Hello, I`m Johnny Cash - Lamprechtsh.

Transcrição

Hello, I`m Johnny Cash - Lamprechtsh.
L U X B A C H E R S GEDANKEN ZUM WOCHENENDE
Schon wieder Freitag. Wie die
Zeit vergeht. Ich hatte niemals
Vorbilder. Bilder sind doch
recht flach. Sie verstauben,
bleichen aus, und irgendwann
fallen sie von der Wand.
Nein, Vorbilder sind nicht meine
Sache. Auch müsste man vor
solchen Vorbildern etwas wie
„Respekt“ haben, und das ist
nicht unbedingt die Stärke vom
Luxbacher. Sie kennen das eh.
Trotzdem habe ich natürlich,
wie wahrscheinlich jeder, meine
persönliche „Hall of Fame“ im
Kopf. Menschen, deren Leben
ich für beachtenswert halte.
Das sind für mich nicht die üblichen Heros. Keine Popsternchen und keine selbstherrlichen
Blender wie Ghandi. Nein, das
ist beispielsweise jene alte Frau,
die ich als Kind jeden Sonntag
in der Kirche gesehen habe. Die
hatte ein Rückenleiden und ging
über Jahrzehnte tief gebeugt an
einem Stock. Sie vermittelte
aber
den
Eindruck
von
Freundlichkeit und Glück. Sie
hatte offenbar gelernt, Möglichkeiten und Unmöglichkeiten zu
Hello, I’m Johnny Cash
unterscheiden, anzunehmen und
dennoch einen Weg weiter zu
gehen.
Überhaupt sind es ausschließlich alte Menschen, die meine
Heldenhalle bevölkern. Oder
eben nur der Teil ihres Lebens,
der ins Alter fällt. Kreisky etwa.
Es gibt ein Bild von ihm, kurz
vor seinem Tod. Da sitzt er vor
seinem Haus auf Mallorca,
bärtig, fast blind, auf einen
Stock gestützt. Er hatte offenbar
eine Zeitspanne unserer Welt
verstanden. Es dürfte wohl so
sein, dass ein Leben erst ab dem
Zeitpunkt die Chance hat, hervorragend zu werden, wenn man
die Endlichkeit akzeptiert hat
und erwartet.
„Hello, I'm Johnny Cash.“ So
eröffnete er alle seine Konzerte.
Er, der nicht singen konnte und
über 500 Lieder produzierte. Er,
der nicht wirklich Gitarre
spielen konnte und über 53
Millionen Platten verkauft hat.
Johnny Cash hat nichts aus-
gelassen. Keiner war irdischer
als er, der gerne den „Outlaw“
mimte, über Jahrzehnte jede
Tablette schluckte, die greifbar
war, und mit seinem Alkoholkonsum ganz Amerika an die
Versorgungsgrenze brachte.
Cash war kein Heiliger. Aber
gestern habe ich zufällig im Internet sein letztes Interview
gesehen. Wie er nach 35 Ehejahren den Tod seiner Frau
überstehen konnte, wurde er gefragt. „Go to work“, habe seine
Frau, June Carter, selbst eine
Country-Legende, gesagt. Er
hätte nachgefragt und June hat
wiederholt, er solle doch zur Arbeit gehen und sich nicht um sie
sorgen.
Tage darauf starb sie. Cash
ging zur Arbeit ins Studio.
Glücklich sei June gewesen,
dass sie sein Video zu „Hurt“
noch gesehen habe, meinte der
schwer gezeichnete Cash im
Interview. Und dann hab ich mir
das Video angesehen. Eine
[email protected]
Lebenszusammenfassung. Und
in der letzten Sequenz sitzt die
alte Country-Legende da und
schließt langsam den Deckel des
Klaviers.
Und dann ist eine Stille, die
einen Kreis schließt. Ich bin
keine Heulsuse, aber so etwas
rührt tief im Herzen. Wenn einer
den Tod erwartet und den
Deckel schließt, zufrieden,
„satisfied mind“ sozusagen.
Respekt! „I expect my life to end
soon“, meinte er im Interview
weiter und starb tatsächlich nur
wenige Monate nach seiner
Frau mit 71 Jahren.
Ach ja, wohin man denn nach
dem Tod gehen würde, war die
letzte Frage im Interview. Wo
wir allen hinkommen wollen,
„to heaven“, sagte der alte
Mann, der einen langen,
steinigen Weg gegangen war,
um seine Liebe und seine Wahrheit zu finden. „In den
Himmel“, es besteht kein
Zweifel daran, dass es ihm gelungen ist. Und dem ist auch
nichts hinzuzufügen. Mehr
Schlusssatz geht nicht.