Klinik für Hals-Nasen-Ohrenheilkunde Direktor (komm.): Prof. Dr

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Klinik für Hals-Nasen-Ohrenheilkunde Direktor (komm.): Prof. Dr
Klinik für Hals-Nasen-Ohrenheilkunde
Direktor (komm.): Prof. Dr. med. M. Canis
Klinik für Hals-Nasen-Ohrenheilkunde
Direktor (komm.): Prof. Dr. med. M. Canis
Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen,
Hörstörungen zählen in unserem Fachgebiet zu den häufigsten
Krankheitsbildern und sind angesichts der großen Zahl betroffener
Patienten und der überragenden Bedeutung des Gehörsinns für das
soziale Zusammenleben von großer Relevanz.
Aus diesem Grund haben wir die aktuelle Ausgabe unseres Newsletters
thematisch der Rehabilitation von Hörstörungen gewidmet. Insbesondere
möchten wir Sie über Neuerungen auf dem Gebiet der
Knochenleitungshörgeräte sowie der implantierbaren Hörsysteme und des
Cochlea-Implantates informieren.
Zur Zeit werden zu dem Thema Hörstörungen und Tinnitus auch einige
Studien in unserer Klinik durchgeführt, die ich Ihnen ebenfalls vorstellen möchte.
Neben den fachlichen Informationen möchte ich Sie über einige Neuerungen in der HNO-Klinik der
Universitätsmedizin Göttingen informieren. Zusätzlich zur medizinischen Versorgung nach neuesten
wissenschaftlichen Erkenntnissen haben wir einen hohen Anspruch an die ganzheitliche persönliche
und individuelle ärztliche Betreuung unserer Patienten. Hierzu haben wir unser Team auf Oberarztund Assistenten-Ebene verstärkt.
Weitere wichtige Ereignisse und Entwicklungen haben wir Ihnen im aktuellen Newsletter übersichtlich
zusammengestellt.
Ich wünsche Ihnen eine anregende und spannende Lektüre.
Ihr Professor Dr. Martin Canis
HNOtiz – Ausgabe 2 – 07/2014
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Direktor (komm.): Prof. Dr. med. M. Canis
Wir freuen uns über personellen Zuwachs in unserer Abteilung
und möchten Ihnen hiermit vier neue Kollegen vorstellen
Dr. med. Christian Welz
Oberarzt
Herr Welz ist seit Mai neuer Oberarzt an unserer Klinik. Er absolvierte sein
Studium an der LMU-München und war bis zuletzt als Facharzt am Klinikum der
Universität München Großhadern tätig. Klinisch liegt sein Schwerpunkt in der
Onkologie sowie der rekonstruktiven Chirurgie mit freien mikrovaskulären und
gestielten Gewebetransplantaten. Durch die Übernahme der Tumorsprechstunde
wird Herr Welz noch besser auf die speziellen Anforderungen sowohl in der
Behandlung als auch in der Vor- bzw. Nachsorge unserer Tumorpatienten
eingehen. Wissenschaftlich beschäftigt er sich mit der Karzinogenese und der
Therapie von Kopf-Hals-Karzinomen, sowie der Infektiologie im Fachgebiet. Im speziellen werden von
ihm die Wirksamkeit und Anwendungsmöglichkeiten der kalten atmosphärischen Plasmatechnologie
in der HNO untersucht.
Dr. med. Matthias Weidenmüller
Assistenzarzt
Herr Weidenmüller begann seine ärztliche Tätigkeit 2010 im Krankenhaus NeuBethlehem als Assistenzarzt in der allgemein- und gefäßchirurgischen
Belegarztpraxis Dres. Loweg und Kollegen. Daran schloss sich eine dreijährige
Weiterbildung als Assistenzarzt in der HNO-Klinik am städtischen Klinikum
Kassel (Gesundheit Nordhessen Holding) unter Frau Prof. Dr. med. U. Bockmühl
an. Im Rahmen seiner Dissertation beschäftigte sich Herr Weidenmüller mit dem
Thema „kathodale transkranielle Gleichstromstimulation bei Gitarristen mit
fokaler Dystonie“. Dies war eine Zusammenarbeit aus der hiesigen Abteilung für
klinische Neurophysiologie (Prof. Dr. med. W. Paulus) und dem Institut für Musikphysiologie und Musikermedizin (Prof. Dr. med. E. Altenmüller) der Hochschule für Musik und Theater Hannover. Seit
Juni 2014 bereichert er das Team der Phoniatrie und Pädaudiologie.
Dr. Iliya Botev
Assistenzarzt
Herr Botev ist seit Mai 2014 Mitglied des HNO-Teams. Sein Studium absolvierte
er an der Universität in Sofia, Bulgarien, und begann dort 2007 seine Laufbahn
als Assistenzarzt und Doktorand. Sein wissenschaftlicher Schwerpunkt liegt im
Bereich der Immunologie der Tonsillen. Im Fokus seines klinischen Interesses
stehen die schlafbezogene Atmungsstörung sowie die Behandlung von
Tumorerkrankungen im HNO-Bereich.
Julica Luger
Assistenzärztin
Frau Luger ist seit Juli 2014 unsere neueste Assistenzärztin. Zunächst begann
sie ihr Medizinstudium in Szeged, Ungarn, und wechselte nach dem ersten
Staatsexamen an die Medizinische Fakultät Mannheim der Universität Heidelberg. Im Dezember 2013 beendete sie erfolgreich ihr Studium mit dem Zweiten
Staatsexamen. Frau Luger freut sich auf die lehrreiche und interessante Tätigkeit
in der HNO-Heilkunde.
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Die Phoniatrie und Pädaudiologie hat neue Gesichter
Im Sekretariat nimmt nun Frau Carola Wallmann Ihre Anmeldungen entgegen. Das Telefon ist hierfür
unverändert von 08:00 bis 12:30 Uhr und 14:00 bis 15:30 Uhr (Freitag bis 14:30 Uhr) unter der Nummer 0551 39-22811 besetzt.
Frau Daniela Raschke verstärkt seit kurzem unser Logopädinnen-Team.
Seit Mai 2014 ist Herr Dr. med. Matthias Weidenmüller unser neuer ärztlicher Mitarbeiter.
Wir sind weiterhin für Ihre großen und kleinen Patienten mit Schluck-, Sprech-, Sprach- und Stimmstörungen zur erweiterten Diagnostik sowohl im Rahmen der ambulanten als auch der stationären Versorgung zuständig.
Gleiches gilt für Kinder mit Hörstörungen. Aufgrund der Entwicklungen in unserer HNO-Klinik hat sich
hier in den letzten Jahren das Versorgungsspektrum von Hörgeräten um das Cochlea Implantat und
alle anderen implantierbaren Systeme (BAHA, Mittelohrimplantate) erweitert.
Die Erweiterung und Spezialisierung der Diagnostiken und Versorgungen hat die Einrichtung von
Spezialsprechstunden sinnvoll gemacht:
Mittwoch: Dysphagie-Sprechstunde inklusive endoskopischer Schluckdiagnostik (FEES)
Donnerstag: Prämedikations-Sprechstunde (Phonochirurgie, Narkose-BERA)
Freitag: Audiologisch-pädaudiologische Sprechstunde für apparative Versorgungen und Überprüfungen (Hörgeräte, Implantate).
Besonders wichtig ist uns eine patientenorientierte Terminplanung, telefonische Erreichbarkeit und
eine Minimierung der Wartezeiten. Für Anregungen und Fragen stehen wir jederzeit zur Verfügung.
PD Dr. med. Arno Olthoff
Leiter der Phoniatrie und Pädaudiologie
Rehabilitation von Hörstörungen
Versorgung mit
knochenverankerten Hörgeräten
Knochenleitungshörgeräte ermöglichen eine
Hörgeräteversorgung unabhängig vom Schallleitungsapparat. Anders als konventionelle
Hörgeräte geben sie ihr Signal nicht über einen Lautsprecher in den Gehörgang ab, sondern wandeln dieses in Schwingungen um, die
auf den Schädel des Patienten übertragen
werden. Hier erreichen sie in Form von Körperschall die Cochlea. Für eine gute Übertragung ist entweder ein möglichst hoher Anpressdruck des Knochenleitungshörgerätes an
den Schädel (über ein Stirnband, einen Kopfbügel bzw. eine spezielle Brille) oder eine diHNOtiz – Ausgabe 2 – 07/2014
rekte Ankopplung an die Kalotte durch Verwendung eines implantierten Knochenankers
(bone anchered hearing aid, BAHA, Fa.
Cochlear
und
Oticon
Medical)
oder
Implantation des Schwingers selber in das
Mastoid (Bonebridge, Fa. MED-EL) notwendig.
Während Knochenleitungshörgeräte per Stirnband, Kopfbügel oder Knochenleitungsbrille
ohne Operation verwendet und auch getestet
werden können, ist beim BAHA und der Bonebridge zuvor ein kleiner operativer Eingriff erforderlich. Hierdurch erhöht sich jedoch nicht
nur der Tragekomfort sondern vor allem die
Qualität der Übertragung und somit das audiologische Ergebnis.
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BAHAs wurden seit der ersten Versorgung im
Jahr 1977 weltweit tausendfach erfolgreich
eingesetzt. Seit 2001 können Kleinkinder ihren
Prozessor über ein elastisches Stirnband tragen, bevor sie im Vorschulalter implantiert
werden und seit 2002 sind BAHAs in den USA
zur Versorgung bei einseitiger Ertaubung zugelassen. In den vergangenen Jahren hat eine
rasche Entwicklung sowohl bei den BAHAAudioprozessoren als auch bei den TitanImplantaten und der OP-Technik stattgefunden. Durch eine Hydroxylapatit-Beschichtung
der Schnappkupplung kann bei der BAHAChirurgie seit kurzem auf eine Resektion von
subkutanem Gewebe und auf die Durchführung einer Spalthautplastik verzichtet werden,
so dass die Implantation in der Regel in örtlicher Betäubung und in weniger als 30 Minuten
durchgeführt werden kann. Neuerdings steht in
Form des BAHA-Attract-Systems auch ein
Magnet-verankertes BAHA zur Verfügung. Hier
wird auf dem herkömmlichen Titan-Implantat
keine Schnappkupplung, sondern eine magnetische Platte befestigt und die Haut darüber
verschlossen. Als Gegenstück kommt auch am
BAHA-Prozessor eine Magnetplatte zur Anwendung.
Bei der 2012 eingeführten Bonebridge (Fa.
MED-EL) handelt es sich um ein aktives Knochenleitungs-Implantatsystem. Hier wird, von
außen unsichtbar, der Schwinger selber über
zwei Schrauben im Mastoid verankert. Sowohl
das Signal als auch die notwendige Energie
werden drahtlos über eine Spule vom äußeren
Prozessor auf das Implantat übertragen. Eine
Verwendung des Systems ist bereits mit Abschluss der Wundheilung ca. 14 Tage nach
dem Eingriff möglich. Seit 2014 ist die Bonebridge auch für Kinder ab fünf Jahren zugelassen.
A Bridge Over Troubled Hearing
– Vibrant Soundbridge und
Bonebridge im Vergleich
Seit nunmehr rund 2 Jahren ist die Bonebridge
für unsere schwerhörigen Patientinnen und
Patienten verfügbar: ein neuartiges teilimplantierbares Knochenleitungs-Hörimplantat, bei
dem die Vibrationen durch einen in das
Mastoid eingebetteten Floating Mass Transducer erzeugt werden. Das System ähnelt der
schon seit 2003 von MED-EL vertriebenen
Vibrant Soundbridge (VSB), bei der ein erheblich kleinerer Floating Mass Transducer im
Mittelohr befestigt wird – entweder klassisch
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In unserer Klinik erfolgt eine routinemäßige
Versorgung mit knochenverankerten Hörgeräten sowohl in Form der Bonebridge als auch in
Form des BAHAs. Je nach Form und Ausmaß
der vorliegenden Hörstörung sowie der
zugrundeliegenden Erkrankung kann für jeden
Patienten eine individuelle Versorgung ermöglicht werden. Dabei erfolgt im Rahmen eines
ausführlichen Beratungsgespräches die Demonstration der verschiedenen Systeme anhand von Mustern und Demo-Geräten. Weiterhin ist vor der Entscheidung für eine entsprechende Versorgung eine mehrtägige Trageprobe eines BAHAs mit Kopfbügel oder Stirnband in der häuslichen Umgebung und am
Arbeitsplatz vorgesehen. Zur Anwendung
kommen neben der Bonebridge (Fa. MED-EL)
BAHA-Implantate der neuesten Generation
(Fa. Cochlear und Fa. Oticon-Medical) mit den
entsprechenden Prozessoren BAHA 4, BP 110
und Cordelle (Fa. Cochlear) sowie Ponto Pro
und Ponto Pro Power (Fa. Oticon-Medical).
Sowohl die Bonebridge als auch das magnetgetragene BAHA-Attract sind für einen Knochenleitungshörverlust bis ca. 45 dB und 30
dB respektive geeignet. Bei Verwendung der
klassischen BAHA-Schnappkupplung ist eine
Versorgung je nach verwendetem BAHAProzessor bis zu einem Knochenleitungshörverlust von 45 dB, 55 dB oder sogar 65 dB
möglich. Typische Indikationen zur Versorgung
mit einem Knochenleitungshörgerät sind die
Gehörgangsatresie oder hochgradige Gehörgangsstenose, die chronische Otitis externa,
chronisch-sezernierende Radikalhöhlen und
Mittelohrfehlbildungen sowie als CROSVersorgung die einseitige Ertaubung.
am langen Ambossschenkel oder als „Vibroplasty“ im runden Fenster. Während also die
Bonebridge im Grunde wie ein klassisches
Knochenleitungs-Hörgerät die Schwingungen
auf den gesamten Schädel überträgt werden
die Vibrationen der VSB nur auf die Ossikelkette bzw. direkt auf das Innenohr übertragen.
Hieraus ergeben sich Vorteile für die VSB im
Indikationsspektrum, denn es kann zusätzlich
auch eine leicht- bis mittelgradige Schallempfindungsschwerhörigkeit
insbesondere
im
Hochtonbereich ausgeglichen werden. So
haben wir beispielsweise gute Erfahrungen bei
den schwierig zu rehabilitierenden Patienten
mit kombinierter Schwerhörigkeit bei chronisch
epitympanaler Otitis media, bei denen eine
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konventionelle Hörgeräteversorgung aufgrund
rezidivierender Radikalhöhleninfektionen oft
nicht erfolgreich ist (Ihler et al., Laryngoscope
2014).
Hingegen ist die Bonebridge aufgrund der
Ankopplung an den Schädelknochen auch für
eine CROS-Versorgung bei einseitiger Taubheit geeignet als Alternative zur konventionellen
CROS-Versorgung
oder
CochleaImplantation. Weiterhin bietet die Bonebridge
den Vorteil, dass sie bis 1,5 Tesla MRTtauglich ist, während bei Trägern einer VSB
MRTs generell kontraindiziert sind.
Beide Systeme arbeiten mit dem gleichen
Sprachprozessor (Amadé), der durch Magnetkraft über dem Implantat hinter dem Ohr gehalten wird und die Signale perkutan überträgt. Im
überlappenden Indikationsbereich der Schallleitungsschwerhörigkeiten bis maximal 45 dB
pantonal sind nach unseren Erfahrungen die
audiologischen Ergebnisse und die Patientenzufriedenheit vergleichbar. (Volbers et al., unpubliziert). Hier muss bei der Auswahl des
Gerätes vor allem die größere Leistungsreserve des VSB gegen die MRT-Tauglichkeit und
geringere Komplikationsrate bei der Bonebridge abgewogen werden.
Übrigens: die Firma Cochlear schläft auch
nicht und hat mit dem BAHA Attact eine neue
Variante des bekannten Knochenleitungshörsystems auf den Markt gebracht, welches an
Stelle der transkutanen Schraube eine Übertragung durch einen Magneten verwendet.
Neues aus dem CI-Programm
Seit Beginn des CI-Programms im Jahr 2008
die Zahl der Implantationen pro Jahr kontinuierlich gestiegen und liegt derzeit bei etwa 30.
Damit haben wir die „kritische Masse“ erreicht,
die den technischen und logistischen Aufwand
rechtfertigt, um neben den Implantaten des
Herstellers MED-EL auch Geräte eines zweiten Herstellers (Fa. Cochlear) zu implantieren.
Dies ermöglicht es, die CI-Versorgung noch
individueller auf die speziellen Anforderungen
des Patienten abzustimmen und so einen optimalen Rehabilitationserfolg zu erzielen.
Die Zunahme in der Zahl der Patienten, die in
unserer Klinik ein CI erhalten haben, gründet
sich zu einem guten Teil auch auf der Erweiterung der Indikationen für eine entsprechende
Versorgung. Paradebeispiel hierfür ist die Ver-
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Abb. 1: Indikationsbereiche für Bonebridge
(rot) und VSB (blau) als KnochenleitungsHörschwellen (Quelle: MED-EL)
Abb. 2: Bonebridge, VSB und Amadé Sprachprozessor (Quelle: MED-EL)
sorgung der einseitigen Ertaubung (singlesided deafness, SSD). Eine SSD tritt in den
meisten Fällen als postlingual erworbener Hörverlust – beispielsweise nach Hörsturz oder
Trauma – auf. Betroffene Patienten beklagen
insbesondere einen Verlust des Richtungshörens und einen Verlust von Sprachdiskrimination unter schwierigen Hörbedingungen (Störschall). Außerdem kann die fehlende Ansprechbarkeit von der ertaubten Seite nicht nur
im Beruf zu einem ernsthaften Problem werden. Nicht wenige Patienten fühlen sich darüber hinaus von einem lauten Tinnitus auf der
betroffenen Seite erheblich in ihrer Lebensqualität eingeschränkt.
Die CROS (contralateral routing of signal)Versorgung stellte bisher den Standard in der
Behandlung einseitig ertaubter Patienten dar.
Ziel dabei ist es, die Schallsignale von der
ertaubten Seite auf die kontralaterale, gesunde
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Seite überzuleiten. Technisch kann dies als
konventionelle Lösung mit Übertragung via
Kabel oder Funk realisiert werden. Ist die erhaltene Seite außerdem von einem Hörverlust
betroffen, bietet es sich an, die CROSÜbertragung mit einem entsprechenden Verstärker auf der Zielseite (sog. Bi-CROS) anzulegen. Alternative Möglichkeiten einer CROSVersorung lassen sich darüber hinaus mit einer knochenverankerten Technik (z.B. BAHA
oder Bonebridge) etablieren.
Es hat sich gezeigt, dass von einer CROSVersorgung vor allem Patienten profitieren, die
auf eine gute Ansprechbarkeit von allen Seiten
angewiesen sind (z.B. Taxifahrer, Mitarbeiter
im Verkauf etc.). Die Ergebnisse bezüglich des
Hörgewinns im Störschall sind jedoch uneinheitlich. Hier kann die Situation eintreten, dass
bei einer ungünstigen Konstellation von Störund Nutzschallquelle das Sprachverstehen mit
einer CROS-Versorgung abnimmt. Auch das
Richtungshören wird mit einer CROS-Lösung
nicht wesentlich verbessert. Praktisch keinen
Einfluss hat eine CROS-Versorgung auf einen
chronischen Tinnitus der ertaubten Seite.
Van de Heyning und Kollegen stellten 2008
erstmals Patienten mit einseitiger Ertaubung
vor, deren betroffene Seite sie – bei normalen
Hörvermögen der kontralateralen Seite – mit
einem CI versorgt hatten. Primäres Ziel war es
dabei, über die elektrische Stimulation des
Hörnervs den chronischen Tinnitus dieser Patienten zu bessern. Nach ersten ermutigenden
Ergebnissen sind in den letzten Jahren eine
ganze Reihe von Studien zur CI-Versorgung
bei Patienten mit SSD publiziert worden (Metaanalyse in Vlastarakos et al., 2013).
In der Summe kann man bereits jetzt davon
ausgehen, dass das CI bei denjenigen Patienten mit SSD, bei denen chronische Tinnitusbeschwerden und Defizite im räumlichen Hören im Vordergrund stehen, die überlegene
Versorgungsmöglichkeit darstellt.
In den Veröffentlichungen zu diesem Thema
wird oft die Problematik der Kostenübernahme
durch die gesetzlichen Krankenkassen angesprochen. Hier sind Anträge auf Kostenübernahme vom MDK teilweise mit fadenscheinigen Begründungen abgelehnt worden, so dass
die betroffenen Patienten eine Versorgung auf
dem Rechtsweg erstreiten mussten. Erfreulicherweise haben die Sozialgerichte jedoch in
der überwiegenden Mehrzahl der Fälle im Sinne des Patienten entschieden.
Wir sind an unserer Klinik in der glücklichen
Situation, die Kostenübernahme einer CIImplantation nicht für jeden Einzelfall durch die
Krankenkassen genehmigen lassen zu müssen. So konnten wir bei entsprechender Indikation einige Implantationen bei Patienten mit
einseitiger Ertaubung durchführen. Als erstes
Fazit sehen wir die positiven Ergebnisse bezüglich des Hörens im Störschall, des Richtungshörens und der Besserung eines chronischen Tinnitus bestätigt. Allerdings benötigen
die Patienten eine längere Trainingsphase bis
das CI wirklich als „nützlich“ empfunden wird
und der zunächst ungewohnte Klangeindruck
akzeptiert wird. Entscheidend ist daher, Patienten mit einer entsprechenden Indikation vor
Implantation eine realistische Erwartungshaltung zu vermitteln.
Referenzen
Übereinstimmend wird dabei über positive
Effekte auf den ertaubungsbedingten chronischen Tinnitus berichtet. Ebenso können eine
Verbesserung des räumlichen Hörens und des
Sprachverständnisses im Störschall nachgewiesen werden. Auf der anderen Seite bewerten viele Patienten mit einem CI bei einseitiger
Ertaubung die Klangqualität als unzureichend.
Van de Heyning P, Vermeire K, Diebl M et al.: Incapacitating unilateral tinnitus in single- sided deafness treated by
cochlear implan- tation. Ann Otol Rhinol Laryngol 2008;
117: 645–652
Entwicklung einer Trainings-CD
zur Verbesserung des Sprachverständnisses am Telefon bei
Patienten mit Cochlea Implantat
hörigen Patienten mit einem Cochlea Implantat. Die Indikation für eine Cochlea Implantation besteht für Erwachsene bei Vorliegen einer
beiderseitigen Innenohrtaubheit oder bei einer
hochgradigen Schwerhörigkeit, die nur ein
maximales Sprachverständnis mit Hörgerät
von 30-40% im standardisierten Einsilbertest
zulässt.
Das Wiedererlangen einer alltagstauglichen
Kommunikationsfähigkeit ist das Ziel der Versorgung von tauben und hochgradig schwerHNOtiz – Ausgabe 2 – 07/2014
Vlastarakos PV, Nazos K, Tavoulari EF, Nikolopoulos TP:
Cochlear implantation for single-sided deafness: the outcomes. An evidence-based approach. Eur Arch Otorhinolaryngol. 2014 Aug;271(8):2119-26
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Die Erfolgsaussichten sind umso besser, je
kürzer die Phase zwischen vollständiger Ertaubung und Implantation war. Daneben hängt
der Erfolg der Hörrehabilitation mit einem
Cochlea Implantat sehr von der individuellen
Möglichkeit und Motivation ab, sich an die
neuen Sinneseindrücke nach Cochlea Implantation zu gewöhnen und das Hören neu zu
trainieren. Eine große Bedeutung kommt einer
umfassenden Hörrehabilitation nach der Implantation zu. Dazu benötigen die Patienten
Geduld – es kann von einigen Monaten bis hin
zu mehreren Jahren dauern, bis sich ein befriedigendes Sprachverständnis einstellt. Zur
Unterstützung der Rehabilitation und für das
eigenständige Üben zu Hause hat die Heidelberger
Universitäts-Hals-Nasen-Ohrenklinik
zusammen mit der Firma MED-EL eine CITrainings-CD herausgegeben: Das Übungsprogramm wird von geübten Sprechern in verschiedenen Schwierigkeitsgraden vorgetragen
und ist speziell auf die Bedürfnisse von CITrägern zugeschnitten.
Wieder telefonieren zu können ist ein häufiger
Wunsch von Patienten nach CochleaImplantation, jedoch ist diese Form der Kommunikation besonders schwierig. Viele Menschen mit Hörstörungen trauen sich das telefonieren nicht mehr zu, weil sie oft schon negative Erfahrungen mit der Sprachverständlichkeit gemacht haben. Selbst moderne Telefonanlagen haben ein sehr eingeschränktes
Frequenzspektrum von 500 Hz bis 2 kHz. Die
Grundtöne der männlichen und der weiblichen
Stimme liegt jedoch bei 125 Hz und 250 Hz.
Da das Sprechen am Telefon auch häufig zu
Klinische Multicenterstudie zur
Behandlung
des
peripheren
Tinnitus nach einer traumatischen cochleären Schädigung
oder Otitis media
Langanhaltendes Tinnitusempfinden ist für
Patienten häufig mit einem erheblichen Leidensdruck verbunden. Die Therapie gestaltet
sich nicht nur bei der meist vorliegenden idiopathischen Form schwierig, auch die Behandlung von Tinnitus als Folge eines cochleären
Traumas oder einer Otitis media verläuft für
Patienten wie Ärzte häufig frustran. Eine etablierte medikamentöse Therapie bei chronischem Tinnitusempfinden existiert bisher nicht.
Die Gabe von Glukokortikoiden zeitnah nach
Auftreten des Symptoms ist wie auch bei der
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schnell und schlecht artikuliert ist, ist die fernmündliche Sprachverständlichkeit von CITrägern meist sehr einschränkt.
Ziel einer neuen Studie an der Hals-NasenOhrenklinik der Universitätsmedizin Göttingen
ist es nun, ein neuartiges Hörtraining zur Verbesserung der fernmündlichen Sprachverständlichkeit bei Patienten mit einem Cochlea
Implantat zu entwickeln und klinisch zu implementieren. Dies soll mittels einer entsprechend
dem Frequenzgang heutiger Telefonanalagen
gefilterten
Heidelberger
CI-Trainings-CD
durchgeführt werden. Der Trainingserfolg wird
mittels des ebenfalls gefilterten Oldenburger
Satztestes überprüft.
Es handelt sich um eine offene, prospektive
klinische Prüfung an voraussichtlich 58 Patienten mit einem Cochlea Implantat. Die Studie
läuft bereits seit einem Jahr. Die Patienten
werden zufällig in zwei Gruppen aufgeteilt die
das Hören mit zwei Versionen der Heidelberger Hörtrainings-CD trainieren. Die CDs sind
jeweils verblindet. Nach einem Trainingszeitraum von 4 Wochen wird bei allen Probanden
eine erneute Hörtestung mittels des gefilterten
Oldenburger-Satztests durchgeführt.
Wir hoffen mit dieser Studie nachweisen zu
können, dass diese spezielle Form des Hörtrainings den Patienten hilft mit dem Telefonieren besser zurecht zu kommen. In Zukunft
wäre anschließend eine besondere Form der
Hörtrainings-CD denkbar die speziell auf das
Sprachverständnis am Telefon zugeschnitten
ist.
Behandlung des Hörsturzes lediglich als Behandlungsversuch zu werten, der tatsächliche
Nutzen wird trotz der weltweiten Anwendung in
Metanalysen als noch unklar eingeschätzt
(Wei et al. Cochrane Database Syst Rev.
2006; Conlin et al. Arch Otolaryngol Head
Neck Surg. 2007). Diese Situation unterstreicht
die Notwenigkeit neuer Therapieansätze.
Mit der Beteiligung an einer Multicenterstudie
zur Behandlung von Tinnitus nach einem cochleären Trauma oder einer Otitis media mit
Esketaminhydrochlorid-Gel (AM-101) haben
wir jetzt die Möglichkeit unseren Patienten eine
aussichtsreiche Alternativtherapie anzubieten.
Denn bereits in einer Phase-II-Studie wurde
die Wirksamkeit und Sicherheit dieser Therapieoption
nachgewiesen.
Patienten
mit
persistierendem subjektivem periphererem
Tinnitus (unilateral oder bilateral) als Folge
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einer traumatischen cochleären Schädigung
(akutes akustisches Trauma, Knalltrauma,
Mittelohroperation, Barotrauma des Innenohrs,
Trommelfelltrauma) oder einer Otitis media
können in die Studie eingeschlossen werden.
Dabei können sowohl Patienten mit akutem
Tinnitusempfinden (Beginn vor weniger als drei
Monaten) sowie einer chronischen Erkrankung
(drei bis zwölf Monate nach auslösendem Ereignis) im Rahmen der Studie behandelt werden. Die gelartige Prüfsubstanz wird hierbei
insgesamt dreimal mittels intratympanaler Injektion verabreicht um ihre Wirkung nach Diffusion in die Cochlea unmittelbar am Ort des
Geschehens entfalten zu können.
Die Studie ist nach höchsten Standards des
Studiendesigns entworfen. Als randomisierte,
multizentrische, doppelblinde, placebokontrollierte Parallelgruppenstudie der Phase III zur
Beurteilung der Wirksamkeit und Sicherheit
von Esketaminhydrochlorid-Gel (AM-101) ist
es daher möglich, dass Patienten initial nicht
mit der Prüfsubstanz sondern einem Placebo
behandelt werden. Sofern bestimmte Voraussetzungen jedoch erfüllt sind, können alle Studienteilnehmer nach Abschluss der Studie an
einer Folgestudie teilnehmen, in der sie dann
auf jeden Fall AM-101 erhalten werden.
Im Rahmen eines ausführlichen Gesprächs
werden unsere Patienten vor Beginn der Behandlung über die Erkrankung und die Einzel-
heiten der Studie aufgeklärt. Zur Erfassung der
subjektiven Ausprägung ihrer Erkrankung erfolgt in einer Screeningphase von zwei Wochen Dauer regelmäßig ein strukturiertes Interview, das die Patienten bequem von zuhause aus mithilfe eines zur Verfügung gestellten
Smartphones erledigen können. Im Anschluss
folgt die ambulant durchgeführte Behandlungsphase mit 3 intratympanalen Injektionen
innerhalb von 5 Tagen. Zu jeder Zeit werden
die Patienten sorgfältig untersucht. In einer
Nachbeobachtungsphase kommen die Patienten noch insgesamt dreimal zu Kontrolluntersuchungen. Die Betreuung erfolgt zu individuell eingerichteten Sprechzeiten stets durch
einen Prüfarzt unseres Zentrums für Klinische
Studien (CSC). Unsere Patienten haben zu
jeder Zeit einen direkten Ansprechpartner,
sodass bisher ausschließlich sehr positive
Rückmeldungen zu Behandlungen im Rahmen
von klinischen Studien geäußert wurden.
Weitere Informationen zur klinischen Studie
erhalten unsere Patienten auch online unter
http://www.tinnitus-study.info. Darüber hinaus
können betroffene Patienten direkt an uns
überwiesen werden. Eine Anmeldung hierzu ist
u. a. über unser Oberarztelefon möglich. Gerne besprechen wir mit den Patienten in einer
ersten telefonischen Kontaktaufnahme noch
vor der Anreise die ersten aufkommenden
Fragen.
Impressum:
Herausgeber:
Klinik für Hals-Nasen-Ohrenheilkunde
Universitätsmedizin Göttingen
Robert-Koch-Str. 40
D-37075 Göttingen
Briefpost: 37099 Göttingen
Telefon: +49 551 39 22801/ 22809
[email protected]
www.hno.med.uni-goettingen.de
HNOtiz – Ausgabe 2 – 07/2014
Autoren:
Prof. Dr. med. Martin Canis
Dr. med. Lisa Groß
PD Dr. med. Arno Olthoff
PD Dr. med. Alexander Meyer
Dr. med. Bernhard Weiß
Dr. med. Fritz Ihler
Dr. med. Nicola Strenzke
Dr. med. Andreas Brandt
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