FIN.30 - Flächen intel Flächen intelligent nutzen telligent nutzen
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FIN.30 - Flächen intelligent nutzen Förderkennzeichen 0330733 September 2006 - August 2009 Professur für Städtebau und Bodenordnung der Universität Bonn Prof. Dr.-Ing. Ing. Theo Kötter (Projektleitung) Dipl.-Ing. Ing. Benedikt Frielinghaus Dipl.-Geogr. Geogr. Sophie Schetke Verm.-Ass. Dipl.--Ing. Dietmar Weigt Nußallee 1 53115 Bonn www.fin30.uni-bonn.de bonn.de Forschungsprojekt im Rahmen der Forschungsinitiative REFINA gefördert vom Bundeministerium für Bildung und Forschung FIN.30 - Flächen intelligent nutzen Teil II Inhaltsverzeichnis Teil I ...................................................................................................................................6 1.1 Aufgabenstellung ..........................................................................................................6 1.2 Voraussetzungen ..........................................................................................................7 1.3 Planung und Ablauf des Vorhabens ..............................................................................7 1.4 Wissenschaftlicher und technischer Stand ....................................................................9 1.4.1 Bekannte Konstruktionen, Verfahren und Schutzrechte.....................................9 1.4.2 Verwendete Fachliteratur sowie Informations- und Dokumentationsdienste ....13 1.5 Zusammenarbeit mit anderen Stellen .........................................................................13 1.5.1 Stadt Erftstadt .................................................................................................13 1.5.2 Stadt Essen .....................................................................................................14 1.5.3 Stadt Euskirchen .............................................................................................15 1.5.4 Arbeitskreise ...................................................................................................16 1.5.5 Expertenkreise ................................................................................................16 Teil II ................................................................................................................................18 2 Verwendung der Zuwendung und der erzielten Ergebnisse sowie Gegenüberstellung der vorgegebenen Ziele ................................................................................................................18 2.1 Teilprojekt 1: Der Bewertungsrahmen – Anforderungen und Ziele ..............................18 2.2 Praxisbezogene Operationalisierung nachhaltiger Siedlungsentwicklung ...................19 2.3 Praktische Anforderungen zur Anwendung in der Planungspraxis ..............................21 2.3.1 Übertragbarkeit ...............................................................................................21 2.3.2 Integration/ Transformation qualitativer und quantitativer Indikatoren ..............21 2.3.3 Ermittlung von Referenzwerten .......................................................................22 2.3.4 Anwendung .....................................................................................................22 2.3.5 Decision Support System - Benutzeroberfläche ..............................................22 2.3.6 Skalentransformation, Indikatoraggregation und -gewichtung .........................24 3 FIN.30 - Flächen intelligent nutzen Teil II 2.3.7 Ranking ...........................................................................................................26 2.4 Ökologie .....................................................................................................................27 2.4.1 Kategorie „Ökologische Flächenleistung“ ........................................................28 2.4.2 Kategorie „Ressourcenschonung“ ...................................................................31 2.4.3 Kategorie „Risikopotential“ ..............................................................................32 2.4.4 Nicht berücksichtigte Aspekte in der ökologischen Dimension ........................34 2.5 Soziales ......................................................................................................................36 2.5.1 Kategorie: „Versorgungsgerechtigkeit“ ............................................................36 2.5.2 Kategorie: „Attraktivität des Wohnumfeldes“ ...................................................39 2.5.3 Nicht berücksichtigte Aspekte in der sozialen Dimension ...............................41 2.6 Ökonomie ...................................................................................................................44 2.6.1 Anforderungen und methodische Vorgehensweise städtebaulicher Kalkulationen auf der Ebene des Flächennutzungsplanes ..........................................44 2.6.2 Kategorie: baugebietsbezogene Infrastrukturkosten ........................................47 2.6.3 Kategorie: Refinanzierungspotential ................................................................56 2.6.4 Nicht berücksichtigte Aspekte der Dimension Ökonomie .................................59 2.7 Konzept des Planspiels ...............................................................................................63 2.8 Anwendungsergebnisse des Bewertungsrahmens ......................................................64 2.8.1 Integrierte Gesamtbewertung ..........................................................................64 2.8.2 Dimension Ökologie ........................................................................................71 2.8.3 Dimension Soziales .........................................................................................75 2.8.4 Dimension Ökonomie ......................................................................................79 2.9 Teilprojekt 2: Das Umlageverfahren FIN.30 ................................................................84 2.9.1 Vorbemerkungen .............................................................................................84 2.9.2 Planerische Instrumente ..................................................................................84 2.9.3 Ökonomische Instrumente...............................................................................86 2.9.4 Sonstige Instrumente ......................................................................................94 4 FIN.30 - Flächen intelligent nutzen Teil II 2.9.5 Instrumentenwahl für ein kostenorientiertes Umlageverfahren zur Forcierung der Innenentwicklung ..................................................................................................94 2.9.6 Allgemeine Prinzipien des Umlageverfahrens FIN.30 ......................................94 2.9.7 Bestandteile und Wirkungsmechanismus des Umlageverfahrens FIN.30 ........96 2.9.8 Ermittlung der Innenentwicklungsumlage ........................................................97 2.9.9 Förderbedarf und -möglichkeiten ................................................................... 102 2.10 2.9.10 Steuerungswirkungen der Innenentwicklungsumlage ............................... 103 2.9.11 Umsetzung des Umlageverfahrens FIN.30 ............................................... 104 2.9.12 Anwendungsbeispiel des Umlageverfahrens FIN.30 ................................ 105 2.9.13 Fazit ......................................................................................................... 110 Konzeption und Aufgabenspektrum der Anlauf- und Umsetzungsstelle .............. 112 2.10.1 Aufgabenbereiche der Anlauf – und Umsetzungsstelle ............................ 112 2.10.2 Informationsbeschaffung/ Monitoring........................................................ 113 2.10.3 Strategieentwicklung/ Mobilisierung ......................................................... 118 3 Notwendigkeit und Angemessenheit der geleisteten Arbeiten......................................... 120 4 Nutzen und Verwertbarkeit der Ergebnisse..................................................................... 122 5 Fortschritt auf dem Gebiet des Vorhabens bei anderen Stellen ...................................... 123 6 Veröffentlichungen.......................................................................................................... 124 6.1 Poster ....................................................................................................................... 124 6.2 Vorträge .................................................................................................................... 124 6.3 Veröffentlichungen .................................................................................................... 124 Literaturverzeichnis ................................................................................................ 126 5 FIN.30 - Flächen intelligent nutzen Teil I Teil I 1.1 Aufgabenstellung Mit dem Nachhaltigkeitsprinzip verbinden sich für die Nutzung der Ressource „Boden“ für städtebauliche Zwecke vielfältige quantitative und qualitative Ziele. Eine nachhaltige Flächennutzung in urbanen Räumen hat beispielsweise nicht nur dem Freiraumschutz und den Anforderungen des Naturhaushaltes und des Umweltschutzes Rechnung zu tragen, sondern sie muss auch in Bezug auf die Wohnfunktion sozial gerecht und zugleich im Hinblick auf die Wirtschaftsfunktion der Stadt bedarfsgerecht und flexibel sein. Flächen-, verkehrs- und energieoptimiertes Planen sollen bereits teilweise diese Erfordernisse erfüllen. Zur Konkretisierung und umfassenden Operationalisierung des Nachhaltigkeitsprinzips für die Flächennutzung werden im Projekt FIN.30 zwei Ansätze vorgeschlagen und anwendungsreif entwickelt1: Teilprojekt 1 (TP 1): Multikriterieller Bewertungsrahmen für die Beurteilung und Auswahl neuer Wohnstandorte unter Nachhaltigkeitsgesichtspunkten einschließlich Wirtschaftlichkeitsaspekten Teilprojekt 2 (TP 2): Kostenorientiertes Umlageverfahren als Steuerungsinstrument der Innenentwicklung Der Bewertungsrahmen (TP 1) umfasst die ökologische, soziale und ökonomische Dimension der Nachhaltigkeit. Im Rahmen der ökologischen Standortbewertung gewinnt die Erhaltung ökologischer Funktionen, die durch Siedlungserweiterung beeinträchtigt werden, zunehmend an Bedeutung. Angesichts sich verändernder Klimabedingungen werden nicht nur der Profit von ökologischen Dienstleistungen im Bereich der Klimaregulation sondern zusätzlich das steigende Risiko, z.B. durch Hochwasserereignisse, wichtiger für eine nachhaltig ausgerichtete Siedlungsentwicklung. Die soziale Standortbewertung zielt vor dem Hintergrund des demographischen Wandels auf eine optimale Nutzung vorhandener sozialer und technischer Infrastruktur und eine kompakte städtebauliche Struktur. Zum anderen sind Wohnstandortentscheidungen immer durch das Ziel gelenkt, eine optimale Lebensqualität zu erreichen, die nicht zuletzt durch die Charakteristik und Qualität des Wohnumfeldes bestimmt wird. Die Wirtschaftlichkeit besitzt angesichts der fortschreitenden Siedlungsdispersion und angespannten kommunalen Haushalte bei Standortfragen eine erhebliche Entscheidungsrelevanz. Deshalb sollen die tatsächlichen Kosten für städtebauliche Flächenentwicklungen methodisch zuverlässig mit einem integrierten städtebaulichen Kalkulationsmodell abgeschätzt werden und den Ausgangspunkt für eine Wirtschaftlichkeitsbetrachtung zur Standortentwicklung in TP 1und TP2 bilden. Der Bewertungsrahmen (TP 1) ist innerhalb der kommunalen Bauleitplanung flexibel einsetzbar, greift die sehr heterogenen Ansprüche der nordrhein-westfälischen Partnerkommunen2 Erftstadt, Euskirchen und Essen auf und setzt diese planungsorientiert um. Die Entwicklung eines kostenorientierten Umlageverfahrens (TP 2) zur Förderung der Innenentwicklung greift vor allem die Ansprüche einer langfristig kostenoptimierten Siedlungsentwicklung auf. 1 KÖTTER & WEIGT 2006 2 Eine Erläuterung der Partnerkommunen erfolgt in Kapitel I.1.5. 6 FIN.30 - Flächen intelligent nutzen Teil I Zur Umsetzung der TP 1 und 2 ist die Konzeption einer kommunalen Anlauf- und Umsetzungsstelle sowie die pilotartige Implementierung in die kommunale Bauleitplanung während der Projektlaufzeit erfolgt. 1.2 Voraussetzungen Die Verwirklichung des Nachhaltigkeitsprinzips für die Flächennutzung verlangt einen optimierten und geschlossenen Prozess für das Flächenmanagement. Der Bewertungsrahmen und das kostenorientierte Umlageverfahren sind daher in die Prozesse des strategischen und operativen Flächenmanagements zu integrieren, das insgesamt als geschlossenes Handlungsfeld von der städtebaulichen Planung bis zur Mobilisierung der zu entwickelnden Flächen zu verstehen ist und insbesondere auch die Finanzierung einschließt. Die einzelnen Arbeitsschritte sind naturgemäß durch vielfältige rekursive Beziehungen miteinander verbunden und lassen sich jeweils dem strategischen Flächenmanagement in der Konzeptionsphase (Bewertungsrahmen mit städtebaulicher Kalkulation) oder dem operativen Flächenmanagement in der Umsetzungsphase (kostenorientiertes Umlageverfahren) des Flächenmanagements zuordnen. 1.3 Planung und Ablauf des Vorhabens Das beantragte Forschungsvorhaben mit den zwei Teilprojekten wurde in fünf Arbeitsphasen durchgeführt. Innerhalb der Arbeitsphasen wurden mehrere Arbeitsschritte teilweise parallel erarbeitet, damit am Ende der Phase schlüssige Teilergebnisse vorlagen. Ihre zeitliche Abfolge, Überlagerung sowie der kalkulierte Zeitbedarf können der Abbildung 1 entnommen werden. Alle geplanten Arbeitsschritte und Zwischenergebnisse wurden durchgeführt und lediglich in ihrer zeitlichen Verortung entsprechend den methodischen und erkenntnisorientierten Fortschritten während der Projektlaufzeit angepasst (vgl. III, 6). 7 FIN.30 - Flächen intelligent nutzen Teil I Abbildung 1: Zeitlicher Ablauf und Meilensteine des Forschungsprojektes FIN.30 8 FIN.30 - Flächen intelligent nutzen Teil I 1.4 Wissenschaftlicher und technischer Stand 1.4.1 Bekannte Konstruktionen, Verfahren und Schutzrechte Bewertungsrahmen Eine Operationalisierung des nachhaltigen Flächenmanagements ist auch mehr als 10 Jahre nach der Konferenz von Rio bislang nur ansatzweise gelungen. Zwar bereitet eine Verständigung über das Leitbild der Nachhaltigkeit in der kommunalen Praxis meistens keine Probleme, schwierig gestaltet es sich indessen, seine Forderungen z.B. für die Entwicklung der Siedlungsstruktur zu konkretisieren und diese auch umzusetzen. Dies liegt vor allem an der Komplexität des Begriffes mit seinen vielschichtigen inhaltlichen, räumlichen und zeitlichen Dimensionen, die an die interdisziplinäre Forschung noch erhebliche Anforderungen stellen3. Eines der ersten Indikatorenmodelle zur Siedlungsflächenbewertung ist von KISTENMACHER ET AL. (1983) 4 konzipiert worden, das indessen den heutigen Anforderungen einer nachhaltigen Entwicklung nur ansatzweise gerecht wird. Aktuell ist vor allem auf den aktuellen Indikatorenkatalog für das Handlungsfeld „Haushälterisches Bodenmanagement“ des ExWoSt-Forschungsfeldes (experimenteller Wohnungs- und Städtebau) „Städte der Zukunft“ hinzuweisen, der sich vor allem für ein Monitoring anbietet5. Das Feld der Nachhaltigkeitsindikatorenmodelle ist äußerst umfangreich6 und weit gesteckt. Ausgehend von den vorhandenen Ansätzen, die in ihrer Konzeption bislang stark ökologiekonzentriert sind7, sollte im Bewertungsrahmen des Forschungsprojekts FIN.30 neben der ökologischen die soziale und insbesondere die ökonomische Dimension der Nachhaltigkeit integriert werden. Die gleichberechtigte Integration aller drei Nachhaltigkeitsdimensionen, fokussierend auf die Bewertung von Wohnbaulandpotenzialen auf der strategischen Ebene des Flächennutzungsplans zugunsten einer nachhaltigen und ressourcenschonenden Siedlungsentwicklung, ist ein zentraler und innovativer Aspekt des Bewertungsrahmens FIN.30. Somit ist es möglich, nicht nur Aussagen darüber zu treffen, ob die Siedlungstätigkeit einer Gemeinde entsprechend der Nachhaltigkeitsziele erfolgt oder eher weiterhin zunehmende Flächen- und Ressourceninanspruchnahme begünstigt, sondern wie die weitere Entwicklung für die Kommune optimiert und wirtschaftlich tragfähig gestaltet werden kann. Ziel des Bewertungsrahmens ist die mehrdimensionale Bewertung von Wohnbaulandpotenzialen hinsichtlich ihres Beitrags zu einer nachhaltigen und flächensparenden Siedlungsentwicklung. Die Operationalisierung der drei Nachhaltigkeitsdimensionen fokussiert hierfür auf die Faktoren Praktikabilität, Entscheidungsrelevanz, Anwendbarkeit und Kommunizierbarkeit8 für die Planungspraxis. Es wird weniger angestrebt, die drei Dimensionen so konsistent und umfassend wie möglich mittels 3 KÖTTER 2003 4 KISTENMACHER ET AL. 1983 5 BBR 2004b 6 Siehe hierfür u.a. die Synopsen von HEILAND ET AL. 2003 zur lokalen Agenda 21; COENEN 1999; GEHRLEIN 2003; WRBKA ET AL. 2003; KORCZAK 2002; FLACKe 2003 7 KORCZAK 2002; RINK 2004; DÖRING ET AL. 2004 8 KÖTTER ET AL. 2009b; KÖTTER ET AL. 2009*; SCHETKE ET AL.** 9 FIN.30 - Flächen intelligent nutzen Teil I Indikatoren zu hinterlegen, um das weite Konstrukt der Nachhaltigkeit und der nachhaltigen Siedlungsentwicklung so umfassend wie möglich zu operationalisieren9. Die konzeptionelle Basis der ökologischen Dimension10 beruht auf der Bewertung von Wohnbaulandpotenzialen angesichts der per se durch die Neuausweisung beanspruchten Ressourcen, der bekannten landschaftsplanerischen Schutzgüter und Ökosystemfunktionen11. Schon auf der strategischen Ebene des Flächennutzungsplanes (FNP) soll transparent gemacht werden, welcher ökologische Nutzen durch Baulandausweisung letztlich unwiederbringlich verloren geht und an welcher Stelle eine Wohnbaulandentwicklung angesichts ökologischer Einflussfaktoren am ehesten dem Gebot der Nachhaltigkeit entspricht. Ein weiterer Schwerpunkt der Dimension „Ökologie“ ist das Schaffen von Transparenz gegenüber externen, natürlichen Risiken in Bezug auf eine zusätzliche Baulandausweisung. Angesprochen werden hier die Lage künftiger Siedlungsflächen in hochwassergefährdeten Gebieten sowie das zunehmende Risiko durch Extremhochwässer12. Die Dimension „Soziales“ ist inhaltlich ausgerichtet auf die Eignungsprüfung vorhandener Wohnbaupotenziale im Sinne der Lebens- und Wohnumfeldqualität13. „Lebensqualität“ (Quality of Life) wurde in den letzten Jahren innerhalb unterschiedlicher Ansätze in der Wissenschaft vielfältig operationalisiert und diskutiert14. Innerhalb der Diskussion um eine forcierte Innenentwicklung nimmt sie eine zentrale Position ein und findet innerhalb der strategischen Baulandentwicklung konkrete Berücksichtigung. Im Bewertungsrahmen von FIN.30 werden vor allem die Erreichbarkeit und Versorgung mit sozialer und technischer sowie erholungsrelevanter Infrastruktur als auch das Wohnumfeld bestimmend für die Lebensqualität angesehen15. An dieser Stelle erfolgt eine enge Verknüpfung mit der ökonomischen Dimension in Bezug auf baugebietsbezogene Infrastrukturkosten. Des Weiteren werden Aspekte der Standorteignung in Bezug auf die Qualität des Wohnumfeldes, welche vorrangig durch die Versorgung mit Stadtgrün und die Beeinflussung durch Emissionen betrachtet wird, bewertet. Die Bewertung der Erreichbarkeit der entsprechenden Einrichtungen erfolgt mit Hilfe städtebaulicher Erreichbarkeitsstandards. Es bleibt zu diskutieren, ob es angesichts der Pluralität an Lebensstilen und individueller Nutzungspräferenzen und -gründe überhaupt haltbar ist, an vergleichsweise starren städtebaulichen Entfernungsstandards festzuhalten. Es wird jedoch deutlich, dass eine detaillierte und quantitative Abbildung der veränderten Nutzungsansprüche einzelner Bevölkerungsgruppen mittels eines kompakten Indikatorensets, das sowohl Verständlichkeit und Anwendbarkeit anstrebt, 9 KÖTTER ET AL. 2009*,2009** 10 Vgl. KÖTTER ET AL. 2009a, SCHETKE ET AL. 2009 11 in Anlehnung an die Konzepte von DE GROOT ET AL. 2002 und COSTANZA ET AL. 1997; Siehe auch MEA 2005, SCHETKE ET AL.* 12 Vgl. KÖTTER ET AL. 2009* 13 Vgl. KÖTTER ET AL. 2009a, SCHETKE ET AL. 2009 14 JIRÓN & FADDA 2000; FADDA & JIRÓN 1999; Europäische Kommission Generaldirektion Regionalpolitik 2007; SANTOS & MARTINS 2007; SCHETKE ET AL.*, PACIONE 2003 15 KÖTTER ET AL. 2009a; SCHETKE ET AL. 2009 10 FIN.30 - Flächen intelligent nutzen Teil I nicht geleistet werden kann. Ferner wird der Anspruch einer integrierten Stadtentwicklung und der Ausnutzung vorhandener Ressourcen vertreten, der impliziert, dass eine Baulandausweisung in Nähe vorhandener Einrichtungen nicht nur die Standortqualität beeinflusst, sondern zudem eine kompakte und flächensparende Siedlungsentwicklung vorantreibt. Es wird folglich an städtebaulichen Entfernungsstandards festgehalten, wohl wissend, dass die tatsächliche Nutzung entsprechender Einrichtungen vielfach von individuellen Einflussfaktoren (z.B. Nähe zum Arbeitsplatz, pädagogischer Schwerpunkt) bestimmt wird. Als Basis für den Kalkulationsansatz innerhalb der ökonomischen Dimension dient ein von der Professur für Städtebau und Bodenordnung der Uni Bonn entwickeltes projektbezogenes Kalkulationsmodell (SKIP-Data)16, dessen Ansatz zu einem integrierten städtebaulichen Kalkulationsmodell weiter entwickelt wurde, um die Wirtschaftlichkeit von Flächeninanspruchnahmen für Siedlungszwecke frühzeitig zu ermitteln sowie Risiken und Optimierungsmöglichkeiten zu identifizieren. Es wurde ein konsistentes Modell entwickelt, das nicht nur die kurzfristigen, projektbezogenen Kosten und Erlöse erfasst, sondern darüber hinaus auch die mittel- bis langfristigen Kosten und wirtschaftlichen Folgewirkungen für die gesamte Stadtentwicklung. Die Projektkosten für die Siedlungsflächenentwicklung werden durch die Ausbauund Kostenstandards der Städte geprägt. Ebenso sind die stadtwirtschaftlichen Folgekosten und Wirkungen erfahrungsgemäß regional unterschiedlich und müssen daher für das Kalkulationsmodell stadtspezifisch erfasst werden. Dies erfolgt durch eine enge Absprache mit den Projektpartnern im Rahmen von regelmäßig stattfindenden Arbeitskreisen. Dieses integrierte Kalkulationsmodell führt zu mehr Kostentransparenz aus Sicht der Kommune und erlaubt eine stärkere strategische Ausrichtung der Siedlungsflächenentwicklung unter ökonomischen Gesichtspunkten, so dass der kommunale Haushalt entlastet werden kann. Im Rahmen der Konzeption des Bewertungsmodells wurde aus den vorhandenen Studien zu Indikatorenmodellen auf verschiedenen räumlichen Ebenen vorrangig Anforderungen materieller, technischer und funktionsbezogener Art entlehnt17. Diese werden in Teil II.3 noch weiter ausgeführt. Letztlich wurde bei der Entwicklung des Bewertungsmodells ein zielorientierter Ansatz gewählt, der ausgehend von der konkreten Problemstellung der Wohnbaulandentwicklung als einer der wichtigsten Ursachen der anhaltend hohen Flächeninanspruchnahme sowie klaren kommunalen Zielsetzungen für eine nachhaltige Siedlungsentwicklung aussagekräftige Indikatoren ableitet und diese auf der strategischen Ebene des Flächennutzungsplans anwendet. Umlageverfahren Bestehende Instrumente der Regionalplanung und des Steuerrechts haben angesichts der anhaltend hohen täglichen Flächenumwidmungsrate zugunsten der Siedlungs- und Verkehrsfläche bisher nicht zu der gewünschten Verringerung geführt. Auch bei der Flächeninanspruchnahme ist der gerechte Ausgleich von ökonomischen, ökologischen und sozialen Belangen eine wesentliche Forderung des Nachhaltigkeitsprinzips18. Es ist daher zu prüfen, ob nicht marktwirtschaftlich ausgerichtete Ansätze mit ökonomischen Anreizen einen wirksameren Beitrag zum Flächensparen und zu einem 16 KÖTTER 2002 17 HEILAND ET AL. 2003; COENEN ET AL. 1999; GEHRLEIN 2003; WRBKA ET AL. 2003; KORCZAK 2002 18 Vergl. KÖTTER 2003 11 FIN.30 - Flächen intelligent nutzen Teil I schonenden Umgang mit der Ressource Boden leisten können, um das Mengen- und Qualitätsziel zu erreichen. Derzeit werden u.a. folgende Konzepte diskutiert: − − − − Handelbare Flächenzertifikate oder Flächenkontingente, Flächenkreislaufwirtschaft, Baulandausweisungsumlage (BLAU) und Novellierung der Bodensteuer. Dabei lassen sich die ökonomischen Instrumente grob in zwei Kategorien einteilen: zum einen handelt es sich um fiskalische Instrumente wie Steuern und Abgaben, zum anderen um Mengeninstrumente in Form handelbarer Flächenzertifikate oder -kontingente19. Die Einführung solcher Flächenausweisungsrechte wird jedoch überwiegend sehr kritisch gesehen. Die politische Akzeptanz dieses Instruments ist gering, da handelbare Flächenausweisungsrechte eine Vielzahl von verfassungsrechtlichen Bedenken bezüglich ihrer Vereinbarkeit mit der kommunalen Planungshoheit aufwerfen20. Darüber hinaus wird ein erheblicher bürokratischer Aufwand erwartet, der in keinem Verhältnis zum erwarteten Nutzen steht. Die Eignung zur Lösung räumlicher Konflikte und das Verhältnis zu elementaren Raumordnungsgrundsätzen, wie dem der dezentralen Konzentration, werden ebenfalls kritisch hinterfragt21. Anstelle eines marktwirtschaftlichen Handelssystems mit Flächenausweisungsrechten hat der Nachhaltigkeitsrat eine Auseinandersetzung mit ökonomischen Instrumenten angeregt und eine Erweiterung des planerischen Instrumentariums um ein haushälterisches Flächenmanagement empfohlen22. Der marktwirtschaftliche Ansatz der Baulandausweisungsumlage (BLAU)23 sieht einen interkommunalen Ausgleich vor, der indessen einen erheblichen Verwaltungsaufwand verursacht. Bei diesem Ansatz haben die Kommunen zunächst an die nächst höhere Gebietskörperschaftsebene entsprechend ihrer Baulandausweisung einen Geldbetrag zu leisten, z.B. an das entsprechende Bundesland. Die Rückverteilung der Mittel orientiert sich an einem interkommunalen Einwohnerschlüssel und wird über einen Innenentwicklungsfonds abgewickelt, um so eine Mehrbelastung der Kommunen insgesamt zu vermeiden. Die bisherigen Erfahrungen mit innovativen Ansätzen zur Mengensteuerung in der Raumplanung aus der Region Berlin-Brandenburg und Schleswig-Holstein zeigen, dass die Instrumente der Bauleitplanung und Struktur- und Verkehrspolitik nicht so effektiv für die Mengensteuerung sind wie die fiskalischen Instrumente24. So hat sich beispielsweise der 20 % Rahmen im 19 Vergl. SCHULTZ & DOSCH 2005 20 Vergl. EINIG 2005 21 Vergl. STEMMLER 2005 22 Vergl. dazu auch SIEGEL 2005 23 Vergl. KRUMM 2005 24 Vergl. IÖR 2004 12 FIN.30 - Flächen intelligent nutzen Teil I Landesentwicklungsplan Schleswig-Holstein (landesplanerisches Ziel) nicht bzw. nur eingeschränkt als Siedlungsflächenminimierungs- bzw. -reduzierungsinstrument erwiesen25. Eine ausführliche Darstellung der wissenschaftlichen Ausgangssituation erfolgt im Teil II des Berichts. 1.4.2 Verwendete Fachliteratur sowie Informations- und Dokumentationsdienste Die verwendete Fachliteratur kann dem Literaturverzeichnis entnommen werden. Die in Anspruch genommenen amtlichen Informations- und Dokumentationsdienste sind entsprechend ihrer gelieferten Daten im Anhang aufgeführt. 1.5 Zusammenarbeit mit anderen Stellen Die Durchführung des Forschungsprojekts FIN.30 erfolgte unter enger Beteiligung der drei Partnerkommunen in NRW Stadt Erftstadt, Stadt Essen und Euskirchen. In dreimal jährlich stattfindenden Workshops/Arbeitskreisen wurden planungspraktische Zielstellungen zur Operationalisierung des Begriff der nachhaltigen Siedlungsentwicklung formuliert und die Projekterkenntnisse und -bausteine auf ihren Praxisbezug geprüft. Des Weiteren erfolgt eine Beteiligung ausgewählter Vertreter aus der Forschung in Form jährlich stattfindender Expertenkreise, um die Projektbausteine auf ihre fachliche und inhaltliche Aussage sowie deren methodische Belastbarkeit in Augenschein zu nehmen. 1.5.1 Stadt Erftstadt Die Stadt Erftstadt befindet sich in der westlichen Umgebung des Ballungsraums Köln/Bonn am Südrand der Niederrheinischen Bucht. Insgesamt sind in der Stadt Erftstadt Ende 2007 ca. 51.000 Einwohner gemeldet, die zu einem großen Teil in den beiden größten Stadtteilen Lechenich und Liblar, mit zusammen über 23.000 Einwohnern wohnen. Die Stadt Erftstadt hat in ihrer gesamten Einwohnerentwicklung einen ständigen Zuwachs zu verzeichnen. Die Bevölkerungszunahmen lassen sich bei genauerer Betrachtung auf Wanderungsgewinne zurückführen, während die natürliche Einwohnerentwicklung stagniert. Abbildung 2: Entwicklung der Bevölkerung sowie Siedlungs- und Verkehrsfläche der Stadt Erftstadt (Daten: www.it.nrw.de) 25 26 Vergl. LIEBRENZ 2005 13 FIN.30 - Flächen intelligent nutzen Teil I Bis zum Jahr 2015 werden zusätzlich 148 ha Wohnbaufläche benötigt, die neben dem rechnerischen Bedarf von 95 ha auch die Wohnflächensteigerung mit 29 ha, sowie den Planungsspielraum von 24 ha berücksichtigen. Mit Hilfe des Planungsspielraums werden unvorhersehbare Entwicklungstendenzen sowie Planungsrestriktionen aufgefangen und eine ungewünschte Bodenpreissteigerung vermieden. Der ermittelte zukünftige Wohnbauflächenbedarf von 148 ha ist für das Jahr 2015 prognostiziert worden. Die Stadt Erftstadt sieht eine wesentliche Implementierungsmöglichkeit im Rahmen eines Planänderungsverfahrens des aktuellen Flächennutzungsplans. 1.5.2 Stadt Essen Die Stadt Essen liegt im Zentrum des Ruhrgebiets in Nordrhein-Westfalen, zugehörig zum Regierungsbezirk Düsseldorf. Mit knapp 580.000 Einwohnern ist Essen als Oberzentrum einzustufen. Die Bevölkerung der Stadt Essen schrumpfte in den letzen 15 Jahren um 7%. Es ist ein Trend des Bevölkerungsrückganges und der Altersverschiebung zu erkennen, die in den zukünftigen Planungen und Wohnbaulandbedarfsanalysen sowie der Infrastrukturplanung zu berücksichtigen sind. Abbildung 3: Entwicklung der Bevölkerung sowie Siedlungs- und Verkehrsfläche der Stadt Essen (Daten: www.it.nrw.de) Durch den Trend der bisherigen und prognostizierten Bevölkerungsentwicklung soll der Wohnflächenbedarf im Hinblick auf die Darstellungen im FNP ermittelt werden. Durchschnittlich wohnen im Jahre 2005 in Essen 1,8 Personen in einer Wohnung mit einer Wohnfläche von insgesamt 40,3m² pro Person. Im Jahre 1990 waren es noch 2,1 Personen in einem Haushalt mit einer Wohnfläche von insgesamt 35,4 m². Dies entspricht einer Steigerung von ca. 12% der Wohnfläche pro Person in einem Zeitraum von 15 Jahren. Der Wohnflächenbedarf schrumpft somit nicht proportional mit der Bevölkerung. Durch den meist vorhandenen Wunsch in einem Einfamilienhaus zu wohnen und dem fortschreitenden Trend zu mehr Singlehaushalten, auf Grund der Veränderung der Lebensstile der Bevölkerung, entsteht ein immer höherer Wohnflächenbedarf pro Einwohner. Die Stadt Essen favorisiert eine Implementierung des Bewertungsrahmens innerhalb des während der Projektlaufzeit erfolgten Planaufstellungsverfahrens für den Regionalen Flächennutzungsplan in Zusammenschluss mit den Städten Bochum, Gelsenkirchen, Herne, Mülheim an der Ruhr und 26 Der Sprung im Anstieg der Bevölkerungszahlen im Jahr 1988 kann mit der erneuten Volkszählung 1987 begründet werden, da die Einwohnerentwicklung bis zu diesem Jahr nur rechnerisch bzw. auf prognostizierten Daten basierend fortgeschrieben wurde. 14 FIN.30 - Flächen intelligent nutzen Teil I Oberhausen.27 Er dient zur Bewertung der Wohnbaulandpotenziale der Innenentwicklung vor dem Hintergrund ausgesprochen limitierter Möglichkeiten der Außenentwicklung. 1.5.3 Stadt Euskirchen Mit heute ca. 55.000 Einwohnern nimmt die Stadt Euskirchen in ihrer zentralörtlichen Bedeutung die Funktion eines Mittelzentrums ein. Dabei umfasst das gesamte Stadtgebiet eine Fläche von ca. 140 km², welche überwiegend der landwirtschaftlichen Nutzung dienen. Darüber hinaus sind 25 % des Stadtgebietes mit Waldflächen bedeckt, die zu einer guten Luft- und Klimaregulation beitragen. Den Siedlungsschwerpunkt mit über 50% der Einwohner stellt die Kernstadt dar. Die größten Einwohnerzuwächse durch eine gezielte siedlungsstrukturelle Entwicklung haben allerdings die Ortsteile Kleinbüllesheim und Großbüllesheim erfahren. Die Bevölkerungszahl ist seit 1996 kontinuierlich um ca. 300 Einwohner pro Jahr gestiegen. Abbildung 4: Entwicklung der Bevölkerung sowie Siedlungs- und Verkehrsfläche der Stadt Euskirchen (Daten: www.it.nrw.de) Diese Entwicklung ist auf die natürliche Bevölkerungsentwicklung, welche durch den Saldo von Lebendgeborenen zu Gestorbenen ermittelt wird, sowie auf Zu- und Abwanderungen zurückzuführen. Durch den angesprochenen Trend des Bevölkerungszuwachses lassen sich Prognosen zur Wohnraumversorgung und Flächenbereitstellung für die Flächennutzungsplanung erstellen. Von 1995 bis heute ist die Wohnfläche pro Einwohner in der Stadt Euskirchen um ca. 7 % gestiegen28 und es wird weiter davon ausgegangen, dass sich dieser Trend in den nächsten Jahren fortsetzt. Einen weiteren Indikator stellt die vorhandene Siedlungsdichte für die weitere Flächennutzungsplanung dar. Die durchschnittliche Siedlungsdichte beträgt in Euskirchen ca. 34 Einwohner pro Hektar (EW / ha). Unter Berücksichtigung der genannten Daten lässt sich für den Flächennutzungsplan der neue Wohn- und Mischbauflächenbedarf für den Planungszeitraum ermitteln. Der Erläuterungsbericht unterscheidet hier in potenzielle Bauflächen und neue Bauflächen, welche einen gesamten Flächenbedarf für Wohn- und Mischbauflächen von ca. 225 ha prognostizieren. 27 http://www.staedteregion-ruhr-2030.de/cms/regionaler_flaechennutzungsplan.html 28 www.it.nrw.de 15 FIN.30 - Flächen intelligent nutzen Teil I Die Stadt Euskirchen strebt eine Implementierung des Bewertungsrahmens zur Aufstellung einer Prioritätenliste vorhandener im aktuellen Flächennutzungsplan dargestellter Wohnbaulandpotenziale zur politischen Zielfindung einer strategischen Siedlungsentwicklung an. Zugleich wird der Implementierung des Bewertungsrahmens innerhalb eines Planaufstellungsverfahrens und der Bewertung neuer Wohnbaulandpotenziale ein hoher Stellenwert zugemessen. 1.5.4 Arbeitskreise Der angestrebte enge Bezug zur Planungspraxis wurde durch regelmäßige Arbeitskreise gewährleistet. Die Anforderungen aus der kommunalen Planungspraxis wurden in die Konzeption des Bewertungsrahmens und des Umlageverfahrens einbezogen, so dass die Umsetzung und Anwendung der Forschungsergebnisse in den Partnerkommunen zeitnah erfolgen kann. An den Arbeitskreisen nahmen folgende Vertreter aus den Kommunen teil: Tabelle 1: Teilnehmer der Arbeitskreise FIN.30 Name Stadt Beate Bremer Essen Erhard Groth Euskirchen Peter Koschmieder Essen Detlef Lippik Erftstadt Dr. Ludger Risthaus Erftstadt Berthold Rothe Euskirchen Hans Uehlecke Essen 1.5.5 Expertenkreise Die jährlichen Expertenkreise wurden während der Konzeption und der Implementierung des Bewertungsrahmens und Umlageverfahrens durchgeführt. Ziel der Expertenkreise war die Diskussion der im Forschungsprojekt entwickelten Methoden mit ausgewiesenen Experten. An den Expertenkreisen haben folgende Vertreter aus der Wissenschaft und Wirtschaft teilgenommen: 16 FIN.30 - Flächen intelligent nutzen Teil I Tabelle 2: Teilnehmer der Expertenkreise FIN.30 Name Institution Bereich Prof. Dr. Wulf Amelung Uni Bonn Boden Prof. Dr. Klaus Borchard Uni Bonn Stadtentwicklung und Bodenpolitik Prof. Dr. Benjamin Davy Uni Dortmund Recht und Bodenpolitik Dipl.-Ing. Andreas Röhrig LEG Köln Wohnungswirtschaft Prof. Dr. Eichstaedt TU Berlin Bau- und Planungsrecht Prof. Dr. Walter Siebel Uni Oldenburg Soziales und Stadtforschung Dipl.-Ing. Peter Smeets Landschaftsarchitektur-büro Ökologie Prof. Dr. Wilhelm Söfker Uni Bonn Bau- und Planungsrecht Dipl.-Ing. Sigurd Trommer ehem. Stadtbaurat der Stadt Bonn Stadtentwicklung Gerd Schmidt- 17 FIN.30 - Flächen intelligent nutzen Teil II Teil II 2 Verwendung der Zuwendung und der erzielten Ergebnisse sowie Gegenüberstellung der vorgegebenen Ziele 2.1 Teilprojekt 1: Der Bewertungsrahmen – Anforderungen und Ziele Die Flächensparziele des Deutschen Nachhaltigkeitsrats stellen zunächst Leitmarken dar, die jedoch eine praktische Umsetzung und empirische Ableitung ihrer quantitativen Zielmaßgaben vermissen lassen. Dies impliziert eine Bagatellisierung der Flächeninanspruchnahme und lässt Fragen planungspraktischer Handlungsansätze nach wie vor offen. Der Bewertungsrahmen FIN.30 greift dieses Dilemma auf und ermöglicht eine mehrdimensionale Bewertung einzelner Wohnbaupotenziale in allen drei Dimensionen der Nachhaltigkeit hinsichtlich ihres Beitrags zu einer ressourcenschonenden und wirtschaftlich tragfähigen Siedlungsentwicklung auf der strategischen Ebene des Flächennutzungsplans. Der Bewertungsrahmen, der sich aus einer Indikatormatrix und einer Anwenderoberfläche zusammensetzt, gliedert sich in vier Ebenen: Ausgehend von den drei Dimensionen der Nachhaltigkeit erfolgt zunächst eine Differenzierung durch Kategorien, die die inhaltlichen Schwerpunkte jeder Dimension darstellen. Jede Kategorie wird nachfolgend durch mehrere Kriterien untergliedert, die eine Mittlerposition auf dem Weg zu den Indikatoren einnehmen sowie entscheidungsrelevante Aspekte, die speziell auf die Baulandbewertung fokussieren, darstellen. Abbildung 5 gibt einen Einblick in die ersten drei Ebenen. Die Indikatoren stellen die kleinste Einheit dar und sollen die Eignung einer potentiellen Wohnbaufläche in Bezug auf die jeweilige Nachhaltigkeitsdimension „messen“. Ziel des Bewertungsrahmens ist eine multikriterielle Wohnbaulandbewertung, die die Erfordernisse der nachhaltigen Siedlungsentwicklung und ausschlaggebende, planungsrelevante Indikatoren auf die drei Dimensionen der Nachhaltigkeit projiziert und messbar macht. Grundvoraussetzung dafür ist eine konsistente Datengrundlage, die zur besseren Anwendbarkeit durch die Kommunen ausschließlich auf amtlich vorliegenden Daten (Städte, Kreise, Landesvermessungsämtern) basiert und ein Maximum an Informationen aus den vorhandenen Daten29 extrahiert, ohne dass zusätzliche Datenerhebungen vor Ort anfallen. Die folgenden Abschnitte geben einen detaillierten Einblick in die einzelnen praxis-und konzeptionell orientierten Anforderungen, welche an den Bewertungsrahmen FIN.30 gestellt werden. Es gilt, den Spagat zwischen Wissenschaft (z.B. Konsistenz des Bewertungsrahmens) und Praxis (z.B. Anwendbarkeit im Planungsverfahren) zugunsten einer vertretbaren und ressourcenschonenden Siedlungsentwicklung zu bewältigen. In diesem Zusammenhang wird der vorliegende Bewertungsrahmen als das Resultat eines intensiven Arbeits- und Diskussionsprozesses zwischen der Projektgruppe FIN.30 der Universität Bonn und den teilnehmenden kommunalen Praxispartnern der Städte Erftstadt, Euskirchen und Essen in Nordrhein-Westfalen gesehen. 29 Siehe Anhang 1 „Datengrundlagen“ 18 FIN.30 - Flächen intelligent nutzen Teil II Abbildung 5: Bewertungsrahmen FIN.30 2.2 Praxisbezogene Operationalisierung nachhaltiger Siedlungsentwicklung Die Indikatorauswahl und maßgebliche Schwerpunktsetzung des Bewertungsrahmens erfolgt anhand dreier Kriterien, die sowohl inhaltlicher Natur sind als auch die späteren Funktionen des Bewertungsrahmens innerhalb der Flächennutzungsplanung betreffen (vgl. Abbildung 6): a. Die inhaltliche Relevanz zur Bewertung von Wohnbaulandpotenzialen anhand von Nachhaltigkeitsgesichtspunkten: aus dem weiten Feld der Nachhaltigkeitsstudien30 werden vor allem jene Indikatoren extrahiert, die sich auf der städtischen sowie teilstädtischen Ebene anwenden lassen und die lokalen Erfordernisse der Nachhaltigkeit im Sinne einer flächensparenden Siedlungsentwicklung widerspiegeln können. Aufgrund der u. U. schlechten Anpassung mancher Indikatoren auf einer kleineren Bezugsebene und die damit verbundenen unzureichende Datengrundlage, werden „vertraute“ Nachhaltigkeitsindikatoren beispielsweise aus den Bereichen Energie (CO2-Ausstoß) und Rohstoffverbrauch nicht berücksichtigt. Zusätzlich werden Indikatoren, die sich konsistent aus den vorliegenden Daten ableiten lassen sowie durch Anregung der Projektpartner hinsichtlich der Entscheidungsrelevanz gewünscht sind neu entwickelt. Somit ergeben sich 30 BBR 2004b (ExWoSt-Forschungsfeld „Städte der Zukunft“); EWING ET AL. 2002; URGE-Forschergruppe (www.urgeproject.ufz.de); hierzu gehört auch der Deutsche Umweltindex der Umweltbundesamtes 19 FIN.30 - Flächen intelligent nutzen Teil II erste einflussnehmende, unvermeidbare Faktoren hinsichtlich der inhaltlichen Konzeption des Bewertungsrahmens. b. Datenverfügbarkeit: Ziel des Bewertungsrahmens ist die methodische Konzeption, die die Erfordernisse der Wohnbaulandbewertung und ausschlaggebender, planungsrelevanter Entscheidungsindikatoren der drei Dimensionen der Nachhaltigkeit aufgreift. Grundvoraussetzung dafür ist eine konsistente Datengrundlage, die zur besseren Anwendbarkeit durch die Kommunen ausschließlich auf amtlich vorliegenden Daten (Städte, Kreise, Landesvermessungsämtern) basiert31, da umfassende Kartierungsarbeiten und Messkampagnen vor Ort zugunsten einer straffen Durchführung der Bewertung zu vermeiden sind. c. Planungsrelevanz: Hierbei erfolgte eine enge Abstimmung mit den kommunalen Vertretern aus den Projektstädten Essen, Erftstadt und Euskirchen (Arbeitskreise, vierteljährlich) sowie Vertretern aus Wissenschaft und Forschung (Expertenkreise, halbjährlich). Dies führt dazu, dass neben zahlreichen neuen Indikatoren auch einige Bewertungskriterien aus der bestehenden Praxis zur Standortbewertung im Rahmen der Flächennutzungsplanung bestätigt, in den Bewertungsrahmen integriert sowie mit tragfähigen Datensätzen hinterlegt und formalisiert werden konnten. Die Prüfung durch externe Vertreter aus Planung und Wissenschaft kann hierbei wesentliche Fragen zur inhaltlich- methodisch Konzeption des Bewertungsrahmens beantworten und seine Konsistenz und Qualität gewährleisten. Eine wesentliche Aufgabe bei der Operationalisierung der drei Nachhaltigkeitsdimensionen besteht darin, die Praktikabilität, Entscheidungsrelevanz, Anwendbarkeit und Kommunizierbarkeit der gewählten Kriterien und Indikatoren zu optimieren, so dass der Bewertungsrahmen für die Planungspraxis geeignet ist (Kötter et al. 2009b). Deshalb müssen naturgemäß Abstriche bei der inhaltlichen Vollständigkeit und Konsistenz des Bewertungsrahmens gemacht werden. Vielmehr gilt es einen vertretbaren Kompromiss zwischen wissenschaftlichem Anspruch und planungspraktischer Relevanz zu finden. 31 So sollen bspw. vorhandene ATKIS-Daten (ATKIS: Amtliches topografisch-kartografisches Informationssystem) sowie Daten des automatisierten Liegenschaftskarte (ALK), Realnutzungskartierungen sowie Orthofotos für eine blockscharfe Detailbearbeitung der exakten Landnutzungsdaten genutzt werden. 20 FIN.30 - Flächen intelligent nutzen Teil II Abbildung 6: Anforderungen an Funktionen des Bewertungsrahmens FIN.30 2.3 Praktische Anforderungen zur Anwendung in der Planungspraxis 2.3.1 Übertragbarkeit Der Bewertungsrahmen FIN.30 ist methodisch-inhaltlich so konzipiert, dass er nicht nur für die drei Partnerkommunen angewendet werden kann, sondern darüber hinaus auf andere Kommunen übertragbar ist. Grundvoraussetzung ist hierbei das Vorhandensein der zugrunde liegenden amtlichen Daten, die für eine Bewertung benötigt werden32. Das Indikatorenset bleibt statisch und innerhalb der Anwenderkommunen indifferent. Erst innerhalb der Gewichtung der einzelnen Indikatoren werden lokale Planungs- und Entscheidungsspezifika zum Tragen kommen. Hierbei fallen zum einen die Aussagekraft bzw. Entscheidungsrelevanz bestimmter Indikatoren und zum anderen die Definition von Referenzwerten der Indikatorausprägungen, die sich zwischen den Projektstädten aufgrund unterschiedlicher Siedlungsstruktur unterscheiden, ins Gewicht. 2.3.2 Integration/ Transformation qualitativer und quantitativer Indikatoren Die integrierte Bewertung von Wohnbaulandpotenzialen in allen drei Dimensionen der Nachhaltigkeit impliziert ein breites Spektrum von Datengrundlagen und Indikatorarten (qualitativ und quantitativ), welche in unterschiedlichen Skalenarten (nominal, ordinal, intervallskaliert) vorliegen. Um eine Aggregation aller Indikatoren zu einer finalen Gesamtaussage zu ermöglichen, erfolgt zunächst eine Transformation in einheitliche rangskalierte Klassen. Anschließend werden 32 Siehe hierfür Anhang 1 21 FIN.30 - Flächen intelligent nutzen Teil II diese gewichtet und zu einer individuellen quantifizierten Gesamtaussage je Nachhaltigkeitsdimension zusammengefasst. Eine nachfolgende Summierung der dimensionsbezogenen, quantifizierten Gesamtaussagen ermöglicht in einem finalen Schritt ein Ranking aller Baulandpotenziale. Dies wird in den folgenden Abschnitten erläutert. Die Bewertung und Analyse der Wohnbaulandpotentiale erfolgt GIS-gestützt auf Basis der Flächennutzungspläne der Partnerkommunen. Die Bewertung wird auf vorhandene Wohnbaulandpotentiale beschränkt. 2.3.3 Ermittlung von Referenzwerten Die Beurteilung der einzelnen Indikatorausprägungen orientiert sich vorrangig an bestehenden städtebaulichen Referenz- und Orientierungswerten aus Literatur und Planungspraxis sowie lokalen Standards. 2.3.4 Anwendung Die Anwendung des Bewertungsrahmens von FIN.30 untergliedert sich in zwei Schwerpunkte: 1. Die Einbettung des Bewertungsrahmens in ein praktikables und anwenderfreundliches Decision Support System (DSS) mittels einer programmierten Benutzeroberfläche für die kommunale Planung als ein überaus wichtiger Bestandteil der Konzeption. Sie ermöglicht die klassifizierte Bewertung der Wohnbaulandpotenziale. 2. Die Vorbereitung eines Rankings, das die analysierten Wohnbaupotenziale hinsichtlich ihrer Eignung zur nachhaltigen Siedlungsentwicklung zusammenfasst. Es bietet eine stadtweite, kontinuierliche Darstellung der Eignungswerte aller Potenziale. In den drei Partnerkommunen werden jedoch mit dem Einsatz des Bewertungsrahmens sehr unterschiedliche Ziele verfolgt. Während in der Stadt Essen die Wohnbaulandbewertung im Rahmen des Planaufstellungsverfahrens des aktuellen Regionalen Flächennutzungsplanes (RFNP)33 von Bedeutung war, fokussierte die Stadt Euskirchen auf die Erstellung einer Prioritätenliste vorhandener Wohnbaupotenziale im aktuellen FNP und die Stadt Erftstadt auf eine Anwendung im Rahmen von Planänderungsverfahren. 2.3.5 Decision Support System - Benutzeroberfläche Das DSS dient der Anwendung des vorgestellten Bewertungsrahmens innerhalb der Flächennutzungsplanung. Es ermöglicht eine integrierte Flächenbewertung basierend auf kommunalen Grundlagendaten und berücksichtigt eine Standort- und leitbildspezifische Indikatorgewichtung durch den Anwender. Das DSS wird daher Anforderungen unterschiedlicher Akteure gerecht und ist auch auf andere Kommunen übertragbar. 33 Aufgrund der Tatsache, dass das Planaufstellungsverfahren zur Laufzeit des Forschungsprojektes noch nicht abgeschlossen war, sei hier erwähnt, dass die analysierten Flächenpotenziale für die Stadt Essen aus dem RFNP einem Entwurf des Plans aus dem Jahr 2008 entstammen und nicht flächendeckend mit der finalen genehmigten Version des Plans und seinen Inhalten übereinstimmen müssen. 22 FIN.30 - Flächen intelligent nutzen Teil II Abbildung 7: Desicion Support System FIN.30 Die Programmierung der Oberfläche erfolgt Visual Basic-gestützt und ermöglicht die Aggregation quantitativer und qualitativer Indikatoren in einer Benutzeroberfläche. Zur Erprobung und Optimierung des DSS sind zusammen mit den Partnerkommunen mehrere Planspiele34 durchgeführt worden. Hierbei standen neben der Praktikabilität des Bewertungsrahmens vor allem die Entscheidungsrelevanz, Kommunizierbarkeit und Anwenderfreundlichkeit der Oberfläche im Fokus. Zentrale Anforderungen seitens der Kommunen waren zudem Übersichtlichkeit, Praktikabilität, eine zusammenfassende Darstellung der Ergebnisse in einem Flächenbericht/Dossier sowie ein stadtweites Ranking der Baulandpotenziale. Die programmiertechnische Lösung findet von Seiten der kommunalen Partner im Konsortium von FIN.30 große Akzeptanz, reduziert Berührungsängste durch Implementierung in MS EXCEL. Dies forciert eine rasche Anwendung innerhalb der kommunalen Flächennutzungsplanung. Der Umfang der Dateneingaben und der abzuprüfenden Indikatoren ist mit den Anwendern in mehreren Praxistests35 erprobt worden. 34 Vgl. Kapitel 2.7 35 Siehe Planspiele FIN.30 23 FIN.30 - Flächen intelligent nutzen Teil II 2.3.6 Skalentransformation, Indikatoraggregation und -gewichtung Die integrierte Bewertung aller drei Dimensionen beinhaltet ein breites Spektrum von Datengrundlagen. Sie resultiert in unterschiedlichen Indikatorarten (qualitativ und quantitativ), die nebeneinander -selbst innerhalb einer Nachhaltigkeitsdimension - existieren. Um eine Aggregation aller Indikatoren zu einer finalen Gesamtaussage zu ermöglichen, erfolgt zunächst eine Transformation in einheitliche rangskalierte Klassenwerte (Werte 1, 2 und 3; siehe Abbildung 8). Hierbei werden drei Eignungsklassen bestimmt, die die unterschiedlichen Indikatorausprägungen abbilden und sich sowohl auf qualitative als auch quantitative Indikatoren übertragen lassen. Abbildung 8 zeigt drei unterschiedliche Indikatorklassen und ihre entsprechend möglichen Ausprägungen. Zur besseren Verständlichkeit wurden nicht mehr als drei Klassen (1, 2 und 3), die die Eignung einer Wohnbaufläche innerhalb einer nachhaltigen Siedlungsentwicklung abbildet, abgeleitet. Abbildung 8: Schema der Indikatortransformation Die folgende Aggregation aller Indikatoren zu individuellen quantifizierten Bewertungen innerhalb einer Nachhaltigkeitsdimension erfolgt unter Einbezug anwendergestützter Indikatorgewichtungen, welche durch die jeweiligen Anwender bzw. Entscheidungsträger vorgenommen werden (siehe Schritt 1 Abbildung 5). Daran angehängt liefert das DSS eine Übersetzung der quantitativen Bewertung in ein qualitatives Statement (vgl. Schritt 2 Abbildung 9). Folgende Systematik ist hierbei zugrunde gelegt: 24 FIN.30 - Flächen intelligent nutzen Teil II Ein Klassenwert bis 1,49 impliziert eine Majorität an Indikatorwerten von 1. Weisen alle Indikatoren einen Wert von 1 auf, so wird auch der aggregierte Eignungswert 1 sein. Der Wert 1,49 wird als Richtmarke gesetzt, ab der der Anteil an Indikatorwerten von 1 (uneingeschränkte Eignung) soweit abgenommen und Indikatoren der Wertigkeiten 2 (eingeschränkte Eignung) und 3 (keine Eignung) zugenommen haben, dass in Summe nicht mehr von einer uneingeschränkten Eignung gesprochen werden kann. Analog wird in der aggregierten Wertstufe 2 verfahren. Aggregierte Werte > 2,49 werden in der Gesamtaussage als ungeeignet dargestellt. Der restriktive Charakter des Bewertungsrahmens hat einer gleich großen Klassenverteilung entgegen gesprochen. Somit werden nur jene Bauflächen als geeignet eingestuft, deren Gesamtbewertung sich einem Optimalwert von 1 annähert. Auch die Einstufung als ungeeignet besetzt eine vergleichsweise kleine Klasse. Die Zuweisung der bedingten Eignung besetzt die größte Klasse und verfolgt den planungspraktischen Ansatz, dass jene Flächen von der Baulandentwicklung nicht pauschal auszuschließen sind, sondern lediglich einzelne Schwachstellen aufweisen, die ihre Eignung beeinträchtigen, aber nicht ausschließen. Eine nachfolgende gleichgewichtete Summierung der dimensionsbezogenen, quantifizierten Bewertungen zu einer Gesamtaussage ermöglicht in einem finalen Schritt ein Ranking aller Baulandpotenziale (vgl. Schritt 3 Abbildung 9). Je höher der Rankingwert ist, desto größer wird der Anteil an Indikatoren, die eine eingeschränkte (Wert 2) oder aber keine Eignung (Wert 3) aufweisen und somit die Eignung einer Fläche mindern. Abbildung 9: Indikatoraggregation und Flächenranking 25 FIN.30 - Flächen intelligent nutzen Teil II 2.3.7 Ranking Um dem Anspruch der Planungsrelevanz gerecht zu werden, liefert das Bewertungsmodell nicht nur eine standortspezifische Eignungsbewertung sondern bietet zudem die Möglichkeit des Rankings aller Wohnbaulandpotenziale einer Kommune. Hierfür werden die quantitativen Gesamtaussagen zur Nachhaltigkeit hinzugezogen. Es bietet dem Anwender eine schnelle und deutliche Übersicht hinsichtlich der Eignung aller Wohnbaulandpotenziale der Kommune unter Nachhaltigkeitsaspekten und liefert somit wesentliche strategische und entscheidungsrelevante Inputs innerhalb eines Planaufstellungs- oder Änderungsverfahrens. Das Ranking selbst erfolgt in einer kontinuierlichen Darstellung36 MS Office-basiert basiert und wird GISGIS gestützt abgebildet (siehe Abbildung 10 am Beispiel der Stadt Euskirchen). Grün eingefärbte Flächen indizieren eine sehr gute ute Eignung zur Wohnbaulandentwicklung in den drei Nachhaltigkeitsdimensionen. Sie implizieren die reduzierte Inanspruchnahme natürlicher Ressourcen, eine gute Erreichbarkeit sozialer und technischer Infrastruktur, ein qualitativ hochwertiges Wohnumfeld sowie wie eine wirtschaftlich tragfähige Siedlungsentwicklung. Das Ende der Skala wird durch rote Flächen markiert, die angesichts der drei Nachhaltigkeitsdimensionen als ungeeignet bewertet wurden. Somit ermöglicht das Flächenranking eine Vorabbewertung und räumliche räu Einordnung der Wohnbaulandpotenziale auf der strategischen Ebene des Flächennutzungsplans und eine erste räumliche Einordnung jeder Fläche in die sie umgebenden Strukturen. Abbildung 10:: Ranking der Euskirchener Wohnbaupotenziale (Kartengrundlage ALK Euskirchen 2007) 36 Hierbei wird auf einen Bezug zu den vorher definierten drei Eignungsklassen verzichtet. 26 FIN.30 - Flächen intelligent nutzen Teil II 2.4 Ökologie Der Aspekt „Ökologie“ wird im Städtebau meist in Zusammenhang mit dem Begriff der nachhaltigen Stadtentwicklung genannt. Mehrheitlich ist der Bereich der Ökologie im urbanen Raum mit Ressourcenschonung im Sinne von Nachhaltigkeit und der Sicherstellung der Fähigkeit von Städten als stark überprägte Ökosysteme zur Selbstregeneration verbunden. Ausgehend vom 30-haFlächensparziel wird deutlich, dass die aktuelle Debatte zum Flächensparen noch vorrangig ausgerichtet ist auf die turnusmäßig ermittelte Umwidmungsrate von Freifläche in Siedlungs- und Verkehrsfläche. Jedoch verkennt eine derartig quantitative Herangehensweise die ökologischen Auswirkungen der Flächeninanspruchnahme und liefert keinerlei Handlungsanweisungen für die kommunale Planung bzw. Hinweise zur planungspraktischen Umsetzung. Stattdessen muss hier von einer Bagatellisierung der Flächeninanspruchnahme gesprochen werden. 37 Die Bewertung einer aus ökologischer Sicht verträglichen Siedlungsentwicklung ist restriktiver Natur. Da Siedlungswachstum stets als negativer Einfluss auf das Ökosystem angesehen wird38, werden künftige Wohnbaulandpotenziale einer Gemeinde vor dem Hintergrund einer reduzierten Inanspruchnahme natürlicher Ressourcen bewertet. Dies bedeutet ein Favorisieren von ohnehin stark anthropogen beeinflussten und veränderten Standorten im Gegensatz zu naturnahen Standorten, die in vergleichbar hohem Maße Ökosystemfunktionen innerhalb einer Stadt erhalten. Die Bewertung der Dimension Ökologie und die Ableitung entsprechender Indikatoren erfolgt in drei Kategorien „Ökologische Flächenleistung“, „Ressourcenschonung“ und „natürliche 39 Risikopotenziale“ . Im Rahmen der ersten Kategorie steht die Bewertung von Wohnbaulandpotenzialen angesichts der per se durch die Neuausweisung beanspruchten Ressourcen, Schutzgüter und Ökosystemfunktionen40 zentral. Es wurden quantifizierbare und planungsorientierte Indikatoren zur Abbildung ausgewählter Ökosystemfunktionen (z.B. Klimaregulation)41erarbeitet, welche im Zuge der Siedlungsentwicklung beansprucht werden. Die zweite Kategorie fokussiert auf die Inanspruchnahme natürlicher, vorhandener Ressourcen (z.B. hochqualitative Ackerböden, Biotopverbundsysteme) und Schutzgebiete. Schon auf der strategischen Planungsebene FNP soll transparent gemacht werden, welcher ökologische Nutzen durch unbedachte Baulandausweisung letztlich unwiederbringlich verloren geht und an welcher Stelle eine Wohnbaulandentwicklung angesichts ökologischer Einflussfaktoren am ehesten dem Gebot der Nachhaltigkeit entspricht. Für die Analyse der Ökosystemfunktionen wurden die Landnutzungsdaten der ALK (Folie 21) mit zusätzlichen Attributen hinsichtlich Klimaregulation und Biotopqualität in Abhängigkeit von der Landnutzungsart nach dem Ansatz von Singer (1995) zur stadtökologischen Wertigkeit von Freiflächen in Nordrhein-Westfalen versehen. Ein dritter Schwerpunkt der Dimension „Ökologie“ ist das Schaffen von Transparenz gegenüber externen, natürlichen Risiken in Bezug auf eine zusätzliche Baulandausweisung. Angesprochen werden in dieser dritten Kategorie die Lagen künftiger Siedlungsflächen in hochwassergefährdeten Gebieten sowie das zunehmende Risiko durch Extremhochwässer. Des Weiteren wird in 37 SIEDENTOP 2002 38 DOUGLAS 1983 IN PRIEGO ET AL. 2008; DE RIDDER ET AL. 2004 39 KÖTTER ET AL. 2009, 2009*, SCHETKE ET AL. (**) sowie SCHETKE ET AL. 2009 40 DE GROOT ET AL. 2002; COSTANZA ET AL. 1997; KÖTTER ET AL. 2009b 41 vgl. COSTANZA ET AL. 1997; MEA 2005; SCHETKE ET AL.* 27 FIN.30 - Flächen intelligent nutzen Teil II hydrologischer Sicht die unmittelbare Beeinflussung von aktuell anstehendem Grundwasser bzw. durch sich künftig langfristig veränderten Grundwasserzuständen (z.B. durch Aufgabe der Bergbautätigkeit) betrachtet und in die Standortbewertung einbezogen. Die Auswahl aller Indikatoren erfolgte in enger Abstimmung mit den kommunalen Vertretern der Partnerkommunen, in Anlehnung an empirische Kenntnisse der Ermittlung von Nachhaltigkeitsindikatoren sowie unter Voraussetzung der GIS-gestützten Abbildung durch kommunale Datensätze. 2.4.1 Kategorie „Ökologische Flächenleistung“ Siedlungswachstum beeinflusst in hohem Maße urbane Ökosysteme und ihre Funktionen durch Zerschneidung, Isolierung und Degradation natürlicher Habitate42. Dies betrifft vielmehr ganz konkrete Prozesse, die Strukturen von Biodiversität, Mikroklima und dem Vorherrschen natürlicher Ressourcen steuern43. „Durch die Inanspruchnahme von Freifläche für Siedlung und Verkehr wird die ökologische Flächenleistung, und insofern auch die ökologische Qualität, zugunsten sozioökonomischer Flächenleistungen eingeschränkt.“44 Die folgenden Abschnitte geben einen Einblick in die Operationalisierung des Begriffs der ökologischen Flächenleistung in den Kriterien Grünqualität/städtebauliche Hygiene, ökologische Produktivität sowie Grünquantität, die in entsprechenden Indikatoren umgesetzt werden. 2.4.1.1 Kriterium „Grünqualität/städtebauliche Hygiene“ Nicht nur die Quantität von urbanen Grün- und Freiflächen sondern vor allem ihre Ausstattung45 und somit ihre Qualität hat maßgeblichen stadtökologischen Einfluss auf Aspekte der Klimaregulation und Schadstoffbindung sowie auf die Fähigkeit des Grüns, als Habitat für Flora und Fauna zu fungieren46. Indikator „Regulationseffekte“ Frei- und Grünflächen wirken maßgeblich auf Temperaturausgleich, Frischluftproduktion, Luftbefeuchtung und Schadstoffabsorption und entfalten somit ihre Klima-regulatorische Wirkung. Innerhalb der Baulandbewertung werden besonders klimawirksame Landnutzungsgarten restriktiv behandelt, da diese Ressourcen geschont und eine Neubebauung dieser Flächen vermieden werden soll. Diese Fähigkeiten werden vermehrt Wasserflächen, Bahntrassen, Gehölz-, Park und Waldflächen beigemessen. Die Ermittlung der Klimawirksamkeit einzelner Strukturen innerhalb des Siedlungsgefüges erfolgt gemäß dem Ansatz von Singer (1995), der einen Ansatz zu Allokation von Wertstufen die ökologischen Leistungsfähigkeit von Landnutzungsklassen gemäß der ALK47 erarbeitet hat48. Die Abstufung der Regulationsfähigkeit der Freiflächenanteile der einzelnen Landnutzungsklassen der ALK erfolgt in fünf Klassen (0= sehr niedrig bis 4= sehr hoch). 42 ALBERTI 2005; GÄLZER 2001 43 ALBERTI 2005 44 ARLT ET AL. 2001, S. 28 45 Hierbei ist nach GÄLZER 2001 (S. 28) die Blattmasse gemeint. 46 SINGER 1995 47 Automatisierte Liegenschaftskarte (ALK) 48 SINGER 1995 28 FIN.30 - Flächen intelligent nutzen Teil II Räumliche Skala: Die Flächenbewertung erfolgt anhand eines 500x500m-Rasters. Diese Rastergröße wurde gewählt, um die klimatischen Eigenschaften der Baufläche und ihrer näheren Umgebung abzubilden49. Die Indikatorbewertung erfolgt über Kalkulation des gewichteten Mittelwertes der Klimaklassen, die aufgrund der Landnutzungsarten innerhalb einer Baufläche vertreten sind, zugewiesen werden können. Aufgrund der Größe mancher Bauflächen und zur Vermeidung von Mischergebnissen wird auf eine kleinere Rasterung verzichtet. 2.4.1.2 Kriterium „Ökologische Produktivität“ In Anlehnung an das vorherige Kriterium werden unter dem Begriff der ökologischen Produktivität Leistungen unterschiedlicher Landnutzungsarten und –muster hinsichtlich assoziierter Ökosystemdienstleistungen verstanden, die letztlich unterschiedliche Ökosystemfunktionen bestimmen50. Im Grundsatz erfüllen Flächen „in der Regel mehrere Funktionen in einem unterschiedlichen Grade. Die Leistungen der Flächen sind durch die Nutzungsart determiniert und lassen nutzungsartenspezifische Profile erkennen.“51 Die nachfolgenden Indikatoren beziehen diesen Ansatz der Flächenleistung exemplarisch auf die Betrachtung des Vermögens/der Qualität einer Fläche erstens als Biotop zu agieren und zweitens zur Grundwasserneubildung beizutragen. Zusammengefasst wird dies zunächst unter dem Begriff „ökologische Produktivität“. Indikator „Biotopqualität/ Naturausstattung“ Dieser Indikator beschreibt das Leistungsvermögen unterschiedlicher Landnutzungsarten Lebensräume für Flora und Fauna darzustellen und deren Lebensprozesse zu beeinflussen, aufrechtzuerhalten und gegebenenfalls wiederherzustellen. Städtische Flächen weisen in Abhängigkeit von Versiegelungsgrad, Nutzungsintensität/ -Art und Fugen- und Porenanteil52 bedeckungsspezifische Charakteristika in der Ausprägung biotischer und abiotischer Faktoren auf. Die Quantifizierung dieses Indikators erfolgt gemäß dem Ansatz von SINGER (1995) zur Ermittlung ökologischer Leistungsfähigkeit urbaner Freiflächen auf Basis der Nutzungsartenklassifizierung der ALK53,54. Räumliche Skala: Die Flächenbewertung erfolgt anhand eines 500x500m-Rasters. Diese Rastergröße wurde gewählt, um die biotischen Eigenschaften in der näheren Umgebung abzubilden. Die Indikatorzuweisung erfolgt über die Kalkulation des gewichteten Mittelwertes der Biotopklassen, die innerhalb einer Baufläche vertreten sind. Aufgrund der Größe mancher Bauflächen und zur Vermeidung von Mischergebnissen wird auf eine kleinere Rasterung verzichtet. 49 z.B. STADT LEIPZIG 2004, STADT BERLIN 2009 50 COSTANZA ET AL. 1997 51 ARLT & LEHMANN 2005, S.7 52 ARLT & LEHMANN 2005; ARLT ET AL. 2001 53 SINGER 1995 54 Parallel zu der Attributierung der ALK nach SINGER (1995) wurden innerhalb des Projekts Biotopwerte basierend auf der Biotopwertliste der LÖBF auf die Nutzungsarten der ALK angewendet. Diese liegen der Eingriffs-Ausgleichs-Regelung zugrunde und sind vorrangig zur Kostenkalkulation innerhalb der Ermittlung der Kosten für Ausgleichsmaßnahmen im Bereich der Ökonomie von hoher Bedeutung, da die Vergabe von Ökopunkten an dieser Biotopwertliste orientiert ist. Für den hier vorliegenden Indikator ist dies jedoch nicht vorrangig von Bedeutung und der pauschale Ansatz von Singer sehr aussagekräftig. 29 FIN.30 - Flächen intelligent nutzen Teil II Indikator „Versickerungspotenzial“ In besiedelten Gebieten bleibt dem Regenwasser wenig Raum, um auf natürlichem Wege zu versickern. So gelangt ein Großteil der Niederschläge in die Kanalisation. Bei Starkregen kann es zur Überlastung der Kanäle kommen. Wenn Kanäle und Flüsse große Regenmengen nicht mehr aufnehmen können, steigt die Gefahr von Überschwemmungen und Hochwasser55. Die Versickerungsfähigkeit einer Fläche aufgrund durchlässiger Bodenbedeckung ist in der Baulandentwicklung - insbesondere in Gebieten mit hohen und steigenden Versiegelungsraten – im Rahmen eines dezentralen Regenwassermanagements von erheblicher Relevanz56. Jene Baulandpotenziale, die ein solches Management durch entsprechende Versickerungsfähigkeit des Baugrundes57 begünstigen, werden positiv bewertet und implizieren zu erhaltenden positive ökologischer Leistungen wie z.B. den Erhalt der hydrologischen Regulationsfunktion, verminderte Extremereignisse und einen reduzierten Eingriff in den Gebietswasserhaushalt. Zudem können aus ökonomischer Sicht Erschließungskosten für eventuelle Kanalerweiterungen reduziert werden. Die Grundwasserneubildungsrate ist mittels der Bodenkarte 50 über den Kf-Wert, der die Versickerungsleistung darstellt, herzuleiten. 2.4.1.3 Kriterium „Grünquantität“ Das Kriterium „Grünquantität“ wird aus ökologischer Hinsicht durch seinen qualifizierten Beitrag für das Ökosystem und als Betrachtung unzerschnittener Landschaftsräume verstanden. Hinsichtlich der Bewertung neuer Wohnbaulandpotenziale wird hierbei ein sehr restriktiver Ansatz vertreten und davon ausgegangen, dass die Realisierung neuer Wohnbaugebiete außerhalb entsprechender Grünverbundsysteme zu erfolgen hat. Aussagen hingegen über die quantitative Grünausstattung in Bezug auf den Menschen und den Einfluss auf die Lebensqualität von Stadtbürgern durch Stadtgrün werden innerhalb der Dimension „Soziales“ aufgeführt. Indikator „Isolation/ Inanspruchnahme von Biotopverbundflächen“ „Die Lebensraumzerschneidung wird als Hauptgrund für die Minderung der ökologischen Bedingungen betrachtet, insbesondere in Stadtregionen.“58 Verbunden mit geringen Flächengrößen und erhöhten Randeffekten ist die Isolation einer Population die Hauptursache für den Verlust ökologischer Qualität59. Andererseits sollten hier die Aspekte Qualität und Bedeutung einer Grünfläche für das Umfeld nicht vernachlässigt werden. Um diesen Aspekt aufzugreifen und dennoch die Praktikabilität des Indikators zu gewährleisten, werden nicht alle Grünflächen in die Bewertung einbezogen sondern entsprechend erfasste Biotopverbundflächen hoher und besonderer Bedeutung60. 55 BREMER UMWELTBERATUNG 2009 56 GÖBEL ET AL. (2007) 57 Kf-Wert 58 URGE-FORSCHERGRUPPE (zit. aus www.urgeproject.ufz.de/CD/Part_2_Toolbox/3_ICC_SiteLevel/ICC_SiteLevel_German_Crit_1.pdf) 59 ebd 60 Von einer Kalkulation des Zerschneidungsgrades auf Basis der ALK wurde abgesehen, da Aussagen über die Art bestehender (Mauer, Gewässer) oder neuer Hindernisse durch zusätzliche Bebauung innerhalb einer schnellen und praktikablen Erhebung der Grundlagendaten nicht automatisiert durchgeführt werden kann. Weiterhin ergeben sich hinsichtlich der Habitatcharakteristik (Größe, Form), der maximalen Entfernung und den Ansprüchen verschiedener Spezies (Habitatgröße, maximal zulässige Distanz, Aktionsradius, Anfälligkeit gegenüber äußeren Einwirkungen) eine Vielzahl von Fragen, die mittels eine Erreichbarkeitsanalyse mit Daten der ALK nicht geklärt werden können. Ein generalisierter Ansatz mittels der Analyse von definierten Biotopverbundflächen liefert hierbei für alle Teilbereich eine optimale Lösung. 30 FIN.30 - Flächen intelligent nutzen Teil II 2.4.2 Kategorie „Ressourcenschonung“ Folgende Kategorie fokussiert auf den Erhalt einzelner Ressourcen innerhalb der Baulandbereitstellung und des Siedlungswachstums. In Anlehnung an SCHETKE ET AL. 2009 & KÖTTER ET 61 AL. 2009a wird eine Übersetzung dieses Anspruch in messbare Indikatoren in den Schwerpunkten des Bodenschutzes und dem Erhalt seiner natürlichen Produktionsfunktion sowie dem Erhalt von Schutzgebieten vorgenommen. In dieser Kategorie wird der restriktive Schwerpunkt der Dimension „Ökologie“ und die eingangs geforderte qualitativ ausgerichtete Bewertung der Effekte des Flächenverbrauchs deutlich hervorgehoben. 2.4.2.1 Kriterium „Konservierung“ Die Ressource Boden wird hinsichtlich des quantitativen Verbrauchs durch die Betrachtung der Variabilität des mittleren Versiegelungsgrades durch neue Bebauung sowie hinsichtlich des Qualitätskriteriums Bodenqualität und den damit verbundenen Verbrauch von landwirtschaftlich wichtigen Ertragsflächen betrachtet. Die Vermeidung der Inanspruchnahme von Schutzgebieten innerhalb der Siedlungsentwicklung erfolgt angesichts unterschiedlicher Schutzgebietskategorien und betrachtet dabei die natürlichen Ressourcen Wasser, Flora und Fauna. Indikator „Versiegelungsgrad“ Als zentrale Problemstellung in Bezug auf die fortschreitende Flächeninanspruchnahme wird die zunehmende Bodenversiegelung erachtet, da sie maßgeblich für Ressourcenverbrauch und den Verlust der Selbstregulations- und Regenrationsfähigkeit natürlicher Systeme verantwortlich ist.62 Obwohl zahlreiche Studien die Bemessung anhand charakteristischer Zahlen zu einzelnen Stadtstrukturtypen und Flächennutzungsarten63 ermöglichen, so wird dennoch im Rahmen der Baulandbewertung auf amtliche Planungsgrundlagen der Partnerkommunen und lokale Zielvorgaben/ Standards zurückgegriffen. Der Indikator gibt angesichts der Bemessung an lokalen Standards Aussage darüber, inwiefern lokale Mittelwerte durch Neubebauung überschritten werden würden oder ob eine zusätzliche Versiegelung teilversiegelter Gebiete einer kompletten Neuversiegelung unbeanspruchter Flächen vorzuziehen ist.64 Die Quantifizierung dieses Indikators erfolgt gemäß dem Ansatz von Singer (1995) zur Ermittlung ökologischer Leistungsfähigkeit urbaner Freiflächen auf Basis der Nutzungsartenklassifizierung der ALK. Räumliche Skala: Die Flächenbewertung erfolgt anhand eines 500x500m-Rasters. Diese Rastergröße wurde gewählt, um die bodenbezogenen Eigenschaften in der näheren Umgebung abzubilden. Die Indikatorzuweisung erfolgt mittels des gewichteten Mittelwertes der Versiegelungsklassen, die innerhalb einer Baufläche vertreten sind. Aufgrund der Größe mancher Bauflächen und zur Vermeidung von Mischergebnissen wird auf eine kleinere Rasterung verzichtet. Indikator „Inanspruchnahme von Schutzgebieten“ Innerhalb dieses integrativen Indikators soll zum einen der Schutz von Landschafts- und Naturschutzgebieten vor Bebauung als auch die zu vermeidende Bebauung in Wasserschutzgebieten 61 siehe auch SCHETKE ET AL. (**) 62 BM Raumordnung, Bauwesen und Städtebau 1992; Biehler 1999 63 z.B. STADT BERLIN 2007; ARLT & LEHMANN 2005 64 Der Versiegelungsgrad beeinflusst maßgeblich weitere Größen des Gebietswasserhaushalts (u.a. Versickerung, Oberflächenabfluss und Evapotranspiration). Aufgrund der Handhabbarkeit des Bewertungsrahmens werden diese in die Bewertung nicht direkt einbezogen. 31 FIN.30 - Flächen intelligent nutzen Teil II aufgeführt werden. Als gesetzlich definierte Ausschlussgebiete65, welche nicht bebaut werden dürfen, werden Natur- und Landschaftsschutzgebiete, Natura2000-Flächen, geschützte Biotope nach § 62 Bundesnaturschutzgesetz (BNatSchG), sonstige schützenswerte Biotope66 sowie Wasserschutzgebiete der Zonen 1 (unmittelbares Fassungsgebiet) und 2 (Anstromzeit min. 50 Tage) einbezogen. Dieser Indikator bezieht sich - ausgenommen der Wasserschutzgebiete - nicht nur auf die unmittelbare flächenmäßige Inanspruchnahme eines Schutzgebietes durch neuerliche Bebauung sondern greift auch kritische Entfernungen zum Schutzgebiet auf. In Anlehnung an GENELETTI ET AL. (2007) wird Wohnbebauung in zwei Abstufungen (250 und 500m) als negativer Einfluss für ein bestehendes Schutzgebiet gewertet und ein entsprechender „Schutzpuffer“ zur weit reichenden Berücksichtigung der Empfindlichkeit eines Schutzgebiets in die Bewertung einbezogen67. Indikator „Bodenqualität“/ „Ertragssicherheit“ Grundsätzlich ist die fortschreitende Inanspruchnahme der Ressource Boden kritisch zu bewerten, erfordert jedoch im Zuge einer kommunizierbaren Baulandbewertung die Abstufung hinsichtlich der Schwere und Konsequenzen des Eingriffs. Innerhalb der Bauleitplanung wird die konkrete Betrachtung schutzwürdiger und qualitativ hochwertiger Böden nur unzureichend durchgeführt bzw. gar missachtet. So ist in der Eingriffsregelung der Bereich Boden nicht abgedeckt und erfordert somit auch nicht den – wie auch immer gearteten – Ausgleich der in Anspruch genommenen Flächen. Dieser Indikator geht auf Basis der vorhandenen digitalen Bodeninformationssysteme68 unter Einbeziehung der Bodenwertzahl69 auf diese Belange ein und bewertet die assoziierten Ökosystemdienstleistungen im Bereich der Nahrungsmittel- und Energiepflanzenproduktion, die im Zuge der Baulandentwicklung erhalten werden sollen. An dieser Stelle sei auf § 1a BauGB (Bodenschutzklausel) verwiesen, der einen sparsamen Umgang mit Grund und Boden gesetzlich vorschreibt. 2.4.3 Kategorie „Risikopotential“ Die Kategorie „Risikopotential“ betrachtet die Vulnerabilität von Siedlungsstrukturen gegenüber äußeren Umwelteinflüssen und aufgrund natürlicher Standortcharakteristika, die im Rahmen der Baulandentwicklung unter Beachtung rechtlicher Rahmenbedingungen sowie ökonomischer und sozialer Effekte in die Baulandbewertung integriert werden müssen. 65 Das Thema Artenschutz und entsprechende erforderliche Schutzmaßnahmen im Zuge der Bauleitplanung wurden zugunsten der Praktikabilität des Bewertungsverfahrens zunächst nicht berücksichtigt. 66 Soweit diese im Biotopkataster des LANUV erfasst sind. 67 Ein weiterer Grund für die Integration von Puffergebieten ergibt sich aus der Tatsache, dass die Baulandpotenziale aus den jeweiligen FNP bzw. RFNP abgeleitet sind und folglich nicht parzellenscharf vorliegen. 68 Es sei jedoch an dieser Stelle erwähnt, dass die der Untersuchung zu Grunde liegende Bodenkarte zwei Unsicherheiten aufweist. Zum einen führt ihr Maßstab 1: 50.000 innerhalb einer großmaßstäblichen Standortbetrachtung zu ungenauer räumlicher Abgrenzung der Bodenmerkmale. Zum anderen ist eine qualitativ umfassende Einschätzung der Bodencharakteristika innerhalb der städtischen Innenbereiche immer mit dem Manko behaftet, dass es sich hierbei meist um überprägte Stadtböden handelt. Zudem führt eine mangelnde Aktualität zur Nichtbeachtung eingetretener Veränderungen in der Landnutzungsstruktur und der fortgeschrittenen Überprägung der Böden. 69 Vgl. Anhang 2 32 FIN.30 - Flächen intelligent nutzen 2.4.3.1 Teil II Kriterium „Hydrodynamik“ Aspekte der Sicherheit (wie z.B. die Gefährdung durch Hochwasserereignisse aber auch ökonomische Effekte (z.B. verminderte Baugrundqualität aufgrund anstehenden Grundwassers) werden in die Vorabwertung neuer Bauflächen implementiert70. Indikator „Grundwasserbeeinflussung“ Aus ökologischen und baustatischen Gründen und in Hinblick auf Entwicklungskosten einer Baufläche ist die Beeinflussung des Baugrundes durch anstehendes Grundwasser zu berücksichtigen. Aus ökologischer Sicht ist dies zudem vor dem Hintergrund einer Beeinflussung des Grundwasserkörpers durch lokalen Veränderungen des Grundwasserspiegels (>Flurabstand) und möglicher Beeinflussung der Baugrundstabilität durch Senkungen kritisch zu hinterfragen. Zur Untermauerung des Indikators bei Datenlücken wird hier auf hydrologischen Grundlagendaten zum Grundwasserstand und seinem Anstieg bzw. auf Lagedaten zu Auenböden zurückgegriffen, da auch hier von einer Grundwasserbeeinflussung auszugehen ist71,72. Indikator „Hochwassergefährdung“ Ein weiterer hydrologischer Aspekt im Bereich der Baulandentwicklung ist die Hochwassergefährdung. Abstufungen hinsichtlich der Gefährdung und der Eintrittswahrscheinlichkeit eines Hochwassers wurden gemäß Wasserhaushaltsgesetz übernommen. So hat sich das 100jährliche Hochwasser (HQ-100-Gebiete) in der bisherigen Praxis weitgehend als maßgebendes Bemessungshochwasser bewährt.73 HQ-200-Gebiete sind für die Partnerkommunen aktuell noch nicht flächendeckend dargestellt. Jedoch werden innerhalb des Indikators neben den kalkulierten HQ-Gebieten zusätzlich rückgewinnbare und potentielle (bei Versagen der Deichanlagen) Überschwemmungsgebiete für eine Bewertung hinzugezogen. Historisch verzeichnete Überschwemmungsgebiete (z.B. preußischer Hochwassergebiete) spiegeln nicht den tatsächlichen Stand der Hochwassergefährdung wider. Es wird von einer vollständigen Außerachtlassung dieser Informationen abgesehen, wenngleich diese in ihrer Ausdehnung von gesetzlich festgesetzten Überschwemmungsgebieten abweichen. Eine Berücksichtigung dieser Daten ist letztlich den Anwendern überlassen. Unter Berücksichtigung des aktuellen Klimawandels sowie der Zunahme von 70 Veränderungen der hydrologischen Rahmenbedingungen durch Bergbautätigkeit in den Untersuchungsgebieten wurde entsprechend der Datengrundlagen in Auszügen in die Bewertung integriert. 71 Dies betrifft das Stadtgebiet Euskirchen. Für die Stadt Essen lagen keinerlei flächendeckende Daten zum Grundwasserregime vor. 72 Nach Rücksprache mit dem Erftverband im Jahr 2008 ist für die Gemeinden Erftstadt und Euskirchen eine Veränderung des Grundwasserspiegels nach Aufgabe der bergbaulichen Tätigkeiten im Gebiet Kerpener Bruch mit dem Jahr 2045 aufgrund aktueller Modellierungen anzunehmen. Derzeit erfolgt in diesem Gebiete eine künstliche Absenkung des Grundwasserspiegels. Gleichzeitig dient es so bei Starkregenereignissen als unterirdische Retentionsfläche. Liegt der Grundwasserspiegel unter Erftstadt aktuell bei 100m unter Flur, so wird nach 2045 der Grundwasserspiegel wieder einen bergbauunbeeinflussten Stand von ca. 1955 annehmen. Das heißt, dass die Erftanlieger südlich von Gymnich in ca. 100 Jahren mit einem höher anstehenden Grundwasserspiegel zu rechnen haben. Gerade im Südwesten der Stadt Erftstadt (Bereich Erp) liegen nach erster Sondierung der Datenbestände des Erftverbandes dann Flurabstände von 2 bis 20m vor. Auch in Euskirchen besteht in Teilen der Stadt die Gefahr durch eine nachträgliche Grundwasserbeeinflussung nach dem Jahr 2045. Diese Prognosen sollten vor dem Hintergrund einer nachhaltigen Siedlungsentwicklung und für die Ausweisung neuer Bauflächen in Betracht gezogen werden. An dieser Stelle ist jedoch anzumerken, dass unter vorhandenen Siedlungsflächen, die möglicherweise grundwasserbeeinflusst sein dürften, der Grundwasserspiegel nach 2045 künstlich abgesenkt sein wird. Dieser Indikator schließt einer Besiedelung der betroffenen Flächen nicht aus, sollte jedoch auch vor dem Hintergrund hoher Investitionskosten- bzw. Unterhaltungskosten beachten werden. 73 Gesetzesentwurf der Bundesregierung zur Verbesserung des vorbeugenden Hochwasserschutzes (http://dip.bundestag.de/btd/15/031/1503168.pdf), Stand 21.05.2004 33 FIN.30 - Flächen intelligent nutzen Teil II Starkregenereignissen ist eine Berücksichtigung aller festgestellten Überschwemmungsgebiete zu befürworten.74 Folglich muss dem vorbeugenden Hochwasserschutz hier eine besondere Bedeutung für eine nachhaltige Siedlungsentwicklung zugemessen werden. 2.4.4 Nicht berücksichtigte Aspekte in der ökologischen Dimension Um Überschaubarkeit und Anwendbarkeit des Bewertungsrahmens zu gewährleisten, musste auf die Integration der folgenden Themenschwerpunkte, ungeachtet ihrer Relevanz im Rahmen einer ressourcenschonenden Siedlungsentwicklung, verzichtet werden. Die projektbegleitenden Arbeitskreise mit kommunalen Vertretern aus der Planungspraxis erbrachten letztlich ein inhaltlich reduziertes jedoch auf seine Planungsrelevanz und Plausibilität geprüftes Indikatorenset. Kategorie Effektivität der Flächennutzung: Über die Verbindung zwischen stetig zunehmender Flächeninanspruchnahme für Siedlungs- und Verkehrsflächen im suburbanen Raum und damit einhergehend geringen Siedlungsdichten, zunehmender Verkehrsbelastung75 und stattdessen fortschreitender Landschaftszerschneidung besteht kein Zweifel76. Jedoch ist aufgrund fehlender historischer Verlaufsdaten zur Landnutzung eine Kalkulation entsprechender Referenzdatensätze zur Abbildung einer effektiven Flächennutzung durch Kriterien der städtebaulichen Dichte und einer dynamischen Veränderung der Landschaftsstruktur nicht möglich. Zudem ist eine Kalkulation entsprechender Referenzwerte, an denen quantifizierbare Indikatoren abgebildet werden können (wie z.B. Verhältnis Innen- zu Außenentwicklung) wissenschaftlich und empirisch nicht abgesichert, um innerhalb der Flächennutzungsplanung zum Einsatz zu kommen. Kriterium Energie: Eine ressourcenschonende Siedlungsentwicklung ist u.a. gekennzeichnet durch eine energiebewusste Planung, die schon auf Ebene des Flächennutzungsplans Anwendung findet. Sie zeichnet sich unter anderem durch die passive Solarenergienutzung aus, die durch Standort, Topographie, Durchlüftungs- und klimatische Verhältnisse bestimmt wird77. Jedoch ist aufgrund fehlender Datensätze eine automatisierte Abbildung aller Einflussfaktoren zur Abbildung des Lokalklimas nicht möglich. Konkrete Aspekte wie z.B. die Gebäudestellung und die Verwendung entsprechender Baumaterialien werden auf FNP-Ebene nicht abgebildet. 74 Ähnlich wie beim Indikator „Grundwasserflurabstand“ müssen die lokalen Bergbautätigkeiten und vielmehr die geologischen Spezifika und die mit ihnen verbundenen veränderten Hochwasserbedingungen einbezogen werden. Beispielsweise profitieren die Erftanlieger unterhalb von Gymnich in Bezug auf den Hochwasserschutz heute deutlich von den Auswirkungen des Braunkohlenbergbaus. „Aufgrund der Absenkung des Grundwasserstandes kann gegenwärtig im 3 Bereich Kerpener Bruch/ Parrig eine Abflussmenge von bis zu 30 m /s versickern. Nach Beendigung der Tagebauaktivitäten und Wiederanstieg des Grundwasserstandes wird dieses unterirdische Hochwasserrückhaltebecken weitestgehend wieder entfallen. Das zukünftige Überschwemmungsgebiet wird sich gegenüber dem heutigen Zustand daher deutlich vergrößern. Um Hochwasserschäden auch in der langfristigen Perspektive zu vermeiden, ist es auf Grundlage dieser Erkenntnisse geboten, die prognostizierten Überschwemmungsgebiete auch nach Anstieg des Grundwasserstandes von Bebauung freizuhalten.“ (Erftverband Jahresbericht 2005 Teil 3, S. 45) 75 vgl. EWING ET AL. 2002 76 BURNS & HAWLEY 1989 77 KORDA 2005 34 FIN.30 - Flächen intelligent nutzen Teil II Kriterium Flächenkreislauf: Eine nachhaltige Flächenhaushaltspolitik erfordert neben der verträglichen Steuerung des Siedlungswachstums eine Ausschöpfung vorhandener Potenziale und eine verstärkte Nutzung des Bestands78. Ein Umdenken von der Siedlungsexpansion hin zu Bestandserneuerung und Flächenrecycling79 ist im Rahmen einer ressourcenschonenden Siedlungsentwicklung unerlässlich. „Die Wiedernutzung und den Umbau bestehender und brachliegender Flächenpotenziale zu fördern, und dabei eine deutliche Reduzierung der Inanspruchnahme von Freiflächen für Siedlungserweiterungen zu bewirken, sind wesentliche Ziele der Flächenhaushaltspolitik, wie sie auch in der nationalen Nachhaltigkeitsstrategie verankert sind.“80. Jedoch können diese Aspekte wegen fehlender GIS-gestützter Grundlagendaten nicht abgebildet werden. Zudem ist eine automatisierte Bewertung des Beitrags künftiger Wohnbaulandpotenziale auf FNP-Ebene innerhalb einer Flächenkreislaufwirtschaft schwer umsetzbar. Ein Manko besteht jedoch an der wissenschaftlich und empirisch abgesicherten Kalkulation von Referenzwerten (z.B. Anteil von Brachflächen am Gesamtvolumen der örtlichen Baulandentwicklung im Verlauf), die die Bewertung der Baulandpotenziale erst ermöglichen und den Effekten des Flächenrecyclings im Rahmen einer Trendanalyse. Zudem ist eine Vergleichbarkeit der Baulandentwicklung im Innen- und Außenbereich im Rahmen eines Flächenrecyclings äußerst fehlerbehaftet, da Flächengrößen in beiden Bereichen sehr unterschiedlich sind und somit eine direkte Gegenüberstellung nicht aussagekräftig ist. 78 BMVBS, BBR 2007 79 BMVBS, BBR 2006 80 http://www.flaeche-im-kreis.de/veroeffentlichungen/flaeche-im-kreis-flyer.pdf (Stand Mai 2004) 35 FIN.30 - Flächen intelligent nutzen Teil II 2.5 Soziales Die Schwerpunkte der Dimension „Soziales“ liegen auf der Eignungsprüfung vorhandener Wohnbaupotenziale unter der Betrachtung ihrer Lebens- und Wohnumfeldqualität81. „Lebensqualität“ (Quality of Life) wurde in den letzten Jahren innerhalb verschiedener Ansätze in der Wissenschaft vielfältig operationalisiert und diskutiert82. In der Diskussion um eine forcierte Innenentwicklung nimmt sie eine zentrale und entscheidungsrelevante Position ein83. Die Erreichbarkeit sozialer Infrastruktur, das Vorhandensein adäquater Erholungsräume einerseits84 sowie die mögliche Beeinträchtigung durch Emissionen andererseits sind hierbei von großem Interesse. Die Eignungsbewertung orientiert sich methodisch hierbei an städtebaulichen und gesetzlichen Standards85, der Auslastung vorhandener sozialer Infrastruktur und an die Wohnbaulandentwicklung in Nähe entsprechender Versorgungseinrichtungen. Positive wirtschaftliche und ökologische Effekte im Rahmen vermiedener zusätzlicher Investitions- und Unterhaltungskosten sowie die Reduzierung und Vermeidung motorisierten Individualverkehrs bestimmen die Wohnbaulandbewertung. Denn je „[…] mehr die Städte und Kommunen ihr Umland zersiedeln, desto weiter werden die Wege, die viele Menschen zwischen Wohnort, Arbeitsstätte und den Orten der Freizeitgestaltung86 zurücklegen müssen. Damit steigen auch die Belastungen durch Lärm, Luftverschmutzung und das Fehlen von Naherholungsmöglichkeiten“87. Die Auswahl aller Indikatoren erfolgte in enger Abstimmung mit den kommunalen Vertretern der Partnerkommunen, in Anlehnung an empirische Kenntnisse der Ermittlung von Nachhaltigkeitsindikatoren sowie unter Voraussetzung der GIS-gestützten Abbildung durch kommunale Datensätze. 2.5.1 Kategorie: „Versorgungsgerechtigkeit“ Die Kategorie „Versorgungsgerechtigkeit“ erfasst angesichts der verfassungsmäßig geforderten Wahrung gleichwertiger Lebensverhältnisse88, die Gewährleistung einer infrastrukturellen Grundversorgung mittels ausgewählter Indikatoren. Der Aspekt der Auslastung vorhandener sozialer Infrastruktur stellt gerade in schrumpfenden Gemeinden die Frage nach einer aktiven Steuerung des Erhalts einzelner Einrichtungen durch die gezielte Ausweisung neuer Bauflächen in ausgewählten Siedlungsbereichen und dem Erhalt einer gleichwertigen Versorgung sozialer Infrastruktur innerhalb eines Stadtgebiets. So steht vielfach nicht die Frage im Raum, welche Einrichtung aufgrund der Neubebauung erweitert werden muss, sondern es muss gefragt werden, an welcher Stelle eine Einrichtung aufgrund neuer Anwohner nicht geschlossen werden muss. 81 Vgl. KÖTTER ET AL. 2009a, 2009* sowie SCHETKE ET AL. 2009 82 U.a. KÖTTER ET AL. 2009b; FADDA & JIRÓN 1999; Europäische Kommission Generaldirektion Regionalpolitik 2007; SANTOS & MARTINS 2007; SCHETKE ET AL.*; PACIONE 2003 83 U.a. PAULEIT ET AL. 2005; DE RIDDER ET AL. 2004 84 SCHETKE & HAASE 2008 85 vgl. SCHÖNING & BORCHARD 1992; GÄLZER 2001 86 Mehr als 50% aller Fahrten sind Freizeitfahrten. 87 BOCK ET AL. 2008 in Difu, S. 7 88 PREUß 2009 36 FIN.30 - Flächen intelligent nutzen Teil II Zudem impliziert eine auf städtebauliche Erreichbarkeitsstandards ausgerichtete Baulandbewertung eine aktive Ausrichtung auf die Erfordernisse des demographischen Wandels, die zunehmend eingeschränkter Mobilität der Nutzer sowie eine strategische Eindämmung der Siedlungsdispersion. 2.5.1.1 Kriterium „Infrastrukturversorgung“ Bewertet werden innerhalb dieses Kriteriums Wohnbaulandpotenziale in Bezug auf ihre Nähe zu Einrichtungen ausgewählter Grunddaseinsfunktionen (z.B. Freizeit, Versorgung, Bildung). Dadurch erhöht sich die Wahrscheinlichkeit der Nutzung umweltfreundlicher Verkehrsmittel und stärkt vorhandene infrastrukturelle Einrichtungen in ihrer Wirtschaftlichkeit89. Auf eine Berechnung von Distanzkosten wird verzichtet90. Indikator „Erreichbarkeit von Kinderspielplätzen“ Laut SCHÖNING & BORCHARD91 wird dem kindlichen Spiel „auf öffentlichen Flächen noch keineswegs überall ausreichend Rechnung getragen.“ Als Leitwerte sind dabei u.a. zu fordern: kurze Fußwegeentfernung, bedarfsgerechte Ausstattung und die Einbindung in die gebaute Umwelt92. Angesichts einer langfristig orientierten Baulandentwicklung wird der Fokus der Analyse auf all jene Spielplätze gelegt, die sowohl für Kinder als auch für Familien attraktiv sind und von diesen Gruppen genutzt werden. In Anlehnung an die DIN 18034 wurden somit entsprechende Anforderungen an die Größe der Plätze definiert und entsprechend der Benutzer kritische Entfernungsangaben definiert. Die in die Bewertung eingehenden Plätze haben folglich eine Größe von >= 600m² (Benutzergruppe 12- 18 Jährige) und eine Entfernung von max. 750m93. Indikator „Erreichbarkeit Nahversorgung“ Dieser Indikator betrachtet neben der Erreichbarkeit von Nahversorgungszentren (Beispiel Stadt Essen) auch einzelne Versorger des täglichen Bedarfs wie z.B. Supermärkte. Die Bewertung der Erreichbarkeit von Nahversorgungszentren bzw. von Einrichtungen zur Deckung des täglichen Bedarfs betrachtet zum einen die Befriedigung täglicher Bedürfnisse. Zum anderen ermöglicht dieser Ansatz die Analyse gewachsener Zentrumsstrukturen vor dem Hintergrund lokaler Identität (z.B. kulturell) sowie urbane Funktionalität im Gegensatz zu suburbanen Siedlungsbereichen94. Zudem geht die konsequente Stärkung lokaler Zentrenstrukturen Hand in Hand mit einer Reduzierung der Flächeninanspruchnahme für Siedlungs- und Verkehrszwecke, einer wahrscheinlichen Stärkung umweltfreundlicher Verkehrsmittel und einer Verminderung des Individualverkehrs95 . Die Durchführung der GIS-gestützten Erreichbarkeitsanalyse basiert auf den jeweiligen Angaben der Städte hinsichtlich ihrer Nahversorgungs- und Stadtteilzentren. Zur Ermittlung der 89 Siehe PRINZ 2004, S. 550 90 Jedoch wird in der Dimension „Ökonomie“ abgeschätzt werden, inwiefern Folgekosten anfallen, wenn die vorgegebene Erreichbarkeit der Einrichtungen bzgl. eines neuen Wohngebiets nicht gegeben ist und somit Kompensationskosten zur Behebung dieser Unterversorgung durch z.B. Schulerweiterung anfallen. 91 SCHÖNING & BORCHARD 1992, S. 45 92 SCHÖNING & BORCHARD 1992 93 inkl. eines Umwegefaktors von 1,2; vgl. Schöning & Borchard: Städtebau am Übergang zum 21. Jahrhundert; S 71; KRAPPWEIS spricht hier von einer Entfernung zu wohngebietsbezogenen Spielplätzen von 750m. 94 PENN-BRESSEL ET AL. 2003 95 PRINZ & REITHOFER 2005 in SCHRENK; VALLÉE (ohne Jahr auf http://www.nabu.de/themen/siedlungsentwicklung/praxis/planung/04787.html) 37 FIN.30 - Flächen intelligent nutzen Teil II Erreichbarkeitsstufen erfolgte eine Pufferbildung um die entsprechenden Einrichtungen unter Einbezug eines Umwegefaktors von 1,2. Referenzwerte sind der Planungsliteratur entnommen96. Indikator „Erreichbarkeit von Grundschulen“ Hinsichtlich der Entfernungsbeschränkung in der Erreichbarkeit von Grundschulen bzw. Schulen allgemein werden vom Gesetzgeber keinerlei quantitative Angaben gemacht. Es wird lediglich von einer „wohnortnahen Versorgung“ (§ 83 SchulG NRW) und „zumutbaren“ Entfernungen gesprochen (§ 80 Abs. 3 SchulG NRW)97. Einzig die Schülerfahrtkostenverordnung NRW98 definiert eine maximale Entfernung von 2 km für Grundschulen, ab der zusätzliche Beförderungskosten anfallen. Vereinzelt finden sich in Fachliteratur99 und Planungspraxis Angaben zu einer angestrebten maximalen Schulweglänge.100 Die Ermittlung der Erreichbarkeitsstufen einzelner Wohnbaulandpotenziale erfolgt unter Einbezug eines Umwegefaktors von 1,2.101 Eine Kalkulation von Auslastungsgraden der Einrichtungen und einem evtl. Mehrbedarf erfolgt in der Dimension Ökonomie unter Betrachtung der Investitions- und Folgekosten.102 Indikator „Erreichbarkeit von Kindertagesstätten“ Die optimale Entfernung zum Kindergarten wird in der Fachliteratur und Planungspraxis sehr unterschiedlich angegeben103. Der Indikator dient der alleinigen Erhebung der Erreichbarkeit und somit der Anbindung an vorhandene Infrastruktur. Für diesen Indikator sind Vergleichswerte aus der Planungsliteratur entnommen.104 Die Ermittlung der Erreichbarkeitsstufen einzelner Wohnbaulandpotenziale erfolgt unter Einbezug eines Umwegefaktors von 1,2.105 Eine Kalkulation von Auslastungsgraden der Einrichtungen und einem evtl. Mehrbedarf erfolgt in der Dimension Ökonomie unter Betrachtung der Investitions- und Folgekosten. 2.5.1.2 Kriterium „Mobilität“ Laut einer Studie des Umweltbundesamtes zur konzeptionellen Weiterentwicklung der Nachhaltigkeitsindikatoren der UN-Nachhaltigkeitskommission sind „individuelle Teilnahmechancen am gesellschaftlichen Leben I…I ohne soziale Einschränkungen zu gewährleisten, soziale Belastung zu minimieren und ggf. ausgewogen zu verteilen“106. Zudem ist der Faktor Mobilität ein wesentliches 96 Z.B. STADT ESSEN 2006 im Masterplan Einzelhandel 97 LANDESREGIERUNG NRW 2009b 98 LANDESREGIERUNG NRW 2009a 99 STADT LEIPZIG 1992 100 In ihrem Schulentwicklungsplan (Stand 2001) gibt die STADT LEIPZIG 2001 EINE maximale Entfernung von 2 km oder 3 Straßenbahnhaltestellen für Grundschulen an. Der regionale Arbeitskreis Bonn/ Rhein-Sieg/ Ahrweiler (RAK) beziffert z.B. die max. Entfernung gar auf 1km. SCHÖNING & BORCHARD (1992) geben eine maximale Entfernung von 700 m bzw. 10 min. Fußweg an. Diese Angaben sind jedoch keine gesetzlich festgelegten Richtwerte und finden in der aktuellen Planungspraxis in unterschiedlichem Maße Anwendung. Die Zuordnung der Schulplätze erfolgt in NRW mittlerweile ohne die Bindung an Schulbezirke. 101 KORDA 2005 102 Aufgrund höherer Flexibilität durch Profil, Anforderungen und Schwerpunkt wurde auf die Berücksichtigung anderer Schulformen weiterführender Schulen verzichtet. Eine Orientierung an Entfernungswerten wird hier als nicht prioritär angesehen. 103 SCHÖNING & BORCHARD (1992) geben eine maximale Entfernung von 300-500 m an, wohingegen bspw. der Arbeitskreis Bonn/ Rhein-Sieg/ Ahrweiler (RAK) eine Maximalentfernung zum Kindergarten 750m angibt. 104 SCHÖNING & BORCHARD 1992 105 KORDA 2005 106 UMWELTBUNDESAMT 1999 (Text 36/99 S. IV/6f.) 38 FIN.30 - Flächen intelligent nutzen Teil II Aktionsfeld im Rahmen der fortschreitenden Inanspruchnahme natürlicher Ressourcen im Zuge der Siedlungsentwicklung und gleichzeitig ihre Stellschraube. In Anlehnung an die Literatur107 vermindert eine ausreichende Versorgung mit öffentlichen Verkehrsmitteln signifikant den Individualverkehr und forciert ein kompaktes Siedlungswachstum. Zur Ermittlung der Erreichbarkeitsstufen erfolgte eine Pufferbildung um die entsprechenden Einrichtungen unter Einbezug eines Umwegefaktors von 1,2108. Indikator „ÖPNV- Anbindung“ Im Rahmen der Bewertung künftiger Wohnbauflächen wird insbesondere Aspekten des demographischen Wandels wie z.B. zunehmend älterer Einwohner und dadurch veränderte Mobilitätsverhalten Rechnung getragen. Weiterhin zielt der Indikator auf die Potenziale zur Vermeidung eines zusätzlichen motorisierten Individualverkehrs (MIV) ab. Er ist angesichts der lokalen Rahmenbedingungen und der Bereitstellung verschiedener Transportmittel in Unterindikatoren aufgeteilt. Die Anbindung an den ÖPNV 109wird in der Literatur mit divergierenden Referenzwerten eingeschätzt110 und entsprechend des jeweiligen Verkehrsmittels111 angepasst. So sollte die Entfernung zum Bus oder Straßenbahn wesentlich geringer ausfallen als zu S- und U-Bahn. Auch sollte die Bedienhäufigkeit/ Taktung einer Haltestelle, die einen wesentlichen Einflussfaktor hinsichtlich der Qualität der Versorgung mit ÖPNV darstellt, in die Bewertung einbezogen werden. In die Erreichbarkeitsanalyse wird ein Umwegefaktor von 1,2 integriert.112 2.5.2 Kategorie: „Attraktivität des Wohnumfeldes“ In empirischen Studien zur Wohnzufriedenheit wird oft die Versorgung mit wohnungsnahem Grün genannt und als ein entscheidendes Kriterium für Standortwahl und Wohn- bzw. Lebensqualität angesehen. Auch wird eine adäquate Grünversorgung innerhalb der Stadtplanung als essentiell angesehen113 und wirkt sich wesentlich über die Qualitätskomponente „Lage“ auf den Grundstückswert aus. Erfasst wird in dieser Zielgruppe das Kriterium der Grünversorgung im wohnungsnahen Bereich sowie im weiteren Wohnumfeld. Weiterhin wird geprüft werden, inwiefern Grünflächen unter bestimmten städtebaulichen Rahmenbedingungen (z.B. unmittelbare Nähe zur Hauptverkehrsstraße) überhaupt 107 PRINZ 2004; PRINZ & REITHOFER 2005, KÖTTER ET AL. (2009*) 108 Korda 2005 109 Vgl. auch BIEHLER 1999 110 SCHÖNING & BORCHARD 1992, Regionale Arbeitskreis Bonn/Rhein-Sieg/ Ahrweiler, Stadt Leipzig u.a. Bei der Bewertung neuer Wohnstandorte sollte auf diese maximalen Entfernungen Wert gelegt und in Abhängigkeit des Verkehrsmittels entsprechende Entfernungsangaben definiert werden 111 Erreichbarkeit Bus: 300m (u.a. Schöning & Borchard 1992, S. 59) Erreichbarkeit S-/U-Bahn: 1000m (www.wohnregion-bonn.de/cms/cms.pl?Amt=RAK&set=0_0_0_0&act=0; 18.06.09) Erreichbarkeit DB-Bahnhof : 2000m (www.wohnregion-bonn.de/cms/cms.pl?Amt=RAK&set=0_0_0_0&act=0, 18.06.09) 112 Vgl. KORDA 2005. Eine Differenzierung der Erreichbarkeit hinsichtlich der Taktung wird zugunsten einer erhöhten Praktikabilität des Bewertungsansatzes nicht vorgenommen. Des Weiteren ist eine Änderung der Taktung aufgrund eines erhöhten Bedarfs durch neue Wohngebiete ohnehin flexibel anzupassen. So genannte Anrufsammeltaxis, die vor allem in ländlichen Gebieten vermehrt eingesetzt werden, werden mit diesem Indikator nicht abgedeckt. 113 u.a. STADT LEIPZIG 2004; STADT BERLIN 2009, PRIEGO ET AL. 2008; MATSOUKA & KAPLAN 2008 39 FIN.30 - Flächen intelligent nutzen Teil II eine Erholungsfunktion ausüben können. Die Bewertung dieser Aspekte erfolgt in Anlehnung an sowohl Fachliteratur114 als auch Planungspraxis115. 2.5.2.1 Kriterium „Erholungsfunktion“ Das Kriterium „Erholungsfunkton“ wird zunächst über die Bereitstellung erholungsrelevanter Freiund Grünräume innerhalb des Siedlungsgefüges operationalisiert. Da eine vollständige Ermittlung des Flächenbedarfs für Grün- und Freiräume einer Vielzahl von Einflussfaktoren ausgesetzt ist, wird mit dem vorliegenden Indikator vorerst ein Einblick in die quantitativen Erfordernisse der Grünausstattung eines Wohngebiets gegeben. Auf eine Ermittlung aller Einflussgrößen, die sowohl Nutzung als auch die tatsächliche Erholungsfunktion betrachten, wie z.B. Altersstruktur, Nutzungsarten, Zahl der Nutzer116, sowie die Eigenart der Naturausstattung und des Siedlungsgefüges wird zugunsten eines straffen und eigenständigen Durchführung der Wohnbaulandbewertung durch den Anwender verzichtet. Indikator „Erreichbarkeit erholungsrelevanter Freiflächen“ Das wohnungsnahe Grün wird definiert als eine Grünfläche von min. 0,5 ha Größe in einem radialen Laufabstand von nicht mehr als 500m bzw. 5 Gehminuten117. HARRISON ET AL.118 vertreten an dieser Stelle den Standpunkt, dass weniger eine genaue Klassifikation von Mindestgrößen erholungsrelevanter Freiflächen sinnvoll ist, sondern vielmehr eine Definition von Erreichbarkeitsstandards. Die Ableitung erholungsrelevanter Grünräume aus Landnutzungsdaten (ALK) erfolgte in Anlehnung an SINGER (1995)119. Neben Grünstrukturen, wie z.B. Parks, Friedhöfe und Wälder zusammen mit Wiesen und Feldern, wurden aufgrund ihrer vorstechenden szenischen Wertes Auen- und Uferareale, die gerade im suburbanen Raum wesentliche Strukturmerkmale darstellen120 in die Bewertung einbezogen. Jedoch wurden bei dem vorliegenden Ansatz in Anlehnung an SINGER (1995) all jene Grünanlagen ausgeschlossen, die lediglich der Erholung einzelner kleiner Bevölkerungsgruppen dienen121 (z.B. Golfplätze, Schießstände oder Campingplätze). 2.5.2.2 Kriterium „Lagegunst“ Das folgende Kriterium repräsentiert Indikatoren, die die Qualität eines Wohnstandortes aus hinsichtlich der Lärmimmission122 durch Industrie und Verkehr als auch durch seine Beeinträchtigung durch Altlasten, die mitunter einen negativen Effekt auf die Attraktivität einer Baufläche haben, abbilden. 114 SCHÖNING & BORCHARD 1992; BM Raumordnung, Bauwesen und Städtebau 1992; STADT BERLIN 2009; GÄLZER 2001 115 STADT LEIPZIG 2004; STADT BERLIN 2009 116 GÄLZER 2001 117 STADT LEIPZIG 2004; STADT BERLIN 2009; GÄLZER 2001 118 HARRISON ET AL.1995 119 Vgl. Anhang 2 120 COMBER ET AL. 2008 121 COMBER ET AL. 2008; vgl. Erläuterungsbericht zum FNP Erftstadt 1999 122 NOHL 2001 40 FIN.30 - Flächen intelligent nutzen Teil II Indikator „Lärmbelastung“ „Lärm wird in Umfragen immer wieder als größte Umweltbelastung bezeichnet, wobei als Lärmquelle der Straßenverkehr, vor Flugverkehr, Schienenverkehr und Industrie und Gewerbe an 1. Stelle genannt wird.“123 Der Indikator gliedert sich in die Erhebung der Lärmbelastung tagsüber und nachts. Angesetzt werden die Richtwerte der TA Lärm124. Innerhalb der projektbegleitenden Arbeitskreise wurde die Wahl der Richtwerte vielfach und sehr unterschiedlich diskutiert. So wurde das Ansetzen gleicher Werte für ländliche und hochverdichte Siedlungen einerseits als irreführend angesehen, da gerade die Toleranzschwellen in beiden Siedlungsbereichen sehr divergieren. Andererseits wurden zu niedrig angesetzte Grenzwerte als kontraproduktiv für die Bewertung integrierter Standorte empfunden, da hier die Geräuschbelastung naturgemäß erhöht ist. Eine Orientierung am gesetzlichen Rahmen wurde jedoch zugunsten der Transparenz und Übertragbarkeit des Ansatzes festgehalten. Indikator „Altlastenverdacht“ Für die Stadt Essen wird unter der Kategorie „Attraktivität des Wohnumfeldes“ der Zusatzindikator Altlastenverdacht eingeführt. Er bezieht sich ausschließlich auf Altlastenverdachtsflächen der Stadt Essen und gibt keinerlei Auskunft über die Art der Altablagerung125. Unter dem Fokus des Images eines Standortes bzw. der möglichen negativen Beeinflussung der Wahrnehmung eines Standortes mit dem Wissen um einen Altlastenverdacht, wird hierbei die Wohnqualität möglicherweise negativ beeinflusst. 2.5.3 Nicht berücksichtigte Aspekte in der sozialen Dimension Das dargestellte Indikatorenset für die soziale Dimension stellt einen finalen Arbeitsstand dar, der in Zusammenarbeit mit den Partnerkommunen des Projekts FIN.30 unter der Prämisse der Anwendbarkeit, Kommunizierbarkeit und Planungsrelevanz erarbeitet wurde. Die folgenden Abschnitte sollen jene Aspekte beleuchten und diskutieren, die in das Bewertungssystem nicht oder in abgewandelter Form integriert wurden. Zunächst stellt die Ausrichtung der Bewertung von Wohnbaulandpotenzialen hinsichtlich der Erreichbarkeit sozialer Infrastruktur einen wesentlichen Diskussionspunkt dar. Angesichts der Pluralität an Lebensstilen und individueller Nutzungspräferenzen ist eine Bewertung durch vergleichsweise starre städtebauliche Entfernungsstandards mitunter kritisch zu beurteilen, da die realitätsnahe Abbildung und Bewertung aktueller Rahmenbedingungen der Siedlungsentwicklung unberücksichtigt bleiben. Es wird jedoch deutlich, dass eine detaillierte und quantitative Abbildung der veränderten Nutzungsansprüche einzelner Bevölkerungsgruppen mittels eines kompakten Indikatorensets, das sowohl Verständlichkeit und Anwendbarkeit anstrebt, nicht geleistet werden kann. Ferner wird der Anspruch einer integrierten Stadtentwicklung im Rahmen einer kompakten und flächensparenden Siedlungsentwicklung sowie der Ausnutzung vorhandener Ressourcen erhoben. Zudem würde ein Abweichen von derartigen normativen Werten einen Bewertungsrahmen zur nachhaltigen Siedlungsentwicklung sowie eine angestrebte kompakte und innenbereichsorientierte Siedlungsentwicklung, die allein aus ökonomischen Gründen ausgerichtet ist eine Auslastung vorhandener Infrastruktur ad absurdum führen. Ein weiterer Diskussionspunkt ist 123 GASSNER ET AL. 2005, S. 256 124 für Mischgebiet (60 dB tagsüber und 45 dB nachts) 125 Die Art der Altlast variiert sehr stark und betrifft verschiedene vorherige Nutzungsarten (Tankstellen, chemische Betriebe, Handwerksbetriebe etc.). 41 FIN.30 - Flächen intelligent nutzen Teil II in diesem Zusammenhang die Anwendbarkeit vergleichsweise starrer städtebaulicher Standards auf verschiedene Siedlungstypen. So wurde im Rahmen der Indikatorerarbeitung und des anschließenden Praxistests die Flexibilisierung städtebaulicher Erreichbarkeitsstandards für die Anwendung in ländlichen und hoch verdichteten Räumen angeregt. Ein zweiter Diskussionsbereich wird durch die mögliche Bewertung des Bedarfs zusätzlicher Wohnbaulandausweisung und dessen positive quantitative als auch qualitative Effekte der Neuausweisung in einzelnen Wohnsegmenten deutlich. Dies ist jedoch aufgrund des unzureichenden Informationsbestands hinsichtlich Leerstandsquoten und der Qualität der aktuellen Bestände nicht durchführbar. Zudem sind belastbare und im Rahmen der automatischen Bewertung generalisierbarer Daten der Siedlungsdichten künftiger Wohnbauflächen weder erhältlich noch ihre qualitative Ausstattung auf Ebene des FNP bereitzustellen. Eine Implementierung von Dichteszenarien wird in der ökonomischen Dimension zur Abschätzung der baugebietsbezogenen Kosten durchgeführt. In diesem Zusammenhang wurde auch der Aspekt der sozial angemessenen Wohnraumversorgung sowie einer evtl. Steuerung der Bevölkerungszusammensetzung durch gezielte Angebote für bestimmte Bevölkerungsgruppen durch kommunale Grundstückspolitik genannt. Der Begriff der „Gentrification“ ist in diesem Zusammenhang von großer Bedeutung. Grundsätzlich wäre hier zu klären, inwiefern Baulandausweisungen der Gemeinde einer gesellschaftlichen Polarisierung entgegenwirken könnten oder sie (teilweise bewusst) mit dem Schaffen von „Gated Communities“ unterstützt und ob die Förderung von Wohneigentum zu einer Stabilisierung einzelner Stadtteile führen kann. Trotz der Brisanz dieses Themas ist eine Integration aufgrund unzureichender Datengrundlagen sowie zugunsten einer praktikablen Anwendung des Bewertungsrahmens nicht erfolgt. Im Zusammenhang mit der Analyse neuer Bauflächen an vorhandener sozialer Infrastruktur wurde mitunter eine Differenzierung hinsichtlich relevanter Sozialindikatoren für wachsende (Erftstadt, Euskirchen) und schrumpfende bzw. stagnierende Kommunen angeregt. Die Praxis der Wohnbaulandausweisung und der Beanspruchung sozialer Infrastruktur differieren hierbei sehr stark. Sind für wachsende Städte Aspekte der Nähe zu vorhandener Infrastruktur und die Auslastung derselben relevant, so bestehen für die Stadt Essen vor allem zwei Fragen, die bei der Identifikation von Wohnbaulandpotenzialen relevant sind: 1. Was kann eine gezielte Ausweisung für die Auslastung bestehender Sozialinfrastruktur leisten? 2. Welche Marktsegmente werden in welchen Bereichen der Stadt nachgefragt und können sie evtl. einzelne Bereiche der Stadt konsolidieren? Diese Aspekte kommen vorrangig im Bereich der Ökonomie zum Tragen. Eine automatisierte Erfassung dieser Faktoren innerhalb des Bewertungsmodells war aufgrund der vielfach politischen und aus der Ortskenntnis ableitbaren Einflusselemente nicht möglich. Des Weiteren wurden Aspekte der Abbildung einer marktgerechten und nachfrageorientierten Neuausweisung innerhalb des Bewertungsrahmens diskutiert. Da als treibender Faktoren der Baulandausweisung die Bedienung eines bestimmten Marktsegments sowie die Attraktivität bestimmter Bereiche einer Stadt für ausgewählte Lebensstilgruppen gesehen wird, wurde eine Berücksichtigung dessen in das Bewertungsmodell angeregt. In diesem Zusammenhang wurde auch der Nähe zu Gemeinbedarfseinrichtungen sowie die Ausstattung mit Erholungsräumen als entscheidungsrelevantes Kriterium innerhalb der Baulandausweisung eine untergeordnete Rolle zugeschrieben. Insgesamt gestaltet sich die Abbildung der subjektiv entscheidungsrelevanten 42 FIN.30 - Flächen intelligent nutzen Teil II Aspekte „Image, Lebensstilgruppen, Wohnansprüche“ als schwer realisierbar. Hauptrestriktion ist sicherlich die sehr heterogene, meist jedoch zu grob erfasste Sozialstatistik der einzelnen Kommunen. Des Weiteren liegen vielfach detaillierte Erfassung der Bevölkerungszusammensetzung in den einzelnen Ortsteilen hinsichtlich Geschlecht und Altersstruktur sowie eine entsprechende kleinräumige Bevölkerungsprognose nicht vor. Folglich ist eine Bewertung derartig ausgerichteter Indikatoren in Bezug auf sozialgerechte oder sozial angepasste Infrastrukturversorgung nicht möglich. Zudem ist die Wohnbaulandausweisung ein vielfach durch politische Entscheidungskriterien bestimmter Prozess, der durch ein einheitliches und standardisiertes Indikatorenset nur marginal abgebildet werden kann. Folglich wurde der Ansatz der Wohnbaulandbewertung an den oben genannten städtebaulichen Erreichbarkeitsstandards aus Gründen der Auslastung vorhandener Infrastruktur, der Eindämmung des MIV sowie angesichts einer kompakten Siedlungsentwicklung fortgeführt. Aspekte des Denkmalschutzes126 und der möglichen Gefährdung der Kulturlandschaft durch fortschreitende Flächeninanspruchnahme im Außenbereich konnten mangels verlässlicher Datengrundlagen nicht automatisiert in das Bewertungsmodell integriert werden. Grundsätzlich sind die umfassende Betrachtung denkmalschutzrelevanter Aspekte und die Beeinflussung von Kulturund Sachgütern zur Ermittlung des Konfliktpotentials im Zuge der Siedlungserweiterung unerlässlich. Der Einfluss von Neubebauung auf vorhandene Baudenkmale im Sinne des Umgebungsschutzes ist auf Ebene des FNP nicht möglich. Zudem musste die Aussagekraft dieser Aspekte im Rahmen eines ohnehin reduzierten Indikatorensets kritisch hinterfragt werden. 126 In den 1990er Jahren entwickelte sich in der betroffenen Fachdisziplinen der natürlichen und gebauten Umwelt sowie in der Öffentlichkeit zunehmend das Bewusstsein von der Landschaft als „Kulturlandschaft“. Nahezu der gesamte mitteleuropäische Raum kann als diese bezeichnet werden. Die Denkmalpflege ist hierbei als Sachverwalterin der materiellen, historischen Kulturlandschaft zu nennen und sollte ursrpgl. in den Bewertungsrahmen übernommen werden. Sie gilt es im Zuge des Flächenverbrauchs besonders zu schützen und evtl. kritische Einflüsse neuer Siedlungsstrukturen aufzudecken. Sie wird hier in einem aggregierten Indikator in die Bewertung integriert und fokussiert auf einzelne Aspekte des Denkmalschutzes, welche durch die aktuelle Datengrundlage vertretbar zu erheben sind. 43 FIN.30 - Flächen intelligent nutzen Teil II 2.6 Ökonomie Als dritte Dimension der Nachhaltigkeit wird die Ökonomie betrachtet. Die ökonomischen Auswirkungen von Ausweisungen neuer Siedlungsflächen auf Ebene des Flächennutzungsplanes werden mit Hilfe einer integrierten städtebaulichen Kalkulation erfasst. Das Kalkulationsmodell lässt sich in zwei Bereiche unterteilen, die sich zum einen mit der Kostenseite und zum anderen mit der Refinanzierung aus kommunaler Sicht befassen. Im Folgenden werden die jeweiligen Kategorien und Bewertungskriterien erläutert und aussagefähige Indikatoren zur Steuerung einer ökonomisch langfristig tragfähigen Siedlungsflächenentwicklung abgeleitet. 2.6.1 2.6.1.1 Anforderungen und methodische Vorgehensweise städtebaulicher Kalkulationen auf der Ebene des Flächennutzungsplanes Auswahl der Kosten- und Einnahmearten Das zentrale Kriterium für die Auswahl der betrachteten Kosten und Einnahmen ist die Entscheidungsrelevanz. Es werden daher ausschließlich diejenigen Kosten und Einnahmen erfasst, die für eine Entscheidung zwischen den verschiedenen potenziellen Wohnbauflächen bedeutsam sind und sich in Abhängigkeit von der Standortwahl und der spezifischen Standorteigenschaften unterscheiden. Entscheidungsrelevante Kosten und Einnahmen lassen sich durch ihre Abhängigkeit von dem individuellen Standort und den damit verbundenen Eigenschaften, wie z. B. Altablagerungen, Lärmbelastung, Hanglagen, Bodenart127 etc. charakterisieren. Es handelt sich um Parameter, die Kosten und Einnahmen und somit auch die Entscheidungen für oder gegen einen speziellen Siedlungsstandort bedingen. Die Beschränkung auf entscheidungsrelevante kommunale Kosten führt zu dem Ausschluss externer Kosten, wie z.B. Mobilitätskosten, Umweltfolgekosten oder Unfallkosten, die von der Allgemeinheit getragen werden (vgl. Abschnitt 2.6.4). Gleichwohl lassen sich die indirekten kostensteigernden Einflüsse externer Kosten in der Kalkulation für die potenziellen Siedlungsstandorte nicht vermeiden. Obwohl der Anteil des berufsbedingten und somit des siedlungsstrukturabhängigen Verkehrsaufkommens128 nur bei etwa 20% liegt129, führt beispielsweise eine disperse Siedlungsstruktur zu einer umfangreicheren Anlage äußerer Infrastrukturnetze130 und somit auch zu erhöhten Herstellungs- und Unterhaltungskosten. In diesem Zusammenhang nehmen auch die externen Kosten zu, z.B. durch gestiegene Umwelt- und Unfallkosten. Eine direkte Integration der externen Kosten würde jedoch redundante Messgrößen schaffen, die keinen signifikanten Informationszuwachs erwarten ließen. Somit werden derartige externe Kosten nicht in das Kalkulationsmodell integriert. Als Grundlage für das Kalkulationsmodell dienen ortsspezifische Kostenstandards, die für die Anlagen der technischen (z.B. Straßen und Kanalisation) und sozialen Infrastruktur (z.B. Kindergärten und Grundschulen) ermittelt worden sind131. Sie umfassen sowohl die erstmalige Herstellungs- als auch die jährlichen Unterhaltungskosten. Durch die Erhebung ortspezifischer Kostenstandards lässt sich die Zuverlässigkeit des Kalkulationsmodells im Vergleich zu der Anwendung von 127 GASSNER & THÜNKER 1992, S. 47 ff. 128 BBR 2007 129 INFAS & DEUTSCHES INSTITUT FÜR WIRTSCHAFTSFORSCHUNG 200, S. 125 f. 130 GUTSCHE 2002 131 z. B. FRIELINGHAUS 2006 44 FIN.30 - Flächen intelligent nutzen Teil II bundesdurchschnittlichen Kennwerten steigern. Um den Einfluss der verschiedenen Bebauungsstrukturen auf die Kostenstandards zu ermitteln, sind realisierte Bebauungspläne nach Dichte typisiert analysiert und die angefallenen Herstellungskosten in Abhängigkeit von der Bruttowohndichte (Anzahl der Wohneinheiten pro ha Bruttobauland) ermittelt worden. Neben Standards für die Herstellungskosten sind weitere Kenngrößen für die Unterhaltung und den Betrieb der vorhandenen Einrichtungen erhoben worden. Durch Analyse kommunaler Abrechnungen lassen sich durchschnittliche prozentuale Anteile der jährlichen Unterhaltungskosten, wie Kapital-, Betriebsund Instandsetzungskosten, an den Herstellungskosten ermitteln. Diese sind über eine Laufzeit von 15 Jahren132 unter Verwendung des Kommunalkreditzinssatzes zu kapitalisieren und auf einen Stichtag zu diskontieren. Der Zinssatz ist für einen Vergleich mehrerer Wohnbauflächen einheitlich zu wählen, so dass das Kostenniveau vergleichbar bleibt. Basierend auf Wohnflächenbedarfsanalysen und einer Auswahl potenzieller Wohnbauflächen auf der Ebene des Flächennutzungsplanes liefert das Kalkulationsmodell eine Hilfe zu einer objektiven Entscheidungsfindung aus ökonomischer Sicht, welche Wohnbauflächen einer Gemeinde prioritär entwickelt werden sollten. 2.6.1.2 Auswahl der Infrastrukturarten Im Rahmen dieser Untersuchung werden auf ausgewählte - hinsichtlich der Kostenstrukturen jedoch repräsentative - Einrichtungen eingegangen, für die die notwendigen Informationen erhoben werden können. Die Auswahl der zu betrachtenden Infrastruktureinrichtungen erfolgt unter der Prämisse, die kommunalen Kosten der Siedlungserweiterung zu erfassen. Aus diesem Grund sind die kommunalen Pflichtaufgaben von besonderem Interesse. Dazu zählen im Bereich der technischen Infrastruktur Straßen und Kanalisation, während bei der sozialen Infrastruktur die Schulen (insbesondere Grundschulen) und Kindertagesstätten/-gärten erfasst werden. Diese Auswahl der Einrichtungen orientiert sich somit auch an den Infrastrukturkatalogen bereits durchgeführter Studien133. Des Weiteren werden Ausgleichsflächen hinsichtlich ihrer Investitions- und Folgekosten betrachtet und unter dem Bereich der sozialen Infrastruktur subsumiert. Die Auswahl der betrachteten Infrastrukturanlagen und -einrichtungen richtet sich nach der Trägerschaft der Kosten und der auftretenden Kostenarten. Da eine disperse Siedlungsstruktur in erster Linie den kommunalen Haushalt belastet, gilt es, kommunale Einrichtungen hinsichtlich ihrer Kostenrelevanz zu untersuchen und voraussichtlich zu erwartende Kosten abzuschätzen134. Im Rahmen des Kalkulationsmodells wird zwischen technischer und sozialer Infrastruktur unterschieden. • • zur technischen Infrastruktur zählen z.B. Straßen und Kanalisation zur sozialen Infrastruktur zählen z.B. Kindergärten, Kindertagesstätten und Grundschulen Eine Ausweitung des Katalogs auf z.B. weiterführende Schulen, Alters-, Pflege- oder Jugendheime erscheint darüber hinaus nicht sinnvoll, da sie oftmals nicht in der Trägerschaft der Kommune liegen und demnach nicht den kommunalen Haushalt belasten. 132 Dieser Zeitraum orientiert sich am Planungshorizont des Flächennutzungsplanes. 133 GUTSCHE 2002 134 KÖTTER ET AL 2009a 45 FIN.30 - Flächen intelligent nutzen 2.6.1.3 Teil II Dynamische Infrastrukturkostenkalkulation Die Kosten der Baulandentwicklung und langfristen Infrastrukturunterhaltung hängen neben der Lage der Baufläche im Siedlungsgefüge und der derzeitigen Versorgungslage sowie Auslastung der Infrastrukturanlagen auch wesentlich von dem Realisierungszeitpunkt der Wohnbaufläche ab. Die Investitionen und die jährlichen Unterhaltungskosten müssen über die gesamte voraussichtliche Nutzungsdauer kapitalisiert135 und auf einen einheitlichen Bezugszeitpunkt K0 (wählbarer Betrachtungszeitraum zwischen 0 und 50 Jahren, vorgewählter Kalkulationszeitraum 15 Jahre) diskontiert136 werden, um sie miteinander vergleichen zu können. Unterschiedliche Realisierungszeitpunkte führen somit wegen der entsprechend kapitalisierten und diskontierten Investitions- und Folgekosten zu unterschiedlichen Kosten bei den Bauflächen. Bisherige Untersuchungen greifen zumeist auf statische Modelle (Gegenüberstellung morgen ohne Wirkung des Neubauprojekts und morgen mit Wirkung des Neubauprojekts) in Verbindung mit Szenarien zurück137 und sind somit als komparativ-statische Kostenvergleichsrechnung im Rahmen der Investitionsrechnung zu bezeichnen. Die Anwendung eines dynamischen Modells ist durch die Vielzahl verschiedener Unsicherheiten in der Praxis selten, da hierfür zukünftige Entwicklungen abgeschätzt werden müssen. Zukünftige Trends, wie z. B. die Baupreis- und Zinsfußentwicklung, die Bevölkerungsstruktur von Neubaugebieten, zukünftige Auslastungsgrade und Kapazitäten von Infrastruktureinrichtungen lassen sich anhand bisheriger Entwicklungen zwar abschätzen. Jedoch ist das projizieren vergangener Zusammenhänge in die Zukunft mit Unsicherheiten verbunden, die sich negativ auf die Genauigkeit der Kalkulationsergebnisse auswirken. Diese Unsicherheit wird jedoch auf alle potenziellen Wohnbauflächen in gleicher Weise zu übertragen sein, so dass hier lediglich eine Niveauverschiebung der absoluten Infrastrukturkosten zu erwarten ist. Entscheidungsrelevante und demnach standortbezogene Vor- und Nachteile sind hiervon jedoch unabhängig und können somit identifiziert werden, so dass sich eine Rangliste der potenziellen Wohnbauflächen erstellen lässt. Aus diesem Grund wird ein dynamisches Kalkulationsmodell verwendet. Abbildung 11: Kapitalisierung und Diskontierung der Investitions- und Folgekosten 135 KÖTTER 2005 136 BRAUER 2003 137 z.B. GUTSCHE 2003 46 FIN.30 - Flächen intelligent nutzen Teil II Mit I’ = Investitions- und jährliche Folgekosten q = 1 + p mit p = Zinsfuß n = Laufzeit (5, 10, 15 Jahre) KE = Summe der Investitions- und Folgekosten nach 15 Jahren K0 = Barwert der Investitionen und Folgekosten (Kapitalwert) Die Erfassung der ökonomischen Auswirkungen potenzieller Wohnbauflächen ist neben den Dimensionen Ökologie und Soziales Bestandteil des indikatorgestützten Bewertungsrahmens FIN.30. Die Kosten und Einnahmen sind in die Bereiche Kategorie, Kriterium und Indikator unterteilt, um eine spätere Verknüpfung mit diesen Dimensionen inkl. einer individuellen Gewichtung zu ermöglichen. 2.6.2 Kategorie: baugebietsbezogene Infrastrukturkosten Im Rahmen der Infrastrukturkosten werden neben den erstmaligen Herstellungskosten und Folgekosten für die technische und soziale Infrastruktur vor allem Kosten für die Vorbereitung und Durchführung einer Wohnbauflächenentwicklung untersucht. Die Infrastrukturkosten beziehen sich zum einen auf Straßen und Kanalisation und zum anderen auf Schulen und Kindergärten. Darüber hinaus werden Kosten für notwendige Ausgleichsmaßnahmen ermittelt. 2.6.2.1 Kriterium „Vorbereitung und Durchführung“ Die Kosten für den Prozess der Baureifmachung einer potenziellen Wohnbaufläche werden unter den Kosten für die Vorbereitung und Durchführung subsumiert. Hierzu zählen vor allem die durch ihre Größenordnung dominierenden Kosten für den Grunderwerb und die Finanzierung, die hoch mit dem verwendeten Baulandmodell korrelieren. Indikator: Grunderwerbskosten und Nebenkosten Die Kosten für den Grunderwerb werden in Abhängigkeit eines zu wählenden Baulandmodells ermittelt. Die Wahl des Baulandmodells beeinflusst nicht nur den Umfang der zu erwerbenden Flächen, sondern auch die methodische Vorgehensweise zur Kostenermittlung. Aus Gründen der Praktikabilität und Anwendbarkeit des Bewertungsrahmens wird zwischen zwei Baulandmodellen (hoheitliches Modell ohne Umlegung und Vertragsmodell) differenziert, die für die zu erwartende Kostenbelastung die Unter- bzw. Obergrenze darstellt: • hoheitliches Modell (ohne Umlegung) Der notwendige Grunderwerb bei dem hoheitlichen Modell der Baulandentwicklung (Angebotsplanung ohne Umlegung) umfasst die voraussichtlichen Erschließungsflächen zzgl. der Flächen für nicht beitragsfähige Infrastruktureinrichtungen, wie z.B. notwendige soziale Infrastruktur (Grundschulen, KiGa). Unabhängig von der Refinanzierung muss die Kommune vorerst für die gesamten Entwicklungskosten aufkommen und diese vorfinanzieren. Die Abschätzung der voraussichtlich benötigten Flächen für die Erschließung und sonstige Infrastruktureinrichtungen erfolgt anhand erhobener ortsspezifischer Kennwerte, die durch die Analyse bereits realisierter Bebauungspläne ermittelt wurden. Der Umfang der Erschließungsflächen korreliert mit der vorgesehenen baulichen Dichte (WE/ha) und steigt i.d.R. mit zunehmender Dichte (Erftstadt und Euskirchen, Ausnahme Essen). In der Regel handelt es sich bei den zu erwerbenden Flächen bereits um ungeordnetes Rohbauland, da der Bebauungsplan die Rechtsgrundlage für die notwendigen bodenordnerischen Maßnahmen darstellt. Aus diesem Grund wird der voraussichtliche 47 FIN.30 - Flächen intelligent nutzen Teil II Bodenwert nach Umsetzung des Baugebiets mit einer Wartezeit von fünf Jahren bis zur Baureife mit einem Liegenschaftsindex für werdendes Bauland138 verzinst. Neben der Wartezeit und dem Liegenschaftszins haben vor allem die Höhe der voraussichtlichen Erschließungs- und Vermessungskosten einen wesentlichen Einfluss auf die Höhe des Bodenwertes. Zusätzlich zu den Grunderwerbskosten werden Nebenkosten kalkuliert. Diese umfassen neben Notar- und Gerichtskosten vor allem die Grunderwerbssteuer und werden pauschal mit 7% der Grunderwerbskosten angesetzt. • Vertragsmodell (kommunaler Zwischenerwerb) Wird eine potenzielle Wohnbaufläche im Rahmen eines Vertragsmodells (hier: kommunaler Zwischenerwerb) realisiert, muss sich das gesamte Bruttobauland im kommunalen Eigentum befinden. Falls die Kommune noch nicht Eigentümer aller Grundstücke ist, müssen die noch ausstehenden Grundstücke erworben werden. Dies kann im unwirtschaftlichsten Fall das gesamte Bruttobauland umfassen. Bei vorausschauender Planung kann die Kommune jedoch ein erhebliches Einsparpotential nutzen, da der Grunderwerb zu einer niedrigeren Wertstufe (z.B. Agrarland oder Bauerwartungsland) erfolgen kann. Der Kalkulation liegt die Annahme zugrunde, dass das gesamte Bruttobauland erworben werden muss. Die Wertstufe zum Zeitpunkt des Grunderwerbs lässt sich mit Hilfe eines voraussichtlichen Bodenendwertes nach abgeschlossener Entwicklung in Verbindung mit einer anzugebenden Wartezeit ermitteln. Die Abzinsung des Bodenwertes erfolgt über die angegebene Wartezeit mit einem Liegenschaftszinssatz für werdendes Bauland, der das erhöhte Risiko langer Wartezeiten (Entwicklungsrisiko) abbildet. Wie bei dem hoheitlichen Modell fließen darüber hinaus die Erschließungs- und Vermessungskosten in die Ermittlung der Grunderwerbskosten mit ein. Die Grunderwerbsnebenkosten werden analog zum hoheitlichen Modell pauschal mit 7% der Grunderwerbskosten ermittelt. Indikator: Planungskosten, Gutachterkosten und Managementkosten Planungskosten fallen grundsätzlich bei der Entwicklung neuer Siedlungsflächen an. Die Höhe dieser Kosten hängt von den jeweiligen Standorteigenschaften ab, so dass hier von ökonomischen Vor- und Nachteilen potenzieller Wohnbauflächen auszugehen ist. Die Identifikation dieser Vor- und Nachteile erfolgt unter der Annahme, dass sich finanziell aufwändigere Entwicklungen auch auf die Höhe der Planungskosten niederschlagen. Aufgrund der Wohndichte und der Standorteigenschaften werden größtenteils veränderte Anforderungen an die Planung gestellt, z. B. alternative Führung der Erschließung. Die Planung einer hohen Wohndichte bzw. einer modifizierten Erschließung aufgrund von Hangneigungen wirkt sich negativ auf die Höhe der Planungskosten aus. Die Höhe der Planungskosten ist von der Wahl des Baulandmodells unabhängig. Die Kosten für die Erstellung von Gutachten (z.B. Bodengutachten, Lärmgutachten etc.) hängen von den Eigenschaften des Standortes ab, so dass sie im Kalkulationsmodell erfasst werden. Da im Voraus keine Aussage über den Umfang der notwendigen Gutachten möglich ist, liegt der Kalkulation die Annahme zugrunde, dass sie mit der Größe der Bruttobaulandes sowie einer hohen Wohndichte zunehmen. Sie korrelieren demnach mit den zuvor ermittelten Planungskosten (analoge methodische Vorgehensweise der Kalkulation), da sie von den gleichen Faktoren beeinflusst werden. 138 SEELE 1998 48 FIN.30 - Flächen intelligent nutzen Teil II Managementkosten fallen bei dem Erwerb und der Vermarktung der Grundstücke an. Da sich der Umfang der Grunderwerbs und der zu vermarktenden Grundstück mit der Wahl des Baulandmodells ändert, muss auch bei der Erfassung der Managementkosten zwischen den potenziellen Baulandmodellen differenziert werden. Während bei einer Angebotsplanung im hoheitlichen Modell ausschließlich Managementkosten für den Erwerb der Erschließungs- und sonstigen Infrastrukturflächen anfallen, müssen bei einem kommunalen Zwischenerwerb das gesamte Bruttobauland erworben sowie das voraussichtliche Nettobauland vermarktet werden. Somit ist der Umfang der Managementkosten bei einem kommunalen Zwischenerwerb wesentlich höher als bei dem hoheitlichen Modell. Indikator: Kosten für die Beseitigung von Altablagerungen Die Kosten für die Beseitigung von Altablagerungen beeinflussen die spätere Wirtschaftlichkeit einer potenziellen Wohnbaufläche erheblich. Müssen Bauwerke abgerissen, Grundstücke freigelegt und ausgekoffert werden etc., können die dafür anfallenden Kosten den (voraussichtlichen) Bodenwert deutlich übersteigen. Da der Umfang der Belastungen zum einen mit der Art der Vornutzung und zum anderen jedoch auch mit der Art der potenziellen Folgenutzung zusammenhängt, handelt es sich um eine wesentliche entscheidungsrelevante Kostenposition, die bei der Standortbewertung zu berücksichtigen ist. Die Kalkulation dieser Kosten kann aufgrund der Vielzahl möglicher Belastungen (in ihrer Art und ihrem Umfang) nicht durch einen im Kalkulationsprogramm implementierten Algorithmus erfolgen. Die individuellen Eigenschaften einer potenziellen Baufläche hinsichtlich ihrer Belastungen und möglichen Nachnutzungspotenziale müssen für den Einzelfall erfasst und Kosten ermittelt werden. Die Kosten für die Beseitigung von Altablagerungen werden aus diesen Gründen nicht pauschal angesetzt, sondern als Einzelsumme direkt in das Kalkulationsmodell übertragen. Indikator: (Zwischen-)Finanzierungskosten Zwischenfinanzierungskosten verhindern in der Praxis häufig die Entwicklung potenzieller Siedlungserweiterungen, da sie mit zunehmendem Zeitraum stark zunehmen und oft nicht mehr zu tragen sind. Sobald eine Zeitspanne zwischen der Entwicklung und dem Ankauf einer potenziellen Siedlungsfläche vorhanden ist, sind von der Kommune bzw. dem Erschließungsträger Vorfinanzierungen zu leisten. Da die Vorfinanzierung im Regelfall nicht vollständig durch das Eigenkapital geleistet werden kann, ist eine Fremdfinanzierung in Form von Krediten notwendig. Der Kalkulation liegt die Annahme zugrunde, dass die gesamten Entwicklungskosten unter Verwendung von Fremdkapital vorzufinanzieren sind. Für die Vorfinanzierung fallen demnach Kapitalkosten an, die über den gesamten Entwicklungszeitraum anfallen und mit zunehmender Wartezeit stark anwachsen. So können sich die Investitionskosten innerhalb von nur neun Jahren mit einem Zinssatz von 7% bereits verdoppeln139. Die Höhe der Zwischenfinanzierungskosten hängt primär von der Dauer des zu finanzierenden Betrags und dem zugrunde liegenden Zinssatz ab. Je länger der Verkauf der entwickelten Grundstücke hinausgezögert wird und somit in der Zwischenzeit keine Refinanzierung erfolgen kann, desto höher fallen die Zwischenfinanzierungskosten aus. Diese Kapitalkosten umfassen alle bei der Siedlungsentwicklung beteiligten Kostenpositionen (Vorbereitungs- und Durchführungskosten, Investitionskosten der technischen und sozialen Infrastruktur, Ausgleichsmaßnahmen). Eine zügige Durchführung der Entwicklung wirkt sich somit in geringen Zwischenfinanzierungskosten aus. Für die Kalkulation wird davon ausgegangen, dass die potenziellen Wohnbauflächen von der Kommune bzw., 139 KÖTTER 2002 49 FIN.30 - Flächen intelligent nutzen Teil II dem Erschließungsträger zum aktuellen Zeitpunkt angekauft und zu einem wählbaren Zeitpunkt (Entwicklungszeitraum) entwickelt und anschließend vermarktet werden. Bei den Zwischenfinanzierungskosten handelt es sich somit nicht in erster Linie um Standorteigenschaften, die ökonomische Vor- und Nachteilen implizieren. Es soll vielmehr die Möglichkeit geschaffen werden, im Anschluss an die Kalkulation eine Rangliste aller Potentialflächen zu erstellen und Handlungsempfehlungen in Bezug auf den Realisierungszeitpunkt der einzelnen Flächen geben zu können. Die Kalkulation der (Zwischen-)Finanzierungskosten unterscheidet sich hinsichtlich der methodischen Vorgehensweise bei einem hoheitlichen Baulandmodell oder einem Vertragsmodell, da die Zeiträume für die Finanzierung deutlich voneinander abweichen. Während bei einem hoheitlichen Modell der Zeitraum zwischen Herstellung der Erschließung und Refinanzierung durch Beiträge durch die Schaffung von Baurecht absehbar ist, wird der Zeitraum bei einem kommunalen Zwischenerwerb variabel gestaltet. Darüber hinaus ist bei einem kommunalen Zwischenerwerb hinsichtlich der Zeiträume zwischen Grunderwerb und Realisierung sowie zwischen Realisierung und Vermarktung zu differenzieren, da unterschiedliche Beträge finanziert werden müssen. 2.6.2.2 Kriterium „technische Infrastruktur“ Die bei der Errichtung und der Erweiterung der erforderlichen Infrastruktur anfallenden erstmaligen Herstellungskosten sind ein wesentlicher Kostenfaktor, der je nach Lage der neuen Baufläche im Siedlungsgefüge (abhängig vom Siedlungsstandort140) und Bebauungsstruktur141 erheblich variieren kann. Untersucht werden die Kostenpositionen für die Flächenbereitstellung, Herstellung und Unterhaltung von Straßen und Kanalisation neuer Wohnbauflächen auf Grundlage empirisch ermittelter ortsspezifischer Kostenkennwerte. Es muss zwischen innerer und äußerer Erschließung differenziert werden. Während für die Kosten der inneren Erschließung empirisch standardisierte Kosten abgeleitet werden sollen, ist für die äußere Erschließung der konkrete Einzelfall zu untersuchen, da hier ggf. bestehende Kapazitäten genutzt bzw. Erweiterungen oder Neuherstellungen notwendig werden. Entscheidend für die Höhe der Investitionskosten der technischen Infrastruktur sind der Umfang der äußeren Erschließung und die städtebauliche Dichte. Aus diesem Grund werden die Investitionskosten142 in Abhängigkeit von der Siedlungs- und Bebauungsstruktur sowie in Bezug auf die Netzlänge der Infrastruktur ermittelt, so dass ein funktionaler Zusammenhang zur Abschätzung der Investitionskosten zukünftiger Wohnbauflächen zur Verfügung steht. Neben diesen objektbezogenen Kosten treten auch externe Effekte auf, die aus den wachsenden Entfernungen einer dispersen Siedlungsstruktur resultieren, wie z. B. die Zunahme des motorisierten Individualverkehrs. Diese Kosten können nicht einer speziellen Infrastrukturanlage zugeordnet werden, sondern resultieren aus der Art der Siedlungsstruktur (Siedlungsstrukturtypen143). Somit erhöhen sich mit zunehmendem Dispersionsgrad nicht nur die netzbezogenen Investitions- und Unterhaltungskosten einer Infrastrukturanlage, sondern auch die Kosten, die der Allgemeinheit und den Nutzern dieser Anlagen anfallen. 140 GUTSCHE 2004; BBR 2006 141 SCHILLER & SIEDENTOP 2005 142 SCHNÜLL & JANSSEN 1999 143 ECOPLAN 2000 50 FIN.30 - Flächen intelligent nutzen Teil II Indikator: Investitionskosten der inneren Erschließung Auf der Ebene des Flächennutzungsplanes werden die innere Erschließung und die zukünftige Bebauungsstruktur meistens noch nicht bestimmt, da sie sich ohnehin nur schwer planerisch fixieren lassen144. Es werden daher durchschnittliche Erfahrungswerte für die verschiedenen Bebauungsstrukturen (in Abhängigkeit von der Wohndichte: WE/ha) erhoben, die durch pauschale Zu- oder Abschläge an die Eigenschaften des Standortes angepasst werden. Zur Ermittlung von Kostenstandards wird eine systematische Kostenanalyse von repräsentativen Baugebieten mit unterschiedlichen Baustrukturen zugrundegelegt (Durchschnittskosten). Die konjunkturelle Anpassung dieser Standards erfolgt mit Hilfe einschlägiger Baupreisindexreihen145 für Straßenbau und Kanalisation. Als Bezugsgröße empfiehlt sich für die Kosten der inneren Erschließung „€/WE“, da die Bedarfsplanung des Flächennutzungsplans von der Entwicklung der Anzahl der Haushalte ausgeht. Die so ermittelten Kostenkennwerte dienen als Grundlage der Kalkulation von Siedlungs- und Infrastrukturkosten neuer Siedlungsflächen (Grenzkosten146). Basierend auf diesen Kostenstandards werden die voraussichtlichen Investitionskosten einer potenziellen Wohnbaufläche in Sinne einer ex ante Betrachtung durch spezielle topographische Eigenschaften einer Baufläche, wie z. B. Hangneigung oder Bodenart kalkuliert. Hanglagen in Verbindung mit einer ungünstigen Erschließung steigern die Investitionskosten, da z. B. Pumpstationen für die Abwasserentsorgung und die Wasserversorgung eingerichtet werden müssen. Es existieren kritische Hangneigungswerte147, ab der eine Bebauung unwirtschaftlich werden würde. Des Weiteren beeinflussen der Baugrund, insbesondere die Bodenart (Sand, Lehm, etc.) die Herstellungskosten erheblich. So wirkt sich ein sandiger Boden zumeist kostenmindernd auf die Herstellungskosten der Kanalisation aus, da dieser während des Baus wieder als Füllmaterial verwendet werden kann und keine weiteren Kosten für die Beseitigung oder Beschaffung anfallen. Ausgehend von diesen Eigenschaften einer Wohnbaufläche werden die zuvor ermittelten auf Kostenstandards basierenden Normkosten durch pauschale Zu- und Abschläge angepasst. Die Kosten der inneren Erschließung variieren aufgrund der natürlichen Merkmale der jeweiligen Wohnbaufläche und spiegeln daher ökonomische Standortvor- bzw. nachteile wider. Indikator: Folgekosten der inneren Erschließung Die Folgekosten der technischen Infrastruktur sind wie die Investitionskosten von der Netzlänge und somit von der Wahl des Siedlungsstandortes abhängig. Die Folgekosten umfassen in Anlehnung an ECOPLAN (2000) Aufwendungen für − − − das Kapital (Abschreibungen), den Betrieb sowie die Instandsetzungskosten. Da die Kosten mit zunehmender Netzlänge steigen148, müssen sie zueinander in Beziehung gesetzt werden. Eine empirische Erhebung von standardisierten Folgekosten erscheint jedoch nicht sinnvoll, da die jeweiligen jährlichen Ausgaben erheblich voneinander abweichen und somit die Ableitung aussagefähiger Werte nicht möglich ist. Ausgehend von einem pauschalen prozentualen Anteil der 144 KOPPITZ ET AL. 1999 145 LANDESAMT FÜR DATENVERARBEITUNG UND STATISTIK NRW 2008 146 ECOPLAN 2000 147 GASSNER & THÜNKER 1992 148 GUTSCHE 2004, BBR 2006 51 FIN.30 - Flächen intelligent nutzen Teil II Folgekosten an den Investitionskosten (z. B. 30%149) können verschiedene Prozentsätze in Abhängigkeit von der Netzlänge gewählt werden150. Alternativ besteht die Möglichkeit der Eingabe konkreter jährlicher Kosten für die aufgeführten Kostenpositionen (Kapital-, Betriebs- und Instandsetzungskosten). Die Folgekosten der technischen Infrastruktur stehen in einer direkten Abhängigkeit zum Siedlungsstandort, so dass hiermit ein zentrales Entscheidungskriterium zur Wahl eines Standorts vorliegt. Alle jährlichen ermittelten Kosten werden über einen Zeitraum von 15 Jahren kapitalisiert und auf ein einheitliches Bezugsdatum (Stichtag) diskontiert. Zur Vergleichbarkeit werden drei unterschiedliche Realisierungszeitpunkte (in 5, 10 oder 15 Jahren) für die diskontierten Barwerte gewählt. Indikator: Investitionskosten der äußeren Erschließung In einem zweistufigen Verfahrensablauf wird der Bedarf an neuen äußeren Erschließungsanlagen ermittelt. Sind keine neuen Anlagen herzustellen oder die bestehenden Erschließungsanlagen (Straßen und Kanalisation) ausreichend dimensioniert, müssen keine weiteren Investitionen für die äußere Erschließung aufgewendet werden. Die zukünftige Versorgung ist in diesem Fall durch die bestehenden Anlagen sichergestellt, so dass keine weiteren Investitions- und Folgekosten für neue Anlagen zu ermitteln sind. Im Gegensatz dazu können im Rahmen der Realisierung potenzieller Siedlungsflächen auch neue Anlagen der äußeren Erschließung nötig sein. Die Kosten der äußeren Erschließung hängen somit unmittelbar von der Standortwahl des Baugebietes ab. Die Entfernung zu bestehenden Ver- und Entsorgungsanlagen bzw. leistungsfähige Leitungsnetze und deren Kapazitäten sowie die Lage innerhalb des Verkehrsnetzes bestimmen wesentlich den Bedarf an neuer Infrastruktur und demnach ebenfalls den voraussichtlichen Kostenaufwand. Über die Herstellungs- und Folgekosten der äußeren Erschließung entscheidet erstens die Lage im Siedlungsgefüge und zweitens die Kapazität der vorhandenen Anlagen. Die Abschätzung der erforderlichen äußeren Erschließung ist für den Einzelfall durchzuführen, da die freien Kapazitäten und die Erreichbarkeit von Straßen und Kanalisation variieren. Die vorhandenen Datengrundlagen (Kanalbestandsplan, Verkehrskonzept etc.) liefern zwar einen Hinweis auf die Notwendigkeit neuer Infrastruktur, jedoch bleiben die Fragen nach der Art (Straßen, Kanäle, Brücken etc.), dem Umfang (z.B. Straßenbreite, Kanaldurchmesser) und sonstigen Gegebenheiten (z.B. Verkehrssicherheit) unklar. Eine plausible Abbildung des Entscheidungsprozesses in einem Algorithmus scheint aufgrund dieser Unwägbarkeiten indessen nicht durchführbar. Die Kalkulation erfolgt auf einer direkten Angabe des Umfangs der neuen Infrastrukturanlagen. Neben neuen Straßen und neuer Kanalisation steht die Möglichkeit zur Herstellung neuer Brückenbauwerke zur Verfügung. Die Anbindung der neuen Wohnbaufläche erfolgt über einen oder mehrere Knotenpunkte, die unter Beachtung der Verkehrssicherheit und Leistungsfähigkeit zu wählen sind. Mit Hilfe der Angaben und einheitlicher Kostenstandards werden die voraussichtlichen Investitionskosten für die äußere Erschließung ermittelt. Indikator: Folgekosten der äußeren Erschließung Die Kalkulation der Folgekosten für die äußere Erschließung umfasst die gleichen Kostenpositionen wie Ermittlung der Folgekosten der inneren Erschließung (Kapital-, Betriebs- und Instandsetzungskosten). Die methodische Vorgehensweise basiert jedoch davon abweichend ausschließlich auf einem pauschalen Anteil der jährlichen Folgekosten an den Investitionskosten. 149 BBR 2006, S. 60 f. 150 u. a. APEL 2005 52 FIN.30 - Flächen intelligent nutzen 2.6.2.3 Teil II Kriterium „soziale Infrastruktur“ Die Kosten punktförmiger Infrastruktureinrichtungen (Schulen und Kindergärten) stehen ebenfalls in einem direkten Zusammenhang mit der Siedlungsstruktur. Verdichtete Siedlungsstrukturen erhöhen die flächendeckende Erreichbarkeit von Schulen und Kindergärten. Um ein angestrebtes Versorgungsniveau (Normausstattung151) aufrechterhalten zu können, ist in dispersen Siedlungsstrukturen eine höhere Anzahl von Infrastruktureinrichtungen notwendig als in einer kompakten Struktur. Neben der Neuherstellung von Schulen und Kindergärten besteht die Möglichkeit zur Einrichtung von Schulbussen oder Sammeltaxis. Diese Kosten hängen ebenfalls direkt von der Erreichbarkeit und somit der Siedlungsstruktur ab. Im Bereich der sozialen Infrastruktur wird zunächst der Bedarf an neuen Infrastrukturanlagen und die Auslastung bestehender abzuschätzen sein. Hierzu muss zu Beginn der Investitionsrechnung festgelegt werden welches Versorgungsniveau (Normfestlegung) in dem jeweiligen Stadtgebiet erreicht werden soll. Die aktuellen Rahmenbedingungen, wie z. B. Aufhebung der Schulbezirke für Grundschulen, interkommunale Effekte (Nutzen-Spillover152 oder Parallelinfrastruktur) oder Verweildauer in Schulen und Kindergärten erschweren die Kostenkalkulation anhand eines integrierten Algorithmus. Deshalb werden diese Unsicherheiten mit Hilfe einer Ja-/Nein Abfrage des Anwenders zu Beginn der Kalkulation ausgeschlossen. Im Bereich der sozialen Infrastruktur treten Remanenzeffekte153 auf, sobald Einrichtungen nicht ausgelastet sind und ungenutzte Kapazitäten zurückgebaut werden sollen. Die Ursache hierfür liegt in den Kostenstrukturen, da fixe Kosten, wie z. B. Abschreibungen oder Personalkosten, im Gegensatz zu variablen Kosten in keinem direkten Zusammenhang mit der Nutzungsintensität stehen154. In Folge disperser Siedlungsstrukturen sind aus Gründen der wohnungsnahen Versorgung und Erreichbarkeit vielmals Parallelinfrastrukturen vorhanden, die den kommunalen Anteil sowohl der Herstellungs- als auch Unterhaltungskosten negativ beeinflussen. Die fortschreitende Suburbanisierung und Dekonzentration der Siedlungskerne verringern zunehmend die städtebauliche Dichte, so dass auch der Auslastungsgrad einzelner Einrichtungen zurückgeht. Hieraus folgen Remanenzeffekte, die durch eine höhere Siedlungsdichte, Ausweisung neuer Wohnbauflächen im Rahmen von Innenentwicklungen oder in den Erreichbarkeitsklassen der Infrastruktureinrichtungen vermieden oder zumindest begrenzt werden können. Eine weitere Ursache für Unterauslastungen und somit für Kostenremanenzen stellt der demographische Wandel (Bevölkerungsrückgang mit zunehmendem Durchschnittsalter) dar. Durch den demographischen Wandel und die derzeitige Entwicklung der Versorgungssituationen der Projektstädte werden auch bei Ausweisung neuer Siedlungsflächen voraussichtlich keine Kapazitätserweiterungen der bestehenden Einrichtungen bei einer stadtweiten Bilanzierung erforderlich sein. Vielmehr steht das Problem unterausgelasteter Einrichtungen im Vordergrund. Die durch die Unterauslastung hervorgerufenen Remanenzeffekte können durch eine strategische Ausweisung neuer Siedlungsflächen und dem damit verbundenen Bedarf an Kindergarten- und Schulplätzen einer unterausgelasteten Einrichtung zugeführt und somit Kosten durch Vermeidung von Unterauslastung eingespart werden. Da die exakte Trennung beider Ursachen nicht möglich ist, wird eine quantitative Erfassung von Remanenzeffekten nicht durchführbar sein. 151 BBR 2006 152 JUNKERNHEINRICH 1991, S. 63 153 ebd., S. 8 154 KGst: „Handbuch Kostenrechnung“ 2005 53 FIN.30 - Flächen intelligent nutzen Teil II Gleichwohl werden Empfehlungen gegeben, so dass bestehende Infrastrukturen besser ausgelastet werden und dadurch Kosten und Remanenzeffekte minimiert werden können. Die praktischen Erfahrungen der Projektstädte zeigen, dass eine Bedarfsermittlung auf gesamtstädtischer Ebene durchgeführt wird, während eine quartiers- oder stadtteilbezogene Ermittlung, d. h. entfernungs- oder erreichbarkeitsorientierte Bedarfsermittlungen, in der Praxis aufgrund der demographischen Entwicklung und der zunehmenden Mobilität an Bedeutung verlieren. Wegen dieser Veränderungen und vielschichtiger privater Entscheidungsfaktoren ist die Abbildung eines Entscheidungsprozesses zur Herstellung neuer sozialer Infrastruktur in einem Algorithmus nicht plausibel. Deshalb wird von einer automatisierten Kalkulation der Kosten für soziale Infrastruktur abgesehen und auf eine manuelle Entscheidung für den Einzelfall abgestellt. Indikator: Investitionskosten der sozialen Infrastruktur Die Investitionskosten für Hochbauten (soziale Infrastruktur) werden mit Hilfe ortsangepasster Normalherstellungskosten155 ermittelt. Die Kosten umfassen folgende Positionen: − − − − − Baukonstruktion (Baugrube, Gründung, Außen-/Innenwände, Decken, Dächer etc.) Bauwerk – technische Anlagen (Abwasser, Wasser, Gas etc.) Außenanlagen (Bepflanzung, Wege, Überdachungen) Ausstattung und Kunstwerke Baunebenkosten (Planung, Gutachten, Beratung etc.) Die Kosten für die Baukonstruktion umfassen den Aufwand für die erstmalige Herstellung eines Bauwerks, wie z. B. für die Gründung, die Außen- und Innenwände. Die technischen Anlagen eines Bauwerks beinhalten die Kosten für die Herstellung der Wasserversorgung und der Abwasserentsorgung (Hausanschlüsse). Zur Kalkulation von Investitionskosten neuer Infrastrukturanlagen wird von einer durchschnittlichen Ausstattung ohne zusätzliche Kunstwerke ausgegangen, so dass keine Kosten für besondere Ausstattungen oder Kunstwerke kalkuliert werden. Die Baunebenkosten werden pauschal (z. B. 16% der Herstellungskosten) angesetzt. Die benötigten Angaben über die Höhe spezieller Investitionskosten werden empirisch für jede Infrastruktureinrichtung erhoben. Indikator: Folgekosten der sozialen Infrastruktur Die Folgekosten von sozialen Infrastruktureinrichtungen lassen sich in vier Teilbereiche einteilen: − − − − Kapitalkosten Verwaltungskosten Betriebskosten Instandsetzungskosten Die Kapitalkosten werden ausgehend von den Investitionskosten als prozentualer Anteil der Investitionskosten ermittelt. Sie gehören zu den Unterhaltungskosten von Infrastrukturen, die neben den Investitionskosten – je nach Tilgungsplan – während der gesamten Lebensdauer einer Infrastrukturanlage anfallen und sich aus den Kosten für Fremdkapital zusammensetzen. Für jeden Infrastrukturtyp (Schulen und Kindergärten) werden die jährlichen Kapitalkosten für die gesamte Nutzungsdauer der Einrichtung ermittelt. 155 Grundlage: NHK 2000: „Normalherstellungskosten 2000“ 54 FIN.30 - Flächen intelligent nutzen Teil II Die Verwaltungskosten eines Bauwerks setzen sich aus Personal- und Sachmittelkosten sowie aus sonstigen Verwaltungskosten zusammen156. Diese jährlichen Kosten werden mit einem pauschalen prozentualen Anteil ermittelt, da eine empirische Erhebung nicht zu verlässlichen Angaben führt. So korrelieren bspw. die Kosten für das Personal sehr hoch mit dem jeweiligen Auslastungsgrad der Infrastrukturanlage. Betriebskosten sind die Kosten, die dem Eigentümer oder Erbbauberechtigten durch das Eigentum oder Erbbaurecht am Grundstück oder durch den bestimmungsmäßigen Gebrauch des Gebäudes, der Nebengebäude, Anlagen, Einrichtungen und des Grundstücks laufend entstehen157. Es handelt sich demnach um laufende Kosten für die Ver- und Entsorgung, Pflege, Reinigung und für Inspektionen sowie Wartungen, die vom dem Eigentümer (Kommune) zu tragen sind. Jährliche Betriebskosten werden mit Hilfe pauschaler Werte bzw. prozentualen Anteilen (z. B. 30 %158) der Investitionskosten kalkuliert, da eine empirische Erhebung aufgrund unterschiedlicher jährlicher Ausgaben sowie unzureichender Informations- und Datengrundlagen ausscheidet. Instandsetzungskosten umfassen die Kosten für einmalige gravierende Reparaturen und Wiederherstellungen nach vorhersehbarer Abnutzung. Da diese Kosten naturgemäß je nach Art, Nutzungsintensität, Bauqualität und Nutzungsdauer der Infrastruktur stark voneinander abweichen können, werden empirisch begründete pauschale Ansätze verwendet (z.B. jährlich 1,2% der Investitionskosten). So können für die jeweiligen Infrastruktureinrichtungen unterschiedliche Nutzungsdauern angesetzt werden, von denen nach einem festgelegten Zeitraum ein prozentualer Anteil der Investitionskosten für nötige Instandsetzungen aufzuwenden ist. Die kalkulierten Folgekosten umfassen ausschließlich die kommunalen Anteile der Gesamtkosten. Finanzielle Aufwendungen des Landes bzw. Bundes werden nicht erfasst. Alle jährlichen Kostenpositionen werden über einen Zeitraum von 15 Jahren kapitalisiert und auf ein einheitliches Bezugsdatum (Stichtag) diskontiert. Hierbei werden drei unterschiedliche Realisierungszeitpunkte (in 5, 10 oder 15 Jahren) gewählt. 2.6.2.4 Kriterium: „Ausgleichsmaßnahmen“ Kosten für Ausgleichsmaßnahmen fallen an, sobald eine negative Bilanz der ökologischen Leistungsfähigkeit vor Beginn des Eingriffs und nach vollständiger Realisierung einer potenziellen Wohnbaufläche vorhanden ist. Die Kalkulation der Kosten für Ausgleichsmaßnahmen basiert auf dieser Ökobilanz. Die Bewertung der Ausgangslage erfolgt unter Angabe der Flächengrößen der einzelnen Biotopwerte (gemäß LÖBF159). Hier ist eine Bewertung der Flächen vor Einleitung der Entwicklung notwendig. Für die Bewertung der ökologischen Wertigkeit nach der Realisierung der Wohnbaufläche ist eine Abschätzung der voraussichtlich versiegelten Fläche und der Grünfläche innerhalb der potenziellen Wohnbaufläche erforderlich. Da die endgültige Bebauungsstruktur der Wohnbaufläche noch nicht planerisch fixiert ist, müssen diesbezüglich Annahmen in Abhängigkeit von der angestrebten Wohndichte (WE/ha) getroffen werden, die einerseits auf empirischen Erhebungen (z. B. Anteil der Straßenfläche am Bruttobauland) und andererseits auf pauschale Ansätze zurückgreifen (z. B. GRZ 0,4 bis 0,55). 156 FRÖHLICH 2006 157 Betriebskostenverordnung (BetrKV), in der Fassung vom 1.1.2004 158 BBR 2006 159 Landesanstalt für Ökologie, Bodenordnung und Forsten NRW (LÖBF NRW) 2006 55 FIN.30 - Flächen intelligent nutzen 2.6.2.4.1 Teil II Indikator: Investitionskosten der Ausgleichsmaßnahmen Die Kosten für die Anpflanzung und Herrichtung der Ausgleichsmaßnahmen werden basierend auf einer Ökobilanzierung durchgeführt. Die bzgl. der voraussichtlichen Flächengrößen zu treffenden Annahmen umfassen: Durchschnittliche GRZ: Die durchschnittliche GRZ wird für Einfamilienhaussiedlungen (<20 WE/ha) mit 0,35 angesetzt, d. h. 35% der Nettowohnbaufläche werden durch die Bebauung versiegelt. Für Doppel- und Reihenhaussiedlungen werden 0,40 (>20 WE/ha) bzw. 0,45 (>35 WE/ha) angesetzt. versiegelte Fläche: Die versiegelte Fläche setzt sich aus der voraussichtlichen Verkehrsfläche, der versiegelten Grundfläche des Nettowohnbaulandes sowie einem pauschalen Anteil für private Stellplätze auf den privaten Grundstücken zusammen. Dieser Anteil wird mit 12,5% des versiegelten Nettowohnbaulandes angesetzt160. Gartenfläche: Die (private) Gartenfläche wird aus der Differenz zwischen Nettowohnbauund versiegelter Fläche (exkl. Straßenfläche) ermittelt. öffentliche Grünflächen: Die Flächen für öffentliches Grün werden als Residuum des Bruttobaulandes, der versiegelten Fläche und der privaten Grünfläche (Gartenfläche) angesetzt. Die öffentlichen Grünflächen gehen als interne Ausgleichsflächen in die Bilanzierung ein. Basierend auf den Flächenabschätzungen wird eine Ökobilanzierung durchgeführt, die die Ausgangswerte den zu erwartenden Werten gegenüberstellt und die notwendige Fläche für den zu leistenden Ausgleich ermittelt. Hierbei wird zwischen internem und externem Ausgleich differenziert. Der interne Ausgleich wird durch die öffentlichen Grünflächen geleistet. Hier werden ausschließlich die Bepflanzungskosten kalkuliert, während die Flächenbereitstellungskosten bereits durch den im diskontierten Bodenwert enthaltenen Flächenabzug berücksichtigt werden. Die Notwendigkeit für externe Ausgleichsflächen wird mittels der Ökobilanzierung ermittelt. Für den externen Ausgleich sind neben den Bepflanzungskosten darüber hinaus die Kosten für die Flächenbereitstellung zu kalkulieren. Indikator: Folgekosten der Ausgleichsmaßnahmen Um eine langfristige Ausgleichsfunktion der hergestellten Maßnahmen gewährleisten zu können, ist der jährliche finanzielle Aufwand für die Unterhaltung und Pflege zu ermitteln. Anhand ortsspezifischer Kosten werden die jährlichen Kosten für die Unterhaltung der Ausgleichsmaßnahmen erfasst. Alle jährlichen Kostenpositionen werden summiert und über einen Zeitraum von 15 Jahren kapitalisiert sowie auf ein einheitliches Bezugsdatum (Stichtag) diskontiert. 2.6.3 Kategorie: Refinanzierungspotential Neben den Ausgaben bei der Ausweisung neuer Wohnbauflächen müssen auch die Einnahmen im Rahmen einer ganzheitlichen Kostenrechnung erfasst werden161. Die Ausgaben können je nach verwendetem Baulandmodell auf den Erschließungsträger oder zum Teil auf die Eigentümer 160 STADT ERFTSTADT 1999, S.126 161 BAUMGARTNER & FRIEDRICH 2006 56 FIN.30 - Flächen intelligent nutzen Teil II überwälzt werden. Die Basis für kommunale Einnahmen bilden grundsätzlich Entgelte (Abgaben, Beiträge), Steuern, Zuweisungen und Kreditmittel162. Bestimmte Einnahmequellen sind nur der Kommune zugänglich, wie z. B. der kommunale Finanzausgleich. Ein privater Erschließungsträger muss demnach die Entwicklungskosten durch projektbezogene Erlöse refinanzieren, also durch eine kostendeckende Vermarktung der Flächen. Die ökonomischen Folgewirkungen neuer Siedlungsflächen auf der Ebene des Flächennutzungsplanes sollen in Bezug auf den kommunalen Haushalt untersucht werden. Es gilt die jeweiligen ökonomischen Auswirkungen verschiedener Siedlungs- und Bebauungsstrukturen sowie die damit einhergehenden Auslastungsgrade der vorhandenen und neuen Infrastruktur auf den kommunalen Haushalt abzuschätzen. Die Refinanzierungspotenziale sind im Rahmen einer umfassenden Kostenrechnung nach baugebietsbezogenen und gesamtstädtischen Möglichkeiten zu differenzieren. Geht man von einer fixen Gesamtfläche aus, so erweisen sich nur die baugebietsbezogenen Refinanzierungspotenziale als entscheidungsrelevant. Gesamtstädtische Schlüsselzuweisungen (z.B. kommunaler Finanzausgleich etc.) bleiben unberücksichtigt (vgl. Abschnitt 2.6.4). Im Rahmen einer ökonomischen Gesamtbetrachtung der fiskalischen Auswirkungen neuer Wohnbaulandausweisungen wird häufig der Begriff der Stadtrendite163 diskutiert. Hierunter ist der gesamtgesellschaftliche Beitrag eines Unternehmens respektive einer neuen Wohnbaufläche zu verstehen, sodass nicht nur ökonomische sondern auch eine Vielzahl anderer Faktoren (z. B. gesellschaftliche und ökologische Effekte) in die Bewertung integriert werden. Da die sozialen und ökologischen Auswirkungen neuer Wohnbauflächen bereits in den jeweiligen Nachhaltigkeitsdimensionen untersucht und bewertet werden, obliegt es der ökonomischen Dimension, diese zu monetarisieren. Jedoch ist die Bewertung des gesamtstädtischen Beitrags einer neuen Wohnbaufläche in Bezug auf die Identifikation von Standortvor- und -nachteilen kritisch zu betrachten, denn die aus verschiedenen Wohndichten resultierenden unterschiedlichen Einflüsse werden als gering eingeschätzt. Die Unterschiede zwischen den jeweiligen Beiträgen für die gesamtstädtische Entwicklung sind demnach vernachlässigbar, so dass sich mit Hilfe dieses Kriterium keine positiven und negativen ökonomischen Eigenschaften einer potenziellen Wohnbaufläche erfassen lassen. 2.6.3.1 Kriterium „baugebietsbezogene Refinanzierung“ Um die finanziellen Belastungen der Kommune zu reduzieren, ist der Anteil der überwälzbaren Kosten zu maximieren. Hier sind zwei Indikatoren maßgebend, denn zum einen ist Flächenbilanz (Verhältnis zwischen Netto- und Bruttobauland) und zum anderen die Nettobodenwertsteigerung für die Höhe des zu erwartenden Refinanzierungspotentials entscheidend. Allerdings muss auf Ebene des Flächennutzungsplans auf den Indikator Flächenbilanz verzichtet werden, da auf dieser Planungsebene lediglich Bruttobauland ausgewiesen wird. Das Verhältnis zwischen Brutto- und Nettobauland wird durch die Wahl der Wohndichte basierend auf ortsspezifischen Kennwerten bestimmt. Die baugebietsbezogene Refinanzierung wird dadurch auf der Ebene des Flächennutzungsplans ausschließlich mit der Nettobodenwertsteigerung sowie der Erhebung von Beiträgen durchgeführt. Das im Abschnitt 2.6.2.1 gewählte Baulandmodell bestimmt die Art der Refinanzierung. Während bei einem hoheitlichen Modell (ohne Umlegung) die Refinanzierung teilweise durch Beiträge erfolgt, ist bei einem kommunalen Zwischenerwerb - je nach 162 JUNKERNHEINRICH 1991; GROSSEKETTLER 1999 163 SCHWALBACH ET AL 2006 57 FIN.30 - Flächen intelligent nutzen Teil II Standorteigenschaften - eine rentable bzw. kostendeckende Entwicklung durch die vollständige Abschöpfung der er Bodenwertsteigerung möglich. Indikator: Beiträge Die Kalkulation des Indikators „Beiträge“ wird ausschließlich bei der Anwendung des hoheitlichen Modells durchgeführt. Die Einnahmen aus Beiträgen für Erschließungsanlagen werden gemäß § 127 BauGB ermittelt, lt, indem die Kosten für die Herstellung der beitragsfähigen Erschließungsanlagen (innere Erschließung) auf den Erschließungsbegünstigten umgelegt werden. Die Kosten werden um den kommunalen Anteil von 10% gemindert und auf die zuvor ermittelte voraussichtliche voraussicht Nettobaufläche verteilt. Indikator: Nettobodenwertsteigerung Die Kalkulation der Nettobodenwertsteigerung wird ausschließlich bei der Anwendung des Vertragsmodells (kommunaler Zwischenerwerb) durchgeführt, da eine kommunale Beteiligung an der Bodenwertsteigerung rtsteigerung bei dem hoheitlichen Modell nicht vorgesehen ist. Die planungsplanungs und 164 maßnahmenbedingte Bodenwertsteigerung hat einen entscheidenden Einfluss auf die Wirtschaftlichkeit eines Baugebietes. Abbildung 12: 12 Planungs- und maßnahmenbedingter Wertzuwachs Oft wird der Anfangswert ausgehend von den vorgesehenen Verkaufspreisen deduktiv ermittelt, wodurch ein Teil potenzieller Siedlungsstandorte von vornherein ausgeschlossen wird, da aufgrund der vorhandenen Eigentumsstruktur kein niedriger Ankaufspreis zu erzielen wäre. Lässt sich ein 164 SEELE 1976, S. 64, Abbildung 13 58 FIN.30 - Flächen intelligent nutzen Teil II Grundstück nicht dementsprechend rentabel an den Markt bringen, müssen alternative Standorte geprüft werden, die unter Umständen sowohl höhere Investitions- als auch Folgekosten (Folgekostenverträge165) implizieren. Da die Nettobodenwertsteigerung naturgemäß für Innenentwicklungen durch höhere Anfangswerte sowie den daraus resultierenden höheren Ankaufspreisen, Beseitigung von Altlasten usw. wesentlich geringer ausfällt, wird die Außenentwicklung begünstigt (vgl. Abbildung 12). Ausgehend von vergleichbaren Bodenrichtwerten kann die Nettobodenwertsteigerung auf Ebene des Flächennutzungsplans abgeschätzt werden. Hierzu muss die Entwicklung des Bodenwertes zu den Entwicklungsstufen „Agrarland“ (Außenentwicklung) bzw. „werdendes Bauland“ (Außen-/ Innenentwicklung) ermittelt werden. 2.6.3.2 Kriterium „gesamtstädtische Refinanzierung“ Indikator: Förderprogramme Einnahmen aus Förderprogrammen können die Wirtschaftlichkeit eines oder mehrerer Baugebiete erheblich beeinflussen. Mögliche Förderquellen sind folgende: • • Städtebauförderung 1. städtebauliche Sanierungs- und Entwicklungsmaßnahme 2. Stadtumbau West/Ost 3. soziale Stadt 4. aktive Stadt- und Ortsteilzentren verschiedene Möglichkeiten zur Finanzierung von Altlastenbeseitigungen Die Kalkulation der Einnahmen aus verschiedenen Förderprogrammen ist vom Anwender manuell vorzunehmen, da die Voraussetzungen für eine Förderung für den Einzelfall zu prüfen sind. Diese Überprüfungen lassen sich nicht mit Hilfe des Bewertungsrahmens abbilden. 2.6.4 2.6.4.1 Nicht berücksichtigte Aspekte der Dimension Ökonomie Externe Kosten Im Sinne der Volkswirtschaftslehre werden Kosten, die sich nicht einer Infrastrukturanlage zuordnen lassen und nicht von den Nutzern getragen werden166, als externe Kosten bezeichnet. Die nicht nutzerbezogenen Kosten des Verkehrs sowie die Umweltkosten zählen somit zu den externen Kosten. Eine disperse Siedlungsstruktur führt zu einer Zunahme des motorisierten Individualverkehrs167 (MIV) wodurch die Zahl der Verkehrsunfälle168 erhöht und der Auslastungsgrad durch die verminderte Bedienqualität des öffentlichen Personennahverkehrs (ÖPNV) verringert wird. Die Höhe der Umweltkosten (z. B. Vegetationsschäden, Umweltbelastung durch Emissionen etc.) hängt sehr stark von der jeweiligen Siedlungs- bzw. Bebauungsstruktur einer Siedlungsfläche ab. Flächen der Außenentwicklung erfordern demnach einen deutlichen Mehraufwand bei der Energieversorgung als Innenentwicklungen. Da die erhöhten Kosten nicht ausschließlich von den Nutzern getragen werden, die sie verursachen, sondern zu einem Großteil in Form von Steuern oder 165 gemäß § 11 Abs. 1 Nr. 3 BauGB und DEUTSCHER STÄDTE- UND GEMEINDEBUND 1999 166 ECOPLAN 1992 167 BAUMGARTNER 2004 168 MAINZ 2005 59 FIN.30 - Flächen intelligent nutzen Teil II einheitlichen Energiekosten auf die Allgemeinheit überwälzt werden, sind sie als externe Kosten zu bezeichnen. Die externen Kosten lassen sich nicht direkt abschätzen169. Mit Hilfe eines pauschalen prozentualen Ansatzes externer Kosten an den Investitionskosten in Abhängigkeit von der jeweiligen Siedlungs- und Bebauungsstruktur sowie von dem Siedlungsstandort170 könnte ein Indikator abgeleitet werden. Allerdings würden durch pauschale prozentuale Anteile an den Investitionskosten redundante Messgrößen geschaffen und eine unzulässige Mehrfacherhebung gleicher Sachverhalte stattfinden. Diese Vorgehensweise widerspricht dem Entwurfsgrundsatz des indikatorgestützten Bewertungsrahmens, so dass auf die Berücksichtigung der externen Kosten aus methodischen Gründen verzichtet wird. 2.6.4.2 Opportunitätskosten Bei der Siedlungsflächenerweiterung können Opportunitätskosten entstehen, sobald nicht das Optimum bei der Entwicklung potenzieller Siedlungsflächen erreicht wird. Bestehen hinsichtlich der Siedlungsflächenerweiterung Alternativen, d. h. mehrere potenzielle Wohnbauflächen und verschiedene Bebauungsszenarien, so beschreiben die Opportunitätskosten oder „Schattenpreise“ die nicht realisierten Einnahmen anderer Potenzialflächen und Nutzungsmöglichkeiten. An den möglichen positiven ökonomischen Auswirkungen eines anderen Baugebietes wird somit nicht teilgenommen, so dass sich die Kosten auf der gesamtstädtischen Ebene erhöhen ohne dass ein direkter Zusammenhang zu der Entwicklung einer potenziellen Wohnbaufläche besteht. Beispielsweise können bestimmte Infrastruktureinrichtungen durch ein Baugebiet mit genutzt werden, während für ein anderes Baugebiet neue Einrichtungen hergestellt werden müssen. Die hier anfallenden Infrastrukturkosten und auftretende Remanenzeffekte lassen sich somit als Opportunitätskosten bezeichnen. Die Opportunitätskosten können somit auch als entgangene Einnahmen oder „unnötige“ Infrastrukturkosten bezeichnet werden. Von einer direkten Kalkulation dieser Kosten wird abgesehen, da sich keine empirischen Ansätze ableiten lassen und pauschale prozentuale Ansätze nicht plausibel erscheinen. Indirekt werden diese Kosten jedoch durch die Erstellung einer Rangliste der potenziellen Wohnbauflächen minimiert, die kostengünstige Bauflächen empfiehlt und von kostenintensiven Flächen abrät. Eine explizite Aufführung dieser Kosten ist indessen nicht vorgesehen. 2.6.4.3 Steuereinnahmen Die steuerlichen Einnahmen (15 % Gemeindeanteil an der Einkommensteuer im Gemeindegebiet171) durch die Ausweisung neuer Siedlungsflächen können berücksichtigt werden, da sie von der Einkommensteuer und somit auch indirekt von der Bevölkerungszahl beeinflusst werden172. Die Bevölkerungszusammensetzung ist indirekt auch von der Bebauungs- und Siedlungsstruktur abhängig, da sich in einer verdichteten Bebauungsstruktur mehr Wohneinheiten einrichten lassen, wodurch die Bevölkerungszahl gesteigert werden kann. Der durchschnittliche jährliche kommunale Anteil an den Einnahmen aus der Lohn- und Einkommensteuer liegt in Erftstadt, Essen und Euskirchen in einer ähnlichen Größenordnung von ca. 12.000 bis 13.000,-€ pro Einwohner (Einnahmen aus der Lohn- und Einkommensteuer der Stadt Essen im Jahr 2004: 7.548.334.000 €, 169 KÖTTER ET AL 2009c 170 APEL 2005 171 Bundesministerium der Finanzen 2006 172 u.a. DITTRICH-WESBUER & SCHULTEN 2006 oder REIDENBACH ET AL. 2007 60 FIN.30 - Flächen intelligent nutzen Teil II Einwohnerzahl 2004: 588.084173). Die Einnahmen aus der Grundsteuer B variieren jedoch erheblich und reichen von ca. 570,-€ in Erftstadt, 745,-€ in Euskirchen und 1.090,-€ in Essen174. Die Berücksichtigung der Einnahmen aus der Einkommensteuer erfordert eine Vielzahl von notwendigen Annahmen, die eine Kalkulation voraussichtlicher Steuereinnahmen erschweren und den Informationszuwachs durch die Integration von Unsicherheiten und Ungenauigkeiten gering erscheinen lassen. Wird von einer Abhängigkeit der Steuereinnahmen von der zukünftigen Bebauungsstruktur ausgegangen, ist entweder eine ausschließliche Zuwanderung in Verbindung mit dem Ausschluss von Binnenwanderungen oder ein fixes Verhältnis zwischen Binnen- und Zuwanderungen zu unterstellen. Eine Analyse der Bevölkerungszahlen der Partnerkommunen lässt jedoch keine Korrelation zwischen der Realisierung eines Baugebietes und der Bevölkerungszahlen erkennen. Zwar kann davon ausgegangen werden, dass neben der intrakommunalen Binnenwanderung ebenfalls ein Zuzug stattgefunden hat, jedoch bleibt die absolute Zahl der Bevölkerung stabil oder ist zum Teil sogar rückläufig. Die Annahme, dass sich die Ausweisung neuer Baugebiete in einer zusätzlichen Bevölkerung niederschlägt, kann demnach nicht empirisch in den Partnerkommunen belegt werden. Des Weiteren folgt aus einer sehr verdichteten Bebauungsstruktur eine reduzierte Attraktivität des Baugebietes, die weniger einkommensstarke Einwohner anspricht, sodass die steuerlichen Mehreinnahmen geringer ausfallen175. In Verbindung mit einer steigenden Bevölkerungszahl kann darüber hinaus der Bedarf an kommunalen Pflichtaufgaben erhöht werden, so dass neue Schul- und Kindergartenplätze hergestellt werden müssen, sobald die Kapazitäten bestehender Einrichtungen176 nicht mehr ausreichen. Diese Mehrausgaben werden durch das Kriterium „soziale Infrastruktur“ in der Kategorie Infrastrukturkosten erfasst. Da die aufgeführten zu treffenden Annahmen in ihrer Gesamtheit nicht zu einem signifikanten Informationszuwachs beitragen und somit die Entscheidung für oder gegen eine Wohnbaufläche nur geringfügig beeinflussen, wird von einer Kalkulation voraussichtlicher Steuereinnahmen wie z.B. aus der Einkommens- und Grundsteuer abgesehen. 2.6.4.4 kommunaler Finanzausgleich Zur Deckung der kommunalen Defizite besteht die Möglichkeit entsprechende Einnahmen über den kommunalen Finanzausgleich zu erhalten177. In Nordrhein-Westfalen ist der kommunale Finanzausgleich durch das jährlich zu erlassende Gemeindefinanzierungsgesetz (GFG) rechtlich geregelt178. Die Höhe der Zuweisungen wird aus der Differenz zwischen Finanzkraft und Finanzbedarf abgeleitet, die sich aus den entsprechenden pro Kopf Werten für jede Kommune individuell ergibt. Diese Differenzen werden je nach Bundesland zu 60 bis 90 % ausgeglichen, während ein evtl. vorhandener Überschuss (abundante Gemeinde) jedoch nicht abgeschöpft wird. Die Einnahmemöglichkeiten der Kommunen sind beschränkt, so dass das Grundgesetz in Art. 106 Abs. 7 GG die Länder verpflichtet, für eine ausreichende Finanzausstattung der Kommunen Sorge zu 173 www.landesdatenbank-nrw.de (Januar 2010) 174 www.landesdatenbank-nrw.de (Dezember 2008) 175 BAUMGARTNER 2004 176 JUNKERNHEINRICH 1991 in Verbindung mit Auslastungsprognosen der kommunalen Schulentwicklungs- und Kindertagesstättenbedarfspläne 177 SIEDENTOP ET AL 1999 178 www.im.nrw.de/bue (Dezember 2008) 61 FIN.30 - Flächen intelligent nutzen Teil II tragen. Das Land NRW sorgt gemäß Art. 79 Landesverfassung Nordrhein-Westfalen für eine angemessene Finanzausstattung der Kommunen, jedoch unter dem Vorbehalt der eigenen finanziellen Leistungsfähigkeit. Letztlich stellt der kommunale Finanzausgleich eine der wichtigsten Finanzeinnahmen innerhalb jeder Gemeinde dar. Durch neue Wohnbaulandausweisungen erwartet die Gemeinde positive fiskalische Effekte durch Zuwendungen aus dem kommunalen Finanzausgleich aufgrund zunehmender Bevölkerungszahlen (Finanzkraft), die die wesentliche Bemessungsgrundlage für den Finanzbedarf einer Gemeinde darstellen. Unterschiedlich hohe Einnahmen resultierend aus einkommensstarken bzw. –schwachen Bevölkerungsstrukturen werden durch eine Minderzuteilung im Rahmen des kommunalen Finanzausgleichs aufgewogen179, so dass mit diesem Kriterium keine Standortvor- bzw. -nachteile potenzieller Siedlungsflächen identifiziert werden können. 179 POHL 2004 62 FIN.30 - Flächen intelligent nutzen Teil II 2.7 Konzept des Planspiels Die folgenden Abschnitte geben einen Einblick in die praktische Anwendung des Bewertungsrahmens FIN.30 (vgl. Ablauf Abbildung 13). Wichtige Voraussetzung dafür war die Durchführung zweier Planspiele während der Projektlaufzeit, deren zentrales Anliegen einerseits die Vorstellung der Anwenderoberfläche des Bewertungsrahmens FIN.30 in den drei Nachhaltigkeitsdimensionen durch die Projektmitarbeiter FIN.30 der Universität Bonn und andererseits die eigenständige Durchführung der integrierten Standortbewertung unter Anwendung der Bewertungsoberfläche durch Vertreter der Partnerkommunen war. Im Vorfeld konnten mit der Diskussion um planungsrelevante Indikatoren innerhalb der Arbeits- und Expertenkreise in der Zeit 2006 bis 2009 ein maßgeblicher Konsens über den Aufbau des Bewertungsrahmens FIN.30 und sein zugrunde liegendes Indikatorenset in den drei Nachhaltigkeitsdimensionen erlangt werden. Das Resultat dieses Prozesses wurde in den vorangegangenen Kapiteln dargestellt. Des Weiteren dienten die Planspiele der Erfüllung einer zweiten Voraussetzung für eine planungsrelevante und praxisbezogene Standortbewertung: die Gewichtung der Indikatoren durch die kommunalen Vertreter der drei Partnerkommunen. Abbildung 13: Ablaufschema Planspiel Die folgenden Ausführungen geben einen detaillierten Einblick in die inhaltlichen Outputs aus den Planspielen, die den Erfolg des Konzepts zur Wohnbaulandbewertung von FIN.30 bestimmen. Sie machen deutlich, welche Indikatoren trotz einer konsequenten Diskussion über die Zusammensetzung des Indikatorensets durch ihre Gewichtung einerseits und ihre Ausprägung andererseits maßgeblichen Einfluss auf das Gesamtergebnis haben. Ihre besondere Relevanz und 63 FIN.30 - Flächen intelligent nutzen Teil II Aussagekraft innerhalb einer integrierten Wohnbaulandentwicklung wird deutlich. Indikatoren, welche eine eher untergeordnete Rolle in der Wohnbaulandbewertung in den drei Nachhaltigkeitsdimensionen spielen, werden in diesem Zusammenhang herausgearbeitet. 2.8 Anwendungsergebnisse des Bewertungsrahmens 2.8.1 Integrierte Gesamtbewertung Die folgenden Darstellungen geben einen Einblick in die Resultate der Planspiele und nachgeordneten Flächenbewertungen. Ziel der Planspiele war zum einen die Anwendung und Optimierung der Anwenderoberfläche und zum anderen die Erhebung individueller Indikatorgewichte für jede der drei Partnerkommunen. Die wandelnde Bedeutung und Entscheidungsrelevanz der Einzelindikatoren innerhalb des Bewertungsrahmens in Abhängigkeit von Stadttypus und Ansprüche an die lokale Siedlungsentwicklung werden hierbei deutlich. Wenngleich die Indikatoren innerhalb jeder Dimension einer individuellen Gewichtung unterzogen werden, so sind doch in der Gesamtbewertung die drei Nachhaltigkeitsdimensionen gleichgewichtet. Ausgehend hiervon, kann ein Ranking aller Wohnbaulandpotenziale zum strategischen Flächenmanagement durchgeführt werden. Die Eignung einer Fläche als Wohnbaulandpotenzial nimmt wie in den Abbildungen 14-16 für die drei Partnerkommunen dargestellt innerhalb des Rankings von grün zu rot ab. 64 FIN.30 - Flächen intelligent nutzen Teil II Abbildung 14:: Ranking der Baulandpotenziale Essen (Kartengrundlage: ALK LK Stadt Essen 2007) 65 FIN.30 - Flächen intelligent nutzen Teil II Abbildung 15: Ranking der Baulandpotenziale Euskirchen (Kartengrundlage: ALK Stadt Euskirchen 2007) 66 FIN.30 - Flächen intelligent nutzen Teil II Abbildung 16:: Ranking der Baulandpotenziale Erftstadt (Kartengrundlage: ALK ALK Stadt Erftstadt 2007) 67 FIN.30 - Flächen intelligent nutzen Teil II Die hier erfolgte Bewertung der Wohnbaupotenziale entsprechend den drei Nachhaltigkeitsdimensionen erfolgte unter Einbezug der Indikatorgewichte, welche durch die Projektpartner im Rahmen der Planspiele vorgegeben wurden. Allerdings wird auch erkennbar, dass eine Gesamtbewertung nicht primär an eine räumliche Differenzierung hinsichtlich der Innen-und Außenentwicklung gebunden ist, sondern vielmehr die gesamträumliche Eingliederung sowie siedlungsstrukturelle Merkmale ausschlaggebend sind. Wie eingangs dargestellt, findet der Bewertungsrahmen FIN.30 mehrere Anwendungsfelder innerhalb der Baulandentwicklung. Dies wird an den Entwicklungsschwerpunkten der einzelnen Gemeinden deutlich. Während die Stadt Essen aufgrund ihrer räumlichen Einschränkung in Bezug auf die Außenentwicklung zwangsläufig eine Innenentwicklung forciert, verfolgen die Städte Erftstadt und Euskirchen eine auf die Außenentwicklung konzentrierte Wohnbaulandpolitik. In allen drei Partnerkommunen zeigt sich in folgender Hinsicht ein sehr einheitliches Bild: 1. Nur eine geringe Anzahl der Wohnbaupotenziale ist in allen drei Dimensionen uneingeschränkt geeignet. Hierbei sind jedoch in der Stadt Essen ausschließlich Baulandpotenziale der Innenentwicklung (dunkelblaue Säulen) betroffen (Abbildung 17), während die Flächen der Außenentwicklung auf den hinteren Plätzen zu finden sind und somit eine geringere Eignung zur Wohnbaulandentwicklung aufweisen. Ein ähnliches Bild zeigt sich auch in der Stadt Euskirchen (Abbildung 18). 2. Der Hauptteil der analysierten Wohnbaupotenziale in allen drei Partnerkommunen ist mit Einschränkungen zur Wohnbaulandentwicklung geeignet (Abbildung 17 -19). 3. Keine der analysierten Wohnbauflächen schließt eine bauliche Entwicklung innerhalb der Gesamtbewertung vollständig aus. Eine deutliche Unterscheidung der Eignung von Flächen der Innen- und der der Außenentwicklung lassen sich in der Gesamtschau schwer treffen. Die folgenden Diagramme (Abbildungen 17-19) zeigen das Ranking der Baulandpotenziale in den drei Partnerkommunen anhand der integrierten Gesamtbewertung in allen drei Nachhaltigkeitsdimensionen. Hierbei üben die in den Planspielen erhobenen Indikatorgewichtungen maßgeblichen Einfluss auf die Gesamtbewertung aus. Die Eignungsstufen sind in den Diagrammen jeweils mit farbigen Linien abgesetzt und korrespondieren mit den eingangs dargestellten Eignungsklassen: − − − Geeignet (grün) ≤ 1,49 Bedingt geeignet (gelb) 1,49 ≤ 2,49 Ungeeignet (rot) > 2,49 68 Rosenpfad Kuchenh. Rosterfeld Kirchh. nordwestlich Kirchh. Süd-Ost Flamersh. Süd-West Flamersh. hinter Kreishaus 1 EU Weiße Erde EU Elchstraße Dom Esch Rotdornstraße Roitzh. Nord-Ost Kuchenh. Schumannstraße EU Billiger Straße EU Teutonenstraße Weidesh. Osten Dom Esch Wiener Straße kleinbülleshe. hinter Kaserne EU Nord-Ost Frauenb. Ortslage-Brückerstraße Stoitzh. Osten Elsig Nideggener Straße Oberw. hinter Kreishaus 2 EU Nord-Ost Flamersh. Ortsrand Wißkirchen Norden Flamersh. nördl. Nideggener Straße Oberw. Süd-Ost Kuchenh. Ringelstraße Billig weiße Erde Erweiterung EU Lohmühlenweg Kuchenh. Münstereifeler Straße EU Aggregierte Indikatorwertigkeiten (anwendergewichtet) Zollverein d Byfang d Byfang a Im Natt Honnschaftenstraße Duvenkamp/Hemsingskotten Byfang c Grüne Harfe Byfang b Buschhauser Straße Ringstraße Schmachtenbergstraße Barkhovenallee b Henri-Dunant-Straße Promenadenweg Barkhovenallee a Bottroper Straße - Grillostraße Breloher Steig Süd Röckenstraße Wittekindstraße Humboldtstraße Aufm Gartenstück Zollverein c Alfredstraße 2 Alfredstraße 1 Zollverein a Breloher Steig Nord Altenessener Straße Kesselstraße Zollverein b Palmbuschweg Aggregierte Indikatorwertigkeiten (anwendergewichtet) FIN.30 - Flächen intelligent nutzen Teil II 3,00 2,80 Anwendergewichtete Gesamtaggregation 2,60 2,40 Eignung 2,20 2,00 Bedingte Eignung 1,80 Keine Eignung 1,60 1,40 1,20 1,00 Wohnbaulandpotenziale Eignung nimmt ab Abbildung 17: Ranking der Essener Wohnbaulandpotenziale (dunkelblaue Säulen: Innenentwicklung, hellblaue Säulen: Außenentwicklung) in der integrierten Standortbewertung 3,50 3,00 Gesamtbewertung anwendergewichtet (Ökologie, Soziales, Ökonomie) 2,50 Eignung 2,00 1,50 Bedingte Eignung 1,00 0,50 Keine Eignung 0,00 Wohnbaupotenziale Eignung nimmt ab Abbildung 18: Ranking der Euskirchener Wohnbaulandpotenziale (dunkelblaue Säulen: Innenentwicklung, hellblaue Säulen: Außenentwicklung) in der integrierten Standortbewertung 69 FIN.30 - Flächen intelligent nutzen Teil II Abbildung 19:Ranking der Erftstädter Wohnbaulandpotenziale (dunkelblaue Säulen: Innenentwicklung, hellblaue Säulen: Außenentwicklung) in der integrierten Standortbewertung Anhand der aufgetragenen Standardabweichungen innerhalb der drei Dimensionen, die sich aus der Gesamtbewertung jeder Dimension zusammensetzen, wird deutlich, dass die Eignung einer Baufläche zwischen den einzelnen Dimensionen sehr unterschiedlich zu bewerten ist. Je größer die Standardabweichung desto weiter liegen die Einzelergebnisse der ökologischen, sozialen und ökonomischen Dimension auseinander. Auch in dieser Hinsicht lassen sich innerhalb der Baulandpotenziale jeder Partnerkommune keinerlei Regelmäßigkeiten erkennen. Auch hier kann exemplarisch für die Kommunen Essen und Euskirchen festgestellt werden, dass sowohl Flächen der Innen- und der Außenentwicklung großen Schwankungen hinsichtlich der Eignung als Wohnbaufläche unterliegen. Die folgenden Abschnitte geben einen kurzen Einblick in die Einzelbewertungen in den drei Nachhaltigkeitsdimensionen und erörtern den Einfluss von sowohl Einzelindikatoren als auch anwenderorientierten Indikatorgewichten auf die Bewertung unter ökologischen, sozialen und ökonomischen Gesichtspunkten. 70 FIN.30 - Flächen intelligent nutzen 2.8.2 Teil II Dimension Ökologie 30 Gleichgewichtung Gewichte (%) 25 Expertengewichtung Stadt Essen 20 15 Expertengewichtung Stadt Euskirchen 10 Exptertengewichtung Stadt Erf tstadt 5 Grundwasserbeeinf lussung Bodenqualiät (Bodenwertzahl) Hochwassergef ährdung Indikatoren Inanspruchnahme von Schutzgebieten Versiegelung Beanspruchung Biotopverbundf lächen Versickerungspotenzial Biotopqualität Regulationsef f ekte 0 Abbildung 20: Indikatorgewichtung der Dimension Ökologie FIN.30 Die Indikatorgewichtung im Bereich Ökologie (Abbildung 20) zeigt für die Stadt Essen mit den Indikatoren „Regulationseffekte“, „Versickerungspotenzial“, „Beanspruchung von Biotopverbundflächen“ und „Inanspruchnahme von Schutzgebieten“ deutliche Favoriten, die insgesamt 75% aller möglichen Gewichte beanspruchen180. Sie stellen die wesentlichen entscheidungsrelevanten Indikatoren in der ökologischen Standortbewertung dar. Äußerst niedrige Gewichte entfallen hier auf die Indikatoren „Bodenqualität“ sowie „Hochwassergefährdung“. Die Stadt Euskirchen zeigt in der Indikatorgewichtung ein differenziertes Bild. Von vorrangiger Bedeutung sind hier die Indikatoren „Versiegelungsgrad“, „Inanspruchnahme von Schutzgebieten“ sowie „Hochwassergefährdung“. Äußerst niedrige Gewichte entfallen auf die Indikatoren „Versickerungspotenzial“ und „Grundwasserbeeinflussung“. Auch für die Stadt Erftstadt zeigen sich die Indikatoren „Beanspruchung von Biotopverbundflächen“, „Hochwassergefährdung“ und „Inanspruchnahme von Schutzgebieten“ als deutliche Favoriten und entscheidungsrelevante Indikatoren in der ökologischen Standortbewertung. Von verminderter Entscheidungsrelevanz werden hier die Indikatoren „Versickerungspotenzial“, „Versiegelung“, „Bodenqualität“ und die „Grundwassergefährdung“ angesehen. Folgende Abbildungen (Abbildung 21, 23, 24) zeigen die Standortbewertung für die ökologische Dimension unter Berücksichtigung der zugrunde liegenden Indikatorgewichtungen aus Abbildung 20, die durch die kommunalen Projektpartner innerhalb der Planspiele definiert wurden. Es wird deutlich, dass die für alle Partnerkommunen aufgestellte Rankingliste der Wohnbaulandpotenziale in der ökologischen Dimension nicht widergespiegelt wird. Wenngleich auch konkrete Rückschlüsse auf die Eignung von Innen- oder Außenpotenzialen gemessen an dem Bewertungsrahmen FIN.30 180 Als überdurchschnittlich hoch gewichtet werden Indikatoren gewertet, die oberhalb der Gleichgewichtungsgrenze (hier bei 11,11%) liegen. 71 FIN.30 - Flächen intelligent nutzen Teil II aufgrund der Bandbreite der analysierten Wohnbaulandpotenziale nicht direkt möglich ist, so fallen doch gerade am Beispiel Essen folgende Aspekte auf: Nahezu ausnehmend Potenziale der Innenentwicklung können in der ökologischen Dimension als uneingeschränkt geeignet (markiert durch den Wert 1,49 = grüne Linie) betrachtet werden. Dies wird vorrangig durch nicht erfolgte Inanspruchnahme natürlicher Ressourcen und hoch-qualitative Ökosystemleistungen begründet. Hier erfolgt die Wohnbaulandentwicklung auf vielfach überprägten und ökologisch beanspruchten Flächen. Eine Inanspruchnahme von Schutzgebieten und Biotopverbundflächen als wichtige schützenswerte Landschaftselemente erfolgt hierbei vielfach nicht, da die entsprechenden Baulandpotenziale schon in überprägte und bebaute Strukturen eingegliedert sind. Lediglich vereinzelte Potenziale der Außenentwicklung fallen in die gleiche Kategorie. Die Majorität aller dieser Potenziale ist eingeschränkt für die Wohnbaulandentwicklung geeignet. Aggregierte Indikatorwertigkeiten (anwendergewichtet) 3,00 2,80 Ökologische Gesamtaggregation 2,60 Eignung 2,40 Bedingte Eignung 2,20 2,00 Keine Eignung 1,80 1,60 1,40 1,20 Byfang d Im Natt Byfang a Hon nschaftenstraße Byfan g c Duvenkamp/Hemsingskotten Byfang b Grü n e Harfe Rin gstraße Bu sch hauser Straße Barkh oven allee b Sch machtenbergstraße Promen adenweg Henri-Dunant-Straße Barkh oven allee a Bottroper Straße - Grillostraße Röckenstraße Breloh er Steig Sü d Wittekin dstraße Humboldtstraße Zollverein c Au fm Garten stü ck Alfredstraße 2 Zollverein a Alfredstraße 1 Breloh er Steig Nord Alten essen er Straße Zollverein b Kesselstraße Zollverein d Palmbu schweg 1,00 Wohnbaulandpotenziale Abbildung 21: Ökologische Standortbewertung Stadt Essen (anwendergewichtet) dunkelblau: Innenentwicklung, hellblau: Außenentwicklung Neben der Herleitung der Indikatorbedeutung für die Wohnbaulandbewertung durch die Indikatorgewichtung können Des Weiteren mittlere Indikatorwerte dazu dienen, die Bedeutung entsprechend der Indikatorausprägungen unabhängig von seiner Gewichtung bezogen auf jede Baufläche für das Gesamtergebnis zu errechnen. Nähern sich beide Indikatormittelwerte in sowohl Innen-als auch Außenentwicklung sehr stark an, so haben sie keinen differenzierenden Einfluss auf die Bewertung der beiden Entwicklungsstrategien. Indikatoren mit entsprechend hohen Abweichungen weisen also äußerst unterschiedliche Ausprägungen auf den analysierten Innen- und Außenbereichspotenzialen auf und haben somit eine erhöhte Bedeutung für das Gesamtergebnis. Für die Stadt Essen zeigen die Indikatoren „Biotopqualität“, „Versiegelungsgrad“ und „Hochwassergefährdung“ keinerlei Relevanz für das Gesamtergebnis (Abbildung 22), da ihre Ausprägungen auf allen untersuchten Flächen gleich sind. Sie weisen hierbei bei allen drei Indikatoren eine uneingeschränkte Eignung auf. 72 FIN.30 - Flächen intelligent nutzen Teil II 3,00 Ökologieindikatoren Innenentwicklung Mittelwert 2,50 Ökologieindikatoren Außenentwicklung 2,00 1,50 1,00 0,50 Hochwassergef ährdung Bodenqualiät (Bodenwertzahl) Inanspruchnahme von Schutzgebieten Versiegelung Beanspruchung Biotopverbundf lächen Versickerungspotenzial Biotopqualität Regulationsef f ekte 0,00 Indikatoren Abbildung 22: Mittelwerte der Ökologieindikatoren in der Stadt Essen Eine vergleichbar differenzierte Bewertung ist in den Städten Euskirchen und Erftstadt leider nicht möglich, da hier die Flächenpotenziale im Innenbereich äußerst eingeschränkt vorliegen. In Euskirchen betrifft dies vier von untersuchten 30 Standorten. In Erftstadt liegen keinerlei Potenziale im Innenbereich vor. Die folgenden Abbildungen der Gesamtbewertung für die Städte Euskirchen und Erftstadt zeigt, dass die ökologische Eignung weniger breit gefächert ist. Eine Kongruenz zum Ranking der Gesamtbewertung in allen drei Dimensionen ist nicht erkennbar. Am Beispiel Euskirchen fällt auf, dass alle ausgewählten Flächen eine uneingeschränkte bis leicht eingeschränkte Eignung aufweisen. Dies ist der Tatsache geschuldet, dass hierbei Wohnbaulandpotenziale eines aktuellen FNP analysiert wurden, die schon innerhalb des Planaufstellungsverfahrens einer ersten Prüfung unterzogen wurden. Besonders hoch gewichtete Indikatoren wie die Inanspruchnahme von Schutzgebieten sowie die Lage in hochwassergefährdeten Bereichen konnten hier positiv bewertet und eine Gefährdung durch zusätzliche Wohnbebauung ausgeschlossen werden. Dies beruht zudem auf der Tatsache, dass der Bewertungsrahmen auch ohnehin schon in der Praxis zur Anwendung kommende Indikatoren zugunsten einer erhöhten Praktikabilität und Kommunizierbarkeit aufgreift. 73 FIN.30 - Flächen intelligent nutzen Teil II Aggregierte Indikatorwertigkeiten (anwendergewichtet) 3,5 Ökologische Bewertung (anwendergewichtet) 3 2,5 Eignung 2 1,5 Bedingte Eignung 1 0,5 Keine Eignung Lohmühlenweg Kuchenh. Münstereifeler Straße EU weiße Erde Erweiterung EU Süd-Ost Kuchenh. Ringelstraße Billig Norden Flamersh. nördl. Nideggener Straße Oberw. Ortsrand Wißkirchen Nord-Ost Flamersh. hinter Kreishaus 2 EU Osten Elsig Nideggener Straße Oberw. Nord-Ost Frauenb. Ortslage-Brückerstraße Stoitzh. hinter Kaserne EU Osten Dom Esch Wiener Straße kleinbülleshe. Billiger Straße EU Teutonenstraße Weidesh. Nord-Ost Kuchenh. Schumannstraße EU Elchstraße Dom Esch Rotdornstraße Roitzh. Weiße Erde EU Süd-West Flamersh. hinter Kreishaus 1 EU Süd-Ost Flamersh. Rosterfeld Kirchh. nordwestlich Kirchh. Rosenpfad Kuchenh. 0 Wohnbaupotenziale Abbildung 23: Ökologische Standortbewertung Stadt Euskirchen (anwendergewichtet), dunkelblaue Balken = Innenentwicklung hellblaue Balken = Außenentwicklung Ähnlich wie das Beispiel Euskirchen stellt sich auch die Analyse von Wohnbaulandpotenzialen der Stadt Erftstadt dar, da auch diese aus dem aktuellen FNP der Stadt entstammen. Auch hier wurden die oben am Beispiel Euskirchen erwähnten Indikatoren positiv bewertet. Die Wohnbaulandpotenziale sind ausschließlich der Außenentwicklung zuzuordnen. Die Inanspruchnahme von Ackerflächen führte jedoch nicht zur signifikant negativen Bewertung der Bereiche Regulationsfunktion und spiegelt auch hier nicht zwingend die Inanspruchnahme von wertvollen Biotopflächen wider. 3,00 Ökologische Bewertung 2,50 2,00 Eignung 1,50 Bedingte Eignung 1,00 0,50 Keine Eignung Lechenich Herrig Liblar3 - west Gymnich Erp Liblar1 - Waldorfschule Friesheim Ahrem Bliesheim1 - west Liblar2 - südw. Waldorfschule 0,00 Bliesheim2 - ost Aggregierte Indikatorwertigkeiten (anwendergewichtet) 3,50 Wohnbaupotenziale Abbildung 24: Ökologische Standortbewertung Stadt Erftstadt (anwendergewichtet) 74 FIN.30 - Flächen intelligent nutzen Teil II Das Gesamtbild der ökologischen Standortbewertung ist neben den harten Standortfaktoren, die vorangehend erläutern wurden, maßgeblich bestimmt durch die Indikatorgewichte, die in den Planspielen erhoben wurden und zu Beginn des Kapitels erörtert wurden. 2.8.3 Dimension Soziales Gewichtung der sozialen Indikatoren FIN.30 25 Gleichgewichtung Gewichte (%) 20 15 Expertengewichtung Stadt Essen 10 Expertengewichtung Stadt Euskirchen 5 Altlastenverdacht Erreichbarkeit erholungsrelevante Freiflächen Lärmbelastung nachts Lärmbelastung tagsüber Erreichbarkeit Bahn Erreichbarkeit U-/S-Bahn Erreichbarkeit Bus Erreichbarkeit Kita Erreichbarkeit Grundschule Erreichbarkeit Nahversorgung Erreichbarkeit Spielplatz 0 Expertengewichtung Stadt Erf tstadt Indikatoren Abbildung 25: Indikatorgewichtung in der sozialen Dimension In der Stadt Essen zeigen sich die Indikatoren „Erreichbarkeit von Nahversorgungseinrichtungen“, die „Erreichbarkeit von U-und S-Bahn“ sowie die „Geräuschbelastung nachts“ als deutliche Favoriten und ausschlaggebende Indikatoren in der Wohnbaulandbewertung unter sozialen Gesichtspunkten. Daneben wurden Indikatoren wie z.B. der Erreichbarkeit von Kita, Bus und Bahn sowie die Lärmbelastung tagsüber oder etwa der Altlastenverdacht als möglicher qualitätshemmender Faktor geringe Bedeutung zugemessen. Die Stadt Euskirchen setzt mit den Indikatoren Erreichbarkeit von Nahversorgungseinrichtungen, Grundschule und Kita deutliche Leitmarken für die Wohnbaulandbewertung unter sozialen Gesichtspunkten. Indikatoren wie z.B. die Erreichbarkeit von Kinderspielplätzen, von Bus und Bahn sowie von erholungsrelevanten Freiflächen sind hier von geringerer Bedeutung innerhalb der Baulandbewertung. Auch dem Verdacht auf Altablagerungen wird hier kein hoher Stellenwert beigemessen.181 Die Abfrage der Indikatorgewichtung innerhalb des Planspiels hat für die Stadt Erftstadt im Bereich der sozialen Wohnbaulandbewertung folgendes Resultat erbracht: von besonderer Entscheidungsrelevanz sind hier die Indikatoren Erreichbarkeit von Kita und Bahn sowie die Indikatoren der Geräuschbelastung tagsüber und nachts. Von nicht unerheblicher Bedeutung sind zudem die Indikatoren Erreichbarkeit von Nahversorgung, Grundschule und Bus. Die Indikatoren Erreichbarkeit von Kinderspielplätzen, von erholungsrelevanten Freiflächen sowie der Verdacht auf Altablagerungen wurden mit geringen Gewichten belegt und fallen nichts ins Gewicht. 181 Eine Gewichtung der Erreichbarkeit von U- und S-Bahn ist nicht erfolgt, da aufgrund der lokalen Verkehrsinfrastruktur dieser Indikator nicht relevant ist. Dasselbe gilt für die Partnerkommune Erftstadt. 75 FIN.30 - Flächen intelligent nutzen Teil II Folgende Abbildungen zeigen die Standortbewertung in den drei Partnerkommunen für die soziale Dimension unter Berücksichtigung der zugrunde liegenden Indikatorgewichtungen, die durch die kommunalen Projektpartner innerhalb der Planspiele definiert wurden. Auch in der sozialen Dimension zeigt sich für die Stadt Essen eine deutliche Diskrepanz zwischen den Ranking der Gesamtbewertung und der Eignung der Wohnbaulandpotenziale unter sozialen Gesichtspunkten. Aber auch hier sind es vorrangig Flächen der Innenentwicklung, die eine uneingeschränkte Eignung zur Wohnbaulandentwicklung aufweisen (Abbildung 26). Ausschlaggebend für dieses Resultat ist die Einbettung in bestehende Siedlungsstrukturen und somit die Nähe zu Einrichtungen sozialer und technischer Infrastruktur. Dies trifft auf Flächen der Außenentwicklung in keinem Fall zu. Aggregierte Indikatorwertigkeiten (anwendergewichtet) 3,00 Soziale Gesamtaggregation 2,80 2,60 Eignung 2,40 Bedingte Eignung 2,20 2,00 Keine Eignung 1,80 1,60 1,40 1,20 Byfang d Im Natt Byfang a Honnschaftenstraße Byfang c Duvenkamp/Hemsingskotten Byfang b Grüne Harfe Ringstraße Buschhauser Straße Barkhovenallee b Schmachtenbergstraße Promenadenweg Henri-Dunant-Straße Barkhovenallee a Bottroper Straße - Grillostraße Röckenstraße Breloher Steig Süd Wittekindstraße Humboldtstraße Zollverein c Aufm Gartenstück Alfredstraße 2 Zollverein a Alfredstraße 1 Breloher Steig Nord Altenessener Straße Zollverein b Kesselstraße Zollverein d Palmbuschweg 1,00 Wohnbaulandpotenziale Abbildung 26: Soziale anwendergewichtete Standortbewertung Essen/ dunkelblaue Balken = Innenentwicklung; hellblaue Balken = Außenentwicklung Gründe für die durchschnittlich schlechtere Bewertung der Flächen der Außenentwicklung sind unter anderem in der Erreichbarkeit der Verkehrsinfrastruktur zu finden. Hier ist die Erreichbarkeit von Bahn und S-U-Bahn flächendeckend schlecht zu bewerten und auch die Erreichbarkeit von Nahversorgungseinrichtungen überschreitet größtenteils die Planungsstandards. Positiv gehen jedoch die geringe Lärmbeeinflussung tagsüber (5%) sowie die gute Erreichbarkeit von erholungsrelevanten Freiflächen (10%) in die Bewertung ein. Die Flächen der Innenentwicklung sind in Summe als sehr heterogen zu beschreiben. Deutlich wird dies durch die hohen Standardabweichungen bei der Mehrzahl der Indikatoren, so dass sich keine verallgemeinernden Schlüsse ziehen lassen. Insgesamt wird die Erreichbarkeit sozialer Infrastruktur als sehr gut bewertet. Deutlich negative Effekte für die Gesamtbewertung finden sich jedoch in den Indikatoren Lärmbelastung nachts (15 %) und Erreichbarkeit der Bahn (5%). Zudem ist die Beeinträchtigung der Wohnqualität bei einer Vielzahl von Innenentwicklungsflächen durch den Verdacht auf Altablagerungen gegeben. Im Vergleich zur ökologischen Dimension sind es lediglich zwei Indikatoren, die aufgrund ihrer homogenen Ausprägungen auf Flächen im Innen- und im Außenbereich verminderten Einfluss auf 76 FIN.30 - Flächen intelligent nutzen Teil II Mittelwerte Indikatorausprägung eine differenzierte Bewertung ausüben. Es sind dies die Indikatoren „Erreichbarkeit der Grundschule“ sowie „Erreichbarkeit erholungsrelevanter Freiflächen“, die jedoch angesichts ihrer positiven Mittelwerte von 1 ausschließlich positiven Beiträge zur Gesamtbewertung leisten. Die anderen Indikatoren weisen in der Gesamtbewertung sehr heterogene Ausprägungen für Innen- und Außenbereichspotenziale auf und nehmen demzufolge maßgeblichen Einfluss auf das Gesamtergebnis. 3,00 Sozialindikatoren Innenentwicklung 2,50 2,00 Sozialindikatoren Außenentwicklung 1,50 1,00 0,50 Erreichbarkeit erholungsrelevante Freiflächen Altlastenverdacht Lärmbelastung nachts Lärmbelastung tagsüber Erreichbarkeit S-/U-Bahn Erreichbarkeit Bahn Erreichbarkeit Bus Erreichbarkeit Kita Erreichbarkeit Grundschule Erreichbarkeit Nahversorgung Erreichbarkeit Spielplatz 0,00 Indikatoren Abbildung 27: Mittelwerte der Sozialindikatoren in der Stadt Essen Eine vergleichbare differenzierte Bewertung ist in den Städten Euskirchen und Erftstadt nicht möglich, da hier die Flächenpotenziale im Innenbereich äußerst eingeschränkt vorliegen. In Euskirchen betrifft dies vier von 30 untersuchten Standorten. In Erftstadt liegen keinerlei Potenziale im Innenbereich vor. Die Stadt Euskirchen zeigt ähnlich wie in der ökologischen Dimension ein relativ homogenes Bild der Wohnbaulandbewertung unter sozialen Gesichtspunkten (Abbildung 28). Jedoch steht hier einer überwiegenden ökologischen Eignung eine vorrangig bedingte soziale Eignung der Wohnbaulandpotenziale gegenüber. Unter Berücksichtigung der im Vergleich zur kompakten Struktur der Stadt Essen hier jedoch vorherrschenden dispersen Siedlungsstruktur, sind diese Ergebnisse aus folgenden Grund plausibel: Der Wohnbaulandbewertung unter sozialen Gesichtspunkten wurden normative, städtebauliche Erreichbarkeitsstandards zugrunde gelegt. Hierbei stellt sich jedoch die Frage, ob derartige Standards für entsprechende gering verdichtete Stadt anwendbar sind. Angesichts dessen wird der Eindruck erweckt, dass die im aktuellen FNP dargestellten Wohnbaulandpotenziale in Einzelfällen den Standards nicht gerecht werden und somit zum MIV auch künftig beitragen könnten. 77 Teil II 3,5 Soziale Bewertung (anwendergewichtet) 3 2,5 Eignung 2 1,5 Bedingte Eignung 1 0,5 Keine Eignung Lohmühlenweg Kuchenh. Münstereifeler Straße EU weiße Erde Erweiterung EU Süd-Ost Kuchenh. Ringelstraße Billig Norden Flamersh. nördl. Nideggener Straße Oberw. Ortsrand Wißkirchen Nord-Ost Flamersh. hinter Kreishaus 2 EU Osten Elsig Nideggener Straße Oberw. Nord-Ost Frauenb. Ortslage-Brückerstraße Stoitzh. Wiener Straße kleinbülleshe. hinter Kaserne EU Osten Dom Esch Billiger Straße EU Teutonenstraße Weidesh. Nord-Ost Kuchenh. Schumannstraße EU Elchstraße Dom Esch Rotdornstraße Roitzh. Weiße Erde EU Süd-West Flamersh. hinter Kreishaus 1 EU Süd-Ost Flamersh. Rosterfeld Kirchh. nordwestlich Kirchh. 0 Rosenpfad Kuchenh. Aggregierte Indikatorwertigkeiten (anwendergewichtet) FIN.30 - Flächen intelligent nutzen Wohnbaupotenziale Abbildung 28: Soziale, anwendergewichtete Standortbewertung Standortbewertung Euskirchen/ dunkelblaue Balken = Innenentwicklung; hellblaue Balken = Außenentwicklung Aus ähnlichen Gründen zeigt sich in der Stadt Erftstadt ein vergleichbares Bild (Abbildung ( 29). Auch sie ist bestimmt durch disperse Siedlungsstrukturen Siedlungsstrukturen und eine voranschreitende Wohnbaulandentwicklung abseits vorhandener Einzugsbereiche sozialer und technischer Infrastruktur. Abbildung 29:: Soziale anwendergewichtete Standortbewertung Erftstadt Das Gesamtbild der sozialen Standortbewertung ist neben den harten Standortfaktoren, die vorangehend erläutern wurden, maßgeblich bestimmt durch die Indikatorgewichte, Ind katorgewichte, die in den Planspielen erhoben wurden und zu Beginn des Kapitels erörtert wurden. 78 FIN.30 - Flächen intelligent nutzen 2.8.4 Teil II Dimension Ökonomie Die Bewertung der potenziellen Wohnbauflächen unter Verwendung der ökonomischen Indikatoren erfolgt mit Hilfe einer integrierten städtebaulichen Kalkulation. Die Kalkulation erfasst die langfristigen ökonomischen Auswirkungen zukünftiger Siedlungsentwicklungen über einen Zeitraum von 15 Jahren. Durch eine Zusammenführung der Kalkulationsergebnisse und eine anschließende Klassenbildung lassen sich die Dimensionen Ökologie und Soziales mit der ökonomischen Dimension vergleichen. Die Klassenbildung der Kalkulationsergebnisse basiert auf durchschnittlichen Mittelwert der ermittelten Kosten. Durch eine anwenderorientierte Gewichtung der Kostenpositionen (Indikatoren) können die verschiedenen Ansprüche der Partnerkommunen an die ökonomische Bewertung berücksichtigt werden. 30 Gleichgewichtung 25 Expertengewichtung Stadt Essen Gewichte (%) 20 Expertengewichtung Stadt Euskirchen 15 10 Expertengewichtung Stadt Erf tstadt 5 Einnahmen aus Fördermitteln Einnahmen aus Beiträgen für Erschließung und Ausgleichsmaßnahmen Indikatoren Kosten für Ausgleichsmaßnahmen Kosten der sozialen Infrastruktur Kosten der äußeren Erschließung Kosten der inneren Erschließung Kosten der Vorbereitung und Durchführung 0 Abbildung 30: Gewichtung der ökonomischen Indikatoren Die anwenderbezogene Gewichtung ermöglicht den Kommunen eine spezifische Anpassung der Bewertungsergebnisse an jeweiligen Rahmenbedingungen und ihre Standorteigenschaften. Die Kosten für die Vorbereitung und Durchführung umfassen neben den Grunderwerbskosten vor allem die Kosten für die Beseitigung von Altablagerungen und sind demnach vor allem in der Stadt Essen von einem höheren Interesse als in den Städten Erftstadt und Euskirchen. Die Kosten für die innere Erschließung werden von allen Kommunen gering gewichtet, da sie - je nach verwendetem Baulandmodell - vollständig oder zu einem Großteil auf die Eigentümer umgelegt werden können. Die Kosten für die Herstellung und Unterhaltung neuer äußerer Erschließung sind vor allem in Flächenstädten wie Erftstadt von besonderer Bedeutung und werden hier dementsprechend höher gewichtet. Die nicht beitragsfähigen Kosten für Einrichtungen der sozialen Infrastruktur erhalten in allen Partnerkommunen eine überdurchschnittlich hohe Gewichtung, da sie zumeist in der Trägerschaft der Kommune liegen und die Kosten nicht umgelegt werden können. Darüber hinaus stellen die Kosten für die Unterhaltung und den Betrieb der sozialen Infrastruktur eine langfristige finanzielle Belastung für den Träger der Einrichtung dar. Die Gewichtungen für die Kosten der Ausgleichsmaßnahmen werden - wie die Kosten der inneren Erschließung - von allen Kommunen gering gewählt. Auf der Seite der Einnahmen steht aus kommunaler Sicht die Refinanzierung aus Beiträgen und Vermarktungserlösen deutlich vor den Einnahmen aus Fördermitteln. 79 FIN.30 - Flächen intelligent nutzen Teil II Durch die Kalkulation der einzelnen potenziellen Wohnbauflächen der Stadt Essen lassen sich die ökonomischen Auswirkungen einzelnen Flächenentwicklungen miteinander vergleichen. Die vergleichende Gegenüberstellung der Bewertungsergebnisse innerhalb der Dimension Ökonomie zeigt für die Stadt Essen, dass sich die Flächen der Innenentwicklung durch wirtschaftliche Vorteile gegenüber der Außenentwicklung auszeichnen. So kann die Fläche mit dem besten Bewertungsergebnis als Nachverdichtung bezeichnet und somit der Innenentwicklung zugeordnet werden, während das schlechteste Ergebnis von einer typischen Außenentwicklung „auf der grünen Wiese“ erzielt wird (vgl. Abbildung 31). Neben den Extrembeispielen fällt auf, dass sich die Bewertungen im mittleren Eignungsbereich nicht direkt der Innen- oder Außenentwicklung zuordnen lassen. Die erheblichen Unterschiede der Standorteigenschaften der Potenzialflächen lassen teilweise auch positive Bewertungen für Außenentwicklungen zu, während die Innenentwicklungen aufgrund ihrer überdurchschnittlichen Entwicklungskosten auch langfristig unrentabel erscheinen. Diese Sonderfälle werden vor allem durch die Kosten für die Beseitigung von Altablagerungen oder die günstige Lage zur vorhanden Infrastruktur begründet. Durch die anwenderbezogene Gewichtung wird die Eindeutigkeit der Bewertungsergebnisse eingeschränkt, da wesentliche Kostenpositionen durch ihr geringes Gewicht (z.B. Kosten der äußeren Erschließung) an Bedeutung verlieren. Die ökonomischen Unterschiede zwischen Innen- und Außenentwicklung werden bei einer gleichgewichteten Bewertung deutlicher. Aggregierte Indikatorwertigkeiten (anwendergewichtet) 3,00 Ökonomische Gesamtaggregation 2,80 2,60 Eignung 2,40 Bedingte Eignung 2,20 2,00 Keine Eignung 1,80 1,60 1,40 1,20 Byfang d Im Natt Byfang a Honnschaftenstraße Byfang c Duvenkamp/Hemsingskotten Byfang b Grüne Harfe Ringstraße Buschhauser Straße Barkhovenallee b Schmachtenbergstraße Promenadenweg Henri-Dunant-Straße Barkhovenallee a Bottroper Straße - Grillostraße Röckenstraße Breloher Steig Süd Wittekindstraße Humboldtstraße Zollverein c Aufm Gartenstück Alfredstraße 2 Zollverein a Alfredstraße 1 Breloher Steig Nord Altenessener Straße Zollverein b Kesselstraße Zollverein d Palmbuschweg 1,00 Wohnbaulandpotenziale Abbildung 31: ökonomische Standortbewertung der Stadt Essen (anwendergewichtet), dunkelblaue Balken = Innenentwicklung, hellblaue Balken = Außenentwicklung Des Weiteren werden die Innen- und Außenentwicklungen miteinander verglichen. Zu diesem Zweck werden die durchschnittlichen Entwicklungs- und Folgekosten der Bewertungsbeispiele ermittelt und den Kategorien Innen- und Außenentwicklung zugeordnet. Der pauschale Vergleich der langfristigen Kosten (vgl. Abbildung 32) zeigt, dass Außenentwicklungen per se teurer sind als Innenentwicklungen. Dies lässt sich mit der Größe der Potenzialflächen begründen, da auf der grünen Wiese i.d.R. große Flächen ausgewiesen werden, die neue Einrichtungen im Bereich der sozialen Infrastruktur oder Anlagen der äußeren Erschließung erfordern. Die Entwicklungskosten übersteigen in diesem Vergleich die Beseitigungskosten von Altablagerungen der Innenentwicklungen. Darüberhinaus lässt sich ein deutlicher ökonomischer Nachteil der Unterhaltungskosten für Außenentwicklungen identifizieren. Der Grund hierfür liegt in der Unterhaltung der oftmals 80 FIN.30 - Flächen intelligent nutzen Teil II notwendigen neuen Infrastruktureinrichtungen. Während diese Kosten vor allem bei Außenentwicklungen zu leisten sind, können sie durch verstärkte Innenentwicklungen eingespart werden, da die bestehenden Einrichtungen ausgelastet und wirtschaftlich optimal genutzt werden. 600.000 Kosten in €/ WE 500.000 400.000 300.000 200.000 100.000 0 heute 5 Jahre 10 Jahre 15 Jahre 20 Jahre 25 Jahre 30 Jahre Entwicklungs-, Herstellungs- und Folgekosten der: Innenentwicklung Außenentwicklung 35 Jahre 40 Jahre Trend 45 Jahre 50 Jahre Trend Abbildung 32: Vergleich der Siedlungs- und Infrastrukturkosten der Innen- und Außenentwicklung in der Stadt Essen Eine verstärkte Außenentwicklung und somit eine erhöhte Flächeninanspruchnahme lässt sich vor allem mit der kurzfristigen Rentabilität dieser Flächen begründen. Werden die Kosten der Innen- und Außenentwicklungen mit dem entsprechenden Bodenwertniveau verglichen, so erfolgt bei den betrachteten Bewertungsbeispielen nach einem Zeitraum vom ca. 15 Jahren eine Trendwende in der Bilanz der Flächenentwicklungen (vgl. Abbildung 33). Die hohen Kosten für Außenentwicklungen werden durch die Bodenwertsteigerung aufgefangen, während Innenentwicklungen aufgrund des häufig bereits vorhandenen Baurechts und deshalb geringeren Bodenwertsteigerungen in diesem Vergleich weniger rentabel sind. Dieses Verhältnis kehrt sich durch die Berücksichtigung von Unterhaltungskosten jedoch nach ca. 15 Jahren um, da die Unterhaltungskosten für Außenentwicklungen schneller zunehmen als die Kosten für Innenentwicklungen. 200 0 Bilanz in €/m² 50 Jahre 45 Jahre 40 Jahre 35 Jahre 30 Jahre 25 Jahre 20 Jahre 15 Jahre 10 Jahre 5 Jahre heute -200 -400 -600 -800 -1.000 -1.200 Bilanz der Innenentwicklung Bilanz der Außenentwicklung Trend Trend Abbildung 33: Bilanz der Innen- und Außenentwicklung in der Stadt Essen Die potenziellen Wohnbauflächen der Stadt Euskirchen umfassen vier Flächen, die der Innenentwicklung zugeordnet werden können, während die übrigen Flächen als Außenentwicklungen zu charakterisieren sind. Die Bewertung der ökonomischen Auswirkungen der potenziellen Wohnbauflächen zeigt, dass Innenentwicklungen im Durchschnitt vorteilhafter sind. Bei den Flächen 81 FIN.30 - Flächen intelligent nutzen Teil II mit der geringsten ökonomischen Eignung handelt es sich um Außenentwicklungen. Dieses Verhältnis wird wiederum durch die Flächengröße der Außenentwicklungen begründet, die neue Einrichtungen der sozialen Infrastruktur und der äußeren Erschließung erfordern. Aggregierte Indikatorwertigkeiten (anwendergewichtet) 3,5 Ökonomische Bewertung anwendergewichtet (Ökologie, Soziales, Ökonomie) 3 2,5 Eignung 2 Bedingte Eignung 1,5 1 Keine Eignung 0,5 Lohmühlenweg Kuchenh. Münstereifeler Straße EU weiße Erde Erweiterung EU Süd-Ost Kuchenh. Ringelstraße Billig Norden Flamersh. nördl. Nideggener Straße Oberw. Ortsrand Wißkirchen Nord-Ost Flamersh. hinter Kreishaus 2 EU Osten Elsig Nideggener Straße Oberw. Nord-Ost Frauenb. Ortslage-Brückerstraße Stoitzh. hinter Kaserne EU Osten Dom Esch Wiener Straße kleinbülleshe. Billiger Straße EU Teutonenstraße Weidesh. Nord-Ost Kuchenh. Schumannstraße EU Elchstraße Dom Esch Rotdornstraße Roitzh. Weiße Erde EU Süd-West Flamersh. hinter Kreishaus 1 EU Süd-Ost Flamersh. Rosterfeld Kirchh. nordwestlich Kirchh. Rosenpfad Kuchenh. 0 Wohnbaupotenziale Abbildung 34: ökonomische Standortbewertung Stadt Euskirchen (anwendergewichtet) In der Stadt Erftstadt lassen sich keine potenziellen Wohnbauflächen der Innenentwicklung zuordnen. Es handelt sich bei allen Flächen um Arrondierungsflächen, die die bestehenden Siedlungskörper erweitern. Das ökonomische Bewertungsergebnis zeigt wirtschaftliche Vorteile bei der Entwicklung von Wohnbauflächen, die bereits in ihrem Umfeld über Einrichtungen der sozialen Infrastruktur und ein leistungsfähiges Kanalisationsnetz verfügen. 3,50 Ökonomische Bewertung 3,00 2,50 Eignung 2,00 1,50 Bedingte Eignung 1,00 0,50 Keine Eignung Lechenich Herrig Liblar3 - west Gymnich Erp Liblar1 - Waldorfschule Friesheim Ahrem Bliesheim1 - west Liblar2 - südw. Waldorfschule Bliesheim2 - ost 0,00 Wohnbaupotenziale Abbildung 35: ökonomische Standortbewertung Stadt Erftstadt (anwendergewichtet) Die wesentlichen Kostenpositionen von Außenentwicklungen (für äußere Erschließung und soziale Infrastruktur) können bei vorhandenen Einrichtungen die ökonomische Eignung beeinflussen. Die Gründe für die verstärkte Außenentwicklung in der Stadt Erftstadt liegen in der Bildung von zwei 82 FIN.30 - Flächen intelligent nutzen Teil II Siedlungsschwerpunkten. Diese und die weiteren Ortsteile verfügen weitestgehend über eine kompakte Siedlungsstruktur mit nur wenigen Potenzialen für eine Innenentwicklung. Mögliche Nachverdichtungen oder brachgefallene Innenbereichsflächen für eine spätere Wohnnutzung lassen sich im Stadtgebiet nicht identifizieren. Die Potenzialflächen für Innenentwicklungen werden auf Sonderfälle wie z.B. tiefe Grundstücke mit verlängerten Gärten beschränkt. 83 FIN.30 - Flächen intelligent nutzen Teil II 2.9 Teilprojekt 2: Das Umlageverfahren FIN.30 2.9.1 Vorbemerkungen Die städtebauliche Entwicklung brachliegender oder mindergenutzter Innenbereichsflächen kann einen wesentlichen Beitrag zu einer flächensparenden und wirtschaftlich optimierten Siedlungsentwicklung leisten. Sie ist jedoch durch eine Vielzahl vor allem ökonomischer Hemmnisse, wie z. B. die Beseitigung von Altablagerungen, Freilegung von Grundstücken, Planungskonflikte oder geringe Marktfähigkeit aufgrund des Images weitaus aufwändiger als Außenentwicklungen. Die höheren Entwicklungskosten in Verbindung mit geringeren Bodenwertsteigerungen für Innenentwicklungen begünstigen daher die tägliche Flächenneuinanspruchnahme für Außenentwicklungen. Das vorhandene planungs- und bodenrechtliche Instrumentarium hat bislang keine Trendwende bei der Flächeninanspruchnahme herbeiführen können. Zur Förderung einer nachhaltigen Siedlungsflächenentwicklung sind neben der Beseitigung der ökonomischen Hemmnisse marktwirtschaftliche Anreize für eine forcierte Innenentwicklung zu schaffen. Deshalb wird im Folgenden ein ökonomisches Umlageverfahren zur Förderung einer wirtschaftlich tragfähigen Siedlungsflächen- und Infrastrukturentwicklung vorgestellt. Grundlage dafür bildet zunächst die Analyse der verfügbaren und derzeit diskutierten Ansätze für eine haushälterische Flächenpolitik. 2.9.2 Planerische Instrumente Die planerischen Instrumente zur Reduzierung der Flächeninanspruchnahme werden analog zu den Ebenen der Raumplanung in Deutschland (s. Tabelle 3) einschließlich der planungsrechtlichen Grundlagen für die Umsetzung einer nachhaltigen Siedlungsentwicklung und die Reduzierung der Flächeninanspruchnahme systematisiert. Tabelle 3: Planerische Instrumente zur Reduzierung der Flächeninanspruchnahme Bundesebene Rechtsgrundlage Raumordnungsgesetz Baugesetzbuch Landes- und Regionalplanungsebene − − − − − kommunale Ebene Ziele der Raumordnung Richtwerte Vorranggebiete Sicherungsinstrumente Ausweisung von allgemeinen Siedlungsbereichen und Gebieten zur gewerblichen und industriellen Nutzung im Regionalplan − Abwägung 84 FIN.30 - Flächen intelligent nutzen Teil II − Bodenschutzklausel (§ 1a BauGB) − Rücknahme von Baurechten − Verknüpfung von Flächennutzungsplänen mit informellen Masterplänen − Flächennutzungsplan: optimierte Wohnflächenbedarfsermittlung − Bebauungsplan: optimierte Festsetzungen, Bebauungsplan der Innenentwicklung (§ 13a BauGB) − Umweltprüfung mit naturschutzrechtlicher Eingriffsregelung, Kompensationsflächenpools, kooperative Instrumente − interkommunale Planungen: − regionale Flächennutzungspläne − gemeinsame Flächennutzungspläne − Planungsverbände mehrerer Kommunen − Flächenpools (z.B. virtueller Gewerbeflächenpool Kreis Kleve) Der Bund hat mit dem Raumordnungsgesetz und dem Baugesetzbuch gesetzliche Rahmenbedingungen geschaffen und planerische Instrumente bereitgestellt. Die Anwendung dieser Instrumente erfolgt auf den Ebenen der Landes- und Regionalplanung bzw. der kommunalen Bauleitplanung. Obwohl die Relevanz der aufgeführten planerischen Instrumente zur Reduzierung der Flächeninanspruchnahme vor allem auf der Ebene der Regionalplanung sehr hoch ist182, bleibt der konkrete Beitrag zur Umsetzung des Flächensparziels und Förderung der Innenentwicklung oftmals gering. Gemessen an der aktuellen Flächeninanspruchnahme von ca. 106 ha/Tag stoßen die planerischen Instrumente offensichtlich an ihre Grenzen. Dies liegt zum einen an der begrenzten Möglichkeit zur verbindlichen Festlegung der Flächeninanspruchnahme (z.B. absolute Begrenzung der Flächeninanspruchnahme) oder an den fehlenden (finanziellen) Anreizen für interkommunale Kooperationen, mit einem gerechten Ausgleich von Lasten und Nutzen von Flächenausweisungen. Aufgrund der ökonomischen Hemmnisse bei der Innenentwicklung, vermögen die planerischen Instrumente allein nicht die Flächeninanspruchnahme deutlich zu reduzieren. Denn die Verknappung von Bauland führt zu einer Verteuerung von Bestandsimmobilien und Bauflächen. Methodische und strukturelle Defizite bei der Umsetzung des Flächensparziels durch planerische Instrumente bestehen vor allem auf der Ebene der kommunalen Bauleitplanung. Bei der Aufstellung von kommunalen Bauleitplänen (Flächennutzungsplan und Bebauungsplan) ist u.a. der voraussichtliche Bedarf an Wohnbauland zu ermitteln. Die methodische Vorgehensweise bei der 182 BORCHARD ET AL. 2004; PREUß ET AL. 2007 85 FIN.30 - Flächen intelligent nutzen Teil II Prognose ist nicht einheitlich, so dass sich auf unterschiedliche Grundlagen, Annahmen und Szenarien gestützt und somit die Abschätzung des Flächenbedarfs beeinflusst werden kann183. Darüber hinaus ist die Bauleitplanung i.d.R. auf das Gemeindegebiet beschränkt, so dass die kommunalen Prognosen und Planungen nicht über die Gemeindegrenzen hinaus gehen184. Zwar besteht grundsätzlich die Möglichkeit zur interkommunalen Zusammenarbeit durch gemeinsame Flächennutzungspläne (§ 204 Abs. 1 BauGB), Planungsverbände mehrerer Gemeinden (§ 205 BauGB) oder regionale Flächennutzungspläne (§ 9 Abs. 6 ROG), jedoch finden sich bislang nur wenige Anwendungs- und Umsetzungsbeispiele. Wird zur Reduzierung der Flächeninanspruchnahme auf die übermäßige Ausweisung neuer Wohnbauflächen im Rahmen von Außenentwicklungen verzichtet, kann nicht direkt auf eine Verlagerung der Nachfrage auf Flächen der Innenentwicklung geschlossen werden. Ferner bestehen in der kommunalen Planungspraxis oft Bedenken hinsichtlich der negativen Bodenpreisentwicklung bei einer reduzierten Baulandausweisung185. Durch eine uneingeschränkte Ausweisung von Wohnbauland und dem daraus resultierendem Überangebot an Bauland soll einer fortschreitenden Bodenpreisentwicklung entgegen gewirkt werden. Eine Verknappung des Angebots im Rahmen der Reduzierung der Flächeninanspruchnahme kann sich hingegen preistreibend auswirken und somit der kommunalen Bodenpolitik entgegen stehen. 2.9.3 Ökonomische Instrumente Neben den planerischen Instrumenten stehen verschiedene ökonomische Ansätze zur Diskussion, die die planerischen Instrumente flankierend unterstützen sollen. Hierbei handelt es sich um die Modifizierung bereits bestehender Instrumente und um neue Konzepte. 2.9.3.1 Novellierung der Grundsteuer Zur Reform der Grundsteuer wurden zwischenzeitlich diverse Reformmodelle diskutiert186. Ausschlaggebend für eine Reform ist eine Vielzahl von Gründen. Einerseits entspricht das Niveau der Einheitswerte, die zur Berechnung der Grundsteuer herangezogen werden, nur noch einem Bruchteil der aktuellen Verkehrswerte, da diese weder angepasst noch aktualisiert wurden. Andererseits entfaltet die aktuelle Methode der Grundsteuererhebung keine Lenkungswirkung hinsichtlich eines sparsamen Umgangs mit Grund und Boden, da unbebaute Grundstücke geringer belastet werden als bebaute Grundstücke. Somit entsteht ein Anreiz weder zur Bebauung des Grundstücks noch zur Veräußerung. Aus diesen Gründen wurde zwischenzeitlich anfangs der 1960er Jahre die Grundsteuer C erhoben. Darüber hinaus existieren bislang vier Reformvorschläge. 2.9.3.2 Grundsteuer C Die historische Grundsteuer C, auch Baulandsteuer genannt, wurde einerseits aufgrund verfassungsrechtlicher Unstimmigkeiten sowie andererseits durch Widersprüche mit bestehenden Gesetzen (z. B. Baustoppgesetz vom 8.6.1962) lediglich in den Jahren 1961 und 1962 erhoben187. Ziel der Erhebung der Baulandsteuer war auf ein erhöhtes Angebot an Bauland hinzuwirken. Durch die Baulandsteuer wurden unbebaute, baureife Grundstücke steuerlich stärker belastet als bebaute (vergl. § 12a Abs. 1 Grundsteuergesetz (GrStG)), so dass ein Anreiz zur Bebauung oder zur 183 BIZER ET AL. 2006 184 ebd. S. 40 185 ebd. S. 41 f. 186 FUEST & THÖNE 2005 187 Hierzu auch TROLL 1972 86 FIN.30 - Flächen intelligent nutzen Teil II Veräußerung erfolgte. Zu diesem Zweck stand den Gemeinden ein zoniertes Satzungsrecht zur Verfügung, so dass bestimmte räumlich eindeutig abgrenzbare Bereiche differenziert besteuert werden konnten, z.B. durch unterschiedliche von der Kommune festgelegte Hebesätze. Die Baulandsteuer schloss Grundstücke für Gemeinbedarf, Industrie- oder Gewerbegebiete sowie forstund landwirtschaftlich genutzte Grundstücke aus. Durch die Mehrbelastung unbebauter, baureifer Grundstücke wurde der Grundstücksmarktverkehr angeregt. Aufgrund einer Vielzahl von Rechtsmitteln, die die Verfassungswidrigkeit der Baulandsteuer nachwiesen, wurde die Baulandsteuer 1962 für zwei Jahre ausgesetzt und anschließend rückwirkend vom 1.1.1963 aufgehoben. Die spätere Rechtsprechung stellte jedoch fest, dass die Baulandsteuer nicht verfassungswidrig war (Urteil vom BFH vom 19.04.1968, BStBl. 68 II S. 620). Dennoch bleibt eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtes bislang aus, so dass die Grundsteuer C nicht erhoben werden kann. Reformvorschlag 1: Bodenwertsteuer Vorgesehen ist ein Zurückgreifen auf Bodenrichtwertkarten in Verbindung mit kommunalen Hebesätzen188. Durch eine Abstellung auf den Wert des Grundstücks (Bodenwert) lässt sich eine umfangreiche und arbeitsintensive Aktualisierung der Einheitswerte umgehen. Für die Bodenwertsteuer existieren drei Alternativen: − − − Planungswertausgleich (einmalige Abschöpfung des Wertzuwachses) Bodenwertzuwachssteuer (laufende Besteuerung des Wertzuwachses) „spezielle Bodenwertsteuer“ (ausschließliche Besteuerung baureifer, unbebauter Grundstücke, vergl. Grundsteuer C bzw. Baulandsteuer) Die angestrebte Steuerungswirkung zur Forcierung der Innenentwicklung ist als gering einzuschätzen, da lediglich unbebaute Grundstücke verhältnismäßig höher belastet werden als bebaute Grundstücke189. Der so entstehende steuerliche Vorteil bebauter Grundstücke ist dagegen als so gering einzuschätzen, dass kein direkter Anreiz zur Bebauung entsteht. Gleichwohl wird ein steuerlicher Anreiz zur Erhaltung und Renovierung bestehender Gebäude geschaffen, um die Differenz zwischen potenziellen und tatsächlichen Erträgen möglichst gering zu halten. Einen Beitrag zur Reduzierung der Flächeninanspruchnahme kann aus diesen Gründen nur in einem geringen Umfang geleistet werden. Reformvorschlag 2: Flächensteuer Die Flächensteuer geht von einer einheitlichen Belastung (€/m²) aller Grundstücke aus und wirkt demnach überall in gleicher Höhe. Die Erhebung ist unabhängig vom individuellen Marktwert eines Grundstücks und lässt sich somit mit einem sehr geringen Arbeitsaufwand erheben. Da je nach Umfang der Steuer Grundstücke in Hochpreisregionen weniger belastet werden als periphere Standorte, entfaltet die Flächensteuer eine geringe Steuerungswirkung zur Nutzung ungenutzter brachliegender Innenbereichsareale190. 188 BIZER & CICHOROWSKI 2007 189 DIETRICH & JOSTEN 1999 190 BIZER & CICHOROWSKI 2007 87 FIN.30 - Flächen intelligent nutzen Teil II Reformvorschlag 3: Flächennutzungssteuer auf Versiegelung Die Flächennutzungssteuer auf Versiegelung wird differenziert nach dem Grad der Versiegelung des betroffenen Grundstücks und der Nutzung erhoben. So folgt aus einem geringen Versiegelungsgrad eine geringere Steuerlast. Durch diese Erhebungsmethodik werden kompakte Bauweisen steuerlich begünstigt191 oder große Grundstücke belastet. Durch die Förderung einer kompakten Bauweise lässt sich ein Beitrag zur Reduzierung der Flächeninanspruchnahme leisten. Durch den Anreiz zu einer kompakten Bauweise verringert sich der Anteil der versiegelten Flächen auf dem Nettobauland, so dass bei gleichbleibendem Verhältnis zwischen Brutto- und Nettobauland eine Verringerung der Flächeninanspruchnahme erreicht werden kann. Reformvorschlag 4: Kombinierte Boden- und Gebäudesteuer - verbundene Grundsteuer Die Bundesländer Bayern und Rheinland-Pfalz haben sich Anfang des Jahres 2004 auf eine kombinierte Boden- und Gebäudesteuer verständigt. Es handelt sich um einen Zwischenschritt zur Bodenwertsteuer. Ziel dieser Variante ist eine gerechtere Besteuerung der gesamten Liegenschaft, indem die Steuer in einen Gebäude- und einen Grundstücksanteil differenziert wird. Der Gebäudeanteil wird pauschal in Abhängigkeit der Nutzfläche des Gebäudes erhoben (z. B. Ein- und Zweifamilienhäuser mit 800,-€/m² Nutzfläche; Bürogebäude, Warenhäuser, Banken, Hotels mit 1.000,-€/m² Nutzfläche) während für den Grundstücksanteil der maßgebliche Bodenrichtwert zugrunde gelegt wird192. In diesem Zusammenhang wird der Grundstücksanteil einer unbebauten Liegenschaft zu 100% angesetzt, während bei einer bebauten Liegenschaft der Grundstücksanteil auf 70% reduziert wird. Durch diese Vorgehensweise wird einerseits eine gerechte Erhebung der Grundsteuer erreicht, andererseits bleibt eine nachvollziehbare Methodik für die Eigentümer durch die pauschalen Ansätze für die zu besteuernden Gebäude aus193. Darüber hinaus ist eine Steuerungswirkung zugunsten der Innenentwicklung gering, auch wenn der Grundstücksanteil einer bebauten Liegenschaft auf 70% reduziert wird. Aus diesen Gründen ist eine reine Bodenwertsteuer anzustreben. 2.9.3.3 Modifizierung des kommunalen Finanzausgleichs (NRW) Zur Erfüllung der kommunalen Pflichtaufgaben stehen den Kommunen neben den originären Steuereinnahmen Zuweisungen aus dem kommunalen Finanzausgleich zur Verfügung. In NordrheinWestfalen ist der kommunale Finanzausgleich durch das jährlich zu erlassende Gemeindefinanzierungsgesetz (GFG) rechtlich geregelt194. Die Höhe der Zuweisungen wird aus der Differenz zwischen Finanzkraft und Finanzbedarf abgeleitet, die sich aus den entsprechenden pro Kopf Werten für jede Kommune individuell ergibt. Diese Differenzen werden je nach Bundesland zu 60 bis 90% ausgeglichen, während ein evtl. vorhandener Überschuss (abundante Gemeinde) nicht abgeschöpft wird. Die Einnahmemöglichkeiten der Kommunen sind beschränkt, so dass das Grundgesetz in Art. 106 Abs. 7 GG die Länder verpflichtet, für eine ausreichende Finanzausstattung der Kommunen Sorge zu 191 ebd. S. 39 192 Reformvorschlag zur Grundsteuer des Bayerischen Staatsministers der Finanzen und des Ministers der Finanzen des Landes Rheinland-Pfalz an die Finanzministerkonferenz 2004. 193 WEIß 2004 194 www.im.nrw.de, Stand: August 2009 88 FIN.30 - Flächen intelligent nutzen Teil II tragen. Das Land NRW sorgt gemäß Art. 79 Landesverfassung NRW für eine angemessene Finanzausstattung der Kommunen, jedoch unter dem Vorbehalt der eigenen finanziellen Leistungsfähigkeit. Der kommunale Finanzausgleich stellt eine der wichtigsten Finanzeinnahmen innerhalb jeder Gemeinde dar. Durch neue Wohnbaulandausweisungen erwartet die Gemeinde positive fiskalische Effekte aufgrund zunehmender Bevölkerungszahlen, die die wesentliche Bemessungsgrundlage für den Finanzbedarf einer Gemeinde darstellen. Darüber hinaus steigt der Finanzbedarf dünn besiedelter Bereiche aufgrund der höheren spezifischen Kosten. Die aktuelle Struktur des kommunalen Finanzausgleichs gibt momentan keine finanziellen Anreize zum sparsamen Umgang mit Grund und Boden, sondern ermöglicht den Kommunen durch vermehrte Wohnbaulandausweisung die Akquise weiterer Schlüsselzuweisungen. Die bislang diskutierten Möglichkeiten zur Modifizierung und Weiterentwicklung des kommunalen Finanzausgleichs für das Land Nordrhein-Westfalen195 sind vielschichtig, leisten jedoch in der vorliegenden Fassung keine Anreize für die Kommune zur Reduzierung der Flächeninanspruchnahme. 2.9.3.4 Abschöpfung planungsbedingter Bodenwertsteigerung - Planungswertausgleich Im Rahmen der BauGB-Novelle im Jahre 1976 wurde die Abschöpfung der planungs- und maßnahmenbedingten Bodenwertsteigerung intensiv diskutiert. Der Planungswertausgleich ersetzt Erschließungsbeiträge und dient vor allem der finanziellen Unterstützung der Kommune bei der Bereitstellung technischer und sozialer Infrastruktur196 und ist vom Grundstückseigentümer an die Gemeinde in Form eines Ausgleichsbetrags zu entrichten. Ferner besitzt der Planungswertausgleich eine Ausgleichsfunktion, indem er die bevorteilten Eigentümer an der planungs- und maßnahmenbedingten Werterhöhung beteiligt197. Es handelt sich um den vollständigen oder teilweisen Ausgleich der planungs- und maßnahmenbedingten Bodenwertänderung durch die Änderung der rechtlichen und faktischen Nutzbarkeit eines Grundstücks. Bodenwertänderung bzw. Bodenwertsteigerungen können durch eine Vielzahl verschiedener Ursachen198 hervorgerufen werden, z. B. durch Verleihung einer rechtlichen Nutzbarkeit sobald landwirtschaftliche Grundstücke in Bauland umgewandelt werden, in Folge von Erschließung durch Bau einer Straße oder durch sonstige Maßnahmen. Der Umfang des zu zahlenden Ausgleichbetrags kann zwischen 50 und 100% der Bodenwertsteigerung umfassen, wobei die jeweiligen bodenpolitischen Steuerungswirkungen zu berücksichtigt sind. Methodische Schwierigkeiten treten bei der Ermittlung der planungsbedingten Bodenwertsteigerung auf, da der planungsunbeeinflusste Wert mit Unsicherheiten behaftet ist. Die Abschöpfung der planungs- und maßnahmenbedingten Bodenwertsteigerung ist demnach einerseits sehr aufwändig und methodisch mit Problemen verbunden199 und andererseits kann der Ausgleich je nach Höhe nicht von allen Eigentümern geleistet werden. In Bezug auf das Ziel zur Reduzierung der Flächeninanspruchnahme und der Forcierung der Innenentwicklung entfaltet das Instrument des Planungswertausgleichs eine steuernde Wirkung. Durch die Erhebung eines Ausgleichsbetrags – unabhängig von dem Umfang der Abschöpfung – wird 195 vgl. hierzu BÜTTNER ET AL. 2008 196 SEELE 1976 197 SCHAUWECKER 1972 198 ebd. S. 4 ff. 199 hierzu auch SEELE 1976 89 FIN.30 - Flächen intelligent nutzen Teil II die Attraktivität von Grundstücken mit einer hohen Wertsteigerung (z. B. Bauerwartungsland) gemindert, da diese durch den Planungswertausgleich teilweise oder vollständig abgeschöpft werden kann200. Somit entfällt der finanzielle Anreiz für einen Grundstückskauf und Außenentwicklungen, so dass eine Dämpfung der Flächenneuinanspruchnahme erreicht werden kann. Jedoch ist eine reduzierte Bodenmobilität durch hohe Abschöpfungen zu erwarten. Darüber hinaus lassen sich nicht beitragsfähige Kosten (Entwicklungs- und Folgekosten) durch den Einsatz städtebaulicher Verträge, wie z. B. Folgekostenverträge, finanzieren. Aufgrund fehlender politischer Mehrheiten ist der Planungswertausgleich in Deutschland bislang nicht eingeführt worden. In der Schweiz besteht seit 1979 durch Art. 5 des Raumplanungsgesetzes (RPG, SR700) die gesetzliche Verpflichtung einen angemessenen Ausgleich von Vor- und Nachteilen, die durch Planung entstehen zu schaffen, so dass in den Kantonen Basel-Stadt, Bern und Neuenburg Modelle zur Abschöpfung des Planungswertausgleichs bereits erfolgreich angewendet werden. 2.9.3.5 Verursachergerechte Überwälzung von Infrastruktur- und sonstigen Folgekosten durch städtebauliche Verträge Durch Außenentwicklungen in Verbindung mit der Realisierung neuer Wohnbauflächen ist die Herstellung neuer technischer und sozialer Infrastruktur notwendig, da die erforderlichen Anlagen nicht vorhanden sind, oder bestehende Anlagen und Einrichtungen entweder nicht ausreichend dimensioniert sind oder außerhalb einer zumutbaren Erreichbarkeit liegen. Im Gegenzug wird die bereits vorhandene soziale Infrastruktur durch den fortschreitenden demographischen Wandel und Abwanderung immer weniger ausgelastet. Die hierdurch auftretenden Remanenzeffekte und Kosten der Parallelinfrastruktur sind von der Kommune zu tragen und werden - in Form erhöhter Beiträge auf die Allgemeinheit umgelegt. Da die Herstellung und Unterhaltung neuer Anlagen der äußeren Erschließung in der Regel nicht beitragsfähig ist, können diese Kosten nicht auf die Eigentümer umgelegt werden und verbleiben somit bei der Kommune. Die verursachergerechte Überwälzung von einmaligen und langfristigen Infrastrukturkosten durch städtebauliche Verträge schafft die Möglichkeit, die Attraktivität von Außenentwicklungen zu reduzieren. Des Weiteren wird ein Beitrag zu einer gerechteren Kostenverteilung geleistet, da die steigenden Infrastrukturkosten von den Verursachern und Nutzern getragen werden und nicht der Allgemeinheit durch steigende Steuern und Beiträge angelastet werden. 2.9.3.6 Handelbare Flächenausweisungszertifikate Das Konzept der Flächenausweisungszertifikate (FAZ) lässt sich mit dem CO2-Emmissionshandel in Europa201 vergleichen. Ziel ist die (ggf. absolute) Begrenzung der Flächeninanspruchnahme durch die die Festlegung einer Obergrenze für die Baulandausweisung (z. B. quantitatives Flächensparziel 30ha), die sog. Ökogrenze. Diese Obergrenze wird durch eine limitierte Anzahl von ggf. zeitlich befristeten und handelbaren Zertifikaten festgelegt202. Die Verteilung der zur Verfügung stehenden Zertifikate erfolgt gemäß einem festgelegten Schlüssel (z. B. Einwohner- und Beschäftigtenzahl). Nach der Zuteilung ist den Kommunen eine Flächenausweisung nur möglich, wenn diese über ausreichend Zertifikate verfügen203. 200 HANSEN 1975 201 Einführung in Deutschland am 01.01.2005. 202 HANSJÜRGENS & SCHRÖTER-SCHLAACK 2008 203 WALZ & KÜPER 2005 90 FIN.30 - Flächen intelligent nutzen Teil II Darüber hinaus können durch interkommunalen Handel Flächenzertifikate erworben und veräußert werden, so dass zum einen übermäßige Flächenausweisungen vermieden und zum anderen ökonomische Vorteile bei nicht in Anspruch genommenen Zertifikaten durch Veräußerung auf dem interkommunalen Markt berücksichtigen werden können. Der interkommunale Handel der Flächenzertifikate stellt neben den ökonomischen Vorteilen jedoch auch ein erhebliches Risiko dar, da die Gefahr von SpekulationsSpekulations und Bevorratungskäufen nicht ausgeräumt werden kann. Des Weiteren besteht die Gefahr, dass die Kommunen in ihrer Entwicklung durch die Haushaltslage einschränkt werden und somit eine Weiterentwicklung Weiterentwick ausgeschlossen wird204. Eine Begrenzung der Flächenausweisung lässt ein Wachstum außerhalb der zentralen Orte aufgrund der hier zu erwartenden Preisentwicklung nicht zu, wodurch einige betroffene Kommunen in ihrer Entwicklungsdynamik eingeschränkt werden werde könnten205. Aus den aufgeführten Gründen ist das Konzept einerseits nicht mit der kommunalen Selbstverwaltung vereinbar und anderseits besteht die Gefahr, dass die Planung schließlich zur „Ausführenden des Marktes“ würde. Dies widerspricht der grundlegenden grundlegenden Raumordnungsaufgabe der Gleichwertigkeit der Lebensverhältnisse. Ungeachtet der rechtlichen und politischen Hindernisse lässt sich in Bezug auf das Ziel der Reduzierung der Flächenneuinanspruchnahme jedoch eine hohe Steuerungswirkung feststellen, da durch rch die zusätzliche Belastung von Außenentwicklungen das Verhältnis zwischen InnenInnen und Außenentwicklungen beeinflusst und hierdurch eine Forcierung der Innenentwicklung erreicht wird. 2.9.3.7 Baulandausweisungsumlage - BLAU Das Konzept der Baulandausweisungsumlage Baulandausweisungsumlage (BLAU) basiert zum einen auf Umlagezahlungen der Kommunen an den Bund bzw. an das Land sowie zum anderen auf eine Rückverteilung an die Kommunen gemäß ihrer Ausweisungstätigkeit206. In diesem Sinn werden von den Kommunen pauschale Gelder an das Land abgeführt, abgef die in zwei Töpfe aufgeteilt werden: 1. Ausschüttungsaufkommen 2. Innenentwicklungsfonds (Ökofonds) Abbildung 36:: Prinzip der Baulandausweisungsumlage BLAU (in Anlehnung an KRUMM 207 , 2005) Die finanzielle Ausstattung des Ausschüttungsaufkommens Ausschüttungsaufkommens und des Innenentwicklungsfonds erfolgt dadurch, dass alle Kommunen in gleichen Maßen zur Einlage des gesamten Umlageaufkommens in Form von pauschalen „Umlagen“ beitragen (vgl. Abbildung 36). 204 BIZER & CICHOROWSKI 2007 205 STEMMLER 2005 206 KRUMM 2005 207 ebd. S. 308 91 FIN.30 - Flächen intelligent nutzen − − Teil II Das Ausschüttungsaufkommen wird gemäß einem Einwohnerschlüssel (€/EW) rückverteilt, so dass diejenigen Kommunen belastet werden, die übermäßig Bauland ausweisen und deren Einwohnerzahl vergleichsweise gering ist und somit deren Baulandausweisung pro Einwohner über dem Landesdurchschnitt liegen208. Die finanziellen Mittel des Innenentwicklungsfonds hingegen werden projektbezogen zur Förderung der Innenentwicklung verteilt. Es handelt sich um eine kombinierte Forcierung der Innenentwicklung, die sich einerseits aus einer direkten finanziellen Förderung aus dem Innenentwicklungsfonds und andererseits aus einer finanziellen Belastung von Außenentwicklungen zusammensetzt. Somit wird das Ziel der Reduzierung der Flächeninanspruchnahme durch eine forcierte Innenentwicklung erreicht. Hinsichtlich der Umsetzung des Konzeptes der Baulandausweisungsumlage bestehen rechtliche Bedenken, da Neuausweisungen möglicherweise vermehrt aus haushaltspolitischen Aspekten und nicht zur Erreichung planerischer Zielsetzungen erfolgen. Somit hätte die Baulandausweisungsumlage ihre Zielsetzung einer flächenschonenden Siedlungsentwicklung verfehlt. Darüber hinaus scheint die Belastung der kommunalen Haushalte für die Ausweisung von Wohnbauland im Außenbereich nicht plausibel, da nicht die Eigentümer als Nachfrager, sondern die Kommune finanziell belastet werden. 2.9.3.8 Stadtentwicklungsfonds Im Zuge der JESSICA-Initiative (Joint European Strategy for Sustainable Investment in City Areas) wird in Verbindung mit den Projekten JEREMIE (Joint European REsources for MIcro to medium Enterprises) und JASPERS (Joint Assistance to Support Projects in European Regions) der Zugang kleiner und mittelständische Unternehmen (KMU) zu öffentlichen (EU-)Fördermitteln erleichtert. Ziel der JESSICA-Initiative ist neben der Förderung der Zusammenarbeit öffentlicher und privater Einrichtungen bei der Finanzierung von Projekten unter anderem die Einrichtung revolvierender Stadtentwicklungsfonds209. Förderfähige Projekte können u.a. folgende Maßnahmen umfassen. − − − − Revitalisierung und Bebauung von Brachflächen, Aufwertung benachteiligter Stadtquartiere, Investitionen in das Gesundheitswesen und die soziale Infrastruktur oder Investitionen im kulturellen Bereich. Die revolvierende Anlage des Fonds sieht vor, dass die Förderungen keinen Zuschusscharakter besitzen, sondern als Darlehen nach erfolgter Umsetzung des Projektes wieder dem Fonds zugeführt werden210. Die Einlage und die anfängliche Förderung des Fonds lassen sich mit Fördermitteln aus dem Europäischen Fonds für Regionale Entwicklung (EFRE) ermöglichen. Insofern lassen sich derartige Fonds mit Hilfe von Fördermitteln ausschließlich in der Anlaufphase selbsttragend einrichten und langfristig betreiben. Durch die Kooperation zwischen den Behörden der europäischen Mitgliedstaaten auf der einen und der Kommission, der Europäischen Investitionsbank und der Entwicklungsbank des Europarates auf der anderen Seite, lassen sich in dem Fonds neben 208 ebd. S. 309 209 http://europa.eu, Stand: August 2009 210 JAKUBOWSKI 2007 92 FIN.30 - Flächen intelligent nutzen Teil II den öffentlichen Fördermitteln auch private Einlagen in Form einer „Public Private Finance“ (PPF) zusammenführen211. Die revolvierende ierende Struktur steigert die Effektivität der Fördermittel erheblich, da die Fördermittel nach ihrem einmaligen Einsatz nicht verloren gehen, sondern in den Fonds zurückfließen und erneut verwendet werden können212. Hieraus folgt, dass ausschließlich solche Flächen förderfähig sind, die positive Renditen erwarten lassen und somit die Rückzahlung des Darlehens ermöglichen. Darüber hinaus scheint die Förderung nicht rentabler Flächenentwicklungen vor dem Hintergrund der Renditeüberlegungen der privaten Kapitalgeber Kapital nicht geeignet213 und sollte daher auf Flächen mit wenn auch geringen - Renditeaussichten beschränkt werden. Abbildung 37:: Zuschussförderung und Prinzip revolvierender Fondsmodelle (Quelle: verändert nach Dastig, M. 2006 20 214 ) Da der Einsatz von JESSICA-Instrumenten Instrumenten (EFRE-Mittel) (EFRE Mittel) bislang nicht für die Entwicklung von Wohnbauflächen vorgesehen ist, müssen die Wohnbereiche bei der Inanspruchnahme von Fördermitteln abgegrenzt und alternativ finanziert werden215. Ein konkreter Beitrag Be bei der Verringerung der Flächeninanspruchnahme durch Wohnbauflächen ist somit durch dieses Instrument nicht möglich. Aktuell werden diverse Konzeptionen und mögliche Anwendungen in Form von Modellvorhaben in den Bundesländern Brandenburg, Hamburg, Nordrhein-Westfalen N Westfalen und Rheinlandpfalz erarbeitet216. Des Weiteren wird derzeit in einer Pilotanwendung die Umsetzung eines Stadtentwicklungsfonds in der Stadt Leipzig durchgeführt217. 211 JAKUBOWSKI 2009 212 KOLIVAS 2007 213 JAKUBOWSKI 2009 214 zitiert in JAKUBOWSKI 2007, S. 582 215 ECKART & REIMOLD 2007 216 BUNDESINSTITUT FÜR BAU-, STADT- UND RAUMFORSCHUNG 2009 217 Absichtserklärung der Sächsischen Aufbaubank, Pressemitteilung von 24.05.2007 (http://www.sab.sachsen.de/de/sab/pp/pressearchiv/detail_pmarchiv_77.html pp/pressearchiv/detail_pmarchiv_77.html), ), Stand: August 2008 93 FIN.30 - Flächen intelligent nutzen Teil II 2.9.4 Sonstige Instrumente Neben den planerischen und ökonomischen Instrumenten stehen vor allem auch informatorische Instrumente hinsichtlich der ökologischen, sozialen und ökonomischen Folgen von Flächenausweisungen zur Verfügung. Sie befassen sich mit der Erfassung und Dokumentation von Flächennutzungen und Flächeninanspruchnahmen, Baulückenkataster und Informationskampagnen. Direkte Beiträge zur Reduzierung der Flächeninanspruchnahme können diese Instrumente jedoch nicht leisten. 2.9.5 Instrumentenwahl für ein kostenorientiertes Umlageverfahren zur Forcierung der Innenentwicklung Die aktuelle Flächeninanspruchnahme von täglich ca. 106 ha belegt, dass die vorhandenen planerischen und ökonomischen Instrumente bei der Reduzierung der Flächeninanspruchnahme an ihre Grenzen stoßen und durch sie allein des 30-ha Ziel nicht erreicht werden kann. Gleichwohl stellen die planerischen Instrumente den Rahmen für die möglichen Handlungsfelder und neue flankierende Instrumente auf. Ein wesentlicher Beitrag zum Flächensparen wird durch die Reaktivierung brachliegender Innenbereichsflächen geleistet, die jedoch durch die vorhandenen ökonomischen Hemmnisse erschwert wird. Die Beseitigung der Hemmnisse bei der Revitalisierung brachliegender Innenbereichsflächen kann vor allem durch ökonomische Instrumente erfüllt werden, so dass hierdurch ein wesentlicher Beitrag zur Unterstützung der planerischen Vorgaben geleistet werden kann. Maßgebliche Vorteile ökonomischer Instrumente liegen in ihrer Flexibilität und hohen Akzeptanz, da sie keine planerischen und rechtlichen Grenzen festsetzen, sondern marktwirtschaftliche Anreize bieten. Die geforderte Flexibilität eines neuen Instruments in Verbindung mit der Finanzierung nicht rentabler Flächenentwicklung in den Innenbereichen führt zu einem fondsgestützten Instrument, das hinsichtlich seiner Förderwege und Finanzierung offen ist. Dieses Konzept sieht die Kombination öffentlicher und privater Mittel (public private finance - PPF) mit Hilfe eines Fonds vor, der die defizitären Entwicklungskosten von Brachflächen auffängt und somit marktwirtschaftliche Anreize für die Brachflächenrevitalisierung schafft. Darüber hinaus ist die Umsetzung dieses Verfahrens für die Kommune kostenneutral zu realisieren, da neben öffentlichen Fördermitteln vor allem private Mittel zur Finanzierung verwendet werden. 2.9.6 Allgemeine Prinzipien des Umlageverfahrens FIN.30 Ein wesentliches Motiv für die Außenentwicklung besteht offensichtlich in den vergleichsweise geringeren projektbezogenen Entwicklungskosten und den kalkulierbaren ökonomischen Risiken, die im Fall von Innenentwicklung und Brachflächen indessen durch die höhere Komplexität der Planungsprozesse, längere Verfahrensdauern, Altablagerungen und Imageprobleme ungünstig beeinflusst werden. Unrentable Flächen der Innenentwicklung entwickeln sich unter den bestehenden Marktverhältnissen zu Dauerbrachen. Zentraler Baustein des Umlageverfahrens ist daher ein Fonds, mit dem diese strukturellen ökonomischen Entwicklungshemmnisse im Innenbereich aufgefangen werden sollen. Das grundlegende Prinzip des Verfahrens sieht vor, dass ein Teil der i.d.R. beim Eigentümer verbleibenden planungsbedingten Bodenwertsteigerung rentabler Außenentwicklungen in Form einer Innenentwicklungsumlage in einen Innenentwicklungsfonds abgeführt wird und diese Mittel zur Beseitigung der ökonomischen Entwicklungshemmnisse unrentabler Innenentwicklungen verwendet werden. Die durch den Fonds geförderte Innenentwicklung führt zu einer optimierten 94 FIN.30 - Flächen intelligent nutzen Teil II Auslastung der vorhandenen technischen und sozialen Infrastruktur, so dass langfristig steigende Kosten durch Zersiedlung218 vermeiden werden können. Langfristig können durch eine kompakte Siedlungsstruktur die Kosten und somit auch die Beiträge für die Unterhaltung und Instandsetzung von Infrastruktureinrichtungen konstant gehalten oder reduziert werden. Demnach besteht ein direkter Zusammenhang zwischen der Außenentwicklung und steigenden Infrastrukturkosten. Da diese Kosten zumeist von der Kommune getragen werden, diese jedoch über Beiträge, Gebühren oder sonstige Abgaben letztendlich von der Allgemeinheit zu finanzieren sind, besteht an deren Reduzierung ein öffentliches Interesse. Darüber hinaus muss der Fonds folgenden grundsätzlichen Anforderungen genügen: öffentliches Interesse: Für die Wiedernutzung von brachliegenden Flächen kann die Gemeinde gemäß § 165 Abs. 3 Nr. 2 BauGB eine städtebauliche Entwicklungsmaßnahme durchführen. Die Anwendungsmöglichkeit wird mit dem Wohl der Allgemeinheit begründet. Eine Brachflächenrevitalisierung dient damit dem Wohl der Allgemeinheit, so dass eine solche Maßnahme in jedem Fall auch im öffentlichen Interesse liegt. Angemessenheit219: Das Angemessenheitsprinzip bei der Umsetzung des Umlageverfahrens ergibt sich aus dem allgemeinen Verhältnismäßigkeitsgebot. Danach müssen die Leistungen und Gegenleistungen der Vertragspartner in einem angemessenen und ausgewogenen Verhältnis stehen. Die Abgaben dürfen daher die Nettobodenwertsteigerungen nicht übersteigen und den Eigentümer nicht unverhältnismäßig belasten. Kausalität220: Zwischen den Vertragsleistungen muss ein sachlicher Zusammenhang gegeben sein. Es ist zu begründen, dass durch die Revitalisierung und Wiedernutzung von Brachflächen einer dispersen Siedlungsentwicklung entgegen gewirkt wird und somit Kosten reduziert werden. Ein kausaler Zusammenhang ist demnach gegeben, wenn durch die Entwicklung von Außenbereichsflächen neue Infrastruktureinrichtungen (äußere Erschließung, soziale Infrastruktur) notwendig würden, auf die jedoch bei einer Brachflächenrevitalisierung verzichtet und zugleich die bestehende Infrastruktur optimal ausgelastet werden könnte. Durch die Kausalität wird eine direkte Verbindung zwischen B- und C-Flächen sowie zwischen der Innenentwicklungsumlage und der Förderungen hergestellt. Kostendeckung: Der Anteil der unrentablen Kosten bei der Innenentwicklung soll im Idealfall vollständig durch die Abgaben von rentablen Außenentwicklungen gedeckt werden. Für den Fall einer Unterdeckung ist die Zuführung öffentlicher Fördermittel in den Innenentwicklungsfonds ausdrücklich vorgesehen. Zugleich ist die Höhe der Umlage und öffentlichen Fördermittel durch die 218 u.a. ECOPLAN 2000; SIEDENTOP ET AL.2006; GUTSCHE 2002 219 hierzu auch KRAUTZBERGER in ERNST/ZINKHAHN/BIELENBERG/KRAUTZBERGER (2008): „Kommentar zum Baugesetzbuch“, 88. Ergänzungslieferung, § 11 Abs. 2 (1) BauGB, Rn. 167 ff.; LÖHR in BATTIS, KRAUTZBERGER, LÖHR (2007): „BauGB - Kommentar“, 10. Auflage, § 11 Abs. 4 (2) BauGB Rn. 21, S. 279 220 hierzu auch § 56 Abs. 1 VwVfG; KRAUTZBERGER in ERNST/ZINKHAHN/BIELENBERG/KRAUTZBERGER (2008): „Kommentar zum Baugesetzbuch“, 88. Ergänzungslieferung, § 11 BauGB, Rn. 164 - 164 d 95 FIN.30 - Flächen intelligent nutzen Teil II Höhe der unrentablen Kosten begrenzt, so dass keine Überschüsse bzw. Gewinne für die Kommune entstehen. Haushaltsneutralität: Durch die vollständige Deckung der unrentablen Kosten bei der Entwicklung von Innenbereichsflächen lässt sich das Umlageverfahren für die Kommune haushaltsneutral anlegen. Zu berücksichtigen sind dabei auch die Verwaltungsund Verfahrenskosten zur Erhebung der Innenentwicklungsumlage. 2.9.7 Bestandteile und Wirkungsmechanismus des Umlageverfahrens FIN.30 Das Umlageverfahren setzt sich aus fünf Bausteinen zusammen (siehe Tabelle 4). Das zentrale Element ist ein Innenentwicklungsfonds zur Förderung der defizitären Entwicklung brachliegender Innenbereichsflächen. Tabelle 4: Flächenkategorien und Bausteine des Umlageverfahrens FIN.30 Flächenkategorie Lage Charakteristika A-Flächen unrentabel Außenentwicklung marktgängig B-Flächen rentabel C-Flächen unrentabel Innenentwicklung marktgängig D-Flächen rentabel EA-Flächen Außenentwicklung nicht marktgängig EI-Flächen Innenentwicklung Bausteine nicht marktgängig Eigenschaften Aufgabe beim Umlageverfahren Innenentwicklungsfonds – keine Förderung von Außenentwicklungen – Kostenneutralität – Verwaltung durch Kommune – Förderung marktgängiger aber nicht rentabler Innenentwicklungen – Deckung der unrentablen Entwicklungskosten öffentliche Fördermittel – förderfähig nach den Rahmenbedingungen der entsprechenden Förderprogramme – Speisung des Innenentwicklungsfonds oder – direkte projektbezogene Förderung defizitärer Innenentwicklungen 96 FIN.30 - Flächen intelligent nutzen Teil II Die Standorte für die Wohnbauflächenentwicklung lassen sich je nach Marktgängigkeit und Rentabilität der Entwicklung in fünf Typen unterteilen (siehe Tabelle 4 und Abbildung 38). Da an der Entwicklung ng nicht marktgängiger Flächen (EA/I-Flächen) Flächen) kein Interesse besteht, gilt als grundlegende Voraussetzung für die Integration und Aufnahme in das Umlageverfahren die Marktgängigkeit der potenziellen Wohnbauflächen. Die Rentabilität der Flächenentwicklung dient der weiteren Differenzierung in A-/B- und C-/D-Flächen. C Flächen. Diese wird durch eine integrierte städtebauliche 221 Kalkulation ermittelt. Abbildung 38: Konzeption des Umlageverfahrens FIN.30 Die Kategorie B umfasst ausschließlich Außenentwicklungen, die sich überwiegend marktgängig und rentabel entwickeln lassen, da ein niedriger Anfangswert und vergleichsweise geringe Entwicklungskosten typisch sind. Die Nettobodenwertsteigerung von Innenentwicklungen bleibt oftmals dahinter zurück, ck, da zum einen bereits Baurecht besteht und zum anderen die Entwicklungskosten durch zusätzliche Maßnahmen (z.B. Beseitigungskosten für Altablagerungen, Freilegungskosten, längere Verfahren etc.) erhöht werden. Übersteigen die Entwicklungskosten zuzüglich h des Anfangswertes den voraussichtlichen Bodenendwert, so wird diese Fläche als unrentabel eingestuft. Die meisten Flächen dieser Kategorie lassen sich der Innenentwicklung zuordnen und werden unter rein marktwirtschaftlichen Gesichtspunkten keiner städtebaulichen städte Entwicklung zugeführt. 2.9.8 Ermittlung der Innenentwicklungsumlage Ziel des Umlageverfahrens ist eine solidarische Tragung der Baulandentwicklungskosten. Zu diesem Zweck werden alle neuen Wohnbauflächen im Flächennutzungsplan zu einer Solidargemeinschaft Solidargemeinsc zusammengefasst (Umlagebereich). Innerhalb der Solidargemeinschaft erfolgt ein direkter Ausgleich der unrentablen Kosten für Innenentwicklungen durch den Innenentwicklungsfonds. Die Speisung 221 KÖTTER ET AL. 2009c 97 FIN.30 - Flächen intelligent nutzen Teil II des zentralen Fonds erfolgt durch eine Innenentwicklungsumlage, die von den Eigentümern deren Flächen im ehemaligen Außenbereich rentabel entwickelt werden können einmalig erhoben wird. 2.9.8.1 Festlegung des Umlagebereichs Die Ausgestaltung des Verfahrens und die Kriterien für die Umlage werden im Folgenden beschrieben. Eine Umlage wird von den Grundstücken erhoben, die marktgängig und rentabel sind sowie der Außenentwicklung zugeordnet werden. Während die Marktgängigkeit eine Grundvoraussetzung für das Umlageverfahren darstellt und schlüssig nachzuweisen ist, lassen sich die Rentabilität einer Fläche berechnen und die Lage einer Fläche eindeutig der Außen- oder Innenentwicklung objektiv zuordnen. Der Umlagebereich umfasst alle gemäß Flächennutzungsplan neu zu entwickelnden Flächen (A-, B-, C- und D-Flächen), die hinsichtlich der Rentabilität bestimmte Anforderungen erfüllen. Die Festlegung des Umlagebereichs erfolgt in einem dreistufigen Verfahren: 1. Qualifizierung der Siedlungsflächen als Innen- oder Außenentwicklung Vor der Ermittlung der Rentabilität wird eine Differenzierung der Siedlungsflächen nach Innenund Außenentwicklung vorgenommen. I. Innenentwicklung (C-, D- und E-Flächen): Zur Innenentwicklung zählen Flächen, die in einem Zusammenhang bebauter Ortsteile liegen. Hierunter werden vor allem die Schließung von Baulücken, die Nachverdichtung und das Flächenrecycling verstanden222. Darüber hinaus zählen auch solche Flächen zur Innenentwicklung, die aufgrund der Flächengröße als „Außenbereich im Innenbereich“ zu qualifizieren sind. Die Erforderlichkeit zur Aufstellung eines Bebauungsplans hat auf die Zuordnung keinen Einfluss. II. Außenentwicklung (A- und B-Flächen): Der Außenentwicklung werden alle Flächen zugeordnet, die nicht von der Kategorie I abgedeckt werden. Hierzu zählen daher vor allem Gebiete, die nicht durch § 34 BauGB erfasst werden223. 2. Ermittlung der Rentabilität: Zur Identifizierung der rentablen und unrentablen Flächen werden für alle jeweiligen Flächen zunächst die Entwicklungs- und Folgekosten kalkuliert. So kann die Flächenrentabilität nach folgender Maßgabe ermittelt werden: 10% mit: Ri BWi KEj KFi = = = = Rentabilität einer Fläche Bodenwert einer Fläche nach der Entwicklung diskontierte der Entwicklungskosten einer Fläche diskontierte Folgekosten einer Fläche Die Rentabilität wird als Indikator für eine ökonomisch tragfähige Siedlungsflächenentwicklung verwendet. Als Grundlage für die Rentabilität werden die potenziellen Flächen mit Hilfe einer städtebaulichen Kalkulation bewertet. 222 SIEDENTOP 2001 223 KRAUTZBERGER in ERNST/ZINKHAHN/BIELENBERG/KRAUTZBERGER (2008): „BauGB - Kommentar“, 88. Ergänzungslieferung, § 35 Abs. 1 BauGB, Rn. 2 98 FIN.30 - Flächen intelligent nutzen Teil II Die städtebauliche Kalkulation birgt gewisse Unsicherheiten, die bei der Ermittlung der Rentabilität zu berücksichtigen sind. Die Kostenermittlung beruht auf einer Auswahl von den als entscheidungsrelevant erachteten Kosten und es sind einige Annahmen und Klassifizierungen zu treffen bzw. vorzunehmen, die sich auf die Genauigkeit der Kalkulation auswirken. Deshalb ist eine Betrachtung zur Zuverlässigkeit und Genauigkeit des Verfahrens erforderlich. Die Abweichung der kalkulierten von den wahren Kosten kann durch drei Komponenten erklärt werden: 1. Genauigkeit pauschaler Kostenschätzungen 2. Genauigkeit der Kostenstandards 3. Fehlerfortpflanzung im mathematischen Modell Die Abweichung der kalkulierten von den wahren Kosten wird durch eine Kombination der drei Einflüsse beschrieben und durch einen Sicherheitspuffer von zehn Prozent der voraussichtlichen Kosten (diskontierte Entwicklungs- und Folgekosten) berücksichtigt. Danach ergeben sich folgende Rentabilitätsklassen: • rentabel: Ri > 0 • kostendeckend: Ri = 0 • unrentabel: Ri < 0 3. Differenzierung nach Flächenkategorien Auf Grundlage der Lage und der Rentabilität wird eine Einteilung in Umlageflächen (Zahlung der Innenentwicklungsumlage in den Innenentwicklungsfonds) und Förderflächen (Förderung aus dem Innenentwicklungsfonds) vorgenommen. 99 FIN.30 - Flächen intelligent nutzen Teil II Abbildung 39: Abgrenzung des Umlagebereichs Das dreistufige Verfahren legt den Umlagebereich fest, der lediglich die rentablen Flächen der Außenentwicklung und unrentablen Flächen der Innenentwicklung umfasst (siehe Abbildung 39). Dabei ist zu beachten, dass die Flächen mit ausgeglichener Rentabilität (Ki -10% 10% < R < Ki +10%) der Außenentwicklung den A-Flächen Flächen und der Innenentwicklung Innenentwick den C-Flächen Flächen zugerechnet werden. 2.9.8.2 Bemessung der Innenentwicklungsumlage Die Höhe der Innenentwicklungsumlage und somit der Fondseinlage richtet sich nach den unrentablen Entwicklungskosten der Innenentwicklung, d.h. nach der Summe der Defizite aller CFlächenentwicklungen. Dieser Betrag wird auf die B-Flächen B Flächen (rentable Außenentwicklung) umgelegt und als Innenentwicklungsumlage abgeschöpft. Für die Abschöpfung wird die Bodenwertsteigerung, die die B-Flächen Flächen durch die Entwicklung erfahren, herangezogen. herangezogen Die erforderliche Innenentwicklungsumlage ergibt sich als Differenz des Bodenwerts aller C-Flächen C Flächen und der Summe ihrer Entwicklungskosten. 100 FIN.30 - Flächen intelligent nutzen Teil II Abbildung 40:: Zusammenhang, Entwicklungskosten und Innenentwicklungsumlage bei B-Flächen B Abbildung 40 veranschaulicht die Systematik. Um eine Akzeptanz bei den Eigentümern zu erreichen, ist eine Beschränkung der Abschöpfung auf max. 70% der Bodenwertsteigerung vorgesehen so dass in jedem Fall 30% beim Eigentümer verbleiben. Mit einer solchen Aufteilung liegen iegen positive Erfahrungen aus vorhandenen Baulandmodellen vor, wie z.B. beim Münchener Modell der „sozialgerechten Bodennutzung“, das ebenfalls die Abschöpfung auf 70% der Bodenwertsteigerung (Differenz zwischen AnfangsAnfangs und Endwert) begrenzt. Die Kostenbeteiligung beteiligung im Rahmen städtebaulicher Verträge hat abgabenrechtlichen Charakter und eine Begrenzung (Kappungsgrenze) ist daher aus rechtlicher Sicht nicht erforderlich224. Allerdings würde es wohl ansonsten an einer ausreichenden Mitwirkungsbereitschaft fehlen. fehlen. 2.9.8.3 Einsatz sonstiger Fördermittel Zur Speisung des Innenentwicklungsfonds sind öffentliche Fördermittel ausdrücklich vorgesehen. Eine ausschließliche Bereitstellung der Fondseinlage durch Mittel aus der Innenentwicklungsumlage würde eine negative Steuerungswirkung ngswirkung hinsichtlich der Außenentwicklung entfalten, da ohne vorhandene Außenentwicklung bzw. einem geringen Anteil von B-Flächen B Flächen keine finanziellen Mittel für den Fonds akquiriert werden könnten. Auch ist zunehmend davon auszugehen, dass in einigen Städten dten überhaupt keine Außenentwicklung stattfindet. Darüber hinaus ist eine zusätzliche Speisung des Fonds wegen der Begrenzung der Innenentwicklungsumlage auf 70% der Bodenwertsteigerung 224 vgl. LÖHR in BATTIS, KRAUTZBERGER, LÖHR (2007): „BauGB - Kommentar“, 10. Auflage, § 11 Abs. 4 (2) BauGB Rn. 21, S. 279; KRAUTZBERGER in ERNST/ZINKHAHN/BIELENBERG/KRAUTZBERGER (2008): „BauGB - Kommentar“, 88. Ergänzungslieferung, § 11 BauGB, Rn. 167 ff. 101 FIN.30 - Flächen intelligent nutzen Teil II notwendig. Für diese Fälle sind zusätzliche öffentliche Fördermittel zur Deckung der unrentablen Kosten erforderlich. Dafür stehen grundsätzlich folgende Förderprogramme zur Verfügung: − − Städtebauförderung: a. Städtebauliche Sanierungs- und Entwicklungsmaßnahme225 b. Stadtumbau West und Ost226 c. soziale Stadt227 d. aktive Stadt- und Ortsteilzentren228 Förderprogramme der KfW-Bankengruppe (früher: Kreditanstalt für Wiederaufbau): a. vergünstigte Kommunalkredite (Infrastruktur) Die Fördermittel der Städtebauförderung können basierend auf der Verwaltungsvereinbarung Städtebauförderung 2009 für Fondslösung verwendet werden, solange die Förderbedingungen der jeweiligen Programme eingehalten werden. Hierzu zählen insbesondere die Förderung von aktiven Stadt- und Ortsteilzentren für − − − − die Aufwertung des öffentlichen Raumes, Instandsetzung und Modernisierung von Stadtbild prägenden Gebäuden, Bau- und Ordnungsmaßnahmen für die Wiedernutzung von Grundstücken mit leer stehenden, fehl- oder mindergenutzten Gebäuden und von Brachflächen einschließlich städtebaulich vertretbarer Zwischennutzungen und die Teilfinanzierungen von Verfügungsfonds229 Die Fördermöglichkeiten der KfW-Programme können hingegen nicht in den Fonds integriert werden und besitzen daher im Umlageverfahren FIN.30 eine komplementäre Bedeutung. 2.9.9 Förderbedarf und -möglichkeiten Die Mittel aus der Umlage können ausschließlich für eine Förderung der C-Flächen verwendet werden. Das Ziel ist es, einen hohen Anteil der Entwicklungskosten aus Fondsmittel zu finanzieren, sodass eine rentable Flächenentwicklung ermöglicht wird (siehe Abbildung 41). Zur Bemessung des Förderbedarfs bei C-Flächen muss zunächst die Entwicklung des Bodenwertes und des Grundstückswertes betrachtet werden. Es wird davon ausgegangen, dass die C-Flächen städtebaulich vorgenutzt waren und die Aufgabe der alten Nutzung zu einer Brachenbildung geführt hat. Geringe Nachfrage und ungewisse Nachnutzungsmöglichkeiten lassen den Bodenwert (=Bodenanteil am Grundstück) absinken. Aufgrund von erheblichen Freilegungs- und Altablagerungsbeseitigungskosten ergibt sich ein negativer Grundstückswert. Die Entwicklung kann dann nicht rentabel erfolgen, wenn die Summe aller Entwicklungskosten einschließlich der Freilegungskosten und Altablagerungsbeseitigungskosten den Bodenwert nach Entwicklung 225 BMVBS 2007 226 ebd., S. 15 ff.; http://www.bmvbs.de/Stadtentwicklung_-Wohnen/Stadtentwicklung-,1550/Stadtumbau.htm (abgerufen am 16.06.2009); www.stadtumbau-ost.info; www.stadtumbau-west.info (abgerufen am 16.06.2009) 227 ebd., S. 19 ff.; http://www.bmvbs.de/Stadtentwicklung_-Wohnen/Stadtentwicklung-,1551/Soziale-Stadt.htm (abgerufen am 16.06.2009); www.sozialestadt.de (abgerufen am 20.1.2009) 228 http://www.bmvbs.de/Stadtentwicklung_-Wohnen/Stadtentwicklung/Programme-,1548.1025207/Aktive-Stadt-undOrtsteilzentr.htm (abgerufen am 16.06.2009) 229 Verfügungsfonds: Zur stärkeren Beteiligung und Mitwirkung der Betroffenen kann die Gemeinde einen Fonds einrichten, dessen Mittel ein lokales Gremium bewirtschaftet. (Art. 10 (1) VV Städtebauförderung 2009) 102 FIN.30 - Flächen intelligent nutzen Teil II überschreitet. Ohne eine externe Finanzierung der unrentablen Kosten würde keine Entwicklung erfolgen und derartige C-Flächen Flächen könnten sich zu E-Flächen E entwickeln. Abbildung 41:: Zusammenhang von Bodenwert, Entwicklungskosten und Förderbedarf bei C-Flächen C Der Förderbedarf kann daher in Höhe dieser unrentablen Kosten angesetzt werden. Dabei soll die Förderung durch Zuschüsse oder Darlehen erfolgen. I. Zuschuss Als primärer Förderweg ist die Bereitstellung nicht rückzahlbarer Zuschüsse vorgesehen. Die Förderung wird auf die C-Flächen Flächen begrenzt. Insbesondere scheidet eine Förderung unrentabler Außenentwicklungen (A-Flächen) Flächen) aus. II. Darlehen Jede Förderung steht zunächst hst unter dem Vorbehalt der Rückzahlung, d.h. der gewährte Betrag steht als Darlehen zur Verfügung und dient zur Anschubfinanzierung. Nur den nachweislich nach Maßnahmendurchführung unrentablen Flächen wird der Betrag als Zuschuss gewährt. In den Fällen einer ner unrentablen Entwicklung ist der Betrag lediglich zur Anschubfinanzierung vorgesehen und eine Rückführung in den Innenentwicklungsfonds erforderlich (Darlehen). 2.9.10 Steuerungswirkungen der Innenentwicklungsumlage Zweck der Innenentwicklungsumlage ist es, wirtschaftliche Anreize für die Innentwicklung und Revitalisierung von Brachflächen zu schaffen. Die Abschöpfung eines Teils der planungsbedingten Bodenwerterhöhung bei rentablen Außenentwicklungen (A-Flächen) (A dientt der Finanzierung des Innenentwicklungsfonds. Zugleich werden die ökonomischen Anreize für Flächenumwidmungen von Agrarland für Siedlungs- und Verkehrszwecke durch die Innenentwicklungsumlage reduziert. Durch die Innenentwicklungsumlage kann zu einer Begrenzung Begrenzung der Außenentwicklung und somit langfristig zur Vermeidung einer wirtschaftlich nicht tragfähigen dispersen Siedlungsstruktur beigetragen 103 FIN.30 - Flächen intelligent nutzen Teil II werden. Die Fremdfinanzierung der höheren Entwicklungskosten von C-Flächen schafft ökonomische Anreize für eine verstärkte Innenentwicklung. 2.9.11 Umsetzung des Umlageverfahrens FIN.30 2.9.11.1 Räumliche Implementierung des Verfahrens Die städtebauliche Kalkulation zur Bewertung der Rentabilität erfolgt auf der Ebene des Flächennutzungsplanes. Aufgrund des Maßstabs ist zu diesem Zeitpunkt noch keine grundstücksscharfe Zuordnung möglich. Eine eindeutige parzellenscharfe räumliche Abgrenzung der Umlageflächen ist erst nach der Aufstellung eines Bebauungsplanes durch die Festlegung der Erschließungsflächen einschließlich der örtlichen Verkehrsflächen sowie des Nettobaulandes durchführbar. 2.9.11.2 Zeitpunkte der Abschöpfung und Förderung Für den Zeitpunkt der Abschöpfung und Förderung ist ein eindeutiger Stichtag zu definieren. Als frühster Zeitpunkt kann dieser an die Aufstellung eines Bebauungsplanes gekoppelt werden. So wird bei Rechtsverbindlichkeit des Bebauungsplanes ein eindeutiger Stichtag definiert, an dem die Innenentwicklungsumlage erhoben wird. Der Flächennutzungsplan entfaltet für die Eigentümer grundsätzlich keine rechtlichen Wirkungen. Die Darstellung als Baufläche begründet noch keinen Rechtsanspruch auf die weitere Entwicklung zu Bauland und löst auch keine Entschädigungsansprüche aus. Deshalb kann eine Umlage erst dann erhoben werden, wenn das Grundstück durch die Planung eine zugesicherte Qualität erfährt, die Bestandteil des Eigentums ist und die grundsätzlich dem Eigentümer nach der bestehenden Bodenverfassung zusteht. Hinzu kommt, dass erst durch den Bebauungsplan Art und Maß der baulichen Nutzung sowie die überbaubaren Grundstücksflächen rechtsverbindlich festgesetzt werden. Diese Festsetzungen bestimmen wesentlich die Qualität des Grundstücks und müssen daher für die Kalkulation bekannt sein, denn die Ermittlung der Rentabilität hängt vom Bodenwert nach der Entwicklung ab. Weiterhin müssen für die Kostenermittlung auch Umfang und Struktur der örtlichen Verkehrsflächen eindeutig definiert sein. Auch dies erfolgt erst durch den Bebauungsplan. Für die Ermittlung und Erhebung kann demnach die Rechtskraft des Bebauungsplanes als Stichtag festgelegt werden. Für die Förderung ist dieser Zeitpunkt (Rechtsverbindlichkeit des Bebauungsplans) ungeeignet, da zu diesem frühen Termin erhebliche Mitnahmeeffekte zu erwarten sind und die gewünschte Mobilisierungswirkung der C-Flächen nicht in dem erhofften Umfang eintritt. Auch soll die Förderung nicht den alten Grundstückseigentümer begünstigen, sondern den künftigen. Deshalb wird der Zeitpunkt „Stellung eines Bauantrags“ als geeigneter Stichtag für die Gewährung eines Darlehens bzw. eines Zuschusses festgelegt. Die erforderliche Sicherung der Mittelzuweisung und ggf. zurückzuzahlenden Beträge soll durch einen städtebaulichen Vertrag erfolgen. 2.9.11.3 Rechtskonformität Die Umsetzung des Umlageverfahrens sieht in diesem Zusammenhang eine solidarische Struktur vor, die das Ziel einer gesamtstädtisch ökonomisch nachhaltigen Siedlungsstruktur verfolgt. Vergleichbar mit den Business Improvement Districts (BID) ist eine Solidargemeinschaft vorgesehen, in der alle potenziellen Wohnbauflächen innerhalb einer Kommune zusammengefasst werden. Innerhalb dieser Gemeinschaft erfolgt der finanzielle Ausgleich der defizitären Entwicklungskosten von Innenentwicklungen zu Lasten langfristig kostenintensiven dispersen Siedlungsstrukturen. 104 FIN.30 - Flächen intelligent nutzen Teil II Unter den momentanen rechtlichen Rahmenbedingungen ist die Umsetzung des FIN.30 Umlageverfahrens kritisch zu beurteilen. Vor allem die direkte Verbindung zwischen der Innenentwicklungsumlage und der Förderung der unrentablen Innenentwicklung erschwert die Umsetzung in die kommunale Planungspraxis. Der zentrale Ansatz einer direkten Umlage erfordert ebenfalls eine direkte kausale Verbindung der Zahlungen und Leistungen. Die Kausalität wird zwar durch die Kostenvorteile einer kompakten Siedlungsstruktur begründet, ist jedoch für eine „direkte Verbindung“ aus rechtlicher Sicht nicht ausreichend. Ausschlaggebend hierfür ist, dass dem Eigentümer einer B-Fläche keine konkrete Gegenleistung für die zu leistende Innenentwicklungsumlage zukommt. Eine langfristige Reduzierung der Infrastrukturkosten durch eine kompakte Siedlungsstruktur lässt sich nicht direkt an eine konkrete Außenentwicklung knüpfen. Somit kann die direkte Verbindung zwischen der Innenentwicklungsumlage und der Förderung von CFlächen nicht gewährleistet werden. Die Umsetzung und Einrichtung des vorgestellten kostenorientieren Umlageverfahrens in die kommunale Planungspraxis ist unter den bestehenden rechtlichen Rahmenbedingungen momentan demnach nicht durchführbar. 2.9.12 Anwendungsbeispiel des Umlageverfahrens FIN.30 Die Anwendung des FIN.30 Umlageverfahrens wird anhand einer Beispielrechnung aus der Stadt Essen vorgestellt. Der Ablauf des Verfahrens umfasst die Einteilung der potenziellen Wohnbauflächen in Innen- und Außenentwicklung, in rentable und unrentable Flächenentwicklungen sowie der Ermittlung der notwendigen Innenentwicklungsumlage und finanziellen Förderungen. Darüber hinaus werden Besonderheiten, wie z.B. die Berücksichtigung und Folgeeffekte der Kappungsgrenze erläutert. 2.9.12.1 Klassifizierung von Innen- und Außenentwicklungen Die Einteilung der potenziellen Flächen erfolgt nach den in Abschnitt 2.9.8.1 erläuterten Kriterien. Zur Innenentwicklung zählen demnach vor allem Wohnbauflächen im Zusammenhang bebauter Ortsteile und vorgenutzte bzw. brachgefallene Flächen. Der Außenentwicklung werden alle Wohnbauflächen zugeordnet, bei denen es sich nicht um Innenentwicklungen handelt. 105 FIN.30 - Flächen intelligent nutzen Teil II Abbildung 42: Klassifizierung der potenziellen Wohnbauflächen in Innen- oder Außenentwicklung (Datengrundlage: ALK der Stadt Essen, ohne Maßstab) Im folgenden Beispiel der Stadt Essen werden neben großen Wohnbauflächen „auf der grünen Wiese“ auch Arrondierungsflächen der Außenentwicklung zugeordnet, da sie i.d.R. einen eigenständigen Charakter besitzen und sich somit nicht in die Umgebung einfügen. Darüber hinaus erfolgt die Differenzierung zwischen InnenInnen und Außenentwicklung basierend auf den Kriterien der 230 Projektpartner . 230 Kriterien der Stadt Essen: baulich vorgenutzte oder bereits bebaute Grundstücke sowie Baulücken werden der Innenentwicklung zugeordnet; die Außenentwicklung umfasst die übrigen Flächen. 106 FIN.30 - Flächen intelligent nutzen Teil II 2.9.12.2 Einteilung in Rentabilitätsklassen Die grundlegende städtebauliche Kalkulation ist die Basis für die Einteilung in die Rentabilitätsklassen. Die langfristigen Kosten einer potenziellen Wohnbaufläche (Entwicklungs- und Folgekosten) werden dem voraussichtlichen Bodenwert gegenübergestellt. Die Berücksichtigung der Folgekosten ermöglicht die Erfassung langfristig unrentabler Flächenentwicklung. Bei ausschließlicher Betrachtung der Entwicklungskosten wird die gewünschte Steuerungswirklung des Umlageverfahrens beeinträchtigt, da die Innenentwicklungen aufgrund der höheren Entwicklungskosten in Verbindung mit der geringeren Bodenwertsteigerung unrentabler sind als Außenentwicklungen. Werden jedoch die langfristigen Folgekosten in die Ermittlung integriert, kann die Rentabilität Hinweise auf spätere ökonomische Nachteile liefern. Am Beispiel der Stadt Essen lassen sich die ökonomischen Vorteile von Innenentwicklungen nach ca. 15 Jahren identifizieren231 (vgl. Fehler! Verweisquelle konnte nicht efunden werden.43). Im Nachgang an die städtebauliche Kalkulation aller potenziellen Wohnbauflächen lässt sich eine Rangliste entsprechend der einzelnen Rentabilitäten erstellen. Die Rangliste stellt langfristig ökonomisch vorteilhafte Flächen voran, während von der Entwicklung von Flächen mit deutlich negativen ökonomischen Folgen abgesehen werden sollte. Das Verhältnis zwischen rentablen und unrentablen Flächen liegt im Beispiel bei ca. 1:2 (vgl. Abbildung 43). 231 Die Berechnung umfasst 31 potenzielle Wohnbauflächen der Stadt Essen. 107 FIN.30 - Flächen intelligent nutzen Teil II Rentabilität negativ Rentabilität positiv Abbildung 43: potenzielle Wohnbauflächen der Stadt Essen und Rentabilität (Datengrundlage: ALK der Stadt Essen, ohne Maßstab) 2.9.12.3 Beispiele für B-Flächen der Stadt Essen Die potenziellen Wohnbauflächen 1 bis 3 (vgl. Abbildung 44) können als typische Außenentwicklungen „auf der grünen Wiese“ bezeichnet werden. Durch ihre beträchtlichen Größen von (max. 81.000 m²) kann von eigenständigen Charakteren der Bauflächen ausgegangen werden. Das jeweilig recht hohe Bodenwertniveau gewährleistet die Rentabilität der Entwicklungen, obwohl neue Einrichtungen der sozialen Infrastruktur (Kindergärten) herzustellen sind und die vorhandene äußere Erschließung anzupassen und auszubauen ist. Das hohe Bodenwertniveau lässt erhebliche Bodenwertsteigerungen erwarten, die die jeweilige Rentabilität trotz der erhöhten Entwicklungskosten gewährleisten. 108 FIN.30 - Flächen intelligent nutzen Teil II 1 2 3 Abbildung 44: potenzielle B-Flächen, Flächen, Wohnbaufläche 1-3 1 (Datengrundlage: atengrundlage: ALK der Stadt Essen, ohne Maßstab) Maßstab 2.9.12.4 Beispiele für C-Flächen Flächen der Stadt Essen Die Fläche 4 (vgl. Abbildung 45)) lässt sich als Nachverdichtung charakterisieren charakterisieren und somit eindeutig der Innenentwicklung zuordnen. Die Gesamtfläche umfasst ca. 18.500 m² und wird vor allem durch die hohen Kosten für die innere Erschließung durch Lärmschutzeinrichtungen in Verbindung mit einem geringen Bodenwertniveau unrentabel. 4 5 Abbildung 45: potenzielle C-Flächen, Flächen, Wohnbauflächen 4 und 5 (Datengrundlage: ALK der Stadt Essen, ohne Maßstab) Maßstab Die Fläche 5 (vgl. Abbildung 45)) ist eine typische Brachfläche und kann demnach als Flächenrecycling durch Revitalisierung und Wiedernutzung der Kategorie Innenentwicklung zugeordnet werden. Die defizitären Kosten werden vorr allem durch die innere Erschließung (Lärmschutz) und die Beseitigung von Altablagerungen hervorgerufen. 109 FIN.30 - Flächen intelligent nutzen Teil II 2.9.12.5 defizitäre Kosten und Ermittlung der Innenentwicklungsumlage Die Ermittlung der Innenentwicklungsumlage erfolgt auf Grundlage der defizitären Kosten der CFlächen. Hierbei werden ausschließlich die Entwicklungskosten betrachtet, während die Folgekosten für diesen Schritt ausgeblendet werden. Werden die Folgekosten in die Ermittlung der Innenentwicklungsumlage hingegen integriert, verliert das Umlageverfahren einen Teil der beabsichtigten Steuerungswirkung durch die Querfinanzierung von Folgekosten. In dem Anwendungsbeispiel umfasst die Summe aller defizitären Entwicklungskosten der C-Flächen ca. 2.343.000,- €. Diese Kosten werden auf die rentablen Außenentwicklungen umgelegt. In ihrer Gesamtheit umfassen die B-Flächen eine Größe von ca. 68.390 m², sodass sich eine Innenentwicklungsumlage (IU) von 34,27 €/m² ergibt. Durch die vorgesehene Kappungsgrenze von 70% der Bodenwertsteigerung handelt es sich vorerst um eine vorläufige Innenentwicklungsumlage. Zur Ermittlung der endgültigen Umlage ist die Erfassung der jeweiligen Bodenwertsteigerung einer potenziellen Fläche notwendig, sowie die einzelfallbezogene Kappungsgrenze. Beispiel: Bodenwertsteigerung: Kappungsgrenze (70%): Entwicklungskosten: Maximale IU: 207,82 €/m² 145,47 €/m² 131,72 €/m² 13,75 €/m² Durch die Kappungsgrenze ergibt sich ein Fehlbetrag für den Innenentwicklungsfonds, der von leistungsfähigeren B-Flächen aufzufangen ist (im Beispiel beträgt die max. IU 13,75 €/m² und vorläufige IU 34,27 €/m²). Die Berücksichtigung der Kappungsgrenze und die anschließende Verteilung des Defizits auf die leistungsfähigeren B-Flächen führen zu einer maximalen Innenentwicklungsumlage von 83,08 €/m². Dies entspricht in dem Anwendungsbeispiel der maximalen Innenentwicklungsumlage für eine potenzielle Wohnbaufläche. 2.9.12.6 Förderung aus dem Innenentwicklungsfonds Eine Förderung aus dem Innenentwicklungsfonds ist primär für C-Flächen vorgesehen und fängt die defizitären Entwicklungskosten vollständig auf. Nach erfolgter Umsetzung der potenziellen Wohnbaufläche ist eine plausible Ermittlung der tatsächlichen Entwicklungskosten vorzunehmen, so dass diese im Anschluss an das Verfahren mit den erwarteten defizitären Kosten verglichen werden können. Für den Fall, dass eine C-Fläche wider Erwarten rentabel entwickelt werden kann, ist die in Anspruch genommene Förderung als Darlehen zurück in den Innenentwicklungsfonds zu führen. Anschließend erfolgt eine Rückzahlung an Eigentümer der B-Flächen. 2.9.13 Fazit Der wesentliche Unterschied und wohl auch der Vorteil ökonomischer gegenüber planerischen und anderen hoheitlichen Instrumenten besteht darin, dass die grundsätzliche Entscheidungsfreiheit der Eigentümer einer Fläche gewahrt bleibt. So entfaltet das Umlageverfahren marktwirtschaftliche Anreize zugunsten einer nachhaltigen Siedlungsentwicklung und trägt zu einer gerechteren Kostenverteilung im Rahmen der Wohnbaulandentwicklung bei. Ökonomische Anreize reichen indessen für eine planmäßige Steuerung oder Flächennutzung im Innenbereich nicht aus, sondern können planerische und rechtliche Instrumente (wie z.B. der absoluten Begrenzung der Flächeninanspruchnahme) lediglich flankieren. Auch können sie Außenentwicklungen nicht vollständig unterbinden. Die durch die dispersen Siedlungsstrukturen verursachten höheren Kosten sollen auf die Verursacher bzw. die Außenentwicklungen umgelegt und somit die Kosten für die 110 FIN.30 - Flächen intelligent nutzen Teil II Allgemeinheit reduziert und ein erheblicher Beitrag zu einer gerechten Kostenverteilung geleistet werden. Durch die Begrenzung der Innenentwicklungsumlage auf 70% der Bodenwertsteigerung wird eine unverhältnismäßige Belastung der Eigentümer von B-Flächen vermieden und weiterhin eine angemessene Beteiligung an der Bodenwertentwicklung gewährleistet. Der wesentliche Effekt der Umlage hinsichtlich einer nachhaltigen, intelligenten Flächennutzung dürfte in der Mobilisierung der C-Flächen liegen. Wenn die unrentablen Kosten der Flächenentwicklung nicht (mehr) vom Grundstückseigentümer zu tragen sind, ist zu erwarten, dass die Bereitschaft zur Wiedernutzung und Revitalisierung von Brachflächen zunimmt. Der erkennbare Trend zur Revitalisierung würde durch die ökonomischen Anreize des Umlageverfahrens wesentlich unterstützt und verstärkt. Aus rechtlicher Sicht ist die Umsetzung des vorgestellten Umlageverfahrens momentan jedoch nicht durchführbar. 111 FIN.30 - Flächen intelligent nutzen Teil II 2.10 Konzeption und Aufgabenspektrum der Anlauf- und Umsetzungsstelle Zentrale Aufgabe der Anlauf- und Umsetzungsstelle ist die vollständige Erfassung der Baulandpotenziale einer Stadt hinsichtlich des Stands der Flächen- und Baurechtsnutzung sowie einer qualifizierten Bewertung und Dokumentation der städtischen Wohnbaulandpotenziale innerhalb eines erweiterten Baulandkatasters. Damit wird der Bewertungsrahmen FIN.30 institutionalisiert und in die bestehende Planung intergiert. Zudem wird es Ziel der Anlauf- und Umsetzungsstelle sein, in Form einer Projektentwicklungsstelle, ein nachhaltiges und strategisches Flächenmanagement innerhalb der Gemeinde durchzuführen. Erkenntnisgewinn und Praktikabilität des erweiterten Baulandkatasters gehen über die Aussagen eines herkömmlichen Baulandkatasters nach § 200 Abs.3 BauGB hinaus232. Im Gegensatz hierzu betrachtet das vorliegende Konzept zusätzlich zu den „sofort oder in absehbarer Zeit bebaubaren Flächen“ alle weiteren Baulandpotenziale, differenziert dabei nach ihrem baurechtlichen Entwicklungsstand und liefert zusätzliche Informationen hinsichtlich Verfahrensstand, Erschließung und Bodenordnung. Unter Anwendung des Bewertungsrahmens FIN.30 ist die Eignungsbewertung als Wohnbauland in den drei Dimensionen der Nachhaltigkeit realisierbar und somit der Beitrag von potenziellen Bauflächen zu einer nachhaltigen Siedlungsentwicklung festzustellen. 2.10.1 Aufgabenbereiche der Anlauf – und Umsetzungsstelle Die konkreten Aufgaben der neuen Ablauf- und Umsetzungsstelle sind im Kontext der laufenden Baulandentwicklung und der Interaktion verschiedener Akteure zu betrachten und werden folgenden Blöcken zugeordnet. Informationsbeschaffung/ Flächenmonitoring: Grundvoraussetzung ist eine ämterübergreifende und akteursbezogene Zusammenarbeit zur Informationsbeschaffung und -weitergabe. Hierbei ist das Zusammenstellen und die Beschaffung kommunaler Grundlagendaten im Rahmen der Wohnbaulandbewertung unerlässlich. Kenntnis über Problemlagen einzelner Standorte und der jeweiligen anzusprechenden öffentlichen/privaten Akteure und Ämter beschleunigen die Entscheidungsfindung und somit die Mobilisierung von Bauland. Strategie/ Mobilisierung: Die Anlauf- und Umsetzungsstelle wird als Initiierung einer Standort-/ Projektentwicklungsstelle gesehen, die eine aktive Innenentwicklung und strategische, gesamtstädtische Steuerung der Baulandentwicklung vorantreibt und somit eine nachhaltige Siedlungsentwicklung ermöglicht. Ihr obliegt die Koordination einer entsprechenden Projektgruppe und ist der Mittler zwischen verschiedenen Ämtern und Akteuren, koordiniert die ämterübergreifende Informationsbeschaffung sowie den Dialog und führt somit spezifische Informationen unter Kenntnis der einzelnen Problemlagen der Baulandpotenziale zusammen. Die Anlauf- und Umsetzungsstelle als 232 „Die Gemeinde kann sofort oder in absehbarer Zeit bebaubare Flächen in Karten oder Listen auf der Grundlage eines Lageplans erfassen, der Flur- und Flurstücksnummern, Straßennamen und Angaben zur Grundstücksgröße enthält (Baulandkataster). Sie kann die Flächen in Karten oder Listen veröffentlichen, soweit der Grundstückseigentümer nicht widersprochen hat. Die Gemeinde hat ihre Absicht zur Veröffentlichung einen Monat vorher öffentlich bekannt zu geben und dabei auf das Widerspruchsrecht der Grundstückseigentümer hinzuweisen.“ (§ 200 Abs. 3 BauGB) 112 FIN.30 - Flächen intelligent nutzen Projektentwicklungsstelle Baulandentwicklung233: - - orientiert Teil II sich hierbei an den grundlegenden Prinzipien der Strategische Ausrichtung im Sinne einer vorausschauenden Baulandstrategie zur zeitlich und räumlich bedarfsgerechten Baulandentwicklung sowie eine zielgruppenorientierte Vermarktungsstrategie konsequente Projektsteuerung Solides Finanzierungsmanagement Qualitätssicherung Markt- und Kostenorientierung zur Minimierung der Risiken der Baulandentwicklung als Grundlage für planerische Überlegungen und für die Auswahl von Planungsvarianten. Flexibler Instrumenteneinsatz und Kooperation Abbildung 46: Struktur der Anlauf- und Umsetzungsstelle Die folgenden Abschnitte gehen näher auf die einzelnen Teilaufgaben der Anlauf- und Umsetzungsstelle ein. 2.10.2 Informationsbeschaffung/ Monitoring Nach folgenden Kriterien (siehe Abbildung 47) ergibt sich die Informationsbeschaffung zur Erstellung eines qualifizierten Baulandkatasters durch die Anlauf- und Umsetzungsstelle. Hauptaugenmerk soll auf eine gestufte Informationsbereitstellung und eine differenzierte Erfassung der Baulandpotenziale hinsichtlich ihrer Mobilisierbarkeit und ihren bauplanungsrechtlichen Status gelegt werden. 233 MEYER (2002) in MARKSTEIN (2004) 113 FIN.30 - Flächen intelligent nutzen Teil II Bestandsanalyse und Typisierung von Baulandpotenzialen: Zunächst sind vorhandene Baulandpotenziale zu typisieren (Baulücke, Baulücke, Brache), um erste zeitliche und bauplanungsrechtliche Informationen hinsichtlich ihrer Mobilisierbarkeit zu erhalten. Daran gekoppelt ist eine Bedarfsanalyse zur Ermittlung der für den Wohnungsbau benötigten Bauflächen. Diese greift auf Information aus Bevölkerungsprognosen sowie Grundstücksmarktberichten zurück und berücksichtigt die entsprechenden Flächenumsätze in den einzelnen Segmenten. Abbildung 47: Typisierung der Baulandpotenziale einer Gemeinde (eigener Entwurf verändert nach STADT ESSEN 1981, DIETERICH 1986, SCHMIDT-EICHSTAEDT 2000; DRANSFELD 2002) Aus der oben genannten Baulandtypisierung ergeben sich folgende Basisinformationen: - Größe und Zuschnitt234 Lage (innere Verkehrslage, Wohnlage etc.) Entwicklungszustand (Bauerwartungsland, Rohbauland, baureifes Land) Raumlage (Gemarkung, Flur, Flurstück, Stadtteil, Straße,…) derzeitige Nutzung und evtl. Nachbarbebauung städtebauliche Festsetzungen wie GRZ, GFZ, Art der Bauweise (geschlossen, offen,…), Anzahl der Wohneinheiten235 bauplanungsrechtlicher Status (Innen-, Außenbereich) 234 SIMON & KLEIBER 1996, S. 75ff. 235 SCHMIDT-EICHSTAEDT 2000. S. 32 114 FIN.30 - Flächen intelligent nutzen Teil II Datenquellen des erweiterten Baulandkatasters: Hauptkriterium ist die amtliche und öffentliche Verfügbarkeit der entsprechenden Daten, um den Aufwand der Neuerhebung und aufwändigen Kalkulation zugunsten zügiger Informationslieferung zu den jeweiligen Baulandpotenzialen zu vermeiden und die Durchführbarkeit innerhalb der kommunalen Planungspraxis zu gewährleisten. Es sind u.a. dies: - Liegenschaftskataster Google/ Luftbilder (Realnutzungskartierung) B-Pläne FNP Informationen der Gutachterausschüsse Amtliche Datengrundlagen zur Abdeckung ökologischer, sozialer und ökonomischer Bewertungsindikatoren wie z.B. die des Teilprojekts 1 Bewertungsrahmen FIN.30 Letztlich ist es zudem Aufgabe der Anlauf- und Umsetzungsstelle die entsprechend hinzugezogenen Datensätze auf ihre Aktualität und kleinräumige Übertragbarkeit zu prüfen. Mitunter treten im Zuge der Stadtentwicklung und Siedlungserweiterung kleinräumige Standortveränderungen auf (z.B. Zunahme des Versiegelungsgrades), die in öffentlich verfügbaren Grundlagendaten (z.B. Bodenkarte 1: 50.000) turnusmäßig noch nicht erfasst sind. Hier fungiert die Anlauf- und Umsetzungsstelle durch die Implementation lokaler Ortskenntnis als Korrektiv und ermöglicht somit die fehlerfreie Einbindung öffentlicher Datensätze der Kommunen und Landesämter. Bedarfsanalyse: Im Rahmen einer Bedarfsanalyse ist anhand von Bevölkerungsprognosen, Nachfragepräferenzanalyse und Wohnbedarfsanalysen der konkreten Wohnbaulandbedarf einer Kommune zu ermitteln und ggf. auf einzelne Bereiche einer Kommune zu konkretisieren (vgl. Tabelle 5)236. 236 Vgl. LIEBE ET AL. 2006 115 FIN.30 - Flächen intelligent nutzen Teil II Tabelle 5: Beispiel einer Wohnbauflächenbedarfsprognose (Liebe et al. 2006) Analysedaten Wohnfläche/ EW Bevölkerungszahl Gesamtnettowohnfläche Prognoseannahme Wohnflächenzunahme Wohnfläche/ EW Prognoseberechnung Gesamtwohnfläche Zunahmefläche (+15% Nebenfläche) Baudichte notwendiges Nettobauland notwendiges Bruttobauland Prognoseergebnis Gesamtwohnbaufläche Leerstand und Reserveflächen Wohnbauflächenbedarf neu Als dritter zentraler Punkt in der Informationsbeschaffung, neben der Typisierung der Baulandpotenziale, ist die Akquise entscheidungsrelevanter Informationen, wie z.B. Mobilisierungshemmnisse, zu nennen. Sie ermöglicht eine zusätzliche Differenzierung der Baulandpotenziale nach weiteren Kriterien hinsichtlich ihrer Mobilisierbarkeit (ggf. Mobilisierungshemmnisse), konkreter Aussagen über zeitliche und planungsrechtliche Verfügbarkeit, der Qualität eines Baulandpotenzials und die Unterstützung einer finalen Entscheidung zur Entwicklung einer Baufläche. Es sind dies (siehe SCHMIDT-EICHSTAEDT 2000): - Planungsbedarf: ja/ nein Bodenordnung: nicht erforderlich, erforderlich, noch nicht durchgeführt Erschließung: gesichert, Baustraße, nicht gesichert Entwicklungszustand: Bauerwartungsland, Rohbauland, baureifes Land Bebauungsrestriktionen: Kontaminierung, Lage im städtebaulichen Sanierungsgebiet, Freilegung, Denkmalschutz, Umgebungsschutz, Naturschutz Mobilisierung: städtisch/ privates Eigentum Bodenwert/ Bodenrichtwerte künftiger Zustand als Baulandpotenzial durch Umnutzungspotenzial237 Eigentümerverhältnisse nach Gruppen (natürliche Personen, juristische Personen des privaten und öffentlichen Rechts)238 Rechte und Belastungen (privatrechtlicher und öffentlich-rechtlicher Art, wie Dienstbarkeiten, Nutzungsrechte, Baulasten und sonstige dingliche Rechte und Lasten)239 Der finale Schritt der Informationsbeschaffung durch die Anlauf- und Umsetzungsstelle betrifft die Bewertung der Flächeneignung unter Anwendung des Bewertungsrahmens FIN.30 (vgl. Abbildung 48) zur Beurteilung der Baulandpotenziale unter Nachhaltigkeitsaspekten. Sie betrachtet all jene in Frage kommenden Wohnbaulandpotenziale unter der Maßgabe der reduzierten Inanspruchnahme natürlicher Ressourcen sowie einer sozial und wirtschaftlich tragfähigen Siedlungsentwicklung. 237 Dieterich & Kleiber. 1998 238 ebd. 239 WertV § 5 Abs.2 116 FIN.30 - Flächen intelligent nutzen Teil II Abbildung 48: Bewertungsrahmen FIN.30 zur nachhaltigen Siedlungsentwicklung Die Zielstellungen des Bewertungsrahmens FIN.30 wurden zu Beginn dieses zweiten Berichtsteils eingehend dargestellt. Im Rahmen der durchgeführten Planspiele konnten vorab Schwerpunktbereiche für die Anwendung des Bewertungsrahmens innerhalb der Bauleitplanung erprobt werden (vgl. Abbildung 49). 117 FIN.30 - Flächen intelligent nutzen Teil II Abbildung 49: Teilaufgaben der Anlauf- und Umsetzungsstelle 2.10.3 Strategieentwicklung/ Mobilisierung Unter Einbezug der in den dargestellten Schritten erhaltenen Informationen liegt das zweite Aufgabenfeld der Anlauf- und Umsetzungsstelle in ihrer Funktion als Projektentwickler in der Konzeption von Strategien zur Entwicklung und Mobilisierung geeigneter Wohnbaulandpotenziale. Der Fokus sollte hierbei eindeutig auf kooperativen Strategien liegen, da diese Ansatzpunkte zu einer effektiveren Flächennutzung bieten und zudem die Problemlösungskompetenz aller Beteiligten erhöhen. Zudem „besitzen sie per se keine Rechtsverbindlichkeit und erhöhen aufgrund der Vielzahl unterschiedlichster zu beteiligender Akteure die Komplexität von Aushandlungsprozessen, für die in den Kommunen, Kreisen und Regionen noch wenig routinierte Erfahrungen vorliegen. I…I Mehr Kooperation kann insgesamt zu einer besseren Planungsqualität, ausgewogeneren Konfliktlösungen und dem Abbau konfliktverschärfender Konkurrenzsituationen führen.“240 Der Prozess der kooperativen Strategieentwicklung zur Baulandmobilisierung ist bestimmt durch entsprechende Baulandmodelle241 (Zwischenerwerb, Einheimischenmodelle, Investorenmodelle) und 240 www.um.badenwuerttemberg.de/servlet/is/8376/IMAKBerichtEndfassung.pdf?command=downloadContent&filename=IMAKBerichtEndf assung.pdf (24.06.09) 241 MARKSTEIN 2004, S. 132; PORTZ ET AL. 1999 118 FIN.30 - Flächen intelligent nutzen Teil II dem assoziierten vertraglichen Instrumentarium (städtebauliche Verträge, Verpflichtungs- und Durchführungsvertrag, Erschließungsvertrag, Folgekostenverträge) sowie ggf. notwendige gesetzlich geregelte oder private Bodenordnungsverfahren.242 Neben dem rechtlichen Instrumentarium und zivilrechtlichen Vereinbarungen stehen zum anderen die fiskalischen Rahmenbedingungen und damit die zu eruierenden Fördermöglichkeiten im Bereich der Eigentumsbildung sowie Kommunikation und Beratung aller Akteure (Bürger, Wirtschaft, öffentliche Hand, Projektentwickler) im Mittelpunkt und bestimmen das Aufgabenspektrum der Anlauf- und Umsetzungsstelle. Neue Formen der Kooperation zwischen den beteiligten Organisationseinheiten der Verwaltung und der Kooperation mit privaten Grundstückseigentümern sind die Voraussetzung für eine zeitnahe und konsensuale Aktivierung der Wohnbauflächenpotenziale sowie ihre Entwicklung und Umsetzung243. In diesem Zusammenhang kann es Aufgabe der Anlauf- und Umsetzungsstelle sein, entsprechende Public-Private-Partnerships (PPP) zur Baulandentwicklung zu initiieren und zu koordinieren. Gerade in der Partnerkommune Essen wird in der jüngeren Vergangenheit über derartige Strategien zur zeitnahen und bedarfsgerechten Baulandmobilisierung unter Einbezug entsprechender zivilrechtlicher Möglichkeiten der Vertragsgestaltung gesprochen244. Letztlich koordiniert die Anlauf- und Umsetzungsstelle die zielgerichtete Vermarktung der mobilisierten Baulandpotenziale. 242 Vgl. Münchner Modell 243 Vgl. STADT GLADBECK http://www.gladbeck.de/Wirtschaft/Stadtentwicklung/Baugebiete_in_Gladbeck/default.asp (Stand 07.12.09) 244 STADT ESSEN (Fachbereich 62): Vorschläge für ein Kooperationsmodell 119 FIN.30 - Flächen intelligent nutzen Teil II 3 Notwendigkeit und Angemessenheit der geleisteten Arbeiten Die geleisteten Arbeiten entsprechen in vollem Maße den angestrebten Forschungszielen. Die entsprechenden Schwerpunkte sind im Arbeitsplan in Berichtsteil I detailliert aufgeführt. Gemäß dem Projektantrag ist das Projekt in fünf Arbeitsphasen gegliedert: Phase 1: Vorbereitungs- und Grundlagenermittlungsphase Phase 2: Entwicklung Bewertungsrahmen & Umlageverfahren Phase 3: Pilotanwendungsphase Phase 4: Implementierungsphase Phase 5: Abschluss- und Dokumentationsphase Diese Arbeitsphasen wurden vollständig umgesetzt und entsprechend des Antrags ausgestaltet. Dies betrifft sowohl die benannten Forschungsaktivitäten in den Teilprojekten „Bewertungsrahmen“ (TP 1) und „Umlageverfahren“ (TP 2) sowie die im Antrag aufgeführten Arbeits- und Expertenkreise. Eine konkrete Übersicht ist in Teil 1.3. des Berichts gegeben. Die Phasen 1 bis 4 wurden gemäß dem Antrag durch Arbeitskreise und Expertenkreise begleitet (siehe 1.3.), um von Anfang an beide Teilprojekte des Forschungsprojekts TP 1 und das assoziierte Kalkulationsmodell sowie TP 2 in enger und praxisorientierter Abstimmung mit den drei Partnerstädten zu entwickeln. Daran angebunden war die Prüfung von Möglichkeiten der Institutionalisierung der Anlauf- und Umsetzungsstelle. Die entsprechenden Ausführungen sind im Teil 2.10 aufgeführt. Die Handlungsspielräume der Kommunen werden durch die sehr angespannte Haushaltssituation begrenzt. Deshalb bestand die besondere Herausforderung für die Einrichtung der kommunalen Anlauf- und Umsetzungsstellen darin, ihre Konzeption unter der Prämisse der Haushaltsneutralität zu entwickeln. Im Rahmen der Phasen 1 und 2 galt es zu prüfen, welche Synergien und Möglichkeiten im Rahmen der ohnehin erforderlichen kommunalen Maßnahmen für das Flächenmanagement erreicht werden können. In diesem Zusammenhang sind insbesondere die vorhandenen oder erforderlichen Datenzusammenstellungen für Planungsverfahren (vor allem Flächennutzungsplanung), Bodenordnungsverfahren, die Arbeiten für das Neue Kommunale Finanzmanagement (NKF) und die gemäß § 4c BauGB geforderte Überwachung der erheblichen Umweltauswirkungen, die durch die Durchführung der Bauleitpläne eintreten, zu nennen. Sie wurden im Arbeitsumfang der Anlauf- und Umsetzungsstelle sowie der Konzeption des TP 1 konsequent aufgegriffen. Dies ist in der Indikatorbeschreibung zum Teilprojekt 1 (Bewertungsverfahren) sowie in der Erläuterung der Anlaufund Umsetzungsstelle aufgeführt. Die Phasen 3 und 4 – Pilotanwendungs- und Implementierungsphase – wurden mit Workshops vor Ort und zusätzlichen individuellen Planergesprächen in den Partnerstädten gestützt, um eine zügige und zielführende Anwendung zu gewährleisten. Diese Arbeitsphasen dienten der Anwendung der Prototypen der Teilprojekte 1 und 2 sowie der fortgeführten Konzeption des Umlageverfahrens sowie der künftigen Implementierung des Bewertungsrahmens innerhalb der Anlauf- und Umsetzungsstelle. Die Möglichkeiten zur Informationsbeschaffung und Beschaffung von Grundlagendaten sowie deren effiziente Bereitstellung für ein nachhaltiges Flächenmanagement wurden geprüft und formalisiert. Die Inwertsetzung der bereits verfügbaren Grundlagendaten und Informationen durch eine anwendungsorientierte Zusammenstellung und Aufbereitung sollte und soll einen signifikanten operativen Vorteil für die Kommunen liefern. Dies ist ein wichtiger 120 FIN.30 - Flächen intelligent nutzen Teil II Anknüpfungspunkt der kommunalen Anlauf- und Umsetzungsstelle und fördert wesentlich die Anwendung des Bewertungsrahmens. Während Phase 3 als Pilotanwendung auf eine reduzierte Anzahl an potenziellen Wohnbauflächen zurückgreift und praktische Anwendung der beiden Teilprojekte demonstriert, bezieht sich Phase 4 für die Anwendung der Teilprojekte Bewertungsrahmen und Umlageverfahren auf alle verfügbaren Wohnbaupotenziale in den drei Kommunen.245 Phase 5 wurde letztlich federführend durch das Projektteam der Universität Bonn umgesetzt. Die Mitarbeiter der Partnerkommunen werden jedoch hinsichtlich der finalen Abstimmung hinzugezogen. Erweiterung zum Antrag: Im Vergleich zum Projektantrag wurde die Arbeitslast hinsichtlich der Präsentation der Projektergebnisse in wissenschaftlichen Fachzeitschriften erweitert. Zusätzlich wurden neben den geplanten nationalen Veröffentlichungen in z.B. der Fachzeitschrift „Flächenmanagement und Bodenordnung“ zusätzlich internationale Zeitschriftenaufsätze erstellt. Sie sind in Teil II.6 aufgeführt. 245 Hierbei wurden aufgrund der Zielstellung des Bewertungsrahmens ausschließliche Wohnbauflächen hinzugezogen. Mischgebiete und Gewerbegebiete wurden nicht in die Bewertung integriert. 121 FIN.30 - Flächen intelligent nutzen Teil II 4 Nutzen und Verwertbarkeit der Ergebnisse Die Erkenntnisse des Forschungsprojekts haben folgenden Nutzen und lassen sich in den folgenden Bereichen anwenden: TP 1 (Bewertungsrahmen): Implementierung in ein nachhaltiges und strategisches Flächenmanagement im Rahmen der vorbereitenden Bauleitplanung. Transparenz gegenüber ökologischen und sozialen Standortvoraussetzungen für eine nachhaltige Siedlungsentwicklung und eine zukunftsorientierte Kostenkalkulation im Rahmen einer städtebaulichen Kalkulation. Eine Anwendung in weiteren Kommunen im In- und Ausland ist möglich. Wesentliche Fortschritte auf dem Gebiete der anwenderorientierten Multikriterienanalyse sowie der Konzeption eines Decision Support Systems (DSS) im Rahmen der Bauleitplanung konnten erzielt werden. Informationen zur Verwendung kommunaler Grundlagendaten im Rahmen der Wohnbaulandbewertung konnten erarbeitet werden. Essentielle Voraussetzungen und Rahmenbedingungen für ein anwenderorientiertes DSS konnten durch die Umsetzung innerhalb einer Visual-Basic-gestützten Bewertungsoberfläche systematisiert und innerhalb unterschiedlicher Praxisanwendungen und Zielstellungen in den drei Partnerkommunen auf das TP 1 angepasst werden. TP 2 (Umlageverfahren): das Umlageverfahren schafft einen finanziellen Ausgleich defizitärer Entwicklungskosten unrentabler Innenbereichsflächen. Die Umlage der defizitären Kosten auf rentable Flächen der Außenentwicklung schafft einen marktwirtschaftlichen Anreiz für eine forcierte Innenentwicklung und leistet somit einen wesentlichen Beitrag zur Reduzierung der Flächeninanspruchnahme. Die methodische Konsistenz des Verfahrens wurde im Rahmen der Expertenkreise durch die eingeladenen Vertreter aus Wissenschaft und Praxis bestätigt. Die Umsetzung und Realisierung des Umlageverfahrens ist jedoch aufgrund der rechtlichen Rahmenbedingungen vor allem durch die direkte Umlage der Kosten von Flächen der Innen- auf die Außenentwicklung nicht durchführbar. Derzeit ist eine Implementierung des Umlageverfahrens daher nicht möglich. Anlauf- und Umsetzungsstelle: durch die Konzeption und Diskussion der Anlauf- und Umsetzungsstelle konnten in den Partnerkommunen konkrete Ansprechpartner und Ressorts benannt werden, die schon innerhalb der Projektlaufzeit ihre Aufgabe im Rahmen der Datenbereitstellung und Durchführung der Praxistests im TP 1 wahrgenommen haben und diese Aufgabe nach Beendigung des Forschungsprojekts fortsetzen. Zu diesem Zweck wurden die entsprechenden aufbereiteten Grundlagendaten nebst Anwenderleitfäden zur selbständigen Datenanalyse und Anwendung der Bewertungsoberfläche für die Dimensionen Ökologie, Soziales und Ökonomie angefertigt und den zuständigen Mitarbeitern übergeben. 122 FIN.30 - Flächen intelligent nutzen Teil II 5 Fortschritt auf dem Gebiet des Vorhabens bei anderen Stellen • • • Folgekosten der Siedlungsentwicklung: Lean², Kostentransparenz, DoRif, SINBRA Multikriterielle Standortbewertung: Flächenbarometer Ökologische Standortbewertung: Funktionsbewertung urbaner Böden 123 FIN.30 - Flächen intelligent nutzen Teil II 6 Veröffentlichungen 6.1 Poster • • FIN.30 - Flächen intelligent nutzen - Kostenorientiertes Umlageverfahren zur Förderung der Innenentwicklung, 2008: Regionalkonferenz NRW in Bochum, 8.5.2008 FIN.30 - intelligent land use - Assessment of sustainable land use in Germany, 2008: IALE 2008 in Bonn, 30.10.-2.11.2008 6.2 Vorträge • • • • • • • • Infrastrukturkosten und Siedlungsentwicklung, „Jahrestagung der Arbeitsgemeinschaft der Geschäftsstellen der Umlegungsausschüsse in NRW - AGUA“, Gelsenkirchen, 13.09.2007 Flächen intelligent nutzen, "Kosten-Nutzen-Betrachtungen im Flächenmanagement: Anwendbarkeit vor dem Hintergrund von Aspekten der Datenermittlung und Komplexität Konzeptionen und Lösungsansätze in den REFINA-Projekten", Workshop, Dortmund, 06.11.2007 Flächennutzungspotentiale und Standorteignung - Erfassung und Bewertung im Rahmen der Flächennutzungsplanung, REFINA-Fachtagung "Strategisches Flächenmanagement in den Kommunen zur Reduzierung der Flächeninanspruchnahme, Bonn. 09.04.2008 Assessment of sustainable land use within the town planning process - experiences with a multi criteria approach (MCA), FIG working week, Stockholm, 18.07.2008 Das Forschungsprojekt FIN.30 - Flächen intelligent nutzen, 45. Sitzung des regionalen Arbeitskreises Entwicklung, Planung und Verkehr Bonn/Rhein-Sieg/Ahrweiler, Windeck, 13.08.2008 Kostenoptimierung in der Flächennutzungsplanung - ein Kalkulationsmodell zur Bewertung potentieller Wohnbauflächen, Workshop "Werkzeuge für die Ermittlung von kommunalen Folgekosten der Flächeninanspruchnahme", Dortmund, 19.09.2008 Nachhaltige Siedlungsentwicklung - inhaltliche und methodische Aspekte der Erfassung und Bewertung, 36. Internationales Symposium der europäischen Fakultät für Bodenordnung, Zürich 25.09.2008 Das Forschungsprojekt FIN.30 – Flächen intelligent nutzen, Ökonomische Bewertung potenzieller Wohnbauflächen, Vorstellung des Forschungsprojektes FIN.30 – Flächen intelligent nutzen, Stadt Oberhausen, Arbeitskreis Planen, 02.06.2009 6.3 Veröffentlichungen • • • Kötter, T. & Weigt, D. (2006): Flächen intelligent nutzen - ein marktwirtschaftlicher Ansatz für ein nachhaltiges Flächenmanagement, in Flächenmanagement und Bodenordnung, 2 / 2006, S. 49-55, Bonn Kötter, T.; Frielinghaus, B.; Schetke, S.; Weigt, D. (2009): Intelligente Flächennutzung Erfassung und Bewertung von Wohnbaulandpotentialen in der Flächennutzungsplanung, In: Flächenmanagement und Bodenordnung, 1 / 2009, S. 39-45, Bonn Kötter, T.; Frielinghaus, B.; Weigt, D.; Risthaus, L. (2009): Kostenoptimierung in der Flächennutzungsplanung - ein Kalkulationsmodell für die Bewertung potentieller Wohnbauflächen, In: "Folgekosten der Siedlungsentwicklung – Bewertungsansätze, Modelle und Werkzeuge der Kosten-Nutzen-Betrachtung", Preuß, T. (Hrsg.); Floeting, H. (Hrsg.), Beiträge aus der REFINA-Forschung, Berlin 124 FIN.30 - Flächen intelligent nutzen • • • • • • • Teil II Kötter, T.; Weigt, D.; Frielinghaus, B.; Schetke, S. (2009): Nachhaltige Siedlungs- und Flächenentwicklung – inhaltliche und methodische Aspekte der Erfassung und Bewertung, In: „Land Development Strategies: Patterns, Risks, and Responsibilities“, Hepperle, E. & Lenk, H. (Hrsg.); Europäische Fakultät für Bodenordnung, Buchbeitrag, S. 61-83 Schetke, S.; Kötter, T.; Frielinghaus, B.; Weigt, D. (2009): Assessment of sustainable land use in Germany - Project FIN.30, in: Urbanistica Nr. 138 Kötter, T.; Schetke, S.; Frielinghaus, B.; Weigt, D. (2009*): Nachhaltige Wohnbaulandentwicklung – ein Bewertungsrahmen für die Flächennutzungsplanung, Angenommen bei „Methoden und Konzepte zur Flächen- und Standortbewertung für ein nachhaltiges Flächenmanagement“, Beiträge aus der REFINA-Forschung Band 2, Berlin, Aachen Kötter, T.; Schetke, S.; Frielinghaus, B.; Weigt, D. (2009**): Flächen intelligent nutzen - ein Bewertungsrahmen für ein nachhaltiges Flächenmanagement. Angenommen bei Libbe & Bock „Handbuch „Nachhaltiges Flächenmanagement in Kommunen und Regionen“ (Arbeitstitel), Deutsches Institut für Urbanistik Kötter, T.; Frielinghaus, B; Weigt, D. (2009***): Das Kalkulationsmodell FIN.30 zur Ermittlung ökonomischer Folgen der Siedlungsentwicklung. Angenommen bei Libbe & Bock „Handbuch „Nachhaltiges Flächenmanagement in Kommunen und Regionen“ (Arbeitstitel), Deutsches Institut für Urbanistik Kötter, T.; Frielinghaus, B. (2009****): Das Umlageverfahren FIN.30 - marktwirtschaftliche Anreize für die Innenentwicklung. Angenommen bei Libbe & Bock und Floeting „Handbuch „Nachhaltiges Flächenmanagement in Kommunen und Regionen“ (Arbeitstitel), Deutsches Institut für Urbanistik Schetke, S.; Haase, D.; Kötter, T. (**): Innovative urban land development – a new methodological design for implementing ecological targets into the strategic planning of the City of Essen, Germany. 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Geoinformation, Vermessung und Kataster Abteilung 7 (GeoBasisNRW) der BR Köln Abteilung 7 (GeoBasisNRW) der BR Köln © Geowissenschaftliche Daten: Geologischer Dienst NRW, Krefeld, 136/2006 Landesamt für Natur, Umwelt und Verbraucherschutz NordrheinWestfalen (LANUV) Landesamt für Natur, Umwelt und Verbraucherschutz NordrheinWestfalen (LANUV) Rhein-Erft-Kreis/Bezirksregierung Köln, übergeben durch Erftverband Abteilung G2- Flußgebietsbewirtschaftung Stadtplanungsamt Euskirchen Landesamt für Natur, Umwelt und Verbraucherschutz NordrheinWestfalen (LANUV) Abteilung 7 (GeoBasisNRW) der BR Köln Stadt Erftstadt Datengrundlage Automatisierte Liegenschaftskarte (2007) Bodenkarte von NRW 1:50.000 (Stand 2006) Luftbilder (2005) ATKIS-Daten (Stand 2006) Fachinformationssystem Linfos (Stand 2007) Karte der hochwassergefährdeten Bereiche in NRW (Stand 2003) Überschwemmungsgebiet der Erft (Stand 2005) Geräuschscreening NRW (2002) DGM 5 (erhalten 2006) Quelle Rhein-Erft-Kreis -Der LandratVerm.und Katasteramt Raumbezugssysteme, Kartographie © Geowissenschaftliche Daten: Geologischer Dienst NRW, Krefeld, 136/2006 Abteilung 7 (GeoBasisNRW) der BR Köln Abteilung 7 (GeoBasisNRW) der BR Köln Landesamt für Natur, Umwelt und Verbraucherschutz NordrheinWestfalen (LANUV) Landesamt für Natur, Umwelt und Verbraucherschutz NordrheinWestfalen (LANUV) Rhein-Erft-Kreis/Bezirksregierung Köln, übergeben durch Erftverband Abteilung G2- Flußgebietsbewirtschaftung Landesamt für Natur, Umwelt und Verbraucherschutz NordrheinWestfalen (LANUV) Abteilung 7 (GeoBasisNRW) der BR Köln 137 FIN.30 - Flächen intelligent nutzen Teil II 138