Echt amüsant: TV-Klassiker auf DVD

Transcrição

Echt amüsant: TV-Klassiker auf DVD
24
Berliner Zeitung · Nummer 80 · 6./7. April 2013
·· · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · ··
BerlinBerlin
Der goldene Schuss
0 UHR 30
Thilo Wiebers und Andreas Böttger organisieren Fototouren zu verlassenen Orten in Berlin und Brandenburg
V ON A NDRÉ T UCIC
F
Abini Zöllner lernte nachts
seltsame Nazis kennen.
Und was ist mit
den Vorurteilen?
V
orurteile sind auch nicht mehr
das, was sie mal waren.
Ich war mal mit einem NPD-Mitglied in einer Talkshow, es ging um
Rechtsextremismus. Nach der Sendung diskutierten wir beide noch
sehr, sehr lange. Aber womit könnte
mich ein Rechter überraschen?
Plötzlich, es war weit nach Mitternacht, bot mir der NPDler an,
mich nach Hause zu bringen: Damit
mir „nichts passiert“. Ja doch, damit
kann mich ein Rechter überraschen.
Ich hatte meine klarenVorurteile.
Aber: Was war mit seinen?
Im echten Leben begegne ich
Nazis nicht so oft. In der virtuellen
Welt ist das anders. Zum Beispiel in
den sogenannten „sozialen“ Netzwerken. Ich finde die zuweilen
eher„asozial“. Aber, weil ich eine gut
erzogene Mutter bin, und weil mir
meine Tochter in einem dieser Netzwerke eine Seite gebaut hatte, war
ich dort mal unterwegs. Vorsichtig.
Meine Tochter war weniger vorsichtig. Sie drückte mal aus Versehen eine Freundschaftsanfrage – bei
einem Rechten. Erst hat sie sich erschrocken, dann hat sie sich
schwarz geärgert (Achtung: Ironie!).
Und der kleine Nazi? Hat die Anfrage vom dunkelhäutigen Mädchen flink angenommen (keine Ironie!). Hat der gar keine Vorurteile?
Komisch, dieses Internet.
Eines Tages erhielt ich selbst auf
meiner Profilseite Freundschaftsanfragen von zwei sehr kurzhaarigen,
unübersehbar begeisterten LeniRiefenstahl-Fans. Zuerst dachte ich:
Suspekt! Zwei kleine Nazis wollen
was von mir! Deren Bewährungshelfer sind vermutlich noch nicht
mal geboren! Ich antwortete nicht.
Aber sie blieben hartnäckig und luden mich zu einem Konzert ein: mit
Little Annie in die Volksbühne. Das
klang eigentlich sympathisch.
Das Leben ist keine Generalprobe, also traf ich mich mit ihnen.
Es war eine lange Nacht und ich erlebte eine Offenbarung. Sie waren
das Gegenteil von rechtsextrem.
Längst sind wir echte Freunde. Und:
Was ist mit meinen Vorurteilen?
Schon gut: Ich möchte selbst
nicht nach dem Äußeren beurteilt
werden und werde nie wieder andere nach ihrem Äußeren beurteilen.
Und Nazis? Werde ich nie wieder
wegen bloßer Vorurteile ablehnen –
aber stets aus purer Überzeugung.
rierend stehen 26 Leute auf einem Parkplatz am Bogensee. Sie
sind ausgestattet mit Fotokameras,
Objektiven, externen Blitzen und
Lichtspiegeln. Ihr Ziel sind die verlassenen Gebäude der früheren
FDJ-Jugendhochschule
Wilhelm
Pieck zwischen Wandlitz und Lanke.
Eigentlich ist das Betreten illegal,
nur an diesem Sonntagvormittag
nicht. Denn Thilo Wiebers (37) und
Andreas Böttger (37) bieten Fototouren zu Orten, die man sonst eigentlich nicht betreten darf. Die zuvor genehmigten Touren führen
unter anderem zur Infanterieschule
und der Heeresbäckerei in Wünsdorf, den Beelitzer Heilstätten oder
dem Fleischwaren- und Feinkostwerk der Konsum Genossenschaft
Lichtenberg. Go2know nennen die
beiden ihre Geschäftsidee, die sie
seit 2010 in die Tat umsetzen.
Pompöser stalinistischer Baustil
Die Macher begrüßen die Teilnehmer, gehen mit ihnen auf das verlassene Gelände der FDJ-Jugendhochschule und teilen sie in zwei Gruppen ein. Das Alleinsein ist ein entscheidender Aspekt auf den
Fototouren. „Die Teilnehmer sollen
in Ruhe herumstreifen und die Atmosphäre aufsaugen können“, sagt
Andreas Böttger und schaut den
Atemwölkchen hinterher, die er
beim Reden produziert. Hinter ihm
taucht Dagmar Adam (53) aus Reinickendorf auf. Sie nimmt mit ihrer
Freundin Monika Twardon (49) aus
Wedding zum vierten Mal an einer
solchen Tour an verlassene Orte teil.
„Die Touren führen immer zu tollen Ruinen, die ich selbst als Berlinerin gar nicht kannte“, sagt Dagmar Adam, schultert ihre Fototasche und macht sich auf den Weg in
das Gebäudeinnere. Dort herrscht
absolute Stille, die Einsamkeit, die
man empfindet wenn man ein leeres Gebäude betritt. Nur das leise
Klackern und Knipsen der Kameras
ist zu hören. Immer wieder streifen
Böttgers und Wiebers durch die
Räume, geben den Fotojägern Tipps
für die Motivauswahl und erzählen
Anekdoten über den Gebäudekomplex Bogensee – und die gibt es zuhauf: Hier wurde für Joseph Goebbels 1936 ein Landsitz errichtet, der
jedoch nicht Teil der Tour ist.
Nach dem ZweitenWeltkrieg entstand in einem der Gebäudekomplexe erst ein sowjetisches Lazarett.
Im Mai 1946 wurde dann die Zentralschule der FDJ eingeweiht, der
größten Jugendorganisation der
DDR. Das Gebäude war ein gewaltiges Prestige-Objekt im pompösen
stalinistischen Baustil. Jährlich wurden 500 junge Frauen und Männer
aus der DDR und sozialistischen
Brüderstaaten in Fächern wie Wissenschaftlicher
Kommunismus
oder Dialektischer Materialismus
unterrichtet.
BERLINER ZEITUNG/GERD ENGELSMANN (2)
Prestige-Objekt im pompösen stalinistischen Baustil: Das Kulturhaus der ehemaligen FDJ-Jugendhochschule am Bogensee.
Holzdielen machen das Umhergehen zu einem Hindernislauf. Dieser
Charme des Morbiden reizt HobbyFotografen, wie Jens Kaließ (42) und
Wolfgang Langer (61) aus Zepernick.
Fünfstündiger Fotomarathon
Verblichener Pomp
auch von innen: Der
Plenar-Saal im Lektionshaus der leer stehenden FDJ-Hochschule bietet sich gut
für Fototouren an.
Nach dem Mauerfall wurde die
Jugendhochschule aufgelöst. 1991
übernahm der Internationale Bund
für Sozialarbeit das Gelände und
schuf ein Ausbildungszentrum für
sozial Benachteiligte. Acht Jahre
später wurde es geschlossen, steht
seither unter Denkmalschutz und
darbt vor sich hin. Doch ein Hin-
gucker sind die sechs Gebäude und
ihr Innenleben noch immer. Die
beiden Häuser an den Stirnseiten
des Geländes sind die Hauptattraktion der Tour. Die einstöckigen Bauten haben unter anderem einen gepflasterten Vorhof, große Foyers,
Speise-, Fest- und Tanzsäle, ein Bar-,
Musik- und Spielzimmer und eine
festliche Aula mit einer großen
Bühne. All das schimmelt und rostet
vor sich hin, ist verstaubt und verblasst. Hinter der grau-gelben Fassade riecht es modrig, der Putz bröckelt von den Wänden und der Decke, Kronleuchter rosten vor sich
hin, vergilbte Vorhänge hängen
träge nach unten und aufgeplatzte
Jens Kaließ ist immer auf der Lauer
nach dem goldenen Schuss – dem
perfekten Motiv. Als Außendienstmitarbeiter ist er viel in Deutschland unterwegs, hat stets Kamera
und Stativ dabei und hält Ausschau
nach verlassenen Orten. Bei
Go2know nimmt er zum ersten Mal
an einer Tour teil. Er schaut sich in
allen Räumen um und schießt ein
Foto nach dem anderen. Fünf Stunden lang, dafür zahlt er 40 Euro. Kaließ legt nur eine kurze Pause an der
sogenannten Basisstation ein, an
der es Tee und Kaffee gibt. „Weiter
geht’s, ich bin noch längst nicht fertig“, sagt er und geht zurück auf die
Jagd.
Go2know, Informationen und Anmeldungen sowie alle buchbaren Touren unter
www.go2know.de. Andreas Böttger und
Thilo Wiebers, Knaackstraße 92, Prenzlauer Berg, Tel. 32 50 93 66,
[email protected].
Die Preise der Fototouren variieren zwischen 35 bis 50 Euro pro Person.
K O N Z E R T
Von wegen stumm
DVD-EXTRA
Echt amüsant: TV-Klassiker auf DVD
Mi, 17.04.,
zum Sonderpreis
von ¤ 2,99
www.berliner-kurier.de
Louis de Funès in
„Der Gendarm von
St. Tropez“ –
Die DVD im KURIER!
Der von hier
V ON A NNE V ORBRINGER
E
r hat 500 Stummfilme neu vertont und vor 70 000 Gästen aufgeführt. Stephan von Bothmer ist
Stummfilm-Pianist, seine Tourneen
führen ihn nach Kolumbien, auf die
Philippinen – und kommende Woche in den Berliner Admiralspalast.
Dort gibt Bothmer gleich drei Konzerte hintereinander, quasi ein kleines Stummfilmfestival.
Höhepunkt ist die aufwendige
Inszenierung des Stummfilmklassikers „Nosferatu“ mit gespenstischer
Musik für Chor, Sopran und LiveOrchester. „Nosferatu – eine Symphonie des Grauens“ ist einer der
ersten Vertreter des Horrorfilms. Die
Geschichte eines jungen Mannes,
der auszog, um ein Haus zu verkaufen und in einem Alptraum gerät.
Wie in den Admiralspalast hineinkomponiert passt der Klassiker
„Berlin – Die Sinfonie der Großstadt“. Wurde die Vergnügungsstätte doch bereits 1911 eröffnet
und vereinte Eislaufarena, Café, Kegelbahnen, ein Lichtspiel-Theater
und die Tag und Nacht geöffneten
römischen Luxus-Thermen. Eishockeyspiele und Boxkämpfe wurden
in der großen Halle des Admiralspalastes ausgetragen. Einiges davon ist
auch in Walter Ruttmanns Film von
1927 zu sehen.
F I L M M U S E U M B E R L I N – S TIFTUNG DEUTSCHE KINEMATHEK
Ein Tag in den 1920er-Jahren, festgehalten in einem berauschenden Film:
„Berlin – Die Sinfonie der Großstadt“.
Den Anfang des Stummfilmfests
aber macht der erste abendfüllende
Trickfilm der Filmgeschichte, „Die
Abenteuer des Prinzen Achmed“.
An diesem Werk aus dem Jahr 1926
arbeitete die Berliner Scherenschnittkünstlerin Charlotte „Lotte“
Reiniger drei Jahre lang, unter anderem auch mit Walter Ruttmann. Für
den zeitlos schönen Silhouettenfilm
mit Motiven aus Tausendundeiner
Nacht wurden Figuren aus einzelnen ausgeschnittenen Pappteilen
animiert.
Graf von Bothmer im Admiralspalast:
Sonnabend, 13. April, ab 16 Uhr, Friedrichstraße 101, Karten ab 17,60 Euro unter
Tel. 47 99 74 99