wer bringt das neue in die welt?
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wer bringt das neue in die welt?
WER BRINGT DAS NEUE IN DIE WELT? Zur Rolle des Unternehmers in der Marktwirtschaft 1 >> von Helmut Wienert > Marktwirtschaften zeichnen sich dadurch aus, dass Angebot und Nachfrage auf Märkten mit Hilfe des Preismechanismus zum Ausgleich gebracht werden. Dies setzt voraus, dass wesentliche Teile der Produktion nicht mehr selbst verbraucht oder lokal vermarktet, sondern überregional vertrieben werden. Die Wurzel unternehmerischer Tätigkeit liegt daher im Handel: Es waren zunächst – wegen der Risikostreuung häufig als Gruppe zusammengeschlossene – Handelsunternehmer, die ferne Märkte verbanden, die Informationen über Produkte und Kosten sammelten und verarbeiteten, auf eigenes Risiko einkauften, transportierten und woanders verkauften. Dieses Bild wandelte sich erst im ausgehenden Mittelalter mit dem Niedergang der Zünfte, der Merkantilpolitik absolutistischer Fürsten und der beginnenden Industrialisierung, als technisch versierte Eigentümerunternehmer dazu übergingen, Güter in großem Maßstab herzustellen und zu vermarkten. Zentraler Bestandteil für den Erfolg ihres Geschäfts war die Innovation, sowohl bei den Produkten, als auch bei den Produktionsabläufen. 2 Produktinnovationen kreieren völlig neue Märkte und/ oder verdrängen schlechtere Vorgänger – ein Beispiel dafür sind Gaslaternen und elektrisches Licht, die dem Kienspan und den Öllampen den Garaus machten. Prozessinnovationen ermöglichen eine deutlich kostengünstigere Fabrikation von schon bekannten Dingen, was die Absatzzahlen explodieren lässt – ein Beispiel dafür sind gewalzte statt geschweißte Stahlreifen für die Eisenbahn – die drei Ringe der Firma Krupp. Der Wettbewerb um bessere Lösungen löste einen Wachstumsschub aus, veränderte dabei aber auch allmählich die Marktstrukturen und zwar in Richtung auf Kartellierung und Monopolisierung, was die Innovationskraft naturgemäß sinken ließ. Die Verkrustung ist allerdings nie dauerhaft gewesen, weil immer wieder Unternehmer durch grundlegende Innovationen Monopole eingerissen und neues Wachstum erschlossen haben. 1 Die Herausbildung des modernen Unternehmertums Wachstum ist in der Wirtschaftsgeschichte ein relativ neues Phänomen: Agrarisch geprägte Gesellschaften, wie sie zwischen der neolithischen und der industriellen Revolution vorherrschten – also in dem langen Zeitraum von ungefähr 8000 v. Chr. bis ca. 1700 n. Chr. – kannten es nicht, denn die Zahl der Menschen, aber auch die Produktionstechnologie und damit die Arbeitsproduktivität und die Pro-Kopf-Einkommen veränderten sich so langsam, dass diese Veränderungen nicht bemerkt werden konnten. Der tägliche Kampf ums Überleben prägte – jedenfalls jenseits einer kleinen, reichen Herrscherschicht – jede Generation auf Neue; gute und schlechte Jahre wechselten stochastisch mit Ernteglück und Kriegsverheerungen oder umgekehrt. 050 / 051 KONTUREN 2016 Vieles musste zusammenkommen, damit sich dies – und das zunächst nur in Nordwesteuropa – nachhaltig ändern konnte: Die Fähigkeit von weltlicher Herrschaft und Kirche, traditionelle ständische Lebensbilder durchzusetzen, musste erodieren, parallel dazu musste ein wissenschaftlich fundiertes Weltbild entwickelt und verbreitet werden. Die soziale Kraft, die dies bewirkte, war das sich von der Bevormundung der angeblich „gottgewollten“ feudalen Ordnung befreiende Bürgertum. Im Handel erworbenes Kapital drängte in die Produktion, wo es auf ständische Barrieren traf. Aber auch Zunftmeister versuchten erfolgreich, die engen Grenzen der lokalen Produktion zu überwinden, indem sie andere Meister und Gewerke durch Einkaufs- oder Absatzdominanz wirtschaftlich von sich abhängig machten. Die Forderung nach Gewerbefreiheit und politischer Partizipation wurde zur Kampflosung, mit der der Weg zum modernen Unternehmertum eröffnet wurde. Was sind dessen Kennzeichen? Persönliche Verantwortung, Eigennutz- und Erfolgsstreben, Arbeitsethos, Unternehmungslust. All dies stand im Widerspruch zur ständischen Idealwelt mit ihren festgeschriebenen Privilegien, staatlichen Monopolen und streng reglementierten Arbeits- und Produktmärkten. 2 Herausbildung der bürgerlichen Produktionsweise in England Der Aufstieg des Bürgertums, die Entwicklung der Wissenschaften, die Zurückdrängung der staatlichen Willkür war ein Prozess, der sich zuerst in England vollzog. Schon seit dem 15. Jahrhundert entstanden dort erste „incorporated livery companies“ 3 – Korporationen, die unter einheitlicher Leitung zumeist reicher Händler alle an der Produktion einer Ware beteiligten Zünfte zusammenfassten. Der Name leitet sich von der Praxis ab, dass reiche Adlige und zunehmend auch bürgerliche Unternehmer die von ihnen Abhängigen in Uniformen (Livrée) kleideten, um zeigen zu können, wie groß ihr Reichtum und wie hoch ihr Stand war. Die Korporationen hatten insbesondere das Recht zugesprochen bekommen, Grundeigentum zu erwerben, was ihre Kreditfähigkeit dramatisch erhöhte. Die Zersetzung der alten Ordnung wird vor allem daran deutlich, dass an die Stelle der früheren Zunftversammlungen aller Genossen nun ein Ausschuss von in der Regel reichen Beisitzern trat, der bindende Verordnungen für alle Mitglieder treffen konnte. 4 Bis zum Beginn des 17. Jahrhunderts waren die formal immer noch zünftischen Strukturen so weit verändert, dass auch die Gesellen und Meister in den Städten auf das Niveau von für Stücklohn arbeitenden abhängig Beschäftigten herabsanken. Zuvor hatte diese Lohnabhängigkeit schon weite Teile der ländlichen unterbäuerlichen Schichten betroffen. Sie arbeiteten meist in der Textilindustrie als Weber mit von Kaufleuten vorgeschossenem Garn nach von diesen vorgegebenen Mustern für einen ihnen unbekannten Markt. Dieses sogenannte „Verlagssystem“ (von „vorlegen“, also kreditiertem Rohstoff) untergrub die alte ständische Ordnung langsam, aber unaufhaltsam. Durch Umstände, die mit der Kompaniebildung zwar zusammenhängen, aber durchaus auch durch politische Weichenstellungen und Zufälle begründet waren, entstanden durch die seehändlerische, häufig zugleich auch kriegerische Expansion Englands im 17. und 18. Jahrhundert große Vermögen, die nach Anlage suchten, und zwar nicht mehr nur als Kredit an häufig zahlungsunwillige Könige und Fürsten, sondern über die neu entstandenen Banken 6 auch als Kredit an aufstrebende Unternehmen. Die Folge war ein dramatischer Wandel der Wirtschafts- und Sozialstrukturen: Während 1688 noch deutlich mehr als zwei Drittel der Bevölkerung Englands von der Landwirtschaft lebten, waren es 1811 nur noch rund ein Drittel. 7 „Suppose the Chinese had not given up on trade and exportation, suppose the Portuguese had arrived in the Indian Ocean to find these huge Chinese ships ruling the seas? Or even more, suppose the Chinese had not stopped somewhere around the Mocambique channel but had gone around the Cape into the Atlantic, thereby opening maritime links to West Africa and Europe? … If we compare the two sides around 1400, the Chinese might have come out on top … (but) fifty years later (…) the Europeans would have run circles around the Chinese vessels. ” 9 > EDITORIAL / INHALT / IMPRESSUM HOCHSCHULE UND ÖFFENTLICHKEIT „Mit der Entstehung der Kompanie, welche alle zur Herstellung einer gangbaren Ware nötigen Fertigkeiten vereinte, ist an die Stelle des zünftigen Handwerksmeisters der moderne Unternehmer getreten. In London ist er als Regel ein Kaufmann gewesen, in der Provinz ein reich gewordener Handwerker.“ 5 fen, die denen aus Westeuropa an Größe, wenn auch nicht an Wendigkeit deutlich überlegen waren. 8 Danach entschied der kaiserliche Hof, Tributexpeditionen einzustellen und sich auf die Probleme im Inneren des Riesenreichs zu konzentrieren. Um 1500 wurde ein Edikt erlassen, dass jedermann, der ein Schiff mit mehr als zwei Masten bauen würde, mit dem Tode bestraft werden sollte. 25 Jahre später wurden die Küstenbehörden ermächtigt, alle fernseegängigen Schiffe zu zerstören. Und zur gleichen Zeit lernten die portugiesischen Seefahrer, Afrikas Südspitze zu umsegeln und Indien zu erreichen. Die Engländer – der Zahl nach zwar deutlich mehr als das kleine Volk der Portugiesen, aber winzig im Vergleich zur Zahl der Chinesen – taten es ihnen sehr bald noch erfolgreicher nach. David S. Landes zeigt in seinem berühmten Buch “The Wealth and Poverty of Nations” rhetorisch geschickt die historische Dimension dieses Prozesses auf: FORSCHUNG UND LEHRE Einer der Gründe dafür war die notorische Geldnot der Könige, Fürsten oder anderer Territorialherren, die sich für die Gewährung von Handels- und Gewerbeprivilegien die Mittel besorgten, die sie zur Kriegsführung und verschwenderischen Prachtentfaltung auszugeben gedachten. Lujio Brentano, ein deutscher Kathedersozialist des späten 19. Jahrhunderts und einer der ersten, der die wirtschaftliche Entwicklung Englands in Deutschland empirisch fundiert beschrieben hat, fasst zusammen: 3 Warum England und nicht China? 1Stark gekürzte Schriftfassung eines Vortrags vom 30.10.2015 auf Einladung der studentischen Initiative „Entrepreneurs Pforzheim“ in den Räumen der IHK Nordschwarzwald. 2Dies ist der moderne Begriff des Unternehmers, der nicht vorhandene Werte zu seinen Gunsten umverteilt (wie der klassische Eroberer, Plünderer oder ein moderner Gangsterboss), sondern neue Werte schafft. „We consider individuals to be engaged in enterprising activities if they devote their own independent efforts to the acquisition of wealth, power, and prestige. They do not do so as employees of others, and, in the entrepreneurial process, they display initiative to a considerable degree. It seems clear that two primary avenues have been followed in this undertaking, which we label, for convenience, redistributive entrepreneurship and productive entrepreneurship.” W.J. Baumol, The Entrepreneur in History. In: D.S. Landes, J. Mokyr and W.J. Baumol (Ed.), The Intervention of Enterprise. Entrepreneurship from Acient Mesopotamia to Modern Times. Princeton and Oxford 2010, p. x. Für vorindustrielle Zeiten gilt: „War making and piracy to seize booty and slaves were common predatory activities, and the largest fortunes known in antiquity were made by conquering or administering foreign lands and collecting taxes from defeated populations.” M. Hudson, Entrepreneurs: From the Near Eastern Takeoff to the Roman Collapse. In: D.S. Landes, J. Mokyr and W.J. Baumol (Ed.), op.cit., p. 20. 3Vgl. L. Brentano, Eine Geschichte der wirtschaftlichen Entwicklung Englands. Bd. II: Die Zeit des Merkantilismus. Jena 1927, S. 101. 4Ebda., a.a.O. S. 103. 5Ebda., S. 117. 6Vgl. dazu das instruktive 32. Kapitel bei L. Brentano, a.a.O., „Die Anfänge der Bank von England“. 7L. Brentano, a.a.O., S. 361f. 8Vgl. dazu z.B. die Darstellung bei K. Seitz, China – Eine Weltmacht kehrt zurück. Berlin 2000, S. 11ff. 9D. S. Landes, The Wealth and Poverty of Nations. Why some are so rich and some are so poor. New York and London 1999, S. 97f. PERSONALIA Zum raschen Aufstieg Englands trugen maßgeblich unternehmerisch aktive Immigranten bei, die vor religiöser und politischer Verfolgung vor allem aus Flandern und Frankreich nach England geflohen waren. Dies wurde auch später ein meist sehr erfolgreiches Transfermodell in anderen europäischen (z.B. Preußen) und später auch außereuropäischen Ländern (v.a. USA). Wirtschaftlich erfolgreiche Unternehmer fügten sich eben nicht in die ständischen und/oder religiösen Grenzziehungen der jeweiligen absolutistischen Herrscher ein, wurden unterdrückt, verfolgt, enteignet, zum Teil sogar an Leib und Leben bedroht und zugleich von konkurrierenden Herrschern anderer Länder umworben. Die Möglichkeit, den Herrschaftsbereich zu verlassen, ist eine spezifische Differenz Europas im Vergleich mit z.B. China, wo zumindest in Zeiten der Reichseinheit kein Schutz für „Querdenker“ und Innovatoren durch andere Territorialherren möglich war, sodass willkürliche Entscheidungen des Herrschers fatale Folgen für die Entwicklung des Gesamtreiches haben konnten. Mit einem krassen Beispiel kann man diesen Gedanken illustrieren: Noch im 15. Jahrhundert waren die maritimen Kenntnisse in China und Europa zumindest auf gleicher Höhe gewesen. Von 1405 bis 1431 unternahm die chinesische Hochseeflotte sieben Expeditionen in den indischen Ozean und segelte über die arabische Halbinsel bis an die ostafrikanischen Küsten, und zwar mit Schif- Der rasche Aufstieg Westeuropas nach ca. 1500 n. Chr. macht eine wichtige Wurzel von modernem Unternehmertum deutlich: Abwesenheit von zentraler Lenkung, aber doch nicht von staatlicher Unterstützung. Entfaltungsmöglichkeiten für Entdeckerlust, Raum für Experimente, Abenteuerlust, Traum von unbegrenzten Gewinnmöglichkeiten, Glaube an Chancen als Überkompensation für die dem Menschen eigenen Risiko- und Verlustängste. Das alles gilt nicht nur für die Erschließung neuer Produkte, Rohstoffquellen, Absatzmärkte, sondern für jede Art der unternehmerischen Innovation: Es geht immer um Inspiration, Abschätzen von Risiken und Chancen, Mut für neue, unbekannte Lösungen bekannter Probleme. Was für die Portugiesen eine kurze Blütezeit darstellte – mit dem Höhepunkt der päpstlich abgesegneten Aufteilung der westlichen Hemisphäre zwischen Spanien und Portugal im Jahr 1494 – war für die Engländer der Beginn des Aufstiegs zu einem bis zum Ende des I. Weltkriegs dominierenden Weltreich. Es begann mit Piratenattacken gegen Spanier, Portugiesen und Franzosen und führte über „leadership“ bei der Nautik zur Handelsdominanz auch in so fragwürdigen Geschäften wie dem Atlantischen Dreieckshandel. 10 Englands nautischer, händlerischer und industrieller Aufstieg führte schließlich zur Eroberung des Empire mit Amerika, Australien und Indien als wirtschaftlich bedeutendste Besatzungen/Besitzungen. Basis dafür waren einerseits politische Reformen gewesen, die das Bürgertum dem durch kontinuierliche kriegerische Verwicklungen in Frankreich geschwächtem Königtum schon ab dem 13. Jahrhundert abgerungen hatte, andererseits aber auch finanzielle und gewerbliche Innovationen, die zur Akkumulation von – man würde heute sagen – Venture Capital geführt hatten. 4 Leitsektoren der Industrialisierung Leitsektor der Industrialisierung Englands wurde zunächst die Textilindustrie. Hierfür gab es eine aus den großflächigen Grundbesitzverhältnisse resultierende ländliche Basis: Schafzucht bedingte Wollproduktion und daraus folgend auch die Wollverarbeitung durch weitgehend landlose Spinner- und Weberfamilien. Mit Importen aus den amerikanischen Kolonien und aus Britisch Indien trat die Baumwolle auch in Europa auf den Plan, und zwar zunächst als Barchent, ein Stoff aus Leinenkette und grobem Einschlag aus Baumwollgarn. Feine Baumwollgewebe ohne Leinenkette sind bis weit in das 18. Jahrhundert hinein nur in Indien in ausschließlicher Handarbeit gefertigt worden, und zwar in bewunderter feiner Exportqualität. England schloss bei der Baumwollverarbeitung erst zu Indien auf, als Innovationen zur Ersetzung der – im Vergleich zu Indien sehr teuren – englischen Handarbeit durch Maschinen führten: 1730 wurde das fliegende Weberschiff, 1738 dann die Webmaschine erfunden. Engpass blieb der Mangel an Garn. 1736 sind noch vier Spinner nötig gewesen, um den Bedarf eines Webers an Garn zu decken. 1764 hat dann sicher nicht zufällig ein Weber die berühmte „Jenny“ erfunden. Sie wurde wie das gewöhnliche Spinnrad durch menschliche Kraft in Bewegung gesetzt, aber statt einer Spindel drehten sich mehrere gleichzeitig, 1770 waren sechzehn Spindeln üblich, die von einem Arbeiter in Bewegung gesetzt wurden. 11 Hauptsächlicher Werkstoff für Maschinen war zunächst immer noch vor allem Holz, und als Antrieb dominierte menschliche oder tierische Muskelkraft, für manche Prozesse auch durch Wasserkraft getriebene Mühlräder. 12 Bald wurden aber Dimensionen der Maschinerie erreicht, wo Holz durch Eisen ersetzt werden musste, was den Aufstieg der Montanindustrie (Kohle und Stahl) und des Maschinenbaus zur Folge hatte. Letzterer stellte mit der Dampfmaschine eine Antriebsquelle zur Verfügung, die unendlich stärker als Muskelkraft und – anders als Wasserkraft – lokal universell einsetzbar war. Innovationen im Verkehrswesen (Kanalbau, Eisenbahn) rundeten diesen zweiten Industrialisierungsschub ab, Elektrifizierung, Chemie und Automobilbau bestimmten schließlich einen dritten. 5 Übergreifen der Industrialisierung auf den Kontinent England hatte den Weg für das industrielle Unternehmertum freigemacht, und andere Länder folgten. Die industrielle Revolution sprang nach der Niederlage Napoleons auf den Kontinent über, zunächst auf Belgien und Teile der Niederlande, dann auch auf Frankreich und Deutschland. Es herrschte Aufbruchsstimmung und Technikeuphorie; Pioniere wurden umso mehr bewundert, weil auch viele zuvor gescheitert waren. Die, die den Durchbruch schafften, standen bald Unternehmen vor, die zu Großkonzernen heranwuchsen und dabei ganze Regionen völlig umgestalteten – als Beispiel sei nur das Ruhrgebiet erwähnt, wo im Verlauf weniger Jahre Bauernflecken durch Anwerbung von Arbeitern weitgehend unreguliert zu Großstädten heranwuchsen. 13 Ein zentrales Element dieses Prozesses war seine Ungleichmäßigkeit: Rasch wachsenden Unternehmen, Branchen und Regionen standen solche gegenüber, an denen die Entwicklung zunächst vorbeizugehen schien. Steigende Einkommen und Vermögen bei vielen erfolgreichen Unternehmern standen im scharfen Kontrast zu Massenarmut bei Fabrikbeschäftigten und dem Verlust der Existenzgrundlage ständisch operierender Kleinstunternehmen. Es dauerte 052 / 053 KONTUREN 2016 Marktwirtschaft Marktwirtschaften sind wie erwähnt durch dezentrale Entscheidungsprozesse in Unternehmen und Haushalten charakterisiert, die erst im Nachhinein (ex post) über Märkte koordiniert werden; man produziert also auf Verdacht (ex ante) und eigenes Risiko in einem Rahmen, der durch die jeweiligen Institutionen der Gesellschaft vorgegeben wird. Das können Wachstum und Innovation begünstigende öffentliche und private Institutionen sein, mit einem stabilen Rechtsrahmen, stabilem Geld, mäßiger Besteuerung usw., aber auch ungünstige Rahmenbedingungen wie staatlicher Willkür, verbreiteter Korruption, hohen Abgaben u.a.m., die Wachstum und Innovation erschweren oder gar ersticken. Auch kulturelle Prägungen wie religiös begründete Minderrechte von Frauen oder Kastenschranken können Unternehmertum behindern. Individuelles Unternehmertum findet also immer in einem mehr oder weniger günstigen gesamtwirtschaftlichen Umfeld mit entsprechenden positiven oder negativen Folgen statt – ein Umstand, der meines Erachtens zentral für die Erklärung der immer noch zu beobachtenden Armut in weiten Teilen der Welt ist. Wie auch immer der Ordnungsrahmen gestaltet sein mag – Produktion erfordert in jeder Wirtschaftsform die Kombination von Produktionsfaktoren: Natürliche Ressourcen wie Boden und Rohstoffe werden mit Arbeitskräften und Arbeitsgeräten (Maschinen) auf Basis einer bestimmten Technologie zusammengeführt (kombiniert), sodass aus „Inputs“ (Produktionsfaktoren) „Outputs“ (Güter, Dienstleistungen) entstehen. Die Leitung dieses Prozesses übernimmt nach der üblichen Produktionstheorie der „dispositive Faktor“, also das Management des Unternehmens. Es kann im Auftrag der Eigentümer tätig werden (angestellte Manager) oder auch durch die Eigentümer selbst erfolgen. Dieser Ansatz geht auf den großen Nationalökonomen Joseph Schumpeter zurück, dem schon in ganz jungen Jahren in seiner Dissertation ein erster großer Wurf gelang. 14 Seine „Theorie der wirtschaftlichen Entwicklung“ aus dem Jahre 1911 entfaltet mit großer Eindringlichkeit das Bild des „Pionierunternehmers“ als Durchsetzer des Neuen. Ihm stellt Schumpeter den „Produktionsleiter im Kreislauf“ entgegen. Der Produktionsleiter schwimmt im Strom, der Unternehmer dagegen. Dieses Talent ist selten: „Mancher kann sicher gehen, wo noch keiner ging, ein anderer nachfolgen, wo erst einer ging, ein dritter nur im Haufen, aber in diesem unter den ersten“. 15 Bei Schumpeter ist der Unternehmer eher Künstler als Wissenschaftler, ein Mensch mit einem „großen Überschuss von Kraft über das Erfordernis des Alltags“. Die ihm zugedachte Führungsaufgabe besteht darin, die neuen Möglichkeiten, die häufig schon bekannt sind, durchzusetzen. 16 Sein Lohn, der Pioniergewinn, ist Folge von Wille und Tat und geht „im Strudel der nachströmenden Konkurrenz zugrunde“. Der Unternehmer ist demnach Auslöser von Entwicklungsschüben: Er konkurriert durch Kredit die Produktionsfaktoren aus alten Verwendungen, setzt das Neue durch, bringt die neuen Produkte auf den Markt, und mit Ablauf der Absorbierungsprozesse setzt neuer Stillstand ein. Der grundlegende Ansatz von Schumpeter ist von Ernst Heuß weiterentwickelt worden. Er unterscheidet, wie bei Schumpeter schon angelegt, explizit zwischen initiativen und konservativen Unternehmern. Erstere werden weiter differenziert in Pionierunternehmer und spontan imitierende Unternehmer, letztere in unter Druck reagierende und immobile Unternehmer. Das Potential zum Pionier haben nach Heuß nur wenige Menschen (er erwähnt beiläufig, auf 20 käme nur einer), und die hätten zudem viele Alternativen zur Betätigung als Unternehmer, beispielsweise als Künstler, > 10Also der Verschiffung von Glasperlen und Waffen an die westafrikanische Küste, um Sklaven aufzunehmen und nach Brasilien, die Karibik und die Südstaaten Nordamerikas zu verfrachten, um dann die Produkte der mit Sklavenarbeit betriebenen Plantagen (Zucker und Baumwolle) nach England zurück zu bringen. Vgl. dazu z.B. J. Meissner, U. Mücke und K. Weber, Schwarzes Amerika. Eine Geschichte der Sklaverei. München 2008. Dem Elend der Sklaverei und anderer Verbrechen in der (auch modernen) menschlichen Geschichte liegt offenbar eine tief sitzende Prädisposition zur Abwehr des Fremden zugrunde. Vgl. dazu z.B. B. Verbeek, Die Wurzeln der Kriege. Zur Evolution ethnischer und religiöser Konflikte. Stuttgart und Leipzig 2004. 11L. Brentano, a.a.O., S. 381. 12Vgl. dazu J. Radkau, Technik in Deutschland. Vom 18. Jahrhundert bis zur Gegenwart. Frankfurt a.M. 1989, S. 59ff. 13Vgl. dazu z.B. die verschiedenen diesbezüglichen Beiträge in W. Köllmann, H. Korte, D. Petzina und W. Weber (Hrsg.), Das Ruhrgebiet im Industriezeitalter, 2 Bde., Düsseldorf 1990. 14Das Folgende nach H. Wienert, Why do regions grow old? Selected sectoral and regional answers from economic literature. „The Survey of Regional Literature“, Smithfield, RI. Number 20, Dec 1991 / Mar 1992, pp.15 -31. 15J. Schumpeter, Theorie der wirtschaftlichen Entwicklung. 5. Aufl., Berlin 1952, S. 121. 16Ebda., S. 213. EDITORIAL / INHALT / IMPRESSUM HOCHSCHULE UND ÖFFENTLICHKEIT 7 Das Konzept des Pionierunternehmers FORSCHUNG UND LEHRE 6 Die Funktion des Unternehmers in der Das Management ist in Märkten, die wenig Veränderung erfahren, eine Routineangelegenheit ohne große Risiken, die zwar besondere Leitungskenntnisse erfordert, aber keine unternehmerische Kreativität. Genau das aber ist der springende Punkt, der Wachstum und Strukturwandel erzeugt: Nicht die Wiederholung des ewig Gleichen, sondern das innovative, andersartige Tun. PERSONALIA viele Jahre, bis die Entwicklung in sozial akzeptableren Bahnen verlief: Staat und Unternehmen schufen eine passende Infrastruktur für Industrie und Städte, ein tragfähiger gesetzliche Rahmen entstand, die Lohnentwicklung ließ zusammen mit staatlichen Grundsicherungen die sozialen Probleme geringer werden. Das bisher gezeichnete Bild gibt ungefähr die Situation in Westeuropa bis zum Beginn des Ersten Weltkriegs wieder. Die Zwischenkriegszeit war eine Phase der Stagnation, des Rückgangs der Handelsverflechtungen, die große Zeit der Kartelle und der Arbeitslosigkeit. Nach dem Zweiten Weltkrieg wurden die alten Unternehmens- und Handelsstrukturen wieder reaktiviert, und Westeuropa, Nordamerika und Japan erlebten bis in die 1970er Jahre hinein ein „goldenes“ Industriezeitalter, um dann in neue Strukturkrisen zu stürzen, die mit den Stichworten Ölpreiskrisen und Globalisierung grob umrissen werden können. Soviel zur historischen Genesis des modernen Unternehmertums, das – wie gezeigt – untrennbar mit der schubartigen Beschleunigung des Wachstums durch die Industrialisierung verbunden ist. Die Quintessenz lautet aufs Gröbste verdichtet: Falls der Staat es durch seine Rahmensetzung zulässt und die kulturellen Dispositionen der Gesellschaft individuelle Anstrengungen honorieren, erschaffen erfolgreiche Unternehmer neue Märkte und erzwingen Strukturwandel. Wachstum und Niedergang finden also stets gleichzeitig, aber in anderen Unternehmen, Branchen und Regionen statt. Warum das so ist, soll im Folgenden theoretisch herausgearbeitet werden. Politiker, Wissenschaftler – je nach sozialer Wertschätzung dieser Tätigkeiten können sie also unterschiedliche Wege einschlagen, und deshalb sei es so wichtig, das die Politik eine gesellschaftliche Atmosphäre schafft oder zumindest zulässt, in der Unternehmertum mit positiven Assoziationen verbunden ist. Aufgabe des Pionierunternehmers sei es, „den Markt aus den Angeln zu heben, statt sich in ihm zu bewegen“17. Dahinter steht die Vorstellung, dass neue Märkte mehr oder weniger regelmäßig vier Phasen eines Produktzyklus durchlaufen. In der Terminologie von Heuß sind dies die Experimentierungsphase, die Expansionsphase, die Ausreifephase und die Phase der Stagnation oder der Rückbildung. Für die erste Phase unterscheidet er zwischen Erfindung (technische Kreation) und Marktkreation, letztere sei genauso wie erstere „ein Spiel mit dem Nichtabwägbaren, ein Weg, auf dem das zu erstrebende Ziel eher einer Fata Morgana gleicht, die auftaucht und wieder verschwindet.“18 In der Experimentierphase dominiert naturgemäß der Pionierunternehmer das Marktgeschehen, in der Expansionsphase, die durch starkes Wachstum und Preissenkungen charakterisiert ist, rückt der spontan imitierende Unternehmer nach vorne, in der Ausreifephase der unter Druck reagierende Unternehmer. In der letzten Phase, wenn der Markt stagniert oder gar zurückgeht, haben die initiativen Unternehmer das Feld längs geräumt und die immobilen Unternehmer dominieren; der Markt verkrustet, schrumpft oder verschwindet ganz. 8 Basisinnovationen lösen Entwicklungsschübe aus Fasst man die bisherigen Ausführungen zusammen, so sind es die Pionierunternehmer, die das Neue in die Welt bringen, das Alte zerstören und dadurch neue Märkte und Wachstumspotentiale erschließen. Warum aber sollte dieser Prozess „ruckartig“ (Schumpeter) und nicht kontinuierlich sein? Warum soll wirtschaftliche Entwicklung nur als eine Abfolge von Schüben und Phasen langsameren Tempos möglich sein? Hier helfen zwei Überlegungen: Der Strom wissenschaftlich-technischer Erfindungen ist zwar relativ kontinuierlich, ihr wirtschaftliches Entwicklungspotential ist aber sehr unterschiedlich. Während manche Erfindungen ganz neue Industriezweige begründen können (Basisinnovationen), haben andere nur die Kapazität, kleinere Verbesserungen im schon bestehenden Rahmen neu zu erschließen. Letztlich ist Forschung bei den Anstrengungen ein kontinuierlicher Prozess, bei den Ergebnissen nach der ökonomischen Relevanz aber stochastisch; es finden zufällige Häufungen statt. Gerhard Mensch, der das Konzept der Basisinnovationen als erster explizit begründet hat, geht darüber hinaus: Innovationen dieser Art werden nahezu erzwungen, und zwar durch vorhergehende Krisen, die sich wegen der ausgereiften, unflexibel gewordenen alten Produktionsstrukturen einstellen. 19 Gleitet die Wirtschaft in Stagnation ab, so geraten alle Unternehmen in Probleme. In der Regel ist auch bekannt, welcher Engpass die wirtschaftliche Entwicklung behindert, aber nicht, wie er überwunden werden kann. Alle Ressourcen werden dann auf diese Frage konzentriert, so dass früher oder später eine Lösung gefunden wird. 20 Basisinnovationen stoßen Entwicklungsketten an, aus denen sich neue Strukturen ergeben. Wie bei Schumpeter werden die alten Produktionsprozesse und Faktorverwendungen zerschlagen, niederkonkurriert und als Folge dynamischer, spontan ablaufender Prozesse bilden sich neue Wachstumspole heraus. Das Konzept der Basisinnovationen ist eng verbunden mit der älteren Vorstellung langer Wachstumswellen, in denen jeweils Leitsektoren als Wachstumsmotor fungieren (Kondratief-Zyklen), 21 ohne allerdings die dort behauptete Regelmäßigkeit solcher Wellen zu akzeptieren. 9 Einkommensvorsprünge erfordern Innovationskraft Innovationen als Wachstumsträger setzen im Prinzip voraus, dass die hochentwickelten Volkswirtschaften, und in diesen vor allem die wissensproduzierenden Zentren, mehr oder weniger laufend neue Ideen und Produkte entwickeln. Die daraus entstehenden Impulse bewirken zunächst einen Wachstumsschub in diesen Ländern/ Zentren selbst, doch mit der Ausbreitung der Kenntnisse finden sich immer mehr Imitatoren in weniger entwickelten Ländern/peripheren Regionen, die Lohnkostenvorteile aufweisen. 22 Im Verlauf eines produktzyklusähnlichen Prozesses diffundieren Innovationen also von den Zentren weg, weshalb letztere gezwungen sind, laufend neue Ideen zu produzieren, wenn sie ihr hohes Einkommensniveau halten wollen. Reiche Volkswirtschaften müssen also notwendigerweise wissensbasiert ausgerichtet sein, Forschung und Entwicklung zu ihrem Schwerpunkt machen, hocheffiziente Ausbildungssysteme unterhalten, fähig und bereit zum raschen Strukturwandel sein. Durch die Globalisierung der Märkte hat sich diesbezüglich das Tempo erheblich verschärft. Innovative Potentiale finden sich heute nicht mehr nur in den Zentren der hochentwickelten Länder, sondern auch in den sich zum Teil rasant entwickelnden Schwellenländern. Beispiel China: Noch vor einem Jahrzehnt dominierten Lohnfertigung und mehr oder weniger legaler Nachbau von Produkten aus dem Westen das Bild, inzwischen kommen immer mehr Eigenentwicklungen auf den Markt, und in 054 / 055 KONTUREN 2016 Dr. Helmut Wienert war von 1996 bis 2013 Professor für Volkswirtschaftslehre in der Fakultät für Wirtschaft und Recht. 17 E. Heuß, Allgemeine Markttheorie. Tübingen und Zürich 1965, S. 15. 10 Was der Staat tun kann und was nicht Es sind innovative Unternehmer, die das Neue in die Welt bringen, nicht die „Geschäftsleiter“, die bestehende Unternehmen und bewährte Konzepte am Laufen halten. Sofern innovative Unternehmer ihre Energien darauf verwenden, vorhandenen Reichtum zu ihren Gunsten umzuverteilen (Eroberer, findige Steuerpächter, begabte Hofbeamte, Lobbyisten), geht es der Gesamtgesellschaft nicht besser, sondern schlechter. Zusätzlicher Reichtum wird von innovativen Unternehmern erzeugt, die neue Märkte und Produktionsprozesse erschließen und damit neues Wachstum induzieren. 24 Ziel jeder Wachstumspolitik muss es daher sein, letztere nach Kräften zu fördern. Das ist aber leichter gesagt als ge- EDITORIAL / INHALT / IMPRESSUM HOCHSCHULE UND ÖFFENTLICHKEIT FORSCHUNG UND LEHRE tan. Das übliche staatliche Förderinstrumentarium läuft bei der häufig spontanen Innovationstätigkeit ins Leere, die Politik müsste daher weniger gestalten wollen, sondern Freiräume schaffen – ein Ansatz, der bei der Mehrheit der Wähler und damit auch bei auf Wiederwahl bedachten Politikern häufig auf keinen fruchtbaren Boden fällt. Kulturelle Traditionen haben einen großen Einfluss auf den Umfang und die Qualität unternehmerischer Aktivität, die wichtigste Quelle kultureller Praxis war in der Vergangenheit die Religion. Auch Vertrauen zwischen Familien, innerhalb sozialer Gruppen oder vertraglich Verbundener war eine wesentliche Quelle innovativer unternehmerischer Praxis. Schließlich begünstigte soziale Wertschätzung individueller Leistungen produktives Unternehmertum, während Korruption schadete. Solche kulturellen Traditionen sind politisch schwer zu beeinflussen und daher eine wichtige Erklärung dafür, warum manche Regionen/Länder wachsen und andere nicht. Politisch beeinflussbar ist der institutionelle Rahmen: Wichtig sind Eigentumsgarantie, Vertragssicherheit, stabile politische Verhältnisse, gute Infrastruktur, Zugang zu Bankkredit, Patentrecht, Anti-Trust-Gesetze. Historisch entstehen fördernde oder hemmende Institutionen oft zufällig oder unwillentlich und können einen sich selbst verstärkenden Kreislauf auslösen. Letztlich gilt für erfolgreiches Unternehmertum fast immer auch ein Selbstverstärkungsprozess: „Nothing succeeds like success“. PERSONALIA manchen Branchen spielen chinesische Unternehmen inzwischen ganz vorne bei den Innovationen mit. Treiber der Globalisierung sind ein ganzes Bündel von Faktoren: Der Zusammenbruch der Sowjetunion, die marktwirtschaftliche Öffnung Chinas, die Liberalisierung des Welthandels, die rapiden Kostensenkungen beim See- und Lufttransport seien als Beispiele erwähnt. Die Basisinnovation der letzten 30 Jahre ist aber zweifellos die Revolution in der Informationstechnologie gewesen, die erstmals eine Kontrolle weltweit zerlegter Teile der gesamten Wertschöpfungskette in Echtzeit ermöglicht hat. Die Digitalisierung hat alle Bereiche von Produktion und Konsumption durchdrungen und erschließt auch weiterhin laufend neue Potentiale. Dabei sind riesige Konzerne wie Microsoft, Google oder Facebook entstanden mit z.T. quasimonopolistischen Strukturen, aber auch eine Vielzahl von kleineren und mittleren Unternehmen, die die neuen Möglichkeiten der Informationstechnologie zur Weiterentwicklung ihrer Produkte oder zur Entwicklung neuer Geschäftsideen nutzen und in ihrer Nische weltweit agieren. Die Bandbreite der Möglichkeiten ist riesig, wie die aktuellen Debatten um die Industrie 4.0 oder Cloud-Dienstleistungen zeigen. Nicht alle Ideen werden sich durchsetzen, aber ohne eine Vielzahl von Versuchen lassen sich nicht diejenigen Innnovationen herausfinden, die tatsächlich ein großes Marktpotential in sich bergen. Auch abseits der Informationstechnologie sind mit Blick auf Innovationen interessante Dinge im Gang, sei es im Bereich der Biotechnologie, der Gentechnik, der Entwicklung neuer Materialien und Fertigungsprozesse. Die Ergebnisse der Forschung sind dabei wie schon von Heuß betont eine Sache, die Nutzung dieser Ergebnisse für unternehmerische Innovation einen andere. An der Frage, wie weit sich Menschen für unternehmerische Aufgaben interessieren, wird sich letztlich entscheiden, wie dynamisch sich unsere Gesellschaft entwickeln kann. Die Gesellschaft muss deshalb ein Interesse daran haben, Barrieren, die dem entgegenstehen, abzubauen. Dazu gehört auch, dass in der Öffentlichkeit kein negatives Zerrbild des Unternehmers gepflegt werden sollte. Ein letzter Aspekt: Jeder innovative Unternehmer, der den Markt verändert, erschließt zugleich immer auch Chancen für andere Unternehmer, und je mehr aktiv sind, umso dynamischer verändert sich die Welt. Wir haben es also mit einem sich selbst verstärkenden Prozess zu tun, der Wachstum und Strukturwandel erzeugt. 23 Umgekehrt gilt aber auch: Je weniger unternehmerische Innovationskraft eine Gesellschaft aufweist, umso weniger Wandel wird sie aufweisen und umso geringer wird das Wachstum und das Einkommen sein. 18Ebda, S. 39. 19G. Mensch, Das technologische Patt – Innovationen überwinden die Depression. Frankfurt am Main 1975. 20Als ein Beispiel für dieses Konzept vgl. meinen Berufungsvortrag „Innovationen bei der Erzeugung von Stahl im letzten Drittel des 19. Jahrhunderts“. in: „Stahl und Eisen“, Jg. 116 (1996), Heft 9, S. 151-152. 21Der Begriff wurde von Schumpeter in die Literatur eingeführt. Vgl. J. Schumpeter: Konjunkturzyklen. Eine theoretische, historische und statistische Analyse des kapitalistischen Prozesses. Göttingen 1961. 22Die grundlegende Arbeit dazu stammt von R. Vernon, International Investment and International Trade in the Product Cycle. „Quarterly Journal of Economics“, Cambridge, MA, Vol. 80 (1966). 23Vgl. M.C. Casson, The Entrepreneur: An Economic Theory. Chaltenham 2003. 24Vgl. W.J. Baumol, R.J. Storm, „Usefull Knowlege“ of Entrepreneurship: Some Implications of the History. In: D.S. Landes, J. Mokyr and W.J. Baumol (Ed.), op.cit. p. 531.