verblüffend einfache Lösungen für Angriffe - 7. EU

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verblüffend einfache Lösungen für Angriffe - 7. EU
"... verblüffend einfache Lösungen für Angriffe"
Von Wolfgang Stieler
Professor Jürgen Beyerer ist Leiter des FraunhoferInstituts für Informations- und Datenverarbeitung in
Karlsruhe (IITB), das innerhalb der FraunhoferGesellschaft als Schwerpunktinstitut für automatische
Bildauswertung fungiert. Gleichzeitig ist Jürgen Beyerer
auch der stellvertretende Sprecher des FraunhoferVerbundes Verteidigungs- und Sicherheitsforschung.
Dieser Verbund umfasst sechs Institute – weitere Institute
der Fraunhofer-Gesellschaft arbeiten zusätzlich auf
Gebieten mit Relevanz für Sicherheitslösungen. Für einen
Teil dieser Forschung soll nun – so jedenfalls der
Foto: IITB
Vorschlag von Beyerer – künftig über eine Geheimhaltung
nachgedacht werden. Technology Review sprach mit
Professor Beyerer über Terrorgefahr, security by obscurity und die persönliche
Verantwortung von Wissenschaftlern.
TR: Professor Beyerer, Sie haben sich dafür ausgesprochen, das auf dem
Gebiet der Sicherheitsforschung nicht alle Ergebnisse publiziert werden
sollten, sondern Verschlusssachen bleiben. Wie kommen Sie dazu?
Jürgen Beyerer: Es gibt bestimmte Aufgabenstellungen, vor denen wir als Forscher
tatsächlich zurückschrecken. Weil wir sagen, wenn wir auf diesen Gebieten forschen,
und das, was wir herausfinden tatsächlich veröffentlichen, dann laufen wir Gefahr,
dass wir Angreifer schlau machen. Und dann müssen wir vielleicht sogar teilweise
die Verantwortung dafür übernehmen, dass ein Angriff auf eine bestimmte Art und
Weise passiert. Wenn sich ein paar Experten zusammensetzen und Szenarien
überlegen, kommen da oft verblüffend einfache Lösungen für Angriffe heraus, die
dann von Terroristen mit Sicherheit begierig aufgegriffen werden könnten. Deshalb
meinen wir, solche Themen kann man wirklich nur dann in voller Breite bearbeiten,
wenn man wesentliche Ergebnisse – also solche, die potenziellen Angreifern nützlich
sein könnten – unter Verschluss hält.
TR: Nun entspricht das ja eigentlich dem klassischen Klischee von
Sicherheitsforschung. Alle Welt denkt, dass das sowieso passiert. Ist das nicht
der Fall?
Beyerer: Also Sicherheitsforschung im militärischen Bereich hat natürlich solche
Geheimhaltungskomponenenten. Aber denken Sie beipielsweise an
Sprengstoffdetektoren – etwa für Flughäfen. Wenn Sie publizieren, auf welche
Ausdünstungen von Sprengstoffen die reagieren, dann können Sie Standardliteratur
der Chemie in die Hand nehmen, und Gegenmaßnahmen ergreifen. Oder nehmen
Sie Strukturen wie die Trinkwassernetze, die sehr viele leicht angreifbare Punkte
haben. Da kann man sich Szenarien überlegen, die man so nicht veröffentlich könnte
– und über die ich jetzt auch nicht sprechen möchte – weil das Aha-Effekte auslösen
könnte, die sehr ungewollt sein können.
TR: Das heißt, im Sicherheitsforschungsprogramm der Bundesregierung wird
es Projekte geben, deren Ergebnisse teilweise unter Verschluss bleiben? Oder
ist das bislang nur ein Diskussionsvorschlag?
Beyerer: Es wird darüber diskutiert. Erst mal ist das eine Anregung von mir. Ich weiß
aber, dass im Ministerium – und auch auf europäischer Ebene – zumindest darüber
nachgedacht wird, wie man solche Fragestellungen adäquat behandeln kann. Das
bedeutet natürlich auch, dass ein gesellschaftlich, politischer Diskurs geführt werden
muss, um da die richtige Balance zu finden.
TR: Nun gibt es ja insbesondere in der IT-Sicherheit schon relativ lange eine
Diskussion um die Frage, wie weit kann man Sicherheit durch Geheimhaltung
betreiben. Und es gibt da eine relativ starke Schule, die sagt, das ist Unfug.
Security by obscurity funktioniert nicht. Was sagen Sie dazu?
Beyerer: Mag sein, dass da für manche Infrastrukturen was dran ist. Das ist keine
einfache Fragestellung. Ich weiß nicht, ob man es sich bei all den kritischen
Infrastrukturen, die wir haben und die stark miteinander vernetzt sind, irgendwann zu
dem Punkt kommt, wo man sagen kann, wir können uns das leisten, alles zu
veröffentlichen. Man könnte sich ja vorstellen, dass man dann so eine Art MinimaxStrategie verfolgt – der Gegner kann dann maximal auf diese Strategie eingehen,
und ich habe auf diese Weise den Schaden minimiert. Ob man so weit jemals
kommen kann, bei all den komplexen Systemen, die unsere Gesellschaft
zusammenhalten, das wage ich zu bezweifeln. Also kurz- und mittelfristig braucht
man tatsächlich auch Sicherheitsforschung als Verschlusssache. Wobei man
sicherlich sehr genau abwägen muss, wo man das macht – und natürlich unbedingt
den gesellschaftlichen Konsens darüber herstellen muss. Wobei ich auch meine,
dass dies sehr leicht ist, wenn man sich solche Beispiele, wie eben angeführt,
ansieht. Damit kann man jedem klarmachen, auch wenn es ein Laie ist, dass das
notwendig ist.
(wst[1]/Technology Review)
URL dieses Artikels:
http://www.heise.de/tr/artikel/87297
Millionenförderung für Sicherheitsforschung
"Sicherheit und Freiheit bedingen einander": Mit diesen Worten eröffnete die
Bundesministerin für Bildung und Forschung Anette Schavan am heutigen Montagmorgen die
Europäische Konferenz für Sicherheitsforschung im Maritim Hotel Berlin. Auf der
zweitätigen Konferenz befassen sich im Rahmen der deutschen EU-Ratspräsidentschaft rund
1000 internationale Experten aus Forschung, Wissenschaft und Politik, Vertreter der sich mit
Sicherheit befassenden Behörden sowie Netzbetreiber mit Ideen, Konzepten und Programmen
zur zivilen Sicherheitsforschung der Europäischen Union.
Moderne Industriegesellschaften sind dicht mit Infrastrukturnetzen überzogen, die Mobilität,
Energie und Informationsflüsse bereitstellen, erklärte Schavan. Man sei auf deren
reibungsloses Funktionieren angewiesen, denn "Naturkatastrophen, große technische Unfälle
und Anschläge können in einer dicht vernetzten Welt große Folgeschäden auslösen, bis hin
zur Destabilisierung der Gesellschaft". Dafür sei eine länderübergreifende
Sicherheitsforschung notwendig, die unterstützt durch nationale Programme
Sicherheitsforschung aus einem Guss ergebe. In der anschließenden Pressekonferenz stellte
die Bundesministerin ein eigenes Sicherheitsforschungsprogramm vor: Ihr Ministerium stellt
in den nächsten vier Jahren 123 Millionen Euro zur Verfügung. Im Mittelpunkt der Forschung
sollen ausgewählte Gefahrenszenarien stehen – erstmals wird die technologische Forschung
dabei von Anfang an durch Geisteswissenschaften begleitet werden – etwa um mögliche
Akzeptanzprobleme bereits im Vorfeld zu erkennen.
Der deutsche Vizepräsident der EU-Kommision Günter Verheugen kündigte unter anderem
die Schaffung eines neuen Gremiums an: Fortan sollen im European Security and Innovation
Forum Sicherheitspolitiker und Sicherheitsforscher Hand in Hand arbeiten. "Wir müssen
reflektieren, was wir wollen, wie weit wir gehen können, wo die Grenzen sind", mahnte der
EU-Kommissar die Balance zwischen Sicherheit und Freiheit an und blickte dabei kritisch in
Richtung Amerika. Verheugen warnte auch, dass der Markt für europäische
Sicherheitslösungen zersplittere und nannte als Beispiel die Arbeiten zu Software Defined
Radio. Es habe einfach keinen Sinn, Technologien doppelt zu entwickeln. Im Hinblick auf so
genannte Lead Markets mache es für Europa nur Sinn "das zu entwickeln, was es anderswo
auf Welt nicht gibt", erklärte Verheugen. Ziel sei es, dass Hersteller mit europäischen
Produkten auf den Weltmarkt gehen und sich durchsetzen können.
Franco Frattini, ebenfalls Vize-Präsident der Europäischen Kommission sekundierte: "Europa
war bisher der Konsument von Sicherheitstechnologie, nun sollte es zum Produzenten
werden." Beide EU-Kommissare betonten, dass Hochtechnologie auch die Privatsphäre des
einzelnen Bürgers schützen solle, nannten jedoch keine konkreten Vorschläge.
Siehe dazu das Interview mit Professor Jürgen Beyerer, Leiter des Fraunhofer-Instituts für
Informations- und Datenverarbeitung, bei Technology Review online:
•
"... verblüffend einfache Lösungen für Angriffe"[1]
(Gordon Bolduan) /
(wst[2]/Technology Review) (wst/Technology Review)
URL dieses Artikels:
http://www.heise.de/newsticker/meldung/87387
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Meldungen per E-Mail
PHOENIX Sendeplan für Montag, 26. März 2007
anschl. Europäische Sicherheitsforschungskonferenz unter dem Motto
"Sicherheitsforschung im Dienst für Bürger, Staat und Unternehmen".
U.a. mit Reden von Annette Schavan (Bundesforschungsministerin) und
Günter Verheugen (Vizepräsident der EU-Kommission), Berlin.
(VPS 14.45)
28.03.2007
EU will "Forschung gegen Terror" forcieren
zurück
Die EU will den gemeinsamen Kampf gegen den internationalen Terrorismus enger
verzahnen und dazu auch die zivile Sicherheitsforschung in Europa vorantreiben. Das
kündigten die Vize-Kommissionspräsidenten Günther Verheugen und Franco Frattini
heute auf einer internationalen Konferenz mit rund 1.000 Experten in Berlin an.
1,4 Mrd. Kosten bis 2013
Ziel ist ein besserer Schutz von Strom-, Verkehrs- und Kommunikationsnetzen etwa
vor Terroranschlägen. "Wir brauchen Sicherheitsforschung auf europäischer Ebene",
sagte Verheugen und forderte die EU-Staaten zur Kooperation in einem
"Europäischen Sicherheits- und Innovationsforum" auf. Für die Zeit bis 2013 hat die
EU für die Sicherheitsforschung 1,4 Mrd. Euro eingeplant.
Balance zwischen Technik und Privatsphäre
Verheugen betonte, ein Zusammenleben ohne Risiken sei in einer offenen
Gesellschaft nicht möglich. "Es geht um eine präventive Antwort auf die Frage, wie
man den freiheitlichen und demokratischen Charakter unserer Gesellschaften in einer
Welt voller Gefahren bewahren kann."
Dabei müsse man die "notwendige Balance" zwischen dem technisch Möglichen und
dem gesellschaftlich Vertretbaren halten.
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Ausland
Afghanistan
Der geheimnisvolle „amerikanische Mohn“
Von Christian Schwägerl
Woher kommt das Saatgut? Mohnanbau in Afghanistan
23. März 2007
Westliche Politiker rätseln noch, wie es passieren konnte, dass 2006 aus
dem von der Nato besetzten Afghanistan neunzig Prozent der
Weltopiumproduktion kamen. Und Sicherheitsfachleute sorgt, dass der
Opiumhandel des vergangenen Jahres die Kriegskassen von Taliban und
des Terrornetzes Al Qaida gefüllt haben könnte.
Doch in Afghanistan selbst hat bereits die neue Drogensaison begonnen:
„Die Samen sind im Boden, und im Osten des Landes sind die ersten
Keimlinge des Schlafmohns schon fünf Zentimeter groß“, sagt der
Ethnologe und Arzt Michael Pohly von der Freien Universität Berlin (FU).
Reiche Niederschläge versprächen ein gutes Erntejahr. Auf 200.000
Hektar - fünfunddreißigtausend mehr als 2006 - werde die diesjährige
Anbaufläche in Afghanistan geschätzt.
Neue Generation von Hochleistungsmohn
Gefährliche Romantik:
Hochleistungssorten
machen den Experten
Sorgen
Pohly war schon häufig in Afghanistan unterwegs und kennt viele der
mächtigen Stammesfürsten des Landes persönlich. Die Mission, von der er
soeben zurückgekehrt ist, war indes von besonderer Brisanz. Der FUWissenschaftler hat Mohnanbaugebiete bereist, um einem
ungeheuerlichen Verdacht nachzugehen: Auf afghanischen Äckern könnte
eine völlig neue, hochgezüchtete Generation von Hochleistungsmohn
wachsen.
Dem Schlafmohn, aus dessen morphiumhaltigem Milchsaft Opium die
Droge Heroin hergestellt wird, will Pohly zusammen mit Wissenschaftlern
des Botanischen Gartens Berlin und des Leibniz-Instituts für
Pflanzengenetik und Kulturpflanzenforschung (IPK) in Gatersleben mit
hochtechnologischen Mitteln zu Leibe zu rücken.
Das Knowhow wird importiert
Der Markt erfuhr einen
Boom nach der NatoInvasion
Der Wissenschaftler hält es für möglich, dass irgendwo auf der Welt
Pflanzenzüchter im Dienst von Drogenkartellen daran arbeiten, den
Opiumgehalt der Pflanzen zu steigern. „Es spricht viel dafür, dass
neuartige, leistungsfähigere Sorten der Mohnpflanzen gezielt gezüchtet
werden, um die Erträge zu erhöhen“, sagt er. Das Knowhow für die Zucht
existiere in Afghanistan selbst wahrscheinlich nicht. „Es muss wohl einen
Import von Schlafmohn-Saatgut nach Afghanistan hinein geben“, sagt er.
Drogenfahnder haben sich bisher weitgehend auf die Handelswege von
den Schlafmohnäckern über Heroinlaboratorien zu den Konsumenten
konzentriert. Ein Fehler, glaubt Pohly: „Neuartiges Saatgut für
leistungsfähigere Pflanzen könnte ein wichtiger Faktor für den Opiumboom
in Afghanistan sein.“ Schon länger hat er aus Afghanistan Gerüchte über
neuartige Schlafmohnsorten gehört, aber es fehlten ihm die Mittel, dem
nachzugehen.
Interdisziplinäre Sicherheitsforschung
Doch inzwischen ist der Schutz der Gesellschaft vor Terrorismus und
organisierter Kriminalität zu einem neuen Schwerpunkt der deutschen und
europäischen Forschungsförderung geworden, die Bundesregierung
investiert bis 2011 rund 123 Millionen Euro und die EU bis 2013 mehr als
eine Milliarde Euro. Als der Präsident der FU, Dieter Lenzen, frühzeitig die
Chance erkannte und um interdisziplinäre Projekte auf dem Feld der
Sicherheitsforschung bat, sah Pohly eine Chance, etwas anderes
einzubringen als neue Überwachungskameras und Sprengstoffdetektoren:
„Mit am Tisch saßen die Kollegen vom Botanischen Garten, und ich fragte
sie: ,Was wisst ihr eigentlich über Schlafmohn?'“
Mit afghanischen Schafmohnsorten hatten sich die Berliner Botaniker noch
nicht befasst, dafür aber mit neuesten Techniken, Pflanzen anhand
kleinster genetischer und molekularer Unterschiede zu erkennen und ihre
Abstammung zu durchleuchten. Aus kleinsten Samen und Pflanzenteilen
können das Erbgut sowie charakteristische Moleküle isoliert werden.
Zudem wussten die Botaniker von einer der weltweit wichtigsten
Sammlungen von Kulturpflanzen, drei Autostunden von Berlin entfernt im
sachsen-anhaltischen Gatersleben, wo kultivierter Schlafmohn lagert.
Und schon war das Projekt geboren, das Pohly nun mit seiner
Afghanistan-Reise begonnen hat: „Biologische Fingerabdrücke“ für
möglichst viele Schlafmohnsorten sollen entwickelt werden. Das soll es
erlauben, die Herkunft speziell gezüchteter Hochleistungssorten zu
rekonstruieren und nach Heroinfunden die Drogen bis zu den
Ursprungsprovinzen zurückzuverfolgen, also die Handelswege der
Drogenkartelle offenzulegen.
Opium-Boom nach Nato-Invasion
Das Berliner Außenministerium zeigt großes Interesse an dem Vorhaben.
Denn wird der Aufschwung der Opiumwirtschaft auch noch durch neue
Hochleistungssorten befeuert, könnte dies die Lage in Afghanistan, wo
deutsche Soldaten und Diplomaten eigentlich an einer Zukunft in Freiheit
mitbauen sollen, weiter destabilisieren. Sowohl die Taliban als auch das
Terrornetzwerk Al Qaida finanzieren sich maßgeblich aus der
Opiumwirtschaft.
Neuesten Zahlen der Vereinten Nationen zufolge werden 165.000 Hektar
Ackerland so genutzt; jeder achte Afghane bestreitet sein Einkommen
damit. Die Invasion von Nato-Truppen vor sechs Jahren hat dem Land
bisher nicht den erhofften Aufschwung mit legaler Wirtschaft beschert,
sondern einen unvergleichlichen Boom des Opiumanbaus eingeläutet.
Im vorletzten Jahr der Taliban-Herrschaft, 1999, kamen 4500 Tonnen
Opium aus Afghanistan auf den Weltmarkt, was 77 Prozent des Markts
entsprach. 2001 waren es nur 150 Tonnen, weil die Taliban kurzzeitig
gegen den Anbau vorgegangen waren, bevor die Nato nach den
Terroranschlägen vom 11. September in dem Land einmarschierte.
Ausgerechnet unter den Augen der westlichen Besatzer hat der
Mohnanbau stark zugenommen: 2005 wurden 4100 Tonnen Rohopium aus
afghanischem Mohn gewonnen, 2006 dann 6100 Tonnen, neunzig Prozent
der Welternte - ein Rekord, der auch daher rührt, dass der Anbau im
Goldenen Dreieck von Burma, Laos und Thailand stark zurückgegangen
ist.
„Watani Soorgulai“ und „Bahrami Baragai“
Bisher gibt es keine Beweise dafür, dass neuartige Hochleistungssorten
die Produktion zusätzlich erhöhen, doch Drogenbekämpfer der Vereinten
Nationen in Kabul haben Beobachtungen gemacht, die Pohlys Verdacht
erhärten: „Bis 2005 brauchte man für ein Kilogramm Heroin zehn
Kilogramm Opium, inzwischen nur noch sieben Kilogramm“, sagt Hakan
Demirbuken, der für die UN von Kabul aus den Mohnanbau beobachtet.
„Es ist durchaus möglich, dass neue Sorten auf dem Markt sind“, sagt er.
Fünfzehn Mohnsorten dominieren nach Angaben der Vereinten Nationen
den Anbau in Afghanistan, zwei von ihnen, „Watani Soorgulai“ und
„Bahrami Baragai“, werden auf knapp der Hälfte der Felder gefunden. Die
Sorten unterscheiden sich in der Blütenfarbe, in ihren Bodenansprüchen,
ihrer Toleranz gegenüber Dürre - und im Opiumgehalt der Kapseln.
Trockenheit in Zentralafghanistan und im Westen des Landes hat 2006
dazu geführt, dass die Hektarerträge im Landesdurchschnitt im Vergleich
zum Vorjahr von 39,3 Kilogramm Opium auf 37 Kilogramm gesunken sind.
Doch zugleich tauchten im Rekordjahr 2006 erstmals bei offiziellen
Untersuchungen Mohnsorten mit einem extrem stark erhöhten
Morphiumgehalt auf, die den Fachleuten der Vereinten Nationen Rätsel
aufgeben. „Wenn wir das Geld bekommen, werden wir der Sache auf den
Grund gehen“, sagt Demirbuken.
CIA importierte Saatgut in den Achtzigern
Michael Pohly will aber nicht warten, bis die UN Geld zur Verfügung
stellen. Er weiß bereits über sein weitverzweigtes Kontaktnetz in
Afghanistan, dass Bauern für eine neuartige Sorte den Namen
„Amerikanischer Mohn“ benutzen. Sie zeichnet sich durch auffällig helle
Fransen am Ende der Blütenblätter aus. „Diese Sorte ist erstmals nach der
westlichen Invasion 2001 in Afghanistan aufgetaucht und heißt vielleicht
nur deswegen so“, sagt Pohly. Über ihren Ursprung existieren nur
Mutmaßungen.
Einen Import von Saatgut nach Afghanistan habe es aber schon einmal
gegeben: „Wir wissen, dass die CIA das in den achtziger Jahren gemacht
hat, um dem Widerstand gegen die sowjetischen Besatzer zu schnellem
Geld für Waffenkäufe zu verhelfen“, sagt er. Pohly kann sich viele Quellen
für neuartige Mohnsorten vorstellen, bei weitem nicht nur eigene
Pflanzenzuchtprogramme von Drogenkartellen oder Geheimprojekte von
Regierungen. Zugang zu Schlafmohn und das nötige Hintergrundwissen
haben etwa auch Mitarbeiter von Gartenzuchtbetrieben, die
morphiumfreien Mohn als Zierpflanze entwickeln, und Mitarbeiter von
Pharmafirmen, die morphiumreichen Schlafmohn legal als
Schmerzmedikament anbauen. Deren Sicherheitsvorkehrungen lassen sich
womöglich umgehen.
Dem „amerikanischen Mohn“ auf der Spur
Im Rahmen des Berliner Forschungsprojekts sollen nun Schlafmohnproben
aus aller Welt gesammelt und molekularbiologisch charakterisiert werden.
Gartenbaubetriebe, Pharmafirmen, Pflanzensamenbanken und botanische
Gärten werden gebeten, alles Schlafmohnmaterial zur genetischen und
molekularbiologischen Untersuchung zur Verfügung zu stellen. „Wir
können dann etwa den ,amerikanischen Mohn' mit der Datenbank
abgleichen und ermitteln, wo er gezüchtet wurde oder welche
Elternpflanzen für ihn gekreuzt wurden“, sagt Pohly.
Am Ende des Projekts soll ein kleines Gerät stehen, in das Fahnder nur
Heroinspuren oder Blattstücke stecken müssten, um die regionale
Herkunft der Drogen zu bestimmen und um schnell neuartige Zuchtformen
von Schlafmohn zu erkennen. Doch damit es so weit kommen kann, steht
noch gefährliche Arbeit bevor - die Sammlung von Mohnproben in ganz
Afghanistan.
Text: F.A.Z.
Bildmaterial: REUTERS
Freiheit durch Sicherheit?
Peter Nowak 27.03.2007
Im Windschatten von Terrorangst und Klimakatastrophen
boomt die Sicherheitsforschung
An die tausend zeilnehmende Forscher, Politiker und Ökonomen aus den
EU-Ländern beraten bis heute in Berlin über die Schwerpunkte der
künftigen europäischen Sicherheitsforschung (1). Ein Forschungszweig,
den zur Zeit keine Geldsorgen plagen müssen. Schließlich soll die
Europäische Sicherheitskonferenz der Startschuss für das ambitionierte
"Europäische Sicherheitsforschungsprogramm" sein. Gleich zur
Eröffnung erklärte (2) Bildungsministerin Annette Schavan, dass die EU
für die Sicherheitsforschung im Zeitraum von 2007 bis 2013 insgesamt
1,4 Milliarden Euro eingeplant hat. Von solchen Beträgen können andere
Forschungszweige in Zeiten der leeren Kassen nur träumen.
Schavan skizzierte in ihrer Eröffnungsrede den politischen Kontext für diese großzügigen
Geldspritzen. "Wir müssen uns vor den Gefahren durch Terrorismus, Kriminalität und
Naturkatastrophen schützen und gleichzeitig unsere Freiheit und Rechtstaatlichkeit stärken", so die
Ministerin. Noch deutlicher heißt es auf der Konferenzhomepage (3): "Terrorismus, organisierte
Kriminalität, Naturkatastrophen und Unfälle besonderen Ausmaßes machen an den Grenzen Europas
nicht Halt. Daher verstärkt die Europäische Union ihre Aktivitäten im Bereich Sicherheitsforschung."
Zu den Fragen, die die illustre Runde im Berliner Maritim Hotel diskutiert, gehören der Schutz der
Bürger vor Terrorismus und Naturkatastrophen. Ausdrücklich wird die Verletzlichkeit von
Infrastrukturen und Grenzen genannt. Eine weitere Arbeitsgruppe beschäftigt sich mit der Frage, wie
die Erkenntnisse über die Ursachen von Bedrohungen mithilfe von modernen Technologien zu mehr
Sicherheit führen können. Auch der Wirtschaftsstandort EU wird nicht vergessen, schließlich boomt
die Sicherheitstechnik, in die die US-Regierung nach dem 11.9. viele Milliarden Dollar investiert hat.
Ein eigenes Panel widmet sich der Frage, wie die Sicherheitsforschung zur Steigerung der
europäischen Wettbewerbsfähigkeit beitragen kann.
Die Fragestellungen sind nicht neu. Auch ein Großteil der Konferenzteilnehmer dürfte sich von
ähnlichen Veranstaltungen kennen. So gibt es kaum Unterschiede zwischen der Berliner Konferenz
und der Future Security (4), die Anfang Juli 2006 in Karlsruhe stattgefunden hat.
Unter Ausschluss der Öffentlichkeit
Die Treffen werden auch in der kritischen Öffentlichkeit wenig wahrgenommen. So wurde von den
Organisatoren (www.anti-eu.info/ - ) der EU-kritischen Demonstration, die am vergangenen Sonntag
in Berlin stattgefunden hat, die Sicherheitskonferenz gar nicht erwähnt. Nur einige Datenschützer und
Überwachungsgegner (5) äußern schon länger Kritik. Sie verweisen darauf, dass das Feld der
Sicherheitsforschung ein völlig unklarer Bereich ist, der von der Kameraüberwachung über
elektronische Reisepässe und Grenzsicherheitsmaßnahmen bis zur Akzeptanzforschung reichen kann.
Kennzeichnend ist der Versuch einer technokratischen Lösung von Problemen. Nicht gesellschaftliche
Ursachen und ihre Veränderung stehen im Mittelpunkt, sondern die Entwicklung von Techniken und
Verfahren, um scheinbar allen Risiken der modernen Gesellschaft zu beherrschen.
Klimaveränderungen und Sicherheitspolitik
Interessant ist die auf der Konferenz-Homepage erfolgte Verknüpfung von terroristischen
Bedrohungen und der Klimaänderungen mit den Erfordernissen einer verstärken Sicherheitsforschung.
Die Verbindung von Umweltthematik und Sicherheitspolitik muss zunächst überraschen. Wären die
finanziellen Mittel nicht sinnvoller für die Erforschung umweltfreundlicher Technologien aufgehoben?
Doch diese Diskussionen unter dem Vorzeichen der Sicherheitspolitik machen auch deutlich, dass im
Windschatten der gegenwärtigen Debatte über die Klimaveränderung vielleicht auch der Akzeptanz
für mehr Überwachung und einer neuen Verbotspolitik der Boden bereitet werden kann. Die Frage,
unter welchen Umständen in großen Teilen der Bevölkerung die Akzeptanz für Verbote und
Restriktionen, die durchaus auch persönliche Einschränkungen implizieren, wächst, dürfte auch ein
Feld der Sicherheitsforschung sein. Geht es darum, bei der Mehrheit der Bevölkerung die Zustimmung
zu Sicherheitsmaßnahmen zu erhöhen, so soll gegen Minderheiten, die als Risiko für die öffentliche
Sicherheit und vielleicht bald auch das Weltklima eingestuft werden, das technologische Know-how
zur Anwendung kommen. So kann man sich unter dem Stichwort der Verletzlichkeit von modernen
städtischen Infrastrukturen allerlei Maßnahmen zum Umgang mit potentiell Verdächtigen überlegen.
Die Kunst der wissenschaftlichen Sicherheitspolitik ist denn neben der technologischen Entwicklung
die Verbindung dieser beiden Elemente. Die Mehrheit nimmt Einschränkungen besser in Kauf, wenn
sie zur Überwachung und Fernhaltung potentieller Störer beitragen werden. Für diese Erkenntnis
braucht man allerdings nicht unbedingt teure Sicherheitskonferenzen. Eine Künstlergruppe hat in
Berlin mit dem Projekt European Borderwatch (6) gezeigt, wie gut es klappt. Sie suchte Freiwillige für
die individuelle Überwachung der EU-Außengrenzen nach texanischem Vorbild (7) ganz bequem vom
eigenen PC. Neben empörter Ablehnung gab es auch Zustimmung für diese unkonventionelle
Feldforschung im Sicherheitsbereich.
Links
(1) http://www.bmbf.de/de/7280.php
(2) http://www.eu2007.de/de/News/Press_Releases/March/0326BMBFSicherheitsforschung.html).
(3) http://www.src07.de/
(4) http://www.vvs.fraunhofer.de/de/downloads/future-security/Ewert.pdf
(5) http://kein1984.blogspot.com/2006/07/deutschland-frdert-zivile.html
(6) http://www.europeanborderwatch.org/de_index.html
(7) http://www.heise.de/tp/r4/artikel/24/24909/1.html
Telepolis Artikel-URL: http://www.heise.de/tp/r4/artikel/24/24946/1.html
URL: http://www.fr-online.de/in_und_ausland/politik/aktuell/?em_cnt=1103289
Europäische Union
1,4 Milliarden Euro für Sicherheitsforschung
Berlin - Die Europäische Union (EU) will den Kampf gegen den internationalen Terrorismus enger
verzahnen und dazu auch die zivile Sicherheitsforschung in Europa vorantreiben. Das kündigten die
Vize-Kommissionspräsidenten Günther Verheugen und Franco Frattini am Montag auf einer
internationalen Konferenz mit rund 1000 Experten in Berlin an. Ziel ist ein besserer Schutz von
Strom-, Verkehrs- und Kommunikationsnetzen etwa vor Terroranschlägen.
"Wir brauchen Sicherheitsforschung auf europäischer Ebene", sagte Verheugen und forderte die
EU-Staaten zur Kooperation in einem "Europäischen Sicherheits- und Innovationsforum" auf. Für
die Zeit bis 2013 hat die EU für die Sicherheitsforschung 1,4 Milliarden Euro eingeplant,
Deutschland will bis 2010 etwa 123 Millionen Euro ausgeben.
"Naturkatastrophen, große technische Unfälle und Anschläge können in einer derart vernetzten
Welt große Folgeschäden auslösen, bis hin zur Destabilisierung von Gesellschaften", sagte
Forschungsministerin Annette Schavan (CDU). dpa