Enzyme – Bedeutung des Wirkungsspektrums
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Enzyme – Bedeutung des Wirkungsspektrums
Aus: Kolloide als Zusatzstoffe für Wein – Chancen und Risiken, Prof. Dr. Helmut Dietrich, FA Geisenheim Aus Forschung und Industrie Enzyme – Bedeutung des Wirkungsspektrums Enzyme können eine oder mehrere biochemische Reaktionen unterstützen. Dipl.-Ing. German Haßelbeck und Dipl.-Ing. Rolf Stocké, Erbslöh Geisenheim AG, informieren über Möglichkeiten ihres Einsatzes in der Kellerwirtschaft. P Aus: Identifizierung und Analyse der an der pflanzlichen Zellwandbiosynthese beteiligten Gene in Arabidopsis thalian A. Kuschinsky, TU Berlin, Modell der pflanzlichen primären Zellwand. Modell nach Dr. M. Pauly. Abb. 1: Struktur der pflanzlichen Zellwand Abb. 2: Struktur des Pektins mit Arabinogalactan-Seitenketten ektin ist wahrscheinlich das komplexeste Makromolekül in der pflanzlichen Welt. Es besteht aus homogenen Strukturen, dem Homogalacturonan, und aus heterogenen Strukturen, dem Rhamnogalacturonan. Das Homogalacturonan ist relativ unkompliziert nur aus Galacturonsäuremolekülen aufgebaut, die teilweise mit Methanol verestert sind. Es bildet einfache unverzweigte Polymerketten. Homogalakturonan ist das im üblichen Sprachgebrauch gemeinte „klassische Pektin“. Das Rhamnogalacturonan ist sehr komplex aus vielen verschiedenen Molekülen aufgebaut. Es besteht aus einer multikomponenten Hauptkette, an die mehrere verschiedene Seitenketten angeknüpft sind. Es wird üblicherweise als „Hairy Region des Pektins“ bezeichnet. Pektin bildet die Kittsubstanz zwischen den einzelnen Zellen in pflanzlichen Geweben, somit auch im Gewebe von Früchten, die zu Saft und Wein verarbeitet werden. Je nach Frucht kommt Pektin in unterschiedlichen Mengen und in veränderlichen Zusammensetzungen vor. Trauben gehören 34 Enzyme.indd 34 zu den pektinreicheren Früchten, wobei es abhängig von der Rebsorte geringere und höhere Pektingehalte gibt. Dies zeigt sich dann in der Festigkeit und der Hartschaligkeit der reifen Beeren. Rotweinrebsorten sind häufig Zur Info Glossar Pektin = Kittsubstanz zwischen Pflanzenzellen Pektinase = Enzym zum Abbau von klassischem, einfachem unverzweigtem Pektin Homogalacturonan = Klassisches Pektin, unverzweigt Rhamnogalacturonan = Hairy Regions = verzweigte Restpektine Arabinogalactan-II = Verzweigungen am Restpektin Arabinogalactan-II-Hydrolase = Enzym zum Abbau von verzweigtem Restpektin pektinreicher als Weißweinrebsorten, wobei es in beiden Gruppen auch Überschneidungen geben kann. Im Silvaner findet man zum Beispiel mehr Pektin als im Trollinger. Zu den pektinreichsten Rebsorten gehören Silvaner, Traminer und Muskateller, zu den pektinärmeren Rebsorten gehören MüllerThurgau, Gutedel und Trollinger. Amerikanische Rebsorten,zum Beispiel Vitis labrusca (Concord-Traube), und interspezifische Rebsorten sind immer hartschaliger und pektinreicher als die Rebsorten der europäischen Vitis vinifera. Hartschalige und pektinreiche Beeren sind widerstandsfähiger gegen Pilzbefall. Damit werden die populärer werdenden PIWI-Sorten den Anteil hartschaliger und pektinreicher Rebsorten in der Weinherstellung weiter erhöhen. Traubenpektin ist zudem besonders reich an verzweigtem Rhamnogalacturonan. Ein besonders großer Teil der Verzweigungen besteht aus Arabinogalactan-II. Arabinogalactan-II wird beim Pektinabbau mit herkömmlichen Weinpektinasen nicht abgebaut, wo- das deutsche weinmagazin • 18/8. September 2012 04.09.2012 09:09:50 Aus Forschung und industrie durch das Traubenpektin insgesamt schwerer abbaubar ist als andere Fruchtpektine. Der Pektinabbau in der Traubenmaische dauert länger und es gelangen beim Abbau der einfachen Pektinstrukturen mehr nicht abgebaute komplexe, verzweigte Pektinreste in Maische, Most und Wein. Diese bewirken eine höhere Kolloidfracht und Viskosität, die sich negativ auf das Abpressen, die Klärung und die Filtration auswirken. Besonders deutlich macht sich dies bei den Rebsorten Silvaner und Gewürztraminer bemerkbar, besonders aber auch bei vielen Rotwein-Rebsorten. Bekannt ist vor allem die erheblich schlechtere Filtration von Rotweinen im Vergleich zu Weißweinen. Eine deutliche Verbesserung der Pressbarkeit und Filtrierbarkeit bei Maischen, Mosten und Jungweinen aus Pektin- und Arabinogalactan-II-reichen Rebsorten kann mit Enzymen erzielt werden, die neben einer effektiven Pektinase zusätzlich eine Arabinogalactan-IIHydrolase Aktivität (AG-II-Hydrolase) besitzen. Die AG-II-Hydrolase bewirkt durch den Abbau der verzweigten Arabinogalactan-IISeitenketten in der heterogenen Struktur des Pektins eine deutliche Verringerung der Wasserbindekapazität des Gesamtpektins und ermöglicht den klassischen Pektinaseaktivitäten einen weitergehenden Abbau des Pektinkomplexes. Sie beschleunigt dadurch auch die klassischen Pektinasen in ihrer Wirkung. Die Minderung der Wasserbindekapazität des Pektins bewirkt eine drastische Viskositätssenkung, was sich in verbesserter Pressbarkeit und leichterem, höheren Mostablauf zeigt. Sie ermöglicht auch die Anwendung geringerer Pressdrücke, was zu einer Reduzierung des Eintrags von Bitter- und Gerbstoffen führt, ohne Verlust an Aroma- und Farbstoffen. Der Pektinabbau führt zu einem schnellen Ausflocken der vorhandenen Trubpartikel, er fördert die Mostklärung und unterstützt die Schönungswirkung der Behandlungsmittel Bentonit, Gelatine und Kieselsol in Sedimentations- und Flotationsverfahren. Der erweiterte Abbau des Pektins bewirkt auch eine Verringerung der Kolloidfracht in Most und später in den Wein, was zu besseren und erhöhten Filterleistungen in den nachfolgenden kellertechnischen Maßnahmen führt. Durch ein aufwendiges Screening-Programm in der Enzymabteilung bei der Erbslöh Geisenheim AG ist es nun gelungen, eine hochaktive AG-II-Hydrolase zu finden, die die beschriebenen Effekte beim Abbau des Pektinkomplexes bewirkt. Diese AG-II-Hydrolase wurde zusammen mit der innovativen Kaltpektinase von Erbslöh zu dem neuartigen Weinenzym Trenolin® FastFlow DF vereinigt und ergänzt damit die bisherige Trenolin®Reihe. Trenolin® FastFlow DF ist ein flüssiges, hochaktives Spezialenzym für einen inten- Abb. 3: Pressausbeute mit Trenolin ® FastFlow DF, Rheinhessen-Silvaner 2011, entrappte Maische, Enzymdosage 4 ml/hl, Standzeit vier Stunden, 18 °C Abb. 4: Filtrationsleistung und -dauer bei Rheinhessen Silvaner-Jungwein 2011 nach Enzymierung mit Trenolin ® FastFlow DF (Praxistest 50 hl), Enzymzugabe zur Maische, Dosage 4 ml/hl, Kontaktzeit während der Gärung Abb. 5: Filtrationsleistung und -dauer bei Ingelheimer Spätburgunder-Jungwein 2011 nach Enzymierung mit Trenolin ® FastFlow DF (Praxistest 30 hl), Enzymzugabe zur Maische, Dosage 6 ml/hl, Kontaktzeit nach Maischeerwärmung und Gärung siven Pektinabbau in Maische und Most aus pektinreichen Traubensorten zur verstärkten Hydrolyse der verzweigten Arabinogalactan-II-Seitenketten des Traubenpektins und zur Minimierung der Molekülgröße von Restpektinen. Damit führt es zur Verbesserung der Pressbarkeit pektinreicher Maischen und zur Steigerung der Filtrationsleistung in weißen und roten Mosten und Jungweinen. das deutsche weinmagazin • 18/8. September 2012 Enzyme.indd 35 35 04.09.2012 09:09:54