Mozart!!! - Styriarte

Transcrição

Mozart!!! - Styriarte
Samstag, 5. Juli, 19.30 Uhr
Montag, 7. Juli, 19.30 Uhr
Stefaniensaal
Mozart!!!
Mozarts Instrumental-Oratorium
Sinfonie in Es, KV 543
Adagio – Allegro 3/4
Andante con moto 2/4
Menuetto: Allegretto, Trio
Finale: Allegro 2/4
Sinfonie in g, KV 550
Molto Allegro
Andante 6/8
Menuetto: Allegretto, Trio
Allegro assai
Sinfonie in C, KV 551
Allegro vivace
Andante Cantabile 3/4
Menuetto: Allegretto, Trio
Molto Allegro
Concentus Musicus Wien
Nikolaus Harnoncourt
Patronanz:
Hörfunkübertragung: Sonntag, 20. Juli, 11.03 Uhr, Ö1
(Nikolaus Harnoncourt)
Mozart!!!
Im
idyllischen
Heims
im
Garten
Alsergrund
seines
neuen
hat
Mozart
im Sommer 1788 sein InstrumentalOratorium (in Form dreier Sinfonien)
­komponiert. Zu seinen Lebzeiten blieben
­diese Meisterwerke unbeachtet, heute
gehören
­Sinfonien
sie
zu
den
meistgespielten
überhaupt.
Für
Nikolaus
Harnoncourt ist die zyklische Einheit
das
Entscheidende
Er
erkennt
der
darin
Instrumental-Oratorium“.
drei
eben
Werke:
„Mozarts
Ad notam
Nikolaus Harnoncourt
über die letzten drei Sinfonien von Mozart
IN EINEM GESPRÄCH IM MAI IN SEINEM HAUS IN SANKT
Georgen hat Nikolaus Harnoncourt seine Beobachtungen und
jahrzehntelangen Überlegungen zu den letzten drei Sinfonien
von Mozart zusammengefasst und zum Begriff „Mozarts Instrumental-Oratorium“ verdichtet. Wir geben seine Äußerungen auszugsweise wieder, geordnet nach den wichtigsten Themen:
Sinfonien ohne Auftrag
„KEIN AUFTRAG – EIN KOMPONIST WIE MOZART SCHREIBT
doch nicht ein Großwerk ohne Auftrag! Er muss einen inneren
Auftrag gehabt haben. Da muss er das Gefühl gehabt haben: ‚Ich
habe etwas zu sagen, was noch nicht gesagt wurde, und jetzt
habe ich gerade das Vokabular dafür und mach das in diesem
Sommer!‘ Es gibt ja auch keine echten Aufführungen, die belegt
sind. Es gibt Hypothesen über Aufführungen in Wien oder
Frankfurt oder Leipzig oder einmal bei irgendeinem Fürsten.
Ich glaube schon, dass solche Experimentalaufführungen statt­
fanden, aber herausgebracht, groß, wurden die Werke erst nach
dem Tod Mozarts.“
Sinfonien ohne Anfang und ohne Schluss
„MIR IST AUFGEFALLEN, DASS ZWEI SINFONIEN KEINEN
­Anfang haben und zwei Sinfonien keinen Schluss. Die Es-Dur-
Sinfonie hat diese große Einleitung, quasi eine Ouvertüre oder
Intrada, aber keinen Schluss. Und unmittelbar aus diesem abrupten Abriss, der seit jeher heftigst kritisiert wurde – zurecht,
weil es eben kein Abschluss ist, geht das Gemurmel der Streicher
am Anfang der g-Moll-Sinfonie hervor. Da kann keine Pause dazwischen liegen. So eine Verbindung, so ein Übergang drängt
sich auf – seit jeher haben mich sowohl der Abriss als auch
der Nicht-Beginn irritiert. In einem Konzert, in dem wir die
g-moll-Sinfonie schon als Teil dieses Gesamtwerkes gespielt
­haben, habe ich dem Publikum gesagt: Es fängt eigentlich nicht
an, es kommt als Staub aus diesem Nicht-Schluss der Es-DurSinfonie.
Dieses berühmte Thema zu Beginn der g-Moll-Sinfonie ist die
Auszierung einer ‚Nullmelodie‘, die eben kein Einleitungssatz
für eine Sinfonie ist. Ein Sinfonie-Allegro fängt so nicht an, mit
einer Grundmelodie, die eigentlich für ein Adagio geeignet wäre
und durch Appoggiaturen auf jedem Ton zu einer Aria Agitata
wird … dafür kenne ich keine Parallelen und Vorbilder.
Warum hat der Finalsatz der Es-Dur-Sinfonie so überhaupt
­keinen Finalcharakter? Ein monothematischer Satz! Sehr ungewöhnlich – wurde hier eine neue Form creiert, die auf extreme
Modulation setzt?
Und was geschieht im Finale der g-Moll-Sinfonie? Im zweiten
Teil zerschlägt Mozart erst die Melodie – und gleich darauf die
Harmonie, indem er in sieben absteigenden Quinten die Tonalität ad absurdum führt. Der Hörer, der eine Bourree, einen alten,
genau strukturierten Tanz zu hören vermeinte, steht vor einem
Trümmerhaufen. Und auch das hat mich irgendwie irritiert.“
Langsame Sätze
„IM LANGSAMEN SATZ DER ES-DUR-SINFONIE EREIGNET
sich die schockierendste Stelle irgendeines langsamen Satzes
­einer Mozart-Sinfonie. Und wieso besteht der langsame Satz der
g-Moll-Sinfonie aus dem Hauptmotiv der C-Dur-Sinfonie? Das
ist eine alte gregorianische Gloria-Formel – auch Pange lingua
und andere gregorianische Formulierungen. Wieso schreibt er
dieses Vier-Ton-Motiv auch als Thema im langsamen Satz der
g-Moll-Sinfonie? Mir ist das schon als kleiner Orchestermusiker
aufgefallen, aber nie hat ein Dirigent darauf hingewiesen, weil
dieser Zusammenhang im extrem langsamen Tempo damals
­sowieso nicht mehr melodisch erkennbar war.
Der Anfang des langsamen Satzes in der C-Dur-Sinfonie erinnert
mich an die Sprecherszene der „Zauberflöte“. Warum isoliert –
mit Pausen vorn und hinten – dieser Forte-Akkord am Ende jeder
Phrase? Das ist für mich das „Zurück“ – hier darfst Du nicht
­herein. Im sechsten Takt, statt des erwarteten dritten „Zurück“
hören wir: „Komm, die Türe ist offen!“ Ich maße mir nicht an,
sozusagen eine Inhaltsangabe des Geschehens zu machen, aber
ich kenn mich doch ein bisschen aus mit der Musikrhetorik und
muss erkennen, dass Mozart bei diesen Sinfonien Neue – bis dahin unbekannte Wege geht.“
Zyklische Einheit und „verwürfelte“ Motive
„WENN MAN DIESE DREI SINFONIEN NICHT – SO WIE WIR
alle – schon lange vorher kennt, sondern wenn man bedenkt, dass
sie ja für Menschen geschrieben wurden, die sie nicht kannten,
dann kommt nur Unerwartetes! Da ist wirklich hinter jeder Türe
etwas, was man vorher nicht ahnen konnte. Also habe ich mir
die Motive genauer angeschaut und hab’ mir eine Liste gemacht.
Alle drei Sinfonien sind mit denselben „Urbausteinen“ gebaut
und verbunden. Zum Teil in verkappter Form, die aber leicht zu
entschlüsseln ist (die Tonfolge bleibt stets erkennbar), gelegentlich in typisch mozartisch verwürfelter Form. Das konsequent
durchgehende Vorkommen dieser drei Grundmotive ist wirklich
höchst auffallend. Ich bin da zu ganz ähnlichen Ergebnissen gekommen wie Peter Gülke in seinem Buch über die letzten drei
Mozartsinfonien.“
„Mozarts Instrumental-Oratorium“
„ICH FINDE DIESE DINGE ZU AUFFALLEND. ICH KENNE
­keinen anderen Fall, wo Mozart solche Motivverbindungen
schafft zwischen mehreren Sinfonien, und für diese dichten
­Zusammenhänge weiß ich kein anderes Wort als Oratorium. Es
ist nicht Oper, es nicht Sinfonie. Wenn es das weiterhin gegeben
hätte, hätten wir sicher einen eigenen Namen dafür. Auch Peter
von Matt habe ich angerufen und ihn gefragt. Er hat gesagt,
­seine musikalische Bildung reiche nicht aus, um mir da Ratschläge zu geben, aber er würde, wenn er das liest, unbedingt
­einen Untertitel brauchen. Und ihn würde am meisten die Frage
interessieren, wie neu es ist, was Mozart hier gemacht hat. Der
Untertitel müsste zeigen, dass Mozart da nicht eine bekannte
Form verwendet hat, sondern eine Art Durchbruch zu einer neuen Form.
Ich glaube, ‚Instrumental-Oratorium‘ trifft es ganz genau, und
zwar ein Oratorium, das viel sprachmächtiger ist als ein echtes,
gesungenes Oratorium. Die ‚Klangrede‘ ist viel konzentrierter
als die ‚Wortrede‘ - eine ‚Figur‘, eine Harmonie, eine Modulation
entspricht einer Vielzahl verbaler Aussagen. Wenn man sich nur
die Modulationskaskaden des Finales aus der Es-Dur-Sinfonie
anschaut, da kommt er vom Hundertsten ins Tausendste, von
einer Modulation in die andere. Wenn Mozart das im Oratorium
hätte machen wollen, hätte er eine ganze Reihe von verschiedenen Arien den verschiedenen Personen zuordnen müssen. So
aber entsteht eine Art Seelendrama auf engstem Raum. Im Gespräch mit Peter von Matt habe ich das ‚Seelendrama‘ genannt.
Das schien ihm aber zu sentimental. Ich glaube, dass Mozart
wirklich etwas ganz Neues sagen wollte – eben so etwas wie ein
Seelendrama. Eine ständige Auseinandersetzung, die entweder
zu Explosionen oder zu Trost und Beruhigung führt und am
Schluss natürlich zu einer Art Apotheose, vielleicht sogar eine
Erlösung, das wäre denkbar. Aber ich denke nicht, dass eine konkrete Handlung vermittelt wird; wir werden in einem großen
Zusammenhang durch alle denkbaren Seelenlandschaften ge-
führt. Mozart hat offenbar ganz allein für sich eine ganz neue
musikalische Form gefunden. Ohne Auftrag, allein für sich und
die Kunst.“
Bemerkungen zur Entstehung
und zum musikalischen Charakter
DEN WORTEN VON NIKOLAUS HARNONCOURT ZUR ZYK­
lischen Einheit der drei Sinfonien seien hier nur wenige kurze
Hinweise zur Entstehungsgeschichte und zur Musik angefügt.
Mozart im Gartenreich, Sommer 1788
AM 17. JUNI 1788 SCHRIEB MOZART AN SEINEN LOGENbruder Michael Puchberg: „wir schlafen heute das erstemal in
unserem neuen quartier, allwo wir Sommer und Winter bleiben;
– ... ich habe ohnehin nicht viel in der stadt zu thun, und kann, da
ich den vielen besuchen nicht ausgesezt bin, mit mehrerer Muße
arbeiten; um das ist auch das logis wohlfeiler, und wegen Frühjahr, Sommer, und Herbst angenehmer, da ich auch einen garten
habe.“
Wieder einmal waren die Mozarts umgezogen, vom Haus unter
den Tuchlauben 27 in der Inneren Stadt hinaus ins Grüne des
Alsergrunds, auf die Währinger Straße 26 im heutigen IX. Bezirk. Dort, umgeben vom idyllischen Garten, hat Mozart zwischen Mitte Juni und Mitte August 1788 seine letzten drei Sin­
fonien komponiert. Schon am 26. Juni – nur neun Tage nach dem
Umzug – trug er die Es-Dur-Sinfonie (KV 543) als vollendet in
sein eigenhändiges Werkverzeichnis ein. Am selben Tag registrierte er noch drei kleinere Neuheiten (KV 544-546): den heute
verschollenen „kleinen Marsch“, die „kleine Klaviersonate für
­Anfänger“ sowie das Streichadagio zur c-Moll-Fuge. Das E-Dur-­
Klaviertrio (KV 542) war schon vier Tage früher fertig­geworden.
Bis Mitte August sollten noch vier weitere Instrumentalwerke
folgen: das C-Dur-Klaviertrio (KV 548), die leichte Violinsonate
in F (KV 547) und die beiden letzten Sinfonien. Die g-Moll-Sinfonie wurde am 25. Juli fertig, die C-Dur-Sinfonie am 10. August.
Neun Instrumentalwerke in weniger als acht ­Wochen, darunter
die drei bedeutendsten Sinfonien, die er jemals geschrieben hat
– Mozart hat keineswegs übertrieben, als er an Freund Puchberg
am 27. Juni schrieb: „Ich habe in den 10 Tagen daß ich hier wohne mehr gearbeitet als in andern Logis in 2 Monat, und kämen
mir nicht so oft so schwarze Gedanken (die ich nur mit Gewalt
ausschlagen muß) würde es mir noch besser von Statten gehen,
denn ich wohne angenehm – bequem – und – wohlfeil!“
Sicher hat Mozart parallel an allen drei Werken gearbeitet, wie
es für etliche andere seiner Stücke überliefert ist. Zur Tonartenfolge könnte er durch die ersten drei „Pariser Sinfonien“ von
Haydn inspiriert worden sein, so wie sie 1787 im Verlag Artaria
erschienen waren: die Sinfonien Nr. 82 in C, Nr. 83 in g und
Nr. 84 in Es. Allerdings hat Haydn gerade diese drei Werke nicht
als zyklische Einheit komponiert, sondern jeweils in Paarungen
mit anderen „Pariser Sinfonien“. Überhaupt lässt sich weder für
die dichte motivische Verknüpfung der drei Mozartsinfonien
noch für ihren tiefen Ernst und ihre quasi-sakrale Aura ein Vorbild unter den Sinfonien der Zeitgenossen ausmachen. Viel eher
erscheinen sie als Reflex auf große Vokalwerke, die Mozart in
den Monaten zuvor gehört, dirigiert oder bearbeitet hatte.
Im Februar und März leitete er zwei Aufführungen des Oratoriums „Auferstehung und Himmelfahrt Jesu“ von Carl Philipp
Emanuel Bach, das er für diesen Zweck leicht bearbeitete. Am
8. April 1788 konnte er in der Augustinerkirche einer Gedenkfeier für den im November verstorbenen Gluck beiwohnen.
­Salieri dirigierte das Requiem in Es-Dur von Jommelli und
Glucks „De profundis“. Anfang Mai folgte die Wiener Erstauf­
führung des „Don Giovanni“, für die Mozart die bekannten Einlagearien und Ensembles nachkomponierte: Don Ottavios Arie
im ersten Akt „Dalla sua pace“ mit ihrem erregten Mittelteil in
g-Moll und h-Moll; Donna Elviras Rondò in Es-Dur „Mi tradì
quell’alma ingrata“ mit ihrer Klarinettenbegleitung; das C-Dur-
Duett zwischen Zerlina und Leporello. Den sehr vulgären­
Refrain einer Einlagearie des Frühjahrs, „Un bacio di mano“
(KV 541), hat Mozart im ersten Satz der „Jupitersinfonie“ als drittes Thema verwendet, als wichtigen Kontrast.
So scheinen sich in den Opernarien des Frühjahrs manche
­Details der drei Sinfonien schon anzukündigen, nichts freilich
deutet auf Sinfonien von solcher Größe, Bedeutung und Dichte
der thematischen Arbeit hin. Warum sie Mozart komponiert hat,
bleibt letztlich im Dunkeln. Es muss ihm, unabhängig von Aufführungs-Chancen persönlich wichtig gewesen sein – quasi ein
künstlerischer Auftrag.
Zwischen Ouvertüre und Amenfuge
„VIELFALT IN DER EINHEIT“ STEHT GLEICHSAM ALS MOTTO
über dem Werk, denn vom Klangcharakter her könnten die
­Sinfonien nicht unterschiedlicher sein: Hier die satte Klangpracht der Es-Dur-Sinfonie mit ihren Pauken und Trompeten,
Klarinetten, Hörnern und Fagotten – mit Flöte, aber ohne Oboen;
dort die karge, düstere Urfassung der g-Moll-Sinfonie; schließlich der Glanz der C-Dur-Sinfonie, ohne Klarinetten, dafür ­wieder
mit Pauken und Trompeten. Die „Jupitersinfonie“ ist ganz Opera
seria: Sie beginnt mit herrischen Motiven aus Seria-Ouvertüren,
gefolgt von flehentlichen Geigenseufzern, dabei ist das C-Dur
stets bedroht vom Umschlag ins erregte c-Moll, wie in allen
­gro­ßen C-Dur-Werken Mozarts. Es-Dur steht für das Pathos des
­Oratoriums und für das Ethos der Freimaurer, g-Moll für die Erregung der „Aria agitata“. In ihrem tonartlichen Bogen legen die
drei Sinfonien den gleichen Weg zurück wie die „Zauberflöte“:
vom Es-Dur der Ouvertüre über das g-Moll Paminas bis zum
C-Dur des jubelnden Schlusses.
In den insgesamt zwölf Sätzen wiederholt sich keine Konstellation von Tempo und Taktart („Doch: Alle drei Menuette sind – ungewöhnlich – im selben Tempo!“ NH), wie allein schon die drei
langsamen Sätze zeigen: Das Andante con moto der Es-Dur-
Sinfonie beginnt wie eine Art galanter Marsch in As-Dur, der
­immer wieder bei dem gleichen eintaktigen Vordersatz beginnt,
um ihn auf die überraschendste Weise weiterzuführen. Zwei
harsche Molleinschübe reißen die Idylle auf, erst in f-Moll, dann
in h-Moll, was zu einigen der verwegensten Modulationen führt,
die Mozart jemals geschrieben hat, zu wilden Hörnerklängen
und schmerzlichen Bläservorhalten („Solche Ausbrüche hat
­Mozart in seinem sinfonischen Werk sonst nirgends, es sind Katastrophen mit dem Motiv eines der durchgehenden Urbausteine!“ NH). Das Andante der g-Moll-Sinfonie kleidet eine Art
Gebet in Es-Dur in den schwingenden Sechsachteltakt und in
scheinbar idyllische Melodik. Freilich wird der „religioso“-­Beginn
bei jeder Wiederkehr mit neuen Gegenstimmen angereichert, bis
im Mittelteil sein Rhythmus in gehämmerten Akkorden unerbittlich hervortritt. Das F-Dur-Andante der „Jupitersinfonie“ entspricht einem Lieblingstypus Mozarts: dem „Andante cantabile“
im ruhig strömenden Dreivierteltakt, hier allerdings mit erregten Triolenklangflächen als Molleinschüben. In allen Sätzen,
nicht nur den drei langsamen, bricht das scheinbar Sichere immer wieder auf, wird das Tröstliche der Seitenthemen in tiefe
Resignation umgebogen, wird der Sicherheit des Dur ver­
störendes Moll entgegengesetzt, oft nach Generalpausen.
Ein weiteres Charakteristikum aller drei Sinfonien ist Mozarts
Vorliebe für den doppelten Kontrapunkt, der nicht erst im Finale
der „Jupitersinfonie“ hervortritt. Wer schon einmal das zweifelhafte Vergnügen hatte, eine der Sinfonien in vierhändiger Klavierbearbeitung zu hören, wird erkannt haben, wie hier quasi
jeder Takt vom Kontrapunkt durchdrungen ist. Mozarts wundervolle Instrumentierung verdeckt diesen Umstand eher, als ihn
zu betonen. Dafür nur zwei Beispiele: Das scheinbar so einfache
Hauptthema im ersten Allegro der Es-Dur-Sinfonie ist vom ers­
ten Takt an imitierend gearbeitet: Das Horn imitiert sofort
das Geigenmotiv, später wandert das Geigenthema in den Bass,
nun mit einem neuen Kontrapunkt der Geigen und den Echos
der Bläser. Das berühmte „Hauptthema“ im ersten Satz der
g-Moll-Sinfonie („eigentlich gar kein richtiges ‚Thema‘ eines er-
stes Sinfonie-Satzes“ NH) wird so konsequent durch alle Stimmen geführt, dass kaum ein Takt davon frei bleibt. Zunächst
aber wird es nur zwischen hohen Streichern und Bläsern ausgetauscht, erst in der Durchführung greifen es die Bässe auf und
lösen damit eine wilde „Mollkrise“ aus, deren Erregung bis zum
Ende des Satzes nicht abklingt.
Im Finale der „Jupitersinfonie“ wird dieses dauernde kontrapunktische Arbeiten gekrönt durch die genialste Synthese zwischen Fuge und Sonatenform, die jemals geschrieben wurde,
und durch eine Coda, die alle fünf „Soggetti“ des Satzes förmlich
übereinander türmt. Dieses Finale ist gleichsam die „Amenfuge“
von „Mozarts Instrumental-Oratorium“, wie es Nikolaus Harnoncourt nennt, während die langsame Einleitung der Es-DurSinfonie als Ouvertüre dient, die g-Moll-Sinfonie als Zentrum
und Wendepunkt. Und es ist gerade die wortlose, rein instrumentale „Klangrede“, die diese Werke so einzigartig macht: der
Widerstreit zwischen flehentlicher Bitte und harscher Ab­
lehnung, Hoffnung und Zurückweisung, Trost und Trauer, Vernichtung und Erlösung.
Josef Beheimb
Die Interpreten
Nikolaus Harnoncourt
IN BERLIN GEBOREN, VERBRACHTE DER ÖSTERREICHISCHE
Dirigent seine Kindheit und Jugend in Graz. Schon früh künstlerisch ambitioniert, zieht er schließlich das Cellostudium dem
Marionettentheater vor, das ihn über Jahre intensiv beschäftigt
hatte. Nach der Ausbildung an der Wiener Musikakademie wird
er 1952 Cellist bei den Wiener Symphonikern. Ein Jahr später
gründet er gemeinsam mit seiner Frau Alice den Concentus
­Musicus Wien, um seiner immer intensiveren Arbeit mit Originalinstrumenten und der musikalischen Aufführungspraxis von
Renaissance- und Barockmusik ein Forum zu geben. Nikolaus
Harnoncourt sammelt historische Instrumente – allerdings ausschließlich, um sie zum Musizieren einzusetzen – und entwickelt
parallel zum Musizieren und Dirigieren auch in musikphilosophischen Schriften, die im Salzburger Unterricht entstanden,
seine Analysen der „Musik als Klangrede“, bis heute die Standardwerke der historischen Aufführungspraxis, die Eröffnung
eines ganzen Kosmos von vergessenen Werken und verschütteten Klangerfahrungen.
Von 1972 an unterrichtete Nikolaus Harnoncourt Aufführungspraxis und historische Instrumentenkunde als Professor am
Salzburger Mozarteum. Parallel dazu wächst sein Erfolg als
Operndirigent. Nach seinem Debüt am Theater an der Wien mit
Monteverdis „Il ritorno d’Ulisse in patria“ 1971 folgte der inzwi-
schen legendäre Zyklus von Monteverdis Musiktheaterwerken,
zusammen erarbeitet mit dem Regisseur Jean-Pierre Ponnelle
am Opernhaus Zürich, ein weltweit als sensationell betrachteter
Durchbruch. Dem schloss sich, ebenso exemplarisch und richtungweisend, am selben Haus und mit Ponnelle als Partner ein
Zyklus von Mozart-Opern an.
Sowohl im symphonischen Repertoire als auch im Musiktheater
führt Nikolaus Harnoncourts Weg als Dirigent über die Wiener
Klassik zum romantischen Repertoire und ins 20. Jahrhundert.
Einige Stationen auf diesem Weg: die Wiener Staatsoper mit
einem Mozart-Zyklus, die Salzburger Festspiele mit Monteverdis
„L’incoronazione di Poppea“ und Mozarts „Le nozze di Figaro“,
„Don Giovanni“ und „La clemenza di Tito“. Dazwischen immer
wieder Zürich: Webers „Freischütz“, Schuberts „Des Teufels Lustschloss“ und „Alfonso und Estrella“, Offenbachs „La belle Hélène“, „La Périchole“ und „La Grande-Duchesse de Gérolstein“
oder Verdis „Aida“.
In der Orchesterarbeit sind es das Concertgebouw-Orkest Amsterdam, das Chamber Orchestra of Europe, die Wiener und die
­Berliner Philharmoniker, mit denen Nikolaus Harnoncourt das
große Repertoire zyklisch erarbeitet und immer wieder neu entdeckt hat: die Konzerte und Symphonien von Haydn und Mozart,
Beethoven, Mendelssohn, Schubert, Schumann, Brahms, Dvorák
und Bruckner, aber auch Béla Bartók und Alban Berg.
Ein zentraler Ort für viele dieser Projekte war und ist die styriarte,
1985 in Graz gegründet, um Nikolaus Harnoncourt enger an seine
Heimatstadt zu binden. Hier dirigierte er unter anderem auch
zum ersten Mal Schumanns „Genoveva“, Vorspiel und Liebestod
aus Wagners „Tristan und Isolde“ oder 2001 Verdis „Requiem“.
2003 kam mit Offenbachs „La Grande-Duchesse de Gérolstein“
eine Oper hinzu, 2005 dirigierte er hier Bizets „Carmen“, 2008
folgte Mozarts „Idomeneo“, für den er auch als Regisseur ver­
antwortlich zeichnete und der in nationalen und internationalen
Kritiken stürmisch gefeiert wurde. 2009 bewies Nikolaus Harnoncourt mit seiner „Porgy and Bess“-Produktion, dass er sogar
„den Blues im Blut“ hat (Die Welt) und 2011 dirigierte er hier in
Graz eine sensationelle „Verkaufte Braut“ (Smetana). Im vergangenen Jahr brach er dann eine Lanze für Jacques Offenbach und
brachte hier dessen „Ritter Blaubart“ in einer grandiosen Version
heraus.
Heute ist Nikolaus Harnoncourt einer der wenigen wirklichen
Weltstars unter den Dirigenten. Mit Auftritten wie beim Neujahrskonzert der Wiener Philharmoniker erreicht er ein Millionenpublikum – mit der gleichen Leidenschaft und dem flammenden Ernst, mit denen er überall auf der Welt konsequent vor
allem eines ist: ein wahrer Diener der Kunst.
Concentus Musicus Wien
NIKOLAUS HARNONCOURT, DER DAS ENSEMBLE VON DER
Gründung 1953 an bis 1987 vom Cello aus leitete und bis heute
künstlerischer Leiter ist, rief den Concentus Musicus Wien mit
einigen Musikern aus den Reihen der Wiener Symphoniker als
Spezialensemble für Alte Musik auf Originalinstrumenten ins
Leben.
Mehr als vier Jahre lang verbrachten die Musikerinnen und
­Musiker des Ensembles zunächst ausschließlich mit Proben­
arbeit, bis sie 1957 im Wiener Palais Schwarzenberg erstmals an
die Öffentlichkeit traten, wo von da an jährliche Konzertreihen
mit dem Concentus Musicus stattfanden. 1963 wurden die ersten
Werke für Teldec eingespielt. Etwa zur gleichen Zeit führten
Konzertreisen das Ensemble durch ganz Westeuropa. Auf dem
Programm standen unter anderem Bachs Brandenburgische
Konzerte und österreichische Barockmusik. 1966 unternahmen
sie ihre erste Tournee in die Vereinigten Staaten und nach
­Kanada.
1970 begann der Concentus Musicus Wien mit der Gesamteinspielung der Kantaten von Bach, ein beeindruckendes Projekt,
das 1989 abgeschlossen wurde und mit einem Gramophone
Award ausgezeichnet wurde. Gleichzeitig wurden die eigenen
Konzertreihen im Wiener Musikverein ausgebaut und Werke
von Monteverdi, Purcell, Bach, Händel und Mozart eingespielt.
Durch diese unzähligen Einspielungen und Konzertreisen ist der
Concentus Musicus Wien zum Inbegriff des Musizierens auf
­historischen Instrumenten geworden. Auch bei Opernproduk­
tionen und -einspielungen wirkt das Ensemble regelmäßig in
Wien (Theater an der Wien), Graz (styriarte) und Salzburg (Salzburger Festspiele) mit. In den letzten Jahren erschienen die bei
der styriarte eingespielte CD mit Haydns „Orlando Paladino“
und eine Einspielung von Mozarts „Zaïde“.
Zuletzt erschien eine Doppel-CD mit Musik von Mozart, Lanner
und Strauß: „Walzer Revolution“ sowie die Einspielung von
­„Timotheus oder Die Gewalt der Musik“ (Händel/Mozart) von
der 200-Jahr-Feier des Wiener Musikvereins. Als DVD liegt die
styriarte Festival Edition „Idomeneo“ aus 2008 auf, bei der
­Nikolaus Harnoncourt gemeinsam mit seinem Sohn Philipp
­selber Regie führte.
Die Besetzung:
Violinen: Erich Höbarth, Alice Harnoncourt, Andrea Bischof,
Anita Mitterer, Annette Bik, Christian Eisenberger,
Editha Fetz, Thomas Fheodoroff, Annelie Gahl,
Karl Höffinger, Barbara Klebel-Vock, Veronica Kröner,
Peter Schoberwalter sen., Florian Schönwiese,
Elisabeth Stifter, Irene Troi
Violen: Gertrud Weinmeister, Ursula Kortschak,
Magdalena Fheodoroff, Barbara Palma, Dorothea Sommer
Violoncelli: Matthias Bartholomey, Dorothea Schönwiese,
Peter Sigl
Kontrabässe: Andrew Ackerman, Hermann Eisterer
Flöten: Robert Wolf, Reinhard Czasch
Oboen: Hans-Peter Westermann, Marie Wolf
Klarinetten: Rupert Fankhauser, Georg Riedl
Fagott: Alberto Grazzi, Eleanor Froelich
Hörner: Hector McDonald, Georg Sonnleitner,
Athanasios Ioannou
Trompeter: Andreas Lackner, Herbert Walser
Pauke: Michael Vladar
Nikolaus Harnoncourt
MOZARTS
INSTRUMENTALES
ORATORIUM
8843026352
Seit 1952 beschäftigt sich Nikolaus
Harnoncourt mit Mozarts drei
letzten Symphonien. Nun stellt er
seine finale Auseinandersetzung
mit diesen Ausnahme-Werken
auf CD vor, zum ersten Mal mit
»seinem« Concentus Musicus.
Harnoncourt kam zur Überzeugung,
dass die drei Werke direkt miteinander zusammen hängen und von Mozart als
instrumentales Oratorium komponiert wurden. Eine spannende Neudeutung,
die auch Mozart-Kenner überraschen wird.
Ö1 Club-Mitglieder erhalten bei
der styriarte bei ausgewählten
Veranstaltungen 10 % Ermäßigung.
Sämtliche Ö1 Club-Vorteile
finden Sie in oe1.orf.at
Foto: Harry Schiffer
Einer unserer Clubräume.
Aviso
Freitag, 11. Juli
Helmut-List-Halle, 20 Uhr
Ombra mai fu
Händel: Ouvertüren und Szenen aus „Serse“ (Ombra mai fu),
„Aci, Galatea e Polifemo“, „Alcina, „Sosarme“ und „Ariodante“
Concerto grosso in F, op. 6/2
Kirsten Blaise, Sopran
Kangmin Justin Kim, Countertenor
recreationBAROCK
Dirigent: Michael Hofstetter
Das „Largo“ von Händel kennt
­jedes Kind, aber worum geht es
dabei eigentlich? Der Perserkönig
Xerxes besingt den Schatten seiner Lieblingsplatane, die er aus
lauter Begeisterung umarmt: „Ombra mai fu“. Die schöne Romilda
belauscht ihn und verspottet den
großen König, der sich in einen
Baum verliebt hat. Mit dieser ironischen Brechung der Pastorale
beginnt Michael Hofstetter seine
Blütenlese der schönsten Pastoralszenen aus Händels Opern. Xerxes ist der junge Sopran-­
Counter Kangmin Justin Kim aus Chicago. Er tritt in die Fuß­
stapfen der großen Kastraten Carestini und Caffarelli. An seiner
Seite entfaltet eine der großen Händel-Primadonnen unserer Zeit
ihre Kunst: Kirsten Blaise.
HIMMER, BUCHHEIM & PARTNER
„DER STANDARD
sucht Streit.
Aber deshalb
abonniere ich ihn ja.“
Cornelius Obonya, Schauspieler
und Abonnent seit 2000
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oder auf derStandard.at/Testabo
Er vermeidet die Harmonie; er sucht die
Konfrontation. So kommt Bewegung rein.
Wie sich DER STANDARD so etwas
erlauben kann? Dank jener Menschen, die
ihn aus genau diesem Grund abonnieren.
Die Zeitung für Leserinnen
Aviso
Sonntag, 13. Juli
Helmut-List-Halle, 19 Uhr
Ludwig van Beethoven.SOAP
Beethoven: Septett, op. 20 / Andante favori für Klavier, WoO 57 /
Lieder (Mignon, An die Hoffnung, Der Gesang der Nachtigall,
Der Wachtelschlag, Die Ehre Gottes aus der Natur u. a.)
Lesung aus Beethovens Briefen und dem Heiligenstädter
Testament
Julia Kleiter, Sopran
Stefan Gottfried, Hammerflügel
Solisten des Chamber Orchestra of Europe
Leitung: Lorenza Borrani, Violine
Christoph Bantzer, Lesung
„Der hohe Muth – der mich oft
in den schönen Sommertagen
beseelte – er ist verschwunden.
[…] Wann, o Gottheit – kann ich
im Tempel der Natur und der
Menschen ihn wieder fühlen? –
Nie? – nein – o es wäre zu hart.“
Mit diesen Worten schloss Beet­
hoven die Nachschrift zu jenem
Brief an seine Brüder, der als
„Heiligenstädter Testament“ in
die Geschichte einging. 1802 weilte er zur Kur in dem damaligen
Badeort am Donaukanal, doch statt zu genesen, wurde für ihn die
drohende Taubheit zur Gewissheit. Im Spannungsfeld zwischen
dem tragischen Sommer 1802 und viel glücklicheren Tagen „im
Tempel der Natur“ bewegt sich diese Beethoven-SOAP.
William Pether (ca. 1738–1821), Ein Philosoph gibt eine Vorlesung am Tischplanetarium, Foto: N. Lackner/UMJ
Die Schwarze Kunst
Meisterwerke der Schabkunst
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