Mozart!!! - Styriarte
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Mozart!!! - Styriarte
Samstag, 5. Juli, 19.30 Uhr Montag, 7. Juli, 19.30 Uhr Stefaniensaal Mozart!!! Mozarts Instrumental-Oratorium Sinfonie in Es, KV 543 Adagio – Allegro 3/4 Andante con moto 2/4 Menuetto: Allegretto, Trio Finale: Allegro 2/4 Sinfonie in g, KV 550 Molto Allegro Andante 6/8 Menuetto: Allegretto, Trio Allegro assai Sinfonie in C, KV 551 Allegro vivace Andante Cantabile 3/4 Menuetto: Allegretto, Trio Molto Allegro Concentus Musicus Wien Nikolaus Harnoncourt Patronanz: Hörfunkübertragung: Sonntag, 20. Juli, 11.03 Uhr, Ö1 (Nikolaus Harnoncourt) Mozart!!! Im idyllischen Heims im Garten Alsergrund seines neuen hat Mozart im Sommer 1788 sein InstrumentalOratorium (in Form dreier Sinfonien) komponiert. Zu seinen Lebzeiten blieben diese Meisterwerke unbeachtet, heute gehören Sinfonien sie zu den meistgespielten überhaupt. Für Nikolaus Harnoncourt ist die zyklische Einheit das Entscheidende Er erkennt der darin Instrumental-Oratorium“. drei eben Werke: „Mozarts Ad notam Nikolaus Harnoncourt über die letzten drei Sinfonien von Mozart IN EINEM GESPRÄCH IM MAI IN SEINEM HAUS IN SANKT Georgen hat Nikolaus Harnoncourt seine Beobachtungen und jahrzehntelangen Überlegungen zu den letzten drei Sinfonien von Mozart zusammengefasst und zum Begriff „Mozarts Instrumental-Oratorium“ verdichtet. Wir geben seine Äußerungen auszugsweise wieder, geordnet nach den wichtigsten Themen: Sinfonien ohne Auftrag „KEIN AUFTRAG – EIN KOMPONIST WIE MOZART SCHREIBT doch nicht ein Großwerk ohne Auftrag! Er muss einen inneren Auftrag gehabt haben. Da muss er das Gefühl gehabt haben: ‚Ich habe etwas zu sagen, was noch nicht gesagt wurde, und jetzt habe ich gerade das Vokabular dafür und mach das in diesem Sommer!‘ Es gibt ja auch keine echten Aufführungen, die belegt sind. Es gibt Hypothesen über Aufführungen in Wien oder Frankfurt oder Leipzig oder einmal bei irgendeinem Fürsten. Ich glaube schon, dass solche Experimentalaufführungen statt fanden, aber herausgebracht, groß, wurden die Werke erst nach dem Tod Mozarts.“ Sinfonien ohne Anfang und ohne Schluss „MIR IST AUFGEFALLEN, DASS ZWEI SINFONIEN KEINEN Anfang haben und zwei Sinfonien keinen Schluss. Die Es-Dur- Sinfonie hat diese große Einleitung, quasi eine Ouvertüre oder Intrada, aber keinen Schluss. Und unmittelbar aus diesem abrupten Abriss, der seit jeher heftigst kritisiert wurde – zurecht, weil es eben kein Abschluss ist, geht das Gemurmel der Streicher am Anfang der g-Moll-Sinfonie hervor. Da kann keine Pause dazwischen liegen. So eine Verbindung, so ein Übergang drängt sich auf – seit jeher haben mich sowohl der Abriss als auch der Nicht-Beginn irritiert. In einem Konzert, in dem wir die g-moll-Sinfonie schon als Teil dieses Gesamtwerkes gespielt haben, habe ich dem Publikum gesagt: Es fängt eigentlich nicht an, es kommt als Staub aus diesem Nicht-Schluss der Es-DurSinfonie. Dieses berühmte Thema zu Beginn der g-Moll-Sinfonie ist die Auszierung einer ‚Nullmelodie‘, die eben kein Einleitungssatz für eine Sinfonie ist. Ein Sinfonie-Allegro fängt so nicht an, mit einer Grundmelodie, die eigentlich für ein Adagio geeignet wäre und durch Appoggiaturen auf jedem Ton zu einer Aria Agitata wird … dafür kenne ich keine Parallelen und Vorbilder. Warum hat der Finalsatz der Es-Dur-Sinfonie so überhaupt keinen Finalcharakter? Ein monothematischer Satz! Sehr ungewöhnlich – wurde hier eine neue Form creiert, die auf extreme Modulation setzt? Und was geschieht im Finale der g-Moll-Sinfonie? Im zweiten Teil zerschlägt Mozart erst die Melodie – und gleich darauf die Harmonie, indem er in sieben absteigenden Quinten die Tonalität ad absurdum führt. Der Hörer, der eine Bourree, einen alten, genau strukturierten Tanz zu hören vermeinte, steht vor einem Trümmerhaufen. Und auch das hat mich irgendwie irritiert.“ Langsame Sätze „IM LANGSAMEN SATZ DER ES-DUR-SINFONIE EREIGNET sich die schockierendste Stelle irgendeines langsamen Satzes einer Mozart-Sinfonie. Und wieso besteht der langsame Satz der g-Moll-Sinfonie aus dem Hauptmotiv der C-Dur-Sinfonie? Das ist eine alte gregorianische Gloria-Formel – auch Pange lingua und andere gregorianische Formulierungen. Wieso schreibt er dieses Vier-Ton-Motiv auch als Thema im langsamen Satz der g-Moll-Sinfonie? Mir ist das schon als kleiner Orchestermusiker aufgefallen, aber nie hat ein Dirigent darauf hingewiesen, weil dieser Zusammenhang im extrem langsamen Tempo damals sowieso nicht mehr melodisch erkennbar war. Der Anfang des langsamen Satzes in der C-Dur-Sinfonie erinnert mich an die Sprecherszene der „Zauberflöte“. Warum isoliert – mit Pausen vorn und hinten – dieser Forte-Akkord am Ende jeder Phrase? Das ist für mich das „Zurück“ – hier darfst Du nicht herein. Im sechsten Takt, statt des erwarteten dritten „Zurück“ hören wir: „Komm, die Türe ist offen!“ Ich maße mir nicht an, sozusagen eine Inhaltsangabe des Geschehens zu machen, aber ich kenn mich doch ein bisschen aus mit der Musikrhetorik und muss erkennen, dass Mozart bei diesen Sinfonien Neue – bis dahin unbekannte Wege geht.“ Zyklische Einheit und „verwürfelte“ Motive „WENN MAN DIESE DREI SINFONIEN NICHT – SO WIE WIR alle – schon lange vorher kennt, sondern wenn man bedenkt, dass sie ja für Menschen geschrieben wurden, die sie nicht kannten, dann kommt nur Unerwartetes! Da ist wirklich hinter jeder Türe etwas, was man vorher nicht ahnen konnte. Also habe ich mir die Motive genauer angeschaut und hab’ mir eine Liste gemacht. Alle drei Sinfonien sind mit denselben „Urbausteinen“ gebaut und verbunden. Zum Teil in verkappter Form, die aber leicht zu entschlüsseln ist (die Tonfolge bleibt stets erkennbar), gelegentlich in typisch mozartisch verwürfelter Form. Das konsequent durchgehende Vorkommen dieser drei Grundmotive ist wirklich höchst auffallend. Ich bin da zu ganz ähnlichen Ergebnissen gekommen wie Peter Gülke in seinem Buch über die letzten drei Mozartsinfonien.“ „Mozarts Instrumental-Oratorium“ „ICH FINDE DIESE DINGE ZU AUFFALLEND. ICH KENNE keinen anderen Fall, wo Mozart solche Motivverbindungen schafft zwischen mehreren Sinfonien, und für diese dichten Zusammenhänge weiß ich kein anderes Wort als Oratorium. Es ist nicht Oper, es nicht Sinfonie. Wenn es das weiterhin gegeben hätte, hätten wir sicher einen eigenen Namen dafür. Auch Peter von Matt habe ich angerufen und ihn gefragt. Er hat gesagt, seine musikalische Bildung reiche nicht aus, um mir da Ratschläge zu geben, aber er würde, wenn er das liest, unbedingt einen Untertitel brauchen. Und ihn würde am meisten die Frage interessieren, wie neu es ist, was Mozart hier gemacht hat. Der Untertitel müsste zeigen, dass Mozart da nicht eine bekannte Form verwendet hat, sondern eine Art Durchbruch zu einer neuen Form. Ich glaube, ‚Instrumental-Oratorium‘ trifft es ganz genau, und zwar ein Oratorium, das viel sprachmächtiger ist als ein echtes, gesungenes Oratorium. Die ‚Klangrede‘ ist viel konzentrierter als die ‚Wortrede‘ - eine ‚Figur‘, eine Harmonie, eine Modulation entspricht einer Vielzahl verbaler Aussagen. Wenn man sich nur die Modulationskaskaden des Finales aus der Es-Dur-Sinfonie anschaut, da kommt er vom Hundertsten ins Tausendste, von einer Modulation in die andere. Wenn Mozart das im Oratorium hätte machen wollen, hätte er eine ganze Reihe von verschiedenen Arien den verschiedenen Personen zuordnen müssen. So aber entsteht eine Art Seelendrama auf engstem Raum. Im Gespräch mit Peter von Matt habe ich das ‚Seelendrama‘ genannt. Das schien ihm aber zu sentimental. Ich glaube, dass Mozart wirklich etwas ganz Neues sagen wollte – eben so etwas wie ein Seelendrama. Eine ständige Auseinandersetzung, die entweder zu Explosionen oder zu Trost und Beruhigung führt und am Schluss natürlich zu einer Art Apotheose, vielleicht sogar eine Erlösung, das wäre denkbar. Aber ich denke nicht, dass eine konkrete Handlung vermittelt wird; wir werden in einem großen Zusammenhang durch alle denkbaren Seelenlandschaften ge- führt. Mozart hat offenbar ganz allein für sich eine ganz neue musikalische Form gefunden. Ohne Auftrag, allein für sich und die Kunst.“ Bemerkungen zur Entstehung und zum musikalischen Charakter DEN WORTEN VON NIKOLAUS HARNONCOURT ZUR ZYK lischen Einheit der drei Sinfonien seien hier nur wenige kurze Hinweise zur Entstehungsgeschichte und zur Musik angefügt. Mozart im Gartenreich, Sommer 1788 AM 17. JUNI 1788 SCHRIEB MOZART AN SEINEN LOGENbruder Michael Puchberg: „wir schlafen heute das erstemal in unserem neuen quartier, allwo wir Sommer und Winter bleiben; – ... ich habe ohnehin nicht viel in der stadt zu thun, und kann, da ich den vielen besuchen nicht ausgesezt bin, mit mehrerer Muße arbeiten; um das ist auch das logis wohlfeiler, und wegen Frühjahr, Sommer, und Herbst angenehmer, da ich auch einen garten habe.“ Wieder einmal waren die Mozarts umgezogen, vom Haus unter den Tuchlauben 27 in der Inneren Stadt hinaus ins Grüne des Alsergrunds, auf die Währinger Straße 26 im heutigen IX. Bezirk. Dort, umgeben vom idyllischen Garten, hat Mozart zwischen Mitte Juni und Mitte August 1788 seine letzten drei Sin fonien komponiert. Schon am 26. Juni – nur neun Tage nach dem Umzug – trug er die Es-Dur-Sinfonie (KV 543) als vollendet in sein eigenhändiges Werkverzeichnis ein. Am selben Tag registrierte er noch drei kleinere Neuheiten (KV 544-546): den heute verschollenen „kleinen Marsch“, die „kleine Klaviersonate für Anfänger“ sowie das Streichadagio zur c-Moll-Fuge. Das E-Dur- Klaviertrio (KV 542) war schon vier Tage früher fertiggeworden. Bis Mitte August sollten noch vier weitere Instrumentalwerke folgen: das C-Dur-Klaviertrio (KV 548), die leichte Violinsonate in F (KV 547) und die beiden letzten Sinfonien. Die g-Moll-Sinfonie wurde am 25. Juli fertig, die C-Dur-Sinfonie am 10. August. Neun Instrumentalwerke in weniger als acht Wochen, darunter die drei bedeutendsten Sinfonien, die er jemals geschrieben hat – Mozart hat keineswegs übertrieben, als er an Freund Puchberg am 27. Juni schrieb: „Ich habe in den 10 Tagen daß ich hier wohne mehr gearbeitet als in andern Logis in 2 Monat, und kämen mir nicht so oft so schwarze Gedanken (die ich nur mit Gewalt ausschlagen muß) würde es mir noch besser von Statten gehen, denn ich wohne angenehm – bequem – und – wohlfeil!“ Sicher hat Mozart parallel an allen drei Werken gearbeitet, wie es für etliche andere seiner Stücke überliefert ist. Zur Tonartenfolge könnte er durch die ersten drei „Pariser Sinfonien“ von Haydn inspiriert worden sein, so wie sie 1787 im Verlag Artaria erschienen waren: die Sinfonien Nr. 82 in C, Nr. 83 in g und Nr. 84 in Es. Allerdings hat Haydn gerade diese drei Werke nicht als zyklische Einheit komponiert, sondern jeweils in Paarungen mit anderen „Pariser Sinfonien“. Überhaupt lässt sich weder für die dichte motivische Verknüpfung der drei Mozartsinfonien noch für ihren tiefen Ernst und ihre quasi-sakrale Aura ein Vorbild unter den Sinfonien der Zeitgenossen ausmachen. Viel eher erscheinen sie als Reflex auf große Vokalwerke, die Mozart in den Monaten zuvor gehört, dirigiert oder bearbeitet hatte. Im Februar und März leitete er zwei Aufführungen des Oratoriums „Auferstehung und Himmelfahrt Jesu“ von Carl Philipp Emanuel Bach, das er für diesen Zweck leicht bearbeitete. Am 8. April 1788 konnte er in der Augustinerkirche einer Gedenkfeier für den im November verstorbenen Gluck beiwohnen. Salieri dirigierte das Requiem in Es-Dur von Jommelli und Glucks „De profundis“. Anfang Mai folgte die Wiener Erstauf führung des „Don Giovanni“, für die Mozart die bekannten Einlagearien und Ensembles nachkomponierte: Don Ottavios Arie im ersten Akt „Dalla sua pace“ mit ihrem erregten Mittelteil in g-Moll und h-Moll; Donna Elviras Rondò in Es-Dur „Mi tradì quell’alma ingrata“ mit ihrer Klarinettenbegleitung; das C-Dur- Duett zwischen Zerlina und Leporello. Den sehr vulgären Refrain einer Einlagearie des Frühjahrs, „Un bacio di mano“ (KV 541), hat Mozart im ersten Satz der „Jupitersinfonie“ als drittes Thema verwendet, als wichtigen Kontrast. So scheinen sich in den Opernarien des Frühjahrs manche Details der drei Sinfonien schon anzukündigen, nichts freilich deutet auf Sinfonien von solcher Größe, Bedeutung und Dichte der thematischen Arbeit hin. Warum sie Mozart komponiert hat, bleibt letztlich im Dunkeln. Es muss ihm, unabhängig von Aufführungs-Chancen persönlich wichtig gewesen sein – quasi ein künstlerischer Auftrag. Zwischen Ouvertüre und Amenfuge „VIELFALT IN DER EINHEIT“ STEHT GLEICHSAM ALS MOTTO über dem Werk, denn vom Klangcharakter her könnten die Sinfonien nicht unterschiedlicher sein: Hier die satte Klangpracht der Es-Dur-Sinfonie mit ihren Pauken und Trompeten, Klarinetten, Hörnern und Fagotten – mit Flöte, aber ohne Oboen; dort die karge, düstere Urfassung der g-Moll-Sinfonie; schließlich der Glanz der C-Dur-Sinfonie, ohne Klarinetten, dafür wieder mit Pauken und Trompeten. Die „Jupitersinfonie“ ist ganz Opera seria: Sie beginnt mit herrischen Motiven aus Seria-Ouvertüren, gefolgt von flehentlichen Geigenseufzern, dabei ist das C-Dur stets bedroht vom Umschlag ins erregte c-Moll, wie in allen großen C-Dur-Werken Mozarts. Es-Dur steht für das Pathos des Oratoriums und für das Ethos der Freimaurer, g-Moll für die Erregung der „Aria agitata“. In ihrem tonartlichen Bogen legen die drei Sinfonien den gleichen Weg zurück wie die „Zauberflöte“: vom Es-Dur der Ouvertüre über das g-Moll Paminas bis zum C-Dur des jubelnden Schlusses. In den insgesamt zwölf Sätzen wiederholt sich keine Konstellation von Tempo und Taktart („Doch: Alle drei Menuette sind – ungewöhnlich – im selben Tempo!“ NH), wie allein schon die drei langsamen Sätze zeigen: Das Andante con moto der Es-Dur- Sinfonie beginnt wie eine Art galanter Marsch in As-Dur, der immer wieder bei dem gleichen eintaktigen Vordersatz beginnt, um ihn auf die überraschendste Weise weiterzuführen. Zwei harsche Molleinschübe reißen die Idylle auf, erst in f-Moll, dann in h-Moll, was zu einigen der verwegensten Modulationen führt, die Mozart jemals geschrieben hat, zu wilden Hörnerklängen und schmerzlichen Bläservorhalten („Solche Ausbrüche hat Mozart in seinem sinfonischen Werk sonst nirgends, es sind Katastrophen mit dem Motiv eines der durchgehenden Urbausteine!“ NH). Das Andante der g-Moll-Sinfonie kleidet eine Art Gebet in Es-Dur in den schwingenden Sechsachteltakt und in scheinbar idyllische Melodik. Freilich wird der „religioso“-Beginn bei jeder Wiederkehr mit neuen Gegenstimmen angereichert, bis im Mittelteil sein Rhythmus in gehämmerten Akkorden unerbittlich hervortritt. Das F-Dur-Andante der „Jupitersinfonie“ entspricht einem Lieblingstypus Mozarts: dem „Andante cantabile“ im ruhig strömenden Dreivierteltakt, hier allerdings mit erregten Triolenklangflächen als Molleinschüben. In allen Sätzen, nicht nur den drei langsamen, bricht das scheinbar Sichere immer wieder auf, wird das Tröstliche der Seitenthemen in tiefe Resignation umgebogen, wird der Sicherheit des Dur ver störendes Moll entgegengesetzt, oft nach Generalpausen. Ein weiteres Charakteristikum aller drei Sinfonien ist Mozarts Vorliebe für den doppelten Kontrapunkt, der nicht erst im Finale der „Jupitersinfonie“ hervortritt. Wer schon einmal das zweifelhafte Vergnügen hatte, eine der Sinfonien in vierhändiger Klavierbearbeitung zu hören, wird erkannt haben, wie hier quasi jeder Takt vom Kontrapunkt durchdrungen ist. Mozarts wundervolle Instrumentierung verdeckt diesen Umstand eher, als ihn zu betonen. Dafür nur zwei Beispiele: Das scheinbar so einfache Hauptthema im ersten Allegro der Es-Dur-Sinfonie ist vom ers ten Takt an imitierend gearbeitet: Das Horn imitiert sofort das Geigenmotiv, später wandert das Geigenthema in den Bass, nun mit einem neuen Kontrapunkt der Geigen und den Echos der Bläser. Das berühmte „Hauptthema“ im ersten Satz der g-Moll-Sinfonie („eigentlich gar kein richtiges ‚Thema‘ eines er- stes Sinfonie-Satzes“ NH) wird so konsequent durch alle Stimmen geführt, dass kaum ein Takt davon frei bleibt. Zunächst aber wird es nur zwischen hohen Streichern und Bläsern ausgetauscht, erst in der Durchführung greifen es die Bässe auf und lösen damit eine wilde „Mollkrise“ aus, deren Erregung bis zum Ende des Satzes nicht abklingt. Im Finale der „Jupitersinfonie“ wird dieses dauernde kontrapunktische Arbeiten gekrönt durch die genialste Synthese zwischen Fuge und Sonatenform, die jemals geschrieben wurde, und durch eine Coda, die alle fünf „Soggetti“ des Satzes förmlich übereinander türmt. Dieses Finale ist gleichsam die „Amenfuge“ von „Mozarts Instrumental-Oratorium“, wie es Nikolaus Harnoncourt nennt, während die langsame Einleitung der Es-DurSinfonie als Ouvertüre dient, die g-Moll-Sinfonie als Zentrum und Wendepunkt. Und es ist gerade die wortlose, rein instrumentale „Klangrede“, die diese Werke so einzigartig macht: der Widerstreit zwischen flehentlicher Bitte und harscher Ab lehnung, Hoffnung und Zurückweisung, Trost und Trauer, Vernichtung und Erlösung. Josef Beheimb Die Interpreten Nikolaus Harnoncourt IN BERLIN GEBOREN, VERBRACHTE DER ÖSTERREICHISCHE Dirigent seine Kindheit und Jugend in Graz. Schon früh künstlerisch ambitioniert, zieht er schließlich das Cellostudium dem Marionettentheater vor, das ihn über Jahre intensiv beschäftigt hatte. Nach der Ausbildung an der Wiener Musikakademie wird er 1952 Cellist bei den Wiener Symphonikern. Ein Jahr später gründet er gemeinsam mit seiner Frau Alice den Concentus Musicus Wien, um seiner immer intensiveren Arbeit mit Originalinstrumenten und der musikalischen Aufführungspraxis von Renaissance- und Barockmusik ein Forum zu geben. Nikolaus Harnoncourt sammelt historische Instrumente – allerdings ausschließlich, um sie zum Musizieren einzusetzen – und entwickelt parallel zum Musizieren und Dirigieren auch in musikphilosophischen Schriften, die im Salzburger Unterricht entstanden, seine Analysen der „Musik als Klangrede“, bis heute die Standardwerke der historischen Aufführungspraxis, die Eröffnung eines ganzen Kosmos von vergessenen Werken und verschütteten Klangerfahrungen. Von 1972 an unterrichtete Nikolaus Harnoncourt Aufführungspraxis und historische Instrumentenkunde als Professor am Salzburger Mozarteum. Parallel dazu wächst sein Erfolg als Operndirigent. Nach seinem Debüt am Theater an der Wien mit Monteverdis „Il ritorno d’Ulisse in patria“ 1971 folgte der inzwi- schen legendäre Zyklus von Monteverdis Musiktheaterwerken, zusammen erarbeitet mit dem Regisseur Jean-Pierre Ponnelle am Opernhaus Zürich, ein weltweit als sensationell betrachteter Durchbruch. Dem schloss sich, ebenso exemplarisch und richtungweisend, am selben Haus und mit Ponnelle als Partner ein Zyklus von Mozart-Opern an. Sowohl im symphonischen Repertoire als auch im Musiktheater führt Nikolaus Harnoncourts Weg als Dirigent über die Wiener Klassik zum romantischen Repertoire und ins 20. Jahrhundert. Einige Stationen auf diesem Weg: die Wiener Staatsoper mit einem Mozart-Zyklus, die Salzburger Festspiele mit Monteverdis „L’incoronazione di Poppea“ und Mozarts „Le nozze di Figaro“, „Don Giovanni“ und „La clemenza di Tito“. Dazwischen immer wieder Zürich: Webers „Freischütz“, Schuberts „Des Teufels Lustschloss“ und „Alfonso und Estrella“, Offenbachs „La belle Hélène“, „La Périchole“ und „La Grande-Duchesse de Gérolstein“ oder Verdis „Aida“. In der Orchesterarbeit sind es das Concertgebouw-Orkest Amsterdam, das Chamber Orchestra of Europe, die Wiener und die Berliner Philharmoniker, mit denen Nikolaus Harnoncourt das große Repertoire zyklisch erarbeitet und immer wieder neu entdeckt hat: die Konzerte und Symphonien von Haydn und Mozart, Beethoven, Mendelssohn, Schubert, Schumann, Brahms, Dvorák und Bruckner, aber auch Béla Bartók und Alban Berg. Ein zentraler Ort für viele dieser Projekte war und ist die styriarte, 1985 in Graz gegründet, um Nikolaus Harnoncourt enger an seine Heimatstadt zu binden. Hier dirigierte er unter anderem auch zum ersten Mal Schumanns „Genoveva“, Vorspiel und Liebestod aus Wagners „Tristan und Isolde“ oder 2001 Verdis „Requiem“. 2003 kam mit Offenbachs „La Grande-Duchesse de Gérolstein“ eine Oper hinzu, 2005 dirigierte er hier Bizets „Carmen“, 2008 folgte Mozarts „Idomeneo“, für den er auch als Regisseur ver antwortlich zeichnete und der in nationalen und internationalen Kritiken stürmisch gefeiert wurde. 2009 bewies Nikolaus Harnoncourt mit seiner „Porgy and Bess“-Produktion, dass er sogar „den Blues im Blut“ hat (Die Welt) und 2011 dirigierte er hier in Graz eine sensationelle „Verkaufte Braut“ (Smetana). Im vergangenen Jahr brach er dann eine Lanze für Jacques Offenbach und brachte hier dessen „Ritter Blaubart“ in einer grandiosen Version heraus. Heute ist Nikolaus Harnoncourt einer der wenigen wirklichen Weltstars unter den Dirigenten. Mit Auftritten wie beim Neujahrskonzert der Wiener Philharmoniker erreicht er ein Millionenpublikum – mit der gleichen Leidenschaft und dem flammenden Ernst, mit denen er überall auf der Welt konsequent vor allem eines ist: ein wahrer Diener der Kunst. Concentus Musicus Wien NIKOLAUS HARNONCOURT, DER DAS ENSEMBLE VON DER Gründung 1953 an bis 1987 vom Cello aus leitete und bis heute künstlerischer Leiter ist, rief den Concentus Musicus Wien mit einigen Musikern aus den Reihen der Wiener Symphoniker als Spezialensemble für Alte Musik auf Originalinstrumenten ins Leben. Mehr als vier Jahre lang verbrachten die Musikerinnen und Musiker des Ensembles zunächst ausschließlich mit Proben arbeit, bis sie 1957 im Wiener Palais Schwarzenberg erstmals an die Öffentlichkeit traten, wo von da an jährliche Konzertreihen mit dem Concentus Musicus stattfanden. 1963 wurden die ersten Werke für Teldec eingespielt. Etwa zur gleichen Zeit führten Konzertreisen das Ensemble durch ganz Westeuropa. Auf dem Programm standen unter anderem Bachs Brandenburgische Konzerte und österreichische Barockmusik. 1966 unternahmen sie ihre erste Tournee in die Vereinigten Staaten und nach Kanada. 1970 begann der Concentus Musicus Wien mit der Gesamteinspielung der Kantaten von Bach, ein beeindruckendes Projekt, das 1989 abgeschlossen wurde und mit einem Gramophone Award ausgezeichnet wurde. Gleichzeitig wurden die eigenen Konzertreihen im Wiener Musikverein ausgebaut und Werke von Monteverdi, Purcell, Bach, Händel und Mozart eingespielt. Durch diese unzähligen Einspielungen und Konzertreisen ist der Concentus Musicus Wien zum Inbegriff des Musizierens auf historischen Instrumenten geworden. Auch bei Opernproduk tionen und -einspielungen wirkt das Ensemble regelmäßig in Wien (Theater an der Wien), Graz (styriarte) und Salzburg (Salzburger Festspiele) mit. In den letzten Jahren erschienen die bei der styriarte eingespielte CD mit Haydns „Orlando Paladino“ und eine Einspielung von Mozarts „Zaïde“. Zuletzt erschien eine Doppel-CD mit Musik von Mozart, Lanner und Strauß: „Walzer Revolution“ sowie die Einspielung von „Timotheus oder Die Gewalt der Musik“ (Händel/Mozart) von der 200-Jahr-Feier des Wiener Musikvereins. Als DVD liegt die styriarte Festival Edition „Idomeneo“ aus 2008 auf, bei der Nikolaus Harnoncourt gemeinsam mit seinem Sohn Philipp selber Regie führte. Die Besetzung: Violinen: Erich Höbarth, Alice Harnoncourt, Andrea Bischof, Anita Mitterer, Annette Bik, Christian Eisenberger, Editha Fetz, Thomas Fheodoroff, Annelie Gahl, Karl Höffinger, Barbara Klebel-Vock, Veronica Kröner, Peter Schoberwalter sen., Florian Schönwiese, Elisabeth Stifter, Irene Troi Violen: Gertrud Weinmeister, Ursula Kortschak, Magdalena Fheodoroff, Barbara Palma, Dorothea Sommer Violoncelli: Matthias Bartholomey, Dorothea Schönwiese, Peter Sigl Kontrabässe: Andrew Ackerman, Hermann Eisterer Flöten: Robert Wolf, Reinhard Czasch Oboen: Hans-Peter Westermann, Marie Wolf Klarinetten: Rupert Fankhauser, Georg Riedl Fagott: Alberto Grazzi, Eleanor Froelich Hörner: Hector McDonald, Georg Sonnleitner, Athanasios Ioannou Trompeter: Andreas Lackner, Herbert Walser Pauke: Michael Vladar Nikolaus Harnoncourt MOZARTS INSTRUMENTALES ORATORIUM 8843026352 Seit 1952 beschäftigt sich Nikolaus Harnoncourt mit Mozarts drei letzten Symphonien. Nun stellt er seine finale Auseinandersetzung mit diesen Ausnahme-Werken auf CD vor, zum ersten Mal mit »seinem« Concentus Musicus. Harnoncourt kam zur Überzeugung, dass die drei Werke direkt miteinander zusammen hängen und von Mozart als instrumentales Oratorium komponiert wurden. Eine spannende Neudeutung, die auch Mozart-Kenner überraschen wird. Ö1 Club-Mitglieder erhalten bei der styriarte bei ausgewählten Veranstaltungen 10 % Ermäßigung. Sämtliche Ö1 Club-Vorteile finden Sie in oe1.orf.at Foto: Harry Schiffer Einer unserer Clubräume. Aviso Freitag, 11. Juli Helmut-List-Halle, 20 Uhr Ombra mai fu Händel: Ouvertüren und Szenen aus „Serse“ (Ombra mai fu), „Aci, Galatea e Polifemo“, „Alcina, „Sosarme“ und „Ariodante“ Concerto grosso in F, op. 6/2 Kirsten Blaise, Sopran Kangmin Justin Kim, Countertenor recreationBAROCK Dirigent: Michael Hofstetter Das „Largo“ von Händel kennt jedes Kind, aber worum geht es dabei eigentlich? Der Perserkönig Xerxes besingt den Schatten seiner Lieblingsplatane, die er aus lauter Begeisterung umarmt: „Ombra mai fu“. Die schöne Romilda belauscht ihn und verspottet den großen König, der sich in einen Baum verliebt hat. Mit dieser ironischen Brechung der Pastorale beginnt Michael Hofstetter seine Blütenlese der schönsten Pastoralszenen aus Händels Opern. Xerxes ist der junge Sopran- Counter Kangmin Justin Kim aus Chicago. Er tritt in die Fuß stapfen der großen Kastraten Carestini und Caffarelli. An seiner Seite entfaltet eine der großen Händel-Primadonnen unserer Zeit ihre Kunst: Kirsten Blaise. HIMMER, BUCHHEIM & PARTNER „DER STANDARD sucht Streit. Aber deshalb abonniere ich ihn ja.“ Cornelius Obonya, Schauspieler und Abonnent seit 2000 Jetzt 3 Wochen gratis testen! Bestellen unter 0810/20 30 40 oder auf derStandard.at/Testabo Er vermeidet die Harmonie; er sucht die Konfrontation. So kommt Bewegung rein. Wie sich DER STANDARD so etwas erlauben kann? Dank jener Menschen, die ihn aus genau diesem Grund abonnieren. Die Zeitung für Leserinnen Aviso Sonntag, 13. Juli Helmut-List-Halle, 19 Uhr Ludwig van Beethoven.SOAP Beethoven: Septett, op. 20 / Andante favori für Klavier, WoO 57 / Lieder (Mignon, An die Hoffnung, Der Gesang der Nachtigall, Der Wachtelschlag, Die Ehre Gottes aus der Natur u. a.) Lesung aus Beethovens Briefen und dem Heiligenstädter Testament Julia Kleiter, Sopran Stefan Gottfried, Hammerflügel Solisten des Chamber Orchestra of Europe Leitung: Lorenza Borrani, Violine Christoph Bantzer, Lesung „Der hohe Muth – der mich oft in den schönen Sommertagen beseelte – er ist verschwunden. […] Wann, o Gottheit – kann ich im Tempel der Natur und der Menschen ihn wieder fühlen? – Nie? – nein – o es wäre zu hart.“ Mit diesen Worten schloss Beet hoven die Nachschrift zu jenem Brief an seine Brüder, der als „Heiligenstädter Testament“ in die Geschichte einging. 1802 weilte er zur Kur in dem damaligen Badeort am Donaukanal, doch statt zu genesen, wurde für ihn die drohende Taubheit zur Gewissheit. Im Spannungsfeld zwischen dem tragischen Sommer 1802 und viel glücklicheren Tagen „im Tempel der Natur“ bewegt sich diese Beethoven-SOAP. William Pether (ca. 1738–1821), Ein Philosoph gibt eine Vorlesung am Tischplanetarium, Foto: N. Lackner/UMJ Die Schwarze Kunst Meisterwerke der Schabkunst 25. 04. – 20. 07. 2014 Eggenberger Allee 90, 8020 Graz, Mi – So 10 – 17 Uhr www.museum-joanneum.at Kult u r t r i f ft Genuss Ein Treffpunkt zum Wohlfühlen bis spät in die Nacht. Durchgehend warme Küche bis 22 Uhr, danach Antipasti und kalte Snacks. 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