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Predigt über Johannes 19, Vers 16-30 am Karfreitag 2009 in Bruckmühl und Feldkirchen: Da überantwortete Pilatus ihnen Jesus, daß ER gekreuzigt würde. Sie nahmen IHN aber, und ER trug SEIN Kreuz und ging hinaus zur Stätte, die da heißt Schädelstätte, auf hebräisch Golgatha. Dort kreuzigten sie IHN und mit IHM zwei andere zu beiden Seiten, Jesus aber in der Mitte. Pilatus aber schrieb eine Aufschrift und setzte sie auf das Kreuz; und es war geschrieben: „Jesus von Nazareth, der König der Juden.“ Diese Aufschrift lasen viele Juden, denn die Stätte, wo Jesus gekreuzigt wurde, war nahe bei der Stadt. Und es war geschrieben in hebräischer, lateinischer und griechischer Sprache. Da sprachen die Hohenpriester der Juden zu Pilatus: „Schreib nicht: Der König der Juden, sondern, daß ER gesagt hat: ICH bin der König der Juden.“ – Pilatus antwortete: „Was ich geschrieben habe, das habe ich geschrieben.“ Als aber die Soldaten Jesus gekreuzigt hatten, nahmen sie SEINE Kleider und machten vier Teile, für jeden Soldaten ein Teil, dazu auch das Gewand. Das war aber ungenäht, von oben an gewebt in einem Stück. Da sprachen sie untereinander: „Laßt uns das nicht zerteilen, sondern darum losen, wem es gehören soll.“ – So sollte die Schrift erfüllt werden, die sagt: »Sie haben MEINE Kleider unter sich geteilt und haben über MEIN Gewand das Los geworfen.« – Das taten die Soldaten. Es standen aber bei dem Kreuz Jesu SEINE Mutter und SEINER Mutter Schwester, Maria, die Frau des Klopas, und Maria von Magdala. Als nun Jesus SEINE Mutter sah und bei ihr den Jünger, den ER liebhatte, spricht ER zu seiner Mutter: „Frau, siehe, das ist dein Sohn!“ – Danach spricht ER zu dem Jünger: „Siehe, das ist deine Mutter!“ – Und von der Stunde an nahm sie der Jünger zu sich. Danach, als Jesus wußte, daß schon alles vollbracht war, spricht ER, damit die Schrift erfüllt würde: „MICH dürstet.“ – Da stand ein Gefäß voll Essig. Sie aber füllten einen Schwamm mit Essig und steckten ihn auf ein Ysoprohr und hielten es IHM an den Mund. Als nun Jesus den Essig genommen hatte, sprach ER: „Es ist vollbracht!“ und neigte das Haupt und verschied. > Seien wir ehrlich: Lieber wäre es uns, wenn die Geschichte anders ausgegangen wäre. Da unterscheiden wir uns in nichts von den Jüngern und anderen Augenzeugen der Kreuzigung wie den Christen der 1. und 2. Generation. Bis Johannes sein Evangelium, das vierte und letzte im Neuen Testament, und in ihm diese Darstellung des Todes Jesu am Kreuz niederschreiben konnte, verging mehr als ein 3/4 Jahrhundert – so gewaltig die Erschütterung, so groß das Entsetzen, so tief Trauer und Schmerz. „Es ist vollbracht!“ überliefert er uns als Jesu letztes Wort, und wir haben, wenn wir es hören, vielleicht die romanischen Kruzifixe vor Augen, wo ein womöglich auch noch mit goldener Königskrone gekrönter Christus am Kreuz mehr steht als hängt und liebevoll segnend SEINE Hände ausbreitet. Bei Markus und Matthäus starb er noch mit einem Schrei der Verzweiflung auf den Lippen. Da begegnet uns einfach nur das nackte Grauen, wie es die Künstler der Gotik zu fassen suchten, wenn sie ihn als furchtbar vor Schmerz in sich verkrümmten Sterbenden abbildeten, je realistischer, desto besser. Noch heute hängt dieser gotische „Schmerzensmann“ in unzähligen Kirchen und Kapellen (bei uns in Hinrichssegen und Hohenfried), in Schulzimmern, Gerichtssälen oder privaten „Herrgottswinkeln“ und prägt unsere Vorstellungen. Nur Lukas überliefert dazu noch das Gebet: „Vater, in Deine Hände befehle ich meinen Geist!“ – ein Zitat aus Psalm 31, ja, was sollte der Jude Jesus denn auch sonst beten? Aber lieber wäre es uns anders, stimmt’s? – Wenn es doch einen allerletzten Ausweg gegeben hätte, wenn SEINE Feinde sich doch bekehrt und IHN laufengelassen hätten, wenn ER sich vielleicht sogar selbst, wie manche es wohl erwarteten, mit Hilfe der himmlischen Heerscharen Gottes aus dem Schlamassel befreit hätte! Das würde auch uns Heutigen dieses furchtbare „Ärgernis“, diesen Skandal, und diese „Torheit“ eines gekreuzigten Erlösers ersparen, von denen Paulus in 1. Kor 1 spricht und die bis heute keinen Millimeter weniger anstößig und verrückt sind als damals – und damit auch den Spott und mitunter sogar Haß unserer nichtchristlichen Umgebung. Denn was die Kirche so alles tut und leistet in unserer Gesellschaft, Diakonie und Caritas, Jugendarbeit und Kirchenmusik, Kindergärten und Altenheime, das finden durchaus viele irgendwie gut und nützlich. Aber kommen Sie ihnen mit dem Gekreuzigten, und der Spaß ist ganz schnell vorbei! Und wir fragen uns, wie Menschen zu allen Zeiten gefragt haben – von den Emmaus-Jüngern auf ihrem nächtlichen Weg bis hin zu uns heute: Muß das, mußte das wirklich sein? Wäre es nicht auch anders gegangen, menschlich irgendwie akzeptabler, intellektuell plausibler, leichter vermittelbar, weniger anstößig und blutig und provokativ? Das ganze Neue Testament ist voll von Versuchen, dieses große Rätsel, dieses unaussprechliche „Geheimnis des Glaubens“ in Worte zu fassen und zu bewältigen, das Unerklärliche zu erklären und Antwort zu geben. Da ist vom „Lamm Gottes“ die Rede, „welches der Welt Sünde trägt“, vom „Lösegeld“ und vom „Sühnopfer“, als welches der „Menschensohn“ sein Leben gibt, vom „“Kelch“ des Zorns und vom „Sühnedeckel“, wie er einst in Israel die „Bundeslade“ mit den Steintafeln der 10 Gebote in der Stiftshütte und später im Tempel bedeckte, vom Hohenpriester, der einmal im Jahr, am „Jom Kippur“, dem Versöhnungstag, im Allerheiligsten vor Gott trat, vom Vorhang im Tempel, der bei Jesu Tod von oben bis unten entzweiriß, vom leidenden Gottesknecht, von Stellvertretung und Hingabe und und und.... Das Ärgernis bleibt dennoch! Mit der Opfer-Religion und einem blutenden Mann am Kreuz habe er so seine Schwierigkeiten, bekannte unlängst wieder einmal der sogenannte Fernsehpfarrer Jürgen Fliege und sprach damit sicherlich für viele. Ja, wer hat die nicht? – Der müßte ja ein Herz aus Stein haben oder ganz krank im Kopf sein. Aber auch vom Wegschauen und Verschweigen oder unter-den-Teppich-kehren verschwindet das Ärgernis nicht. Selbst wenn es tatsächlich „einfach“ nur ein bedauerlicher Irrtum, ein Fehlurteil, ein ruchloser Justizmord gewesen wäre: Wie konnte Gott so etwas zulassen? Also noch einmal: Warum mußte Christus sterben? Warum mußte ER so sterben? Und was bitteschön soll das heißen: „Für uns!“? – Da spukt in vielen Köpfen noch immer die verkürzte Version der sogenannten „Satisfaktionslehre“ des Anselm von Canterbury aus dem 11. Jahrhundert herum, der versucht hatte, seinen noch kaum wirklich christianisierten germanischen Zeitgenossen die Sache so zu erklären, daß durch das Blutopfer Christi die Ehre Gottes habe wiederhergestellt und der Zorn Gottes habe gestillt werden müssen, um die sündige Menschheit vor der verdienten Strafe zu bewahren. Anselm fügte auf der Stelle hinzu, Gott habe dieses Opfer in Christus aus Liebe zu uns Menschen schließlich selbst erbracht. Aber das hörten und hören bis heute die Allermeisten schon gar nicht mehr, weil ihre innere „Empörungsklappe“ da nämlich schon zugefallen ist. Und so kam es und kommt es immer wieder zu der irrsinnigen Vorstellung eines blutrünstigen Molochs, der Menschenopfer fordert, ja, der SEIN eigenes Kind schlachten läßt, nur um SEINE finsteren Rachegelüste zu befriedigen. Biblisch ist das nicht. Biblisch ist das „Für uns!“, das schon, aber von einem blutrünstigen Moloch ist da nicht die Rede. Warum also dann mußte Christus sterben? Und warum mußte ER so sterben, nicht friedlich im Bett, sondern so, so grausam, schreiend und blutend, am Kreuz, diesem den allerschlimmsten und verabscheuungswürdigsten Verbrechern vorbehaltenen römischen Hinrichtungsinstrument? Warum? • Vielleicht weil Gott, als ER an Weihnachten Mensch wurde, sich nicht auf eine komfortable SchickimickiTour begeben, sondern sich wirklich auf diese Welt mit all ihrer buchstäblich zum Himmel schreienden Ungerechtigkeit und Gewalt, ihrer ganzen Bosheit und Gemeinheit, ihrer abgrundtiefen Verlogenheit, Verlorenheit und Zerrissenheit, eingelassen hatte? • Weil es keinen Menschen mehr geben sollte, wie arm und elend, schutzlos und ausgeliefert, mißhandelt und vergewaltigt auch immer, der hätte sagen können: „Hier unten in meinem Elend, in meinem Schmerz, in meinem Tod, hier unten ist Gott nicht!“? • Weil ER ganz einfach dasselbe Schicksal durchlitt, das so oder so ähnlich unzählige Menschen damals und heute auf dieser Erde durchlitten haben und durchleiden müssen? Weil das ganz einfach die unausweichliche Konsequenz aus SEINER Menschwerdung war wie umgekehrt SEINE Menschwerdung die Voraussetzung für dieses Werk der Liebe? • Weil angeblich totale Liebe, die nicht durchhält und festbleibt, die nicht bis zum bitteren Ende mitgeht, sich aus dem Staub macht, wenn es hart auf hart kommt und das Leben kostet, nichts wert ist? • Weil es einfach Dinge im Leben gibt – Mensch, das kennen wir doch schon aus unserem Alltag – die man nicht mal eben locker vom Hocker mit einem schnell dahingesagten „Schwamm drüber!“ oder „Tschuldigung!“ aus der Welt schaffen kann? • Weil die Kluft zwischen Schöpfer und Schöpfung durch den millionenfachen Sündenfall des Menschen für eine „schmerzfreie“ und „leichte“ Lösung viel zu gewaltig ist, so daß es uns wahnsinnig schwer fällt, Gott SEINE Liebe und SEIN Erbarmen zu glauben, weil wir erfüllt sind vom Mißtrauen IHM gegenüber und Gott eher auf die Anklagebank moderner Humanität oder politischer Korrektheit setzen, als auf die Knie zu fallen und zu sagen: „Herr, ich danke Dir!“? • Oder weil endlich EINER diesen furchtbaren Teufelskreis der Sünde als persönliche Schuld und überpersönliches Schicksal durchbrechen und SEIN eigenes Leben geben mußte, um wirkliche Versöhnung und einen wirklichen Neuanfang zu ermöglichen? Und weil dieser EINE nur ER sein konnte? Oder alles zusammen und noch viel mehr? „Es ist vollbracht!“ – Das ist der entscheidende Punkt. Das meint nicht: „Es ist geschafft!“ im Sinne von „Endlich habe ich’s hinter mir!“, sondern vollbracht ist das Werk der Erlösung und Versöhnung! „Gott war in Christus und versöhnte die Welt mit sich selber und rechnete ihnen ihre Sünden nicht zu!“ – So wird ein Schuh daraus. Liebe, lauter Liebe, totale Liebe! Wir müssen nur noch Ja sagen. – AMEN!