. Dadurch kann insbesondere bei niedrigen Pulsrepetitionsraten (≤100 kHz) LaserANWENDUNGEN eine quasi kalte und schmelzefreie Bearbeitung der Werkstückoberfläche realisiert werden. Dies ist bei Glas von besonderer Bedeutung, da viele Glassorten einen hohen thermischen Ausdehnungskoeffizienten aufweisen, der bei einer Abkühlung auf Raumtemperatur in Kombination mit der Sprödigkeit und der hohen Temperatur des Erstarrungspunkts von Glas zur Rissbildung führen würde. Abb. 1 zeigt eine auf diese Weise mittels Pikosekundenpulsen in Kalk-Natron-Glas eingebrachte dreidimensionale Struktur. Durch die Vermeidung der Schmelzeentstehung können hochpräzise Strukturen mit Tiefen bis in den Millimeterbereich realisiert werden. Das Ziel der Innenmarkierung ist eine möglichst spannungsarme Erzeugung von Strukturen im Inneren des Glases mit hoher Auflösung und Positionsgenauigkeit. Mögliche Anwendungen reichen von der Erzeugung oberflächennaher Skalen bei medizinischen Produkten bis hin zur Erzeugung sichtbarer sowie versteckter Sicherheitsmerkmale. Bei den vorgenannten Prozessen wird ein Plasma unter Ausnutzung der Multiphotonenionisation in einem eng begrenzten Raumbereich am Fokus erzeugt. Abhängig von der Pulsenergie und -dauer können die dabei kurzzeitig entstehenden Temperaturen und Drücke zur Erzeugung von Mikrorissen oder zur lokalen Änderung der Brechzahl führen. Neben den beschriebenen Prozessen, bei denen eine Materialbearbeitung mit möglichst geringer thermischer Belastung des Werkstücks angestrebt wird, können UKP-Laser auch für Fügeprozesse eingesetzt werden. Für das Schweißen von Glas werden die ultrakurzen Laserpulse stark in das Glasmaterial nahe der Fügeebene fokussiert. Da das entstehende Plasma im Glasinneren erzeugt wird, erfährt dieses keine Plasmaexpansion, welche die eingebrachte Wärme abführen könnte. Das angrenzende Material wird daher bei entsprechend hohen Pulswiederholraten (>100 kHz) ▲ A bb. 2: Beispiel einer oberflächennahen Innengravur anhand eines QuarzglasTonometers, wobei die Struktur 100 µm unterhalb der Oberfläche liegt, ohne dass diese beschädigt wurde. ▲ A bb. 3: Versteckte Glasinnenmarkierung durch laserinduzierte Brechzahländerung (sichtbar bei schräger Beleuchtung im Mikroskop). (z. B. CO2-Laserschweißen, Diffusionsbonden) minimiert werden. Dies macht das Schweißen temperaturempfindlicher Komponenten, wie sie z. B. in der Mikroelektronik eingesetzt werden, möglich. Analysen solcher Schweißungen zeigen, dass sehr hohe Scherfestigkeiten sowie Bindungsenergien mithilfe dieses Schweißprozesses erreicht werden können. Für beide Messgrößen werden Werte in der Größenordnung des Grundmaterials erreicht, was das Glasschweißen mittels ultrakurzer Laserpulse zu einer flexiblen Alternative zu herkömmlichen Verfahren wie z. B. Diffusionsbonden macht. Ein weiterer Vorteil ist, dass die Schweißungen gasdicht sind, und somit hermetische Kapselungen möglich sind. ■ INFO Autoren: K. Cvecek, S. Eiselen Kontakt: Bayerisches Laserzentrum gemeinnützige Forschungsgesellschaft mbH (blz) Konrad-Zuse-Str. 2-6 91052 Erlangen Tel.: 09131 97790-0 Fax: 09131 97790-11 E-Mail: [email protected] www.blz.org ▲ A bb. 4: Geätzter Querschnitt einer Schweißnaht. Laserparameter: Pulsdauer τ = 10ps, Wellenlänge λ =1.064 nm, Repetitionsrate frep = 1 MHz und Pulsenergie EP = 2 µJ). kumulativ erwärmt und schließlich geschmolzen. Die Größe und Form der Schmelzzone ist über die Laserparameter einstellbar, wobei Schweißnähte mit einer Breite von ca. 50 µm am besten geeignet sind, da sich eine sehr kleine Wärmeeinflusszone bildet und eine Rissentstehung gleichzeitig vermieden wird. Die thermische Belastung des gesamten Bauteils sowie die entstehenden Spannungen können so im Vergleich zu konventionellen Glasfügetechniken LASER MAGAZIN 5/2013 25