ME/CFS bei Kindern und
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ME/CFS bei Kindern und
Myalgische Enzephalomyelitis / Myalgische Enzephalopathie Ch ron isches Erschöpfungssyndrom ME/CFS bei Kindern und Nr. I ("Childhood ME") Schriftenreihe Informationen, Konzepte und Erfahrungen Förderverein für CFS/CFIDS/ME - Erkrankte, Ch ron isches Erschöpfu ngssynd rom Impressum: Herausgeber: Fönderverein für CFS/CFIDS/ME - Erkrankte, Ch ron isches Erschöpfu ngssynd rom Fatigatio e.V. - Büro Berlin Goethestr. 26 - 30 10625 Berlin Tel": 030 - 310 1B 89 - 0 Fax. CI30 * 310 18 Bg - 20 Hmail: [email protected] Fatigatio e.V. - Büro Bonn Postfach 41A 261 53024 Bonn Tel.:0228 Fax:0228 - 660 233 660 687 Homepage : www.fatigatio. de Bonn 2001 Den Druck unterstützte die "Selbsthilfe - Fördergemeinschaft der Ersatzkassen", ein Zusammenschluss von Techniker Krankenkasse, Kaufmännische Krankenkasse - KKH. Hamburger-Mtinchener Krankenkasse, HEK - Hanseatische Krankenkasse, HZK - Krankenkasse für Bau- und Holzberufe, Brühler Krankenkasse Solingen, Buchdrucker-Krankenkasse Hannover, Krankenkasse Eintracht Heusenstamm. An der Übersetzung waren beteiligt: Margaret Brändle, Regine Clos, Petra Dönselmann im Sande, Urte Fechner, Anne Fink, Christine Haida, Wendy Lunnon, Marlies Zurhorst Layout: Ulrich Kern Koordination: Petra Dönselmann im Sande, Anne Fink Wir danken allen Beteiligten für ihre Unterstützung! Sch riften rei he I nformationen, Konzepte, Nr. 1 Nr. Nr. 2 3 Nr. Nr. Nr. Nr. 4 5 6 7 Nr. Nr. 8 9 E rfah ru ngen : Das Chronic Fatigue Syndrome: Informationen zum Chronischen Erschöpfungssyndrom (CFS) "Die Balance halten trotz CFS" Erstinformation zum Chronischen Erschöpfungssyndrom (geplant) Leben mit CFS Anästhesie bei Patienten mit CFS 'Alles (nur) psychisch?" 2. Weltkongress zum CFS und verwandten Erkrankungen (Sept. 1999). Zusammenfassung der Beiträge Chronic Fatigue Syndrome (CFS): Ein Überblick mit Hinweisen zur Labordiagnostik ME/CFS bei Kindern und Jugendlichen. ME/CFS bei Kindern und Jugendlichen Bericht einer unabhängigen Beratergruppe Herausgegeben von Dr. Anne Maclntyre Dieses Dokument ist Teil des Materials, das von einer Arbeitsgruppe des britischen Gesundheitsministeriums als "work in progress" veröffentlicht wurde. Autoren: Jane Colby Grundschuldirektorin a. D., Autorin, Kinderbeauftragte von'Action for ME" und "Tymes Trust" Dr. Alan Franklin Kinderarzt, pädiatrischer Berater der iviE Association" Dr. Anne Maclntyre Arztin, Medizinischer Beirat der "ME Association" Dr. Lynn Michell Schu psycholog i n, frühere Forsch u ngssoziolog in, I Mutter von CFS-kranken Söhnen Jill Moss Direktorin der "Association of Youth with ME" Jacqueline Siner Schulpsychologin Dr. Nigel Speight Kinderarzt, Medizinischer Beirat von 'Association of Youth with ME", pädiatrischer Berater der "ME Association" Die Autoren danken für die fachliche Unterstützung von: Dr. Elizabeth Dowsett, Mikrobiologin, South Essex Health Trust Dr. David Bell, Pädiater, Mass., USA Dr. Jenny Altschuler, Klinischer Psychologe und Familien-Psychotherapeut, Tavistock Clinic, London Ghristine Eiser, Direktorin der "CRC child and family research group", Psychologisches lnstitut, Universität Exeter Stand: Februar 1999 Januar 2002 Bericht der Gesundheitsbehörde bringt Durchbruch in Großbritannien: ME/GFS als Krankheit anerkannt ! 150.000 Menschen sind Schätzungen zufolge in Großbritannien an ME/CFS erkrankt. Die Patienten leiden u. a. unter schwerer Erschöpfung, Muskel- und Gelenkschmezen, neurologischen Symptomen und Schlafstörungen. Auch in England hat es erhebliche Kontroversen um das Krankheitsbild gegeben, dessen Existenz sogar von einigen Azten angezweifelt wurde. Das hat sich nun geändert: Zum Zeitpunkt der Drucklegung dieser Broschüre veröffentlichte die unabhängige Arbeitsgruppe des "Chief Medical Officers" (CMO) (d.i. die oberste britische Gesundheitsbehörde) einen umfangreichen Leitfaden zum Thema ME/CFS. Diese chronische Erkrankung erfährt damit in Großbritannien endlich Anerkennung. Das Arbeitspapier der Experten fordert die behandelnden Hausärzte auf, den Erkrankten besonderes Verständnis und Unterstützung entgegen zu bringen. Dies gilt insbesondere für Kinder, bei denen ME/CFS ein gravierendes Problem darstellt und deren Schulbildung nun sicher zu stellen ist. Obwohl Teile des CMO-Reports wegen der positiven Wertung von Übungen zur Steigerung der körperlichen Leistungsfähigkeit und kognitiver Verhaltenstherapie unter den Mitgliedern der Arbeitsgruppe nicht unumstritten sind, feiern ihn die britischen Selbsthilfeorganisationen als "wichtigen Durchbruch", ciem allerdings weitere Schritte und Forschungen folgen müssen. Sogar Premierminister Tony Blair würdigte die Erkrankung vor dem Unterhaus und sagte Forschungsgelder zu. Der Chief Medical Officer Prof. Liam Donaldson fasste das Ergebnis nach rund vierjähriger Arbeit mit folgenden Worten zusammen: "Bis heute war ME/CFS eine Krankheit in der Grauzone. Betroffene wurden ignoriert, nicht immer ernst genommen, teilweise als Hypochonder. abgestempelt, aufgefordert, sich zusammenzureißen und letztendlich sich selbst überlassen. Vom heutigen Tage ab wird sich das ändern!" Von einer solchen Anerkennung durch offizielle Stellen sind wir in Deutschland weit entfernt. Mit der Broschüre "ME/CFS bei Kindern und Jugendlichen" wollen wir mehr Akzeptanz der Erkrankung und bessere Unterstützung der Erkrankten erreichen. Die Autoren unserer Broschüre sind Mitglieder der CMO-Arbeitsgruppe, und das englische Original "Childhood ME" entstand im Zusammenhang mit ihrer Arbeit für den Bericht. Anne Fink Den vollständigen CMO-Report können Sie als pdf-File (ca. 100 Seiten) im Internet lesen oder herunterladen. S ie f nden h n u nte r http ://www. doh. gov.uVcmo/cfsmereport/ i i "ME/CFS bei Kindern und Jugendlichen" Fatigatio e.V. lnhalt Vorwort 1. Einführung 2. Medizinische Aspekte 2.1 2.2 2.3 2.4 2.5 3. 7 Klinische Vorstellung und Diagnose 8 NeurokognitiveundpsychologischeStörungen 12 Der Umgang mit der Erkrankung Epidemiologie 13 Prognose 19 18 Aspekte in Schule und Ausbildung 3.1 3.2 3.3 3.4 3.5 3.6 3.7 3.8 3.9 3.10 3.11 3.12 Einführung 20 Bildungsziele 21 Auswirkungen von ME/CFS auf die kognitiven Funktionen Auswirkungen auf die körperliche Leistungsfähigkeit 21 Auswirkungen auf den Schulbesuch BesonderepädagogischeBedürfnisse 21 21 22 Das Unterrichten vom Schülern mit ME/CFS Gesundung und Bildung als Einheit 22 Soziale Kontakte 24 Die Wichtigkeit eines interdisziplinären Ansatzes 24 23 Schulverordnungen tl Prüfungen und Examina 24 4. Soziale Aspekte 4.1. 4.2. 5. 25 25 Pflege und Betreuung 5.1. 5.2. 6. Staatliche Hilfen Nichtstaatliche Unterstützungsangebote Häusliche Pflege 29 Stationäre Betreuung 29 Zusammenfassung 30 Anhang A: Fallstudien 32 Anhang B: tI Anhang G: Diagnosekriterien 35 Literaturliste 36 Selbsthilfeorganisationen i n G roßbritannien I Literatu rempfehlun gen Ergänzende Hinweise für junge CFS-Patienten in Deutschland 39 43 Hinweis / Aufruf 46 Seite 5 @ "ME/CFS bei Kindern und Jugendlichen" Fatigatio e.V. Vorwort Dr. Heike Schünemann, Kinderärztin lhren größten Wunsch im Umgang mit dem Chronischen Erschöpfungssyndrom, das in England auch als ME (= Myalgische Enzephalomyelitis) bezeichnet wird, benennen betroffene Jugendliche selber so: "Wir brauchen dringend Informationsmaterial, um unsere Krankheit unseren Freunden, den Familien, den Arzten und den Lehrern verständlich zu machen." Das ist ein berechtigtes Anliegen bei einer Erkrankung, der oft mit Unkenntnis und Vorurteilen begegnet wird und für die es zudem keine einfachen Heilmittel oder verlässlichen Prognosen gibt. Nicfrt ohne Grund sindwirAzte bei dieser Aufzählung mit erwähnt. Auch in Pädiatriekreisen ist ME/CFS im Kindes- oder Jugendalter hier in Deutschland bisher relativ unbekannt und unerforscht. Die bestehende Unsicherheit erschwert Diagnostik und Therapie dieses außergewöhnlich komplexen Krankheitsbildes. Es fehlen Spezialeinrichtungen zur Behandlung der betroffenen Kinder, wenn diese nicht'mehr, wie im ldealfall, in der häuslichen Umgebung betreut werden können. Einen großen Schritt auf dem richtigen Weg, unseren Patienten mit tieferem Verständnis zu begegnen und ihnen effektiver helfen zu können, vollbringt die vorliegende Arbeit. Umfassend und hervorragend recherchiert erhalten wir Einblick in den medizinischen Bereich. Wir erfahren auch, wie eine mögliche Fortführung der Ausbildung oder die Beibehaltung der sozialen Einbindung unserer Patienten aussehen kann. lmmer wieder wird uns ans Herz gelegt, die betroffenen Kinder weder zu über- noch zu unterfordern, denn beides führt zu ungewollten Rückschritten. In zwei eindrucksvollen Fallstudien am Ende des Berichts nimmt die Krankheit Gestalt an und wird konkret vorstellbar. Ein Dankeschön an Dr. Anne Macintyre, Jane Colby und ihre Mitarbeiter für ihr Engagement! Dank auch an die Übersetzer, die es möglich gemacht haben, dass diese Arbeit nun auch in deutscher Sprache Verbreitung findet! Seite 6 @ "ME/CFS bei Kindern und Jugendlichen" Fatigatio e.V. 1. Einführung Zur Entstehung dieses Textes und Beobachtungen niedergelassener Kinder- lm September 1994 veröffentlichte die "Task Force on Chronic Fatigue Syndrome I PostViral behandelt haben. tis" Viele Namen für eine Erkrankung ärzte, die viele junge Fatigue Syndrome I Myalgic Encephalomyelieine vom britischen Staat eingerichtete Arbeitsgruppe - einen Bericht. Diesem folgte ein Report des "Royal Colleges of Medicine, Psychiatry and General Practice" im Oktober 1996. Quellen: Tyrell, D. Chairman. 1994. Report from the National Task Force on Chronic Fatigue Syndrome (CFS), Posf Viral Fatigue Syndrome (PVFS), Myalgic Encephalomyelitis (ME), West- Eine Erkrankung, deren Merkmale Muskelschmetzen, neurokognitive Störungen und Erschöpfung nach Anstrengung sind, existiert bereits seit Jahrhunderten. lm 20. Jahrhundert sind epidemische Ausbrüche von 1934 bis in die 50er Jahre hinein dokumentiert. Frühere Bezeichnungen waren u.a. "english sweats", care. Royal Medical Colleges. 1996. Chronic Fatigue Syndrome - Report of a Joint Working Group of The Royal Colleges of Physicians, Psychiafnsfs and G eneral Practitioners, Obwohl die Veröffentlichungen jeweils Beiträge zur Situation von erkrankten jungen Menschen enthielten, hat sich gezeigt, dass es Bedarf an weiteren und genaueren Informationen zur Diagnose, zum Umgang mit der Erkrankung und zur Situation in Schule und Ausbildung bei Kindern und Jugendlichen mit ME/CFS gibt. Die folgenden Richtlinien sind von Arzten und Päda- gogen erarbeitet worden, die Erfahrung im Umgang mit den Problemen haben, die diese ME/CFS-Patienten Erkrankung für die Kinder/Jugendlichen und ihre Familien mit sich bringt. ME/CFS wird in den letzten Jahren zunehmend als klinische Einheit akzeptiert. lm Juli 1998 verkündete der Chief Medical Officer Sir Kenneth Calman vor seiner Pensionierung, dass das (britische) Gesundheitsministerium diese Erkrankung anerkennt und eine Arbeitsgruppe etablieren wird, uffi Betroffene zu informieren und zu beraten. Unser Ziel ist es, denjenigen Informationen über die Existenz und Diagnose von ME/CFS bei Kindern und Jugendlichen zur Verfügung zLl stellen, die aufgrund ihres Berufes oder als Familie mit jungen Menschen zu tun haben, die an ME/CFS erkrankt sind. Obwohl in diesen Richtlinien auf bereits existierende Veröffentlichungen hingewiesen wird, stammen die meisten Informationen aus den klinischen Erfahrungen "epidemic neuromyesthenia" und "atypic polio". Der Begriff "myalgic encephalomyelitis" (ME) wurde 1956 in Folge einer weltweiten Serie von Ausbrüchen geprägt (Ramsay, 1985), das Auftreten von ME bei Kindern ist gut dokumentiert. Der Name "Chronic FatiEue Syndrome" (CFS) wurde 1988 in den USA bei der Festlegung von Diagnosekriterien bevozugt. Der Begriff "CFS" wird international von Medizinern in der Forschung benutzt, aber die Erkrankung wird häufig von Patienten und Azten noch als "ME" bezeichnet. Wir sind der Meinung, dass die Bezeichnung "myalgic encephalomyelitis" (oder "encephalopathy") zutreffender als "Chronic Fatigue Syndrome" ist, da sie nicht ausschließlich auf die vorhandene Erschopfung hinweist, sondern eine spezifische Erkrankung mit muskulären und neurologischen Symptomen bezeichnet. In dieser Arbeit werden beide Begriffe verwendet. (Anmerkungen der Übersetzer: ln Deutschland wird das Krankheitsbild, seif es in den 9Oiger Jahren bekannter wurde, a/s "Chronlsches Erschöpfungssyn drom" (CFS) bezeichnet. ME ,sf im deutschsprachigen Raum a/s Name weitgehend unbekannt. Um dieser Situation gerecht zu werden, haben wir in dieser Broschüre die Bezeichnung "MUCFS" gewählt.) Klinische Beobachtungen und Forschungsergebnisse zeigen, dass ME/CFS eine reale, organisch bedingte Erkrankung ist, die sich auf viele Körperorgane (insbesondere das Gehirn) auswirkt. Wie bei neurologischen Störungen (2.8. Gehirntumore oder Multiple Sklerose) ruft Seite 7 /--\. \\\e, \\y Fatigatio e.V. "ME/CFS bei Kindern und Jugendlichen" ME/CFS körperliche und neurokognitive Symp- tome hervor. Die Hirnstörungen verursachen kognitive Probleme sowie Dysfunktionen des vegetativen Nervensystems und emotionale Symptome. Sekundäre psychische Auswirkungen, die sich im Laufe der Erkrankung entwickeln, können dieses Bild wie es bei ch ron ischen E rkran ku ngen auch sonst vorkommt - komplizierter machen. Die meisten Kinderäzte mit Interesse an dieser Erkrankung beobachten, dass Kinder mit ME/CFS bemerkenswert stabil und unanfällig für Krisen sind. Auch bei schwerer und langwieriger Erkrankung zeigen viele kleine Patienten und ihre Familienangehörigen keinerlei psychische Auffälligkeiten. Kinder mit ME/CFS sind aber meistens sehr frustriert, weil sie nicht an normalen Aktivitäten in der Schule oder zuhause teilnehmen können. Der wichtigste Schritt ist zunächst die Diagnosestellung. Die Basis für eine medizinische Behandlung ist die Abklärung der Symptomatik und die daraus folgende Diagnose, gefolgt von einer Aufklärung über die Natur der. Erkrankung, einer an den Symptomen orientierten Behandlung und der Hinzuziehung weiterer professioneller Hilfe. Die meisten Kinder genesefl, vor allem dann, wenn sie emotionale Unterstützung erhalten und sich genügend ausrLrhen dürfen. Bei einigen wenigen Kindern führt ME/CFS jedoch zu einer chronischen Krankheit mit ausgeprägten Behinderungen. Mögliche Schwierigkeiten für jedes Kind mit einer langwierigen Erkrankung ergeben sich u.a. aus Defiziten in der Ausbildung und fehlendem sozialen Kontakt zu Gleichaltrigen. Auf der einen Seite besteht die Notwendigkeit, den Fortgang der Schulbif dung irgendwie sichezustellen, auf der anderen Seite muss rnan dem Kind die Möglichkeit geben, sich zt) erholen, ohne dazu gedränEt zu werden , zu früh in die Schule zurückzukehren oder unrealistische Ziele zu erreichen. Manche Schüler können so schwer erkranken, dass überhaupt keine Form von Unterricht in Betracht kommt. "Keiner, der von drese r Erkrankung betroffen ist oder der Verantwortung für die Pflege ernes erkrankten Familienangehörigen trägt, wird Zweifel daran haben, wie schmenhaft und leidvoll MUCFS ,sf und welche verheerenden Auswirkungen ME/CFS auf die sozialen Beziehungen und das gese//schaftliche Leben haben kann. Dres isf vor allem bei erkrankten Kindern der Fall, bei denen die Auswirkungen auf die sch ulische Laufbahn und das soziale Wohlbefinden besonders katastrophal sind, wenn Kinder und Eltern auf Experten ohne Verständnis treffen. Die Folgen können sich über Jahre hinziehen." (Pheby, 1997) 2. Med iztn ische As pekte "sämtliche Untersuchungsergebnisse normal sind", ohne dass eine richtige Diagnose gestellt worden ist. Wenn Kinder nicht gesund sind, ihre Erkrankung aber weder bestätigt noch diagnostiziert ist, kann diese Diskrepanz sich außerdern darauf auswirken, wie die kranken Kinder sowohl von Familienmitgliedern als auch von Experten behandelt werden. 2.1 Klinisches Erscheinungsbild und Diagnose "Ohne Diagnose gibt es keine vernünftige Behandlung" (Carl Gerhardt, I873) 2.1 "l Die Wichtigkeit der Diagnose Ein Anlass zu großer Besorgnis ist für viele Eltern, bei einem kranken Kind zu erleben, dass 2.1 dessen Erkrankung weder erkannt noch benannt wird. Eltern befurchten, ihr Kind könne an einem bösartigen Leiden erkrankt sein, das vom Arzt übersehen wird, und es ist äußerst frustrierend, wenn man zu hören bekommt, dass Seite .2 D iag nosekriterien Bisher gibt es keine gesonderten DiagnoseKriterien für Kinder und Jugendliche. Die amerikanischen Kriterien für CFS bei Erwachsenen (Fukuda, 1994) wurden vornehmlich I @ Fatigatio e.V. "ME/CFS bei Kindern und Jugendlichent'(( für Forschungszwecke erstellt. Junge Patienten erfüllen die cFs-Kriterien nicht immer, zeigen aber bei ME/CFS ein typisches klinisches Bild. (siehe im Anhang c die Besch reibung von ME durch Ramsey von 1986 und die CDc-Kriterien für CFS von 1994). Einige klinische Merkmale bei Kindern weichen von denen der Erwachsenen ab, besonders bei Kindern unter 10 Jahren. Der Beginn ist bei jungen Kindern häufig schleichend, ihr Verhalten im Alltag variiert mehr, und oft gibt es keine deutlich erkennbare Vorgeschichte eines auslösenden Infekts. Bestimmte Symptome hartnäckige Kopfschmerzen, Bauchschmetzen, Appetitverlust und ÜOelkeit treten bei Kindern häufiger auf. Sobald sich die Erkrankung herausgebildet hat, gibt es keine klinischen Unterschiede zwischen Kindern, bei denen die Erkrankung - meist nach einem akuten fiebrigen Infekt plötzlich aufgetreten ist und denen mit einem schleichenden Beginn, der häufiger bei kleinen Kindern zu beobachten ist. Bei kleinen Kindern ist es schwieriger, die Diagnose zu stellen, da sie nicht in der Lage sind, Symptome wie Erschöpfung und kognitive Probleme zu beschreiben. Eltern und Lehrer müssen Symptome wie Blasswerden oder Erschöpfung beobachten und einschätzen, sowohl innerhalb als auch außerhalb der Schule. lhren Beobachtungen bei Kindern oder Schülern, die sie gut kennen, sollte daher auf jeden Fall Gewicht beigemessen werden. Es ist für das Kind und dessen Familie von vorteil, wenn höchstens 2 - 3 Monate nach Auftreten der Symptome vergehen, bis eine Diagnose feststeht, statt der vorausgesetzten 6 Monate bei Erwachsenen (Royat Cotteges, l ggi). Denn durch ein frühzeitiges Krankheitsmanagement können weitere gesundheitliche Verschlechterungen vermieden werden. 2.1.3 Häufige Symptome und Anzeichen a) Das häufigste Merkmal für die Diagnose von ME/CFS ist anhaltende "fatigue". Treffender als mit Müdigkeit ist sie als Erschöpfung, Asthenie oder Schwäche zu beschreiben, die gewöhnlich nach Anstrengung auftritt. Sie entwickelt sich innerhalb von 3 Tagen nach mäßiger Anstrengung und bessert sich nicht durch Ruhe/Schlaf. Die Erschöpfung gleicht eher orthostatischer Intole ranz t lschwindel oder Schwächegefühl im Stehen) als einfacher Müdigkeit oder Schläfrigkeit. Die Erschöpfung ist körperlich oder geistig, kann ausgeprägt und häufig schwankend sein, und führt zu einer erheblichen Reduzierung der normalen Aktivität. b) Ausgeprägtes unwohlsein, sich "wie vergiftet" fühlen, besonders nach physischer oder geistiger Anstreng u ng. c) Andauernde Kopfschme rzen, die nicht auf Sch merzrn ittel ansprechen. d) störungen im normalen schlafrhythmus; Hypersomnie (erhöhtes Schlafbedürfnis) tritt am Anfang am häufigsten auf und entwickelt sich zu einer Umkehrung der Schlaf-l Wachzeiten oder anderer Form von lnsomnie. e) Neurokognitive Störungen sind fast immer vorhanden (d.h. Einschränkungen bei Aufmerksamkeit, Konzentration und Kurzzeitgedächtnis, Vergesslichkeit bei Namen und Unfähigkeit, Geschriebenes zu verstehen) 2. 0 Sehstörungen (Schmerzen an den Augen, verschwommenes Sehen, besonders beim Lesen), g) Lärm- und Lichtempfindlichkeit 3. h) wiederkehrende Halsschmezen und/oder geschwollene Lymphknoten können bei Kindern irreführend sein, da sie bei fast jedem Infekt auftreten. Lang anhaltende Adenopathie sollte untersucht werden, um TB oder bösartige Geschwulste auszuschließen. i) Muskel- oder Gelenkschmezen, besonders im unteren Rückenbereich und in den unteren Gliedmaßen, j) ÜOetkeit, Bauchschmerzen, Appetiilosigkeit, k) Gleichgewichtsstörungen oder Schwindel bei plötzl ichem Positionswechsel, l) subjektiv veränderte Regulierung der Temperatur (ungewöhnliches Empfinden von Fieber oder Kälte, nächtliches schwitzen) und möglicherweise objektive Umkehrung von Sch lat -lT em peratu r-Rhyth men, m) Blässe im Gesicht, besonders zu Beginn eines ausgeprägten Erschöpfungszustandes (Ramsay, 1986), n) Veränderte Hautempfindlichkeit, Parästhesien (Taubheit, Kribbeln), vorübergehender Hautausschlag, o) Stimmungsschwankungen (Gereiäheit, Wut, Depression, und Frustration), die nicht dem Charakter entsprechen. Ein ausgeprägtes Merkmal von ME/CFS ist die Veränderung der Symptome von einem Tag zum anderen und die Tendenz zu Rückfällen und Phasen der Besserung über Monate Seite 9 @ "ME/CFS bei Kindern und Jugendlichen"" Fatigatio e.V. hinweg. Aber eine Kombination von Schlüsselsymptomen ist bei allen Patienten ähnlich. Die Symptome von Erschöpfung nach Anstrengung, ausgeprägtem Unwohlsein und kognitive Störungen sind gleichbleibend vorhanden. Es ist wichtig, dass Mediziner die Vielzahl von häufig auftretenden Symptomen erkennen, die zusätzich zur "Fatigue" vorhanden sind. f Schwere Fälle von ME/CFS Bei schwereren Formen der Erkrankung bei Kindern und Jugendlichen zeigen sich Symptome wie Schwindel, lang anhaltende Kopfschmerzen, schwere Muskelspasmen um Muskelverkürzungen in den Händen und Füßen entgegen zu wirken, muss teilweise geschient werden -, Zitter' anfälle oder Pseudokrampfanfälle ohne BewLsstseinsverlust, Schluckbeschwerden, Parese oder Paralyse von Gliedmaßen, Reizblase und eine gestörte geistige Wahrnehmung. 2.1.4 Differenziald iag nosen Erkrankungen, die Annlichkeit mit M.HCFS haben, sollten ausgeschlossen werden: a) Anämie (schwere), b) lmmundefekte I Störungen des lmmunsystems (AIDS kann bei kleinen Kindern angeboren sein), c) chronische Infektionen; z.B. TB, Toxoplasmosg, d) Migräne, e) Unterfunktion der Schilddrüse, Hypophysenvo rd e rl a p pe n in s uffi zienz, Ad d i son- Kra n kh e it, f) juvenile chronische Arthritis (Still-Syndrom), g) chronische Nierenerkrankung, h) chronische Hepatitis, i) Morbus Crohn, j) Glutenunverträglichkeit, k) zerebraler Tumor, l) subdurales Hämatom, m) Magersucht, n) chronischer Missbrauch (jeder Art), o) kindliche Depression, p) Somatisierungsstörung, q) Schulangst. Viele dieser Erkrankungen sind selten, aber es kann im Einzelfall sinnvoll sein, sie auszuschliessen. ME/CFS im Vergleich mit Depression, Magersucht, Schulphobie und Somatis ieru n gsstöru n g Es ist wichtig, ME/CFS von einer primären depressiven Erkrankung (die in der Kindheit auftreten kann), von Magersucht oder einem phobischen Angstzustand zu unterscheiden. Primäre Depressionen in der Kindheit sind schwer zu diagnostizieren. Eine schwere Depression kann ats eigenständige biologische Erkrankung auftreten , z.B. zu Beginn einer Psychose. Wenn emotionale Symptome erkennbar sind, ist es wichtig, ihrem Ursprung nachzugehen. Waren sie bereits vorhanden, bevor ME/CFS aufgetreten ist oder fingen sie gleichzeitig an? Entwickelte sich die Depression über einen Zeitraum von Monaten oder Jahren sekundär zu der anhaltenden Erkrankung? Es besteht Unsicherheit darüber, welche Rolle Depressionen bei jungen Patienten mit ME/CFS spielen. Die Familiengeschichte liefert gute Hinweise. Es ist eher unwahrscheinlich, dass ein Kind in einer gut funktionierenden Familie depressiv wird. Es ist wichtig, die innerfamiliäre Kommunikation anzusehen und herauszufinden, welcher Grad an Eigenständigkeit vor Ausbruch der Erkrankung vorhanden war, bevor man eine Depression als Ursache für die Beschwerden des Kindes in Betracht zieht. Aus moderner Sicht werden die meisten depressiven Symptome bei jungen Menschen als mentale Reaktion auf eine zu Grunde liegende chronische organische Erkrankung oder auf schwerwiegende widrige Umständen eingestuft. Viele Kinder und Jugendliche, die an einer chronischen Erkrankung leiden, entwickeln auf Dauer Symptome einer Depression (Koplewicz und K/ass, 1993). Kinder und Heranwachsende entwickeln relativ häufig eine Anorexie sekundär zu ME/CFS. Diese wird für gewöhnlich durch ÜOelkeit und/oder Muskelermüdung ausgelöst, die das Kauen und Schlucken beeinträchtigen. Appetitlosigkeit und reduzierte Nahrungsaufnahme könnten mit Magersucht (Anorexia nervosa) verwechselt werden, vor allem bei Mädchen in der beginnenden Pubertät. Magersucht wird mit einem gestörten Körperbild und selbst ausgelöstem Erbrechen, progressivem Gewichtsverlust und häufigem Missbrauch von Abführmitteln assoziiert. Bei Gewichtsverlust ist es wichtig, frühzeitig zwischen diesen beiden Erkrankungen aJ unterscheiden. Das wichtigste Merkmal bei Magersucht ist eine phobische Abneigung gegen Seite 10 "ME/CFS bei Kindern und Jugendlichen"" Fatigatio e.V. Essen, gekoppelt mit der Angst, dick zu werden. Obwohl eine Gewichtsabnahme bei ME/CFSPatienten häufiger beobachtet wird, nehmen manche Betroffene auch zu. Übergewicht kann auf Grund von Essen als Trost, Mangel an Bewegung oder Wassereinlagerungen zu Stande kommen. Phobische Angstzustände, besonders Schulphobien, sind von Panikattacken und mit der Meidung der am meisten gefürchteten Situation begleitet. Symptome, die mit einer Schulphobie zusammenhängen, lassen meistens an den Wochenenden und während der Schulferien nach. Dies trifft bei ME/CFS nicht zu. Die Symptome können sich am Wochenende verschlechtern und dauern während der Ferien än, weil die Kinder dann häufig versuchen, die Aktivitäten zu genießen, die sie besonders gerne irit der Familie unternehmen und sich dabei verausgaben. Die Hauptgrunde dafür, dass Schüler mit MHCFS ungern zur Schule gehen, liegen in ihrer raschen Erschöpfbarkeit, den Muskelschmetzen und dem rapiden Nachlassen der Konzentrationsfähigkeit bereits nach kuzer Teilnahme am Unterricht. Eine Somatisierungsstörung kann ME/CFS insofern ähneln, als dass der Patient zahlreiche Symptome aufiryeist, die sich weder durch irgend eine bekannte Erkrankung noch durch den Missbrauch von Drogen oder Medikamenten erklären lassen. Bei ME/CFS gibt es im Gegensatz zur Somatisierung keinen sekundären Krankheitsgewinn. Bei der Einschätzung der körperlichen Symptome von Kindern ist es wichtig zu berücksichtigen, dass ein Kind seinen Zustand häufig nicht beschreiben kann und möglicherweise auf Grund der Haltung anderer unter Druck steht. In einigen wenigen Fällen kann es schwierig sein, zwischen Somatisierung und ME/CFS zu unterscheiden, da evtl. versteckte Stressoren vorhanden sein können. Ein Kind kann möglicherweise nicht Witlens oder nicht in der Lage sein, Gründe für seine Angste zu nennen. In einer Studie in den USA wurden Symptome, Schweregrad, soziale Unterstützung und Umgang mit der Erkrankung bei 69 Jugendlichen mit ME/CFS ausgewertet. Die Ergebnisse deuten weder darauf hin, dass ME/CFS primär eine pSychische oder psychosomatische Erkrankung ist, noch dass ein angepasster Lebensstil die Schwere der Erkrankung verringern kann (Bell, 1996). Dass bei ME/CFS-Patienten unter 20 Seite Jahren psychiatrische Erkrankungen zusätzlich oder zeitgleich bestehen, ist bisher nicht festgestellt worden. Wahrscheinlich treten diese aber mit gleicher Häufigkeit wie in der Allgemeinbevölkerung auf. 2.1.5 Untersuchungen Medizinische Untersuchungen sollten die vorher genannten Erkrankungen ausschließen und folgendes umfassen: a) 24-Stunden-Messung der Temperatur, Puls und Blutdruck (liegend und stehend), b) Wachstums- und Gewichtskontrolle, c) Urinmikroskopie und -kultur, wenn positiv, d) volles Blutbild und ESR (ESR ist niedrig oder normal), e) quantitative lmmunglobuline (erhöhtes lgM deutet auf einen aktiven Infekt), f) C-reaktives Protein, g) Virusstatus (innerhalb von 3 Monaten), ASOT und Rachenabstrich, h) Lebeffunktionstest, Harnstoff und Elektrolyte, i) TSH, T3, T4 (Funktion der Schilddrüse), j) wo es angebracht scheint, CT und/oder MRT des Kopfes, SPECT oder PET 4, k) Ultraschall der Weichteile im Bauchraum bei ausgeprägten abdominalen Symptomen. l) In einigen Fällen ist eine psychiatrische Konsultation notwendig, uffi eine Depression, Magersucht oder andere psychiatrische Erkrankungen festzustellen oder auszuschließen. Hier muss es eine Zusammenarbeit von Kinde rarzt und entsprechenden Facheinrichtungen geben Da die Diagnose von ME/CFS auf Grund klinischer Merkmale gestellt wird, ist von exzessiven Untersuchungsmaßnahmen abzuraten, da vermutlich weder das Kind noch der Untersucher davon profitieren werden. Eine sorgfältige und langfristige Betreuung ist dagegen unerlässlich, entweder um die Diagnose zu bestätigen oder um einzelne Symptome zu prüfen für den Fall, dass sich ein weiterer Krankheitsprozess anbahnt. 2.1 .6 Entstehung der Erkrankung Über Entstehung und Ursache(n) von ME und CFS besteht dezeit keine Klarheit. Verschiedene Studien sehen Viren als möglichen Auslöser 11 @ "ME/CFS bei Kindern und Jugendlichen"" Fatigatio e.V. an (Komaroff, 1996), aber einige Laborergeb- besteht eine genetische Prädisposition angesichts der Tatsache, dass ME/CFS nicht selten bei mehreren Mitgliedern der gleichen Familie nisse deuten auf einen anhaltenden Infekt hin (Gow, 1997). Klinisch gesehen gibt es Annlichkeiten zwischen dem Post-Polio-Syndrom und ME/CFS (Bruno, 1996), die auf spezifische Infektionen durch Enteroviren hinweisen. Bei manchen Patienten ist das zirkulierende Blutvolumen reduziert. Dies könnte die Ursache für den niedrigen Blutdruck im Stehen (Schwindel und Verwirrtsein im Stehen) sein, der häufig auftritt (Sfreeten und Bell, 1997). Es ist bekannt, dass sich der Kontakt mit niedrigen Dosen von chemischen Substanzen über einen längeren Zeitraum schädlich auf das zentrale Nervensystem auswirkt. ME/CFS hat klinische Annlichkeit mit Erkrankungen, die durch die Berührung mit Organophosphat (Behan, 1997) ausgelöst werden und mit dem GolfkriegSyndrom (Jamal, 1996). Aufsehen hat erregt, dass möglicherweise eine Vergiftung mit Organophosphat als Auslöser von ME/CFS eine Rolle bei einigen Kindern spielt, die mit einem OP-haltigem Shampoo gegen Kopfläuse behan- auftritt. 2.2. Neurokognitive und psychologische Probleme 2.2.1 Auswirkung der Erkrankung auf das Kind delt wurden Stress im weitesten Sinne unterstUtzt die Entstehung von ME/CFS" Stress ist wahrscheinlich in den meisten Fällen ein Co-Faktor gerneinsam mit anderen Auslösern wie Infekteh, lmpfungen oder Kontakt mit chemischen Substanzen. Bei dem Versuch, die vielen wissenschaftlichen Erkenntnisse zusammenzuführen, hat Prof John Dickenson (1997) auf die Auswirkungen einer Schädigung des "Reticular Activating System in the mid-brain and brain stem" (des retikulären Aktivierungssystems im Hirn und Hirnstamm) hingewiesen, die viele der bei . ME/CFS berichteten Symptome hervorruft" Einige Wissenschaftler sehen vorab existierende psychische Störungen, hauptsächlich Depressionen, als auslösenden Faktoren für ME/CFS an (CoW, 1994), aber bisher gibt es keine Studien, die diese Annahme bei Kindern rechtfertigen. Kopelwitz und Klass (1993) berichten in ihrem Buch über Depression in der Kindheit, dass fast alle chronisch kranken Kinder sekundär zu der ursprünglich organischen Erkrankung auf Dauer depressive Züge entwickeln. Die Erkrankung weist hinreichend Konsistenz auf, um sie als Entität diagnostizieren zu können. Dennoch wird zunehmend deutlich, dass sie durch eine Anzahl von unterschiedlichen Faktoren ausgelöst werden kann. Möglicherweise ' ME/CFS ist eine Erkrankung, die das zentrale Nervensystem betrifft, und sie hat deshalb erkennbare Auswirkungen auf die Funktion des Gehirns. Kognitive Störungen sind Teil der Erkrankung und rufen Konzentrationsschwäche, Verluste im Kurzzeit- und Namensgedächtnis und Verwirrung hervor. Es kommt hinzu, dass viele Kinder mit ME/CFS zeitweilig unter Stimmungsschwankungen leiden (Depression€h, Gereiztheit, Frustration und Wut). Diese können sowohl Teil der Störung im Gehirn als auch Auswirkungen der Erkrankung auf das tägliche Leben sein. AIs chronische Erkrankung führt ME/CFS häufig dazu, dass eine normale Kindheit oder Aktivitäten von Heranwachsenden (Schule, Freundschaften, Unternehmungen in Gruppen von Gleichaltrigen) nicht möglich sind. Dies kann zur lsolation im Haus, zum Gefühl, übergangen zu werden und manchmal zu Depressionen oder Verzweiflung führen. Eine mögliche schwerwiegende Konsequenz der Erkrankung ist, dass Jugendliche mit ME/CFS emotional auf einer kindlichen Ebene verharren und zu stark von einem Elternteil, meistens der Mutter, abhängig werden. Viel häufiger lässt sich jedoch beobachten, dass Kinder, die an einer langwierigen und schweren Erkrankung leiden, eine emotionale Reife entwickeln, die ihrem Alter voraus ist. Diese Art von Reife kann problematisch sein. Sie kann zu Schwierigkeiten in der emotionalen Entwicklung von normalen kindlichen und jugendlichen Stufen des Heranwachsens führel'I. Mehr als Depressionen ist bei Kindern mit ME/CFS Frustration besonders ausgeprägt. In einigen Fällen entwickelt sich ein abnormales Krankheitsverhalten oder ein totaler Rückzug. Diese Auffälligkeiten im Verhalten kommen auch bei anderen chronisohen Erkrankungen vor und sind nicht nur bei ME/CFS-Kranken oder Kinde rn anzutreffen. Seite 12 @ Fatigatio e.V. "ME/CFS bei Kindern und Jugendlichen"" 2.2.2 Auswirkungen der Erkrankung auf Familie und Freunde In den meisten Fällen einer chronischen Erkrankung ändert sich die Haltung des Patienten und seiner Familie in Bezug auf die Erkrankung mehrfach. Zweifel über die Richtigkeit der Diagnose kann bei manchen Familienmitgliedern aber meist nicht bei den Müttern - vorhanden sein und führt anfänglich zu Ablehnung, Wut, Depression und letztendlich zur Akzeptanz. Die Einstellung eines Familienmitgliedes hat Auswirkungen auf die Verhaltensweise des betroffenen Kindes. Die Erkrankung verursacht weitreichende Störungen des normalen Familienlebens und führt bei allen Familienmitgliedern zu Trauer, Depressionen und Verlust von Spontaneität. ME/CFS hat einen sehr starken Einfluss auf die Familie. Widersprüchliche Ratschläge von Arzten können die Eltern verwirren: Einerseits werden sie ermutigt, das Kind als krank zu behandeln. Andererseits werden sie gedrängt, mit ihm so normal wie möglich umzugehen. Überbehütung in der Familie sollte in Betracht gezogen werden, wenn sich eine ausgeprägt feindselige Haltung bei der Verhinderung medizinischer Eingriffe bemerkbar macht, aber ein MünchhausenProxy-Syndrom ist äußerst selten und sollte daher nicht gleich angenommen werden. Es ist eine ganz normale Reaktion, dass sich Eltern Sorgen um ihr Kind machen und alle möglichen Wege, die zu einer sicheren Genesung führen könnten, ausloten möchten. Eltern von chronisch kranken Kindern werden manchmal von Fachleuten aus dem Gesundheits- und Bildungsbereich als übermäßig besorgt eingestuft, weil diese Fachleute nicht verstehen oder akzeptieren können, welche tiefgreifenden Auswirkungen die Erkrankung auch auf die Eltern hat. Die emotionalen Probleme, die auf Grund von ME/CFS auftreten, werden häufig durch Unwissen, Vorurteile oder widersprüchliche Meinungen von Fachleuten bzw. Experten verschlimmert, die rnit dem Kind und seiner Familie zu tun haben. Auch Mitglieder des erweiterten Familienkreises, wie z.B. die Großeltem die vielleicht altmodische Ansichten zum Kranksein hegen - können die Reaktionen der Eltern im Umgang mit der Erkrankung ihres Kindes beeinflussen. Die meisten Eltern haben große Schwierigkeiten, mit der Krankheit ihres Kindes umzugehen. zum Beispiel sollte eine gute Balance von Ruhephasen und Aktivität gefunden werden, ein Gleichgewicht zwischen einem gewissen Maß an Selbständigkeit und Privatsphäre; gleichzeitig soll genügend Unterstützung geboten werden, ohne das Bedürfnis des Kindes nach Selbstbestimmung zu beschneiden. Wenn es dem Kind nicht besser geht oder sein Zustand sich verschlimmert, fühlen sich die Eltern möglichenryeise schuldig oder suchen die Schuld bei den Fachleuten, die eigentlich helfen sollen. (Beides kann zutreffen.) Laufende medizinische Unterstützung und eine gute Kommunikation mit den behandelnden Arzten ist daher von größter Bedeutung. 2.2.3 Auswirkungen auf die Geschwister Untersuchungen haben gezeigt, dass die Geschwister von schwerkranken Kindern unter der Situation leiden und teilweise selbst Störungen entwickeln. Laut einer Studie (Sloper, 1996) über Geschwister von krebskranken Kindern zeigten sechs Monate nach Stellung der Diagnose 24o/o der Geschwister Anpassungsschwierigkeiten und Verhaltensstörungen. Beim Interview gaben die Geschwister än, ärgerlich darüber zu sein, dass sie weniger Beachtung erhielten. Sie hatten aber gleichzeitig deswegen Schuldgefühle. Viele erwähnten ihre Trauer um den Verlust des normalen Familienlebens. Obwohl beide Erkrankungen unterschiedlich sind, ist es wahrscheinlich, dass die Auswirkungen bei Geschwistern von Kindern mit ME/CFS ähnlich sind. 2.3 Der Umgang mit der Erkrankung 2.3.1 Diag nosestel I u ng Der erste Schritt sollte die Diagnosestellung sein, die auf dem Bild der Symptome über einen angemessenen Zeitraum (2-3 Monate oder länger) beruht, wobei andere Erkrankungen, die Erschöpfung und weitere Symptome hervorrufen , ausgeschlossen werden. Der Azt, der die Diagnose stellt, sollte sich Zeit nehmeo, dem Patienten und dessen Familie die Natur der Erkrankung zu erklären. Er sollte erläutern, welche Bedeutung sie auf die zukünftige Entwicklung und Perspektiven des Kindes und welche Auswirkungen sie auf die Familie haben könnte. Wenn die Erkrankung durch einen Arzt erkannt Seite 13 @ "ME/CFS bei Kindern und Jugendlichen"" Fatigatio e.V. wird, kann das eine gute Vertrauensbasis zwischen ihm, dem Patienten und der Familie schaffeR. Diese ist für das weitere Krankheitsmanagement von großer Bedeutung. Wenn die Diagnose nicht sicher ist, sollte eine zweite Meinung von einem Kollegen eingeholt werden, der über mehr Erfahrung oder besondere Fachkenntnisse verfügt. Der Patient und seine Familie werden unter Umständen finanzielle und soziale Unterstützung benötigen, die nicht immer einfach zu erhalten sind . (Siehe Kapitel 4, Soziale Aspekte.) Wenn es möglich ist, sollten Kinder zu Hause unter Aufsicht eines Kinderaztes behandelt werden, der mit ME/CFS Erfahrung hat. t I Zahlreiche Praxisbesuche und Termine in Krankenhäusern können viel Kraft kosten und emo- tional belastend sein, besonders wenn die Ergebnisse solcher Konsultationen unbefriedigend sind. Viele Familien empfinden eine laufende Übenvachung des Krankheitsverlaufs durch den Hausarzt als hilfreich, auch um neu auftretende Symptome, die eventuell durch weitere Erkrankungen verursacht sind, richtig einordnen zu können. Leider müssen wir feststellen, dass viele Hausärzte gegenwärtig nicht genügend Erfahrung beim Erkennen, bei der Diagnosestellung und der Behandlung von ME/CFS haben. Wir hoffen, dass diese Leitlinien dazu beitragen, Fachleute im Gesundheitswesen über ME/CFS im Kindesalter zu informieren. tI Familien können die Überweisung ihres Kindes an einen Kinderpsychiater als bedrohlich empfinden, obwohl in der Praxis bei Kindern mit ME/ CFS selten eine psychiatrische Störung festgestellt wird. Eine psychiatrische Beurteilung kann zur Diagnosefindung gehör€h, um eventuellen psychologischen Faktoren auf die Spu r zu kommen. Wenn Stress ein Grund für den Zustand ist, muss das ebenso angesprochen werden wie anhaltender emotionaler Druck auf das Kind durch Familie oder Schule. Familientherapeuten, die die Schwere und mögliche Auswirkungen der Erkrankung verstehen, können Kinder und Familienangehörige dabei unterstützen, mit den emotionalen Problemen umzugehen, die beim Kind, bei den Eltern oder Geschwistern im Laufe jeder langwierigen Erkrankung auftreten können (Koplewitz und K/ass, 1993) Wenn ein Kind mit ME/CFS zur Untersuchung oder zur Behebung eines akuten Problems (2.8. Ernährung mittels einer Sonde) in einem Krankenhaus behandelt werden muss, sollte der Aufenthalt im ldealfall so kuz wie möglich sein und in einer medizinischen Kinderabteilung erfolgeo, wo Zugriff auf psychologische Unterstützung möglich ist, wenn sie benötigt wird. Für einen Patienten mit ME/CFS kann der Aufenthalt auf einer typischen Krankenhausstation auf Grund des Stresses in dieser Umgebung unerträglich sein (ständiger Lärm, grelle Beleuclrtung, Storung der Routine). Hinzu kommt möglicherweise Unverständnis seitens des Pflegepersonals und der Arzte. Krankenhäuser eignen sich nicht für erholsamen Schlaf! 2.3.2 Umgang mit den Energiereserven Von größter Wichtigkeit ist, dass Kinder und Jugendliche die Grenzen ihrer Belastbarkeit kennen und dass sie lernen, Aktivitäten zu beenden, bevor sie erschöpft sind. Hiermit haben schon Erwachsene Schwierigkeiten und für Kinder ist die richtige Einschätzung fast unmöglich. lm ldealfall sollten das Kind und seine Familie gemeinsam einen individuellen Tagesplan der Aktivitäten aufstellen, nach dem das Kind im Rahmen seiner Einschränkungen ohne Verschlimmerung der Symptome agieren kann und nach dem Aktivitäten ohne Aufregung und Stress täglich wiederholt werden können. Diese Planung kann sich in der Praxis besonders dann als schwierig erweisen, wenn es sich um kranke Teenager handelt, die möglicherweise gegen aufgestellte Regeln oder Zeitpläne rebellieren. Da ME/CFS eine Erkrankung ist, bei der die Belastbarkeit und die Symptome Schwankungen unterliegen, lässt sich wahrscheinlich ein strenger Zeitplan nicht immer einhalten - besonders dann, wenn unvorhersehbare StressSituationen entstehen (2.8. ein Infekt oder eine Familienkrise), die zu einer Verschlechterung der Symptomatik oder zu einem Rückfall führen können. Belastu ngs-, Beweg u ngsprog ramme ("Exercises") und Rehabilitation Bei der Überlegung, wie viel Aktivität angestrebt werden soll, ist es für den jungen Patienten, seine Eltern und den behandelnden Azt zunächst wichtig, festzustellen, ob sich das Kind in einer akuten Phase der Erkrankung befindet, Seite 14 @ "ME/CFS bei Kindern und Jugendlichen"" Fatigatio e.V. während derer vermehrte Aktivität kontraproduktiv ist, oder ob es sich in einer stabilen Phase mit wenigen Symptomen befindet, in der eine vorsichtige Steigerung der Aktivität angeregt werden sollte (Franklin, 1994). Viele ME/CFS-Patienten agieren aber bereits an der Grenze ihrer Belastbarkeit und eine Steigerung der Aktivität wäre in diesen Fällen unangebracht (Friedberg und Krupp, 1994). Klinische Untersuchungen deuten darauf hin, dass Aktivität über die Belastbarkeitsgrenze hinaus genau so schädlich sein kann wie absolute Bettruhe. Dies ist in neueren Studien durch einen Bewegungsphysiologen an der University of Pacific, USA (Sfevens, 1995) und von Dr. Charles Lapp bestätigt worden (Lapp, 1997). Hinweise auf einen Defekt im Stoffintechsel der Muskulatur einiger ME/CFS-Patienten, (Lahe, 1995, Behan WMH, 1998) könnten erklären, weshalb übertriebene Rehabilitationsprogramme unter Einsatz abgestufter Aerobic-Übungen bei einigen Kindern versagen und häufig zur Verschlechterung der Lage führen. Absolute Bettruhe ist, außer für eine kuze Zett während der akuten Phase, schädlich und führt zur niedrigem Blutdruck und zum Abbau von Muskelkraft. Die meisten jungen Patienten mit ME/CFS halten jedoch den Muskeltonus aufrecht und stehen auch während eines Rückfalls auf, z.B. um auf die Toilette zu gehen. Die angeführten Komplikationen können während einer akuten Phase mittels vorsichtiger passiver Physiotherapie vermi ndert werden. Sorgfältige Einteilung der Aktivität kann die Energie des Kindes so weit als möglich vergrößern und die tägliche Funktionsfähigkeit verbessern, auch durch den Wechsel von Aktivität und Ruhe sowie durch den Wechsel von physischer und mentaler Aktivität (Westcare: Task Force Report, section 14, pp 66-69). Das Ziel ist eine allmähliche Steigerung der gesamten Aktivitätstoleranz des Kindes. Kog n itive Verhaltenstherapie Kognitive Verhaltenstherapie ist als eine Möglichkeit zur Verbesserung der funktionellen Aktivität bei Erwachsenen mit ME/CFS befürwortet worden (Sharpe, 1996). lhre Wirkung auf Kinder ist aber bisher nicht untersucht. Ein Team des St. Bartholemew's Hospital in London hat vor kurzem über die Pilotstudie eines multidisziplinären Rehabilitationsprogramms berichtet, das für stark eingeschränkte Erwachsene mit ME/CFS unter Einsatz von kognitiver Verhaltenstherapie und stufenweise gesteigerter Aktivität entwickelt wurde (Essa ffiG, 1998). Keiner der Patienten wurde geheilt, aber die meisten Teilnehmer konnten ihre Punktzahl auf der Karnofsky-Skala durch diesen biopsychosozialen Ansatz verbessern. Es könnte schwieriger sein, diese Methode bei Kindern anzuwenden, obwohl die Probleme mit Schlafstörungen, allgemeiner Schwäche und Gewichtsverlust damit wahrscheinlich angesprochen werden würden. Ein Schlüsselmerkmal dieser Studie war die sorgfältige Planung, die gemeinsam mit den Familienmitgliedern vor der Entlassung aus dem Krankenhaus stattfand. Physiotherapie In Fällen von Bettlägerigkeit kann eine vorsich- tige Physiotherapie dafür eingesetzt werden, um Muskeltonus und Mobilität der Gelenke zu erhalten. Die Eltern können sich von einem Physiotherapeuten, der sich mit der Erkrankung auskennt, unterweisen lassen. Manchmal treten bei schwerkranken Patienten, die unter unkontrollierbaren Muskelspasmen leiden, Muskelversteifungen auf. Die betroffenen Glieder müssen dann in bestimmten Fällen geschient werden. Mit dem Kind abgesprochene Steigerungen der Aktivität sind in wöchentlichen oder 14-tägigen Intervallen empfehlenswert. Strenge physiotherapeutische Trainingsprogramme, die das kranke Kind überfordern, sind potenziell körperlich schädigend und effirotional abträglich. Schulbesuch (Srehe auch Kapitel Ausbildrrng, S. 20 ff.) 3, Aspekte in Schule und Erfahrungen aus der klinischen Praxis bestätigen, dass geistige Aktivität ebenfalls Energie verbraucht (DeLucä,l995; Smith, 1996), sodass eine umgehende Rückkehr in die Schule nicht unterstützt werden sollte (Colby, 1996), obwohl die meisten Kinder sobald als möglich in die Gemeinschaft ihrer Mitschüler zurückkehren woffen. Wenn sie dazu in der Verfassung sind, empfinden sie dieses als eine positive, motivierende Erfahrung. Aber wenn sie gedrängt werden, zu fr'üh wieder in die Schule zu gehen, kann das negative Auswirkungen haben. fsieh e auch Fallgeschichte 2, S. 32 f.). Die Rückkehr in die Seite 15 Fatigatio e.V. "ME/CFS bei Kindern und Jugendlichen"" Schule sollte schrittweise erfolgen und gemeinsam mit den Verantwortlichen an der Schule geplant werden. Die Erfahrungen von amerikanischen Kinderärzten (Bell, 1996) legen nahe, dass ein Schulkind, bevor es wieder in die Schule gehen kann, in der Lage sein sollte, sich mit Freunden bis zu drei Stunden an einem öffentlichen Ort (2.8. einem Einkaufszentrum) aufzuhalten, ohne dass in den folgenden 12 bis 24 Stunden eine Versch lechterung eintritt. Soziale Aktivität Ein Hauptcharakteristikum von MEICFS ist die Erschöpfung durch soziale Interaktion, sei es durch Zuhören oder Reden mit rnehr als einer Person oder am Telefon. Dies hat besonders für junge Menschen weitreichende Konsequenzen, unabhängig davon, wie gern sie rnit ihren Freunden zusammen wären. Freundschaften mit Gleichaltrigen können aber dennoch durch Selbsthilfegruppen für junge ME/CFS-Patienten entstehen. (St'ehe auch den Abschnitt mit Adressen von Se/östhilfeorganisationen, S. 40 ff.).) 2.3.4 Ernährung und Diät Tage zu einer deutlichen Verbesserung führen. In Anbetracht der Beteiligung des lmmunsystems (Tirelli, 1996) ist es nicht erstaunlich, dass sich bei ME/CFS häufig die Entwicklung von Magen- und Verdauungsproblemen sowie Nahrungsmittelunverträglichkeiten beobachten lassen. Die häufigsten Nahrungsmittel, bei denen ein Test durch Elimination und Meiden zu empfehlen ist, sind Milch und Milchprodukte, Weizen, Zucker, Zitrusfrüchte und Schokolade (Hadisayass iliou, 1 996). Kinder, die schwer unter Appetitlosigkeit - keine Magersucht! - und ÜOelt<eit leiden, können unterernährt oder nicht in der Lage sein, ihr Gewicht zu halten. Übelkeit ist ein sehr häufiges Symptom bei ME/CFS (Komaroff, 1995). Unzureichende Nahrungsaufnahme kann auch das Ergebnis einer Schwäche der Kau- und Schluckmuskeln sein. Flüssige Nahrung oder auch Ernährung mittels eine Sonde kann Kindern durch eine schwere Krankheitsphase helfen, wenn sie vom Kind vertragen werden. Eine Infusion mit flüssiger oder Sondennahrung kann bei dem Kind mit angemessener Uberwachung von einer Krankenschwester oder einer Diätassistentin zu Hause angelegt werden. Eine vernünftige, ausgewogene Kost aus hauptsächlich frischer Nahrung ist für die meisten jungen Patienten empfehlenswert. Es ist wichtig, dass Kinder mit ME/CFS genug Kalorien und Eiweiß für ihr Wachstum bekommen und dass bei geringem Appetit die Mahlzeiten appetitanregend und leicht zu schlucken sind. Die Kost sollte komplexe Kohlenhydrate enthalten, uffi Hunger und Ohnmacht zu verhindern, die bei ME/CFS durch Dysfunktion des vegetativen Nervensystems ("autonomic dysfunction") häufig auftreten. Mehrere kleine Mahlzeiten sind für ein krankes Kind mit wenig Appetit eher verträglich. Es gibt keine heilende medikamentöse Behand, lung, aber bestimmte Medikamente können bei einigen Symptomen helfen. Es ist allgemein anerkannt, dass - wenn bestehend - die BehandIung von Schlafstörungen, von Depressionen oder Schmezen die Lebensqualität verbessern. ME/CFS-Patienten jeden Alters reagieren gewöhnlich äußerst sensibel auf psychoaktive Medikamente. Besonders bei Kindern ist größte Vorsicht in Bezug auf die Dosierung geboten. Spezielle Eliminationsdiäten auf Grund von Nahrungsmittelallergien oder Intoleranzen sind mer können versucht werden. Schwere Migräne bei den meisten Kindern nicht nötig, obwohl ein Teil vor dem Ausbruch der Krankheit Erfahrungen mit ernährungsbedingter Migräne gemacht haben kann. Falls deutliche Symptome auftreten, die auf Nahrungsmittelintoleranzen hinweisen zum Beispiel Migräne, Gelenkschmerzen oder gastrointestinale Symptome - kann eine diätetisch überwachte Eliminationsdiät mit einigen unbedenklichen Nahrungsmitteln über 7-10 2.3.5 Med i kamentöse Behandlung Analgetika: Einfache Schrnerzmittel wie Paracetamol und nicht steroide Entzündungshem- kann durch bestimmte Medikamente z.B. Migralave oder lmigran - gelindert werden, aber nur bei Jugendlichen über 14 Jahren. Diamox (Acetazolamid): Es kann bei schwer zu bekämpfenden Kopfschmerzen, die mit niedrigem Blutdruck zusamrnenhängen können, hilfreich sein (Sfreeten und Bell, 1998). Muskelrelaxantien: Von einigen Erwachsenen ist berichtet worden, dass oral eingenommenes Seite 16 @ "ME/CFS bei Kindern und Jugendlichen"" Fatigatio e.V. Magnesium gegen Muskelverkrampfungen und Schlaflosigkeit helfen soll. Obwohl intramuskulär angewandtes Magnesium in einer früheren Studie befürwortet wurde, wird es heute nicht mehr als geeignet angesehen und ist zudem in der Anwendung sehr schmerzhaft. Die gelegentliche Gabe von Diazepam (Valium) kann bei schweren Muskelverkrampfungen versucht werden, kann aber süchtig machen. Antidepressiva: Sie können bei Schlafstörungen und/oder Depressionen notwenig sein, heilen aber nicht die zu Grunde liegende Krankheit. Serotoninwiederaufnahmehem mer (2.8. Fluoxetin/Prozac)) werden für Kinder nicht empfohlen und eine Doppelblindstudie über Fluoxetin bei Enruachsenen mit ME/CFS zeigt keine Überlegenheit gegenüber einem Placebo (Vercgulen, 1995). Dennoch gibt es Berichte, dass trizyklische Antidepressiva (2.B. Amitriptylin, Doxepin) - in niedriger Dosierung verordnet und beginnend mit 10 mg zur Nacht helfen können, Schlafstörungen zu behandeln und Angst, Unruhe und Schmerzen zu reduzieren. AIs alternatives Mittel ebenso effektiv wie Amitriptylin hat sich Hypericum (Johanniskraut) bei leichteren Schlafstörungen und depressiven Symptomen bewährt (Linde 1996). Schlafmittel: Temazepan kann in einer geringen Dosis gelegentlich angewendet werden, ist aber für Kinder nicht empfehlenswert und die Medikamentengruppe der Benzo diazepine macht süchtig. Bei hartnäckig bestehenden Schlafstörungen mit häufigem Aufiruachen und Albträumen scheinen niedrige Dosierungen von tricyclischen Antidepressiva die beste Option zt) sein. Auch Melatonin soll entscheidend sein, um den Tagesrhythmus des Körpers aufrechtzuerhalten und den Nachtschlaf zu fordern, €s gibt jedoch keine Informationen über die Wirkungen bei Kindern (Soutzos, 1998). Melatonin ist im Moment weder in Großbritannien noch in Deutschland auf Rezept erhältlich. 2.3.6 lmpfungen Erfahrungsberichte haben gezeigt, dass lmpfungen bei ME/CFS zu einem Rückfall führen können. Wie bei jeder Krankheit sollen nicht dringend erforderliche lmpfungen vermieden werden, bis es dem Kind wieder gut geht. 2.3.7 Umgang mit psychologischen Problemen Die psychologischen Auswirkungen einer Erkrankung müssen beim Umgang mit ME/CFS berücksichtigt werden. Eine der schlimmsten Belastungen für das Kind wird das Gefühl sein, keine Kontrolle über das zu haben, was passiert. Andere Probleme ergeben sich aus der Notwendigkeit, mit den Vorurteilen anderer umgehen zu müssen, die die Krankheit missverstehen und verharmlosen. Dieses kann zu einem noch weiter gehenden Rückzug aus der Gesellschaft führen, um den Schmerz und die Kränkung durch unsensible oder verletzende Kom menta re zu vermeiden. Aus der Übersicht der Forschung zu psychologischen Problemen bei Kindern, die krank oder behindert sind, kommt Prosser (1992) zu dem Schluss, dass die Möglichkeit, ein bestimmtes Maß an Kontrolle über das eigene Leben zu haben, wesentlich für Selbstachtung und optimale psychologische Entwicklung ist. Wie von Higgins und Srner (1996) beschrieben, würde eine gute psychologische Betreuung die Wiedererlangung der verlorenen Kontrolle einschließen. Das General Medical Council (GMC) empfiehlt Azten zu respektieren, dass die Rechte der Patienten bei Entscheidungen über ihre Pflege vollständig berücksichtigt werden müssen. Artikel 12 der UN-Konvention für die Rechte des Kindes (1991) unterstreicht, dass Kinder und Jugendliche berechtigt sind, in Entscheidungen über ihre Belange mit einbezogen zu werden. Die Vieldeutigkeit der Diagnose ME/CFS kommt zu den Schwierigkeiten hinzu, die das Kind rnöglicherweise in der Familie erlebt. In einigen Fällen war Familientherapie in Verbindung mit dem bestehenden Kontakt zum Hausarzt nützfich, uffi dem Kind zu helfen und die Eltern in die Lage zu versetzen, sich als Entscheidungsträger kompetenter zu fühlen. Eine gute psychologische Betreuung wird die Wichtigkeit der Erhaltung einer gesunden Selbstachtung nicht unterschätzen. Bei allen Versuchen, Jugendliche einer kognitiven Verhaltenstherapie zu unteziehen, sollte dies Priorität besitzen. Viele junge Menschen mit ME/CFS befinden sich in der Pubertät. In dieser Entwicklungsphase ist persönliches Aussehen und Auftreten sowie Verbundenheit mit Gleichaltrigen in Gruppen sehr wichtig. Nicht in der Lage zu sein, an den gleichen Aktivitäten wie die Freunde Seite 17 @ "ME/CFS bei Kindern und Jugendlichen"" Fatigatio e.V. teilzunehmen und auch wenig Kontakt zu ihnen zu haben, kann das Gefühl von Einsamkeit erzeugen. Einige schwer betroffene Kinder haben über Monate oder Jahre keinen sozialen Kontakt zu Gleichaltrigen. Selbsthilfegruppen können dabei helfen, Kontakte zu anderen über Briefe, Telefon oder E-Mail aufzunehmen. (Siehe auch den Abschnitt mit Adressen von Se/bs th i lfe o rg a n i sati o n e n ) Eine häufige Ursache von negativem Stress ist das Unvermögen, die Schule in vollem Umfang zu besuchen sowie der daraus entstehende Mangel an Bildung. Für Lehrer ist es hilfreich, mit den Verantwortlichen an der Schule zusammenzuarbeiten und sie über ME/CFS zu informieren, um mit den Unwägbarkeiten von ME/CFS bei einem einzelnen Kind umgehen zu können. (Siehe auch Kapitel 3, Aspekte von Schule und Ausbildung S. 20 ff., Literaturliste; S. 37 f.0 Wir sind uns der Sichtweise einiger Kinder- und Jugendpsychiater bewusst, die sich fast ausschließlich auf mögliche psychologische Ursachen für ME/CFS konzentrieren. Es ist richtig, die psychischen Reaktionen eines jungen Menschen auf die Krankheit zu berücksichtigen, aber dennoch sollten diese nicht isoliert von den körperlichen Merkmalen der Krankheit betrachtet werden. Die Anwendung von kognitiver Verhaltenstherapie kann zum Beispiel nützlich sein, um das Kind in die Lage zu versetzen, Gefühle von Hilflosigkeit, mangelnder Kontrolle oder Wertlosigkeit zu überdenken. Aber kognitive Verhaltenstherapie ist nicht hilfreich, wenn versucht wird, die Kinder dazu zt) bringen, ohne Berücksichtigung der körperlichen Seite ihrer Erkrankung über sich nachzudenken. Eine strenge Verordnung von gestaffelter körperlicher Bewegung und einer Therapie auf psychiatrischen Stationen, die auf schnelle Erfolge ausgerichtet ist, ist deshalb oft kontraproduktiv. . 2.4 Epidemiologie 2.4.1 Ausbrüche von nfiE/CFS Seit 1934 sind viele ME/CFS-Ausbrüche dokumentiert worden. In dreizehn dieser Berichte sind Kinder konkret erwähnt, und einer widmet sich ganz dieser Altersgruppe (Bell, 1992, "Chifdren with ME/CFS; an overview of literature"). Die meisten Berichte über Ausbrüche von ME/CFS bei Kindern und Jugendlichen finden die höchste Verbreitung während der Pubertät. Sieben erwähnen die Gefahr von Rückfällen bei der Krankheit und die Tendenz zur Chronifizierung. Drei dokumentierte Ausbrüche zeigen mehr Erkrankte beim weiblichen Geschlecht, Beginn im Sommer/Herbst und übermäßige Häufung von Fällen in Schulen oder Familien. Ein ME/CFS-Ausbruch in Island 1947 -48 wurde von Srgurdsson (1 950) unter der Beschreibung "A disease epidemic simulating poliomyelitis" dokumentiert. Damals gab es über 400 Fälle; das Zentrum des Ausbruchs lag in der Highschool in Akureyri, wo auch Lehrer betroffen waren. In der Altersgruppe zwischen 15 und 19 Jahren war die Häufigkeit am größten; das Verhältnis von weiblichen zu männlichen Patienten lag bei 3:1 . Von den Betroffenen, die jetzt noch leben, leiden die meisten auch heute noch unter Einschränkungen (Hyde, 7988). Bei einer Epidemie in Lancashire waren hauptsächlich Kin* der Leidtragende der Krankheit, die sich in Schulen und Familien häufte. Dabei wurde der Enterovirus Echo 9 gefunden. 1959 überprüfte Acheson 15 Ausbrüche weltweit mit besonderer Aufmerksamkeit für den Beginn von ME/CFS im späten Kindesalter und deren Chronifizierung. 2.4.2 Schulen Die größte epidemiologische Studie über ME/CFS bei Kindem und Jugendlichen ist die von Dowsett und Colby (1 997). lhre Erkenntnisse spiegeln die von früheren Studien wieder. Die Schulstatistiken über Langzeitabwesenheit wegen Krankheit wurden über eine Zeitspanne von 5 Jahren in der Zeit von 1991 bis 1995 geführt. Seit es 1991 die Bestimmungen zur Anwesenheit in der Schule obligatorisch machten, die Abwesenheit von der Schule als berechtigt oder nicht berechtigt zu kategorisieren, bestand für die Direktoren die Pflicht zu prüfen, ob die Langzeitabwesenheit wegen Krankheit begründet war. Die daraus resultierende (vertrauliche) Dokumentation aus Arztbriefen und ärztlichen Bescheinigungen zeigte eine große Bandbreite von Ergebnissen, gekoppelt an die geographische Lage der sechs Gebiete, die in dieser Studie untersucht wurden. 51o/o der Fälle von Langzeitabwesenheit wegen Krankheit (bei 333 A24 Schülern) wurden als ME/CFS identifiziert, obwohl die Kriterien für die Seite 18 @ "ME/CFS bei Kindern und Jugendlichen"" Fatigatio e.V. Diagnose nicht in jedem Fall spezifiziert wurden. Die nächst größere Gruppe Krebs und Leukämie - umfasste 23o/o. Die Diagnose war deutlich in Verbindung zt) bringen mit Häufungen von Fällen, unterschiedlicher Prevalenz in geographischen Regionen, einer deutlichen Erhöhung des weiblichen Anteils nach der Pubertät und anhaltenden Schwierigkeiten bei den Möglichkeiten von Schule und Ausbildung. Schätzungsweise 70 Jugendliche von 100.000 Personen Q,A7%) erkrankten an ME/CFS, mit dem höchsten Vorkommen bei 1s-jährigen. (Die Erkrankungsrate im Lehrerkollegium lag mit 0.5o/o erheblich über dem Bevölkerungsdurchschnitt. ) Ein Beweis für die Effektivität eines differenzierten Unterrichtsmodus für Kinder mit ME/CFS war die Tatsache, dass Schüler seltener ganz aus der Schule genommen werden musster, wenn in verstärktem Ausmaß Unterricht ztJ Hause mit einem angepassten Stundenplan anboten wurde. In einer Studie in zwei Londoner Stadtteilen darunter eine, deren Schulbehörde auch an der Erhebung von Dowsett und Colby beteiligt war fand Dr. M. L. Anomand (1997) das gleiche Gesamtvorkommen (0,07o/o) in Merton und Sutton zusammen. Bei gleicher Bevölkerungszahl war die Verbreitung in diesen zwei benachbarten Stadtteilen jedoch sehr unterschiedlich, was auf eine Häufung von ME/CFS-Fällen schließen 2.5 Prognose Zum gegenwärtigen Zeitpunkt liegen nicht ge- nug Erkenntnisse vor, um zur Prognose eine definitive Aussage machen zu können. Mehrere Autoren haben Follow-up-Studien zu Patienten mit ME/CFS im Kindesalter veröffentlicht. Date und Strauss (7 992) nehmen äh, dass junge Patienten mit ME/CFS innerhalb der ersten 1 oder 2 Jahre eine hohe Wahrscheinlichkeit haben, gesund zu werden, während die Chancen nach längerer Krankheitsphase geringer werden. 1985 gab es in Lyndonville im Staat New York einen Ausbruch, über den Dr. David Bell schreibt: "104 Patienten wurden identifiziert, die rückblickend die ME/CFS-Kriterien erfüllten . 44 Patienten waren unter 18 Jahren. Alle wurden über mindestens 2 Jahre weiter beobachtet, und in diesem Zeitraum waren nur vier Kinder komplett genesen." (Bell, 1992). Bei einer Konferenz 1998 präsentierte David Bell Erkenntnisse einer Follow-up-Studie, die zeigte, dass nach 15 Jahren 2Ao/o der Patienten nicht gesundet waren. In den USA ermittelte Feder (1994) nach 5 Jah- ren eine Genesungsrate von 90o/o, wobei die meisten sich in den ersten 2 Jahren erholt hatten. Es handelte sich um eine ausgewählte Gruppe von leicht bis mäßig kranken Kindern eines Bezirkes, wobei stärker beeinträchtigte Kinder nicht eingeschlossen waren. lässt. "Alle Follow-up-Sf udien berichten von einer Eine Studie in San Francisco, deren Aussagen auf zufällig ausgewählten Telefonbefragungen Verbesseru ng oder Genesung in über 50% aller Fälle. ln der Tat ist auffällig, dass einige Kin- basieren, ergab (Sfee/e, 1996) 2 Fälle von 1.000 Personen bei einer Gesamtzahl von 17.000 Befragten, deren selbst berichtete Symp- tome den Fukuda-Kriterien für CFS entsprachen. Unerklärliche chronische Müdigkeit war bei Befragten unter 18 Jahren extrem selten. Unter 11 Jahren wurde kein Fall gefunden, aber das könnte durch die strikte Anwendung der Kriterien bedingt sein. Das Vorkommen bei Jugendlichen war folglich geringer als in der Erwachsenengruppe. Eine weitere Analyse dieser Daten lässt den Rückschluss auf weniger als 0,2o/o oder 2 von 1.000 Betroffenen bei den Erwachsenen zu, vermutlich die Hälfte dieser Anzahl bei den Jugendlichen. (Anmerkung der Übersetzer: lnzwischen sind in den USA weitere Studien zur Prävalenz von CFS abgesch/ossen worden. lnformationen dazu auf der Homepage der CDC unter http://www.cdc.gov/ncidod/ drseaseVcfs/i ndex. htm ) jeder Gruppe massiy erschöpft und behindert bleiben. Möglicherwerse repräsentieren die Kinder, die nicht geneseft, eine Untergruppe von Kindern mit CFS (ME). Sie leiden eventuell unter einer schwereren Erkrankungsform oder unterscheiden sich durch andere wichtige (körperliche) Eigenschaften. Bell (1995) berichtete, dass drese Gruppe mit anhaltenden Beeinträchtigungen von Beginn an unter heftigeren Symptomen litt, die zu gravierenden Einschränkungen der Aktivität führte. Zudem neigen die Patienten vermehft zu schweren neurologischen Symptomen wie Muskelzuckungen, Mrsse mpfindungen und Taubherfsgefühl sowie anfallsartigen Episoden." (Jordan et al., 1998) Auf Grund klinischer Erfahrungen wird davon ausgegangen, dass jüngere Kinder eher vollständig genesen als Erwachsene. Es zeigt sich aber auch, dass kleine Kinder mit schleichendem Beginn der Erkrankung mit einem de,r Seite 19 @ "ME/CFS bei Kindern und Jugendlichen"" Fatigatio e.V. langwierigeren Heilungsprozess rechnen müssen. Charakteristisch für ME/CFS sind Schwankungen in Bezug auf vorhandene Energie und Symptome, die mit wochen- oder monatelanger (vorübergehender) Besserung und anschließenden Rückschlägen einhergehen. Diese sind für gewöhnlich die Folge von Stress oder Überanstrengung. Scheinbar geheilte Kinder sollten vorgestellt wurde, kommt zu dem Schluss, dass es keine klaren Messergebnisse gibt, die den Verlauf der Krankheit im Einzelnen voraussagen können (Bell, 1996). daher ungefähr ein Jahr lang vorsichtig mit sportlichen Aktivitäten umgehen. Sehr schwer messen, anschließend in S-Minuten-Abständen im Stehen. erkrankte Kinder benötigen wohl eine lange Zeit zur Regeneration (t 7 Jahre), aber diese Einschätzung ist in Anbetracht der fehlenden verfässlichen Vergleichszahlen nicht gesichert. "Genesung" bedeutet, die Fähigkeit wieder zt) erlangen, einen im Vergleich zur erwachsenen " N orm a bevö| ke ru n g " akzepta blen Lebe n ssti I zu führen. Die Genesung ist in verschiedenen Abstufungen möglich: Von der Rückkehr auf ein tolerierbares Energieniveau bei entsprechender Lebensweise bis hin zur vollständigen Heilung mit einem Potenzial an Aktivität, das dem vor I t Wird durch Aufueichnung des Blutdrucks im Liegen ge- Bei einem Gesunden bleiben Blutdruck und Puls im Stehen zumindest 1 Stunde unverändert. 2 Diese neurokognitiven Störungen können akute Besorg- nis bei Jugendlichen auslösen, die schnell wieder am Unterricht teilnehmen wollen. Sie müssen feststellen, dass ihre Funktionen nicht normal sind. Es ist nicht sinnvoll, ein Kind ohne vorherige Leistungsbeurteilung wieder zur Schule zu schicken. Deluca und Kollegen (DeLuca, 1997) bestätigen, dass diese kognitive Störung Teil der Erkrankung und keine psychiatrische Begleiterscheinung ist. 3 Kinder mit CFS haben aufgrund ihrer schnellen mentalen Erschöpfbarkeit sehr große Schwierigkeiten mit der Aufnahmefähigkeit; das betrifft Verstehen, Sehen, Hören oder auch Nahrungsaufnahme. oUntersuchungen wie SPECT (Single-Photon-Emission- Möglichenrueise haben viele Menschen, die sich als "geheilt" be- Computertomographie) und PET (Positronenemissionscomputertomographie) sind potentiell hilfreiche Verfahren bei der Diagnose. zeichnen, sich de facto an ein niedrigeres Energieniveau und Anderungen im Lebensstil angepasst. Welche Lebensqualität erreicht worden wäre, wenn die Person gesund geblie- Mit ihrer Hilfe kann man zwischen ME/CFS-Kranken, depressiven Patienten und gesunden Individuen unterscheiden, indem verschiedenartige Durchblutungsmuster der Hirnrinde, des Hirnstammes und der Basalganglia in Entsprechung a) den funktionsgestörten Gehirnregionen der Erkrankung entspricht. aufgezeigt werden (Schwartz, 1994; Cosfa, 1995). Jedoch ben wäre, lässt sich nachträglich nicht sagen. Mit individuellen Prognosen sind wir sehr zurückhaltend. David Bells Studie, die in San Francisco wären diese Tests technisch bei kleinen Kindern nicht leicht durchzuführen und zum gegenwärtigen Zeitpunkt werden sie nur für die Forschung verwendet. 3. Aspekte zu Schule und Ausbildung 3.1 Einführung Seit 1994 sind in Großbritannien (gemäß Abschnitt 298 des "Education Act") alle lokalen Schulbehörden angehalten, bestmög liche Bildungschancen auch dann zu bieten, wenn Schüler aus gesundheitlichen Gründen die Schule nicht besuchen können. Dieses kann durch häuslichen Unterricht, Krankenhausschulen oder andere Elnrichtungen oder durch Zusammenarbeit mehrerer Einrichtungen geschehen. Zusätzlich "müssen die Schulen größtmögliche Vorsorge für Schüler mit speziellen Bedürfnissen treffen." ( Education Act 1993, Code af Practice) ME/CFS wird oft zu einer anhaltenden, chronischen Erkrankung, die häufiger als andere Leiden mit lang dauerndem Fernbleiben von der Schule verbunden ist (Dowsett und Colby, 1 ee7). Wenn die Rückkehr in den Unterricht zu früh oder nicht Schritt für Schritt erfolgt, kann es zu schweren Rückfällen kommen. Dies besonders, wenn zusätzlich hohe Anforderungen an das sportliche Leistungsvermögen (auch in Bezug auf Prüfungen) gestellt werden. Kognitive Probleme verschlimmern sich durch körperliche und geistige Überanstrengung (Bell, 1995; DeLucä, 1997). Seite 20 @ Fatigatio e.V. "ME/CFS bei Kindern und Jugendlichen" der Lage, ein paar Geldstücke zusammen zu zählen, obwohl er den wert der einzelnen Mün- Aufgrund dieser Faktoren gehört ME/CFS in die Gruppe der gesundheitlichen Beeinträchtigungen mit speziellen Anforderungen an Erziehung und Ausbildung. zen benennen kann. Schüler können einfache mathematische Kurven und Tabellen nicht mehr verstehen, obgleich sie wissen, was jede Figur tI separat darstellt. 3.2 Bildungsziele 3.3.3 Kognitive Erschöpfung Schulische Bildung lässt sich vereinfacht definieren als a) Erwerb von Wissen und Fähigkeiten, b) Hilfe zum eigenständigen Lernen, c) Entwicklung einer individuellen Persönlichkeit und Leistungsfähigkeit als Mitglied der Gesellschaft. Schulische Bildung für Kinder und Jugendliche mit ME/CFS muss auf ihre besonderen Bedürfnisse zugeschnitten sein, um diese Aufgaben zu erfüllen. 3.3 Auswirkungen von ME/CFS auf die kognitiven Funktionen 3.3.1 Sprache: Hören, Sprechen, Verstehen Die Sprachfähigkeit bei ME/CFS-Kranken kann sehr stark beeinträchtigt sein. Der Schüler leidet möglicherweise unter Wortfindungsstörungen und ist nicht in der Lage, einfache Worte zu wiederholen oder geschriebene worte zu erfassen. Beim Sprechen kann es zu Lallen , zu Verwechslung in der Abfolge von Worten und zur Aussprache von anderen als den beabsichtigen Worten kommen. Das Kind folgt möglicherweise den Ausführungen des Lehrers, indem es jedes gesprochene wort einzeln wahrnimmt, ohne den Gesamtzusammenhang erfassen zu können, so als ob der Lehrer in einer fremden Sprache spricht. Für ME/CFS-kranke Schüler kann Sprechen schwierig und sehr erschöpfend sein. Der Schüler kann Worte vergessen oder er redet leise und langsam, weil es körperlich kraftraubend ist, lauter zu sprechen. Dies kann fälschlich als depressives Verhalten interpretiert werden. Kognitive Erschöpfung bedeutet die Unfähigkeit, sich über einen normalen Zeitraum zu konzentrieren. Die Fähigkeit des Schülers, sich auf eine geistige Aufgabe zu fokussieren, ist derart eingeschränkt, dass Schwierigkeiten auftreten, den Stundenplan einzuhalten und für Prüfungen zu lernen. Mit Anstrengungen fortzufahren, auch wenn die Erschöpfung eingesetzt hat, verschlimmert üblicherweise die Symptome erheblich. Das Gehirn ist nicht in der Lage weitezumachen. Falls das Kind sich bemüht, seine geistige Arbeit fortzusetzen, verschlimmert sich sein körperlicher Zustand an einem der folgenden Tage. wenn diese kognitiven Defizite nicht hinreichend berücksichtigt werden, tragen Lehrer möglicherweise unabsichtlich zum Schulstress des Kindes bei, indem sie ihm Faulheit oder Unaufmerksam keit unterstellen. 3.4 Auswirkungen von ME/CFS auf die körperl iche Leistu ngsfäh ig keit Bewegung verlangt dem ME/CFS-kranken Kind größte Anstrengungen ab. Es ist bekannt, das sportliche Überaktivität zu Rückfällen führen kann (Lapp, 7 997; Bell, 1995). Es besteht die begründete Annahme, dass der körperliche Einsatz, der im Schulsport verlangt wird, schädlich sein kann und zur Verschlimmerung der Krankheit beiträ gt (Vereker 1992). Aufrechtes Sitzen auf einem Stuhl kann zu Schmerzen und Erschöpfung führen, die sich auf die Konzentrationsfähigkeit auswirken. Das Tragen von Schultaschen und Büchern kann für den Schüler ebenfalls eine Belastung darstellen. Eventuell ist das Schreiben mit der Hand nicht über einen längeren Zeitraum möglich. Das Sprechen wird schwierig, Singen beinahe unmöglich. 3.3.2 Mathematische Fähigkeiten Die rechnerischen Fähigkeiten können ebenfalls sehr stark beeinträchtigt sein, und das nicht nur im Bereich höherer Zahlen. So ist der Schüler beispielsweise vielleicht nicht mehr in 3.5 Auswirkungen auf den Schulbesuch Die Schule ist wohl nicht der ideale ort, än dem sich ein Kind oder ein Jugendlicher mit ME/CFS entfalten und bilden kann: Seite 21 @ "ME/CFS bei Kindern und Jugendlichen" Fatigatio e.V. Schüler sind mitunter zu müde, uffi Wege zwischen Unterrichtsräumen zu bewältigen und Bücher oder Schulmaterialien herumzutragen, wie es vor allem im Kurssystem der Oberstufe nötig ist. (ln diesem Alter sind die meisten Erkrankungen an ME/CFS zu verzeichnen.) Die jungen ME/CFS-Patienten sind besonders licht- und geräuschempfindlich. Sie reagieren sensibel auf Temperaturschwankungen und Gerüche. Das in Schulen übliche Neonlicht sowie direkte Sonneneinstrahlung kann ihnen unerträglich sein. Gewöhnlicher Lärm im Klassenzimmer oder die Geräuschkulisse in der Aula oder der Mensa bereitet ihnen größtes Unbehagen. lm Normalfall harmlose Ausdünstungen von Chemikalien, die im naturwissenschaftlichen Unterricht, beim Putzen oder in Kunsträumen vorkommen, können bei diesen Schülern Kopfschmerzen, ÜOelfeit und Brech reizverursachen. Da dem ME/CFS-kranken Schüler häufig ungewöhnlich kalt oder warm ist, muss er sich möglicherweise mehrmals am Tag Kleidungsstücke an- oder ausziehen Kinder mit ME/CFS brauchen eventuell die Möglichkeit, Essen auch außerhalb der Pausenzeiten einzunehmen. Sonst kann es zu Symptomen kommen, die auf Schwankungen bzw. niedrige Werte des Blutzuckerspiegels hindeuten, was bei dieser Erkrankung sehr häufig ist. Appetitlosigkeit, ÜOetfeit oder Nahrungsmittelintoleranzen können das Kind dazu zwingen, bestimmte Lebensmittel zu sich zu nehmen oder zu meiden. Möglicherweise besucht der ME/CFS-kranke Schüler die Toilette in häufigeren Abständen als andere Schüler. Diese sind oft weit von den Klassenräumen entfernt. ME/CFS geht häufig mit einer Umkehrung des Tag- und Nachtrhythmus einher, was dazu führen kann, dass der Schüler morgens im Unterricht einschläft. Bei unvorhersehbaren Stimmungsschwankungen, lrritationen oder Erschöpfung kann das Kind schläfrig, verwirrt oder emotional "high" wirken, was einer einfühlsamen Reaktion seitens des Lehrpersonals bedarf. Schulen mit ME/CFS-kranken Kindern müssen diese Probleme berücksichtigen und überlegen, wie sie flexibel auf die speziellen Erfordernisse reagieren können. In folgenden Bereichen sollten Vorkehrungen getroffen werden: a) Anderung des Stundenplans, Anwesenheit nur in Teilzeit, b) Möglichkeiten zum Ausruhen während der Schulzeit, c) Berücksichtigung von Besonderheiten bei der Ernährung (Diäten), d) Unterstützung, um Wege auf dem Schulgelände besser bewältigen zu können und beim Tragen der Schultasche; evtl. mittels eines Rollstuhls, uffi Energie zu sparen, e) finanzielle Unterstützung, z. B. seitens der Schulbehörde, für den Transport zur und von der Schule, uffi die Anstrengungen des Schulweges zu minimieren, 0 Befreiung von Unterricht, der körperliche Anstrengung beinhaltet: Sport- und Schwimmunterricht. 3. 6 Besondere pädagogische Bedürfnisse Schulpsychologen In Fällen von längerer Schulabwesenheit wegen Krankheit ist es ratsam, mit dem Schulpsychologen Kontakt aufzunehmen. Ein Schulpsychologe wird Verständnis für die seelische Lage der erkrankten Kinder und ihrer pädagogischen Bedürfnisse aufbringen. E/Sie wird den Eltern und der Schule Lösungsvorschläge für ein flexibles Eingehen auf die kindlichen Probleme anbieten können t I 3.7 Das Unterrichten von Schülern mit ME/CFS Schwerstkranke, bettlägerige Kinder und Jugendliche bleiben normalerweise während ihrer voraussichtlich langen Rekonvaleszenz bei ihrer Schule angemeldet. Die Fähigkeit, zuhause wieder mit Schulaufgaben zu beginnen, tritt lange vor der körperlichen Stabilität ein, die eine Teilnahme am Schulunterricht erlaubt. Wenn eine längere Konzentrationsphase ohne nachfolgende Verschlimmerung der Symptome möglich ist, kann an Heimunterrichtung durch Lehrer gedacht werden (siehe 3.8). Heimunterricht ist zwar gewöhnlich nur für einen kuzen Zeitraum angelegt, aber in der Praxis akzeptieren die Schulbehörden, dass es bei ME/CFS eines längeren außerschulischen Arrangements bedarf und entscheiden entsprechend Seite 22 @ Fatigatio e.V. "ME/CFS bei Kindern und Jugendlichen" Das Dilemma, dem sich Schule, Behördenvertreter und Arzte ausgesetzt sehen, besteht darin, den besten Zeitpunkt für die Rückkehr in die Schule zu finden. Dabei sollte bedacht wer-, den, dass die Vermittlung von wissen oberste Priorität genießt t ], und dass es zweitrangig ist, in welchem Umfeld dies geschieht. Das Lernumfeld muss darauf ausgerichtet sein, bestmögliche Leistungsergebnisse zu begünstigen. Daher sollte die Entscheidung für einen Schulbesuch nicht aus dem Grund getroffen werden, dass es der Norm entspricht oder weil das Kind wieder Kontakt zu Gleichaltrigen bekommen soll (dies kann separat organisiert werden) oder weil es billiger ist. Bei der Auswahl der besten Lernumgebung für ein Kind mit ME/CFS sind die Auswirkungen der körperlichen und mentalen Anstrengungen zL) beachten. Bei der Erkrankung an ME/CFS besteht üblicherweise eine zeitliche Differenz zwischen Anstrengung und daraus resultierenden Symptomen und Einschränkungen. Diese können bis zu 72 Stunden später auftreten und sind für Lehrer und Heimtutoren nicht immer wahrnehmbar. In der Regel kennen Lehrer und Experten lediglich die elterlichen Beschreibungen der nach Anstrengungen auftretenden Symptome, was zu einem Verständnisdeftzit zwischen den Beteiligten führen kann. Eltern wird daher manchmal eine Überbehütung ihres Kindes vorgeworfen. t ] Es ist zu beachten, dass ein ME/cFS-Kranker für kurze Zeit (beispielsweise während eines Besuches von Schul- oder Behördenvertretern) recht große Anstrengungen bewältigen kann. Die (britische) [Anm. d. übers.] Regierung unterstreicht in ihren Publikationer, dass Eltern partnerschaftlich in die Entscheidungen um ihre Kinder mit einbezogen werden sollen. Arzte und Schulbehörden sollten diesem Prinzip Rechnung tragen. 3.8 Gesundung und Bildung als Einheit ME/CFS-kranke Schüler brauchen ein flexibles Unterrichtssystem, das ihrem Gesundheitszustand angepasst ist. Ein "Gemeinsamer Gesundheits- u. Unterrichtsplan", effipfohlen von der Nationalen Gesellschaft für die Unterrichtung Kranker Kinder (N.A.E"S.C. = National Association for the Education of Sick Children), bietet sich auf individueller Basis an. t I Der "Gemeinsame Gesundheits- und unter- richtsplan!' beinhaltet - außer in leichteren Fällen - die zeitweise unterrichtung außerhalb der schule. In manchen Gegenden wird eine Kombination von einrichtungszentriertem Unterricht und Fernunterricht für Kinder und Jugendliche zur Verfügung stehen, die an sich Lernen könnten, aber noch nicht in der Lage sind, einen kompletten Schultag zu bewältigen. Oft besteht jedoch die Möglichkeit, das Kind zuhause zu unterrichten. Die Stundenzahl muss dem Gesundheitszustand angepasst sein und der Unterricht sollte zu der Tageszeit abgehalten werden, in der bestmögliche Resultate beim Lernen erzielt werden können. Die meisten ME/CFS-Patienten können sich nicht vor dem späten Vormittag oder vor dem Nachmittag konzentrieren. Wenn Lehrer der eigenen Schule bereit sind, den Heimunterricht zu übernehmen, ist es sinnvoller, sich von ihnen den Stoff nach Schulschluss erklären zu lassen, als fremde Lehrer zu involvieren. Das Kind behält so den engen Kontakt zur Schule und wird sich weniger isoliert fühlen. tI Das baut Selbstbewusstsein auf und fördert den Rehabilitationsprozess. Ein ME/CFS-krankes Kind zurück in die Schule zu schicken, zählt nicht als Rehabilitation, wenn dadurch die Schulleistung gemindert wird. Ein anderes Bildungsmodell stellen Krankenhausschulen dar, die eine behindertenfreundIiche Umgebung aufweisen. Lehrer-Besuchsdienste sind eine (neue) Entwicklung t..], die interessante Möglichkeiten bietet. Fernunterricht durch moderne Technologien ist eine zukunftsträchtige Option für ME/CFS-kranke Schüler, die über Fax, Computer, Internet und E-mail verfügen. Ein wichtiges Anliegen des "Gemeinsamen Gesundheits- u. Unterrichtsplanes" ist CIs, unnötige Stressfaktoren zu eliminieren und die Möglichkeit für körperliche Erholung und akademisches Lernen zu maximieren. Es ist wichtig, dass kundige Fachleute die Zukunftsaussichten immer ehrlich und realistisch mit dem betroffenen Kind und seiner Familie besprechen. Die Jugendlichen sollten auch ermutigt werden, sich bewusst zu macheo, dass es das g anze Leben hindurch Lern- und Weiterbildungsmöglichkeiten geben wird. Seite 23 @ "ME/CFS bei Kindern und Jugendlichen" Fatigatio e.V. t.. I Es ist ratsam, den "Gemeinsamen Gesundheits- u. Unterrichtsplan" regelmäßig auf den neuesten Stand zu bringen, um zu gewährleisten, dass den medizinischen und schulischen Bedürfnissen des Kindes Rechnung getragen wird. Es hat sich gezeigt, dass Kinder eher im Schulsystem verbleiben, wenn die Schulämter Ansatz zu (Higgins, 1996). Er sollte gut über die Bedürfnisse der ME/CFS-kranken Kinder Bescheid wissen. Auch Personen, die eine gute Kenntnis der Krankheit haben, wie Vertreter von Selbsthilfevereinen, können wertvollen Rat an- (LEA) in der Lage sind, eine ftexible Antwort auf die komplexen Erfordernisse ihrer Erkrankung an ME/CFS zu finden (Dowsett und Colby, im leen. 3.9 Soziale Kontakte Soziale Kontakte sind wichtig, aber aufgrund der von der Erkrankung auferlegten Grenzen ist es am besten, sie getrennt vom Schulbesuch zu betrachten. Während einer länger andauernden Erholungsphase kann eine Kombination zwischen Heimunterricht und separaten Kontakten mit Gleichaltrigen eine gute Regelung darstellen. Ein Schüler kann durch lange Fehlzeiten von seinen Freunden isoliert werden, daher sollten zusätzliche Möglichkeiten für soziale Kontakte in und außerhalb der Schule organisiert werden . (2.8. durch Se/bsthilfegruppen.) t ] Die Aufklärung der Freunde über die Erkrankung an ME/CFS ist ein wichtiger Teil der Sozialisation, damit die positive Wirkung der Außenkontakte nicht durch negative Bemerkungen (2.8. die Abwesenheit von der Schule oder die Sonderregelungen im Unterricht) unterminiert wird. Informationen für Freunde und Lehrer sind bei Selbsthilfegruppen zu beziehen. (siehe Anhang) Das frühzeitige Einsetzen der Erschöpfung verkompliziert die Kontaktpflege zu Gleichaltrigen. Gesellige Aktivitäten, Besuche und Telefonanrufe müssen so gelegt werden, dass eine Ermüdung vermieden werden kann. Freundschaften über größere Entfernungen lassen sich z. B. per Internet [...J aufrechterhalten. bieten. Es ist wichtig, dass Arzte, insbesondere die, die Schuldienst arbeit€n, gute Informationen über die diversen Unterrichtungsmöglichkeiten für Kinder besitzen. Kommunale Schulämter (LEAs) sollten die Mediziner über alle Möglichkeiten informieren, mit dem Ziel, so flexibel wie möglich zu sein. Das befähigt den Arzt, Empfehlungen zu geben, die die schulischen Bedürfnisse des Kindes auf lange Sicht unterstützen. Gemäß den Prinzipien, Behinderte immer in die Organisation rund um ihre Bedürfnisse mit einzubeziehen, sollten Selbsthilfegruppen als respektierte Partner in der Planung und als wichtige Informationsquelle gesehen werden t 1 ldealerweise sollte das Schulkind ein Teil des Teams sein, das die Entscheidungen über seine zukünftige Bildung fällt. Um wirklich effizient zt) sein, muss es sich um ein echtes Einbeziehen handeln nicht nur um eine scheinbare Besprechung, gefolgt von Entscheidungen, die die Meinung des Kindes ignorieren. Dies ist sowohl im Bildungs- als auch im medizinischen Bereich wichtig (Cooper, 1997), um eine EntfremdL,rng von den Fachleuten zu vermeiden, die zu helfen versuchen. Die aufrichtige Beteiligung der Patienten und Schüler an den Entscheidungen muss von den Experten nicht als Infragestellung ihrer Kompetenz verstanden werden, denn am Schluss wird wahrscheinlich ein befriedigenderer Behand: lungsplan herauskommen. Vielleicht setzt sich das Schulkind zeitweise sogar ehrgeizigere Ziele als die Fachleute. t1 3,12 Prüfungen und Examina 3.10 Die Wichtigkeit eines i nterd iszi pl i nä ren Ansatzes tI In Übereinstimmung mit den Empfehlungen der (britischen) Regierung sollten alle Personen, die sich um kranke Kinder kümmern, koordiniert zusammenarbeiten. Dieser Ansatz sollte das Schulsystem einschließen. Dem Schulpsychologen fällt eine Schlüsselrolle in dem koordinierten Kinder mit ME/CFS sind unter normalen Prüfungsbedingungen stark gehandicapt, denn diese setzen folgendes voraus: a) Körperliche Anstrengung, uffi ein Prüfungszentrum zu erreichen, b) Konzentration über einen längeren Zeitrauffi, Seite 24 @ "ME/CFS bei Kindern und Jugendlichen" Fatigatio e.V. c) Anwesenheit in einer bestimmten Umgebung, die nicht für ihre Behinderung vorgesehen ist, d) Prüfungen zu ungünstig en Zeiten, e) Prüfungsterminpläne, die sich auf ein paar Tage konzentrieren, wobei keine ausreichenden Erholungspausen zwischen den Prüfungen vorgesehen sind. Aus diesen Gründen sollten Sonderregelungen für Schüler mit ME/CFS in Betracht gezogen werden. Eine bessere Note ließe sich ezielen, wenn ein Schulkind an einer Prüfung zuhause teilnehmen dürfte - zu einer günstigen Tageszeit und mit Prüfungspausen zur mentalen Erholung. Die meisten Prüflinge mit neurologischen Funktionsstörungen werden sich für eine zusätzliche Prüfungszeit von 25 % qualifizieren. tI Schüler mit ME/CFS und ihre Familien sollten sich rechtzeitig beim Schulamt über die in den Schulverordnungen enthaltenen Sonderregelungen und Prüfungsmodalitäten informieren. Diese sind nämlich in der Regel nicht hinreichend bekannt. Die Lehrer der betroffenen Schüler sollten ebenfalls Einblick in diese Prüfungsregelungen erhalten. Gleiches gilt für die behandelnden Arzte. [...] Eine Ergänzung in Bezug auf die Beschulung kranker Kinder in Deutschland, dargestellt an den Rege lungen für NordrheinWestfalen, finden Sie im Scälus skapitet diese r Broschüre, S 44 ff. Redaktion CFS-Fo rum 4. Soziale Aspekte 4.1 Staatliche Hilfen Die sozialen Verhälfnisse bzw. sozialrechtliche Fesf/e gungen in England sind auf Deutschland nicht übertragbar. Daher haben wir den Abschnitt 4.1 von Ser'fen der Redaktion CFSForum ersetzt: Schure Kinder engagiAren, raten jedoch von einem Schwe rbehindertenausweis ab, da dieser - gerade bei Aussicht auf eine mögliche Genesung mehr Nachteile a/s Nutzen yersp richt. So /nuss die Schwe rbehinderung beispielsweise bei einer Bewerbung um einen Ausbildungsplatz angegeben werden. rbehinderung Zuständig für den Antrag auf Genehmigung Pflegevers icherung eines Schure rbehindertenauswe,rses rsf das Versorgungsamt. Entschieden wird in der Regel per Aktenlage, sodass der Krankheifsve rlauf gut dokumentiert sein sollte. Die Erkrankung /nuss länger andauern und in den folgenden sechs Monaten darf keine Aussicht auf Eesse rung öesfe hen. Der Grad der Schure rbehinderung wird nur vorübergehend bestimmt. Viele Se/bsthilfegruppen, die sich für kranke lnfarmationen zum Erhalt von Pflegegeld (2. B. bei andauernder Bettlägerigkeit des Kindes) erhalten S,'e bei lhrem Arzt und der Krankenkasse" 4.2 Nichtstaatliche U nte rstützu n gsa n ge bote Will man die Bedürfnisse von Kindern und Jugendlichen mit ME/CFS herausfinden, befragt Seite 25 Fatigatio e.V. "ME/CFS bei Kindern und Jugendlichen" 4.2.1 Praktische Bedürfnisse "Es sollte mehr lnformationen geben. Es isf schwer zu erklären, warum man kein geselliges Leben führen kann, oder warum man nicht stehen oder weit gehen kann. lch habe wirklich nutzlose Rafsc hläge von meinen Freunden bekommen, die dachten, dass sie Antworten für meine Probleme kennen." 1991 untersuchte eine Arbeitsgruppe unter Leitung von Dr. Elizabeth Dowsett die speziellen Probleme von Kindern und Jugendlichen mit ME/CFS. Es wurden 600 Fragebögen verschickt, von denen 500 beantwortet wurden. Die schriftlichen Kommentare fanden Eingang in ein Selbsthilfebuch für junge Menschen mit ME/CFS (Moss, 1996). Während der Forschung zu diesem Buch wurden aus einer Auswahl von 100 Fragebögen die häufigsten Bedürfnisse junger Leute ermittelt. Diese waren: o o wünschten sich Informationen, um die Erkrankung an ME/CFS ihren Freunden, der Familie, Arzten und Lehrern (besser) erklären zu können 48o/o benötigten Informationen, wie man mit ME/CFS zurecht kommt. o 15o/o wollten Kontakt mit anderen Betroffenen herstellen. o 18o/o hatten kein klar definiertes Bedürfnis. 1996, fünf Jahre später, wurden über 2000 Briefe als Reaktion auf einen Artikel über die Erfahrung eines Kindes mit ME/CFS an eine Tageszeitung geschickt. Dieselbe Forscherin wertete eine Zufallsauswahl von 100 Briefen aus. Wieder waren die häufigsten Bedürfnisse: o 514/o brauchten Informationen, um ME/CFS Freunden, Familie und Fachleuten näher zu bringen. o 17o/o wünschten sich Informationen, wie man mit ME/CFS zurecht kommt. o 12o/o wotlten Kontakt mit anderen Betroffenen herstellen. o 19o/o 20o/o hatten kein klar definiertes Bedürfnis. ZweiZitate aus den Rücksendungen: Bedürfnisse %im %im Jahr 1990 Jahr 1996 Informationen, um ME/CFS zu erklären 48 51 Informationen, wie man mit ME/CFS zurechtkommt 19 17 Kontakt mit anderen 15 12 Kein spezielles Bedürfnis 18 20 "Änte sagen zu mir: 'Geh nach Hause und ruh dich ein wenig aus', aber ich weiß nicht, was sie damit erreichen wollen." 4.2.2 Emotionale Bedürfnisse Die emotionale Verfassung, in der sich die jungen Leute befanden, wurde durch die frei formulierten Kommentare beider Studien ermittelt: 1990 hatten . 620/o ein geringes Selbstwertgefühl, 9% ein hohes Selbstwertgefühl und 29% hatten keine klar definierbare emotionale Verfassung. 1 996 hatten: 7 5o/o ein geringes Selbstwertgefühl, 5% ein hohes Selbstwertgefühl und 2A% hatten keine klar definierbare emotionale Verfassung Zwei Zitate aus den Beschreibungen: "'Es isf so schwer, die Hoffnung nicht zu verlieren." "Das Leben zieht an mir vorbei. Und ich bin ersf 16." Viele Kinder und Jugendliche sind von Gleichaltrigen, von den Fachleuten, die sich mit ihnen befassen, und sogar von Familienmitgliedern isoliert und entfremdet, weil sie den Eindruck haben, dass sie falsch verstanden werden, dass man ihre Krankheit für belanglos hält und ihnen einfach nicht zugehört wird. Diese Kinder und Jugendlichen haben eine doppelte Belastung zu tragen, die beinahe unerträglich sein muss: Sie haben nicht nur eine Erkrankung, die praktisch jeden Aspekt ihres Lebens beeinflusst und zerstört, sondern sie nehmen auch noch genau wahr, dass ihre Umwelt gar nicht zu verstehen versucht, was diese Krankheit wirklich bedeutet und was sie für Folgen hat. Einige junge Leute ziehen sich lieber in die lsolation zurück, als mit Bemerkungen und Gesprächen fertig zu werden, die verletzend und beleidigend Seite 26 @ "ME/CFS bei Kindern und Jugendlichen" Fatigatio e.V. sind. MEICFS ist eine Krankheit, deren Ein- schätzung in der Medizin sich in der Schwebe befindet. Es ist schon für Erwachsene schlimm genug, mit einer Krankheit zurecht zu kommen, für die es keinen anerkannten Namen, keine Behandlung und keine verlässliche Prognose gibt. Für Kinder, denen - selbst wenn sie gesund sind - oft nicht zugehört wird oder die nicht ernst genommen werden, muss es besonders schwer sein zu fühlen, dass nicht verstanden oder anerkennt wird, was sie durchmachen. Hier eine Reihe von Aspekten, die die emotionale Situation der Erkrankten betrifft: Fehlender Kontakt zu Freunden und Gleichaltrigen Wenn Kinder älter sind bzw. in der Pubertät bekommen Beziehungen -u Altersgenossen eine neue Bedeutung. Neue Rollen werden ausprobiert und außerhalb der Schule schließen sich die Jugendlichen verschiedenen sozialen Gruppen an und verlassen sie wieder. In einer kürzlich durchgeführten Studie über das Leben von Teenagern führten Jugendliche mit ME/CFS das Thema "Freunde und Clique" als den wichtigsten Aspekt ihres Leben an. Die schwer Kranken verlieren oft die Vertrautheit und den Spaß, den sie mit Freunden haben können, so dass die Entwicklung der eigenen ldentität durch die Freundschaften schwierig oder unmöglich wird. Sie werden von den anderen zurückgewiesen, weil sie die Schule versäumen. lhnen ist es nicht möglich, sich an sportlichen Aktivitäten oder außerschulischen, spät abendlichen Ereignissen wie Konzerten oder Besuchen in einer Discothek zu beteiligen. Sie werden ausgeschlossen, nur weil sie krank sind. Die schwer Kranken und ans Haus Gefesselten sind von Gleichaltrigen völlig abgeschnitten, weil sie nicht die Kraft haben, Freunde zu besuchen oder auch nur Gespräche am Telefon zu führen. Gesunde junge Leute mit einem geschäftigen, geselligen Tagesablauf verlieren schnell das lnteresse an Kranken. Jugendliche mit ME/CFS müssen mit anseh€h, dass ihre Freunde sich sozial und in schulischer Hinsicht weiterentwikkeln, während sie selbst stehen bleiben und in ihrem Zustand verharren. Verlust der Selbstachtung Für die ldentität und das Selbstwertgefühl der Kinder sind die Auswirkungen ihrer Erkrankung an ME/CFS zutiefst zerstörend, da soziale Beziehungen abbrechen und Freundschaften aufgelöst werden. Der Verlust der Schule, der Freunde, jedes Anflugs von sozialem Leben, von Familienaktivitäten und möglicherweise von Jahren "normaler" Kindheit und Jugend - das geht zwangsläufig zu Lasten der Selbstachtung. Viele solcher jungen Leute werden aufgrund ihrer negativen Erfahrungen mit Medizinern und anderen Menschen "alte Köpfe auf jungen Schultern", was sie noch weiter von ihren glücklicheren Altersgenossen trennt. Es ist eine unserer größten Herausforderungen, das Selbstvertrauen und den Selbstwert dieser Kinder während ihrer fangen, sie isolierenden Krankheit aufzubauen und zu erhalten. Vertrauen und Bestätigung Kinder und Jugendliche müssen genau wie Erwachsene mit der Trivialisierung und der Skepsis gegenüber ihrer Krankheit fertig werden. Sie können jedoch nicht auf die Lebenserfahrung zurückgreifefl, die Erwachsene haben, Außerdem müssen sie noch ohne Unterstützung ihrer Altersgenossen auskommen. Was junge Leute mehr als alles andere brauchen, ist, dass die Auswirkungen von ME/CFS auf ihr Leben erkannt werden. Sie brauchen Menschen, die verstehen, dass sie einen äußerst wichtigen Abschnitt ihres Lebens verlieren, den sie nie wie* der nachholen können. Sie werden nicht noch einmal 12 oder 15 oder 18 sein; diese Zeit ist für immer verloren. Wenn sie niemanden haben, der diesen tiefgehenden Verlust begreift, werden sie sich weigern, über ihre Gefühle zu sprechen, weil sie wissen, dass sie nicht verstanden werden. Demzufolge ist es nicht verwunderlich, wenn sie einen starken Mangel an Vertrauen in Arzte, andere Experten und sogar in Familienmitglieder entwickeln und sich in Einsamkeit und Selbstbezogenheit zurückziehen Unabhängigkeit und Abhängigkeit von anderen Die Pubertät ist naturgemäß die Zeit, sich von den Eltern abzunabeln. Wenn ME/CFS in dieser Phase ausbricht, fallen viele Jugendliche notgedrungen in einen Zustand von Abhängigkeit zurück. Während sie eigentlich ihre Flügel ausbreiten und Flugversuche aus dem Nest wagen solften, sind sie an das Zuhause gefesselt und Seite 27 @ Fatisatio e.V. "ME/CFS bei Kindern und Jugendlichen" werden gewöhnlich von ihren Müttern versorgt. Es ist wichtig, Wege zu finden, die diesen Kinder ermöglicht, etwas Unabhängigkeit erlangen, während sie gleichzeitig versorgt werden. lhnen die Entscheidungen über Kleinigkeiten zu überlassen (z.B.wann sie fernsehen, wann sie essen, wann sie ins Bett gehen), kann ihre negativen Gefühle der Abhängigkeit bereits entscheidend verändern. Ebenso wichtig ist es, junge Leute in Entscheidungen über ihre Pflege einzubeziehen, indem man ihnen zuhört und sie an Diskussionen teilnehmen lässt. Altere Kinder und Jugendliche haben das Recht, so viele Entscheidungen wie möglich zu treffen, zum Beispiel sollten sie mit einer Therapie oder den verabreichten Medikamenten einverstanden sind. Wir sollten nicht unterschätzen, wie gut junge Leute ihre eigenen Bedürfnisse wahrnehmen und wie wichtig es für ihr Selbstbewusstsein ist, bei der Organisation ihres Alltags und des Krankheitsmanagements mit bestimmen zu können. Krankheit als Brennpunkt alltäglichen Lebens Junge Leute kommen am besten zurecht, wenn Eltern und Geschwister sie so "normal" wie möglich behandeln. ME/CFS bestimmt das Familienleben und droht es zu zerstören. Da alle Familienmitglieden oft tief in Mitleidenschaft gezogen werden, sollten endlose Gespräche über die Krankheit und ihre Symptome vermieden Der Tagesablauf sollte so gestaltet werden, dass sich der junge Patient weniger als Belastung und auch weniger im Zentrum der Aufmerksamkeit fühlt. Viele junge Leute empfinden es als eine enorme Erleichterung, über etwas anderes als ihre Krankheit zu sprechen, während gleichzeitig auf ihre schwierigen Lage Rücksicht genommen wird. Dieser Balanceakt ist nicht einfach zu erreichen. 4.2.3 Forderungen Jeder, der sich um das Wohl von kranken Kindern sorgt, sollte versuchen, das Selbstbewusstsein der jungen ME/CFS-Patienten zu steigern und leicht zugängliches Informationsmaterial über die Krankheit zu beschaffen (siehe im Anhang die Hinwerse zu Se/bsthilfegruppen und Literaturempfehlungen). Steigerung des Selbstbewusstseins von Kindern und Jugendlichen mit ME/CFS Cotterall beschreibt 1996 zwei entscheidende Prozesse, die während der Pubertät ablaufen: Dies sind die Aneignung von Fähigkeiten und die Entwicklung einer eigenen ldentität. Die Pubertät ist der Lebensabschnitt, in der Jugendliche mit zunehmender Unabhängigkeit ihr eigenes Selbstbild entwickeln, indem sie ihre Gedanken mit denen der anderen vergleichen. Die Cliquenbildung mit Gleichaltrigen ist ein wichtiger Bestandteil der sozialen und emotionalen Entwicklung. Jugendliche mit ME/CFS haben oft nicht die Gelegenheit, zu einer Gruppe Gleichaltriger zu gehören. Diejenigen mit leichterem ME/CFS können vielleicht die Schule zu besuchen, aber ein soziales Leben existiert in der Regel nicht. Diejenigen, die ans Haus oder ans Bett gefesselt sind, verlieren schnell ihre Freunde und ihr Selbstvertrauen. "Jugendliche mit wenig Kontakt zu Gleichaltrigen besitzen ein geringes Selbstvertrauen und entwickeln oft das Gefühl, nichts wert zt) sein." (Wadell, 1984) Jugendliche mit ME/CFS benötigen emotionale Unterstützung, die ihr Selbstvertrauen stärkt und ihnen eine Rückkehr ins soziale Leben und Lernen ermöglicht, wenn sich ihre Gesundheit bessert. Selbsthilfegruppen für Jugendliche mit ME/CFS können den verloren gegangenen Kontakt zu Altersgenossen ersetzen und ermöglichen einen positiveren Ausblick in die Zukunft. Leicht zugängliches, den Bedtirfnissen angepasstes I nformationsmaterial Eine landesweite Öffentlichkeitskampagne wäre ein sehr gutes Mittel, uffi auf die Probleme von Kindern mit ME/CFS aufmerksam zu machen und über das wahre Ausmaß der Krankheit aufzuklären. Für die Kinder sind leicht zugängliche Informationen erforderlich, damit sie ihre Krankheit verstehen und mit ihr effektiv umgehen können. Wir benötigen daher Faltblätter und Bildmaterial, das speziell auf Kinder und Teenager zugeschnitten ist. Dieses Material muss zusätzlich zur Literatur für die Eltern angeboten werden. Informationen über ME/CFS und den Umgang mit den Symptomen sollten in Form von Faltblättern und Videos sowohl für Erwachsene als auch für Jugendliche entworfen und Seite 28 @ "ME/CFS bei Kindern und Jugendlichen" Fatigatio e.V. erstellt werden. Sie sollten sowohl in gedruckter Form bzw. als' Videokassette und auch über das Internet erhältlich sein. (Englischsprachige) Literatur zu ME/CFS und Videos für Kinder, Eltern, Lehrer und Arzte gibt es z.B. bei den Gruppen "Action for ME" und bei "AYME" (siehe den Anhang zu Se/bsthilfeorganisation). Sozialer Kontakt mit Gleichaltrigen Wir müssen ein Netz von ME/CFS-kranken Kindern und Jugendlichen aufbauen, damit sie zusammenarbeiten und miteinander kommunizieren können. Jugendliche haben unterschiedliche Bedürfnisse, daher sollten diverse Austauschmöglichkeiten zur Verfügung stehen. Es existieren (englischsprachige) Zeitschriften und Rundschreiben, die für junge Leute geschrieben worden sind. In Großbritannien und anderen Ländern gibt es auch bereits im Internet Websites für Kinder und Jugendliche mit ME/CFS. Bedürfnisse von Eltern, Unterstützern und Betreuern Es ist unerlässlich, die jungen Patienten bei der Bewältigung ihrer Krankheit einzubeziehen und zu unterstützen. Es dürfen aber auch die emotionalen Auswirkungen auf die Familie, insbesondere auf die vorrangig betreuende Person, nicht unterschätzt werden. Gesundheitsorganisation€o, soziale Einrichtungen und ehrenamtlich tätige ME/CFS-Vereinigungen sollten darauf achten, ein offenes Ohr und fundierten Rat für Eltern und Pflegepersonen anzubieten. 5. Pflege und Betreuung von Kindern und Jugendlichen mit MEI CFS 5.1 Häusliche Pflege Es wird empfohlen, die meisten Kinder in ihrem eigen en Zuhause durch die Arzte vor Ort [...] zu versorgen. Viele Hausä rzte und Schulä rzte sind jedoch nicht ausreichend über die Erkrankung informiert, fühlen sich überfordert und haben wenig Verständnis für die ME/CFS-kranken Kinder. Wir hoffen, dass dieser Bericht eine Hilfe zum Umgang mit den jungen Patienten darstellt. Wir gehen jedoch davon aus, dass jeder Patient und jeder Hausarzt sowohl diagnostische Hilfe als auch sonstige Unterstützung durch einen Kinderarzt braucht. In einigen Fällen hat die Expertise eines Spezialisten rnehr Gewicht, wenn es gilt, ein krankes Kind zu unterstützen und/ oder zu beschützen. Die Selbsthilfeorganisationen halten Literatur zur Diagnosestellung, ztJr Betreuung und zur Bewältigung der Krankheit bereit und sind bemüht, den behandelnden Arzten Informationen zu beschaffen 5.2 Stationäre Betreu u ng Uns ist nicht bekannt, dass es in Krankenhäusem stationäre Einheiten gibt, die sich speziell der Behandlung von Kindern oder Jugendlichen mit ME/CFS widmen. tI Generell sollte ein Krankenhausaufenthalt nur dann in Erwägung gezogen werden, wenn es bestimmte Untersuchungen oder eine Notfallbehandlungen erfordern. Wenn dies der Fall sein sollte, kann es vorkommen, dass die Einweisung entweder auf eine Notfallstation für Kinder oder in die Jugendpsychiatrie erfolgt. Wir erachten beide Möglichkeiten als vollkommen unangebracht für die Bedürfnisse junger ME/CFS-Patienten und würden bei steigender Zahl von Kindern mit ME/CFS kleine regionale Kliniken unter der Leitung eines Kinderaztes mit speziellem Interesse an dieser Krankheit für sinnvoll halten. Dies sollte kombiniert sein mit dem Aufbau engagierter Ambulanzen vor Ort, die mit medizv nischem Personal ausgestattet sein sollten, das über entsprechende Erfahrung und Ausbildung verfügt. Dies würde dazu beitragen, die dezeitige, sehr unbefriedigende Versorgung zu verbessern, von der viele Familien berichten, . Seite 29 "ME/CFS bei Kindern und Jugendlichen" Fatigatio e.V. 6. Zusammenfassung Wir haben uns bemüht, Empfehlungen für die Diagnosestellung und die Bewältigung von ME/CFS bei Kindern und Jugendlichen zusammenzustellen, die nicht nur auf Veröffentlichungen basierefl, sondern auch auf "Erfahrung und Verstand" und auf von den Autoren beobachteten Fakten (Hippokrates, Aphorismen, 1822). Als Mediziner und/oder Pädagogen glauben wir, dass Gesundheit und Eziehung die zwei wesentlichen Bereiche im Leben eines Kindes darstellen. Aber wir sehen auch, dass jede betroffene Familie der Unterstützung an unterschiedlichen Punkten bedarf. Psychologische und emotionale Unterstützung kann manchmal durch medizinische Kollegen erfolg€h, die mit den unvermeidlichen emotionalen und seelischen Problemen Erfahrung haben, die aus einer lang andauernden Erkrankung im Kindesalter resultieren. Zur Zeit besteht eine große Ungewissheit über die genaue Zahl der betroffenen Kinder, die tatsächliche Krankheitsursache sowie die spezifische Behandlung von ME/CFS. Dieser Bericht kann deshalb nicht alle Fragen abschließend beantworten, aber wir hoffen, dass er behandelnden Arzten mit geringerer Erfahrung genügend Informationen liefert, um ihren jungen Patienten zu einer langsamen und effektiven Heilung zu verhelfen und sie mit Respekt und Würde in ihrem Genesungsprozess zt) der Teilnahme einverstanden sein und zen und nach einer Genesung wieder die Schule, das Studium oder die Arbeit aufnehmen können. Absch I ießendes Resümee: o ME/CFS kann bei Jugendlichen und Kindern ab dem 5. Lebensjahr auftretell. o Die Verbreitung von Erkrankungen an ME/CFS bei unter 20-jährigen ist nicht untersucht wordetr, aber sie ist sicherlich geringer als bei Erwachsenen. o begleiten. Darüber hinaus sind Gelder für die Forschung erforderlich, uffi die Ursachen und biologischen Auffälligkeiten dieser Krankheit zu ergründen. Trotz der Schwierigkeiten und dem Mangel an Verständnis für ihr Leiden an ME/CFS erholt sich die Mehrheit der Jugendlichen schließlich soweit, dass sie ein zufriedenstellendes Leben führen können. Die publizierten Studien über Behandlungsmöglichkeiten wie z.B. kognitive Verhaltenstherapie (CBT) und sportliche Übungen mit steigenden Anforderungen ("graded exercises") zeigen widersprüchliche Aussagen zur Wirksamkeit bei ME/CFS. Junge Patienten, denen diese Behandlungsmethoden als Teil ihres Krankheitsmanagements angeboten werden, sollten mit Sorgfalt ausgewählt werden, mit von kundigen Therapeuten mit Erfahrungen zu ME/ CFS angeleitet werden. Wir hoffen, dass die Informationen und Empfehlungen über die Schulausbildung den Lehrern und Schulbehörden genügend Sicherheit geben, damit sie betroffenen jungen Patienten helfen können, das Beste aus ihren Möglichkeiten zu machen, damit die an ME/CFS erkrankten Jugendlichen ihre Ausbildung zu Hause fortset- Die Krankheit hat tiefgreifende Auswirkungen auf die soziale und emotionale Entwickl o u ng der Betroffenen. Eine langfristig unterbrochene (Schul-) Ausbildung kann Auswirkungen auf das spätere Erwerbsleben und die berufliche Karriere haben, o Das Erscheinungsbild der Erkrankung an ME/CFS kann sich r insbesondere bei Kindern unter 10 Jahren - von dem der Erwachsenen u nterscheiden. Kinder leiden vornehmlich unter Symptomen wie Ubelkeit sowie heftigen Kopfu nd U nterlei bsschmer:zell. . Bei Kindern ist es vertretbar, bereits 2 - 3 Monate nach Auftreten der Symptorne eine klinische Diagnose zu stellen. Seite 30 (ö Fatigatio e.V. "ME/CFS bei Kindern und Jugendlichen" Kleinere Kinder haben meistens einen schleichenden Kran kheitsbeginn. Medizinische Untersuchungen sollten auf das Mindestmaß beschränkt werden. Erste Untersuchungen können manchmal auch eine psychologische Begutachtung beinhalten. Beim Krankheitsmanagement sollte die Energie sorgfältig eingeteilt und der Tagesablauf mit dem Kind abgestimmt werden. ("Pacing") Seite 31 Die Krankheitsbewältigung sollte auf Prinztpien beruhen, die sich bewährt haben, und sollte physische, familiären, psychologische u nd erzieherische Aspekte berücksichtigen. viele Kinder genesen ganz oder teilweise innerhalb der ersten zwei Jahre. Einige aber bleiben schwerstkrank und benötigen intensive Pflege. Die Gründe, warum eine Minderheit dauerhaft behindert bleibt, sind zur Zeit noch unklar. @ "ME/CFS bei Kindern und Jugendlichen" Fatigatio e.V. Anhang Ar 1) Andrew: Akuter Beginn von ME/CFS im Alter von 14 Jahren Der 14-iährige Andrew war ein aktiver, extrovertierter Teenager. Eines Tages wurde er plötzlich in der Schule krank und klagte über Fieber, Schwindel, allgemeine Gliederschmerzen, Erbrechen und Kopfschmerzen Ein paar andere Schüler seiner Schule litten in derselben Woche an einer unspezifischen fieberhaften Erkrankung. Andrews Symptome hielten unverändert äfl, sodass er die folgenden vier Wochen bettlägerig blieb. Außerdem litt er an Appetitlosigkeit, übermäßigem Schlafbedürfnis und verlor an Gewicht. In den folgenden drei Monaten besserte sich sein Zustand nicht. Seine Kopf- und Gliederschmerzen waren unverändert stark, er war mental verwirrt, reizbar und niedergeschlagen. Er war so wackelig auf den Beinen, dass er immer umfiel, wenn er aufzustehen versuchte. Bei der medizinischen Untersuchung war er still, reglos - offenbar hatte er Schmezen. Ansonsten fanden sich bis auf einen langsamen Puls von 60 Schlägen pro Minute keine Auffälligkeiten. Die Routine-Blutuntersuchungen waren ohne Befund. Nach 6 Monaten ging es ihm mit fortwährenden Schmerzen und schweren Gleichgewichtsstörungen so schlecht wie zu Beginn der Erkrankung. Er schlief in der Regel 18 Stunden am Tag und zweimal sogar 36 Stunden ohne Unterbrechung. In diesem Stadium hatte Andrew bereits 13 Kilogramm an Gewicht verloren und seine Einweisung ins Krankenhaus stand bevor, wurde dann aber verschoben. Er bekam regelmäßig sanfte passive Physiotherapie, doch für einen Unterricht zuhause ging es ihm noch zu schlecht. Neun Monate nach Krankheitsbeginn hatte er alle vier oder fünf Tage einen "guten Tä9", womit er meinte, dass er vor dem Mittagessen aufwachte. An durchschnittlichen Tagen schlief er immer noch bis zum Nachmittag. 16 Monate nach Krankheitsbeginn berichtete Andrew, dass er sich "großartig"' fühle, da er nur noch 14 Stunden am Tag schlief. Sein Gehirn funktionierte normal und er besuchte Fallstudien die Schule an drei Nachmittagen in der Woche. Danach ging es stetig bergauf und er kehrte schließlich mit dem Verlust zweier ganzer Schuljahre vollständig zur Schule zurück. Mit 2-jähriger Verspätung bestand er seine GCSEs mit hervorragenden Ergebnissen. Nach unseren letzten Informationen war er Schulsprecher und spielte Rugby. 2l G. S.: Ein 1O-jähriges Mädchen mit allmählichem Krankheitsbeginn Ein langsam einsetzender oder fortschreitender Krankheitsbeginn ist bei Kindern nicht ungewöhnlich. G. war ein atopisches Kind, das im ersten Lebensjahr unter Koliken, Ausschlag und Asthma litt und im Alter von zwei und drei Jahren Heuschnupfen und Nahrungsmittelunverträglichkeiten entwickelte. Als sie sechs Jahre war, fiel auf, dass sie beim Schwimmen schneller erschöpft war als ihr jüngerer Bruder. Mit neun Jahren ließ ihr Asthma nach, aber einen Monat später stellten sich bei ihr plötzlich Kopfschmerzen und Müdigkeit ein. Sie wurde zunehmend licht- und geräuschempfindlich, ging aber weiterhin zeitweise zur Schule. lm folgenden Sommer trat eine leichte Besserung ein lm Oktober kehrten ihre Symptome zurück. G. ging auf Geheiß der Arzte weiterhin zur Schule, aber sie sah sehr blass und grau aus und klagte über zunehmende Ermüdung. Während der Weihnachtsferien war sie bereits nach leichter Anstrengung erschöpft, aber sie kehrte im Januar in die Schule zurück, um nach zwei Tagen mit Verdacht auf einen viralen Infekt nach Hause geschickt zu werden. Von diesem Zeitpunkt an kehrten ihre schwere Erschöpfung, ihre Kopfschmerzen und ihre Geräusch- und Lichtüberempfindlichkeit zurück. Durch die Behandlung einer Nebenhöhlenentzündung ging es vorübergehend aufwärts, aber einen Monat später bekam die ganze Familie eine Grippe, die dazu führte, dass G's frühere Symptome rasch in einer schwereren Form zurückkehrten. Diesmal dehnten sich die Schmerzen über ihren ganzen Körper aus, und sie war nach einfachen Aktivitäten wie einem Toilettengang und Essen Seite 32 @ "ME/CFS bei Kindern und Jugendlichen" Fatigatio e.V. sofort erschöpft. Sie schlief übermäßig. Die üblichen Blut- und biochemischen Testergebnisse waren normal. Weitere Symptome folgten: übermäßiger Durst, Zuckungen in Beinen und Händen, schlechte Balance, schwankende Haltung. G. beschrieb, dass ihre Gliedmaßen ihrem Willen nicht "gehorchen" würden. Sie hatte Schwierigkeiten beim Schlucken und erbrach sich. G. litt unter niedriger Körpertemperatur mit kalten Schweißausbrüchen und mangelndem Koordinationsvermögen und sie musste gefüttert werden. Sie konnte sich nicht mehr an die Namen von Freunden und Klassenkameraden erinnern. Es ist wichtig, andere behandelbare Erkrankungen auszuschließen. Weitere Untersuchungen zum Ausschluss.von Krebs- oder Autoimmunerkrankungen verliefen ohne Befund, Ohne vorhandene Diagnose wurde natürlich eine Rehabilitation für eine "selbstauferlegte Krankheit" empfohlen. G's Eltern wiesen diese Einschätzung der Krankheit zurück, weil sie all ihren früheren Krankheitserfah rungen widersprach. Zu Hause konnte sie sich besser entspannen, aber sie lag weiterhin über mehrere Monate einem fast komatösen Zustand. in Eine medikamentöse Behandlung sollte langsam und in geringen Dosen begonnen werden. Um Muskelkontraktionen zu verhindern, wurde G's Mutter in die passive Physiotherapie eingewiesen, die die Bewegungen durchführte, wenn ihre Tochter schlief. Eine Diätassistentin beriet über die Einnahme von zusätztichen Vitaminen und Mineralstoffen. Die Nasensonde musste gelegentlich durch eine Gemeindeschwester ausgetauscht werden Nach drei Monaten konnte sich G. wieder bewegen, aber sie entwickelte heftige unkontrollierte Muskelkrämpfe und Zttteranfälle. Die täglich wiederkehrenden und im Tagesverlauf stärker werdenden Anfälle wurden mit Carbamazepine behandelt. Sechs Wochen später ließen die Krämpfe nach und auch die emotionalen Reaktionen kehrten zurück: Kichern und Weinen, Wut und Angst wechselten einander ab. auskennt. Sekundäre emotionale Störungen sind bei Klndern mit Langzeiterkrankungen normal. Zu diesem Zeitpunkt erschien ihr emotionaler Eine zweite Meinung wurde von einem Kinderarzt eingeholt, der ME/CFS diagnostizierte. Man arbeitete ein Stufenprogramm für G. aus, das alle anstrengenden Aktivitäten ausließ. Mit viel Erholung sollten die Anforderungen allmählich gesteigert werden. Unglücklicherweise gab es im Frühsommer eine weitere Verschlechterung: Ausschlag am Oberkörper, Ohrgeräusche, zunehmende Muskelschwäche, Unfähigkeit zu laufen oder zu schlucken, gestörtes Geschmacksempfinden und Ünelkeit bei der Aufnahme verschiedener Nahrungsmittel, Schwierigkeiten beirn Atmen, Verstopfung, intensive Träume, Schwindel, unscharfes Sehen, mentale Verwirrung und Muskelkrämpfe. G. empfand es als schmerzhaft, berührt zu werden. Am Ende des zweiten Sommers konnte sie sich kaum noch bewegen. lhre Stimme versagte, ihre Augen blieben geschlossen und sie fing an, sich zu erbrechen. Es folgte eine kuze Krankenhauseinweisung, uffi einen Darmverschluss und chronische Muskelschwäche auszuschließen. G. musste durch eine Nasensonde mit kalorienreicher F!üssignahrung ernährt werden. Zustand als sehr labil. lhre periodisch auftretenden Stimmlaute verschwanden wieder, die Muskelkrämpfe kehrten zurück. G. litt unter visuellen Halluzinationen, wann immer eine Person den Raum betrat. Sie erklärte später, dass die Stimmen sehr verwirrend und unverständlich klangen. Doch langsam begann ihr Körper wieder zu funktionieren . Zunächst besserte sich der Schlafrhythmus, sie konnte wieder die Augen öffnen, sprechen und schlucken, willentliche Bewegungen vollziehen, uffi ihre Lage zu verändern etc. Dann kehrte ihr Sprachverständnis zurück. Sie war dankbar, wenn ihr vorgelesen wurde und begann selbst wieder in Büchern zt) bfättern und darin zu lesen. Sie konnte wieder Besuch ertragen zuerst den ihrer Freunde, dann der Familie. (Nahe Verwandte schienen sie eher zu beunruhigen, vermutlich, weil diese ihr die Besorgnis über ihren Gesundheitszustand sofort mitteilten. ) G. liebte Tiergeschichten. Sie steigerte allmähIich ihre Fähigkeit, Menschen, Licht, Geräusche und Gerüche zu ertragen. Als ihr Namensge- Es ist wichtig, €inen Arut zu Rate zu ziehen, der sich mit der Symptomatik von ME/CFS Seite 33 @ "ME/CFS bei Kindern und Jugendlichen" Fatigatio e.V. dächtnis zurückkehrte, griff sie bewusst nach Dingen, genau wie ein Baby, das die neue Welt erforscht. Drei Monate später wagte sich G. wieder an die Aufnahme fester Nahrung. Anfangs war es schwierig, aber nach und nach kehrte ihre Fähigkeit zu Schlucken wied er zurück. Als sie soweit war, wieder drei Mahlzeiten am Tag ztJ sich nehmen zu können, schlug man vor, die Nasensonde für die künstliche Ernährung zu entfernen. Ein paar Tage später rutschte sie auf dem Gesäß die Treppe hinunter, um mit der übrigen Familie zu essen. Danach lief sie wie ein Kleinkind: Erst lernte sie, die Balance zu hatten, dann bewegte sie sich zwischen Mobelstücken hin und her, und schließlich ging sie selbständig zur Toilette . Zu diesem Zeitpunkt konnte sie wieder lesen, fernsehen oder den spielenden Kaninchen draußen auf dem Rasen zusehen. Motivationssteigerung durch Förderung der Liebl i ngsaktivitäten ist sin nvol l. Von da an verlief G's Genesung stetig und fortschreitend. Sie ging hinaus in den Garten; sie fuhr mit ihren Eltern im Auto weg und führte den Hund eines Freundes ein kurzes Stück an der Leine spazieren. Es wirkte sich sehr förderlich auf ihre Gesundung aus, dass G. selbst einen Hundewelpen bekam. lm Sommer war es ihr möglich, den Urlaub am Meer zu verbringen und sie konnte mit ihrem Welpen zu Trainingsstunden in die Hundeschule gehen, was ihr half, wieder soziale Kontakte herzustellen Man beschloss, dass G. im September wieder zur Schule gehen würde. Mit den Lehrern wurden entsprechende Vorbereitungen getroffen, weil sie über 1 % Jahre nicht mehr in der Schule gewesen war und ein Wechsel in eine weiterführende Schule anstand. Die Rückkehr in die Schule sollte allmählich stattfinden und das Lehrerkollegium sollte ausreichend vorbereitet sei n. Zu Beginn besuchte G. den Vormittagsunter- richt und ließ nur die Sportstunden aus. Der erste Tag war anstrengend. Jeder nachfolgende Tag gestaltete sich mühsamer - bis G. Freitag abends mit schlimmen Beinschmerzen zusammenbrach. Es dauerte fast sechs Wochen, bis sie sich davon erholt hatte, aber sie war in der Lage, zu Hause für die Schule zu lernen. Am Ende des Halbjahres kehrte sie für zwei oder drei Unterrichtsstunden am Stück in die Schule zurück. Schulisch holte G. schnell auf, aber rückblickend war man sich einig, dass ihre Wiedereingliederung in den Schulalltag allmählicher hätte stattfinden müssen. G's Eltern glauben, dass viele verschiedene Faktoren zur sicheren Genesung ihres Kindes beigetragen haben: Die Herstellung von Vertrauen und Zuversicht am Anfang der Erkrankung, die nicht-konfrontative und kooperative Arbeitsweise der beteiligten Fachleute, die G. vornehmlich in ihrer eigenen häuslichen Umgebung behandelten und keinen Druck auf sie ausübten, innerhalb eines festgesetzten Zeitplanes gesund zu werden. So trug ihr Kind keine traumatischen psychischen Narben davon, die dann auftreten können, wenn gewaltsame und anstrengende Methoden angewandt werden. Seite 34 "ME/CFS bei Kindern und Jugendlichen" Fatigatio e.V. Anhang C r Diagnosekriterien C l oder wiederkehrende chronische Erschöpfung über einen Zeitraum von mindestens 6 Monaten, die neu aufgetreten ist und nicht lebenslang bestand. Die Erschöpfung führt Klinische Merkmale der Myalgischen Enzephalomyelitis (ME) ( Ramsay 19861 Die Myalgische Enzephalomyelitis wurde erstmals 1986 von Dr. Melvin Ramsay beschrieben: a) Anormale Muskelermüdung und Schwäche im Vergleich zum bisherigen Leistungsvermögefl, die bereits nach minimaler Anstrengung auftritt (bis zu 72 Stunden später). Diese nach Anstrengung auftretende Erschöpfung kann über mehrere Tage andauern und hat einen völlig anderen Charakter als jede Erschöpfung, die der Patient vor Beginn der Erkrankung erlebt hat. b) Verschlechterung der Blutzirkulation in den Extremitäten und subjektiver TemperaturKontrollverlust. c) Verschiedene neuropsychiatrische ("enzephalitische") Symptome. Am auffallendsten sind kognitive Störungen wie Gedächtnisverlust, Konzentrations- und Verständnisbeeinträchtigungen und Störungen der Wahrnehmung. d) Nicht erklärbare Schwankungen der Heftigkeit der Symptome von Woche zu Woche, Tag zu Tag, sogar von Stunde zu Stunde. e) Eine Tendenz zur Chronifizierung über viele Monate oder Jahre. zu einer substanziellen Reduzierung der beruflichen, schulisch€fl, sozialen oder persönlichen Aktivitäten. B Nebenkriterien - mindestens 4 müssen vorhanden sein: a) Selbstberichtete Störungen des Kurzzeitgedächtnisses oder der Konzentration, die aufgrund ihrer Schwere zu beruflichen, schulischeo, sozialen oder persönlichen Einschränkungen führen. Halsschmezen, empfindliche Hals- und Achsellymphknoten, Muskelschmerzen,, Schme rzen mehrerer Gelenke ohne Schwellung und Rötung, Kopfschmerzen eines neuen Typs, Musters oder Schweregrades, b) c) d) e) 0 g) Keine Erholung durch Schlaf, h) Zustandsverschlechterung nach Anstrengung, 24 Stunden und länger anhaltend. C C 2 Diagnose-Kriterien des Chronic Fatigue Syndromes (CFS) (Fukuda et al., 7994) A Hauptkriterien Klinisch gesicherte, ungeklärte, andauernde Seite 35 Ausschluss anderer medizinischer Erkrankungen, einschliesslich Drogen- oder Medikamentenmissbrauch sowie schwerer psychiatrischer Erkran ku ngen. Voraussetzung für die Diagnose "Chronic Fatigue Syndrome (CFS)" ist die Erfüllung aller Hauptkriterien und von mindestens vier Nebenkriterien. Die Symptome müssen seit mindestens 6 Monaten vorhanden sein. @ Fatigatio e.V. "ME/CFS bei Kindern und Jugendlichen" LITER/A[URLISTE Acheson ED. 1959. "The clinical syndrome variously called benign myalgic encephalomyelitis, lceland disease, and epidemic neuromyesthenia". American Journal of Medicine, 26, 569-595 Azomand ML. 1997. "Chronic Fatigue Syndrome among School Children and their Special Educational Needs". Survey, in Press Behan PO. 1997. 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"Action for ME" hat 8000 Mitglieder und bietet Informationen und Unterstützung für Menschen, die an ME/CFS erkrankt sind, und ihre Betreuungspersonen an. Die spezielle Abteilung für Kinder stellt unter der folgenden Internetadresse ein besonderes Angebot ins Netz: Young Action Online: www.jafc. demon. co. u k/yaon i ne/ Es gibt dort umfangreiche Hilfsangebote per Telefon, Email und Briefkontakt. Jugendliche Mitglieder erhalten ein Willkommens-Paket, ein vierteljährliches Rundschreiben und "Action Packs", Geburtstags- und Weihnachtskarten, die von dem für Kinder und Jugendliche zuständigen Mitarbeiter persönlich unterzeichnet sind. Sie haben darüber hinaus Zugang zu einem telefonischen Beratungsdienst. Hier bekommt man Namen und Adressen von Azten, Lehrern, Schulen, Betreuern etc. und kann mit anderen Mitgliedern und Experten für ME/CFS über Briefkontakt, Telefon oder Email in Kontakt kommen. Die Dokumente auf dieser Website können kostenlos heruntergeladen und fotokopiert werden. Die älteste Organisation für Jugendliche mit ME/CFS mit dem Namen "TYMES TRUST" (siehe unten) bietet eine vierteljährliche Zeitschrift an, die von dem Mitarbeiter für Kinder und Jugendliche der 'Action for ME" mit herausgegeb'en wird. Dr. Darrel Ho-Yen, ein auf ME/CFS spezialisierter Arzt und Autor empfiehlt dieses Magazin für alle jungen Menschen, die an ME/CFS erkrankt sind. Darüber hinaus ist erhältlich: Ein Informationspaket für Kinder, das u.a. ein Informationsblatt mit medizinischen Fakten sowie Richtlinien zur schulischen Bildung für Lehrer und Erzieher enthält; "ME Assembly pack for schools" erhältlich bei: Action for ME PO Box 1302 Wells BA5 1YE Children's Dept and Young Action Online telephone: 01749 677551 24 hour information hotline: 0891 122976 Young Action Online email: [email protected] I 2) The Association of Youth with ME (AYME) AYME ist ein eingetragener gemeinnütziger Verein für junge Menschen unter 25 Jahren. Diese Organisation gibt ein alle zwei Monate erscheinendes Magazin mit dem Titel "CHEERS" heraus, in dem die jungen Mitglieder selbst die Artikel schreiben. Weiterhin werden passende Brief- / Toncassetten-/ Email-Freundschaften vermittelt, es gibt eine Chat-line, Geburtstagskarten werden verschickt, eine interaktive Website existiert ebenso wie eine Bibliothek, bei der man postalisch ausleihen kann. Jedes Jahr wird eine zweitägige Tagung organisiert, um soziale Kontakte und gegenseitige Unterstützung hezustellen und Information für die jungen Menschen und ihre Familien bereitzustellen. Der Ausschuß für die jugendlichen Mitglieder sorgt dafür, daß die Meinungen der jungen Menschen Gehör finden. AYME bestärkt die jungen Menschen und hilft ihnen, ihre lsolation zu durchbrechen. lhre Familien werden durch einen Rundbrief unterstützt, durch eine Telefonberatung für Eltern und einen Brieffreunde-Club für ihre Geschwister. AYME vertreibt ein Informationsvideo mit dem Titel 'What Do You Know About M.E?" (Was weißt Du über ME/CFS?); Faltblätter, in denen beschrieben wird, wie ME/CFS sich anfühlt und was es für Freundschaften und Beziehungen bedeutet (FRAME), sind von den jungen Mitgliedern selbst verfasst Seite 39 @ Fatisatio eV "ME/CFS bei Kindern und Jugendlichen" worden. Das Video und die Faltblätter sind Bestandteil des Informationspakets für Schulen und werden für Unterrichtsstunden in Sozialkunde verkauft. Das Lehrerhandbuch enthält Unterrichtsvorbereitungen sowie die Richtlinien für Schulen, die'Action for ME" herausgegeben hat. AYME Box 605 Milton Keynes MK6 3EX Tel./Fax: 01908 691635 Email ä[email protected] 3) The ME Association Young Persons Group (MEAYPG) c/o ME Association 4 Corringham Road Stanford-le-Hope Essex SS17 OAH 4) TYMES TRUST Die Organisation "The Young ME Suffere/' (TYMES TRUST) wurde 1988 von zwei Jugendlichen gegründet, die an ME/CFS litten. Ziel war die Information, die Unterstützung und Unterhaltung von jungen Menschen mit ME/CFS. TYMES TRUST gibt ein vierteljährlich erscheinendes Magazin heraus (empfohlen von Dr Darrel Ho-Yen) und bietet telefonische und briefliche Dienstleistungen zwecks Information, Beratung und Unterstützung an. TYMES TRUST arbeitet zusammen mit "Young Action Online". TYMES TRUST 9 Patching Hall Lane Chelmsford Essex CM1 4DH Tel..01245 263482 Andere ME/CFS Organisationen Westcare - ist eine in Bristol ansässige, gemeinnützige Organisation, die Informationen und Beratung für ME/CFS-Kranke anbietet. 155 Whiteladies Road Bristol BS8 2RF Tel.: 0117 9239341 Fax: 01 17 923 9347 National ME Centre - bietet Unterstützung, Diagnose und stationäre Behandlung (4 Betten) an. Disablement Services Centre Harold Wood Hospital Romford Essex RM3 gAR Tel.: 01708 378050 Seite 40 @ "ME/CFS bei Kindern und Jugendlichen" Fatigatio e.V. CHROME - Case History Research on ME ist ein eingetragener gemeinnütziger Verein, der die Krankengeschichten und die Entwicklung der Erkrankung von ans Haus gefesselten, schwer erkrankten ME/CFs-Patienten dokumentiert. 3 Britannia Road London SW6 2HJ Tel.: and Fax: 01717363511 BRAME - Blue Ribbons for the Awareness of ME Die "Blue Ribbon Awareness"-Kampagne wurde von einer schwer erkrankten jungen Frau, Tanya Harrison, initiiert, um das Bewußtsein über die Schwere dieser Krankheit zu fördern. Diese Kampagne ist jetzt auf internationaler Ebene bekannt. BRAME 30 Winmere Avenue Winterton-on-sea Great Yarmouth Norfolk NR29 4BA Andere niitzliche Quellen Children's Legal Centre University of Essex Wivenhoe Park Colchester ESSEX co4 3sQ Tel.: 01206 873820 Fax: 01206 874026 Bildung NAESC (National Association for Education of Sick Ghildren. Dieser Verband wurde 1993 eingerichtet mit dem Ziel, Bildungschancen in ganz Großbritannien für diejenigen Kinder zu verbessern, deren Bildung durch eine schwerwiegende Erkrankung unterbrochen wurde. NAESC hat die folgenden Ziele: Die Verbesserung der gesundheitlichen, sozialen, ökonomischen und kulturellen Möglichkeiten kranker Kinder. Schutz kranker Kinder gegen die Folgen verminderter Schulleistung, so dass sie nicht ohne die Bildungsabschlüsse dastehen, die im Arbeitsleben verlangt werden. Chancengleichheit schatfen für kranke Kinder in allen Lebenslagen. NAESC versucht dies zu erreichen, . indem angemessene Angebote für die schulische Bildung von Kindern bereitgestellt werden, die über lange Zeit im Krankenhaus sind; . indem Bildungsstandards für Kinder festgelegt und verbessert werden, die krankheitsbedingt die Schule nicht besuchen können; .indern Richtlinien und lnformationen bereitgestellt werden, die die Zusammenarbeit zwischen dem kranken Kind und den Lehrern der zuständigen Schule fördern; Seite 41 @ "ME/CFS bei Kindern und Jugendlichen" Fatigatio e.V. . indem Strategien entwickelt werden, die dem kranken Kind und seinen Eltern helfen, die Kontinuität und den Fortschritt der Ausbildung zu gewährleisten; . indem sie sich einsetzt für Nachhilfeunterricht, der die Bildungslücken bei Kindern ausgleicht, deren schulische Bildung unterbrochen wurde; . indem das Bewusstsein der Öffentlichkeit und der Fachleute in der Medizin und im Bildungsbereich über bewährte Methoden der schulischen Bildung kranker Kinder gesteigert wird. Adresse: NAESC St Margaret's House 17 Old Ford Road Bethnal Green London E2 gPL Tel 0181 980 8523 Fax0181 9803447 Email [email protected]. uk The Advisory Gentre for Education ist ein unabhängiger nationaler Beiatungsdienst für Eltern von Kindern in staatlichen Schulen in Großbritannien. Er gibt Auskunft über die rechtlichen Belange, über die Aufgaben und Befugnisse der örtlichen Schulbehörden und unterstützt Eltern ggf. in Rechtskonflikten mit der Schule, ACE Advisory Centre for Education 18 Victoria Park Square London E2 gPB Tel 0171 3548321 Literatu rem pfeh "ME The New Plague", by Jane Colby. 1996. First and Best in Education. Earlstrees Court Earlstrees Road Corby Northants NN17 4AX Tel.: 01536 399011 "somebody Help ME" by Jill Moss. 1996. Sunbow Books AYME 5 Medland Milton Keynes MK6 3BH "ME, A PracticalGuide" by DrAnne Macintyre. 1998. Thorsons Publishers "Living with illE" by Dr Charles Shepherd. 1999 Cedar Publishers Seite 42 I u ngen @ Fatisatio e.V. "ME/CFS bei Kindern und Jugendlichen" Ergänzende Hinweise für junge Patienten mit CFS in Deutschland CFS bei Kindern und Jugendlichen ist in Deutschland bei Aräen und anderen Fachleuten kaum bekannt. Die Diagnose wird selten gestellt. So gibt es auch wenig medizinische Unterstützung für die Erkrankten. Besonders gravierend sind die Probleme, die in der Familie und in Bezug auf Schule und Ausbildung entstehen. Regelungen zur Beschulung kranker Kinder und Jugendlicher i n Nord rhei n-Westfalen zusammengestellt von Rolf Fischer, Reatschulkonrektor i.E. und Vorstandsmitglied des Fatigatio e.V. 1. Allgemeine Situationsbeschreibung Es ist zu unterscheiden zwischen der Schulbesuchspflicht, der Unterrichtsversorgung und der Erfüllung von Leistungsanforderungen. In allen deutschen Bundesländern besteht eine allgemeine Schulpflicht für die Dauer von 10 (in Ausnahmefällen 9) Schulbesuchsjahren, daran schließt sich eine Berufsschulpflicht bis zur Vollendung des 18. Lebensjahres an. 2. Schulbesuchspflicht Wenn ein Kind bzw. ein(e) Jugendliche(r) aus gesundheitlichen Gründen nicht in der Lage ist, am Unterricht teilzunehmen bzw. nur für eine begrenzte Stundenzahl dazu in der Lage ist, so muss dies durch ein äztliches Attest nachgewiesen werden. Bei begründetem Zweifel ist die Schule verpflichtet, ein amtsäztliches Attest zu verlangen. Beides dürfte im Fall einer Erkrankung an CFS kein Problem darstellen, d.h. es dürfte bezüglich der Erfüllung der Schulpflicht für CFS-Kranke keine rechtlichen Probleme geben. 3. Unterrichtsversorgung Schwieriger ist die Frage der Unterrichtsversorgung, d.h. der Versorgung mit den Lern- bzw. Bildungsinhalten. Wenn ein(e) Schüler(in) aus gesundheitlichen Gründen nicht zur Schule gehen kann, lernt erl sie nichts, sofern nicht Privatpersonen eine häusliche Unterrichtung übernehmen. In den meisten Bundesländem gibt es die Möglichkeit des Hausuntenichts durch Lehrer der zuständigen Schule. ln Nordrhein-Westfalen haben Schüler Anspruch auf Hausunterricht, wenn sie aus gesundheitlichen Gründen der Schule länger als 6 Wochen inner:halb eines Schuljahrs fernbleiben müssen oder wenn sie wegen Krankheit regelmäßig einen (oder mehrere) Tage pro Woche den Unterricht nicht besuchen können. Ob dies auch in dem CFS{ypischen Fall gilt, wenn z. B. ein Schüler täglich nur an 50% der Unterrichtsstunden teilnehmen kann und somit auf einen regelmäßigen Unterrichtsausfall von einer drei Unterrichtstagen pro Woche entsprechenden Stundenzahl kommt, ist in dem einschlägigen Erlass nicht ausdrücklich erwähnt. (Rund-Erlass d. Ministeriums für Schule, Wissenschaft und Forschung v. 3.4. 1996). Anträge auf Hausunterricht sind unter Vorlage eines äztlichen Attests über die Leitung der bisher besuchten Schule an das zuständige Schulamt zu richten. Da in NRW Schulämter aber nur für Grundund Hauptschulen zuständig sind, die Schulaufsicht für Realschulen, Gymnasien und Gesamtschulen aber bei den Bezirksregierungen liegt, sollte die Schule - falls es sich um eine der genannten Schulformen handelt gleichzeitig Kontakt mit der Schulabteilung der zuständigen Bezirksregierung aufnehmen. - Seite 43 "ME/CFS bei Klndern und Jugendlichen" Fatigatio e.V. Wenn der Antrag auf Hausunterricht bewilligt wurde, heißt das aber noch lange nicht, dass der Hausunterricht auch stattfinden kann, denn in NRW - wie auch in den meisten anderen Bundesländern herrscht derzeit ein krasser Lehrermangel. Die Schule muss in der Regel den Hausunterricht mit eigenen Lehrkräften bestreiten. Diese sind aber durchweg voll in den Stundenplan eingebaut, es würde also durch Hausunterricht normaler Klassenunterricht ausfallen, was wegen des Unterrichtsanspruchs der Schüler unzulässig ist. Also müssen in der Regel für Hausunterricht Lehrkräfte aus Sondertöpfen wie "Geld-statt-Stellen" gesucht werden, die den Hausunterricht übernehmen. Dies kann sich länger hinziehen. Der Umfang des Hausunterrichts ist begrenzt auf 5 Wochenstunden (Klassen 1 bis 4), 6 Wochenstunden (Klassen 5 bis 8), I Wochenstunden (Klassen 9 und 10), 10 Wochenstunden (Klassen 11 bis 13). Es ist klar, dass damit inhaltlich nicht der volle schulische Bildungsgang sichergestellt werden kann. Eine sinnvolle Alternative zum Hausunterricht stellt für CFS-Kranke nach Ansicht des Verfassers die Schaffung von Erleichterungen im normalen Schulbetrieb dar. Als solche kommen in Frage z.B. die Befreiung vom Sportunterricht, das Hineinbringen einer Liege oder eines Bettes in den Klassenraum (wurde vom Verfasser bereits erfolgreich praktiziert), Erleichterungen beim Schulweg (Taxitransport bei ärztlichem Attest möglich!), Hilfen durch Mitschüler (pädagogische Motivation und Information der Mitschüler erforderlich !). Der Besuch einer Sonderschule wird in der Regel für CFS-Kranke nicht sinnvoll sein, es sei denn, dass die Kriterien für eine Lernbehinderung.vorliegen. Dies ist in der Regel bei CFS nicht gegeben. lm Übrigen treten beim Besuch einer Sonderschule ja die vorstehend beschriebenen Schwierigkeiten in gleicher Weise auf. Schulen für Kranke sind als spezielle Form einer Sonderschule in NRW in der Regel bestimmten Krankenhäusern - oft größeren Kliniken für Jugendpsychiatrie - angegliedert und beschulen normalerweise die dort für längere Zeit stationär untergebrachten Schüler. Der Unterrichtsumfang dort hat üblicherweise den Umfang wie der oben beschriebene Hausunterricht, kann also die erforderlichen Bildungsinhalte der allgemeinbildenden Schulen nicht abdecken. Dennoch ist für CFS-kranke Jugendliche, die stationär behandelt werden, der Besuch einer dem Krankenhaus angegliederten Schule sinnvoll. Größere Formalitäten sind hierfür in der Regel nicht abzuwickeln, da allein der Krankenhausaufenthalt schon zum Besuch der Schule für Kranke berechtigt. Eine oft übersehene sinnvolle Möglichkeit der Unterrichtsversorgung für CFS-kranke Jugendliche - etwa ab dem Alter von 15 Jahren - stellt der Besuch einer Abendrealschule oder eines Abendgymnasiums dar. Da CFS-Patienten nicht selten in den späten Nachmittags- oder Abendstunden leistungsfähiger sind als am Vormittag, können sie oft regelmäßiger am Unterricht teilnehmen, wenn sie nicht gezwungen sind, morgens sehr früh aufzustehen. In NRW setzt der Besuch der Abendrealschule ohnehin keine parallel dazu ausgeführte Berufstätigkeit oder eine absolvierte Berufsausbildung voraus, der Besuch des Abendgymnasiums allerdings. Aber selbst zum Besuch des Abendgymnasiums gibt es bei Vorlage eines äztlichen Attests, aus dem hervorgehen muss, ciass der Besuch einer Abendschule aus medizinischen Gründen angezeigt ist, leicht eine Ausnahmegenehmigung. Der Antrag dazu ist über die Leitung des Weiterbildungskollegs (hierzu sind in NRW Abendrealschulen und Abendgymnasien zusammengefasst) an die Bezirksregierung zu stellen. 4. Leistungs- und Prüfungsanforderungen Häufig wird von kranken Schülern und von deren Eltern übersehen, dass es für Krankheit und dadurch bedingte Unterrichtsversäumnisse niemals positive Zeugnisnoten oder gar Schulabschlüsse geben kann. Die Vorschriften über Leistungsbewertungen und über die Vergabe schulischer Abschlüsse beziehen sich stets auf die inhaltlichen Anforderungen, die zu erfüllen sind, und beschreiben detailliert, welche Notenstufen beiwelchem Leistungsniveau und welche Abschlüsse bei welchen Notenstufen zu vergeben sind. So müssen z.B. die Leistungen eines Schülers, der krankheitsbedingt während eines Halbjahrs keine Klassenarbeit mitgeschrieben hat und auch keine mündlichen Leistungen vorueist (2.8. weil er durchweg nicht anwesend war) mit ,,ungenügend" bewertet werden. ln Übereinstimmung mit den Eltern kann dann die Ausfertigung eines Zeugnisses ganz unterbleiben. Ein Seite 44 @ "ME/CFS bei Kindern und Jugendlichen" Fatigatio e.V. Anspruch auf Versetzung in die nächst höhere Klasse oder auf Zuerkennung eines Abschlusses besteht dann natürlich nicht. 'Auf zweierlei Art kann es jedoch für CFS-betroffene Schüler eine Erleichterung geben: Gemäß W zu $ 10 zur AO Sl (NRW) muss seitens der Schule dafür gesorgt werden, dass für,Schüler mit gesundheitlichen Behinderungen bei Prüfungen und Klassenärbeitän durch geeignete Hilfen vergleichbare Bedingungen wie für gesunde Schüler geschaffen werden. Dies kann im rätt von CFS beispielsweise bedeuten, dass für eine bequemere bzw. entlastende Sitzgelegenheit gesorgt wird, dass eine längere Bearbeitungszeit eingeräumt wird, dass gestattet wird, bei Klassenärbeitän eine Pause einzulegen, dass für besonderen Lärmschutz gesorgt wird oder dass ein CFS-betroftener Schüler eine Klassenarbeit am Nachmittag anstatt am frühen Vormittag schreiben darf, falls er dann leistungsfähiger ist. Es ist aber rechtlich unzulässig, dass etwa die inhaltlichen Anforderungen einer Klassenarbeit für kranke Schüler gesenkt werden oder dass kranke Schüler andere inhalliche Hilfen benutzen dürfen als gesunde Schüler (2.B. Wörterbuch oder Taschenrechner in höherem Umfang benutzen dürften als die übrigen Schüler). Eine gute Möglichkeit der Hilfe für kranke Schüler (egal ob CFS oder andere Krankheit) besteht in einer Verlängerung der Höchstverweildauer. In NRW liegt die zulässige Höchstverweildauer für Schüler der Sekundarstufe I bei I Jahren, in der Sekundarstufe ll bei 4 Jahren. Es ist bei Vorlage eines ärztlichen Aüests ohne Probleme möglich, eine Ausnahmegenehmigung zur Überschreitung dieser Höchstverweildauer zu erhalten. Damit kann sich also ein Schüler in der S ll beispielsweise die Wiederholung von zwei Jahrgangsstufen erlauben, was zu einer Verteilung der Unterrichtsinhalte auf einen größeren Zeitraum führt. Dem Verfasser sind mehrere Fälle kranker Schüler(innen) bekannt, wo diese Möglichkeit dazu führte, dass trotz chronischer Erkrankung der gewünschte Bildungsabschluss erreicht werden konnte. Seite 45 "ME/CFS bei Kindern und Jugendlichen" Fatigatio e.V. Tymes Trust Die britische Wohltätigkeitsorganisation "Tymes Trust", die sich zur Aufgabe gemacht hat, junge Menschen im Kampf gegen ihre ME/CFSErkrankung zu unterstützen, steht auch für Jugendliche und ihre Familien aus anderen europäischen Ländern offen. 1989 von zwei jugendlichen Betroffenen gegründet, bietet "Tymes Trust" weltweit Kindern, ihren Familien, Lehrern und Schulen sowie den behandelnden Arzten persönliche Beratung in Form von telefonischen Sprechzeiten, einem vierteljährlich erscheinenden Magazin und Emails an. Registered Charity Number 1080985 Schirmherr von "Tymes Trust" ist das Oberhausmitglied Lord Tim Clement-Jones. Zum wissenschaft-lichen Beirat von "Tymes Trust" zählen die MHCFS-Koryphäen Dr. Alan Francklin und Dr. Darrel Ho-Yen, die in schwierigen Fällen auch über eine telefonische Konferenzschaltung ärztlichen Rat erteilen. "Tymes Trust" finanziert sich ausschließlich aus Spendengeldern und ist daher um möglichst geringe administrative Kosten bemüht. Die Mitgliedschaft für britische Jugendliche unter 26 Jahren ist kostenlos - Jugendliche aus dem restlichen Europa zahlen f 7,50 pro Jahr. Pafron: Lord Tim Clement-Jones Afvzlrlcing tfre Care of ?eoyfe wftn ivIE Sprechzeiten von "Times Trust": Montags bis Freitags von 11 .00 bis 13.00 Uhr und 17 .00 bis 19.00 Uhr, Tel.: 0A44 - 1245-263482 In parftrership with I o vi.n1o* t( o n o nl an r. c o wl Homepage von "Young action online": www.you ngactionon I i ne. com Adresse: Tymes Trust 9 Patching Hall Lane Chelmsford CM1 4DH Großbritannien Seite 46 @ Fatigatio e.V. "ME/CFS bei Kindern und Jugendlichen" AUFRUF: ZurZeit erhalten an CFS erkrankte Kinder und Jugendliche und ihre Familien in Deutschland kaum Unterstützung. Die Diagnose wird fast nie gestellt, weil es an Informationen und an Arzten mit entsprechenden Kenntnissen mangelt. Die Akzeptanz von CFS ist gering, Verständnis wenig vorhanden. Kontakte zu anderen Betroffenen /betroffenen Familien bestehen in der Regel nicht. Besonders schwierig ist die Situation der schwer erkrankten Kinder und Jugendlichen. Auch wenn es derzeit keine kausale Therapie für CFS-Kranke gibt, so kann Leid vermieden und vermindert werden, wenn durch Aufklärung die Situation verbessert wird. Wir möchten Betroffene bzw. deren Familien miteinander in Kontakt bringen, um Erfahrungen zu sammeln und auszutauschen. Daraus kann eine Gruppe zum Thema "CFS bei Kindern und Jugendlichen" entstehen, die sich als Teil des Fatigatio e.V. für mehr Information, Akzeptanz und bessere Abklärungs- u nd Behand I u ngsmög I ich keiten einsetzt. Wir suchen auch dringend Arztelilrztinnen (vor allem Kinderärzte/ärztinnen), die Fälle von CFS bei Kindern oder Jugendlichen kennen und behandeln oder sich für dieses Thema interessieren. Wenn Sie Interesse am Thema und/oder an der Zusammenarbeit mit anderen haben, um die Situation der Erkrankten zu bessern, melden Sie sich bei uns ! Fatigatio e.V. Der Fatigatio e.V. ist Mitglied in: . Bundesarbeitsgemeinschaft Hilfe für Behinderte (BAGH) . Landesarbeitsgemeinschaften NRW, Berlin, Hessen . Verbund Deutscher Selbsthilfen in der Schlafmedizin; I nteressengemeinschaft für schlafassoziierte Erkrankungen . Deutsche Gesellschaft für Versicherte und Patienten e.V, (DGVP) . European ME/CFS Alliance