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Rathaus Adventkalender 2015 Die Fenster des Rathaus-Adventkalenders wurden von Dornbirns Schülerinnen und Schülern gestaltet: 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 22 23 24 Da staunen die Tiere, VS Schoren Wie St. Nikolaus einen Gehilfen fand, VS Edlach Frohe Weihnachten, Herr Mann, VS Oberdorf Barbarazweige, VS Leopold Das Mädchen mit den Schwefelhölzern, VS Rohrbach Nikolaus hilft in der Hungersnot, VS Winsau Weihnachten im Wald, VS Wallenmahd Sterntaler von Friedl Hofbauer, VS Markt Törtel und das Weihnachtswunder, VS Gütle Brief an die Sonne, VS Mittelfeld Der erste Schnee, VS Haselstauden Der Schuhmacher und die Heinzelmännchen, VS Schoren Das Plätzchenmonster, VS Watzenegg Wundervolle Schneemannideen, SPZ Die Spinnen im Weihnachtsbaum, VS Wallenmahd Wie sich die Weihnachtsgans vor dem Ofen rettete, VS Edlach Die (eine) kleine Trompete, VS Mittelfeld Selbstgebacken, VS Oberdorf Richtig Weihnachten, VS Rohrbach Der kleine Schutzengel, SPZ Eine Weihnachtsgeschichte von Max Bollinger, VS Markt Der Weihnachtsapfel, VS Schoren Die lange Reise des alten Hundes, VS Gütle Eine Weihnachtsmaus sieht rot, VS Haselstauden Impressum Herausgeber: Amt der Stadt Dornbirn, Rathausplatz 2, 6850 Dornbirn Grafik: aries werbegrafik gmbh Druck: Druckerei Sedlmayr Dornbirn 1 VS Schoren Da staunen die Tiere Ein schöner Wintertag ist heute wieder, das muss man sagen. Der frisch gefallene Schnee glitzert in der Sonne und das prächtige Wetter lockt die Tiere ins Freie. Im Winter ist ihnen ja oft langweilig, weil viele von Ihnen Winterruhe oder gar Winterschlaf halten und sie sich daher selten treffen. Und so freuen sie sich heute ganz besonders, als alle wieder bei einem gemütlichen Plausch zusammensitzen. Doch plötzlich rauscht es über ihren Köpfen und mit einem kräftigen Plumps landet etwas Seltsames mitten in ihrer Runde. „Uüps, beinahe hätte ich euch verletzt!“ Das seltsame Etwas, das da vom Himmel gefallen ist, spricht ja! Und es hat Engelsflügel! Staunend betrachten die Tiere den Eindringling. Eine Ladung Schnee kommt auch noch hinterher geflogen! Und noch etwas ist da in der Luft. Kleine und große Pakete landen neben den Tieren im Schnee. Und spätestens jetzt ist ihnen klar, wer da unter ihnen ist. „Du bis ja das Christkind“. Das Eichhörnchen findet als erstes seine Sprache wieder. Völlig egal sind jetzt Winterruhe oder Winterschlaf, jetzt müssen sie einander erstmal so viel erzählen. Wann fällt einem denn schon mal ein Christkind auf den Kopf? Ob es wohl einige Geschenke für die Tiere da lässt, bevor es wieder weiterfliegt? 2 VS Edlach Wie St. Nikolaus einen Gehilfen fand Seit Jahren wohnte in einer kleinen Hütte am Waldrand ein einsamer Holzfäller. Er war schon lange nicht mehr im Dorf gewesen, weil die Leute hinter seinem Rücken tuschelten und die Kinder sich über seinen geflickten Mantel lustig machten. Eines Tages zog er seinen mit Holz bepackten Schlitten ins Dorf. Die Leute fanden jedoch gar keine Zeit, sich um ihn zu kümmern, denn sie trafen die letzten Vorbereitungen für den Besuch des Sankt Nikolaus. Der Holzfäller verkaufte sein Holz und machte sich traurig auf den Heimweg. Bei ihm war der Nikolaus schon lange nicht mehr gewesen. So saß er am Nachmittag wieder in seiner Hütte. Plötzlich hörte er vom Waldweg her Glockengebimmel. Er rannte zur Tür und rief: „Sei gegrüßt, Sankt Nikolaus, möchtest du nicht einen Tee bei mir trinken?“ Gerne nahm Nikolaus die Einladung an. Als es dunkel wurde, verabschiedete er sich. Am Abend wollte der Holzfäller Holz für seinen Ofen holen. Da erschrak er. Sankt Nikolaus musste ein Loch in seinem Sack haben. Denn der Weg war über und über mit Nüssen, Lebkuchen und kleinen Geschenken bedeckt. Unterdessen wollte Sankt Nikolaus im Dorf seinen Augen nicht trauen. Der große Sack war leer. Was sollte er jetzt nur tun? Es war zu spät, den langen Weg zurückzufahren. Verzweifelt setzte sich Nikolaus auf seinen Schlitten. Da sah er eine Gestalt auftauchen. Es war ein Mann, der auf seinem Rücken einen riesigen Sack schleppte. Er rief ganz aufgeregt: „Sankt Nikolaus! Warte, warte!“ Da erkannte Sankt Nikolaus den freundlichen Holzfäller und umarmte ihn. „Wie heißt du eigentlich?“, fragte er. „Ich heiße Ruprecht, im Dorf nennt man mich Knecht Ruprecht.“ „Auf einen Gehilfen wie dich habe ich schon lange gewartet. Möchtest du mich zu den Kindern begleiten?“ Und ob Ruprecht wollte! Seine Augen leuchteten vor Freude. Von diesem Tag an sieht man die beiden jedes Jahr Anfang Dezember zu den Kindern kommen. 3 VS Oberdorf Frohe Weihnachten, Herr Mann! eine Geschichte von Günther Jakobs und Hans-Christian Schmidt Wie alle Jahre macht Herr Mann auf dem Adventskranz Kerzen an. Und wenn das erste Lichtlein brennt, dann sieht man wie er keuchend rennt. Man sieht ihn turnen, hüpfen, springen, um sich geschwind in Form zu bringen. Und brennt das zweite Licht im Raum, dann wäscht Herr Mann mit sehr viel Schaum die Flecken aus der Mütze raus und bürstet seinen Mantel aus. Und ist das dritte Lichtlein an, dann holt er sich den Globus ran und sucht sich von Haus zu Haus die beste Reiseroute aus. Und brennt das Lichtlein Nummer vier, dann holt er Butterbrotpapier. Er schneidet Brot, belegt es fein und packt sich´s als Verpflegung ein. Jetzt schnell die Geschenke eingepackt, auch Brot und Globus eingesackt. Ist alles fertig? Ja! Na dann: Ein frohes Fest, Herr Weihnachtsmann! 4 VS Leopold Barbarazweig Am Barbaratag Pflück‘ ich mir einen Zweig Vom Kirschbaum in unserem Garten. Der Advent nämlich Kann zaubern, verborgen, ganz leis‘. Man muss nur geduldig drauf warten. Zum Weihnachtsfest dann Blüht’s bei mir kirschblütenweiß, und Schnee liegt draußen im Garten. 5 VS Rohrbach Das kleine Mädchen mit den Schwefelhölzern nach Hans Christian Andersen Es war entsetzlich kalt. Es schneite, und der Abend dunkelte bereits. Es war der letzte Abend im Jahre, Silvesterabend. In dieser Kälte und in dieser Finsternis ging auf der Straße ein kleines armes Mädchen mit bloßem Kopfe und nackten Füßen. Es hatte wohl Pantoffeln angehabt, als es von zu Hause fort ging, aber was konnte das helfen! Es waren sehr große Pantoffeln. Die waren früher von seiner Mutter gebraucht worden, so groß waren sie. Diese Pantoffeln hatte die Kleine verloren, als sie über die Straße eilte, während zwei Wagen in rasender Eile vorüberjagten. Der eine Pantoffel war nicht wieder aufzufinden, und mit dem anderen machte sich ein Knabe aus dem Staube, welcher versprach, ihn als Wiege zu benutzen, wenn er einmal Kinder bekäme. Da ging nun das kleine Mädchen auf den nackten zierlichen Füßchen, die vor Kälte ganz rot und blau waren. In ihrer alten Schürze trug sie eine Menge Schwefelhölzer, und sie hielt ein ganzes Bund in der Hand. Während des ganzen Tages hatte ihr niemand etwas abgekauft, niemand ein Almosen gereicht. Hungrig und frostig schleppte sich die arme Kleine weiter und sah schon ganz verzagt und eingeschüchtert aus. Die Schneeflocken fielen auf ihr langes blondes Haar, das sich schön gelockt über ihren Nacken legte. Aus allen Fenstern strahlte heller Lichterglanz und über alle Straßen verbreitete sich der Geruch von köstlichem Gänsebraten. Es war ja Silvesterabend, und dieser Gedanke erfüllte alle Sinne des kleinen Mädchens. In einem Winkel zwischen zwei Häusern kauerte es sich nieder. Seine kleinen Beinchen hatte es unter sich gezogen, aber es fror nur noch mehr. Trotzdem wagte das Mädchen nicht, nach Hause zu gehen, da es noch keine Streichhölzer verkauft und noch keine Münze erhalten hatte. Es hätte gewiss vom Vater Schläge bekommen, und kalt war es ja auch zu Hause. Sie hatten gerade mal ein Dach über dem Kopf, und der Wind pfiff schneidend hinein, obgleich Stroh und Lumpen in die größten Ritzen gestopft waren. Ach, wie gut musste ein Schwefelhölzchen tun! Wenn es nur wagen dürfte, eins aus dem Schächtelchen zu nehmen, es gegen die Wand zu streichen und die Finger daran zu wärmen! Endlich zog das Mädchen eines heraus. Und ritsch, da sprühte und brannte es. Das Schwefelholz strahlte eine warme helle Flamme aus, wie ein kleines Licht. Doch es war ein merkwürdiges Licht. Es kam dem kleinen Mädchen vor, als säße es vor einem großen eisernen Ofen. Das Feuer brannte so schön und wärmte so wohltuend! Die Kleine streckte schon die Füße aus, um auch diese zu wärmen, da erlosch die Flamme. Der Ofen verschwand, und das Mädchen hatte nur noch das ausgebrannte schwarze Schwefelholz in der Hand. Ein neues wurde angestrichen. Es brannte und leuchtete, und plötzlich war die Mauer, auf welche der Schein fiel, durchsichtig wie ein feines Seidentuch. Die Kleine sah geradewegs in die Stube hinein, wo der Tisch mit einem blendend weißen Tischtuch und feinem Porzellan gedeckt war. Darauf dampfte eine gebratene Gans, köstlich mit Pflaumen und Äpfeln gefüllt. Und was noch herrlicher war, die Gans sprang aus der Schüssel und watschelte mit Gabel und Messer im Rücken über den Fußboden auf das arme Mädchen zu. Da erlosch das Schwefelholz, und nur die dicke kalte Mauer war noch zu sehen. Sie zündete ein neues an. Da saß die Kleine unter dem herrlichsten Weihnachtsbaum. Er war noch größer und reicher ausgeputzt als der, den sie am Heiligabend bei dem reichen Kaufmann durch die Glastür gesehen hatte. Tausende von Lichtern brannten auf den grünen Zweigen, und glitzernde Kugeln funkelten auf sie hernieder. Die Kleine streckte beide Hände nach ihnen in die Höhe, da erlosch das Schwefelholz. Die vielen Weihnachtslichter stiegen höher und höher, und sie sah erst jetzt, dass es die hellen Sterne waren. Einer von ihnen fiel herab und zog einen langen Feuerstreifen über den Himmel. „Jetzt stirbt jemand“, sagte die Kleine leise, denn die alte Großmutter, die allein freundlich zu ihr gewesen war, hatte gesagt: „Wenn ein Stern fällt, steigt eine Seele zu Gott empor!“ Das Mädchen strich wieder ein Schwefelholz gegen die Mauer, und es warf einen weiten Lichtschein ringsumher. In diesem Glanze stand mit einem Male die alte Großmutter hell beleuchtet, mild und freundlich da. „Großmutter“, sprach die Kleine, „oh, nimm mich mit dir! Ich weiß, dass du verschwindest, sobald das Schwefelholz ausgeht. Du verschwindest, wie der warme Kachelofen, der köstliche Gänsebraten und der große flimmernde Weihnachtsbaum!“ Schnell strich sie den ganzen Rest der Schwefelhölzer an, die sich noch im Schächtelchen befanden, denn sie wollte die Großmutter festhalten. Die Schwefelhölzer verbreiteten einen solchen Glanz, dass es heller war als am lichten Tag. So schön, so groß war die Großmutter noch nie gewesen. Sie nahm das kleine Mädchen auf ihren Arm, und sie schwebten in Glanz und Freude hoch empor. Kälte, Hunger und Angst wichen von dem Mädchen, sie war glücklich und geborgen bei Gott. 6 VS Winsau Nikolaus hilft in der Hungersnot Es wird erzählt, dass in der Stadt Myra große Not herrschte. Das Jahr über hatte es so viel geregnet, dass die ganze Ernte verdorben war. So konnten die Bauern kein Getreide ernten, die Müller kein Mehl mahlen und die Bäcker kein Brot backen. Die Geschäfte waren ganz leer. Die Kinder weinten vor Hunger. In Myra herrschte eine schwere Hungersnot. „Gott hat uns verlassen“, sagten die Menschen. Doch der Bischof Nikolaus tröstete sie und betete mit ihnen. Er vertraute auf Gott, der ihnen bestimmt helfen würde. Eines Tages legte ein großes Schiff im Hafen an, das hoch beladen mit Korn war. Von diesem Korn konnten alle satt werden. Die Menschen liefen zu dem Schiff und bettelten um das Korn. Sie wollten sogar sehr viel Geld dafür bezahlen. Doch die Seeleute waren nicht bereit ihnen etwas von dem Korn zu geben. Sie hatten Angst vor dem Eigentümer des Schiffes der auf das Korn wartete und sie sicher bestrafen würde, wenn nicht mehr alles an Bord war. Nun ging der Bischof Nikolaus selbst zu den Seeleuten und bat um das Korn. Er sagte: „Helft doch den armen Menschen! Wenn ihr uns ein paar Säcke Korn abgebt, braucht ihr keine Angst zu haben, denn bei Eurer Ankunft wird kein einziges Korn fehlen.“ Weil der Bischof so überzeugend mit ihnen sprach, glaubten sie ihm schließlich. Sie schleppten viele Kornsäcke vom Schiff herunter und schenkten sie den Leuten. Der Bischof sorgte dafür, dass das Mehl gemahlen wurde, dass Brot gebakken werden konnte und jeder seinen gerechten Anteil erhielt. Alle aßen und wurden satt. Als die Seeleute bei dem Eigentümer des Schiffes ankamen, stellten sie fest, dass nicht ein einziges Korn aus ihrer Ladung fehlte. Bischof Nikolaus hatte sie nicht belogen. 7 VS Wallenmahd Weihnachten im Wald Die Tiere saßen im Wald, es war Dezember, der Boden war mit Schnee bedeckt und es war bitterkalt. Die Tiere unterhielten sich über Weihnachten. „Na klar, Gänsebraten“, sagte der Fuchs, „was wäre Weihnachten ohne Gänsebraten!“ Das Reh sagte: „Ich möchte unbedingt einen Tannenbaum, denn ohne Tannenbaum kann ich Weihnachten nicht feiern.“ „Tannenbaum finde ich schwer in Ordnung“, sagte die Eule, „aber bitte nicht mit zu viel Kerzen! Ich mag es nämlich gerne etwas schummrig“. „Schmuck“, sagte die Elster, „Schmuck muss unbedingt sein. Schön glitzernder Schmuck: ein Diamantenring, ein silbernes Armband oder eine Goldkette. Ohne glitzernde Geschenke ist Weihnachten nämlich gar nichts!“ „Also Schmuck brauch ich keinen“, brummte der Bär, „aber viel Honig. Honig ist das Wichtigste, ohne Honig und süße Sachen verzichte ich gerne auf Weihnachten“. „Punsch trinken“, meinte der Stier, „ordentlich Punsch trinken, bis einem schwindlig ist“, aber dann schrie der Stier laut „Aua“, denn der Esel hatte ihm einen gewaltigen Tritt versetzt: „Du Stier, denkst du denn nicht an das Jesuskind?“ Da wurde der Stier verlegen, senkte beschämt den Kopf und sagte: „Das Kind, das Kind hätte ich fast vergessen, ja das Kind ist doch die Hauptsache.“ – „Übrigens“, fragte er dann den Esel, „wissen das die Menschen eigentlich auch?“ 8 VS Markt Sterntaler Friedl Hofbauer Es war ein kleines Mädchen das war ganz allein auf der Welt. Es hatte kein Bett, es hatte kein Haus und es hatte kein Geld. Dann kam ein graues Weiblein mit einem mageren Zopf dem schenkte das kleine Mädchen seine Mütze für den Kopf. Da dachte das kleine Mädchen: Was soll ich so allein? Es nahm sein letztes Stückchen Brot und ging in die Welt hinein. Da kam ein kleines Kindchen das sprach: ich frier so sehr. Da schenkte das kleine Mädchen sein letztes Hemdchen her. Da kam ihm ein Mann entgegen der war vor Hunger halb tot. Da gab ihm das kleine Mädchen sein letztes Stückchen Brot. Da kam ein Stern vom Himmel der sagte: ich hab dich gern. Er nahm das Mädchen an der Hand da wurde es auch ein Stern. 9 VS Gütle Törtel und das Weihnachtswunder Als Törtel, die Schildkröte, an diesem Morgen aufwachte, war alles schön geschmückt und es duftete herrlich. Die Kinder kamen in das Kinderzimmer. Sie waren sehr fröhlich. Dann nahmen sie die Schildkröte aus dem Terrarium und setzten Törtel auf den Boden, damit er herumkrabbeln konnte. Auf einmal klingelte es im Wohnzimmer. Die Kinder nahmen Törtel auf den Arm und trugen ihn in das Wohnzimmer. Dort setzten sie die Schildkröte ab und packten begeistert die Geschenke aus. Sie bekamen einen Reiterhof und einen Bagger. Es wurde ein schönes und gemütliches Fest mit Keksen und Kuchen. Am Abend gingen sie zufrieden ins Bett. Auch für Törtel hatte sich das Weihnachtsfest ausgezahlt. Er bekam eine große Schale Weintrauben. Maja (3.Klasse) und Aaliyah (1. Klasse) 10 MS Mittelfeld Brief an die Sonne Im letzten Monat des Jahres, als es kühl und dunkel war, schrieben die Tiere einen Brief an die Sonne. Sie hatten lange darüber nachgedacht, was sie der Sonne schreiben könnten, und suchten die vorsichtigsten Wörter aus, die sie kannten. „Es ist ein Bittbrief“, sagte die Ameise. „ein flehentlicher Bittbrief.“ Fast alle setzten sie ihren Namen darunter. Nur der Maulwurf, der Erdwurm, der Nachtfalter und die Fledermaus hatten Bedenken und hätten lieber das Gegenteil geschrieben. Zu Hunderten warfen sie den Brief hoch, und der eisige Wind blies ihn zum Himmel, quer durch die niedrig hängenden Wolken. Zitternd saßen sie beieinander und warteten auf die Antwort und bliesen über ihre Fühler oder schlugen die Flügel übereinander. Am späten Nachmittag erschien plötzlich ein kleines Loch in den Wolken. Ein Sonnenstrahl schoss herab, und an dem Sonnenstrahl rutschte ein Brief entlang. Mit großen Augen schauten die Tiere zu. Der Brief fiel auf den Boden, und die Ameise trat vor und öffnete ihn. Alle Tiere drängten sich um den Brief, einer lehnte sich über die Schultern des andern, sogar über die Schulter des Igels, und lasen: Liebe Tiere, es ist gut. Bis Bald! Die Sonne Sie stießen einen Seufzer der Erleichterung aus, schauten sich an, schüttelten sich gegenseitig die Flügel, die Flossen, die Fühler und Pfoten, wünschten sich das Allerbeste und gingen nach Hause. Die meisten Tiere machten an diesem Abend noch ein paar Tanzschritte auf dem Fußboden vor ihren Betten, sangen leise: „Bis bald, bis bald….“, krochen unter ihre Zudecken und schliefen ein. Toon Tellegen 11 VS Haselstauden Der erste Schnee Traudl Wirsing Lange haben die Kinder dieses Jahr auf Schnee warten müssen, aber nun ist er endlich da. Wie eine dicke, flockige Decke liegt er auf den Straßen. Die Hausdächer sehen aus, als hätten sie sich weiße, funkelnde Mützen aufgesetzt und wie aus Zuckerguss geformt hängen spitze Eiszapfen von den Dachrändern. Sogar die dünnen Zaunpfosten tragen eine lustige Schneeperücke. Schnell werden die Schlitten und Skier aus den Kellern geholt. Alle freuen sich darauf, im watteweichen Schnee herumtoben zu dürfen. Jetzt kann man endlich wieder eine Schneeballschlacht machen oder sich eine tiefe Schneehöhle schaufeln. Der kleine Philip will unbedingt einen riesengroßen Schneemann im Garten bauen. Keuchend vor Anstrengung plagt er sich, den Schneemannbauch zu einer runden Kugel zu formen. Das ist gar nicht so leicht. „Hilf mir, bitte!“, ruft er seinem Kindergarten-Freund Andi zu. Gemeinsam rollen sie die immer dicker werdende Schneekugel durch den Garten zur Terrasse. „Ihr müsst den Schnee richtig festdrücken!“ Philips großer Bruder Christian ist endlich fertig mit Hausaufgabenmachen und stürmt begeistert in den Garten. „Aber ihr dürft nicht zu stark klopfen, sonst fällt alles auseinander.“ Christian hat schon viele Schneemänner gebaut und kennt sich aus. „Unser Schneemann muss der größte und schönste werden, den es auf der ganzen Welt gibt!“ Andi´s Wangen glühen vor Begeisterung. Philip hat sich von seiner Mama einen alten Hut, einen ganz langen Schal und einen stoppeligen Besen geben lassen. Und wenn der Schneemann fertig ist, wird er ihm mit einer knubbeligen Karotte, zwei dunkelbraunen Kastanien und einer knallroten Peperoni ein lustiges Gesicht machen. „Achtung, zweite Kugel im Anmarsch!“, ächzt Andi. Er schleppt eine riesengroße Schneekugel, die so schwer ist, dass seine Knie zittern. Seine Arme schmerzen, aber nur noch ein paar Schritte, dann hat er es geschafft. Die Mutter von Philip und Christian wickelt bunte Lichterketten um die kleinen Bäumchen, die vor der Terrasse gepflanzt sind. Lächelnd beobachtet sie die Kinder. „Das wird ja ein gewaltiger Schnee- mann!“ Die Mutter klatscht begeistert in die Hände. Bereitwillig hilft sie den Kindern, die zwei Schneekugeln übereinander zu setzen. Andi muss sich schon ein wenig strecken, damit er die dritte und kleinste Kugel obendrauf stecken kann. Alle kichern. Christian hat dem Schneemannkopf lustige, weit abstehende Ohren angedrückt. „Wenn ihr nachher mit dem Schneemannbauen fertig seid, dann gibt´s Tee und Lebkuchen im Wohnzimmer“, verspricht die Mutter. „Und Oma‘s Weihnachtsplätzchen - mmhh!“ Philip hüpft begeistert von einem Bein auf das andere. „Darf ich die Kerzen am Adventskranz anzünden?“, fragt Andi eifrig. „Ja, natürlich“, schmunzelt die Mutter.“ Und ihr dürft auch eine Geschichte aus dem Weihnachtsbuch aussuchen, die ich euch dann vorlesen werde.“ „Ja, ja, jaa!“ Die Buben strahlen um die Wette. „Die Advents- und Weihnachtszeit ist doch wirklich die allerschönste Zeit im ganzen Jahr!“ 12 VS Schoren Der Schuhmacher und die Heinzelmännchen Ein Schuhmacher war ohne eigene Schuld arm geworden. In der Weihnachtszeit ging er mit seiner Frau wieder einmal durch die Stadt und sah viele fröhliche Gesichter. Da wurde er noch trauriger, als er schon war. “Warum muss gerade ich so viel Pech im Leben haben?“, fragte er sich. Zu Hause in seiner Werkstatt hatte er nur noch Leder für ein Paar Schuhe. Das schnitt er am Abend zurecht, um sich am nächsten Morgen gleich an die Arbeit zu machen. Doch als er nach dem Frühstück in die Werkstatt trat, standen die beiden Schuhe fix und fertig auf dem Tisch. Der Schuhmacher kniff die Augen zu und öffnete sie wieder – die Schuhe standen immer noch da. „Wie ist das nur möglich?“ murmelte er immer wieder. „Wie ist das nur möglich?“ Ganz vorsichtig nahm er die Schuhe in die Hand und betrachtete sie eine Weile. Sie waren sehr sauber gearbeitet, kein Stich daran war falsch. Das Paar sah aus, als wäre es ein Meisterstück. Während der Schuhmacher noch in Gedanken war, trat ein Mann ein, um Schuhe zu kaufen. Weil ihm das neue Paar wunderbar passte, bezahlte er den Schuhmacher so gut, dass er von dem Geld neues Leder für zwei Paar Schuhe kaufen konnte. Der Schuhmacher konnte es kaum glauben, dass er heute so viel Glück hatte. Er lief zu seiner Frau und erzählte ihr alles, und sie freute sich mit ihm. „Ich gehe gleich in die Stadt und besorge gutes Leder“, sagte er. „Das ist gut“, stimmte sie ihm zu. Am Abend schnitt er das neue Leder zurecht, um am nächsten Morgen mit frischem Mut an die Arbeit zu gehen. Aber das brauchte er gar nicht, denn als er aufstand, waren die Schuhe schon fertig. Und es dauerte nicht lange, bis Käufer kamen, die ihm genug bezahlten, dass er Leder für vier Paar kaufen konnte. Am nächsten Morgen fand er auch diese vier Paar fertig in der Werkstatt. Und so ging es immer weiter. Zwei Tage vor Weihnachten sagte der Schuhmacher zu seiner Frau: „Sollen wir diese Nacht nicht aufbleiben, um zu sehen, wer die gute Arbeit leistet?“ Die Frau war einverstanden. Also versteckten sie sich in einer Ecke der Werkstatt. Punkt Mitternacht kamen zwei Heinzelmännchen herein, setzten sich auf den Tisch und machten sich flink an die Arbeit. Sie klopften und nähten mit ihren Fingerlein so geschickt, dass der Schuhmacher es kaum fassen konnte. Am nächsten Morgen sagte seine Frau: Die Männlein haben uns so geholfen, dass es uns jetzt wieder gut geht. Wir müssen ihnen auch etwas Gutes tun. Sie haben nichts am Leib und frieren bestimmt. Ich werde Kleider für sie nähen, und du machst jedem ein Paar hübsche Schuhe.“ Ihr Mann nickte. „Das ist ein guter Vorschlag.“ Beide arbeiteten fleißig und legten am Heiligen Abend statt dem zugeschnittenen Leder die Geschenke auf den Tisch in der Werkstatt. Dann versteckten sie sich wieder. Um Mitternacht kamen die Heinzelmännchen herein und wollten die Arbeit erledigen. Doch was sahen sie? Niedliche Kleidungsstücke und winzige Schuhe. Sie freuten sich sehr darüber, zogen sich schnell an und sangen: „Sind wir nicht Knaben schön und fein? Was sollen wir länger Schuster sein!“ Dann hüpften sie über Tisch, Stühle und Bänke, sprangen auf den Boden und tanzten schließlich zur Tür hinaus. Von dieser Nacht an kamen sie nicht wieder. Der Schuhmacher und seine Frau aber feierten das schönste Weihnachtsfest seit Langem. 13 VS Watzenegg Das Plätzchenmonster Mama hatte wunderbare Weihnachtsplätzchen gebacken: Zimtsterne, Nussmakronen und Madeltaler. Sie legte alle in eine Plätzchendose aus Blech, die wie eine kleine Schatztruhe aussah. Nun stand diese Truhe in einem sicheren Versteck, so, wie es sich für eine Schatzkiste gehört: ganz hinten im großen Kleiderschrank. Niemand würde sie dort je entdecken… Niemand? Denn eines Abends näherten sich schwere Schritte. Bumm-bumm-bumm. Die Schranktür knarrte unheimlich. Zwei lange, blauweiß gestreifte Arme tauchten in die Dunkelheit des Schreankes: Zwei große Hände fanden die Dose und öffneten sie, um einige Zimtsterne herauszunehmen. Dann stellten sie die Plätzchen zurück ins Versteck. Am frühen Morgen hörte man wieder Schritte. Tapp-tapp, tapp-tapp. Die Schranktür quietschte. Ein wuscheliger, dunkel gelockter Kopf späte hinter der Wäsche herum. Zwei Hände fanden die kleine Truhe und nahmen einige Nussmakronen heraus. Danach schoben sie die Dose zurück ins Versteck. Gegen Mittag huschten wieder Schritte heran. Tipp-tipp-tipp-tipp-tipp. Die Schranktür klappe. Ein grüner Körper mit rotem Muster Kroch zwischen die Kleider. Zwei Hände fanden die duftende Schatzkiste und holten sich einige Mandeltaler. Dann kam die kleine Truhe zurück in ihr Versteck. Immer mehr Plätzchen verschwanden auf geheimnisvolle Weise. An einem gemütlichen Sonntagnachmittag wollte Mama einige Weihnachtsplätzchen spendieren. Sie holte die Dose aus dem geheimen Versteck und öffnete sie. „Das darf doch nicht wahr sein!“ rief sie erschrokken. „Wo sind denn meine Weihnachtsplätzchen hingeraten? Die Dose ist ja halb leer!“ Papa und die beiden Kinder sahen sich verblüfft an. „Was? Ja, tatsächlich…“ Es war ganz still im Zimmer. Alle dachten nach. „Ich glaube, das Plätzchenmonster hat sie alle gemopst“, sagte Papa dann. „Das schnüffelt doch vor Weihnachten überall herum und guckt, wo die Plätzchen versteckt sind. Bestimmt ist es auch am Kleiderschrank vorbeigekommen und hat deine leckeren Zimtsterne gerochen…..“. „Genau!“ sagte die Schwester. „Und dann hat es die Dose herausgeholt und ganz viele Nussmakronen gefressen...“ „Aber am besten haben die Mandeltaler geschmeckt!“, rief der kleine Junge. „So, So“, meinte Mama. „Und wie sieht dieses Plätzchenmonster aus?“ „Tja, es hat dunkles Wuschelfell auf dem Kopf“, sagte Papa. „Und lange, blauweiß gestreifte Arme“, sagte die Schwester. „Aber sein Bauch ist grün und rot wie mein Pullover!“, rief der kleine Junge. „Das klingt ja schrecklich!“, rief Mama. „Da bin ich ja richtig froh, dass ich dieses Plätzchenmonster nie beim Mopsen erwischt habe. Ich wäre sicher erschrocken.“ „Ganz bestimmt!“ nickten die drei. „Und was nun?“, fragte Mama. „Ich habe keine Lust, noch einmal zu backen.“ „Das könnten wir doch tun“, meinte Papa. „Du brauchst uns nur zu sagen, wie wir es machen sollen. Und danach werden wir alle gut Acht geben, dass das Plätzchenmonster nicht wiederkommt. Nicht wahr, Kinder?“ Der kleine Junge und seine Schwester nickten wieder. „Und ich mal dir noch ein Bild vom Monster. Das kannst du oben auf die Dose kleben. Wenn es das sieht, erschrickt es vor sich selber!“, rief der kleine Junge und umarmte Mama. Und Mama lachte. 14 SPZ Wundervolle Schneemannideen Lange hatte in diesem Jahr der Schnee auf sich warten lassen. Die Kinder der Klasse 2b hatten es längst aufgegeben, auf ihn zu hoffen. Als Kevin aber eines Tages mitten im Diktat aus dem Fenster schaute, sah er viele dicke Schneeflocken vom Himmel fallen. Es war ein richtiges Schneegestöber. „Es schneit!“, rief er. „Hurra, es schneit!“ „Hurra!“, riefen alle in der Klasse. „Endlich Schnee!“ Und klar, fast wäre aus dem Diktat nun nichts mehr geworden, weil alle aufgeregt durcheinander riefen. In der ersten Pause tobten die Kinder jubelnd auf dem Schulhof herum und ließen Schneeflocken auf ihren Zungen schmelzen. In der zweiten Pause lag der Schnee schon so hoch, dass er für viele Schneemannbäuche ausreichte. Diese bauten die Schüler voller Stolz in einer Reihe am Schultor auf. Der Schnee reichte auch noch für Schneemannköpfe, aus denen die Kinder mit Steinen, Ästen und Mützen lustige Schneemanngesichter zauberten. Toll sah das aus. Stramm wie Steinfiguren standen viele prächtige Schneemänner am Schultor. „Eine Schneemannschulklasse“, rief einer und alle lachten. „Wie lobenswert, dass unsere Schüler so wundervolle Ideen haben“, sagte ein Lehrer und die anderen Lehrer nickten. „So schöne Schneemänner hatten wir noch nie in unserer Schule.“ Da freuten sich die Schüler wie die Schneekönige. Sie lachten noch, als sie sich nach Schulschluss an den Schneemännern vorbei aus dem Schultor hinausschlängelten. Und die Schneemänner, schien es, lachten zurück. Nur den Lehrern war das Lachen vergangen. Da stand nämlich eine mächtig prächtige Schneemannreihe, die ihnen und ihren Autos die Ausfahrt vom Schulhof versperrte. So ist das eben manchmal mit Schülern, die wundervolle Ideen haben … © Elke Bräunling 15 VS Wallenmahd Die Spinnen im Weihnachtsbaum Jedes Jahr, wenn Weihnachten kam, dachten viele Menschen daran, dass sie mit allen Geschöpfen dieser Erde verwandt sind. So entstand auf dem Land der Brauch, am Weihnachtsabend alle Tiere, die am Bauernhof lebten, in die Stube zu führen, um ihnen den geschmückten Weihnachtsbaum zu zeigen. Die Tiere sollten auch ihre Freude an dem prachtvollen Anblick haben. Man erinnerte sich daran, dass auch Christus bei den Tieren in einem Stall geboren worden war. Also stapften sie in die Stube: die Hühner, die Hunde und Katzen (die wundersamerweise zur Weihnacht niemals Streit miteinander hatten), die Kühe und Schweine. Sogar die Mäuse durften ausnahmsweise durch das Wohnzimmer spazieren, ohne dass sie gejagt wurden. Nur den Spinnen war es verboten, das Haus zu betreten, da viele Menschen die Spinnen für abscheuliche und hässliche Tiere hielten. Das machte die Spinnen sehr traurig und sie beklagten sich beim Christkind: „Das ganze Jahr fangen wir in unseren Netzen lästige Insekten, ohne die Menschen selbst zu belästigen, und das ist der Dank dafür – wir dürfen uns nicht einmal den Christbaum ansehen!“ Da hatte das Christkind Einsehen und öffnete in der Nacht, als alle Menschen schon schliefen, die Haustüre und ließ die Spinnen in die Stube. Sie freuten sich so sehr über den Anblick des schönen Baumes, dass sie ihn von oben bis unten mit ihren Netzen einsponnen. Da verzauberte das Christkind die zahllosen Spinnfäden mit einem goldenen und silbernen Überzug. Als die Menschen am nächsten Morgen den so geschmückten Baum sahen, waren sie entzückt. Und noch heute werden die Christbäume mit silbernen und goldenen Lamettafäden geschmückt! 16 VS Edlach Wie sich die Weihnachtsgans vor dem Ofen rettete Der Wolf, der Fuchs und das Wiesel wollen dieses Jahr ein großes Weihnachtsfestessen machen. Natürlich kümmert sich der Fuchs um den Braten. Er macht sich gleich auf den Weg, um die schönste Gans dafür zu klauen. Das Abenteuer beginnt, als er mit seiner Beute zu seinem Bau zurückkehrt. „Was für ein Chaos!“, schnattert die Gans, als der Fuchs sie aus dem Sack lässt. „Hat deine Mutter dir nicht beigebracht, dass man aufräumt, bevor man Damenbesuch bekommt?“ „Du bist nicht mein Damenbesuch“, widerspricht der Fuchs. „Du bist mein Weihnachtsbraten!“ „Noch ein Grund mehr aufzuräumen. Kein Weihnachten ohne Weihnachtsgans! Deshalb muss man sie hegen und pflegen“, schimpft die Gans. „Also putz gefälligst erst mal deinen Fuchsbau. Ich kann Unordnung nämlich nicht leiden!“ Dann flattert sie auf den Sessel, um mit strengem Blick die Aufräumarbeiten zu überwachen. Murrend macht sich der Fuchs an die Arbeit. Er hat überhaupt keine Lust, aber die Weihnachtsgans lässt ihm keine Wahl. Und schon bald blinkt und blitzt es im ganzen Fuchsbau. Da klingelt es und der Wolf und das Wiesel stehen vor der Tür. „Halt!“, ruft die Gans, bevor die beiden auch nur eine drekkige Pfote in den Fuchsbau setzen können. „Hier kommt keiner rein, ohne sich vorher die Tatzen abzutreten!“ „Na das ist ja eine nette Begrüßung“, knurrt der Wolf. Doch als er die Gans sieht, ist er begeistert und leckt sich gierig die Lippen. „Wann gibt es Abendessen?“, fragt die Gans. „Mir knurrt der Magen. Was wollt ihr kochen? Dem Wolf und dem Wiesel läuft das Wasser im Maul zusammen. „Wir stellen uns höchstens in die Küche, um Pastete aus dir zu machen“, antworten sie frech. „Bevor man eine Weihnachtsgans essen kann, muss man sie doch erst mal füttern, bis sie dick und fett ist!“, entgegnet die Gans ärgerlich. „Das weiß ja wohl jedes Kind! Meine Güte! Bin ich etwa eure erste Weihnachtsgans?“ Da werden die drei ganz kleinlaut und machen schnell, was die Gans von ihnen verlangt: Der Wolf soll Knospen sammeln, das Wiesel Champignons und der Fuchs muss ein paar Frösche fangen. Keiner der drei kann kochen. Daher zaubert an diesem Abend die Gans ein köstliches Froschragout mit Knospen und Champignonpüree. Als das Essen fertig ist, setzen sie sich zusammen an den Tisch und lassen es sich schmecken. Später spielen sie Mau-Mau. Die Gans gewinnt immer. Keiner schummelt so gut wie sie. Trotzdem wird es ein lustiger Abend. So viel Spaß hatten sie schon lange nicht mehr! „Los!“, befiehlt die Gans, „Zähneputzen nicht vergessen!“ Die drei gehorchen ohne Widerworte. Danach legen sie sich zum Schlafen einfach auf den Boden. Denn natürlich versteht sich von selbst, wer auf dem Sessel schlafen darf… Am nächsten Morgen weckt die Gans die Freunde früh: Sie hat Hunger. Die drei sollen etwas zu essen besorgen, damit sie ein ordentliches Frühstück machen kann. Doch als alle satt sind, ist es endgültig vorbei mit der Ruhe. Die Gans lässt den drei Freunden keine ruhige Minute mehr. Nicht eine! Es gibt viel zu tun: Sie brauchen Zweige für einen Adventskranz. Ein Weihnachtsbaum darf natürlich nicht fehlen und Misteln müssen auch besorgt werden. Außerdem sollen sie den Kamin kehren, damit die Gans nicht friert. Bald steht Weihnachten vor der Tür. Die drei können sich zwar nur schwer daran gewöhnen, vor dem Essen ihre Pfoten zu waschen – dafür schmeckt es ihnen dann aber hinterher umso besser! Beim MauMau verlieren sie immer noch, dafür können sie jetzt Girlanden basteln und Kekse ausstechen. Sie sind sich einig: Die Weihnachtszeit ist einfach die allerschönste Zeit! Am Abend vor dem Weihnachtstag fragt die Weihnachstgans: „Wie wollt ihr mich braten? In Rahm- soße? Oder gefüllt mit Kohl? Ich würde gerne in Portwein zubereitet werden. Aber das ist ein schwieriges Rezept. Kriegt ihr das hin?“ Die drei Freunde hüsteln und schauen betreten auf den Boden. Das hatten sie ganz vergessen. Die Antwort auf diese schwierige Frage verschieben sie lieber auf den nächsten Tag. In der Nacht macht keiner der drei ein Auge zu. Ihre neue Freundin soll auf keinen Fall so enden: weder in Rahmsoße noch gefüllt mit Kohl oder in Portwein. Aber was sollen sie bloß tun? Zum Glück hat die Gans die rettende Idee. „Meine lieben Freunde“, seufzt sie am nächsten Morgen. „Wenn ihr mich jetzt schon bratet, werdet ihr vielleicht nicht satt. Also schlage ich vor, dass ihr mich noch ein weiteres Jahr lang mästet. Nächstes Weihnachten könnt ihr mich ja immer noch fressen. Dann werde ich noch fetter sein und euer Festessen umso größer.“ Der Vorschlag wird einstimmig angenommen. Und so ist es in diesem Jahr die Weihnachtsgans höchstpersönlich, die das Weihnachtsfestessen zubereitet. Seit diesem Weihnachtsfest leben der Fuchs, der Wolf, das Wiesel und die Gans zufrieden zusammen im Fuchsbau. Und niemand im ganzen Wald hat sie jemals glücklicher gesehen und runder! Quelle: Bilderbuch: „ Wie sich die Weihnachtsgans vor dem Ofen rettete“ Titel der französischen Originalausgabe: Le Festin de Noel Text: Nathalie Dargent Illustrationen: Magali le Huche 2013 für die deutsche Ausgabe: arsEdition GmbH, München 17 VS Mittelfeld Die kleine Trompete Die kleine Trompete konnte von dem Balkon aus, an dem sie hing, direkt auf den Marktplatz schauen. Da unten war immer etwas los und die Trompete konnte dem alten Schrank, der nicht so weit gucken konnte, immer erzählen, was es im Städtchen Neues gab. Der alte Schrank mit den Kleidern aus Urgroßmutters Zeiten und die kleine, glanzlose Messingtrompete lebten nun schon viele, viele Jahre hier oben auf dem Dachboden im Hause des Stadtapothekers. Man hatte sie einfach vergessen und nie fand einer den steilen Treppenweg hier hinauf. Es war nur gut, dass sie zu zweit waren! Aber der kleinen Trompete ging es gar nicht gut. Der Herbststurm hatte das Fenster, vor dem sie baumelte, eingedrückt, und der kalte Dezemberwind blies heftig in ihren Hals. Der alte Schrank meinte, dass der Apotheker ruhig einmal den Lehrbuben schicken sollte mit einem heißen Brusttee oder braunen Malzbonbons. Doch es kam natürlich keiner. Immer kälter wurde es und als eines Morgens der Schrank und die Trompete aufwachten, da hatte es draußen geschneit. „Es muss bald Weihnachten sein!“ meinte die kleine Trompete und dachte wehmütig an die längst vergangenen Zeiten, als auf ihr die schönsten Weihnachtschoräle geblasen worden waren. Jetzt aber war sie stumpf und ohne Glanz, ihr Mundstück war einmal abgefallen und die dicke rote Quaste - ihr ganzer Stolz - war grau vom Staub. Nein, man konnte wirklich keine Ehre mit ihr einlegen. Und wer jetzt gesehen hätte, wie ein paar geschmolzene Schneeflocken von ihr herabtropften, der hätte glauben können, dass die traurige kleine Trompete weinte! Weihnachten! Wie lange wünschte sie sich schon, noch einmal ein richtiges Weihnachtsfest erleben zu können, statt hier auf dem Dachboden an einem dicken Balken zu hängen! Ein Windzug blies in das Fenster und die Trompete schaukelte so heftig hin und her, dass sie sich plötzlich im Fensterkreuz verfing und dort hängen blieb. „He!“ rief der Schrank, „fall nicht ganz raus vor lauter Neugier.“ Aber obwohl es hier draußen noch kälter war als auf dem Boden, lachte die kleine Trompete nur. Unter ihr auf dem Marktplatz bauten gerade zwei Buben an einem riesigen Schneemann. Der stand an jedem Weihnachtsabend hier und vor ihm stellten sich dann die „Stadtpfeifer“ auf und sangen Weihnachtslieder. Die Stadtpfeifer, das waren elf Jungen, die mit ihrem Lehrer an jedem Heiligen Abend alte Weisen in den Straßen und Gassen des Städtchens sangen. Ohne sie gab es kein Weihnachtsfest. Und die beiden Buben, die hier jetzt an ihrem Schneemann bauten, waren zwei von den elfen. „Du“, sagte der Thomas, der dem Schneemann eine dicke Karotte als Nase ins Gesicht drückte, „Lehrer Martin hat auch gemeint, im nächsten Jahr sollten wir auf eine Trompete sparen, damit einer darauf spielen kann, wenn wir singen.“ Sein Bruder Gottfried nickte. „Ja, fein wär‘s schon. Aber so eine Trompete ist bestimmt sehr teuer!“ Damit setzte er die Fäuste wie eine Trompete an den Mund und blies hinein. Thomas schaute ihn an. „Ja, weißt du, so ähnlich müsste es klingen, aber eine richtige Trompete, die wäre halt noch viel, viel schöner!“ Ja, das dachte auch die kleine Trompete, die hoch über den beiden hing. Aber sie grübelte noch weiter. Sie überlegte: „Ach, wenn mich doch der Wind abreißen würde, solange noch die beiden Buben da unten stehen! Dann würde ich wieder Weihnachtslieder spielen können!“ Ob der Wind Gedanken lesen kann? Hatte er erraten, was die kleine Trompete dachte, die er lachend hin- und herschaukelte? Mit einem Satz packt er sie , riss an dem morschen Band - und in hohem Bogen fiel sie in den weichen Schnee, dem Schneemann genau vor die großen Füße. Nicht wahr, das ist kaum zu glauben. Thomas und Gottfried aber standen eine Weile wie stumm. Da war ihnen eine Trompete ja geradewegs aus dem Himmel auf den Markt gefallen! Was machte es da, dass sie kein Mundstück mehr hatte und ihre Quaste grau statt rot! „Du, wenn wir die putzen, glänzt die wie richtiges Gold!“ rief Thomas strahlend. Und so kam es, dass auf der kleinen Trompete am Weihnachtsabend viele Weihnachtslieder geblasen wurden. Das klang so schön zu dem frommen Gesang der Buben über den Marktplatz, dass die Leute ihre Fenster weit öffneten und still und glücklich in den sternklaren Heiligen Abend hinausschauten. So schön war das Weihnachtssingen der Stadtpfeifer noch nie gewesen! Und der Schrank? Ja, stellt euch vor, der Apotheker hat sich plötzlich seiner erinnert und ihn am Tage vor Weihnachten die Stiege hinunterschaffen lassen, so dass er auf einmal gar nicht mehr einsam war. Die kleine Trompete aber hat der Apotheker nicht vermisst. Er konnte sie ja auch nicht brauchen. Die lag goldglänzend mit einer prächtigen Quaste in einem Holzkasten unter dem kerzenschimmernden Tannenbaum auf dem Gabentisch der Stadtpfeiferbrüder Thomas und Gottfried. 18 VS Oberdorf Adventsgeschichte: Selbst gebacken Heute öffnet Andreas das zweite Türchen am Adventskalender und freut sich: „Ein Weihnachtskeks, Anne! Das schenk ich dir!“ „Vielen, vielen Dank“, grinst Anne zurück. „Ich teile es gerne mit dir!“ „Das brauchst du nicht“ jubelt Andreas „wir backen nämlich heute im Kindergarten richtige Kekse.“ Und er überzeugt sich, ob er schon ein sauberes Geschirrtuch in seine Tasche getan hat. „Du hast es gut“ meutert Anne, „wir schreiben heute eine Rechenarbeit.“ Dann schlüpfen beide Kinder in die Winterjacken und in ihre warmen Stiefel. „Seid vorsichtig! Es hat in der Nacht gefroren. Alles ist spiegelglatt!“ warnt Mama, als sie sich verabschieden. „Wir haben nicht nur gerechnet“, erzählt Anne, als sie mittags nach Hause kommt, „wir haben auch gebastelt.“ Und stolz zieht sie einen Strohstern aus der Schultasche und zeigt ihn Mama. „Den schenk ich dir und Papa.“ „Der ist aber schön! Hast du den ganz alleine gemacht?“ „Fast ganz allein“ gibt Anne zur Antwort. Dann sagt sie etwas bedrückt: „Eigentlich wollte ich euch den Stern ja erst zu Weihnachten schenken. Jetzt ist es keine Überraschung mehr.“ Da lächelt Mama und sagt: „Papa weiß von nichts, und ich habe nichts gesehen und nichts gehört.“ Dabei zwinkert sie Anne mit den Augen zu und gibt ihr den Strohstern zurück. „Wo Andreas so lange bleibt?“ fragt sie dann. „Der sollte doch schon da sein!“ „Er rutscht noch mit den Buben auf dem Eis vor unserem Haus“, sagt Anne. Kurz darauf springt er aber schon ins Wohn-zimmer, zieht einen kleinen Papiersack aus der Manteltasche und ruft: „Ich habe euch etwas mitgebracht! Seid ihr immer brav gewesen?“ „Ja!“ rufen Mama und Anne fast gleichzeitig. „Selbst gebacken“ sagt Andreas stolz und leert den kleinen Sack ganz vorsichtig auf den Tisch aus. Stumm sehen sie alle drei an und Andreas will am liebsten zu weinen anfangen. Aber dann lachen sie alle drei. „Das kommt davon, wenn man mit den Keksen in der Tasche auf dem Eis rutscht“ sagt Anne. „Einen Schönheitspreis bekommen sie nicht mehr“ meint Mama und steckt ein paar Kekse in den Mund. „Aber sie schmecken herrlich!“ „Selbst gebacken“ nickt Andreas und legt aus den Bruchstücken einen Stern. „Den schenk ich dir“ sagt er zu Anne. „Selbst gebacken!“ „Und selbst gebastelt“ meint Mama. 19 VS Rohrbach Richtig Weihnachten Katja Reider/Wolfgang Slawski Am Weihnachtsmorgen hatte es endlich geschneit. Und Harri war begeistert! Wie ein Schneepflug sauste der kleine Hase durch die glitzernde weiße Pracht. „Komm mal her, Harri!“, rief Mama Hase. „Wir haben eine Überraschung für dich: Deine Kusine Lillu kommt über Weihnachten zu Besuch. Ist das nicht wunderbar?“ „Nein“, sagte Harri. „ Ich will Weihnachten mit euch alleine feiern wie immer. Sag dieser Lillu, dass sie zu Hause bleiben soll.“ „Aber die Kleine ist doch längst unterwegs“, sagte Harris Mama. „Papa baut schon deine Schlafgrube um.“ „Was macht Papa?!“ Blitzschnell sauste Harri zu seiner Grube. Doch es war zu spät: Papa Hase hatte Harris gemütliche Kuschelgrube bereits in ein einfaches Schlaflager verwandelt. „Schau“, sagte er stolz, „jetzt haben wir genug Platz für unseren Gast.“ „Ich will aber nicht neben dieser Lillu schlafen!“ rief Harri. „Ich kenn sie ja gar nicht. Außerdem will ich meine Kuschelgrube wiederhaben!“ „Es ist doch nur über Weihnachten“, tröstete ihn Papa Hase. Harri schniefte. Weihnachten - das war es ja gerade! Jedes Jahr am Heiligen Abend stiegen Harri und sein Papa auf einen Hügel über dem Dorf. Dort oben kuschelten sie sich eng aneinander und beobachteten, wie hinter den hellen Fenstern die Weihnachtsbäume geschmückt und die Kerzen angezündet wurden. Diese Stunden gehörten ihnen ganz allein. „Also, wann gehen wir, Papa?“, drängte Harri Hase am Weihnachttag. „Tut mir leid“, sagte Papa Hase. „Ich muss Karotten und Nüsse für unseren Weihnachtskuchen besorgen. Dieses Jahr musst du mit Lillu gehen.“ „Nein!“ rief Harri und stampfte mit der Pfote. „Ich will nur mit dir gehen, Papa. Bitte!“ „Nun sei doch nicht so stur, Harri!“ sagte Papa Hase. „Schau, ich glaube, dahinten kommt unser Besuch schon. Bitte sei nett zu Lillu! Sie ist noch viel kleiner als du. Und schließlich ist Heiliger Abend.“ Aber Harri hatte schon fest beschlossen, seine Kusine unausstehlich zu finden. Nachdem sich Lillu ausgeruht, etwas gegessen und getrunken hatte, sagte Mama Hase: „So, Harri, es ist Zeit für den Weihnachtsausflug. Sei nett zu Lillu. Und wenn ihr zurückkommt, ist hier alles fertig für unser Weihnachtsfest.“ Der kleine Hase tat, als habe er nichts gehört. Aber Papa Hase schob ihn und Lillu einfach nach draußen. „Viel Spaß, ihr beiden!“ rief er und war schon wieder verschwunden. Na gut, dachte Harri wütend, diesem kleinen Hängeohr werd ich´s zeigen! Und er rannte los. „Warte doch, Harri! Warte!“, rief Lillu hinter ihm her. Aber Harri Hase lief schneller und schneller. Seine Ohren flogen im Wind. Und die Stimme hinter ihm wurde immer leiser. Nach einiger Zeit blickte sich Harri um. Lillu war nicht mehr zu sehen. „So eine lahme Ente!“, dachte Harri und wartete auf Lillu. Harri wartete und wartete, aber Lillu kam nicht. Es dämmerte schon, gleich würde es dunkel sein. Und Lillu war noch immer nicht da! Ob sie sich versteckt hatte? Harri Hase begann zu suchen hinter Büschen und Bäumen, Zäunen und Hecken. Keine Spur von Lillu! Wenn ihr etwas zugestoßen war? Harri zitterte jetzt. Und er schämte sich. Wie hatte er die kleine Kusine nur im Stich lassen können? Hier, wo sich Lillu nicht auskannte, wo sie für Fuchs und Habicht leichte Beute war! Und das am Weihnachtsabend! Harri begann bitterlich zu weinen. Oje, was hatte er getan! Doch was war das? Plötzlich schien das Schneefeld um ihn herum heller zu werden. Harri blinzelte und schaute verwundert zum Himmel. Da, hoch oben, stand ein Stern, der heller strahlte als alle Sterne, die Harri je gesehen hatte. Und dieser Stern würde ihm zeigen, wo er Lillu finden konnte. Das wusste er mit einem Mal ganz genau. Der kleine Hase sprang auf und folgte dem Licht. Harri wusste nicht, wie lange er schon gelaufen war, als er eine schwache Stimme hörte: „Hilfe! Harri, wo bist du? Harriiii!“ Er raste los, er flog über den Schnee, stolperte über seine Beine - und dann kullerte ihm ein riesiger Stein vom Herzen. Da, ganz unten am Fuß des Abhangs, saß Lillu und winkte zu ihm herauf. „Harri – endlich! Ich habe mich verlaufen und dann bin ich hier abgerutscht. Ich schaffe es nicht alleine hinauf.“ „Warte! Ich komme!“ So schnell er nur konnte kletterte Harri den steilen Hang hinunter. „Hast du dir wehgetan?“ „Nein“, flüsterte Lillu, „das nicht, aber…“ „Du hattest sicher schreckliche Angst hier unten?“, fragte Harri leise. „A-a-angst?! Ei-eieignetlich n-n-nicht“, sagte Lillu und schüttelte so energisch den Kopf, dass ihre langen Ohren hin und her flogen. „Aber können wir jetzt bitte ganz schnell nach oben klettern?“ Da nahm Harri Lillus Pfote und zog sie vorsichtig hinter sich her den Hang hinauf. „Es tut mir so leid, dass ich dich im Stich gelassen habe“, sagte er. „Bitte verzeih mir!“ „Ist schon in Ordnung“, sagte Lillu großzügig. „Und weißt du was: Das bleibt unser Weihnachtsgeheimnis!“ Harri nickte stumm und war unendlich froh. In diesem Moment begannen unten im Dorf die Glocken zu läuten. Harri zog Lillu mit sich fort. Und wenig später saßen die beiden kleinen Hasen eng aneinander gekuschelt auf dem Hügel und schauten hinunter zum Dorf. In allen Häusern sah man die Weihnachtsbäume leuchten, und die Lieder der Kinder klangen leise durch die Dunkelheit. Harri Hase schaute zum Himmel, wo jetzt Tausende von Sternen funkelten. Welcher hatte ihm den Weg zu Lillu gezeigt? „Danke, kleiner Stern“, flüsterte Harri, „wo immer du auch bist…“ „Komm Lillu, jetzt werden wir richtig Weihnachten feiern!“, rief Harri. Und sie liefen so schnell sie konnten nach Hause. 20 SPZ Der kleine Schutzengel Sieglinde Breitschwerdt Sehnsüchtig sah Emanuel zu, wie wieder viele Engel die Himmelsleiter hinabstiegen. Sie beeilten sich, wollten rechtzeitig an Ort und Stelle sein, um die Neugeborenen zu beschützen. „Ach, was würde ich dafür geben, wenn ich auch ein Schutzengel sein dürfte“, seufzte er. „Aber ich habe ja noch nicht einmal Flügel!“ „Emanuel, komm zu mir!“ rief Erzengel Gabriel. Er nahm den Kleinen an die Hand und führte ihn zur himmlischen Kleiderkammer. Weiße Gewänder, Flügelpaare und Heiligenscheine wurden dort aufbewahrt. Gabriel suchte für ihn ein passendes Gewand, Flügelchen und einen Heiligenschein aus. Er half ihm beim Anziehen, steckte die Flügelchen fest und sagte: „So mein Kleiner, jetzt bist du ein Schutzengel!“ Emanuel hüpfte vor lauter Freude im Kreis und fragte aufgeregt: „Wohin schickst du mich?“ Gabriel zeigte in die Ferne. Am Himmel leuchtete ein wunderschöner Stern mit einem langen silbernen Schweif: „Folge immer diesem Stern, solange, bis er stehen bleibt. Dort wird heute Nacht ein neuer, großer König geboren! Er wird für alle Menschen der König des Glaubens, der Liebe und der Hoffnung sein!“ Ein König, dachte Emanuel und ihm wurde ganz bange: „Braucht ein großer König nicht auch einen großen Schutzengel?“ Der Erzengel lächelte und drückte ihm sanft den Heiligenschein aufs Haupt: „Nein, nein! Ein kleiner König und ein kleiner Engel passen gut zusammen!“ Wenig später kletterte Emanuel die Himmelsleiter hinab und folgte immer dem großen Stern. Ich werde auf meinen König gut aufpassen, dachte er. Wehe, wenn ihm einer etwas tut, dann verhau‘ ich ... Erschrocken hielt er inne. Ein richtiger Engel durfte so etwas nicht einmal denken. Hin und wieder schaute er zum Himmel. Er bemerkte, daß der Stern allmählich langsamer wurde. Erstaunt blickte er sich um. Nirgends sah er einen Palast, oder wenigstens ein großes vornehmes Haus? Er kam durch ein kleines Dorf. Die meisten Häuser waren alt und verfallen, in denen nur arme Leute wohnten. Neben einem Gasthof stand ein Stall; über ihm blieb der Stern stehen. Geduldig wartete er darauf, daß der Stern weiterwandern würde. Aber nichts geschah. Oh mein Gott, durchfuhr es ihn, ich bin dem falschen Stern gefolgt! Vielleicht habe ich mich verlaufen? Ratlos setzte er sich nieder. Da fiel ihm der kleine König ein, den er beschützen sollte. Emanuel war so traurig, dass er bitterlich weinte. Plötzlich fühlte er etwas Weiches an seinem Knie. Ein Schaf rieb sein Köpfchen daran. „Warum bist du so traurig, kleiner Engel?“ fragte es. „Ich habe mich verlaufen!“ schluchzte er. „Verlaufen?“ blökte das Schaf verwundert. Er nickte. „Irgendwo wird ein neuer König geboren, und nun hat er keinen Schutzengel, weil ich den Palast nicht finden kann!“ Emanuel nahm den Zipfel seines Gewands und schneuzte sich. „Im Stall wird auch ein Kind geboren! Aber das sind sehr arme Leute!“ mähte das Schaf. „Sie kamen mit einem Esel aus einer fernen Stadt!“ Emanuel sah sich um. Er entdeckte auch keinen anderen Engel. Er streichelte dem Schaf über das Köpfchen und murmelte: „Das arme Kind. Kein Schutzengelchen weit und breit!“ „Dann beschütze doch du das Kind!“ schlug das Schaf vor. „Arme Leute haben es nicht leicht im Leben!“ Er nickte. Das Schaf hatte recht. Der kleine Engel stand auf und ging in den Stall. Ein Ochse und ein Esel lagen im Stroh. Ein älterer Mann stand neben seiner jungen Frau, die ihr Kind in die Krippe legte. Emanuel trat näher und sah sich das Neugeborene genauer an. Es war ein hübscher kleiner Junge. Plötzlich hörte er Räderknirschen, Hufgetrampel und Gewieher; dem folgten Fanfarenstöße und Herolde riefen: „Macht Platz für die Könige!“ Prunkvoll geschmückte Pferde und Kamele hielten vor dem Stall. Drei Könige in kostbare Gewänder gehüllt, mit goldenen Kronen auf ihren Häuptern, betraten den ärmlichen Raum. Sie beglückwünschten die Eltern zur Geburt ihres Kindes und überreichten Gold, Weihrauch und Myrrhe. Es waren Geschenke für das Neugeborene. Sie knieten vor der Krippe nieder und jeder König küßte dem kleinen Jungen das Händchen. Wenig später kamen Hirten. Als sie das Kind in der Krippe sahen, gaben sie ihm alles, was sie hatten: Brot und Käse, Früchte und Wein, dann knieten auch sie nieder. Ehrfurchtsvoll und staunend hatte Emanuel alles beobachtet. Sein kleiner Schützling musste schon etwas Besonderes sein, wenn Könige wie Hirten gleichermaßen vor ihm niederknieten. Er beugte sich etwas vor - und das Kind lächelte ihn an. Ich habe mich doch nicht verlaufen, dachte der kleine Schutzengel überglücklich. Ich bin auch nicht dem falschen Stern gefolgt. Er ist der neue große König, der König des Glaubens, der Liebe und der Hoffnung, und ich... ich ... ich darf ihn beschützen! 21 VS Markt Eine Wintergeschichte Max Bollinger Es war einmal ein Mann. Er besaß ein Haus, einen Ochsen, eine Kuh, einen Esel und eine Schafherde. Der Junge, der die Schafe hütete, besaß einen kleinen Hund, einen Rock aus Wolle, einen Hirtenstab und eine Hirtenlampe. Auf der Erde lag Schnee. Es war kalt, und der Junge fror. Auch der Rock aus Wolle schütze ihn nicht. „Kann ich mich in deinem Haus wärmen?“, bat der Junge den Mann. „Ich kann die Wärme nicht teilen. Das Holz ist teuer“, sagt der Mann und ließ den Jungen in der Kälte stehen. Da sah der Junge einen großen Stern am Himmel. „Was ist das für ein Stern“ dachte er. Er nahm seinen Hirtenstab, seine Hirtenlampe und machte sich auf den Weg. „Ohne den Jungen bleibe ich nicht hier“, sagte der kleine Hund und folgte seinen Spuren. „Ohne den Hund bleiben wir nicht hier“, sagten die Schafe und folgten seinen Spuren. „Ohne die Schafe bleiben wir nicht hier“, sagte der Esel und folgte ihren Spuren. „Ohne Esel bleibe ich nicht hier“, sagte die Kuh und folgte seinen Spuren. „Ohne Kuh bleibe ich nicht hier“, sagte der Ochse und folgte ihren Spuren. „Es ist auf einmal so still“, dachte der Mann, der hinter seinem Ofen saß. Er rief nach dem Jungen, aber er bekam keine Antwort. Er ging in den Stall, aber der Stall war leer. Er schaute in den Hof hinaus, aber die Schafe waren nicht mehr da. „Der Junge ist geflohen und hat alle meine Tiere gestohlen“ schrie der Mann, als er die Spuren im Schnee entdeckte. Doch kaum hatte der Mann die Verfolgung aufgenommen, fing es an zu schneien. Es schneite dicke Flocke. Sie deckten die Spuren zu. Dann erhob sich ein Sturm, kroch dem Mann unter die Kleider und biss ihn in die Haut. Bald wusste er nicht mehr, wohin er sich wenden sollte. Der Mann versank immer tiefer im Schnee. „Ich kann nicht mehr!“ stöhnte er und rief um Hilfe. Da legte sich der Sturm. Es hörte auf zu schneien, und der Mann sah einen großen Stern am Himmel. „Was ist das für ein Stern?“, dachte er. Der Stern stand über dem Stall, mitten auf dem Feld. Durch ein kleines Fenster drang das Licht einer Hirtenlampe. Der Mann ging darauf zu. Als er die Tür öffnete, fand er alle, die er gesucht hatte, die Schafe, den Esel, die Kuh, den Ochsen, den kleinen Hund und den Jungen. Sie waren um eine Krippe versammelt. „Ich bin gerettet.“, sagte der Mann. Am anderen Morgen kehrten der Mann, der Junge, die Schafe, der Esel, die Kuh, der Ochse und auch der kleine Hund wieder nach Hause zurück. Auf der Erde lag Schnee. Es war kalt. „Komm ins Haus.“, sagte der Mann zu dem Jungen, „ich habe Holz genug, Wir wollen die Wärme teilen.“ 22 VS Schoren Der Weihnachtsapfel nach Melanie Rosenmaier Lena nimmt ein Messer und schneidet den Apfel dort, wo er am dicksten ist, in zwei Hälften. Eine gibt sie Pia. Pia betrachtet den Stern in der Apfelmitte und ist beeindruckt. “Wie man Apfelsterne schneidet, habe ich von meiner Omi gelernt“, sagt Lena. „In jedem Kernhäuschenstübchen liegen zwei kleine braune Kerne,“ zeigt Lena. Pia fragt: „ Was machen Apfelkerne eigentlich in ihrem Häuschen?» Lena antwortet: „Apfelkerne träumen. Sie träumen vom Sonnenschein, dass die Sonne sie wärmt. Sie träumen vom Regen, dass die Regentropfen auf den Apfel fallen. Sie träumen vom Wind, dass er den Apfel am Zweig wiegt“, erklärt Lena ihrer Freundin. “Und was träumen die Kerne, wenn sie geerntet in den Körben liegen?“, fragt Pia. „In den Körben träumen sie von all dem, von dem sie schon immer geträumt haben!“, ruft Lena. “Nur Opa hat einen Weihnachtsapfelkorb. Darin hebt er die schönsten Äpfel auf. Vor Weihnachten werden sie dann so lange mit einem Tuch abgerieben, bis sie glänzen. Und am Weihnachtsabend schmücken sie dann den Weihnachtsbaum“, erzählt Lena. “Und was träumen die Äpfel am Weihnachtsbaum?“, will Pia wissen. „Sie träumen von der Sonne, vom Regen und vom Wind. Nur der kleinste ist ein ganz besonderer Weihnachtsapfel. Er träumt vom Christkind!“ 23 VS Gütle Die lange Reise des alten Hundes Es waren nur noch drei Tage bis Weihnachten. Familie Klocker hatte sehr viel zu tun, denn sie wollten nach Ples umziehen und Weihnachten im neuen Haus feiern. Die Katze Maja fragte: „Warum arbeiten die Menschen so viel?“ Der Hund Soja antwortete darauf: „Sie ziehen um.“ „Warum denn?“, wollte die Katze wissen. „Ich weiß es nicht“, antwortete der Hund. Dann kam Leo, der Junge, ins Zimmer und rief: „Kommt Maja und Soja, wir fahren los!“. Die Familie stieg ins Auto und die Tiere sprangen in den Kofferraum. Der Vater fuhr los. Nach zwei Stunden machten sie einen Halt, denn die Mutter musste aufs Klo. Inzwischen öffnete Leo den Kofferraum. Papa schrie: „Nein! Da sind die Tiere drinnen!“ Doch es war schon zu spät! Soja und Maja nützen die Chance, sprangen heraus und rannten in den Wald. Die Katze fragte verzweifelt: „Wo sind wir?“ „Ich weiß es nicht“, antwortete Soja. Auf einmal sah der Hund eine Lichtung und bellte: „Dort ist sie, unsere Familie!“ Maja miaute: „Komm, wir machen ein Wettrennen.“ Die beiden stürmten los. Doch plötzlich sackte Soja auf halbem Weg zusammen. Maja blieb stehen und miaute verzweifelt: „Soja, Soja, wach auf!“ Die Katze lief traurig weiter und kam sicher beim Auto an. Der Vater sah die Katze und öffnete die Tür. Leos Freude war wie weg geblasen, als er seinen Hund Soja nicht sah. Nach drei Stunden Fahrt kamen sie beim neuen Haus an. Am späten Abend kam auf einmal Soja angetrottet und Maja fragte überrascht: „Wie hast du hierher gefunden? Du bist doch tot umgefallen?“ „Hunde haben eben eine gute Nase“, meinte Soja. Zwei Tage später feierten sie ein ganz tolles Weihnachtsfest und dachten noch lange an dieses Weihnachtswunder zurück. Simon und Tom (4. Klasse) – VS Gütle 24 VS Haselstauden Eine Weihnachtsmaus sieht rot Andrea Schober Die kleine Maus Ottilie hatte ihr Mauseloch hinter einem kleinen Schränkchen im Wohnzimmer. Sie fühlte sich dort sicher, weil keiner den Eingang zu ihrem Haus sehen konnte. Doch eben wurde das kleine Schränkchen plötzlich verrückt und die kleine Maus bekam große Angst. Sie verkroch sich in die hinterste Ecke ihres Mauselochs. Zu Essen hatte sie auch genug. Sie sammelte, wenn niemand im Haus zu hören war, meistens nachts, die Reste ein, die auf dem Fußboden lagen. Das reichte für sie, so dass sie sich sogar noch einige Vorräte anlegen konnte. Nun schien sich vor ihrem Haus einiges zu verändern. Ein lautes Geräusch brummte auf und ein klapperndes Etwas wurde über den Fußboden hin und hergeschoben. „Hoffentlich entdecken sie mich nicht“, dachte Ottilie und hielt sich die Ohren zu. Nachdem der Lärm vorbei war, schaute sie vorsichtig mit einem Auge hinter der Fußleiste hervor. Sie sah wie ein Mensch einen großen Tannenbaum Richtung Mauseloch trug. Dann kam ein anderer Mensch und stellte einen Ständer an die Stelle, wo vorher das Schränkchen stand. Ottilie versteckte sich schnell wieder, hörte aber, wie die Menschen noch lange vor ihrem Haus herumwerkelten. Es wurde schon dunkel und immer noch vernahm sie Schritte, die im Zimmer hin und her liefen. „Was machen die Menschen nur?“, fragte sich Ottilie. Doch dann war endlich Ruhe. Als die Menschen nicht mehr zu hören waren, schaute Ottilie wieder aus ihrem Mauseloch. „Was war dann das? Warum stand dieser Tannenbaum plötzlich vor ihrem Haus? Sie tappste langsam hervor und lief um den Weihnachtsständer herum. Als sie unter den Tannenzweigen hervorkam, sah sie plötzlich über sich etwas Ungewöhnliches. Da der Mond etwas durchs Fenster schien, konnte sie etwas Rotes erkennen. So etwas hatte Ottilie noch nie gesehen. Es schien an den Zweigen des Baumes zu hängen, sah rund aus und glänzte im Mondenschein. Ottilie war ganz begeistert. War es ein leuchtender Apfel? Sie wusste überhaupt nicht, dass es Tannenbäume mit Äpfeln gab. Ottilie war schrecklich aufgeregt. Das Wasser lief Ottilie im Mund zusammen. Sie lief zum Ständer und versuchte den Stamm des Baumes zu finden um daran hochzuklettern. Doch der Ständer war zu hoch und zu glatt um hinauf zu gelangen. Hungrig und müde legte sich Ottilie in ihr Haus und überlegte. Dabei schlief sie ein. Am nächsten Morgen, als es schon hell wurde, war Ottilie zeitig wach. Niemand war im Haus zu hören und so beschloss Ottilie noch schnell in den Keller zu gehen und nach einem Hölzchen oder Stöckchen zu suchen, um sich einen Weg auf den Weihnachtsbaumständer zu bauen. Die Kellertür stand für gewöhnlich einen Spalt breit offen. So war es auch diesmal. Ottilie huschte durch den Spalt und lief am Rand der Kellertreppe hinab. Dann schlich sie in die Vorratskammer. Dort roch es so gut, dass Ottilie sofort wieder Hunger bekam und nach etwas Essbarem suchte. Genau der Geruch nach Äpfeln stieg ihr in die Nase, wo sie doch seit gestern Abend an nichts anderes mehr denken konnte, als an einen wundervollen rotbackigen süßen Apfel, wie der vom Tannenbaum. Sie fand tatsächlich in der Vorratskammer eine Kiste mit Äpfeln und biss sofort in den Erstbesten hinein. Köstlich war dieser Apfel. Sie knabberte und futterte. Einen halben Apfel fraß sie auf. Dann war sie mit einem Mal so satt, dass sie sich ganz müde und schläfrig fühlte. Sie dachte nur noch an ein weiches Himmelbett und wollte träumen von einem Mausehimmel. Dabei fiel ihr Blick auf das Brett eines Regals, auf dem eine schöne bunte Schachtel stand. „Diese Kiste wäre genau das Richtige“, dachte Ottilie, „ Wenn ich über das Rohr an der Wand laufe schaffe ich es bis dort oben.“ Halb schlaftrunken lief Ottilie Richtung Schachtel. Sie wollte schon hineinspringen, da staunte sie nicht schlecht. In der Kiste sah es tatsächlich so aus, als stände dort ein richtiges Himmelbett. Sie sah einen Berg mit weißem Puder, der aussah wie Schnee. Ottilie hüpfte hinauf. Die Augen fielen ihr zu und schon schlief sie ganz fest. Sie schlief so feste, dass sie gar nicht bemerkte, dass plötzlich das Licht im Keller anging und jemand die Treppe hinunterkam. Erst als Ottilies Himmelbett etwas wackelte wurde sie schlagartig wach. Sie erschrak, denn sie merkte, dass ihre Schachtel bewegt wurde und kurz darauf sah sie auch den Kopf eines Menschen, der sie zusammen mit dem Schneeberg davontrug. Sofort stürzte Ottilie sich den Schneeberg hinab und versteckte sich in einer Ecke der Schachtel. „Zum Glück hat mich noch niemand gesehen!“, dachte sie. „Wohin werde ich nun gebracht?“ Es ging die Kellertreppe hinauf und am Tannenbaum vorbei. Ottilie war ganz verwundert. Der Tannenbaum war ja gar nicht mehr ganz grün wie gestern. Es gab viele bunte Sachen an dem Baum und Lichter, die leuchteten. „Was ist hier nur los?“, ging es ihr durch den Kopf. Sie wurde mitsamt Schachtel und Schneeberg auf den Küchenschrank gestellt. Da kam auch schon jemand mit einem Messer auf sie zu. Eine Frauenstimme sagte: „Schneide den Stollen nicht in zu dünne Stücke, sonst brechen sie womöglich auseinander.“ Ottilie sprang mit einem Satz aus der Schachtel. Sie hörte, wie jemand lauthals kreischte. Dann lief sie quer durch die Küche in Richtung ihrer Wohnung. Wo sollte sie nun hin? Sie wagte einen großen Sprung auf den Weihnachtsbaumständer und lief in die Zweige der Tanne, genau zu ihrer roten Kugel die sie am Vorabend entdeckt hatte. Sie zitterte am ganzen Körper und hoffte, niemand würde sie hier zwischen Kugel und Zweigen entdecken. Doch schon bald stand die ganze Familie um den Weihnachtsbaum herum. Nur die Mutter hatte sich auf einen Stuhl geflüchtet, die die Maus Ottilie gesehen hatte. Die Kinder sagten: „Das war aber eine süße Maus, können wir die haben?“ Die Eltern meinten, dass so ein Tier nicht in die Wohnung gehört und antworteten: „Auf keinen Fall! Wir werden sie fangen und dann nach draußen bringen.“ „Aber da ist es doch so kalt“, entgegneten die Kinder, „Es hat geschneit und die Maus findet dort gar nichts zu Essen.“ Der Vater meinte: „ Sie wird sich schon etwas suchen. Andere Mäuse überleben schließlich auch draußen.“ Alle schauten sich im Wohnzimmer um und suchten die Maus. Aber keiner konnte sie sehen. „Wir stellen über Nacht eine Mausefalle auf“, sagte der Vater, „dann bekommen wir sie schon.“ Das Mädchen der Familie fand es gemein, die Maus mit einer fiesen Falle zu fangen. Vor allem war sie ja dann tot. Es hatte einen anderen Plan, den es aber niemandem verriet. Als am Heiligen Abend alle zu Bett gegangen waren, schlich das Mädchen ins Wohnzimmer und tatsächlich entdeckte sie plötzlich Ottilie im Weihnachtsbaum hinter der roten Kugel. Sie holte schnell die leere Schachtel vom Weihnachtsstollen, und legte ein Handtuch hinein. Mit einer Hand hielt sie die Schachtel unter den Baum und schnitt dann mit der Schere in der anderen Hand den Zweig vom Weihnachtsbaum samt Kugel und Maus ab. Ottilie purzelte sanft auf das Handtuch und wurde dann mit einem Deckel zugedeckt. Sie war mit ihrer roten Kugel in der Kiste gefangen. Das Mädchen sagte: „Ab nun wohnst Du bei mir.“ Sie trug die Maus hoch in ihr Zimmer. Dort gab es in der Ecke des Zimmers ein Loch im Fußboden. Das Mädchen legte zunächst Zweig und Kugel hinein, dann ließ sie Ottilie in das Loch plumpsen. „Frohe Weihnachten kleine Maus!“ sagte das Mädchen und hoffte, dass Ottilie sich bei ihr wohl fühlte. Doch Ottilie wurde nach dem Heiligen Abend nicht mehr gesehen und auch die rote Kugel war am nächsten Tag verschwunden. aries / gautier