Drum prüfe, wer Holz daran bindet
Transcrição
Drum prüfe, wer Holz daran bindet
FMP 2015-10_Layout 1 22.09.15 08:40 Seite 46 Drum prüfe, wer Holz daran bindet Die zuverlässige Prüfung von Seilwinden ist nur mit einem Meßstand möglich Zu jeder Seilwinde gehört ein Prüfbuch. Doch viele Winden werden nicht geprüft; die meisten kommen sogar schon mit abweichenden Zugkräften aus dem Werk. Die Folge können schwere Unfälle sein, bei denen Seilwindenbetreibern hohe Schadensersatzforderungen drohen. Das mobile Winden-Prüfsystem „RiBaDe“ schafft Abhilfe, nur gibt es zu wenige dieser Prüfstände. Jetzt drängen auch andere Hersteller in den Markt. An einem eisigen Wintertag im Jahr 2008 führten Ernst Riedel und Ekkehard Debnar bei der Firma Schlang & Reichart im Allgäu die GS- und KWFGebrauchswert-Prüfung einer Forstseilwinde durch. Insbesondere die Ermittlung der Bremshaltekraft bereitete dabei große Probleme. Für diese Messung stand den beiden Technikern kein Prüfinstrument zur Verfügung, denn ein solches Gerät gab es damals noch nicht. Stattdessen wurden die Brems- und Zuglasten mit Fremdsystemen wie Gabelstaplern und tonnenschwe- ren Gewichten aufgelastet, die mit dem komplett ausgerollten Seil der Winde verbunden waren. An jenem Tag im Allgäu flogen manche Hilfsmittel und die Zugseile bei den meisten Meßversuchen jedoch unkontrolliert durch die Gegend, so daß Riedel und Debnar die Prüfung nur unter unzumutbaren, sehr gefährlichen Umständen abschließen konnten. Schließlich endete der kalte Wintertag nach einer leiblichen Stärkung und einem Gang in die Pfarrkirche St. Martin zur Danksagung für einen 46 | FORSTMASCHINEN-PROFI Oktober 2015 chaotischen Prüftag, der jedoch ohne Personenschäden blieb, bei Weizenbier in einem Wirtshaus. „Wir brauchen einen Windenprüfstand“, stellten die beiden nach dem ersten Zuprosten ernüchtert fest und skizzierten auf einem Bierdeckel einen ersten Entwurf. Am Ende des Abends standen acht Weizen auf der Rechnung und vor Ernst Riedel und Ekkehard Debnar lagen zwanzig bemalte Bierdeckel mit den Konstruktionsplänen eines Windenprüfstands. Diese Winternacht war die Geburt des Windenprüfsystems RiBaDe, das in den folgenden zwei Jahren bis zur Marktreife entwickelt wurde. Der Name RiBaDe entstand aus den Initialen seiner Entwickler: Ernst Riedel von der landwirtschaftlichen Sozialversicherung (SVLFG), dem Landmaschinenmechanikermeister Johannes Baur, der den Prüfstand als Teilhaber der Firma Schick & Baur Landtechnik in Achstetten in die Praxis umsetzte, und Prüfingenieur Ekkehard Debnar vom Kuratorium für Waldarbeit und Forsttechnik e.V. (KWF). FMP 2015-10_Layout 1 22.09.15 08:40 Seite 47 TECHNIK • SEILWINDEN Mit dem Windenprüfstand RiBaDe läßt sich die gesamte Funktionsprüfung einer Seilwinde in rund 15 Minuten durchführen. Zur Prüfung wird das Meßsystem hinter der am Schlepper angebauten Winde aufgestellt. Das Polterschild der Winde drückt dabei mittig auf einen Haltebock im unteren Bereich des Prüfstands. Im oberen Windenbereich wird der Prüfstand mit zwei hydraulischen Stahlträgern stabilisiert. Die Meßergebnisse lassen sich manipulationssicher elektronisch erfassen. Hohe Haftung bei Unfällen Bei der Anschaffung einer Seilwinde erhält jeder Käufer ein Prüfbuch, denn Seilwinden müssen einmal jährlich durch eine befähigte Person auf die einwandfreie Funktion der Sicherheitseinrichtungen und eventuelle Schäden überprüft werden, genauso wie alle Hub- und Zuggeräte. In der Praxis unterbleiben diese Prüfungen jedoch oft. „Sogar neue Seilwinden weisen häufig erhebliche Mängel auf“, weiß Ekkehard Debnar aus 35jähriger Prüfpraxis für das KWF. „Bei rund 80 Prozent auch der werksneuen Forstwinden stimmt die Zugkraft nicht. Entweder ist sie zu hoch oder zu niedrig.“ Beides kann sich beim Betrieb der Winde fatal auswirken: Ist die Zugkraft zu hoch, drohen Beschädigungen wie Seilbrüche während der Arbeit, ist sie zu niedrig, kann sich ein Windenbenutzer auf die verfügbare Zugkraft und das Halten der geseilten Lasten nicht verlassen. Deshalb sollen neue Winden künftig nur noch mit einem dazugehörigen Prüfprotokoll verkauft werden dürfen. Eine der wenigen Firmen, die werksneue Winden bereits prüft und dem Käufer ein Prüfprotokoll aushändigt, ist das Unternehmen Pfanzelt Maschinenbau aus Rettenbach im Allgäu. Die Prüfung einer Seilwinde ist nach den Vorschriften für Sicherheit und Gesundheitsschutz der Land- und Forstwirtschaftlichen Berufsgenossenschaften auch nach einer Reparatur nötig, um die Werkseinstellungen wiederherzustellen. Die regelmäßige Prüffrist beträgt bei Winden im Profieinsatz ein Jahr. Bei sogenannten Bauernwinden, die von Landwirten überwiegend nur während der Winterarbeit genutzt werden, oder bei Winden im privaten Einsatz, werden Prüf- Bei der Firma Pfanzelt Maschinenbau kommt ein modifizierter RiBaDe-Prüfstand zum Einsatz. FORSTMASCHINEN-PROFI Oktober 2015 | 47 FMP 2015-10_Layout 1 22.09.15 08:40 Seite 48 TECHNIK • SEILWINDEN Ohne Prüfstand mutete eine Windenprüfung mitunter abenteuerlich an: Die Bremshaltekraft wurde durch das Aufbringen einer weiteren Kraft gemessen, wie bei dieser Gabelstapler-Methode. Solche Prüfungen benötigten sehr viel Platz und konnten einen ganzen Tag dauern. Fotos: Riemann (1), Baur (2), Riedel (1), Pfanzelt (1) fristen von zwei Jahren akzeptiert. Die Nichteinhaltung der Prüffristen kann im Profieinsatz dazu führen, daß ein Unternehmer bei der Arbeit in zertifizierten Wäldern von der Auftragsvergabe ausgeschlossen wird. Außerdem drohen empfindliche Bußgelder und Regreßforderungen des Unfallversicherers, wenn sich Mitarbeiter des Unternehmers bei der Arbeit mit einer ungeprüften Winde verletzen. Bei privaten Holzmachern können die Folgen sogar noch drastischer sein: Kommt ein Dritter bei der Arbeit mit einer ungeprüften Seilwinde zu Schaden, wird der Windenbesitzer haftbar gemacht. Sachkundige, die eine Prüfung vornehmen dürfen, sind befähigte Personen mit Fachkenntnissen. Das bedeutet: Die Prüfperson muß eine Berufsausbildung oder ein Studium abgeschlossen haben, über Berufserfahrung im Umgang mit Seilwinden verfügen und einer ähnlichen beruflichen Tätigkeit nachgehen. Das kann beispielsweise die Durchführung von mehreren Windenprüfungen pro Jahr sein, um regelmäßige Prüfpraxis zu erlangen. Im Prinzip können befähigte Privatpersonen ihre eigene Winde selbst prüfen. Das setzt allerdings einen Sachkunde-Nachweis voraus, für den die SVLFG Lehrgänge anbietet sowie geeignete Meßinstrumente wie einen Seilwindenprüfstand. Weil solche mobile Prüfstände jetzt vorhanden sind, werden immer mehr Windenhändler damit ausgestattet. Die Einweisung zur richtigen Prüfmethode muß von den Windenherstellern erfolgen. Sicht- und Funktionskontrolle muß an jeder Winde optimal eingestellt sein, um ein ungewolltes Zurücklaufen der Last nach dem Die Prüfung beinhaltet eine Sicht- sowie eine Beiziehen zu verhindern. Funktionskontrolle. Bei der Sichtkontrolle wer- Die Prüfung der maximalen Windenzugkraft ließ den unter anderem der Zustand und die sich bislang auch ohne Prüfstand durchführen. Vollständigkeit des Gerätes, der Seilrollen, des Dazu wurde beispielsweise eine Zugwaage an Seils sowie die gesamte Tragkonstruktion begut- das Windenseil montiert, der Wert abgelesen achtet. Verschleiß, Korrosion und Beschädigun- und im Prüfbuch notiert. Die Bremshaltekraft gen werden dabei ebenso bewertet wie der ließ sich ebenfalls mit Hilfe Zustand der elektrieiner weiteren Kraftquelle schen Anlage messen. Das konnte ein und der HySchlepper oder ein Gabeldraulikkompostapler sein, die für den nönenten. Außertigen Gegendruck sorgdem müssen ten. Diese Verfahren alle Sicherheitswaren aber äußerst unzueinrichtungen verlässig und gefährlich der Winde wirkfür den Prüfer. Hinzu sam sein, genauso kam ein sehr hoher Mawie eine eventuell terial- und Zeitaufvorhandene Funkwand, eine Prüfung fernsteuerung. mit diesen Methoden Zu der Funktionskonnte bis zu einem prüfung gehören die Tag dauern und war Messung der maxideshalb sehr teuer. malen Zugkraft, die Eine definierte BremsüberschneiBremsüberschneidung mit der Reakti- Die gemessenen Prüfwerte lassen sich mit den dung ließ sich ohne RiBaDe-System manipulationssicher ausdrucken. onszeit von KuppPrüfstand allerdings lung und Bremse nicht messen. sowie die Ermittlung der erforderlichen Brems- Bis zur Entwicklung des Systems RiBaDe tolerierhaltekraft. Gerade diese Brems-/Kupplungs- ten das KWF als GS-Prüfstelle und die BerufsgeÜberschneidung der Seilbrems- und -haltekraft nossenschaften derartige Messungen. Seitdem 48 | FORSTMASCHINEN-PROFI Oktober 2015 FMP 2015-10_Layout 1 19.04.16 14:05 Seite 49 TECHNIK • SEILWINDEN sich die Werte mit dem RiBaDe-Prüfstand elektronisch messen und aufzeichnen lassen, gilt das aber nicht mehr. Denn der Bremsweg zählt zu den wichtigsten Funktionen einer Winde. Wenn das Seil von Ziehen auf Halten umgestellt wird, muß die Bremse sofort greifen und das gezogene Holz unmittelbar liegenbleiben. Das gilt um so mehr beim Beiseilen von Holz in Hängen und Steillagen, damit schwere Stämme einen Abhang nicht unkontrolliert herunterrutschen können. Solch „schießendes Holz“ kann sogar einen Seilwinden-Schlepper mitreißen. Um solche Unfälle zu vermeiden, muß die Windenbremskraft mindestens das 1,25fache der maximalen Zugkraft betragen. Bei der Prüfung einer Vier-Tonnen-Seilwinde beispielsweise wird die Bremseinrichtung mit einer Kraft von 50 Kilonewton, das entspricht fünf Tonnen, belastet. Dabei wird beim System RiBaDe diese über die maximale Windenzugkraft hinaus erhöhte Belastung mit einer Hydraulikeinheit unter langsam erhöhter Belastung manuell aufgebracht. Prüfung in nur 15 Minuten Die Prüfung mit dem System RiBaDe erfolgt in der Regel auf der untersten Seillage auf dem Trommelkern, weil nur dann die maximale Zugkraft erreicht wird. Nur in Ausnahmefällen dürfen Prüfungen in der oberen Seillage durchgeführt werden; RiBaDe kann grundsätzlich sogar in jeder Seillage prüfen. Windenseile aus Kunststoff sind zur Prüfung nicht zugelassen, weil sie sich weiter dehnen als Stahlseile und die Meßergebnisse verfälschen. Sie müssen durch ausreichend feste Prüfseile aus Stahl ersetzt werden. Zur Prüfung wird das Seil bis auf drei Umwicklungen komplett von der Seiltrommel gezogen. Dabei begutachtet der Prüfer das Seil gleichzeitig auf Beschädigungen. Der Seilanfang wird anschließend mit mindestens drei Umschlingungen auf einen Spillkopf am Prüfstand gewickelt und der Windenzug in kleinen Teilschritten bis zur Nennzugkraft eingeleitet. In dieser Position werden auch die Kupplungsüberschneidung und die Bremshaltekraft mit einem hydraulischen Meßsystem und Prüfzylindern ermittelt. Alle Daten werden in einem Meßprotokoll elektronisch erfaßt und lassen sich ausdrucken. Dieses System gilt als manipulationssicher. Der Zeitaufwand für eine komplette Prüfung mit dem RiBaBeSystem beträgt nur rund 15 Minuten und kostet etwa 60 Euro. Viel zu wenig Prüfstände Die Anzahl der forstlichen Seilwinden in Deutschland schätzt das KWF auf über 200.000. Für deren regelmäßige Prüfung würden etwa 250 Windenprüfsysteme benötigt. Doch so viele Prüfstände sind bei weitem noch nicht vorhanden, derzeit sind nur drei Systeme auf dem Markt: das Prüfsystem RiBaDe, das Modell RopoCheck 100, eine Entwicklung der Firma Schmid Landmaschinen aus Waldstetten aus dem Jahr 2014, sowie der zu Beginn dieses Jahres vorgestellte Seilwindenprüfstand Easy Pull G.S der Firma Unterreiner Forstgeräte. Die Anzahl der verfügbaren Maschinen ist überschaubar: Von dem System RiBaDe gibt es etwa 25 Stück, vom Ropo-Check 100 fünf und vom Unterreiner-System 17. Alle Prüfstände lassen sich transportieren, einzig der RiBaDe besitzt eine KWF-Prüfung. Für Windenbesitzer und -betreiber zeigt Ekkehard Debnar die Funktionsweise des RiBaDe-Systems auf den KWF-Thementagen Mitte Oktober in Groß Heins (siehe Bericht Seite 54) am Beispiel einer FünfTonnen-Seilwinde. MAX RIEMANN FORSTMASCHINEN-PROFI Oktober 2015 | 49