Groß im Kommen - neue
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SCHÜTTGUTTECHNIK Groß im Kommen Siegeszug der Big-bags ist nicht aufzuhalten TRENDBERICHT BIG-BAGS Bild: Azo Big-bags erfreuen sich in der Chemie, aber auch in Pharmaunternehmen großer Beliebtheit und verdrängen mehr und mehr die Sackware. Automatische Befüllsysteme, staubdichtes Arbeiten sowie das Dosieren direkt aus dem Großpackmittel sind derzeit die Entwicklungsschwerpunkte von Sackund Anlagenherstellern. Und auch Mehrwegsysteme sind für Big-bags inzwischen ein immer interessanter werdendes Thema. 1: Big-bags bedeuten reduzierte Personalkosten, vereinfachtes Handling, weniger Verpackungsmüll 56 Auf dem europäischen Festland haben Bigbags erst vor rund zwanzig Jahren Einzug gehalten, während sie auf der britischen Insel schon viel früher etabliert waren. Doch seit rund fünf Jahren ist ihr Siegeszug auch hier zu Lande nicht aufzuhalten. Wichtigster Grund: Big-bags bieten ein Höchstmaß an Flexibilität. „Der Einsatz von Big-bags ist außerordentlich effizient; Sackware verursacht wesentlich mehr Arbeitsaufwand. Schon aus diesem Grund hat ihr Marktanteil seit einigen Jahren deutlich zugenommen“, so Walter Sonntag, Marketingleiter bei Azo. Weitere Kriterien nennt Gerhard Böhner, technischer Leiter bei SST Schüttguttechnik: „Insbesondere schlecht fließende Produkte lassen sich in Big-bags besser handeln. In der Feinchemie geht der Trend beispielsweise zu Produkten mit einer Korngröße von 100 µm und weniger, aber mit der entsprechenden Austragshilfe ist die Entleerung kein Problem“. Schon bei relativ geringen Umschlag- mengen von 100 l/Tag kann der Einsatz eines Big-bags interessant sein. Druck vom Anwender Der Big-bag hat sich heute in allen Bereichen der Schüttgutindustrie mehr oder weniger durchgesetzt – zumindest bei den Anwendern. Nicht so bei den Rohstoffproduzenten: „Für die Hersteller ist der Big-bag nach wie vor teuerer als der Sack“, so Michael Rieger, Geschäftsführer von ICP Industrieanlagen. Warum? „Die Abfüllung in Säcke geschieht automatisch, selbst für mehrere Sackanlagen ist nur ein einziger Bediener notwendig. Bei Big-bag-Abfüllanlagen hingegen braucht man für jede einzelne Station einen Mitarbeiter, denn das geht nach wie vor nicht vollautomatisch, und daran wird sich auch in absehbarer Zeit nichts ändern.“ Problem der Sackware: Der Verlust durch verbleibende Produktreste schlägt mit rund 3% zu Buche. „Dies hoch gerechnet ergibt eine gigantische Menge. Beim Big-bag bleiben auch 3 bis 4 % zurück, aber das ist eben nur ein Bruchteil im Vergleich zu Einzelsäcken“, erklärt Rieger. Günther Hecht, Geschäftsführer von Hecht Anlagenbau, sieht auf der Befüllseite hingegen den Trend zu einem stärkeren Automatisierungsgrad: „Bedingt durch Leistungssteigerungen und unter dem Kostenfaktor werden viele Unternehmen in den kommenden Jahren ihre alten Abfüllanlagen modernisieren; da ist derzeit einiges in Bewegung.“ Während beim Befüllen der Sack eindeutig Pluspunkte verzeichnet, ist es beim Entleeren der Big-bag. Bei Säcken ist der Bediener pausenlos mit Nachfüllen beschäftigt, bei Bigbags dagegen können durchaus mit dem gleichen Personalaufwand vier bis fünf Bigbag-Stationen parallel bearbeitet werden. CHEMIE TECHNIK, 31. Jahrgang, Nr. 12 Service Azo CT 602 Boxon Emde CT 603 CT 604 GEL Verfahrenstechnik CT 605 Hecht Anlagenbau CT 606 ICP Industrieanlagen CT 607 SST Schüttguttechnik CT 608 CT 609 WAM Staubproblem noch nicht ganz gelöst Wachstumspotenzial für Big-bags bietet derzeit noch die Pharmaindustrie. Allerdings sind, was die Toxizität der Inhaltsstoffe angeht, dem Big-bag Grenzen gesetzt. Hoch toxische Produkte, bei denen überhaupt keine Berührung mehr stattfinden darf, müssen in geschlossenen Systemen transportiert werden. Dies ist bei Big-bag-Befüll- und -Entleeranlagen heute noch nicht möglich, weil es in diesem Bereich noch keine vollautomatischen Anlagen gibt. Außerdem besteht ein logistisches Problem. „Das fängt schon bei der Zulassung für den Straßenverkehr an. Ob CHEMIE TECHNIK, 31. Jahrgang, Nr. 12 dieses flexible Packmittel jemals dafür eingesetzt werden kann, ist fraglich,“ bezweifelt Hansjürg Emde, Vertriebsleiter bei Emde. Spätestens bei Gefahrstoffen wird die Staubdichtigkeit zum Thema. Der Big-bag kann selbst für feinste Materialien staubdicht gemacht werden, indem in die Nähte spezielle, möglichst weiche Filz-Dichtungsbänder eingearbeitet werden. In aller Regel wird das Großpackmittel auf die besonderen Anforderungen des Produktes abgestimmt: Dieäußere Hülle wird beispielsweise aus einem stabilen Material gefertigt, eine Innenbeschichtung oder ein Inliner bildet eine zweite Schutzschicht. Die Dichtheit der Nähte bestätigt auch Johannes Gerken, Einkaufsleiter bei Stalo Chemicals, wobei er allerdings von „100 % dicht“ nicht sprechen möchte. „Es kommt immer mal vor, dass Feinstaub durchdringt, aber das ist wirklich die Ausnahme.“ Aber wie sieht es mit Staubentwicklung beim Entleeren aus? Der Hersteller WAM mindert dieses Problem mit einer Gummischeibe, die sich anschmiegt, in Kombination mit einem Atmungsfilter oder einer Aspiration zur Absaugung. Damit ist eine weitgehende Staubdichtigkeit gewährleistet. „Es kommt aber immer auf den Bediener an; Bild: WAM KOMPAKT 2: Big-bags: Große Gebinde bieten große Vorteile wenn dieser nicht akkurat arbeitet, kann von Staubdichtigkeit natürlich keine Rede sein“, erklärt Senad Sarenkapa, Marketingleiter bei WAM. Dies bestätigt auch Willi Weidmann, Geschäftsbereichsleiter Vital bei Azo: „Selbst mit der besten Anlagentechnik gibt es keine 100%ige Staubdichtigkeit. Um die Staubentwicklung zu verringern, kann der Big-bag noch im angedockten Zustand eva- 57 Bild: Hecht Anlagenbau SCHÜTTGUTTECHNIK 3: Auslaufanschlusssystem zum staubarmen Andocken kuiert werden.“ Emde zufolge besteht hier jedoch noch Entwicklungsbedarf: „Es gibt zwar spezielle Andocksysteme des Auslaufschlauchs, wie etwa einen Innen-Blähschlauch. Jedoch ist das Problem, kontaminationsfrei anzudocken und staubfrei zu entleeren, noch nicht ganz gelöst.“ Auch die Powtech in Nürnberg zeigte, dass hier noch Entwicklungsbedarf und -potenzial bei der Anlagentechnik besteht. TRENDBERICHT BIG-BAGS Was tun, wenn's klemmt? Gut fließende Produkte lassen sich relativ problemlos aus dem Big-bag entleeren, zumal wenn entsprechende Austragshilfen eingesetzt werden. Neben dem Einsatz von Klopfern oder Paddeln hilft es oft schon, den Big-bag zu strecken, so dass sich ein konischer Boden bildet. Bei formstabilen Bigbags erreicht man bessere Fließeigenschaften, wenn man die Verstrebungen nicht ganz bis zum Boden führt. Durch die entsprechende Anlagentechnik sind Big-bags heute weitestgehend restentleerbar. Problematisch ist auch eine Teilentnahme. Einen einmal geöffneten Big-bag kann man nur unter großen Schwierigkeiten wieder sauber zubinden. Dieses Problem hat GEL Verfahrenstechnik mit der Big-bag-Auslaufverschlussklemme, die zur diesjährigen Powtech vorgestellt wurde, gelöst. Sie ist für Auslaufstutzen von 200 bis 500 mm geeignet, ihre Schließkräfte lassen sich variabel einstellen. Für mehrere Stationen benötigt man lediglich ein Gerät. Eine Einrichtung zum Wiederverschließen ist auch bei WAM in der Entwicklung. Aber selbst gut fließende Produkte stocken, wenn sie zu lange im Big-bag bleiben und 58 sich dadurch verdichten. Auch kommt es immer wieder vor, dass selbst kräftige Walkeinrichtungen versagen. Diese Gefahr ist bei hygroskopischen Produkten gegeben, vor allem dann, wenn sie in Big-bags ohne Inliner abgefüllt und falsch gelagert wurden. „Solche Inliner können aus herkömmlicher PEFolie, Spezialfolie bis hin zum Aluminiumverbund bestehen“, weiß Big-bag-Hersteller Grüters. Ist das versäumt worden, weiß der Anwender häufig keinen anderen Rat als die brachiale Methode: Der Big-bag wird auf den Boden fallen gelassen oder mit einem Gabelstapler gerammt. In der Regel übersteht das Packmittel diese Behandlung schadlos, doch besteht dann oft immer noch das Problem, dass die Klumpen nicht durch den Auslaufschlauch passen. Stalo Chemicals hat eigens eine Vorrichtung für den Stapler anfertigen lassen, mit der der Bigbag im Notfall bearbeitet werden kann. Von dieser Gewaltkur hält Günther Hecht wenig: „Es ist heute möglich, auch schwerstfließende Produkte, selbst wenn sie sich im Big-bag zu einem Monolithen verfestigt haben, auszutragen. Hier helfen entsprechende höhenverstellbare Presseinrichtungen, mit denen man den Big-bag auch drehen kann, das Produkt aufzulockern und zum Ausfließen zu bringen.“ In den Augen von Gerken sind solche Presseinrichtungen jedoch zu aufwändig, sprich zu teuer. Von Brachialgewalt hält auch Azo-Mitarbeiter Weidmann nichts; bei permanenten Problemen mit Verklumpung würde er sogar vom Einsatz eines Big-bags absehen. Mit der Entleerung alleine ist es nicht getan. In aller Regel muss auch dosiert werden. Auf Grund des ungleichmäßigen Auslaufverhaltens geht dies in der Regel nicht direkt, son- dern dazwischen sind geschaltete Dosierorgane nötig. Und diese bedeuten immer zusätzlichen Aufwand. Hier besteht noch Entwicklungsbedarf. Standardisierung möglich? Viele Produkte erfordern es, sowohl Big-bag selbst als auch Befüll- und Entleerstation quasi wie einen Maßanzug auf sie abzustimmen. Hier sieht Oliver Grüters noch Handlungsbedarf: „Wenn man plant, Big-bags einzusetzen, sollten sich Kunde und Anbieter zusammensetzen. In der Praxis kommt es immer noch vor, dass Kunden falsche Bigbags einsetzen, die weder zum Produkt noch zu der Logistik passen. Die Schwierigkeiten, die dann zwangsläufig auftauchen, können vermieden werden.“ In der chemischen Industrie ist eine Standardisierung auf Grund der vielfältigen Ansprüche der Produkte nur im begrenzten Umfang möglich. Big-bag-Anwender Gerken: „Unsere Big-bags haben eine UN-Zulassung, die sie auch brauchen. Im Gefahrstoffbereich müssen unbedingt die Vorschriften eingehalten werden.“ Günther Hecht: „Es gibt zwar eine Norm, nach der Big-bags gefertigt werden, aber auch eine sehr große Grauzone, wo Big-bags in allen möglichen Ausführungen gefertigt werden.“ Zumindest bei den Abmessungen, zum Beispiel dem Bodenmaß, scheinen sich bestimmte Standards etabliert zu haben. Dennoch gibt es Fallstricke: „Probleme treten beispielsweisedann auf, wenn der Kunde das Big-bag-StandardBodenmaß 90x90 hat, dies jedoch nicht seinen Palettenmaßen entspricht“, weiß Oliver Grüters. Eine Standardisierung zumindest für eine gewisse Anzahl Big-bags wünscht sich auch Hansjürg Emde: „Es wäre schon sinnvoll, wenn sich Big-bag-Hersteller in Absprache mit dem Anlagenbauer hinsichtlich Befüllung und Entleerung auf bestimmte Standards einstellen würden.“ Einweg oder Mehrweg? Die Definition, ob Einweg- oder MehrwegBig-bag, scheint bei Big-bags nicht so einfach. Grundsätzlich ist sie über den Sicherheitsfaktor geregelt. Dass ein Big-bag, der zum Auslaufen aufgeschnitten wird, nur einmal verwendet werden kann, ist klar. Aber häufig wird auch ein Big-bag mit einem Schlauchauslauf, der durchaus mehrfach verwendet werden könnte, als Einweg-Bigbag bezeichnet, weil er nur einen Weg macht. Dabei wäre es in vielen Fällen machbar, genau diesen Big-bag zumindest im innerbetrieblichen Transport mehrfach einzusetzen. „Es ist durchaus sinnvoll, mit dem Big-bag-Lieferanten ein Mehrwegsystem zu CHEMIE TECHNIK, 31. Jahrgang, Nr. 12 SCHÜTTGUTTECHNIK NACHGEHAKT Noch Entwicklungspotenzial vorhanden Big-bag-Hersteller und Anlagenbauer im Gespräch: Oliver Grüters, Boxon, Hansjürg Emde, Emde Industrietechnik und Günther Hecht, Hecht Anlagenbau TRENDBERICHT BIG-BAGS Günther Hecht: „Nachholbedarf für Big-bags sehe ich vor allem in der Pharmaindustrie“ CT: Wird die Verbreitung von Big-bags im gleichen Tempo weitergehen wie in den letzten Jahren? Grüters: Der Big-bag ist die optimale Lösung für den, der keine kleine Verpackung und keine großen Silos will. Es ist immer noch ein klarer Wachstumsmarkt. Hecht: Ich denke, dass der Marktanteil nicht mehr wesentlich wachsen wird. Es wird bestimmte Bereiche geben, in denen der Big-bag noch zusätzlich eingesetzt werden kann, aber die großen Wachstumsraten wie in den vergangenen Jahren werden wir nicht mehr haben. Nachholbedarf sehe ich noch in der Pharmaindustrie. entwickeln, so dass man eine Gesamtlösung aus einer Hand hat, also neue Big-bags bringen, alte abholen, anschließend reinigen, eventuell Inliner einziehen und wieder abliefern. Ich denke, das wird zukünftig verstärkt gemacht werden,“ meint Oliver Grüters. Bei Paulaner in München wird das Mehrweg- 60 Oliver Grüters: „Bigbag-Mehrwegsysteme werden in Zukunft sicher an Bedeutung gewinnen“ CT: Wo sehen Sie beim Big-bag-Handling noch Entwicklungspotenzial? Hecht: Die Entwicklung ist in allen Richtungen sehr weit gegangen, sowohl beim Bigbag selbst als auch bei der Befüll- und Entleerstation. Detaillösung und -verbesserungen sind sicher überall noch denkbar. Staubarmut beim Entleeren hat man heute ziemlich im Griff. Aber nicht nur die Entleerung als solche soll staubfrei sein, sondern auch der leere Big-bag muss staubfrei entsorgt sein genauso wie der Auslaufstutzen, der ja immer etwas mit Staub behaftet ist. Grüters: Auch bei Big-bags ist Einweg oder Mehrweg ein Thema. Ich könnte mir vorstellen, dass Mehrwegsysteme in Zukunft an Bedeutung gewinnen werden; zum einen ist es in vielen Fällen durchaus machbar und sinnvoll, sie zu realisieren, zum anderen wird das Thema Müllverwertung und Müllentsorgung immer wichtiger. Emde: Handlungs- und Entwicklungspotenzial sehe ich vor allem noch in Rich- Hansjürg Emde: „Handlungs- und Entwicklungspotenzial besteht vor allem noch in Richtung staubfreie Entleerung“ system bereits erfolgreich praktiziert. Der leere Big-bag wird mit einem Staubsauger evakuiert, zusammengefaltet und in Folie eingeschweißt, um ihn vor Umwelteinflüssen zu schützen. Der Lieferant führt in bestimmten Abständen Geruchsproben und mikrobiologische Tests durch. Bis zu zehn tung staubfreie Entleerung. Das ist derzeit noch nicht ausgereift. Und: eine sinnvolle Ausführung für Einschlaufensäcke. Es ist nach wie vor sehr schwierig, einen solchen Sack mit einem Greifmittel bei einer Befüllstation anzufassen und eine sinnvolle Andocktechnik zur staubfreien Befüllung anzubringen. CT: Was können Sie zum Thema Standardisierung bzw. Normung bei Big-bags sagen? Emde: Da liegt noch vieles im Argen. Es gibt zwar eine Norm, aber die wird oft ignoriert. Für Standardprodukte, die keine Sonderausführung verlangen, sollte auch eine Standardausführung reichen. Das gilt auch für Befüllung und Entleerung. Es wäre interessant, wenn man in dieser Richtung etwas tun würde. Argumentiert wird bei Sonderlösungen meist: „Wenn es in der Vergangenheit möglich war, warum soll es in Zukunft nicht mehr funktionieren...?“ Hecht: Standardausführungen und Sonderlösungen sind etwa gleich stark im Markt verbreitet. Sicher werden sich Standards stärker durchsetzen, aber Sonderlösungen werden nie verschwinden. Grüters: Es gibt ganz klar eine Normung für Big-bags. Ein Big-bag muss bestimmte Regeln erfüllen, und er muss einer Norm entsprechen. Bestimmte Bodenmaße zum Beispiel haben sich als Standard in manchen Bereichen durchgesetzt. Mal kann ein Big-bag hin und her gehen. Dazu Andreas Höflinger, Leiter Filtration bei Paulaner: „Schwachstelle ist eindeutig die Naht – durch das Heben an den Schlaufen öffnen sich allmählich die Nähte. Aber das ist der einzige Punkt, ansonsten sind wir mit dem System sehr zufrieden.“ [Li.] CHEMIE TECHNIK, 31. Jahrgang, Nr. 12