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Regenwürmer bezeichnet, kann es also, außerhalb Europas, auch einer anderen Familie der Crassiclitellata angehören. 1 Name Die Herkunft der Bezeichnung „Regenwurm“ ist umstritten. Einer Ansicht zufolge soll er auf den althochdeutschen Begriff „Regnwurm“ zurückgehen, der sich auf das Verhalten der Würmer beziehe, bei starken Regenfällen die unterirdischen Wohnröhren rasch zu verlassen, um auf der Erdoberfläche dem Wasseranstieg im Oberboden zu entkommen. Nach anderer Ansicht rührt der deutsche Name von ihrer steten unterirdischen Aktivität her; noch im 16. Jahrhundert soll es die Bezeichnung „reger Wurm“ gegeben haben. Ein Regenwurm im humosen Oberboden Auf den eigentlichen Aufenthaltsort des Wurms bezogen sind dagegen beispielsweise die englische Bezeichnung „earthworm“, wobei auch „rain worm“ gebräuchlich ist, das türkische „yer solucanı“ und der französische Begriff „ver de terre“ (Erdwurm). Die Regenwürmer (Lumbricidae) sind im Erdboden lebende, gegliederte Würmer aus der Ordnung der Wenigborster (Oligochaeta). Sie gehören innerhalb des Stammes der Ringelwürmer (Annelida) zur Klasse der Gürtelwürmer (Clitellata). Weltweit waren 2008 etwa 670 Arten der Regenwürmer (der Familie Lumbricidae) bekannt.[1] Zusätzlich wird aber eine unbekannte Anzahl morphologisch nicht unterscheidbarer Kryptospezies vermutet.[2] 2 Körperbau In der Schweiz und in Deutschland leben derzeit 46 2.1 Arten,[3] in Österreich 54.[4] Nicht alle der in Europa lebenden Arten sind ursprünglich dort heimisch. Ihre durchschnittliche Lebenszeit liegt zwischen drei und acht Jahren. Der 9 bis 30 Zentimeter lange Tauwurm oder Gemeine Regenwurm (Lumbricus terrestris) ist neben dem 6 bis 13 Zentimeter langen Kompostwurm (Eisenia fetida) wohl die bekannteste einheimische Annelidenart. Während die Zuordnung in Europa relativ eindeutig ist, gibt es in anderen Erdteilen zahlreiche weitere Anneliden anderer Familien, die eine vergleichbare Lebensweise besitzen und auch Regenwürmer (oder earthworms) genannt werden. Die gesamte Gruppe ist untereinander verwandt und wohl monophyletisch, sie wird, nach einem morphologischen Merkmal, dem mehrlagigen Clitellum, Crassiclitellata genannt. Sie umfasst neben den Lumbriciden die Familien Acanthodrilidae, Megascolecidae, Octochaetidae, Ocnerodrilidae, Eudrilidae, Hormogastridae, Lutodrilidae, Ailoscolecidae, Sparganophilidae, Glossoscolecidae, Kynotidae, Almidae und Microchaetidae, wobei einige dieser Familien in ihrer Abgrenzung und Eigenständigkeit taxonomisch umstritten sind. Wird ein Tier als „Regenwurm“ Segmentierung Borsten vergrößert durch ein Mikroskop Der Körper des Regenwurms besteht aus zahlreichen zylindrischen Gliedern (Segmenten), die außen an ihren Seiten die kaum aus der Haut hervorragenden Borsten tragen. Die Borsten, von denen Regenwürmer pro Segment vier Paar besitzen, bestehen aus Chitin und Proteinen 1 2 2 und können mit Hilfe besonderer Muskeln bewegt werden. Die Anzahl der Segmente nimmt mit dem Alter des Wurms zu. Eine spezielle Wachstumszone in der Nähe des Hinterendes produziert neue Glieder. Ausgewachsene Exemplare erreichen um die 160 Segmente. 2.2 Hautmuskelschlauch Nach außen hin ist der gesamte Körper des Wurms und damit auch jedes seiner Segmente durch einen Hautmuskelschlauch abgegrenzt. Auf eine einschichtige Epidermis, die einige Drüsen- und Sinneszellen enthält und nach außen von einer kollagenhaltigen Cuticula umgeben ist, folgt eine Ringmuskelschicht. An diese schließt wiederum nach innen die dicke Längsmuskelschicht an. Die meisten Arten besitzen Hautpigmente. So sind zum Beispiel viele Lumbricus-Arten mehr oder weniger rot gefärbt. Alle Allolobophora-Arten besitzen dagegen mehr dunkle Pigmente, die die Hautoberfläche eher hellgrau oder grau-schwarz erscheinen lassen. 2.3 Verdauungsorgane Eine Art Oberlippe, auch Kopflappen (Prostomium) genannt, überwölbt am Kopfende den Mund. Die Mundöffnung führt in den Darm, der den Regenwurm von vorne bis hinten vollständig durchzieht. Der Darm beginnt mit dem muskulösen Pharynx, auf den die Speiseröhre (Oesophagus) mit ihren Kalksäckchen sowie ein muskulöser Kropf und Muskelmagen folgen. Hier wird (ähnlich wie bei Hühnern) die pflanzliche Nahrung durch mitaufgenommene kleine Steinchen (hier: Sandkörner) gleichmäßig zerrieben. Es folgt der lange Mitteldarm, der auf der Rückenseite in seiner gesamten Länge eine Einstülpung (Typhlosolis) aufweist, die die innere Darmoberfläche vergrößern hilft. Am Hinterende des Wurms befindet sich der After. Mit Hilfe kalziumhaltiger Abscheidungen neutralisieren die Würmer alle aufgenommenen säurehaltigen Bodeninhaltsstoffe und sorgen so auf natürliche Weise für eine Bodenverbesserung. 2.4 Coelom Zwischen den inneren Organen und dem Hautmuskelschlauch liegt in jedem Segment rechts und links ein mit Flüssigkeit ausgefüllter und von einer elastischen zarten Haut umgebener Hohlraum, die sekundäre Leibeshöhle (Coelom). Die abgrenzenden Quer- und Längswände in den Segmenten werden als Dissepimente bzw. Mesenterien bezeichnet. Die eingeschlossene Flüssigkeit wirkt für den wirbellosen Organismus gewissermaßen als hydrostatisches Skelett. Im Zusammenwirken mit dem Hautmuskelschlauch unterstützt es den Wurm sowohl beim Bohren im Boden als auch bei der Fortbewegung allgemein, z. B. beim Kriechen an der Bodenoberfläche oder in der Wohnröhre. KÖRPERBAU 2.5 Ausscheidungsorgane Die Ausscheidungsorgane beginnen hinten in jedem Coelomsäckchen der Segmente (mit Ausnahme der ersten drei Glieder und des letzten Segments) links und rechts vom Darm mit je einem Wimperntrichter der sogenannten Nephridien. Diese gehen im nächsten Coelomsäckchen in einen langen, in Schleifen gewundenen, von Blutgefäßen umsponnenen Exkretionskanal über, der sich im Endabschnitt zu einer Harnblase erweitert. Der Wimpertrichter saugt Coelomflüssigkeit an, deren größter Teil im Exkretionskanal ins Blut transportiert wird (bis auf die Abfallstoffe). Die Adern dienen gleichzeitig der Versorgung des Ausscheidungsorgans mit Sauerstoff und Nährstoffen. Diese Versorgung der Zellen ist nötig, weil an den Schleifen des Nephridiums aktive Transportvorgänge zur Ausscheidung von Harnsäure, Harnstoff, Ammonium und Salzen sowie zur Resorption von Wasser, Ionen und organischen Verbindungen ablaufen. 2.6 Fortpflanzungsorgane Regenwürmer besitzen als Zwitter sowohl weibliche als auch männliche Geschlechtsorgane und diese zudem jeweils beidseitig. Sie beginnen mit zwei Paar Hoden vorn im Coelom des 10. und 11. Segmentes, eingepackt in die sogenannten Samenkapseln. Die Samenkapsel des 10. Segments weist zwei paarige Ausstülpungen der Dissepimente in vordere und hintere Längsrichtung auf, die Samentaschen. Die Samentasche des 11. Segments ragt in das 12. Segment hinein. Die gereiften Spermien aus diesen drei Paar Samentaschen wandern in die Samenkapseln zurück. Hier beginnen die Spermienleiter jeweils mit einem Wimperntrichter (einer Öffnung mit einem Saum von Zilien, die in Richtung des Inneren schlagen), vereinigen sich beiderseits und münden im 15. Segment in zwei erkennbaren Öffnungen (männlicher Porus) nach außen. Im 13. Segment liegen entsprechend die weiblichen Organe (Eierstöcke und Eileiteröffnungen). Die Eileiter münden aber schon im 14. Segment nach außen. Hinzu kommen noch zwei Paar Samentaschen (Receptacula seminis) im 9. bis 10. Segment zur Aufnahme von Spermien bei der Paarung. 2.7 Nervensystem Das Nervensystem ist hoch entwickelt. Es ist in das Gehirn oder Oberschlundganglion, das Bauchmark und die Segmentalnerven untergliedert. Das aus zwei miteinander verwachsenen Cerebralganglien bestehende Gehirn liegt im dritten Segment kurz vor dem Beginn des Pharynx dorsal dem Darm auf. Von ihm ziehen zahlreiche Nerven nach vorn in Richtung Prostomium. Schlundkonnektive verbinden das Oberschlundganglion auf beiden Seiten des Vorderdarms mit dem zu Beginn des vierten Segments ventral vom Darm gelegenen Unterschlundganglion (siehe nebenstehende Abbil- 2.8 Blutgefäßsystem 3 und Längsmuskulatur zweigen fortwährend feine Fasern ab und innervieren die Muskelzellen sowie die Zellen der Epidermis. Die Innervation der Dissepimente, also der muskulösen Scheidewände zwischen den Segmenten, erfolgt durch die sogenannten Septalnerven, die in den Achseln der vorderen Segmentalnerven vom Bauchmark abzweigen. Das Darmnervensystem des Regenwurms, das man auch stomodaeales System nennt, wurde erst relativ spät entdeckt. Augen fehlen zwar, doch ist der Regenwurm vor allem am Vorder- und Hinterende lichtempfindlich. In der Epidermis finden sich einzelne Sehzellen. Somit ist der Regenwurm zumindest in der Lage, hell und dunkel zu unterscheiden.[5] Der Regenwurm reagiert auch auf Erschütterungen des Bodens. Längsschnitt durch das Vorderende bm = Bauchmark d = Darmlumen mit Nahrungspartikeln ep = Epithel lm = Längsmuskulatur m = Mundöffnung osg = oberes Schlundganglion rm = Ringmuskel usg = unteres Schlundganglion dung). Es folgt der Hauptstrang des Nervensystems, der auf der Bauchseite den Wurm vom vierten Kopfsegment bis zum Schwanzsegment durchzieht. Er wird daher als Bauchmark bezeichnet. In einem Frontalschnitt durch das Bauchmark erkennt man, dass es sich evolutionär vom Strickleiternervensystem ableitet. Die ursprüngliche Organisation des Strickleiternervensystems besteht aus paarigen, längs zur Körperachse verlaufenden Konnektiven, die durch quer zur Körperachse angeordnete Kommissuren miteinander verbunden sind. Konnektive und Kommissuren sind durch Nervenknoten (Ganglien), die überwiegend aus den Zellkörpern der Nervenzellen bestehen, miteinander verbunden. Beim Regenwurm sind diese Elemente alle in einem median verlaufenden (unpaaren) Nervenstrang vereint. In azangefärbten histologischen Präparaten kann man die beiden Faseranteile (Kommissuren und Konnektive) sowie die Nervenknoten auf geeigneten Schnitten gut differenzieren. Pro Segment zweigen vom Bauchmark je drei Paar Segmentalnerven ab. Das vordere Paar liegt im kranialen (kopfwärts orientierten) Abschnitt eines Segments; das mittlere und das hintere Paar liegen meist eng benachbart im caudalen (schwanzwärts orientierten) Bereich eines Segments. Diese typische Anordnung erlaubt in den allermeisten Fällen, ein histologisches Präparat nach kopfwärts/schwanzwärts zu orientieren. Nach ihrer Abzweigung vom Bauchmark verlaufen die Segmentalnerven zunächst durch die sekundäre Leibeshöhle des Regenwurms (Coelom) und treten dann in den Hautmuskelschlauch ein, wo sie sich in einen ventralen und einen dorsalen Ast auftrennen. In ihrem weiteren Verlauf zwischen Ring- 2.8 Blutgefäßsystem Besondere Atmungsorgane besitzt der Regenwurm nicht, aber ein vielfach verzweigtes, geschlossenes Blutgefäßsystem, das den über die Haut aufgenommenen Sauerstoff und die aus dem Darm aufgenommenen Nährstoffe im ganzen Körper verteilt. Es besteht aus einem Rückengefäß, das das Blut von hinten nach vorn treibt, und einem Bauchgefäß. In den Segmenten sieben bis elf werden die beiden Hauptblutgefäße durch muskulöse und stark kontraktile Schlingen, die sogenannten Lateralherzen (zwei pro Segment), miteinander verbunden. In den übrigen Segmenten gibt es keine direkte Verbindung mehr zwischen dem Rücken- und dem Bauchgefäß. Das Blut selbst ist durch den roten Blutfarbstoff Hämoglobin, der im Blutplasma gelöst ist, rot gefärbt. Es enthält auch farblose Blutkörperchen, die Amoebocyten, die jedoch meistens den Gefäßwänden anliegen. Das Hämoglobin des Regenwurms besteht nicht wie das des Menschen aus nur 4, sondern aus 24 Untereinheiten. Entsprechend hoch ist die molare Masse von 3.840.000 g·mol−1 . 3 Regeneration nach Verstümmelung 3.1 Regenerationsvermögen Regenwürmer verfügen über ein beachtliches Regenerationsvermögen. So ist es den Tieren möglich, nach der Durchtrennung ihr Hinterende fast vollständig wieder auszubilden, wobei das Regenerationsvermögen zur Körpermitte hin abnimmt. Am Vorderende können maximal die ersten vier Segmente, das sogenannte Prostomium, abgetrennt werden. Diese vier Segmente werden wieder ersetzt. Trennt man vorn mehr Segmente ab, werden nicht mehr alle regeneriert. Bei mehr als 15 entfernten Segmenten ist meist keine Regeneration 4 4 LEBENSWEISE des Vorderendes mehr möglich. Das Regenerat hebt sich durch seine hellere Färbung von der benachbarten Körperpartie deutlich ab. Das weit verbreitete Gerücht, dass zwei lebende Würmer entstünden, wenn man einen Wurm in der Mitte durchtrennt, trifft nicht zu. Gerade in der Körpermitte ist das Regenerationsvermögen des Regenwurms am geringsten. Jedes Körpersegment besitzt die genetische Anlage, den After wieder auszubilden, nicht aber den Kopf. Das Vorderende kann nur überleben, wenn die Teilung des Regenwurms hinter dem 40. Segment erfolgt. Davor befinden sich die lebenswichtigen Organe wie das Oberschlund- und das Unterschlundganglion (Nervenzentren mit gehirnähnlichen Funktionen) sowie die Lateralherzen, die für die Aufrechterhaltung des Hämolymphkreislaufs erforderlich sind. Diese Organe können nicht regeneriert werden. Während der Regeneration fallen die Regenwürmer in eine Körperstarre. Dies machen sich Maulwürfe zunutze, die sie in die vordersten Segmente beißen und die dann unbeweglichen Regenwürmer in Kammern als Vorrat lagern.[6] 3.2 Selbstverstümmelung Die Würmer sind auch in der Lage, sich in bestimmten Gefahrensituationen selbst zu verstümmeln (Autotomie), z. B. wenn sie ein Fressfeind gepackt hat. Hierbei schnürt der Wurm am Hinterende eine Reihe von Segmenten ab und überlässt sie dem Räuber, um sich mit dem restlichen Körper durch Flucht in Sicherheit zu bringen. 4 Lebensweise Tiefgründige, vertikal angeschnittene Regenwurmröhre Regenwürmer können anoxische Bedingungen (ganz ohne Sauerstoff) in wassergesättigten Böden nur bis zu etwa zwei Tage lang überstehen. Sie fehlen deshalb in grundwassergesättigten Böden. Auch nasse und dabei saure Moorböden werden nicht besiedelt. Typische Regenwurmarten wassergesättigter Böden sind Octolasium tyrtaeum und Proctodrilus antipae.[7] Obwohl überwiegend terrestrisch, gibt es auch einige aquatische Regenwürmer, die stehende und fließende Gewässer besiedeln. Die einzige in Europa häufige und verDie Regenwürmer lassen sich in drei Gruppen einteilen: breitete Regenwurmart, die aquatisch und in wassergesättigten Böden lebt, ist Eiseniella tetraedra.[8] Diese Art • Epigäische Arten wohnen knapp unterhalb der Bo- kommt zum[9]Beispiel verbreitet in der Gewässersohle des denoberfläche im organisch angereicherten Hori- Rheins vor. zont oberhalb des Mineralbodens. Sie leben vorwiegend von Tierauscheidungen und abgestorbenem Pflanzenmaterial. Aufgrund des notwendigen UV- 4.2 Ernährung Schutzes sind sie dunkel gefärbt. Die nachtaktiven Regenwürmer sind überwiegend • Anektische Formen sind vertikalgrabend und suchen Substrat- und Pflanzenfresser, das heißt, sie füllen ihren auch tiefere Bodenschichten (2 m und mehr) auf. Darm mit humusreicher Erde und vermodertem PflanDiese Arten fördern die Durchmischung der Mine- zenmaterial. Sie ziehen nachts beispielsweise Keimlinge und Blätter in die Erde, um sie dort verrotten zu lassen ralerde mit dem Humus. und später als Nahrung zu verwerten. Um die Blätter • Endogäische Vertreter der Regenwürmer leben im festzuhalten, können Regenwürmer ihr Vorderende oberen Bereich des Mineralbodens. Sie sind durch- knopfartig aufblähen, sodass ihr Mund wie von einer scheinend bleich gefärbt, da sie selten an die Ober- Saugscheibe umgeben ist. Diese wird an das Blatt oder fläche kommen. den Blattstiel gepresst, und mit Hilfe des muskulösen 4.1 Lebensraum 4.4 Fortpflanzung 5 muskeln des Vorderendes, dass dieses dünner und länger wird. Dabei verankern die Borsten die hinteren Segmente im Boden, während der vordere Teil über den Boden gleitend sich nach vorne schiebt. Nun folgt eine von vorn nach hinten verlaufende Kontraktion der Längsmuskeln, wodurch die Segmente wieder dicker und kürzer werden, was den Wurmkörper nach vorne zieht (peristaltische Bewegung). Berührungs- und Lichtreize können Regenwürmer auch zu sehr raschen Muskelkontraktionen im Sinne einer Fluchtreaktion veranlassen. Teilweise in den Boden gezogene Blätter (rechts) und Ausscheidungen (linke Bildmitte) von Regenwürmern Bei ihren Wanderungen durch die Böden bilden Regenwürmer Röhren. In lockerem Bodensubstrat wie zum Beispiel feuchten Waldböden oder Komposterde haben die Tiere beim Durchdringen des Bodens keine Probleme. Mineralböden dagegen bieten je nach Körnung, Festigkeit und aktuellem Wassergehalt sehr unterschiedliche Widerstände. Beim Eindringen in den Oberboden sowie beim Bau neuer unterirdischer Wohnröhren wird das verdünnte Vorderende als Bohrinstrument benutzt. Zum Überwinden des Bodenwiderstandes dient der stabile hydrostatische Druck der Leibeshöhlenflüssigkeit. Pharynx saugt sich der Wurm so sehr fest, dass er in der Lage ist, das angesaugte Blatt rückwärts kriechend in seine Wohnröhre zu ziehen. Sekrete aus den Pharynxdrüsen fördern den Zersetzungsprozess. Die aufgenommene Nahrung wird anschließend mit Hilfe des Muskelmagens Meist werden die gebohrten Röhren mit Schleim und zerrieben und im Mitteldarm verdaut. Exkrementen der Würmer ringsherum ausgekleidet und Ständig fressen sich die Regenwürmer kreuz und quer somit für den raschen Auf- und Abstieg stabilisiert. Man durch die Bodenschichten ihres Lebensbereiches. Die da- nennt diese Verfestigung auch „Tapete“. Sie dient auch bei aufgenommene Erde enthält Detritus-Bestandteile, den Pflanzen als Dünger. Bakterien, Pilzsporen und zahlreiche Einzeller, die verdaut und als Nahrung genutzt werden können. Manche 4.4 Arten verzehren auch Aas. Durch die Beschaffenheit der Erde, die der Regenwurm erzeugt, wenn er die mitgefressenen Bodenbestandteile wieder ausgeschieden hat, werden die für den Boden nützlichen Mikroorganismen gefördert und die bodenfeindlichen eingedämmt, z. T. sogar vernichtet. 4.3 Fortpflanzung Fortbewegung und Graben Kopulation – das Clitellum ist bei beiden Würmern gut sichtbar. Ring- und Längsmuskulatur in Bewegung, im Rahmen der Fortbewegung Mit Hilfe seiner Borsten und der Ring- und Längsmuskulatur ist der Regenwurm in der Lage, sich sowohl vorwärts als auch rückwärts kriechend zu bewegen. Sind beispielsweise beim Kriechen die Borsten schräg nach hinten gerichtet, bewirkt das Zusammenziehen der Ring- Die Geschlechtsreife, die mit ein bis zwei Jahren eintritt, zeigt sich durch die Ausbildung des sogenannten Gürtels (Clitellum), einer gelblichen sattelförmigen drüsenreichen Verdickung vom 27. bis 35. Segment. Die Seitenränder des Clitellums treten als sogenannte Pubertätsleisten besonders hervor. Regenwürmer sind Zwitter und befruchten sich wechselseitig. Große Drüsen des Gürtels scheiden bei der Begattung ein Sekret aus, mit dem sich jeder Wurm an der Bauchseite des 10. Segmentes des anderen Partners gegenläufig anheftet. Dann scheidet jeder Wurm 6 4 Kokons von Lumbricus terrestris aus den beiden Spermienleitern eine deutlich sichtbare Spermienportion aus, die er durch Hautbewegungen längs zweier Samenrinnen in Richtung seines Gürtels zu den dort befindlichen Samentaschen (Receptacula seminis) des Partners transportiert. Die dort gespeicherten fremden Spermien dienen ein paar Tage später zur Befruchtung der eigenen Eizellen. (Bei einigen Regenwurmarten wurde hin und wieder auch Selbstbefruchtung beobachtet.) Die Eier werden (wie auch bei den Blutegeln) in Kokons abgelegt. Ein Clitellum-Sekret dient zur Bildung der Hülle dieses Ei-Kokons, ein zweites füllt es mit einer Eiweißschicht. Dann zieht sich der Wurm rückwärts aus dem Kokonring, in den dabei aus den Eileitermündungen je nach Art ein oder mehrere Eier und aus den Samentaschen Spermien abgegeben werden. Die Embryonen ernähren sich von dem Eiweiß, von dem sie umgeben sind, und machen im Ei nach einer kurzen Trochophora-Phase die Metamorphose zum zunächst durchsichtigen Wurm durch. Die Entwicklungsdauer der Jungwürmer kann je nach Art und Umgebungstemperatur sehr verschieden sein. So schlüpft der Kompostwurm (Eisenia fetida) in seiner relativ warmen Umgebung bereits nach 16 bis 20 Tagen, dagegen benötigt Lumbricus terrestris bei einer mittleren Bodentemperatur von etwa 12 °C bis zu 135 Tage. 4.5 Verhalten bei Hitze und Kälte Das Temperaturoptimum der meisten Regenwurmarten liegt bei 10 bis 14 °C (Kompostwürmer: 20–25 °C). Darüber hinaus brauchen sie feuchte Erde. Dadurch sind Regenwürmer im Sommer und Winter weniger bis gar nicht aktiv.[10] Die Wintermonate (Dezember bis Februar) verbringen Regenwürmer in Mitteleuropa in 40 bis 80 cm Bodentiefe in einer Art Kältestarre. Häufig finden sich unter wärmespeichernden Bodenstrukturen wie Baumstümpfen, Steinen oder Komposthaufen ganze Kolonien zusammengerollter Würmer. Unter hohen und dicht geschlossenen Schneedecken ist der Boden gegen Kälte geschützt und LEBENSWEISE meist nicht gefroren. Stellenweise kann man hier Regenwürmer beobachten, die selbst im Winter im Bereich des Oberbodens aktiv sind. Noch ist unbekannt, inwieweit und wie lange die Tiere Kältegrade überstehen können. Mittelfristig droht den im Winter aktiven Würmern die Gefahr auszutrocknen, da eine Durchfeuchtung des Bodens aufgrund der gefrorenen Schneedecke bzw. Bodenoberfläche nicht stattfindet. Manche Arten können während der Winterruhe ca. 80 % ihres ursprünglichen Gewichts einbüßen, bevor sie sterben. Lumbricus terrestris zum Beispiel vollzieht in den relativ milden Gegenden Südwestdeutschlands (Oberrheingraben) keine richtige Winterruhe. Er erscheint in feuchten, frostfreien Nächten stets an der Bodenoberfläche, um Nahrung aufzunehmen. Die im Herbst abgelegten Kokons der geschlechtsreifen Regenwürmer entwickeln sich im frostfreien Boden über den Winter hinweg weiter. Im Frühjahr schlüpfen die Jungwürmer nach Eintritt einer Bodentemperatur von über 10 °C. 4.6 Flucht an die Oberfläche bei Regen Weshalb die Regenwürmer bei Regen ihre Wohnröhren verlassen, ist noch nicht vollständig geklärt. Oft wird angenommen, dass die Regenwürmer nicht an die Erdoberfläche kriechen, weil sie das feuchte Milieu der Niederschläge lieben, sondern weil sie bei Regen, insbesondere bei langanhaltenden Regenperioden, in ihren Gängen im Erdboden ersticken würden, da der im Wasser gelöste Sauerstoff nicht ausreicht, um den Wurm über die Hautatmung mit genügend Sauerstoff zu versehen. Wissenschaftliche Untersuchungen zeigten jedoch, dass selbst unter anaeroben Bedingungen unter Wasser gehaltene Regenwürmer erst nach 35 Stunden langsam zugrunde gehen. Wie sich weiter herausstellte, schalten die Würmer unter diesen extremen Bedingungen auf einen glykolytischen Stoffwechsel ohne Sauerstoffverbrauch um (Milchsäuregärung). Regenwürmer sind imstande, Überschwemmungen mit sauerstoffreichem Wasser bis zu mehrere Monate lang zu überleben. Tatsächlich erreichen sie in oft überschwemmten Auenbereichen sogar ungewöhnlich hohe Siedlungsdichten.[11] Eine Studie der Carleton Universität im kanadischen Ottawa legt hingegen nahe, dass Regenwürmer aus Angst vor Maulwürfen an die Oberfläche kriechen: In Amerika ist es üblich, dass Angler Regenwürmer mittels „worm grunting“ (Substratschall, erzeugt durch einen in den Boden getriebenen Stock und eine vibrierende Metallscheibe) aus dem Boden austreiben, das Geräusch ähnle dem Grabegeräusch der Maulwürfe, wichtiger Fressfeinde von Regenwürmern.[12] Fallende Regentropfen sollen ähnliche Frequenzen erzeugen, was die Würmer eventuell mit grabenden Maulwürfen verwechseln. Eine zweite Studie in Florida erzielte vergleichbare Ergebnisse.[13] Ob diese Ergebnisse, erzielt an den amerikanischen Diplocardia mississippiensis, Diplocardia floridana und Pheretima diffringens, Familie Acanthodrilidae, allerdings allgemein 5.2 Belüftung und Durchmischung der Böden 7 gültig sind, ist unklar. Lumbricidae scheinen auf Substratschall nicht in vergleichbarer Weise zu reagieren.[14] 5 5.1 Bedeutung für die Bodenverbesserung Rolle als Destruenten Bodenbildende Ausscheidungen von französischen Regenwürmern (aus Darwins Die Bildung der Ackererde durch die Tätigkeit der Würmer). Nach Ansicht von Louis Pasteur holen Regenwürmer auf diese Weise auch die Sporen von MilzbrandBakterien aus vergrabenen Tierkadavern wieder an die Oberfläche. seinem Buch Die Bildung der Ackererde durch die Tätigkeit der Würmer die Tatsache, dass Regenwürmer beständig die aus den tieferen Schichten des Bodens stammende Erde durch ihren Darm hindurch an die ErdoberRegenwürmer sorgen für Belüftung des Bodens. fläche befördern und dadurch zur Auflockerung und Belüftung der Böden beitragen.[16] Als begleitender Effekt Regenwürmer können in bestimmten Bereichen einen zeigt sich das erleichterte Eindringen von Wasser in tiefeAnteil von bis zu 90 Prozent der Biomasse der gesamre Bodenschichten. Dies wiederum fördert das Pflanzenten Bodenfauna ausmachen, wobei die Wurmdichte bis wachstum. In den vertikal gebohrten Gängen können aber [15] zu 2000 Individuen pro Quadratmeter erreichen kann. auch Pflanzenwurzeln schneller in die Tiefe wachsen. Sie nehmen als Destruenten eine zentrale Stellung beim Abbau organischer Substanzen ein. Die lufthaltigen Gän- Nach Darwins Berechnung befördern die Regenwürmer ge der Regenwürmer sorgen dafür, dass aerobe Bakterien in vielen Teilen Englands jährlich auf einem sechs Hektmit genügend Sauerstoff versorgt werden und sich abge- ar großen Landstück ein Gewicht von mehr als 25.000 kg Erde an die Oberfläche und bewirken dadurch eistorbene Pflanzenteile besser zersetzen. ne ganz erhebliche Durchmischung der Bodenschichten, Die gezielte Verarbeitung von Kompost (Kompostierung) wobei der Untergrund mit Humusstoffen angereichert durch Regenwürmer (Wurmkompost) ergibt als Produkt wird. Durch diese Tätigkeit „versinken“ Steine oder auch den sogenannten Wurmhumus mit hochkonzentrierten verlorene Münzen im Boden, weil die Ausscheidungen, Bestandteilen an pflanzenverfügbaren Nährstoffen. die auf der Oberfläche abgelagert werden, aus tieferen Bodenschichten stammen. Dieser Vorgang wird allge5.2 Belüftung und Durchmischung der mein als Bioturbation bezeichnet. In den Oberböden der Tropen und Subtropen wurden noch wesentlich höhere Böden Umsetzungsraten festgestellt. Es liegt nahe, dass die BöIhren Kot setzen die Regenwürmer meist oberirdisch in den des tropischen Regenwaldes hierbei an der Spitze lieForm von geringelten Kotbällchen am Mündungsende ih- gen (bis zu 280 t pro ha). rer Gänge ab. Schon 1881 beschrieb Charles Darwin in Ebenfalls 1881 hatte aber Louis Pasteur auch darauf 8 8 GEFÄHRDUNG UND SCHUTZ hingewiesen, dass in den Kotbällchen der Regenwürmer Krankheitserreger aus tieferen Erdschichten an die Oberfläche gelangen können. Damals war es üblich, an Milzbrand-Erregern (Bacillus anthracis) verstorbene Rinder, Schafe und Pferde auf einer Acker- oder Wiesenfläche zu vergraben. In den Kotbällchen der Regenwürmer über diesen Kadavern waren hohe Konzentrationen an Milzbrand-Erregern entdeckt worden, die nachweisbar von Weidetieren aufgenommen wurden und zu weiteren Infektionen führten.[17] Ein Jahr später erörterte auch Robert Koch diese Form der Infektion in seiner Publikation „Über die Milzbrandimpfung“.[18] Im Freiland sind die positiven Einflüsse von Regenwürmern nicht messbar, da man sie von den anderen Umwelteinflüssen nicht trennen kann. Unter standardisierten Laufkäfer (Carabus auratus) erbeutet einen Regenwurm Bedingungen im Labor hingegen sind die Auswirkungen ihrer Tätigkeiten auf die Bodenverbesserung belegbar. Ameisen, Laufkäfer und Landplanarien. Auch Füchse und Dachse ernähren sich gern von Regenwürmern. 5.3 Biologischer Gartenbau Maulwürfe beißen den Regenwürmern häufig ins Vorderende, um sie am Wegkriechen zu hindern. Die auf diese Art und Weise bewegungsunfähig gewordenen, aber noch lebensfähigen Würmer werden anschließend an einem sicheren Platz unter der Erde als Nahrungsvorrat deponiert, zum Beispiel für die Wintermonate. Für den biologischen Gartenbau sind Regenwürmer von zentraler Bedeutung. Regenwürmer gelten als wichtigste Erzeuger von Dauerhumus, gleichbedeutend mit den Ausscheidungen des Regenwurms, einer stabilen Bodenstruktur, ideal für das Pflanzenwachstum und mit vielen für die Pflanzen verfügbaren Nährstoffen. Daher ist auch die Pflege des Bodens in Form von Abdecken oder ober- 7 Parasiten flächliches Hacken gegen Austrocknung, Mulchen und Einbringen von Kompost eine Vergünstigung der Lebensbedingungen für das Bodenleben (Edaphon) und somit In Regenwürmern leben zahlreiche parasitierende Organismen. Neben verschiedenen, zum Teil symbiofür die Regenwürmer. tisch lebenden Bakterien, Ciliaten und Flagellaten finDer Komposthaufen im biologischen Gartenbau stellt den sich besonders häufig Gregarinen (Sporozoen) und sozusagen die Verdauungstätigkeit des Regenwurms Fadenwürmer (Nematoden). Befallen werden vor allem im großen Stil nach. Hier finden sich vor allem der die Leibeshöhle sowie die Samenblase. Die meisten PaKompostwurm und der Rote Waldregenwurm sehr häufig rasiten sind harmloser Natur, einige aber übertragen ein, ebenso wie unter ausgebrachtem Mulchmaterial. Die als Zwischenwirte schwere Krankheiten (zum Beispiel Reife des Kompostes lässt sich dadurch feststellen, dass die Lungenwurmkrankheit bei Schweinen und Hühnern der Haufen zusammengesunken ist und die Regenwürmer durch Metastrongylus-Arten). Hin und wieder werden diesen verlassen haben. auch Larven von Bandwürmern (Eucestoda) in RegenDie Nährstoffanreicherung durch die Regenwürmer wird würmern nachgewiesen. Gelegentlich parasitieren auch indirekt durch organische Düngung erzeugt und auf Larven der Goldfliege (Lucilia sericata) in RegenwürKunstdünger wird explizit verzichtet. Da die Grabetätig- mern. Sie halten sich bevorzugt im vorderen Bereich des keit der Regenwürmer den Boden ausreichend lockert, Regenwurms (drittes und viertes Segment) auf und fühist im biologischen Garten bei richtiger Bodenpflege ein ren nach einiger Zeit zum Tod ihres Wirts. Umgraben im Gegensatz zur konventionellen Anbaumethoden nicht mehr erforderlich. 8 Gefährdung und Schutz 6 Fressfeinde Regenwürmer dienen zahlreichen Vogelarten als Nahrungsquelle. Meist sind es Stare, Drosseln und Krähen, im Norden auch vermehrt Möwen und Austernfischer, die den Würmern gezielt nachstellen. Weitere natürliche Feinde sind Marder, Maulwürfe, Igel, Spitzmäuse, Erdkröten, Frösche, Feuersalamander, Hundertfüßer, Über die Gefährdung einzelner Regenwurmarten ist vergleichsweise wenig bekannt, weil in den meisten Regionen die Fauna schlecht bekannt ist. Selbst für das gut faunistisch erforschte Deutschland liegt bisher keine Rote Liste vor.[19] Zahlreiche gefährdete endemische Arten mit kleinem Verbreitungsgebiet sind etwa von der Balkanhalbinsel bekannt.[20] Global betrachtet ist, neben der ackerbaulichen Nutzung von früheren Wäldern, die Ein- 9 schleppung exotischer Arten mit Verdrängung der lokalen Fauna einer der wesentlichen Gefährdungsfaktoren. Besonders bedroht ist etwa die artenreiche Fauna der karibischen Inseln.[21] Dichte und Häufigkeit von Regenwürmern hängen von Bodenfaktoren und Landbewirtschaftung ab. Regenwürmer sind selten oder fehlen ganz in sandigen Böden mit niedrigem pH-Wert. Außerdem hängt ihr Vorkommen von der Pflanzenstreu ab. Unter Nadelwald leben deshalb weniger Regenwürmer als unter Laubwald, besonders selten sind sie in Eucalyptus-Forsten. Regenwurm im Bodenprofil Aufgrund des Einflusses auf die Bodenstruktur und die Streuzersetzung wird in landwirtschaftlichen Böden meist eine hohe Regenwurmdichte angestrebt. Extrem vermindert wird ihre Dichte allerdings durch Pflügen, worunter besonders die großen Arten spezifisch leiden. Während organische Düngung, z. B. Kompostgaben, günstig sind, vermindert Ausbringen von Gülle ihre Siedlungsdichte. Auch von vielen Pestiziden sind negative Auswirkungen nachgewiesen (insbesondere Fungizide und Insektizide). Für Herbizide mit dem Wirkstoff Glyphosat konnte eine im August 2015 erschienene Studie nachweisen[22] , dass der Tauwurm (Lumbricus terrestris) nach Herbizidanwendung seine Aktivität fast völlig einstellte, während der Wiesenwurm (Aporrectodea caliginosa) unvermindert aktiv blieb. Die HerbizidAnwendung reduzierte außerdem beim Wiesenwurm die Vermehrungsrate um 56 %[22] . Ungünstig sind insbesondere auch hohe Gaben kupferhaltiger Substanzen, dies war lange Zeit aufgrund der geringen Empfindlichkeit des als Testorganismus eingesetzten, in natürlichen Böden nicht vorkommenden Kompostwurms Eisenia fetida unterschätzt worden.[23] 9 Wurmzucht, Wurmfarm Die meisten Regenwurmarten können relativ einfach in Gefangenschaft gehalten und entsprechend gut vermehrt werden. Auf diese Weise werden Regenwürmer vielerorts in sogenannten Wurmfarmen in großem Stil gezüchtet und kommerziell genutzt. Vielfache Verwendung finden die Würmer als Futtertiere im Zoofachhandel oder als Köder für den Angler. Zuchtansätze und Zubehör zur Wurmzucht können von darauf spezialisierten Unternehmen im Internet bestellt und auf dem Postweg zugeschickt werden. Seit einiger Zeit werden Wurmkulturen auch für die Bodenverbesserung und für die Kompostwirtschaft eingesetzt. Am besten eignen sich hierfür Arten, die bereits von Natur aus hohe Umsetzungs- und Reproduktionsraten aufweisen, z. B. Eisenia fetida. Ein Schwarzer Moderkäfer attackiert einen Regenwurm Neuerdings werden auch tropische Regenwurmarten in geheizten Anlagen kultiviert, z. B. Eudrilus eugeniae aus Westafrika. Solche Arten sollten allerdings nur in geschlossenen Bereichen (Gewächshäusern, Laboreinhei- 10 11 SYSTEMATIK ten) gezüchtet werden. Ins Freiland ausgebracht werden sollten sie wegen der Neozoenproblematik jedoch nicht. Auch für den Hobbygärtner und den Halter von Terrarientieren (z. B. Schildkröten, Frosch- und Schwanzlurche) kann sich die Zucht von Regenwürmern in sogenannten Wurmkisten lohnen. Diese speziellen Behältnisse eignen sich u. a. auch für die Aufstellung auf Balkonen und Terrassen. Immer wieder tauchen in der Presse Berichte auf, dass Regenwürmer für den menschlichen Verzehr gezüchtet und angeboten werden (z. B. als Fleischklößchen – sog. „Wormburger“ oder frisch frittiert). Aufgrund der generell starken Parasitierung der Würmer ist hier aber Vorsicht geboten (s. w. o. Parasiten). 10 10.1 Fangmethoden 10.3 Senf Als Alternative zum giftigen und umweltschädlichen Formaldehyd wird seit Anfang der 1990er Jahre auch Senf als (zudem kostengünstigeres) Austreibungsmittel empfohlen. Bei dieser Methode werden zunächst 60 g Senfmehl in einen halben Liter Wasser gegeben. Nach einer Stunde Wartezeit und gründlicher Durchmischung wird die Suspension in 9,5 Liter Wasser gegeben. Ebenso kann Fertigsenf verwendet werden, der leichter zu handhaben ist, da er direkt in das Wasser eingerührt werden kann; jedoch ist hier die Austreibungswirkung im Hinblick auf bestimmte Regenwurmarten (namentlich der Gattungen Aporrectodea und Allolobophora) geringer.[24] 10.4 Andere Fangmethoden Thielemannsche Oktettmethode In bestimmten Regionen Kanadas, der USA und Englands werden Regenwürmer in großem Maße mit Die Thielemannsche Oktettmethode ist eine in der Wis- Vibrationen gejagt. Die Methoden nennen sich worm senschaft inzwischen anerkannte Anwendung zum Fang grunting, worm charming und worm fiddling.[25][26] von Regenwürmern mittels elektrischen Stroms. Das Ver→ Hauptartikel: Wurmgrunzen fahren nach dem Biologen Dr. Ullrich Thielemann wird häufig im Rahmen von Untersuchungen zur standardisierten Bestandserfassung der Regenwurmfauna spezieller Standorte angewandt. Auch im Zuge des Biomonitorings ist es eine weit verbreitete Nachweismethode. Hierbei 11 Systematik stößt man acht Elektroden mit einem Abstand von etwa 50 cm zueinander kreisförmig in den Oberboden. Je 11.1 Zur Systematik der Würmer nach Leitfähigkeit des anstehenden Bodens werden „zerhackte“ Gleichspannungsimpulse von 50 bis 250 Volt an Die systematische Gliederung der Würmer findet ihren die Elektroden für die Dauer von etwa 20 Minuten angeAnfang in der Unterteilung der Invertebraten in zehn legt. Binnen weniger Minuten werden die im elektrischen Klassen durch Lamarck. Cuvier ordnete die Stämme nach Feld angesiedelten Regenwürmer aus dem Boden getrievergleichend morphologischen Gesichtspunkten in vier ben, wobei die größeren Exemplare meistens zuerst an Kreise (Vertebrata, Mollusca, Articulata, Radiata), wobei die Oberfläche kriechen. er jedoch im Wesentlichen die Einteilung Lamarcks beibehielt. Zahlreiche Forscher gliederten aus diesen Kreisen weitere Gruppen heraus und reihten sie als selbstän10.2 Formaldehyd dige Stämme in die Systematik ein. So wurde der Stamm Eine andere und auch üblichere Methode für die Gewin- Vermes in die Stämme Plathelminthes, Nemertini, Nenung von Regenwürmern aus dem Erdreich ist die An- mathelminthes und Annelida aufgeteilt. wendung von Formalin (Formaldehyd). Zur Gewinnung der Tiere werden 50 ml 37-prozentiges Formalin auf 10 Liter Leitungswasser vermengt und die so erzeugte Formalinmischung auf etwa 1/2 m² Rasen- oder Bodenfläche verteilt. Die so gewonnenen Tiere werden sofort nach dem Auflesen zur Abschleimung ca. 10 bis 15 Minuten in sauberes Leitungswasser gelegt. Für die Bestimmung der Tiere z. B. unter einem Binokular werden sie nach einer Erholungspause von etwa zwei Stunden mit CO2 -Gas betäubt. Danach werden die Würmer auf ein vorbereitetes Zuchtsubstrat gelegt, wo sie sich nach fünf bis zehn Minuten eingraben. Der „Wurm“-Begriff kennzeichnet heute nur noch einen bestimmten Habitus, aber keinesfalls mehr eine systematische Einheit. 11.2 In Deutschland vorkommende Gattungen und Arten In Deutschland wurden insgesamt 46 Regenwurmarten aus 15 Gattungen nachgewiesen, wobei mit dem Badischen Riesenregenwurm (Lumbricus badensis) nur eine endemische Art besteht. Die Anzahl der Arten Aufgrund der Gesundheitsgefährdung durch Formalin ist nimmt von Norden nach Süden zu, 14 Arten kommen ausschließlich im Süden vor.[27] diese Methode nicht zu empfehlen. 11 12 Neozoenproblematik europäi- 14 Literatur scher Regenwürmer in den • W. Peters, V. Walldorf: Der Regenwurm - LumUSA bricus terrestris L. Heidelberg 1986, ISBN 3-49401124-9. Im Nordosten der USA wirkt sich das Ernährungsverhalten eingeschleppter europäischer Regenwurmarten (vermutlich als Angelköder) stellenweise auf das Bodenökosystem der Laubwälder aus, vgl. auch Roter Waldregenwurm. Da dort ursprünglich keine Regenwürmer verbreitet waren, haben sich die Laubwälder darauf eingestellt, dass sich dichte Laubschichten auf dem Boden bilden, die im Winter als Isolierung dienen und kleinere Pflanzen sowie Baumschösslinge vor Frost schützen. Wo aber Regenwürmer diese Schicht zersetzen, sind Böden und Unterwuchs dem strengen Frost des nordamerikanischen Winters ausgesetzt. Dies kann dort heimische Arten sowie die Waldverjüngung bedrohen.[28] • W. Buch: Der Regenwurm im Garten. Ulmer, Stuttgart 1986, ISBN 3-8001-6276-8. • J. E. Satchell: Earthworm Ecology. Chapman and Hall, London 1983, ISBN 0-412-24310-5. • Otto Graff: Die Regenwürmer Deutschlands. Ein Bilderatlas für Bauern, Gärtner, Forstwirte und Bodenkundler. Verl. M. u. H. Schaper, Hannover 1953. (Schriftenreihe der Forschungsanstalt für Landwirtschaft Braunschweig-Völkenrode 7) • B. Gruner, E. Zebe: Studies on the anaerobic metabolism of earthworms. In: Comp. Biochem. Physiol. 60 B (1978), S. 441–445. • G. 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In der Zeichentrickserie „Die Biene Maja“ tritt ein Regenwurm mit Namen Max auf. Andere Videospiele, in denen Regenwürmer die Hauptrollen spielen, sind die der Worms-Reihe. • U. Kutschera, J. M. Elliott: Charles Darwin’s observations on the behaviour of earthworms and the evolutionary history of a giant endemic species from Germany, Lumbricus badensis (Oligochaeta: Lumbricidae). In: Applied and Environmental Soil Science. 2 (2010), S. 1–11. doi:10.1155/2010/823047. (Open Access Article) • AndreÌ Voisin: Lebendige Grasnarbe. LVB, München 1961, S. 194–224. 12 15 15 Einzelnachweise [1] Robert J. Blakemore: An updated list of valid, invalid and synonymous names of Criodriloidea Criodrilidae and Lumbricoidea Annelida Oligochaeta Sparganophilidae, Ailoscolecidae, Hormogastridae, Lumbricidae, and Lutodrilidae. In: M. T. Ito, N. Kaneko (Hrsg.): A series of searchable texts on earthworm biodiversity, ecology and biosystematics from various regions of the world. PDF 2008. [2] R. A. King, A. L. 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Über die Vielfalt ihrer Arten in Deutschland war bislang jedoch nur wenig bekannt. Erstmals haben Forscher nun nachgezählt – mit verblüffendem Ergebnis. In: Süddeutsche Zeitung vom 26. November 2014, S. 16. [17] Louis Pasteur: Sur les virus-vaccins de choléra des poules et du charbon. In: Louis Pasteur Vallery-Radot (Hrsg.): Oeuvres de Pasteur Réunies. Band VI, Masson et Cie., Paris 1933, S. 367. Nachdruck aus: Comptes rendus des traveaux du Congrès international des directeurs des stations agronomiques, session de Versailles. Berger-Levrault et Cie., Juni 1881, S. 151–162. [4] Erhard Christian, András Zicsi: Ein synoptischer Bestimmungsschlüssel der Regenwürmer Österreichs (Oligochaeta: Lumbricidae). (PDF; 1,8 MB) In: Die Bodenkultur. Bd. 50, Heft 2 (1999), S. 121–131. [18] Robert Koch: Über die Milzbrandimpfung. Verlag von Theodor Fischer, Kassel und Berlin 1882, S. 12–13 [5] E. Hadorn, R. Wehner: Allgemeine Zoologie. Thieme, 1978, ISBN 3-13-367420-2, S. 271. [6] W. Westheide, R. 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Edwards, The Ohio State University, Columbus. • Datei:Earthworm_-_L._terrestris_permanent_vertical_burrow.jpg Quelle: https://upload.wikimedia.org/wikipedia/commons/8/8e/ Earthworm_-_L._terrestris_permanent_vertical_burrow.jpg Lizenz: Public domain Autoren: United States Department of Agriculture Ursprünglicher Schöpfer: North Appalachian Experimental Watershed, USDA-Agricultural Research Service, Coshocton, Ohio. • Datei:Earthworm_klitellum_copulation_beentree.jpg Quelle: https://upload.wikimedia.org/wikipedia/commons/9/97/Earthworm_ klitellum_copulation_beentree.jpg Lizenz: CC-BY-SA-3.0 Autoren: Eigenes Werk Ursprünglicher Schöpfer: Beentree • Datei:Earthworm_on_the_ground.jpg Quelle: https://upload.wikimedia.org/wikipedia/commons/4/4c/Earthworm_on_the_ground.jpg Lizenz: CC BY 2.0 Autoren: originally posted to Flickr as Earthworm Ursprünglicher Schöpfer: Dodo-Bird • Datei:Faroe_stamp_208_anthropochora_-_earthworm_(Lumbricus_terrestris).jpg Quelle: https://upload.wikimedia.org/ wikipedia/commons/1/1c/Faroe_stamp_208_anthropochora_-_earthworm_%28Lumbricus_terrestris%29.jpg Lizenz: Public domain Autoren: ? Ursprünglicher Schöpfer: ? • Datei:Lumbricidae-bristles.jpg Quelle: https://upload.wikimedia.org/wikipedia/commons/7/7e/Lumbricidae-bristles.jpg Lizenz: CCBY-SA-3.0 Autoren: Photo was taken through a microscope (16-times magnified) Ursprünglicher Schöpfer: Mnolf • Datei:Lumbricus_medium.jpg Quelle: https://upload.wikimedia.org/wikipedia/commons/b/bb/Lumbricus_medium.jpg Lizenz: CCBY-SA-3.0 Autoren: Übertragen aus de.wikipedia nach Commons durch Saibo mithilfe des CommonsHelper. Ursprünglicher Schöpfer: Michael Linnenbach • Datei:Miñoca066eue.jpg Quelle: https://upload.wikimedia.org/wikipedia/commons/3/3f/Mi%C3%B1oca066eue.jpg Lizenz: CC-BYSA-3.0 Autoren: [1]. Shot with a Nikon E8800. 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