bremer kirchenzeitung - Bremische Evangelische Kirche

Transcrição

bremer kirchenzeitung - Bremische Evangelische Kirche
bremer kirchenzeitung
Das evangelische Magazin September 2007
Kinderoratorium
im Dom
Ehrenamtlich bei
der Telefonseelsorge
Jobpaten-Modell
hilft Arbeitslosen
Sonntag Gemeinsame Zeit
Inhalt
4
10
20
Sonntags 18 Uhr: Gottesdienstzeit.
Innenstadtkirchen laden zu besonderen Abendgottesdiensten ein.
16
Nächstenliebe “unter der Haube”:
Bremer Diakonissen-Mutterhaus feiert
sein 140-jähriges Bestehen.
Im Dom schmatzt der Urschlamm – im neuen Kinderoratorium.
8
Telefonseelsorge: Ehrenamtliche Mitarbeit beim Notruf für
die Seele.
22
18
Jobpaten: Wie eine neue Idee
Arbeitslosen beim beruflichen
Wiedereinstieg hilft.
Mein Sonntag – warum Bremern ihr
Ruhetag wichtig ist.
Purer Klang in der Posaunenarbeit:
Jung und Alt musizieren gemeinsam.
Impressum
Die bremer kirchenzeitung ist eine Publikation der Bremischen Evangelischen Kirche. Sie erscheint vier Mal im Jahr samstags als Beilage zum Weser-Kurier und den Bremer
Nachrichten. Namentlich gekennzeichnete Beiträge stellen nicht in jedem Fall die Meinung der Redaktion dar. Ihr Themenvorschlag ist uns willkommen.
Bitte senden Sie uns eine Mail an [email protected] oder schreiben Sie uns. Falls Sie Fragen rund um die Kirche haben, erreichen Sie Pastorin Jeannette Querfurth unter
[email protected]. Sie können uns auch an 0421/5597-206 ein Fax senden. Für unverlangt eingesandte Manuskripte können wir leider nicht haften.
Herausgeber: Bremische Evangelische Kirche (Mitglied im Gemeinschaftswerk der Evangelischen Publizistik) Franziuseck 2-4, 28199 Bremen, Telefon (0421) / 55 97 - 0
Redaktion: Sabine Hatscher & Matthias Dembski
Titelfoto: Matthias Dembski
Grafische Realisation: Rank - Grafik-Design. Druck, Vertrieb & Anzeigen: Bremer Tageszeitungen AG, 28189 Bremen
Die nächste Ausgabe der bremer kirchenzeitung erscheint am Samstag, den 15. Dezember 2007
Aktuelle Termine unter www.kirche-bremen.de
Kultur und Kirche stärker ins Gespräch bringen
Im gläsernen Intendanzbüro von Hans-Joachim Frey geben sich die Besucher in
diesen Tagen die Klinke in die Hand. Deshalb hat der neue Generalintendant des
Theater Bremen seinen Arbeitsplatz kurzerhand an den Konferenztisch verlagert.
Dabei liegt sein Dienstbeginn erst knapp zwei Monate zurück. Doch HansJoachim Frey legt einen Blitzstart hin. Am vergangenen Wochenende ging die
erste Openpremiere mit viel Beifall des Publikums wie der Kritiker über die Bühne.
Kaum ist die erste Feuerprobe bestanden, geht die Arbeit an der Neuausrichtung
des Theater Bremen mit Elan weiter. “Nach 13 Jahren fand ich es wichtig, dem
Haus ein neues Image zu geben, deshalb zum Beispiel das neue Logo.” Vier stilisierte Hähne – für die vier Sparten und Spielstätten des Hauses und passend zu
den vier Stadtmusikanten – statt des einen gezeichneten Federviehs stehen künftig für das Theater Bremen.
Ruhig erläutert er seine Vorstellungen und strahlt dabei Entschlossenheit und
Tatkraft aus. Die wird er als oberster Manager der Bremer Bühnen auch brauchen,
die zuletzt vor allem als betriebswirtschaftlicher Sanierungsfall Schlagzeilen
machten. Noch drücken mehrere Millionen Schulden und der Theateretat ist um
weitere 1,3 Millionen Euro jährlich gekürzt worden. Eine stramme betriebswirtschaftliche Herausforderung, wie Frey unumwunden zugibt. Er hat sie offensiv
angenommen und betont die Stärken des Theater Bremen, die ihn motivieren.
Das Haus habe eine große Tradition. “Bremen ist im Vergleich zur alt-ehrwürdigen
Semper-Oper, wo ich vorher war, ein Jungbrunnen. Hier kann ich neue Sänger und
Schauspieler entdecken, fördern und durch die Offenheit des Publikums innovativer sein.” Nach zehn Jahren Dresden sah er die Zeit für eine Veränderung gekommen. “Ich wollte gern persönlich ein Theater leiten”, begründet er seinen Wechsel
von der Elbe an die Weser. “Außerdem konnte ich in meine norddeutsche Heimat
zurückkehren. Zum Anderen hat sich dieses Theater baulich durch die Umgestaltung enorm positiv entwickelt.”
Zunächst muss er die Geldsorgen loswerden: Das Ensemble hat er um ein Drittel
reduziert, dafür kommen mehr Gäste auf die Bühne. Das Tanztheater wurde mit
dem Oldenburger Ensemble zusammen gelegt. Mit dem HaushaltsnotlagenTarifvertrag und einem Umbaukosten sparenden Blockaufführungssystem will er
ebenfalls Kosten drücken. “Die festen Personalkosten eines Theaters lagen früher
bei 60 Prozent, mittlerweile sind es nahezu 90 Prozent”, rechnet Frey vor. Es brauche neue Strategien, die aber von Kulturschaffenden und Kulturmanagern, nicht
von Kulturpolitikern kommen müssten. “Ich nehme die Position ein, nicht immer
nur zu fordern, sondern über neue Strukturen nachzudenken. Dafür besteht in
Bremen Offenheit.”
wirft. Als Direktor der weltberühmten Semperoper machte er sich einen Namen,
brachte zunächst ungewöhnliche Allianzen von Wirtschaft und Kultur auf den
Weg. Seine Idee eines “Internationalen Forums für Kultur und Wirtschaft”, um
Unternehmen als Sponsoren an das Theater zu binden, hat er bereits nach Bremen importiert. “Wir sind als Theater ein Ort für den Dialog, um zwischen Wissenschaft, Politik, Kultur und Wirtschaft zu vermitteln.”
Den Kirchentag ins Haus holen
Aber auch der Austausch zwischen Theater und Kirche ist dem neuen Generalintendanten schon aus biografischen Gründen wichtig – er stammt aus einem
Pastorenhaushalt. “Wir haben die Theaterpredigten eingeführt. Ein oder zwei
Wochen nach einer Premiere predigt ein Pastor in der Kulturkirche St. Stephani zu
der Oper.” Eine wunderbare Kooperation, meint Frey. Auch der Deutsche Evangelische Kirchentag 2009 liegt ihm am Herzen. “Ich bin mit den Kirchentagen in
den achtziger Jahren groß geworden. Für 2009, wenn der Kirchentag nach Bremen
kommt, habe ich mir die Tage schon offen gehalten und dem Präsidium mitgeteilt, dass wir gern Veranstaltungen hier im Hause hätten.” Zwischen Kirche und
Kultur gebe es viele Gemeinsamkeiten. “Kultur wie Kirche sind leider nur noch
Ränder unserer Gesellschaft, die wieder viel stärker ins Bewusstsein gerückt werden müssen.” Auch wenn die Ökumene von katholischer Seite momentan stocke,
sei ein deutscher Papst eine Chance. “Wir sollten gesamtkirchlich denken und die
Räume des Glaubens und der Religion wieder stärker in den Mittelpunkt rücken.”
“Nach dem Umzug vor drei Wochen leben wir uns jeden Tag in Bremen mehr ein”.
Bremen ist für den Theatermacher kein Neuland: “Vor meiner Dresdner Zeit habe
ich schon einmal zwei Jahre als Chefdisponent hier gearbeitet.” Auch familiär ver
denn meine Großtante lebte hier”, erinnert sich der 42-jährige Theaterchef. Jetzt
bringt er eine frische Brise der Veränderung in die Bremer Theaterlandschaft –
das Publikum beobachtet es gespannt.
Gespräch: Matthias
Dembski
Foto: Jörg
Landsberg
Sinnliches Theater machen
“Wir können nur hoffen, dass die Bremer wieder in ihr Theater gehen. Dann hat
das Haus eine Zukunftsperspektive.” Die Konkurrenzsituation der Freizeitgesellschaft sieht er deutlich: Fernsehen, Kino, Musicals und zahlreiche Veranstaltungsangebote ziehen ebenfalls Publikum an, das dem Theater fehlt. Doch der Anspruch von Hans-Joachim Frey ist klar: “Wir wollen ein Theater für alle machen.
Durch Oper, Schauspiel, Tanztheater und Kinder- und Jugendtheater haben wir
die Chance, alle Bevölkerungs- und Altersschichten zu erreichen.” Analysen hätten gezeigt, dass viele Zuschauer in den letzten Jahren verschreckt worden seien
und nicht mehr ins Theater gekommen. “Manches war zu grell, zu laut, zu provokativ, zu verstörend. Ich möchte den Zuschauern nichts versprechen, was wir nicht
einhalten.” Gemeinsam mit seinem Team wolle er gutes, sinnliches Theater machen.
“Dabei wollen wir die Stücke so erzählen, wie sie sind – aber nicht im konservativen Sinn, sondern mit moderner Ästhetik.” Dabei zielt Freys Spielplangestaltung
nicht nur auf Mainstream-Stücke. Mit der zeitgenössischen Oper des Ungarn
György Ligeti “Le Grand Macabre” setzte er bewusst einen modernen Auftakt zu
seiner ersten Spielzeit.
Das Publikum dürfte dieser Akzent überrascht haben, hängt Frey doch das
Vorurteil an, eher ein Kulturmanager, als ein Theatermacher zu sein. Zu Unrecht,
wie er schmunzelnd meint. “Bis zum 25. Lebensjahr hatte ich nichts mit Management zu tun. Ich habe Gesang und Musiktheater-Regie studiert.” Dass er das
Kulturmanagement zusätzlich für sich entdeckte, verdankt sich einem Zufall:
“Durch meine auch organisatorisch erfolgreiche Diplom-Inszenierung bin ich darauf gestoßen, mit 25 Jahren ein Kulturmanagement-Aufbaustudium zu beginnen.” Seine künstlerische und seine Management-Seite als Intendant sieht er
nicht im Widerspruch zueinander. “Kulturmanager kann nur derjenige sein, der
ein Fachmann für künstlerische Dinge ist.” Frey versteht sich als Partner der
Künstler, der aber als Verantwortlicher einen ganzheitlichen Blick auf das Theater
Hans-Joachim Frey
Neuer Generalintendant des Theater Bremen.
www.kirche-bremen.de · bremer kirchenzeitung September 2007
3
Wenn im Dom der
Sie tun es unter den strengen Augen von Johann Sebastian Bach, Heinrich Schütz und Karl
Reinthaler. Sie tun es gern und zwei Mal in der
Woche. Und sie tun es für viele Menschen, die
sich im Oktober darüber freuen sollen. Seit März
singen und tanzen rund 70 Kinder und Jugendliche der Domsingschule für die Uraufführung
des Kinder-Oratoriums „Die Stunde Welt“ im St.
Petri Dom. Es geht um die immerwährende
Schöpfung, um Gedanken zur biblischen Geschichte von der Entstehung der Welt. Sie robben über
das glatte Parkett des Chorsaals, bilden Knäuel, schreiten, rennen, schreien wie die Möwen. Sie sind die
Ursuppe, verkörpert von den schlängelnden Leibern
von zwölf Mädchen.
Geräuschgemenge kommt in Fahrt
„Schmatzt mal ordentlich und bewegt euch aufeinander zu – ihr seid doch jetzt Schlamm!“ fordern Chorleiterin Ilka Hoppe und Choreographin Gudrun Soujon
sie auf. Kein Problem, schmatzen können sie alle.
Draußen an der Domsheide rumpeln die Straßenbahnen vorbei, die Domglocken beginnen zu läuten.
So kommt der Urschlamm der Evolution unter einem
ziemlichen Geräuschgemenge in Fahrt. Immer wieder
muss Ilka Hoppe die Kinder zur Ruhe mahnen, damit
die Anweisungen der Choreographin durchdringen,
doch Gudrun Soujon ist mit der Szene zufrieden: „Toll
habt ihr das gemacht! Wunderbar!“ Das Lob beflügelt, die Szene wird gleich noch einmal durchgespielt.
4
bremer kirchenzeitung September 2007 · www.kirche-bremen.de
Urschlamm schmatzt
Schöpfung als kreatives Chaos
Etwa eineinhalb Stunden wird die Aufführung am 20.
und 21. Oktober dauern. In den dämmerigen Seitenkapellen des Doms sollen Lichteffekte und Videoinstallationen das Spiel der Kinder zu einem Erlebnis für
die Sinne machen: das kreative Chaos der Schöpfung
der Welt als Gesamtkunstwerk - ein aktuelles Thema
in Zeiten, in denen Evolutionstheorie und Schöpfungsglaube mancherorts hart aufeinanderprallen. „Die
Bremer Domsingschule nähert sich dem Thema sowohl biblisch als auch wissenschaftlich“, verspricht
die Presseinformation zum Stück. Ilka Hoppe und der
frühere Manager der Dom-Musik, Moritz Puschke, hatten zunächst nur eine vage Idee von einer völlig
neuen Schöpfungsgeschichte gehabt. In der Bremer
Sängerin und Komponistin Gabriele Hasler fand man
dann die Partnerin für die Musik. Sie hatte gerade
eine CD mit dem Büchner-Preisträger Oskar Pastior
produziert. Aus seinen Texten durften sich Chorleiterin
und Komponistin herauspicken, was zu ihrem Vorhaben passte. Wenig später, am 4. Oktober 2006, verstarb Pastior während der Buchmesse in Frankfurt.
Was aus dieser Zusammenarbeit entstanden ist, wird
nun von drei Chören der Domsingschule in die Tat
umgesetzt. Beteiligt sind der Kinderchor der Sechs- bis
Achtjährigen, der Mädchenchor mit Sängerinnen von
acht bis zwölf Jahren und der Jugendchor der Zwölfbis 16-Jährigen.
auch das Projekt – da geht man nicht weg.“ Der 14jährigen Gesa geht es auch ums Singen. Sie schwärmt
noch von der Chorfreizeit im kirchlichen Ferienheim
Haus Meedland auf Langeoog. Dort hatten sich alle
drei Chöre intensiv mit den Inhalten des Oratoriums
beschäftigt und Ideen für die Aufführung entwickelt.
Engelsgesang fürs Brautpaar
Kinderoratorium
zur Schöpfung
Darstellung der Schöpfungsgeschichte, fortgesetzt.
Wieder wälzt sich der Urschlamm auf dem Boden, wieder schreien die Möwen…
Schöpfung ist jeden Tag neu.
Text: Hanni Steiner
Fotos: Hanni Steiner/ Domsingschule
Probenzeiten im Dom müssen sehr genau mit anderen Aktivitäten in der Kirche abgestimmt werden. An
diesem Sonnabend findet erst noch eine Hochzeit
statt, bevor die Kinder vor Ort mit ihrer Probe loslegen
können. Leise tappen sie hinter Ilka Hoppe hinunter
in die Kirche. Die Hochzeit ist gerade zu Ende. Pastor
und Brautpaar voran, zieht die Hochzeitsgesellschaft
gemessenen Schrittes in Richtung Brautportal. Die
Chorleiterin stoppt die Kinder im Hintergrund und
stimmt verhalten ein Lied an: „Dona nobis pacem“ –
Gib uns Frieden“. Hell schallen die jungen Stimmen
durch das hohe Kirchenschiff. Das Brautpaar bleibt
stehen, schaut überrascht, lächelnd zu der Gruppe
hinüber und zieht dann weiter zum Ausgang. Für
einen Moment hatten die lebhaften, quirligen Kinder
die Funktion von Engeln. Und einer dieser Engel murmelt im Hintergrund noch beschwörend: „Und lasst
euch ja nicht scheiden!“ Dann werden die Proben in
den Seitenkapellen, unter den Glasfenstern mit der
Singen macht Freu(n)de
Seit fünf Jahren ist die 15-jährige Katharina in der
Domsingschule. Was treibt sie an, jede Woche zwei
Mal stundenlang zu proben statt irgendwo locker
abzuhängen? „Das ist ein außergewöhnliches, abstraktes Projekt“, sagt sie. „Das möchte ich unbedingt
miterleben!“ Frederike, 12 Jahre alt, stimmt ihr zu:
„Mir gefällt, dass wir selber Ideen mit einbringen können.“ Vor allem ums Singen geht es der siebenjährigen Milena: „Das macht mir total viel Spaß und ich
habe hier auch Freundinnen gefunden.“ Sie ist eine
der Jüngsten im großen Ensemble. Ist das alles nicht
sehr anstrengend? „Das schaff ich locker…“ ist sie
sicher. Lieke, 14, hat ebenfalls in dieser großen
Gemeinschaft viele Freundinnen gefunden. Die seien
ihr sehr wichtig geworden, betont sie, „und natürlich
Kinder-Oratorium
der Bremer Domsingschule
Uraufführung des Kinder-Oratoriums „Die
Stunde Welt“ 20. und 21. Oktober jeweils um
18 Uhr im St. Petri Dom
Karten für 9, ermäßigt 7 Euro an der
Abendkasse und im Vorverkauf:
Dom-Büro, Sandstr. 10-12
Montag, Dienstag, Mittwoch und Freitag
10.00 bis 12.30 Uhr
sowie am Donnerstag 13.30 bis 16.00 Uhr.
Kapitel 8, Domsheide 8
Montag bis Freitag 12.30 bis 18.30 und
Sonnabend 12.30 bis 14.30 Uhr
Öffentliche Probe bei freiem Eintritt am
19. Oktober, ebenfalls 18 Uhr
Kontakt:
Bremer Domsingschule, Leitung: Ilka Hoppe
Telefon 0421/347 72 41
[email protected]
St. Petri Dom Gemeinde
Sandstraße 10-12, 28 195 Bremen
Telefon 0421/36 50 40
www.stpetridom.de
www.kirche-bremen.de
www.kirche-bremen.de · bremer kirchenzeitung September 2007
5
Amarob
reicht das Wasser
Uni und Friedehorst entwickeln
einen Roboter für die Pflege
Schöne neue Welt oder ein weiterer Schritt in die unterkühlte und sich dem Menschen weiter entfernende
Pflege? Oder vielleicht eine ganz pragmatische Ergänzung zur menschlichen Pflege, die schwerstbehinderten Menschen ein Stück Selbstständigkeit zurück gibt?
Viele Fragen und auch Vorbehalte umgeben das
Amarob-Projekt, mit dem das Neurologische Rehabilitationszentrum für Kinder und Jugendliche der diakonischen Einrichtung Friedehort gemeinsam mit dem
Institut für Automatisierungstechnik (IAT) an der Uni
Bremen und dem Unternehmen ied.design einen Roboter
entwickelt, der in der Versorgung von schwerstbehinderten Menschen eingesetzt werden soll. Das Projekt
ist im Mai 2006 gestartet und läuft bis Ende 2009.
Gefördert wird es in Höhe von zwei Millionen Euro vom
Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMF).
Ziel ist die angewandte Grundlagenforschung, die
mit den Krankenkassen verhandelt wurde. Der mit
einem Elektrorollstuhl kombinierte Roboter wird bei
seiner Serienreife wohl rund 30 000 Euro kosten.
Drehbücher für den Alltagseinsatz
Dr. Matthias Spranger, der für das Rehabilitationszentrum in Friedehorst an dem Vorhaben beteiligt ist, formuliert die Ansprüche an Roboter mit dem Namen
„Friend“ (Freund): Ziel sei es, dass dieser für mindestens zwei Stunden die Versorgung eines Patienten
sicherstelle. Spranger, in dessen Zentrum junge Men-
schen mit schweren Schädel-Hirn-Verletzungen behandelt werden, entwickelt die Alltagsszenarien und
Drehbücher, nach denen der Roboter eingesetzt werden soll. Das IAT versucht nach diesen Vorgaben entsprechend zu programmieren und zu schrauben, und
ied-design sorgt für eine nutzerfreundliche Anmutung.
Versorgung für zwei Stunden
Laut Spranger leistet Friend bisher noch nicht allzu viel.
Der elektrische Rollstuhl ist mit Rechner, Bildschirm,
zwei über Kopfhöhe befestigten Kameras (Stereokameras für die dreidimensionale Wahrnehmung) und
einem Roboterarm ausgestattet. Bisher kann er ein
Glas voll schenken: Der Mensch tut kund, dass er
etwas trinken möchte. Daraufhin schenkt der Roboter
selbstständig und ungesteuert aus einer Flasche ein
Glas voll. Um Flasche und Glas zu finden, werden die
Kameras benötigt. Eine Waage, auf der das Glas steht,
weiß, wann es voll ist. Ziel ist es, den Roboter so fit zu
machen, dass er rund ums Essen und Trinken autonom zwei Stunden für den Menschen sorgen kann.
Roboter muss sich zurecht finden
Der Job von Friedehorst ist es, eine solche Handlungskette zu entwickeln. Friend benötigt dafür eine intelligente Umgebung: Kühlschrank, Schrank, Mikrowelle
müssen so ausgestattet werden, dass der Roboter sich
zurechtfinden kann. Entsprechende Tests laufen in der
Versuchsküche der diakonischen Reha-Einrichtung.
Zudem muss der Roboter lernen, das Essen anzureichen und es dem Menschen nicht tief in den Mund
zu schieben. Später soll er auch eine Kaffeemaschine
bedienen und dem Menschen nach dem Essen die
Zähne putzen.
Oliver Prenzel, wissenschaftlicher Mitarbeiter des
Instituts für Automatisierungstechnik, und sein
Kollege Marco Cyriacks versuchen an der Uni gemeinsam mit sechs weiteren Kollegen, eben diese
Ausgabenstellungen zu realisieren. Keine ganz einfache Aufgabe. Denn anders als bei Industrieroboter,
die gut erforscht seien, würden die Wissenschaftler
im häuslichen Bereich wegen der so genannten
unstrukturierten Umgebung Neuland betreten.
Derzeit arbeiten die Automatisierungstechniker an
einer
Hand
mit
einer
„intelligenten
Greifkraftkontrolle“.
Will der Mensche eine Maschine?
Nicht immer ohne Verständnishürden verläuft bei
dem Projekt auch die Zusammenarbeit zwischen
Ingenieuren und Medizinern berichtet Spranger.
Nach ihrem Selbstverständnis bauen die Ingenieure
eine Maschine, die Menschen versorgt. Der andere
Blickwinkel gehe vom Menschen aus, der Hilfsmittel
benötige. Die Frage sei also, wer ist Subjekt, wer ist
Objekt.
Dazu komme die Überlegung: Will ein Mensch eine
solche Maschine überhaupt oder lieber menschliche
Zuwendung. Dazu bemerkt Spranger, dass befragte
Behinderte die Entwicklung des Roboters begrüßten.
Natürlich wäre ihnen menschliche Zuwendung lieber,
aber man müsse realistisch sein. Menschliche Pflege
rund um die Uhr sei kaum zu finanzieren. Der Friend
hingegen biete Menschen, die versorgt werden müssen, mehr Autonomie. Die Behinderten könnten
essen, wenn sie Hunger haben und nicht wenn
jemand da ist, sie können sich kratzen lassen, ohne
auf eine Pflegekraft zu warten und könnten trinken,
ohne nach Hilfe zu klingeln. Teilweise könne so auch
ein wenig Privatsphäre geschaffen werden.
Ähnlich äußert sich der Industriedesigner Bernd Huth
von ied-design: „Ich hatte mich anfangs auch gefragt,
wer so einen Roboter haben will. Bei der Befragung
möglicher Nutzer hat sich gezeigt, dass das höchste
Gut die wieder gewonnene Autonomie ist.“ So könne
der Nutzer beispielsweise bestimmen, wann und in
welchem Tempo er essen möchte. Zu der Arbeit seines Instituts am Friend bemerkt Huth: „Es ist ein weit
verbreiteter Irrtum, dass Industriedesigner die Dinge
lediglich schön machen. Wir machen mehr als lediglich die Ecken abzurunden.“
Nutzerbedürfnisse entscheidend
nnn
Hier BU
einsetzen
auch über
2 Zeilen
oder 5?
6
bremer kirchenzeitung September 2007 · www.kirche-bremen.de
Produktdesigner hätten einen anderen Blickwinkel auf
die Thematik, die so genannte Problemdistanz, sagt
Huth. Es gelte, die Betriebsblindheit zu vermeiden,
eine andere Sichtweise als die der Ingenieure zu entwickeln und auf die Bedürfnisse des Nutzers zu achten. Huth: „Wenn man andere Fragen stellt, kommt
man zu anderen Antworten und Lösungen.“
Er räumt jedoch ein, dass ein Roboterarm doch sehr
technisch sei und nicht zu einem Lifestyle-Produkt herausgeputzt werden könne. Aber die Produktdesigner wollen eine Anmutung schaffen, die nicht würdelos ist.
Schließlich werde der Friend sehr privat wie beim
Anreichen von Essen eingesetzt. Letztlich könne es
nur in Richtung Kompromiss laufen, denn es geht
um die technische Nutzbarkeit. Und ein Stückchen
wieder gewonnene Autonomie der Nutzer.
Text/ Foto: Ingo Hartel
Wenn der Sonntag zum
Werktag wird
Ein Betriebsrat zur Ausdehnung des Ladenschlusses
Karl-Heinz van der Pütten ist Familienvater,
Betriebsrat und Leiter der CD-Abteilung bei
Saturn-Hansa in der Bremer Innenstadt.
Seit 1981 bin ich im Einzelhandel beschäftigt. Heute
arbeite ich als Abteilungsleiter der CD-Abteilung bei
einem Elektromarkt in der Bremer Innenstadt. Vor 26
Jahren haben die Geschäfte samstags um 14 Uhr geschlossen. Danach bin ich mit meinen Kumpels auf
den Fußballplatz gegangen. Einmal im Monat gab es
den so genannten „langen Samstag“ bis 18 Uhr. Auch
an den vier Samstagen vor Weihnachten war bis 18 Uhr
geöffnet. Traumhafte Zeiten verglichen mit heute!
stark gemacht, dass man den Ladenschluss am
Samstag auf 20 Uhr festlegt, damit es überhaupt einen
Sonntagsschutz geben kann. Wenn man bis Mitternacht gearbeitet hat, ist der Sonntagsschutz nicht
besonders groß. In der Großen Koalition stand aber
schon vorher fest, wo es lang gehen sollte. Man müsse
sich Niedersachsen anpassen, lautete das Argument.
Unter der Woche arbeite ich bis 20 Uhr. Weil ich in
Bremen wohne, bin ich mit dem Fahrrad innerhalb
von 20 Minuten zu Hause. Meine beiden kleinen Kinder liegen dann bereits im Bett und schlafen. Natürlich ist meine Frau für sie da, aber familienpolitisch wird genau das Gegenteil gefordert. Männer
sollen sich mehr einbringen, sollen am Familienleben teilnehmen. Das geht bei meinen Arbeitszeiten leider nicht.
Sonntag ist der einzige Familientag
Die Veränderungen setzten schleichend ein. Immer,
wenn den Wirtschaftspolitikern nichts mehr einfiel,
haben sie die Ladenöffnungszeiten aufs Tapet gebracht.
Dabei bringen verlängerte Öffnungszeiten nicht mehr
Umsatz, weil niemand plötzlich mehr Geld im Portemonnaie hat. Schlimm geworden ist die Flexibilisierung
erst vor einigen Jahren. Es begann mit dem „Langen
Donnerstag“ als Serviceabend für beratungsintensive Ware. Da sollte viel Personal vorhanden sein, um die
anderen Tage zu entlasten. Normal war damals noch
um 18.30 Uhr Schluss.
Dann wurden die Zeiten wochentags generell bis 20
Uhr ausgedehnt. Mit der letzten Veränderung vor vier
Jahren wurde die Samstagsarbeit von 16 auf 20 Uhr
verlängert. Mittlerweile haben wir die komplette
Narrenfreiheit. Jedes Bundesland kann für sich entscheiden, aber die Richtung ist klar: Volle Liberalisierung, jeder kann machen, was er will.
Der Sonntag ist deshalb für mich Familientag. Ich
mache dann nur familienfreundliche Termine, zu denen ich meine Kinder mitnehmen kann. Fußballplatz,
Spielplatz, Schwimmen gehen – sich einfach mit den
Kindern beschäftigen. Meine Kinder freuen sich drauf
und wollen ihren Papa wenigstens einmal in der Woche auch für sich haben. Das ist für mich sehr wichtig, genauso wie gemeinsame Zeit mit meiner Frau.
Wenn ich am Sonntagnachmittag um 13 Uhr im Geschäft sein muss, um bis 18 Uhr zu arbeiten, dann
hat der Sonntag einfach nicht mehr diesen Wert. Ich
sehe einen riesengroßen Unterschied, ob jemand als
Hebamme, als Lokführer oder als Arzt Wochenenddienst macht, oder ob ich in einem Einzelhandelsbetrieb stehe. Einkaufen kann man die ganze Woche
über. Das ist sonntags nicht notwendig.
“Völlige Freigabe politisch gewollt”
Ich singe in zwei Chören und musste schon sehr oft
meine Teilnahme an Konzerten oder Proben absagen, weil ich arbeiten musste. Der Zion Community
Choir ist ein wirklich guter Gospelchor. Da möchte
ich unbedingt dabei bleiben. Wenn meine Motivation nicht so groß wäre, hätte ich das Singen schon
aufgegeben. Auch für Ehrenämter fehlt den meisten
Mitarbeitern im Handel schlicht die Zeit.
Seit April haben wir jetzt Erfahrungen mit dem neuen
Auf Dauer können diese Öffnungszeiten nur Betriebe mitmachen, die zu den großen Konzernketten gehören. Kleine Familienbetriebe verschwinden irgendwann vom Markt.
Die Anhörung in der Bremischen Bürgerschaft im
vergangenen Jahr war eine Farce. Dort hat sich auch
die evangelische Kirche für den Sonntagsschutz
Nachtzuschläge schon in Frage gestellt
Ladenöffnungszeitengesetz in Bremen. Aber: Es wird
nicht flächendeckend genutzt. Viele Arbeitgeber belassen alles, wie es ist. Nur vor Weihnachten wird Gas
gegeben. Dann soll die Kaufkraft genutzt werden.
Bislang hatten wir nur zwei zusätzliche Mitternachtsshoppings in der Bremer Innenstadt. Es ist vereinbart,
dass es in diesem Jahr vier offenen Sonntage geben
soll. Doch die werden gar nicht genutzt werden. Auf
Arbeitgeberseite will man lieber auf einen Sonntag
verzichten und stattdessen im Dezember ein Mitternachtsshopping am 15. Dezember haben. Das ist für
die Arbeitgeber auch noch billiger, als Sonntagsarbeit.
Für das Mitternachtsshopping samstags bis 24 Uhr
gibt es natürlich kein zusätzliches Personal, sondern
wir machen Überstunden. Noch gibt es dafür Zuschläge. In der laufenden Tarifverhandlung will der
Arbeitgeberverband die Nachtzuschläge aber über
Bord werfen. Nachtarbeit soll erst um 23 Uhr anfangen. Erst macht man die Geschäfte länger auf und
danach beschwert man sich darüber, dass die Personalkosten so hoch sind.
“Total geschlaucht”
Als Arbeitnehmer müssen wir andererseits immer ein
Interesse daran haben, dass es unserem Betrieb gut
geht. Das heißt: wenn alle Geschäfte in der Innenstadt öffnen, können wir uns nicht weigern. Sonst
gibt es das Negativimage: „Die haben es ja nicht
nötig…“ Es entsteht ein moralischer Druck, dem wir
uns sehr schwer entziehen können.
Wenn wir eine samstägliche Mitternachtsöffnung
hatten, ist der Sonntag im Grunde kaputt, weil man
total geschlaucht ist. Der Sonntag ist für mich aber
nach wie vor der Tag des Herrn und nicht der Tag
des Einkaufens! Der christliche Glauben sagt klar:
„Am siebten Tag sollst du ruhen.“ Mein Freund, ein
Arbeitsmediziner,. sagt mir immer: „Zwei zusammenhängende Tage Wochenende sind nötig, um sich zu
regenerieren.“ Im Einzelhandel ist das überhaupt
nicht möglich. Der Samstag ist schon komplett weg,
da bleibt nur noch der Sonntag. Und wenn der
Samstag dann auch noch bis 24 Uhr geht oder eine
Sonntagsöffnung hinzu kommt, dann haut es einen
schlicht um.
Protokoll/Foto: Matthias Dembski
Illustration: Wibke Murke
www.kirche-bremen.de · bremer kirchenzeitung September 2007
7
Mein
Sonntag
Was Bremern
ihr Ruhetag bedeutet
1 Klaus Peter
Geschäftsführer des
Landessportbunds Bremen
Ich persönlich versuche, den Sonntag so weit wie
möglich von beruflichen Terminen frei zu halten. Für
mich dient dieser Tag zum Regenerieren und ich freue
mich über gemeinsame Zeit mit meiner Frau. Wochentags habe ich viele Abendtermine, deshalb ist
mir ein verlässlich freier Abend am Sonntag sehr wertvoll. Natürlich gelingt das nicht immer: Viele Sportveranstaltungen sind am Wochenende. Für Sportvereine
ist die zunehmende Flexibilisierung der Arbeitszeiten
sehr kritisch, weil es ihren Bestand gefährdet. Gerade
Mannschaftssportarten sind bedroht, wenn immer mehr
Menschen am Wochenende arbeiten müssen. Das
Problem ist nicht ganz neu, sondern begann mit der
Samstagsarbeit über den Mittag hinaus. Ich war
selbst Trainer einer Handball-Damenmannschaft, in
der viele Friseurinnen mitspielten. Da war es extrem
schwierig, eine Mannschaft für Spiele am Samstagnachmittag voll zu bekommen. Wenn jetzt auch noch
der Sonntag gefährdet ist, haben Menschen keine
festen Tage mehr für den Sport frei - egal ob individuell oder in der Mannschaft. Angesichts des zunehmenden beruflichen Drucks und ständiger Erreichbarkeit ist das keine gute Entwicklung.
2 Bettina Töpke,
Leiterin im Altenpflegeheim Kirchweg des
Vereins für Innere Mission
Angesichts meiner eigenen Arbeitszeiten kommt mit
die Flexibilisierung der Ladenöffnungszeiten grundsätzlich entgegen. Ich finde es schön, am Samstag bis
20 Uhr mit meiner Tochter in der Stadt einkaufen zu
können. Aber den Sonntag brauche und will ich nicht
zum Einkaufen. An diesem Tag pflege ich Kontakte
mit Familie und Freunden, dann wird gut gekocht und
wir sitzen gemeinsam am Tisch. Für die Stabilität
familiärer Beziehungen ist dieser Tag wichtig. Das
gilt auch für unsere Bewohner: Der Sonntag ist ein
wichtiger Besuchstag. Wer bei uns lebt, ist auf Besuch angewiesen. Die meisten Angehörigen kommen
Sonntag nachmittags, weil sie dann Zeit haben.
Für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in der Altenpflege, die im Schichtdienst arbeiten, sieht der Sonntag anders aus. Die Pflege hört natürlich am Sonntag nicht auf. Sie leben über Jahrzehnte hinweg ohne
das Priveleg, sonntags immer frei zu haben, weil sie
sich für Ältere, Pflegebedürftige engagieren. Das ist ein
notwendiger Dienst, der viel mehr Anerkennung verdient hätte.
Grundsätzlich sollte aber nur in Bereichen gearbeitet
werden, in denen es wirklich unabdingbar ist. Den
8
1
Rhythmus von Arbeit und Ruhe braucht jeder
Mensch. Fällt der Sonntag als für die meisten freier
Tag weg, löst sich die Gemeinschaft auf und Menschen vereinsamen.
2
4 Dietmar Klepatz
Geschäftsführer des Landesverbandes
der Gartenfreunde Bremen e.V.
S
3 Renke Brahms,
Pastor und Schriftführer der Bremischen
Evangelischen Kirche
Für mich als Pastor ist der Sonntag meist zweigeteilt,
weil ich dann natürlich auch beruflich unterwegs bin.
Entweder ich halte selber Gottesdienste oder ich feiere
einen Gottesdienst als Besucher mit. Der Gottesdienstbesuch gehört für mich immer zum Sonntag dazu.
Zum Anderen gehört für mich zum Sonntag die Ruhe.
Nur im Notfall setze ich mich an diesem Tag an den
Schreibtisch. Den Sonntagmittag nutze ich gern für
einen schönen Spaziergang durch den Bürgerpark,
nachmittags besuchen wir meine Schwiegereltern.
Ganz wichtig sind meiner Familie und mir die gemeinsamen Mahlzeiten am Sonntag. In der Woche
können wir aufgrund unterschiedlicher Zeiten meist
nicht zusammen essen. Dafür zumindest sonntags
Zeit zu haben, tut gut. Wenn samstags bis Mitternacht geshoppt wird, fehlt die Zeit zum Runterfahren und zur Einstimmung auf den Sonntag. Ich finde
es abschreckend, wie die Werbung die Schnäppchenjäger-Mentalität inszeniert. Da wird die menschliche
Schwäche angestachelt und ausgenutzt, die Angst,
etwas zu verpassen.
Die jüdisch-christliche Tradition passt gut zum Biorhythmus des Menschen, weil sie sein Grundgefühl
anspricht: Wir brauchen einen festen Rhythmus von
Arbeit und Ruhe. Der Sonntag als Ruhetag ist ein
Geschenk der Schöpfung. Die jüdische Tradition sagt
es so: Die Krone der Schöpfung ist nicht der Mensch,
sondern der Schabat, der Ruhetag. Anders ausgedrückt: Der Mensch ist nicht um der Arbeit willen geschaffen, sondern es gibt die Arbeit, damit der
Mensch leben kann. Für Christen ist der Sonntag der
erste Tag der neuen Woche, der Tag der Auferstehung
Jesu. Unter diesem Vorzeichen des Lebens steht jede
neue Woche: Wir leben von der Auferstehungshoffnung her, vom ersten Tag jeder Woche bis zum letzten.
Ich erwarte vom Senat Zurückhaltung statt ständiger
Ausweitung und Flexibilisierung von Ladenschlusszeiten, besonders wenn es um den Sonntag geht. Wir
als Kirche müssen Hilfen geben, wie dieser Tag sinnvoll gestaltet werden kann. Denn der Sonntag hat
ein kritisches Potenzial gegenüber einer zunehmend
kommerzialisierten Gesellschaft: An einem Tag der
Woche darf es Ruhe und Verzicht auf Arbeit geben.
Wer’s ausprobiert stellt fest: Sonntagsrituale tun
dem Einzelnen und der Gemeinschaft einfach gut.
bremer kirchenzeitung September 2007 · www.kirche-bremen.de
Wir brauchen den Sonntag dringender denn je als
verlässlich freien Tag, der aus dem üblichen Werktagsschema herausfällt. Für die Gartenfreunde in unsern Vereinen ist der Sonntag wichtig, weil dann
viele Veranstaltungen stattfinden. In den Kleingartenanlagen steht an diesem Tag die Gemeinschaft
im Vordergrund: Feste und Versammlungen finden
meist sonntags statt. Die Gartenfreunde nutzen eher
den Sonntag, um jenseits des Alltagtrubels freie Zeit
in ihrem Garten zu verbringen. Bei Älteren kommen
Kinder und Enkel zu Besuch in den Garten, man trinkt
zusammen Kaffee oder hält einen Schnack über den
Gartenzaun, weil auch die meisten Nachbarn an diesem Tag da sind.
Für mich persönlich bedeutet der Sonntag vor allem
Ruhe und Ausgleich. An diesem Tag kann man sich
für die kommende Woche sammeln und einfach mal
die Seele baumeln lassen. Ich tue zu Hause etwas im
Garten oder gehe durch die Anlage spazieren - ganz
jenseits meines beruflichen Hintergrundes, einfach
um die Farbenpracht und die Natur zu genießen.
Wenn Kaufhäuser und Läden jeden Tag geöffnet sind,
entsteht ein gesellschaftlicher Druck, selbst am Sonntag zu gucken und einzukaufen. Das sieht man,
wenn man sich die Siutation im Ausland, beispielsweise in Skandinavien, anschaut. Wer selber in der
restlichen Woche viel arbeiten muss, wird den Sonntag auch als Einkaufstag nutzen wollen, wenn das
möglich ist. Dabei muss dieser Tag ein Pol der Ruhe
sein, an dem man Kraft tanken kann, um im Alltag
und in der Arbeitswelt bestehen zu können, aber
auch um gemeinnützigen Aktivitäten nachzugehen.
Vereinsleben und gemeinschaftliche Aktivitäten sind
immer schwieriger zu organisieren, wenn ein verlässlicher Tag fehlt, an dem die Mehrheit arbeitsfrei hat.
Ohne den Sonntag kann man keinen Rhythmus bestimmen, der die Menschen stabilisiert. Es tut gut,
einmal in der Woche mit der ganzen Familie zusammen frühstücken zu können, ohne das jeder zu einer
anderen Zeit aus dem Haus muss.
5 Jens Böhrnsen
Präsident des Senats und Senator
für kirchliche Angelegenheiten
Der Sonntag ist für mich ein besonderer Tag und er
soll es auch bleiben. In meinem Terminkalender gelingt es nicht, einen ganzen Tag in der Woche auszusparen. Manche schöne, wichtige, für Bremen unersetzliche Veranstaltungen finden am Sonntag statt.
Aber ich versuche mir das Bewusstsein zu bewahren,
dass der Sonntag kein Arbeits- oder Werktag ist. Für
3
4
mich ist der Sonntag der wichtigste Tag um aufzutanken, Abstand vom alltäglichen zu finden. Dazu
gehört auch, zu sich selbst zu finden. Gerade auch
dazu nutze ich so oft es geht die Gelegenheit, den
Gottesdienst zu besuchen. Zu mir selbst finden heißt
für mich auch, meine Familie und Freunde zu treffen,
Zeit für sie zu haben. Auch dafür bietet der Sonntag
die beste Gelegenheit. Besonders wichtig ist dabei
für mich, dass dieses Gefühl eines besonderen Tages
ein Gefühl für alle bleiben muss. Ich verschließe meine
Augen nicht vor der Notwendigkeit, am Sonntag arbeiten zu müssen. In der Pflege, bei der Polizei oder
Feuerwehr, in Krankenhäusern und in vielen Berufen
gehören Sonntagsschichten dazu. Normal sollte aber
sein, am siebten Tag zu ruhen. Ein Alltag darf der
Sonntag nicht werden.
5
7
6
Gerade kleinere und mittlere Betriebe haben relativ
großen Widerstand dagegen geleistet, Sonntagsöffnungen bis zum Äußersten auszudehnen. Wir wollen
und müssen uns aber die Kunden erhalten, deshalb
können wir uns der als modern geltenden Ausdehnung der Ladenöffnungszeiten auf den Sonntag
nicht dauerhaft widersetzen.
dass an solchen Tagen meist die Inhaber selbst hinter der Ladentheke stehen. Als Handelskammer haben
wir uns mit Blick auf das Umland dafür ausgesprochen, die Ladenschlusszeiten an allen Werktagen
einschließlich des Samstags freizugeben. Dahinter
stehe ich voll und ganz. Und ich höre von vielen
Einzelhändlern, dass sich verkaufsoffene Sonntage
auch wirtschaftlich rechnen.
O
6 Norbert Caesar
1. Vorsitzender des Einzelhandelsverbandes
Nordsee, Bremen, selbständiger
Einzelhändler für Haushaltswaren im
Viertel und in der Vahr
In der Bibel heißt es ja “Am siebten Tag sollst du
ruhen” – das gilt auch für die Menschen im Einzelhandel. Aber was mir selbst gefällt, muss anderen noch
lange nicht gefallen. Der Handel ist ein Dienstleister,
der sich an die Kundenwünsche anpassen muss.
Wenn die Kunden Lust haben, am Sonntag einzukaufen, weil sie in der Woche dafür keine Zeit haben,
dann öffnen wir unsere Geschäfte. In Bremen haben
wir nur sehr eingeschränkte Möglichkeiten, sonntags
zu öffnen. Ich bin auch dafür, den Sonntag nicht auf
kaltem Weg zum Werktag zu machen. Wir können als
Einzelhändler mit der jetzigen Regelung, sonntags nur
zu ausgewählten Anlässen und regional begrenzt zu
öffnen, gut leben. Noch sind Sonntagsöffnungen die
Ausnahme. Weitet man sie aus, wird Einkaufen am
Sonntag zur langweiligen Routine. Aber Menschen
unterwerfen sich ungern Zwängen und dazu gehören auch Ladenschlussregelungen.
Die Idee für den Sonntagseinkauf stammt nicht von
uns Einzelhändlern. Wir reagieren damit nur auf die
Wünsche der Menschen, die in den Medien immer
wieder veröffentlicht werden. Es gibt über Jahrzehnte hinweg einen starken öffentlichen Druck, dem wir
uns beugen. In der Berichterstattung werden immer
die Highlights der Sonntagsöffnungen gefeiert. Niemand stört sich in den Medien daran, dass unsere
Gesellschaft immer hektischer wird und wir ökonomisch mit einer Ausweitung der Ladenöffnungszeiten auf der Stelle treten. Denn natürlich haben die
Kunden nicht mehr Geld im Portemonnaie. Aber der
Handel muss sich trotzdem ihrer Nachfrage nach veränderten Öffnungszeiten beugen.
Nachdem der Sonntag im Handel zumindest zeitweise zum Werktag wird, ist mit einer Anpassung der
Arbeitszeiten auch in anderen Bereichen zu rechnen.
Das zieht irgendwann die Sieben-Tage-Arbeitswoche
für alle nach sich. Die Kritik daran darf sich aber
nicht an den Handel richten.
Wenn wir gesellschaftlich alles dem Götzen der Individualisierung und persönlichen Freiheit unterwerfen,
wird das letztlich nicht funktionieren. Schließlich
gibt es aus gutem Grund auch Verkehrsregeln. Natürlich hat der Rhythmus von Arbeit und Ruhe seinen
Sinn für unser Zusammenleben. Uns fehlt eine verbindliche kulturelle und kirchliche Vorgabe dafür, die
mit dem nötigen starken gesellschaftlichen Druck durchgesetzt wird. Letztlich: Wenn niemand nach 20 Uhr
und auch nicht am Sonntag einkaufen ginge, würde
sich die Ausweitung der Öffnungszeiten von selbst
erledigen und niemand müsste dann arbeiten.
7 Lutz H. Peper
Präses der Handelskammer Bremen und
Unternehmer
Der Sonntag war für mich schon immer ein Tag der
Familie. So habe ich das in meiner Kindheit erlebt
und lebe das auch in meiner eigenen Familie nach
Möglichkeit so. Andererseits muss man nüchtern feststellen, dass der Sonntag nicht für alle Arbeitnehmer
arbeitsfrei ist. Das gilt beispielsweise für das Servicepersonal in der Gastronomie oder in den Kliniken.
Dennoch: Ich bin sicher, dass ein arbeitsfreier Sonntag für viele Menschen ein hohes Gut ist. Und das ist
gut so!
Ich finde, dass lange Einkaufsnächte am Wochenende, wie wir sie zuletzt bei der Eröffnung des Musikfestes Bremen erlebt haben, ein hervorragendes
Mittel sind, um Menschen von außerhalb für unsere
Stadt und unseren Einzelhandel zu begeistern. Für
mich persönlich muss das aber nicht am Sonntag
sein.
8
8 Heiner Schilling
Gewerkschaftssekretär im Fachbereich
Einzelhandel des ver.di- Landesbezirks
Niedersachsen-Bremen.
“Ohne Sonntage gibt’s nur Werktage” ist eine schöne Losung. Für mich persönlich ist der Sonntag ein
verlässlicher Zeitanker, den ich mit meiner Tochter,
Freunden und Bekannten gemeinsam nutze. Es ist
der Tag für Besuche, Ausflüge, mit Zeit im Garten
oder für einen Spaziergang zur Erholung. Die wenigsten Menschen haben unter der Woche um 17 Uhr
Feierabend. Im Handel wird meist bis 20 Uhr gearbeitet. Dann bleibt kaum noch Zeit für die Familie
oder für die Pflege privater Kontakte und Hobbies.
Dafür brauchen Menschen das Wochenende, wenigstens den Sonntag.
Bislang war der Sonntag für den größten Teil der
Bevölkerung arbeitsfrei. Mittlerweile ist der Versuch,
ihn zum normalen Werktag zu machen, eingeleitet.
Das ist ein tiefgehender Werte- und Kulturwandel,
der irgendwann alle Berufe erfassen wird. Es gibt
Arbeitsplätze, die auch sonntags ausgefüllt werden
müssen, zum Beispiel bei der Polizei oder im Gesundheitswesen. Der Handel gehört nicht dazu. Wenn
Bundesfamilienministerin von der Leyen immer wieder den hohen Wert der Familie betont, sollte sie
auch darüber nachdenken, dass Familien einen garantierten,
freien
Tag
brauchen.
Auch
Verkäuferinnen und Verkäufer haben das Recht auf
einen gemeinsamen Ruhetag mit ihrer Familie oder
Freunden. Wenn Rund-um-die-Uhr-Öffnungen zur
Normalität werden, ist das nicht familienfreundlich.
Gesprächsprotokolle:
Matthias Dembski
Fotos:
Privat/ Matthias Dembski
Durch die neue Ladenschlussgesetzgebung gibt es
keine Aufweichung des Sonntags. In Bremen haben
wir eine sehr überschaubare Anzahl von verkaufsoffenen Sonntagen. Wir dürfen auch nicht übersehen,
www.kirche-bremen.de · bremer kirchenzeitung September 2007
9
Sonntags um 18 Uhr:
Innenstadtkirchen
laden zu besonderen
Gottesdiensten ein
Die Thomas-Messe
Für Suchende
und Zweifler
Der
Gospelgottesdienst
Lebendig und spontan
Zur Thomas-Messe in den St. Petri Dom? Oder doch zum
Kulturgottesdienst mit Beatles-Songs in die Kulturkirche-St. Stephani? Vielleicht lieber richtig musikalisch-peppige und bunte Atmosphäre beim Gospelgottesdienst in der Neustädter Zions-Gemeinde schnuppern? Oder aber den ruhigeren, meditativen Gottesdienst zu Werken von Paula Modersohn-Becker in der
Kirche Unser Lieben Frauen besuchen? – Die Entscheidung fällt nicht leicht, aber zum Glück ist jede
Woche Sonntag und die besonderen Abendgottesdienste in den Innenstadtkirchen finden reihum statt.
Jeden Monat gibt es eine Thomas-Messe, einen Kulturgottesdienst, einen meditativen Gottesdienst und
einen Gospelgottesdienst. Wer möchte, kann sie alle
reihum besuchen und dabei entdecken, wie einladend, vielfältig, bunt und kreativ, aber auch nachdenklich und mutmachend Gottesdienste sind.
Sonntag ist Gottesdienst-Tag. 66 Gemeinden der Bremischen Evangelischen Kirche laden an diesem Tag
zum Gottesdienst in ihre Kirchen ein. Die meisten
Gottesdienste finden traditionell vormittags statt.
Feierlich in schwarz und mit weißen Schals gekleidet
tragen sie ihre Kerzen in den Dom hinein, der schon im
Dämmerlicht liegt. Das Team der ökumenisch orientierten Thomas-Messe zieht in den St. Petri Dom ein,
wo an jedem letzten Sonntag im Monat der Gottesdienst
für Menschen auf der Suche stattfindet. Sein Namensgeber ist der Jünger Thomas, der auch der “Ungläubige”
genannt wird, weil er nach der Auferstehung Jesu
erst die Finger in dessen Wunden legen muss, ehe er
an die Auferstehung glauben kann. Moderne Kirchentagslieder und Taizé-Gesänge bestimmen die Akkustik
der Messe, die seit über zehn Jahren in Bremen eine
feste Institution ist. Anfang der neunziger Jahre kam
die Idee zu einem sinnlich-orientierten Gottesdienst
mit vielen Ritualen aus Finnland zu uns. Ein Journalist
und ehemaliger Pfarrer hatte diese Gottesdienstform
für Menschen mit kirchenkritischem Bewusstsein entwickelt. Sinnliche Rituale wie die Segnung mit Salböl
oder die Sündenvergebung mit der Reinwaschung
der Hände spielen eine große Rolle in der ThomasMesse, die Zweifelnden oder frustrierten Kirchgängern
eine neue Annäherung an Gott ermöglichen will. Die
Thomas-Messe ist ein Team-Gottesdienst: Für die Verkündigung, die Gestaltung der thematischen Altäre
und die Formulierung der Gebete sind von Mal zu
Mal andere Team-Mitglieder zuständig.
Jeden vierten Sonntag in der Zionsgemeinde, Kornstraße 31 in der Bremer Neustadt. "Ady & Zion Community Choir" sind seit nunmehr zehn Jahren in Bremen
ein Begriff. Im Juli feierte der unter anderem mehrfach ausgezeichnete Chor sein Jubliäum mit einem
großen Jubiläumskonzert am Café Sand. Bei den Zuhörern sorgt die besondere Mischung aus praktiziertem Glauben, echter Lebensfreude und musikalischer Professionalität immer wieder für Begeisterung. Bei allem Erfolg ist die Gospel-Gruppe stets ein
Chor der Zionsgemeinde geblieben. Regelmäßig gestaltet er Gottesdienste mit, die mittlerweile zur festen Institution geworden sind. Jeden vierte Sonntagabend im Monat lädt die Gemeinde zum Gospelgottesdienst ein. Dabei sorgt nicht nur der Zion Community Choir für die richtigen, mitreißenden Töne,
sondern auch befreundete Gastchöre mit Pop- und
Gospelklängen. Und natürlich ist auch die Gemeinde
zum Mitsingen eingeladen.
Doch auch abends um 18 Uhr gibt es ein reichhaltiges
Angebot thematischer Gottesdienste in den Innenstadtkirchen. Ein ausführlicher Flyer mit allen Terminen ist im Evangelischen Informationszentrum Kapitel
8 (Domsheide 8), im Dom, in der Kirche Unser Lieben
Frauen und in der Kulturkirche St. Stephani erhältlich.
Hier ein Überblick über die besonderen
Gottesdienstangebote:
Feste Bestandteile jeder Thomas-Messe: Das Abendmahl, aber auch die persönliche Segnung und die
Möglichkeit zum seelsorgerlichen Gespräch in einer
der Seitenkapellen des Doms. Während des Gottesdienstes bewegen sich die Besucher frei im Kirchraum und entscheiden selbst, welche Angebote sie
wahrnehmen.
“Bei der Sehnsucht ist nicht Endstation”
Die nächste Thomas Messe findet am
30. September 2007 um 18 Uhr im St. Petri
Dom zum Thema “Sehnsucht nach Gott”
statt. Einsingen der Lieder – ab 17.30 Uhr.
www.kirche-bremen.de
www.thomasmesse-bremen.de
www.stpetridom.de
10
bremer kirchenzeitung September 2007 · www.kirche-bremen.de
Der Gottesdienst hat ein multikulturelles Gesicht und
wird frei gestaltet. Einen festgelegten Ablauf gibt es
nicht, die Prediger wechseln von Mal zu Mal – nicht
nur Pastoren dürfen beim Gospelgottesdienst die
Bibel auslegen. Feste Tradition nach dem Gottesdienst:
Eine reich gedeckte Tafel mit netten Gästen und
Gesprächen. Für das Mitbring-Büffet sorgen Chor,
Gemeinde und die Gottesdienstbesucher selbst.
Nächster Gospelgottesdienst:
Erntedank, 30. September 2007 um 18 Uhr
mit Pastor Renke Brahms und dem
Cantus Iuvenis, einem Jugendchor der
Kirchengemeinde Grohn.
Adi & the Zion Community Choir
sind das nächste Mal beim FreimarktGospelgottesdienst am 28. Oktober
um 12 Uhr im Hansazelt zu hören.
www.kirche-bremen.de
Gottesdienstzeit!
Der Kulturgottesdienst
Von Günther Grass
bis “Notting Hill”
Beatles-Songs statt Gesangbuch-Liedern, Julia Roberts
in “Notting Hill” als Thema eines Gottesdienstes? Unerwartete Begegnungen zwischen Kirche und Kultur
erwarten die Besucherinnen und Besucher der Kulturgottesdienste in St. Stephani, der zum Jahresbeginn
eröffneten Bremer Kulturkirche.
So breit das Spektrum der Kulturkirche ist - so vielfältig sind die Kulturgottesdienste. Sie stellen Literatur,
Musik, Filme, Malerei und darstellende Kunst in den
Mittelpunkt. So vielfältig wie die Kunstformen sind
auch die Gottesdienste. “Die Gestalt ändert sich mit
dem Gegenstand”, beschreibt Kulturpastor LouisFerdinand von Zobeltitz die experimentelle Form.
“Wir möchten Menschen ansprechen, die nicht unbedingt im normalen Sonntagsgottesdienst zu Hause
sind.”
Kultur und Kirche sind Schwestern – wie im richtigen
Leben mit einem teils spannungsreichen Verhältnis,
das stets lebendig ist. “Kunst gibt nicht das Sichtbare wieder, sondern macht sichtbar.” So hat es der
Maler Paul Klee einmal formuliert. “An dieser Stelle
trifft sie sich mit dem Glauben, der auch sichtbar
machen will, was verborgen ist”, sagt Kulturpastor
Louis-Ferdinand von Zobeltitz. Der Kultur, wie der
Kirche gehe es darum, Tiefendimensionen des
Lebens auszuleuchten. “Kultur hat eine prophetische
Kraft, ist hoch sensibel für die Gegenwart und
Zukunft.” Sie mit der biblischen Botschaft in
Beziehung zu setzen, haben sich die monatlichen
Kulturgottesdienste in St. Stephani zur Aufgabe
gemacht.
Innenstadtkirchen laden
zu besonderen
Abendgottesdiensten ein
Der Meditationsgottesdienst Stille und
Bildbetrachtungen
“Wer mit dem herkömmlichen Gottesdienstablauf
nicht so vertraut ist oder einfach keine Lust auf 20
Minuten Predigt hat, ist bei unserm Meditationsgottesdienst in der Kirche Unser Lieben Frauen richtig”, meint Pastor Peter Oßenkop. Der Meditationsgottesdienst findet in der Regel an jedem zweiten
Sonntag im Monat im Chorraum der Kirche statt.
Eine längere Meditations- und Stillephase steht im
Mittelpunkt des Gottesdienstes. Als “Impulsgeber”
dient ein Bibelwort, Symbol oder – wie im jetzigen
Winterhalbjahr – ein Bild. Porträts von Paula Modersohn-Becker geben die Anregung, eigene Lebenserfahrungen auf das gezeigte Bild zu beziehen.
Übungen zur Körperwahrnehmung, einfache
Taizégesänge oder Kanons ohne Instrumentalbegleitung, Freiraum zum Bewegen im Kirchraum
und ein als Rückenstärkung im wörtlichen Sinne
erfahrbarer
Schluss-Segen
prägen
den
Meditationsgottesdienst in der Kirche Unser Lieben
Frauen.
www.unser-lieben-frauen.de
www.kirche-bremen.de
Am 21. Oktober um 18 Uhr
findet der nächste Kulturgottesdienst
mit und zu Texten von Günther Grass statt.
Am 18. November steht
Dvoraks Messe in D-Dur im Mittelpunkt
und am 16. Dezember geht es
um das Geheimnis der Würde in der
Liebeskomödie “Notting Hill”.
www.kulturkirche-bremen.de
www.kirche-bremen.de
Text: Matthias Dembski / Fotos: Hanni Steiner,
Roland Schiffler, Matthias Dembski
www.kirche-bremen.de · bremer kirchenzeitung September 2007
11
Immer wieder
sonntags
„Schreib doch mal was über Gottesdienste.“ „Ja, ok.
Und was?“ „Was das ist. Was suchen Menschen da.
Warum gehen sie in die Kirche. Was bringt ihnen
das, und so.“ Und so ist gut. Da sitze ich nun. Und
weiß nicht, wo ich anfangen soll. Sicher, als Pastorin
bin ich automatisch Gottesdienst-Expertin. Es ist
meine Aufgabe, Got-tesdienst zu „halten“. Was für
ein schreckliches Wort eigentlich. Ein kluger Mensch
hat mal gesagt: Nicht ein Pastor hält, sondern die
Gemeinde feiert Gottesdienst. Aber ich schweife ab.
Ich merke, das ist keine Frage, die ich ganz allgemein
be-antworten kann. Es geht auch darum, was
Gottesdienst feiern für mich persönlich bedeutet.
Was das heißt, im Gottesdienst „gehalten“ zu sein.
Ob ich vorne stehe oder in der Kirchenbank sitze.
Warum der Gottesdienst
am Sonntag gut tut
Welt Gottes-dienst gefeiert. Es wird gesungen, aus
der Bibel gelesen, das Vaterunser gespro-chen.
Unabhängig von ihrer sozialen Herkunft kommen
Menschen zusammen. Ü-berall auf der Welt. Wo gibt
es so etwas sonst noch?
Es tut gut, innezuhalten.
„Ein jegliches hat seine Zeit, und
alles Vorhaben unter dem Himmel
hat seine Stunde.“ Prediger Salomo
Kapitel 3, Vers 1
Drei Gedanken sind mir wichtig.
Es tut gut, Teil einer
Gemeinschaft zu sein.
„Wo zwei oder drei versammelt sind in
meinem Namen, da bin ich mitten
unter ihnen.“ Matthäusevangelium
Kapitel 18, Vers 19
Die Gottesdienst-Gemeinde ist jeden Sonntag eine
neue, einmalige Zusammen-stellung von unterschiedlichen Menschen. In der Kirche sitzen dann die
nebenein-ander, die sich im Alltag nicht unbedingt
begegnen. Die Dame aus dem Senioren-kreis sitzt
neben der Konfirmandin, die heute mit ihrer Mutter
gekommen ist. Der Tourist aus Japan sitzt neben der
Studentin, die im Kindergottesdienst mitarbeitet.
Und der Rechtsanwalt, der sich Kirchenvorstand
engagiert, sitzt neben der Fami-lie, deren Großmutter
in dieser Woche beerdigt wurde. Im Gottesdienst ist
Platz für alle.
Und diese Gemeinschaft geht dann auch über die
Gemeinde vor Ort hinaus. Mich berührt diese
Vorstellung: Sonntags morgens wird auf der ganzen
12
Jeder Mensch braucht den Wechsel von Arbeit und
Ruhe. Nicht zufällig haben sich in nahezu allen
Kulturkreisen vergleichbar zusammengesetzte
Zeiteinheiten entwi-ckelt Dabei entspringt unser
Sieben-Tage-Rhythmus ursprünglich keinen astrologischen oder kosmischen Berechnungen. Es ist vermutlich nur die Jahrhunderte lange Erfahrung: Ruhe
ist nötig! Neben der Arbeit braucht der Mensch eine
über-geordnete feste Struktur, die das soziale und
wirtschaftliche Leben regelt. Juden-tum, Islam und
Christentum teilen das Wissen von der Wichtigkeit
des religiösen Momentes der Ruhe in einer Woche.
An einem Tag geht es nicht um die Schule, die
Arbeit, den Stress. Es ist Zeit, den Gang raus zu nehmen. Zeit für ein Familien-Mittagessen, einen
gemeinsamen Ausflug, den Besuch von Freunden.
Aber eben auch Zeit für sich und Gott.
Es tut gut,
über sich hinaus zu denken.
bremer kirchenzeitung September 2007 · www.kirche-bremen.de
„Von allen Seiten umgibst du
mich und hältst deine Hand
über mir.“ Psalm 139, Vers 5
Das Wort „Demut“ ist aus der Mode gekommen. In
unserer Zeit der Individualisie-rung hat neben der
religiösen auch die soziale Komponente der Demut
an Bedeu-tung gewonnen. Im Gottesdienst wird für
mich ein Raum aufgeschlossen, in dem ich von mir
selbst absehen kann. Ich kann Kontrolle abgeben,
ohne dass ich Angst haben muss, verletzt zu werden.
Es ist Raum für Gedanken und Gefühle, für die im
Alltag kein Platz ist. Einfinden kann ich mich in einer
Wirklichkeit, die größer ist als ich selbst. Ich bin ein
Teil von ihr, aber eben nur ein kleiner Teil. Und diese
soziale Dimension der Demut hilft dann auch, sich
im Alltag nicht zu wichtig neh-men.
Gottesdienst feiern hat immer zwei Richtungen, von
denen die eine nicht ohne die andere sein kann. Im
Gottesdienst feiern Menschen Gott. Aber jeder
Gottesdienst ist auch eine Feier Gottes für die
Menschen, die sich in seinem Namen versam-meln.
Das ist ja alles schön und gut, werden nun manche
sagen. Aber warum soll ich denn überhaupt in die
Kirche gehen? Und was ist mit den ganzen negativen Er-fahrungen? Den Kirchenaustritten? Den entsetzlich langweiligen Predigten? Den alten Formen,
in denen es manchmal schwer ist, sich zu Hause zu
fühlen?
Ich habe auch schon in langweiligen Gottesdiensten
gesessen, keine Frage. Aber für mich gibt trotzdem
immer irgendetwas, wo ich hinterher sage: Gut, dass
ich gekommen bin. Das kann alles Mögliche sein.
Der Klang der Orgel, ein Moment der Ruhe, ein
neuer Gedanke, der mich in den Alltag begleitet.
Es mag Menschen geben, die ohne Gottesdienste
gut leben können. Ich gehöre nicht dazu. Mir tut die
Gemeinschaft gut. Ich brauche die Unterbrechung
meines Alltags. Und ich erfahre im Gottesdienst den
Halt, den ich für mein Leben brau-che.
Christine Sprenger,
Pastorin in der St. Petri Domgemeinde und in
der Friedensgemeinde
Und Gott segnete
den siebenten Tag
und heiligte ihn,
weil er an ihm ruhte
von allen seinen Werken,
Am
siebten Tag
die Gott geschaffen und
gemacht hatte.
Aus der biblischen Schöpfungsgeschichte,
1. Buch Mose, Kapitel 2, Vers 2.
www.kirche-bremen.de · bremer kirchenzeitung September 2007
13
Rendite mit Moral
Wie Oikokredit erfolgreich in
Menschen und Gerechtigkeit investiert
“Beim Geld hört die Moral auf” – lautet eine verbreitete Volksweisheit. Wer sein Vermögen anlegt, achtet
auf guten Ertrag. Doch wo und wie das Geld angelegt wird, spielt nur selten eine Rolle. Dennoch gibt
es in der von Börsen-Hypes geprägten Anlagewelt
auch gegenläufige Trends: Geld soll zwar sicher und
mit gutem Ertrag angelegt werden, aber für moralisch vertretbare Zwecke. Frieden, Menschenrechte,
Entwicklungschancen, Armutsbekämpfung und Umweltschutz sind wichtige Kriterien, an denen sich die
ethische Verträglichkeit einer Geldanlage messen lässt.
Eine alternative Anlageform ist in diesem Jahr sogar
mit dem Friedensnobelpreis ausgezeichnet worden:
Der Wirtschaftsprofessor Muhammad Yunus aus Bangladesh und die von ihm gegründete Grameen Bank
erhielten die Auszeichnung für die Vergabe von Mikrokrediten. Die ermöglichen vor allem mittellosen Kleinbauern den Aufbau einer selbständigen Existenz.
“Spenden machen müde, Kredite fördern die Eigeninitiative”, lautet sein Grundsatz.
Weltweit Brücken bauen
Die internationale ökumenische Entwicklungsgenossenschaft Oikocredit verfolgt seit 1975 die selbe Idee:
Sie vergibt Darlehen zu fairen Konditionen und mit
langen Laufzeiten an Kooperationspartner in den sogenannten Entwicklungsländern Afrikas, Asiens, Lateinamerikas und Mittel- und Osteuropas. “Darlehen
sind ein Anreiz, auf wirtschaftliche Produktivität zu
achten”, betont Bodo Grotheer, stellvertretender Vorsitzender des Oikocredit-Förderkreises NiedersachenBremen. Oikokredit arbeitet mit den Darlehensnehmern
auf Augenhöhe und Vertrauensbasis zusammen. Sie
sind Geschäftspartner, keine Almosenempfänger. Der
Name der Genossenschaft geht auf das "soziale Evangelium" des Ökumenischen Rates der Kirchen zurück
und ist Programm: “Oikos” steht für das Haus, die
weltweite Gemeinschaft. “Credit” bezieht sich nicht
nur auf die Darlehensvergabe, sondern leitet sich
auch vom Lateinischen “credere”, dem Glauben ab.
Ob ein Projekt kreditwürdig ist, hängt bei Oikocredit
nicht an banküblichen Sicherheiten. Mitarbeiter vor
Ort im Partberland beurteilen aufgrund ihrer Ortkenntnisse über Kultur, Wirtschaft und Gesellschaft,
ob Geschäftsideen tragfähig sind. Sie kennen Kultur,
Lebensumstände und die wirtschaftliche Situation
ihres Landes am besten.
Kleinkredite für Frauen in Ghana
Millicent Botsio vom Ökumenischen Zentrum Oldenburg, selbst aus Ghana gebürtig, war kürzlich selbst
für Oikocredit in ihrer Heimat in der Küstenstadt Winneba. “Das Leben auf dem Land ist hart, deshalb flüchten viele Menschen in die Städte”, berichtet sie. Doch
dort fehlt vielen ebenfalls die wirtschaftliche Lebensgrundlage. “Frauen versuchen sich im ‘Businness’, treiben Handel. Damit sie ein einfaches Ladengeschäft
zum Beispiel für gebackene Maisbälle oder Maniokund Reis-Verkauf aufbauen und Waren einkaufen können, brauchen sie Kredite. Bei normalen Banken haben
sie aber keine Chancen, weil ihnen die Sicherheiten
fehlen.” Die “Business”-Frauen bilden eine gemeinsam
haftende Genossenschaft, die wiederum von Oikocredit einen Kredit erhält. So können sie mehr Vorräte
einkaufen und ihren Verkauf ausbauen. Die Händlerinnen in der Solidargemeinschaft kennen sich untereinander, so dass die Rückzahlungsquote bei 95 bis
98 Prozent liegt. Die Kreditsummen sind für deutsche
Verhältnisse oft gering, sehr effektiv. So genügen 180
Euro, um eine Maisball-Bäckerei mit Herd und Töpfen
auszustatten – und schon ist die Existenz einer Frau
und ihrer Kinder gesichert.
Marktstand in der ghanaischen
Küstenstadt Winneba: Kleine Kredite helfen,
tragfähige Existenzen aufzubauen.
haben, sind weniger als zehn Prozent abgeschriebenen Forderungen, also nicht zurückgezahlte Kredite,
sehr gering. Eingerechnet sind dabei Ausfälle durch
Naturkatastrophen und politische Unruhen.” Die Dividende für die Anleger lag in den letzten Jahren in der
Regel bei zwei Prozent. Nicht viel, doch um Darlehen
zu bezahlbaren Zinssätzen vergeben und auch überdurchschnittlich riskante Projekte finanzieren zu können, hält die Genossenschaft die Dividende bewusst
niedrig. Im Vordergrund steht der soziale Gewinn, der
nachhaltig durch sinnvolle Beschäftigung geschaffen
wird. “Bei Oikokredit wird kein Geld verbrannt oder in
ein Faß ohne Boden investiert”, betonen Bodo Grotheer und Jürgen Stein, Bremer Vorstandsmitglieder
im Oikocredit-Förderkreis Niedersachsen-Bremen. “Die
Genossenschaft informiert regelmnäßig und ausführlich
über die Projekte, es gibt transparente Jahresabrechnungen, die auch den Weg des Geldes nachvollziehbar
machen.” Bei den Mitgliederversammlungen berichten regelmäßig Referenten, die vor Ort die Projekte in
Augenschein genommen haben.
Oikocredit-Anteile ab 200 Euro
In Niedersachsen und Bremen haben derzeit 650 Mitglieder insgesamt 4,5 Millionen Euro der Genossenschaft anvertraut. 276 Millionen Euro betrug das
weltweite Darlehenskapital Ende 2006. Mit über einer
Viertel Milliarde Euro ist Oikokredit eine der gößten
Organisationen, die Darlehen in der Dritten Welt oder
ehemaligen Ostblockländern vergibt.
Mit 200 Euro ist man bei Oikokredit dabei. Soviel
kostet ein Anteil, den der Anleger jedoch nicht direkt
bei der Oikokredit-Zentrale im niederländischen Amersfoort erwirbt, sondern den ein so genannter Förderkreis für ihn treuhänderisch hält und verwaltet. Über
den Förderkreis, in dem Einzelanleger Mitglied werden, fließt auch die Dividende zurück zum Anleger.
Wer sein Geld für andere Zwecke zurück haben möchte,
kann seine Anteile jederzeit mit einer Frist von etwa sechs
Monaten kündigen. Aber die Anlage bei Oikocredit
wird meist längerfristig getätigt – mit nachhaltigem
Erfolg für das gute Gewissen und einer respektablen
Rendite für die Anleger, vor allem aber wachsender
Selbständigkeit und Entwicklungschancen für die
Kreditnehmer.
Text: Matthias Dembski / Foto: Millicent Botsio
Hohe Zuverlässigkeit der Kreditnehmer
“Arme sind verlässliche Geschäftspartner mit guter
Rückzahlungsmoral”, meint Dr. Jürgen Stein vom Diakonischen Werk Bremen, selbst bei Oikocredit Bremen-Niedersachsen im Vorstand aktiv. “Wenn man
bedenkt, was Anleger bei der Telekom-Aktie verloren
ANZEIGE Tielitz, 2 Spalten (146 mm) breit x 30 mm hoch, 4c
Oikocredit
Kontakt in Bremen:
Dr. Jürgen Stein, Diakonisches Werk
Telefon 0421/0421/163 84-16
[email protected]
Bodo Grotheer (2. Vorsitzender des
Förderkreises Niedersachsen-Bremen)
Telefon 0421/ 396 61 72
[email protected]
[email protected]
www.oikocredit.org
14
bremer kirchenzeitung September 2007 · www.kirche-bremen.de
Neuer Second-HandLaden der Diakonie
Tante Emma in Hemelingen
Ja, „Pro Shop“ ist ein Laden, in dem günstig gebrauchte
Kleidung, Haushaltsmaterialien, Bücher oder VideoKassetten gekauft werden können. Aber nicht nur.
Denn „Pro Shop“ ist auch ein lebendiger Treffpunkt in
einem siechenden Stadtteil und bietet zudem zehn
Frauen, die hier über so genannte Ein-Euro-Jobs
beschäftigt werden, eine gewisse berufliche Perspektive.
Frauen, die ansonsten kaum eine Chance auf Vermittlung hätten. Eine weitere Besonderheit: Die hier angebotenen Waren des täglichen Gebrauchs wurden
nicht eingekauft oder in Zahlung genommen, sondern sind allesamt Spenden. Diese werden sortiert,
repariert, gereinigt oder gebügelt. Schließlich soll
alles tiptop auf den Bügeln hängen und in den Rega-
len stehen. Nach Auskunft von Susanne Quest, die
als Sozialpädagogin, das Ladenprojekt betreut, und
ihrem Kollegen Jürgen Mades orientiert sich der
Secondhand Laden von ProJob am Gemeinwesenkonzept und stellt eine Bereicherung für einen Stadtteil
dar, der nicht gerade auf der Sonnenseite Bremens
liegt. In der unmittelbaren Nachbarschaft sind
bereits viele Geschäfte geschlossen worden.
Einkaufen und auf’n Kaffee
Neben dem Einkauf nutzen viele Besucher den Laden
gern, um einen kleinen Klönschnack zu halten,
erzählt Mades. Birgitt Schaidl (49) und Dilan Sen
(29) geben ihm Recht. Gerade erst haben sie einem
Kunden einen Kaffee angeboten. Die beiden Frauen
sind zwei der zehn, die hier von Montag bis Freitag
jeweils von 8 bis 18 Uhr den Laden schmeißen. Eine
gute Sache, wie sie beide befinden. Ihnen gefällt
besonders, wie abwechslungsreich ihre Aufgaben
hier sind.
Denn sie stehen nicht nur im Verkauf, sondern arbeiten eben auch die gespendeten Kleidungsstücke und
Haushaltsgeräte mit auf. Waschen, Nähen, Bügeln
gehören ebenso zum Job im „Pro Shop“ wie der
Umgang mit Kunden, Dekoration des Ladens, Marketing und Abrechnung. So die sozialpädagogische
Idee, die nach Auskunft Quests darauf abzielt, eine
arbeitsmarktnahe Beschäftigung auf niedrigem Leistungsniveau anzubieten. Eine Beschäftigung, die
zudem auch noch Spaß bringt.
Lernen durch Praxis
Quest und Mades richten zudem ein besonderes
Augenmerk auf jeweils individuelle Entwicklungskonzepte, bei den beschäftigten Frauen. “Diese werden
auf ihrem Weg zur individuellen Stabilisierung und
Integration begleitet.” Die persönliche Begleitung
wird durch tägliche Teambesprechungen ergänzt.
Der Vermittlung von Grundfähigkeiten, wie deutsche
Sprache, Teamarbeit, Zuverlässigkeit und angemessener Umgang mit Kunden nimmt für Quest und
Mades einen besonderen Stellenwert ein. Und ganz
nebenher erfolgt eine Einarbeitung in die Grundkenntnisse des Einzelhandels sowie Unterricht in
Deutsch, Mathematik und "Alltagswissen". Umgang
mit Arbeitsmitteln, Materialien und Hygiene runden
das pädagogischen Konzept des Ladens ab.
Nachschub ist stets gefragt
Dabei soll aber natürlich nicht der vordergründige
Zweck des Pro Shops vergessen werden, nämlich das
Einwerben von Spenden und deren Verkauf im Laden
an der Hemelinger Bahnhofstraße. Obwohl sich an
den Kleiderständern Bluse an Bluse drängt, Morgenmäntel in verwegenem Retro-Look zu finden sind und
sich auf den Regalen diverse Haushaltsgeräte stapeln, herrscht immer Bedarf an Nachschub. „Da die
Kleidung meist antizyklisch hereinkommt, entstehen
immer wieder Engpässe“, sagt Mades. Antizyklisch?
„Ja, Sie müssen sich das so vorstellen. Jetzt kommt
die neue Herbstmode und die Leute misten ihre Kleiderschränke aus und bringen uns ihre Sommermode,
um für die aktuellen Sachen Platz zu schaffen.“ Nur
dass Pro Shop jetzt selbst eher Herbst- und Winterkleidung bräuchte. Besonders mangele es an Winterklamotten für Kinder, ergänzt Susanne Quest. Aber
auch an Männerbekleidung herrsche noch ziemlicher
Bedarf. Aber: Bitte vorher kurz durchrufen, bittet
Quest. “Die Mitarbeiter können so konkret Auskunft
geben, was gerade benötigt wird.”
Text & Fotos: Ingo Hartel
Pro Shop
Beerdigungsinstitut am Riensberg,
2sp (146 mm) breit x 85 mm hoch,
4C
Der Secondhand-Laden von ProJob
Hemelinger Bahnhofstraße 1, 28309 Bremen
Ansprechpartnerin: Susanne Quest
Telefon 0421 / 460 52 70
[email protected]
Öffnungszeiten: Montag bis Freitag 8 bis 18 Uhr
Gute Anbindung an den öffentlichen Personennahverkehr, DB-Regionalbahn, Straßenbahn Linien 2 und
10, Bus Linien 21, 38 und 41.
www.projob-bremen.de
www.kirche-bremen.de · bremer kirchenzeitung September 2007
15
0800 111 0 111 – Notruf
Ein Anruf bei der Bremer Telefonseelsorge (TS) kurz
vor Mitternacht. Das ist die Zeit, in der jene anrufen,
die nicht in den Schlaf kommen. Die Anruferin nennt
keinen Namen. Das tun die meisten Menschen nicht,
die das täglich rund um die Uhr besetzte Krisentelefon anwählen.
Zwei Menschen begegnen sich mitten in der Nacht
am Telefon, ohne sich zu kennen: “Ich kann nicht mehr.”
Die Frau am anderen Leitungsende stockt mehrmals.
“Ich weiß nicht mehr weiter. Das wächst mir hier alles
total über den Kopf. Mein Vater ist seit einem Jahr
ein Pflegefall und total verwirrt. Von meinen Geschwistern bekomme ich überhaupt keine Unterstützung und mein Mann hilft mir auch nicht. Aber
der muss viel Nachtschicht arbeiten, damit wir endlich die Schulden vom Haus abzahlen können. Dann
kommt er total kaputt nach Hause und mit ihm ist
nicht zu reden. Ich brauche aber jemanden, der mal
zuhört, was mir alles auf der Seele liegt...” –
So ähnlich könnte ein Anruf bei der Telefonseelsorge
beginnen. Jeder, der dort Hilfe sucht, bleibt anonym
– das gilt auch für die Mitarbeitenden der Beratungseinrichtung. Deshalb berichten sie auch nie über
Inhalt oder Verlauf ihrer Gespräche. Schließlich geht
es oft um existenzielle Lebensfragen. Wer die TS anruft, befindet sich oft in einer akuten Krisensituation: Die Ehe steht vor dem Aus, ein Schuldenberg erdrückt die Familie, der Freund ist abgehauen, der Vater wird den Kindern gegenüber handgreiflich, der
Pflegefall zu Hause wächst den Angehörigen über
den Kopf, die Freundin trinkt plötzlich regelmäßig
tagsüber Alkohol, um ihren Kummer wegzuspülen,
der Partner ist plötzlich bei einem Unfall ums Leben
gekommen und das Leben ohne ihn scheint sinnlos,
die Bekannte ist nach langem Bangen und Hoffen
doch an Krebs gestorben. Oft drückt nicht nur irgendwo der Schuh, sondern die psychische Not hat sich
aufgestaut.
Doch wem können Betroffene davon erzählen? Über
persönliche Probleme zu reden erzeugt oft Scham
oder Angst, manchmal fehlt auch ein vertrauenswürdiger Zuhörer. Wer die Telefonseelsorge anruft, findet
immer ein offenes Ohr – und absolute Verschwiegenheit. “Wir möchten Menschen in schwierigen
Situationen annehmen, für sie da sein, mit ihnen die
Gedanken ordnen und sie ermutigen. Das ist oft so,
als versuchten wir, eine kleine Kerze am Ende des
dunklen Tunnels zu entzünden”, erklärt ein erfahrener Telefonseelsorger.
22.000 Hilferufe jährlich
Seit 1963 ist die von der Bremischen Evangelischen
Kirche getragene Telefonseelsorge in der Hansestadt
aktiv und gehörte damals zu den Pionieren der Beratungsarbeit per Telefonhörer. 1956 wurde die erste
deutsche TS in Berlin gegründet. Die Bremer Einrichtung ist heute eine von bundesweit 105 Stellen.
Rund um die Uhr ist die Zentrale besetzt, die jährlich
22.000 Mal kostenlos angerufen wird. Tendenz steigend: “Der Bedarf an Gesprächen steigt von Jahr zu
Jahr”, berichtet Pastor Dr. Frank Austermann, Leiter
der Bremer TS. Die Schwelle sei niedriger geworden,
ein Krisentelefon in Anspruch zu nehmen. “Auffallend
zugenommen haben wirtschaftliche, soziale und
finanzielle Notlagen bei den Anrufern. Hartz IV wirkt
sich indirekt auch auf die Telefonseelsorge aus.”
16
Ehrenamtliche
Telefonseelsorger lernen,
Menschen in Krisen beizustehen
Zunehmend riefen auch ältere, vereinsamte Menschen an. “Früher wurde man so erzogen, nicht zu
klagen. Das ändert sich. Auch Ältere lernen, zu klagen und sich dadurch zu entlasten.”
Damit die Telefonseelsorge arbeitsfähig ist, reicht
das kleine Team der Hauptamtlichen längst nicht
aus. Sie bilden vor allem Ehrenamtliche aus und
begleiten sie. Doch um die permanente telefonische
Erreichbarkeit zu gewährleisten, ist das Engagement
der über 60 Freiwilligen unerlässlich. Von der
Studentin bis zum Pensionär sind alle Alters- und
Berufsgruppen vertreten. Je mehr Ohren sich den
Dienst am Telefon teilen, desto besser. “Wir freuen
uns immer über neue Freiwillige. In der Regel startet
zweimal jährlich ein neuer Ausbildungskurs ”, erklärt
Frank Austermann. Denn wer bei der TS den Hörer
abnimmt, hat eine einjährige, intensive Ausbildung
hinter sich. “Wer sich qualifizieren lässt, verpflichtet
sich zugleich, mindestens für zwei weitere Jahre bei
der Telefonseelsorge mitzuarbeiten”, erläutert der
Leiter der Einrichtung. Die vielfältige, attraktive
Ausbildung gibt es dafür kostenfrei. In der späteren
Praxis liegt der Zeitaufwand für die Ehrenamtlichen
bei monatlich 15 Stunden, davon 12 Stunden am
Telefon. Wer möchte, kann sich darüber hinaus laufend fortbilden. Um bei der TS mitarbeiten zu können, braucht es Stabilität, Belastbarkeit, Sensibilität
und Einfühlungsvermögen, Offenheit, ein gutes
Gefühl für eigene Stärken und Schwächen, Interesse
an anderen Menschen und auch eine Portion Mut.
“Telefonseelsorger sollten eigene Gefühle zulassen,
aber sich selbst auch zurücknehmen können”, erklärt
bremer kirchenzeitung September 2007 · www.kirche-bremen.de
eine Ausbilderin. “Nicht ich als Telefonseelsorger stehe im Mittelpunkt des Geschehens,
sondern der Anrufer”, beschreibt ein Ehrenamtlicher.
“Unaufgeräumte Schubladen”
sortieren
Die TS-Mitarbeiter sind mehr als gute und intensive
Zuhörer. Sie lernen, mit dem Anrufer zu klären, welches Problem wirklich anliegt, was ihm gut tut und
welche eigenen Kräfte trotz aller Verzweifelung doch
vorhanden sind, um neue Lebensperspektiven zu gewinnen. “Wir öffnen für jeden Menschen unabhängig
von Konfession oder Religion Freiräume durch Zuhören und Mitgehen.” Dabei verstehen sich die ehrenamtlichen Seelsorgerinnen als Begleiter auf Augenhöhe. Das gehört für die Mitarbeitenden zum christlichen Menschenbild. “Ratschläge, Patentrezepte oder
Kopf-Hoch-Parolen wären eine Anmaßung. Wir kitzeln
nichts heraus, sondern lauschen die Probleme eher
ab”, beschreibt ein langjähriger Ehrenamtlicher. “Gemeinsam mit dem Anrufer suchen wir danach, was
entlastet und stabilisiert.”
Wenn am anderen Leitungsende jemand intensiv
dabei ist und Gefühle mit aushält, spüren viele Anrufer bereits eine Entlastung. Manche Gespräche
erinnern an das Sortieren einer unaufgeräumten
Schublade. “Wer endlich ausspricht, was ihn belastet,
ordnet seine Probleme. Vielen bringt es Erleichterung, wenn wir stellvertretend das richtige
Wort aussprechen und die Dinge beim Namen nennen.” Durch behutsame Fragen der Telefonseelsorger
für die Seele
Telefonseelsorge
Nächster
Ausbildungsbeginn:
Frühestens Mitte Januar 2008
Bewerbungen
für die Ausbildung und
spätere ehrenamtliche Mitarbeit
sind ab sofort und jederzeit möglich.
Kontakt & Infotelefon
für Interessenten:
Pastor Dr. Frank Austermann
0421/ 32 16 18
(mit Anrufbeantworter)
[email protected]
Telefonseelsorge Bremen
Postfach 10 69 29
28069 Bremen
Bundesweite, kostenfreie,
24 Stunden besetzte
und anonyme Krisentelefonnummer
der Telefonseelsorge:
0800-1110111 . 0800-1110222
www.telefonseelsorge.de
www.kirche-bremen.de
entdecken Anrufer im Idealfall plötzlich bislang verborgene Perspektiven. “Das ist wie das Leuchten mit
der Taschenlampe auf bestimmte dunkle Stellen. Wir
verbinden die Anrufer neu mit ihren eigenen Stärken
und Kräften.”
Auch Seelsorger
müssen Kräfte stärken
Die Gespräche sind mitunter anstrengend und belastend, schließlich wird die Telefonseelsorge meist von
Menschen angerufen, die sich am Ende ihrer Kräfte
und Möglichkeiten fühlen. Wer sich am Telefon die
Sorgen, Nöte, Ängste und Probleme Anderer anhört,
braucht selbst ein Ventil und einen Ort, wo die
Erfahrungen verarbeitet werden können. Dazu besuchen alle TS-Mitarbeitenden zweimal monatlich eine
Supervisionsgruppe, in der besondere Problemfälle
und Belastungen aus den Telefonaten aufgearbeitet
werden. Der Austausch in der Supervisionsgruppe
unterliegt ebenfalls der Schweigepflicht, so dass Inhalte von Telefonaten niemals nach Draußen gelangen. “Wir haben eine tolle Kollegialität”, loben die
ehrenamtlichen Seelsorger durchweg die Atmosphäre.
Bei gemeinsamen Festen, Fortbildungen und in der
Supervision entsteht ein fester Team-Zusammenhalt.
“Die Gespräche am Telefon sind aber keinesfalls nur
dramatisch und beschwerlich. Wir bekommen von den
Anrufern unendlich viel an Lebenserfahrung zurück”,
betonen TS-Ehrenamtliche immer wieder. “Wenn ein
Gespräch gelingt und die Situation verändert, kommen sich Anrufer und Seelsorger menschlich sehr nahe.”
Sie erlebe echte Sternstunden, wenn ein Gespräch
gelinge, meint eine Ehrenamtliche. “Diese Arbeit macht
für mich selbst und für die Gesellschaft Sinn”, formuliert ihr Kollege. “Mitmenschlichkeit, wie wir sie hier
zu leben versuchen, weitet auch den eigenen Horizont.”
Selbsterfahrung
in der Ausbildung
Wer sich für eine Arbeit bei der Telefonseelsorge entscheidet, nimmt zunächst einmal wöchentlich für anderthalb Stunden an einer Ausbildungsgruppe teil. Statt
Literaturlisten und theoretischem Lernen mit Stift und
Block steht Selbsterfahrung im Mittelpunkt: Wie nehme
ich mich selbst und andere wahr? Welche Erlebnisse
hatte ich in eigenen Lebenskrisen? Was macht mich
wütend, traurig oder fröhlich und wodurch werden
diese Gefühle bei mir ausgelöst? Und wo liegen
meine Stärken und Grenzen?
Diese Fragen und Erfahrungen werden in der Ausbildungsgruppe intensiv ausgetauscht und diskutiert.
“Die Ausbildung arbeitet stark gruppenbezogen, damit
Teilnehmende gegenseitig ihre Wirkung auf Andere
erfahren”, betont Pastor Frank Austermann. Sich in
andere einzufühlen und Vertrauen aufzubauen lernen künftige TS-Mitarbeiter vor allem über
Selbsterfahrung und Rollenspiele.
In einer zweiten Trainingsphase steht die Gesprächsführung im Mittelpunkt. Dabei üben die künftigen
TS-Mitarbeiter im Rollenspiel, auf bestimmte Anliegen
zu reagieren. Am konkreten Fall wird erprobt, wie
man einen guten Kontakt aufbaut, ein Gespräch
beendet und sich von bestimmten Anliegen der
Anrufer abgrenzt. “Die Auszubildenden lernen, wo
ihre eigenen Grenzen sind und wie sie sich wahren
lassen”, betont Frank Austermann.
Im Schlussteil der Ausbildung lernen die künftigen
TS-Mitarbeitenden in Übungstelefonaten, wie sie mit
Menschen in schwierigen Lebenssituationen sprechen
können: Wie gehe ich mit Suchtkranken, Depressiven,
Selbstmordgefährdeten, Trauernden oder psychisch
Kranken um? Dabei lernen sie Hintergründe bestimmter Problemstellungen und Krankheiten kennen.
Auch in diesen Ausbildungsabschnitt haben eigene
Vorerfahrungen der Teilnehmenden ihren Platz.
Weitere kompetente
Hilfen vermitteln
Ein Gespräch mit der Telefonseelsorge ist eine akute
Soforthilfe, schafft für die Anrufer neue Perspektiven
und entlastet sie von Sorgen und Problemen, weil
jemand mit Zeit und Ruhe zuhört. Patentantworten
und abschließende Lösungen kann und will die TS
nicht liefern. Aber sie vermittelt an die richtigen
Adressen weiter. Ob es um Verschuldung, Sucht oder
Partnerschaftsprobleme geht – das dichte
Beratungsnetzwerk von Diakonie und Kirche in
Bremen, aber auch außerkirchliche Beratungs-,
Therapie- und Selbsthilfeinstitutionen geben weitere
praktische Informationen und Hilfestellungen. Damit
auch nach dem Telefonat niemand mit seinen Problemen allein bleibt.
Text: Matthias Dembski
Illustration: Wibke Murke
www.kirche-bremen.de · bremer kirchenzeitung September 2007
17
Purer Klang
zum ersten Mal in die Hand genommen. Gemeinsam
mit sechs Mitstreiterinnen und Mitstreitern zwischen
neun und 47 Jahren sitzt sie nun in der “Jungbläserrunde” im Wasserhorster Gemeindehaus. Posaunenarbeit hat in der kleinen Gemeinde Tradition. “In den
letzten vier Jahren ist die Anziehungskraft deutlich
gewachsen”, erzählt Landesposaunenwart Rüdiger
Hille, der an diesem Abend die neuen Bläser besucht. Im Wasserhorster Posaunenchor spielen derzeit 23 Bläser mit – bei 318 Gemeindemitgliedern
der idyllischen Landgemeinde im Blockland eine stolze Größe.
Posaunenchorarbeit
verbindet Alt und Jung
gehen, soll die Teilnahme für niemanden scheitern,
weil zu Hause die finanziellen Mittel fehlen.
Viel Geld ist also nötig, das der Etat des von der Bremischen Evangelischen Kirche finanzierten Posaunenwerkes nicht hergibt. “Auch in den Gemeinden
werden die Mittel knapper, deshalb haben wir
bereits vor zehn Jahren einen Förderverein gegründet”, erklärt Rüdiger Hille. Der sammelt nicht nur
Geld, sondern organisiert auch Veranstaltungen und
führt Bläser zusammen. Zum Jubliäum findet ein großes Bläserkonzert im Bremer Dom statt.
Text & Fotos: Matthias Dembski
Draußen liegt der herbstliche Duft frisch geernteter
Rüben in der Luft. Drinnen versucht sich Julia gerade an ihren ersten Trompetentönen. Erst vor einer
Woche hat die Neunjährige das Blechblasinstrument
Rund 600 Bläserinnen und Bläser sind insgesamt in
den 42 evangelischen Chören Bremens aktiv. Die
Bläsermusik verbindet oftmals Generationen. “Bei
uns spielen alle zwischen acht und 80 mit”, sagt
Landesposaunenwart Rüdiger Hille. “Manchmal sind
ganze Familien dabei.” So auch bei Friederike (14)
und Andrea (43) in Wasserhorst. Als die Tochter sich
entschied, Trompete zu lernen, stieg ihre Mutter
gleich mit ein und erfüllte sich damit einen langgehegten Wunsch. Andrea hat sich für die tiefere Tuba
ausgewählt.
Die Arbeit der Posauenchöre ruht auf vielen ehrenamtlichen Schultern. Edith Katenkamp bringt seit
über 30 Jahren Jungbläsern die richtigen Töne bei.
So wie die Verantwortliche für die Nachwuchsarbeit
in Wasserhorst und der dortige Chorleiter Holger
Schumacher engagieren sich viele im Evangelischen
Posaunenwerk. Die Bläserausbildung ist kostenlos, in
den meisten Fällen werden auch Instrumente und
Noten leihweise unentgeltlich zu Verfügung gestellt.
500 Euro kostet eine vernünftige Trompete, rund
1000 Euro eine Posaune für den Chorgebrauch.
Hinzu kommen Kosten für Seminare und Chorleiterschulungen. Wenn Jungbläser auf Chorfahrt
Anzeige:
2sp (146 mm) breit x 45 mm hoch, HKS57,
Grabmalbetriebe Werth.
18
bremer kirchenzeitung September 2007 · www.kirche-bremen.de
Posaunenwerk
Konzert zum 10-jährigen Jubiläum des
Fördervereins
Unter dem Motto „Alles Ding währt seine
Zeit“ musizieren zahlreiche Bläserinnen und
Bläsern aus ganz Bremen:
14. Oktober ab 17 Uhr im St. Petri-Dom
Bläservesper zum Reformationsfest
in der Wasserhorster Kirche
31. Oktober, 19.30 Uhr
Kontakt und Informationen zu
Nachwuchsarbeit, Posaunenchören und
Bläserkonzerten:
Rüdiger Hille, Landesposaunenwart
Telefon 0421/ 20 30 359
[email protected]
Spendenkonto:
Landesposaunenwerk Bremen
Kontonummer 118 91 90
bei der Sparkasse Bremen, BLZ 290 501 01
Telefon 0421/ 33 00 89-10
www.posaunenwerk-bremen.de
www. kirche-bremen.de
Was ist böse?
Es verbreitet Angst und Schrecken. Es bedroht das Leben
in Sicherheit, Wohlstand, Glück und Gesundheit stets
untergründig oder sichtbar: Das Böse, der Horror,
die Abgründe der menschlichen Seele. Das Böse
durchzieht die Menschheitsgeschichte wie ein Roter
Faden, genauso wie der Versuch, es zu bekämpfen
oder gar militärisch auszumerzen.
Hat das Böse ein Gesicht? Wo steckt der Teufel heute?
Sind es die Namen von Diktatoren und Massenmördern, die großen geschichtlichen Katastrophen und
ihre Urheber? – Menschen fragen schon immer nach
der Ursache des Bösen. In allen Religionen und Kulturen finden sich Geschichten und Mythen, um das
übernatürliche Böse zu erklären. In der Bibel ist es die
Geschichte vom Sündenfall Adams und Evas im Paradies. Nachdem sie verbotenerweise den Apfel vom Baum
der Erkenntnis gegessen haben, öffnen sich ihre Augen
und sie können Gutes und Böses unterscheiden.
Doch was ist “böse”? – Wir etikettieren das Gegenteil
zum moralisch Guten mit dem Begriff “böse”, eben
das, was wir für schlecht halten. Schon Kinder lernen,
Gutes und Böses voneinander zu unterscheiden, Verhaltensweisen und Dinge zu bewerten. “Böse” ist das
wohl prägendste Werturteil, das wir über einen Menschen fällen können. “An sich ist nichts weder gut noch
böse; das Denken macht es erst dazu”, hat der Dichter
William Shakespeare formuliert – das Böse entsteht
im Kopf. So steckt das Böse in den klassischen sieben Todsünden – oder Hauptlastern – Stolz, Zorn,
Trägheit, Wollust, Geiz, Völlerei und Neid, für die
Menschen während ihres Lebens oder an dessen
Ende schließlich büßen müssen? Im evangelischen
Verständnis liegt das Böse, die Sünde, nicht in der
einzelnen Verfehlung des Menschen, sondern in seiner grundsätzlichen Trennung von Gott. Böse
Gedanken, falsche Handlungen entstehen aus dieser Gottesferne.
Wer dem Bösen, seinen Erscheinungsformen, Ursprüngen, “Gegenmitteln” und seiner Bekämpfung
näher auf die Spur kommen will, kann ihm ab dem
17. November im Überseemuseum Bremen buchstäblich ins Gesicht schauen. Dann beginnt die
Sonderausstellung “All about Evil”, die über Religions- und Kulturgrenzen hinweg die Welt des
Bösen näher ausleuchtet.
Text: Matthias Dembski
Foto: Überseemuseum
All about Evil – Das Böse
Überseemuseum Bremen
Bahnhofsplatz 13, 28195 Bremen
17. November 2007 bis 18. Mai 2008
Eintritt 8,50 Euro (Erw.)/ 3,50 Euro
(Kinder)/ 17,50 Euro (Familien)
Infos zu Führungen
Telefon 0421/ 160 38 171
[email protected]
www.uebersee-museum.de
www.kirche-bremen.de · bremer kirchenzeitung September 2007
19
Nächstenliebe “unter
Auf eine wechselvolle Geschichte blickt das evangelische Diakonissenmutterhaus in Bremen Gröpelingen
zurück. Eine Geschichte, mit vielen Aufs und Abs, wie
Klaus von Hahn, Leiter des Mutterhauses, betont. Eine
Geschichte, in der Tradition der Diakonissen eine große
Rolle gespielt hat. Aber auch eine große Tradition,
die wie in vielen Institutionen in die Jahre gekommen ist – und sich neu ausrichtet. Doch der Reihe nach.
anstalt zusammengefunden und bereits ein Jahr später wurde das erste Domizil des Mutterhauses an der
Fichtenstraße in Betrieb genommen. Oberin Saxer hatte
hier mit zwei Diakonissen ein kleines Krankenhaus mit
kaum mehr als 20 Betten betrieben. Schnell konnte
dieses Haus nicht mehr den wachsenden Anforderungen gerecht werden.
Betten ersetzt, um so die Versorgung im Bremer Westen
zu verbessern. Dieses Krankenhaus wurde 1944 bei
einem Bombenangriff zerstört und der Betrieb
wurde zunächst im siebenstöckigen Bunker weiter
geführt. Auswanderungshallen des Norddeutschen
Lloyd an der Hemmstraße wurden zudem als Mutterhaus und Krankenhaus genutzt.
Krankenhausneubau in der Nordstraße
Neubau für Mutterhaus und DIAKO
Die wichtigsten weiteren Etappen in Auszügen: So kam
es in den Jahren 1879 bis 1880 zu einem Krankenhausneubau an der Nordstraße. Bereits 1883 wurden
auswärtige Stationen in Emden und Delmenhorst
gegründet und eine Schwester hatte als Aufseherin
im der Frauenabteilung des Gefängnisses in Oslebshausen gearbeitet. Diese Vielseitigkeit der Diakonissen
wird von Klaus von Hahn ausdrücklich, wenn auch
mit Augenzwinkern betont.
Es folgten Jahre des Übergangs bis es 1958 auf dem
Gelände des Ludwig-Schrage-Stiftes in Gröpelingen
zur Grundsteinlegung für das Mutterhaus und das
jetzige DIAKO-Krankenhaus kam. In diesem Jahr
trennten sich die rechtlichen und organisatorischen
Wege des Krankenhauses und des Diakonissenmutterhauses, die zuvor als der „Verein Evangelische Diakonissenanstalt“ unter einem gemeinsamen Dach
beheimatet waren.
Bunkerbetrieb im Krieg
200 Diakonissen in den Sechzigerjahren
Das Krankenhaus an der Nordstraße wurde 1927
durch einen erheblichen größeren Neubau mit 275
1959 folgte die Grundsteinlegung für die EmmausKirche auf dem Mühlenberg und 1960 der Bezug
Anfang mit 20-Betten-Krankenhaus
Die Diakonissenbewegung ist im Zuge der sozialen
Reformbewegung in der Evangelischen Kirche im 19.
Jahrhundert entstanden. Damals begann die Kirche,
sich der sozialen Not durch die beginnende Industrialisierung und gesellschaftliche Veränderungen zu
stellen. Unverheiratete Frauen “unter der Haube” stellten sich in den Dienst eines Mutterhauses, das die
Schwestern in Krankenhäuser oder in die Sozialarbeit
aussandte. Markenzeichen: Die weiße Haube.
Klaus von Hahn blättert in alten Dokumenten: Im
Oktober 1867 haben sich um Pastor Hermann Henrici diverse Bremer Persönlichkeiten zur Gründungsversammlung des Vereins Evangelische Diakonissen-
Kinderkrankensaal im alten
Diakonissen-Krankenhaus
1960: Eine Kopfkissenlieferung
für das Personalwohnheim
trifft per Pferdewagen ein.
1960: Die Diakonissen
nehmen ihre neugegossene
Glocke in Augenschein
20
bremer kirchenzeitung September 2007 · www.kirche-bremen.de
140 Jahre
DiakonissenMutterhaus in
Bremen
der Haube”
des Kranken- wie des Mutterhauses. In den fünfziger
bis Anfang der sechziger Jahre stieg die Zahl der hier
tätigen Diakonissen auf rund 200. Neben der Arbeit
im Gröpelinger DIAKO waren sie in Friedehorst in der
Arbeit mit behinderten Kindern, in der Erziehungshilfe
und Altenpflege tätig. Über 80 Diakonissen arbeiteten 1967 als Gemeindekrankenschwestern in Kirchengemeinden Bremens, im Unterwesergebiet und in Ostfriesland.
Heute leben im Mutterhaus gerade noch elf Diakonissen, zwei von ihnen sind noch in der aktiven Phase,
die anderen befinden sich im so genannten Feierabend.
Trotz “Feierabend” noch aktiv
als Diakonisse. Doch das Leben in Armut, Keuschheit
und Gemeinschaft habe offensichtlich seine Anziehungskraft verloren.
Text: Ingo Hartel
Fotos: Ingo Hartel
Diakonissenmutterhaus
Arbeit an neuem Profil
Das sind Tatsachen, aber kein Grund, sich das Jubiläum verhageln zu lassen. „Wir haben jetzt ein Altenpflegeheim mit 85 Plätzen als wirtschaftliche Grundlage und arbeiten an einem neuen Profil.“ Klaus von
Hahn und Schwester Jenny wollen ihr Haus als geistiges Zentrum im Stadtteil verankern und insbesondere
für Frauen öffnen. Als Stichworte nennt von Hahn
meditative und spirituelle Angebote.
Straßenansicht des alten
Schwesterhauses.
Gartenansicht des alten
Schwesternhauses.
1960: Der Umzug ins neue
Haus ist in vollen Gange.
Eine von ihnen ist Schwester Jenny Dreier (77). Obwohl
offiziell schon längst im Feierabend ist sie immer
noch aktiv und erledigt einen Großteil der Büroarbeit.
Aber sie weiß eben auch, dass es mit der großen Zeit
der Diakonissen vorbei ist. Seit den 60er Jahren sei
keine mehr eingesegnet worden. Zu ihrer Zeit als junges Mädchen sei es für eine Frau kaum möglich gewesen, im öffentlichen Leben tätig zu sein. Es sei denn
Diakonissenmutterhaus
in Bremen-Gröpelingen
Festgottesdienst
mit anschließendem Empfang im
Diakonissenmutterhaus
Sonntag, 7. Oktober, 10 Uhr
in der Emmaus-Kirche
Begleitende Fotoausstellung
„Das Diakonissenmutterhaus Bremen im
Wandel der Zeit“
Kontakt:
Adelenstraße 68, 28239 Bremen
Telefon 0421 / 61 02 36 00
[email protected]
Spendenkonto:
Ev. Diakonissenmutterhaus
Kontonummer 101 28 71
BLZ 290 501 01 bei der Sparkasse Bremen
www.diakonie-bremen.de
www.kirche-bremen.de · bremer kirchenzeitung September 2007
21
Patenmodell hilft
Arbeitslosen bei Bewerbungen
Beim neuen Job Pate stehen
Das Diakonische Werk Bremen unterstützt die bundesweite und von der Diakonie der Evangelischen
Kirche Deutschland (EKD) getragene Initiative
„Arbeit durch Management/Patenmodell“, die mit
einer gezielten Begleitung Arbeit suchender Menschen wieder den Weg in einen neue Beschäftigung
weisen soll. Gerade hat auch Bürgermeister Jens
Böhrnsen für Bremen die Schirmherrschaft für das
Modell übernommen und so politischen Rückhalt
demonstriert.
Bürokaufmann, aber derzeit ohne Arbeit. Aus der
Zeitung hatte er von den Jobpaten erfahren und sich
beworben. Mittlerweile habe er mit seiner Patin
Ingeborg Mehser seine Bewerbungsunterlagen auf
Vordermann gebracht, Lücken im Lebenslauf geschlossen und bereits das erste Vorstellungsgespräch
absolviert. „So weit bin ich vorher gar nicht gekommen. Da kam immer nur der große Umschlag mit
den Bewerbungsunterlagen zurück.“
Stärken und Schwächen aufspüren
Hilfe beim Berufs-Wiedereinstieg
Das Patenschaftsmodell, das von der Deutschen Telekom mit Personal und Büroinfrastruktur unterstützt
wird, sieht vor, einem arbeitslosen Menschen einen
ehrenamtlichen Paten an die Seite zu stellen, der aus
der Wirtschaft kommt und womöglich gerade in einer
Personalabteilung oder als selbstständiger Personalcoach tätig ist, sagt Michael Schmidt, Geschäftsführer des Diakonischen Werkes Bremen. Der Landespfarrer weiter: „Jeder Arbeitssuchende, der nach einer
neuen Perspektive sucht und mit dieser Hilfe einen
Zugang zum Arbeitsmarkt findet, ist ein Gewinn und
Grund genug, sich für dieses Patenmodell zu engagieren.“
Bundesweit sind derzeit 400 dieser Paten im Einsatz,
in Bremen soll ein solches Netz jetzt aufgebaut werden, berichtet Günter Spallek, der für die Initiative
„Arbeit durch Management“ die Region BremenOldenburg betreut. Mit Ingeborg Mehser hatte er im
Frühjahr eine erste selbstständige Personalberaterin
für die Arbeit gewonnen. Jetzt sind nach Auskunft
Spalleks bereits zehn Jobpaten für den Raum Bremen
und Oldenburg im Boot, die derzeit 27 Arbeitssuchende betreuen.
Bewerbungsunterlagen auf Vordermann
Einer von ihnen ist Gerrit Hanekamp. Er ist gelernter
22
Die Arbeit der Jobpaten besteht in einer umfangreichen Beratung „ihres“ Arbeitsuchenden, erläutert
Ingeborg Mehser. Zunächst geht es um die realistische Beurteilung der Bewerbungschancen, eine Analyse vorhandener Stärken und Schwächen, die Beurteilung der Bewerbungsunterlagen sowie um eine
Überprüfung der bisherigen Bewerbungen. Die Begleitung durch den Paten soll die Hilfe zur Selbsthilfe fördern. Es wird aber auch ganz handfeste
Unterstützung wie die aktive Begleitung der Bewerbung, die Unterstützung während einer möglichen
Probezeit bis hin zur Kontaktanbahnung im Netzwerk des Paten und Hilfe bei der Suche nach
Gesprächspartnern geben.
den 27 betreuten Jobsuchenden seien fünf Beratungen abgeschlossen. Vier von ihnen haben eine neue
Arbeit gefunden. Auch Mehser kann bereits auf ein
Erfolgserlebnis zurückblicken: „Die erste Frau, die ich
unterstützt habe, hat jetzt eine Anstellung gefunden.“
Interessierte Arbeitsuchende können sich im Internet
unter www.patenmodell.de für eine Teilnahme anmelden. Vertreter der Wirtschaft, die sich ehrenamtlich als Paten bereitstellen möchten, wenden sich
unter der gleichen Adresse an Günter Spallek. Sie
sollten kompetent in Gesprächsführung und Beratung sein sowie den lokalen Arbeitsmarkt bestens
kennen. Den Ehrenamtlichen wird eine mehrstufige
Einarbeitung geboten. Zudem sollen Kontakte zu
anderen Jobpaten einen weiteren Austausch ermöglichen. Dies sei ein weiterer großartiger Aspekt dieser Arbeit, sagt Mehser. Diese Kontakte, Vernetzungen und Rückmeldungen könnten für die eigene
Arbeit zunehmend Bedeutung gewinnen.
Text / Foto: Ingo Hartel
Neue Jobpaten gesucht
Zielsetzung in Bremen ist nach Aussage Spalleks, in
diesem Jahr 15 Jobpaten zu gewinnen, die drei bis
fünf Patenschaften im Jahr übernehmen. Natürlich
könne bei diesen Zahlen keine Wunder für den
Arbeitsmarkt erwartet werden. Wohl aber befördere
die Initiative ein weiteres direktes bürgerschaftliches
und diakonisches Engagement zum Nutzen der
Gesellschaft. Dank der eigenen Kontaktnetze zu
Arbeitgebern und die Einbindung von Wirtschaftspartnern sei aber bisher eine Vermittlungsquote von
knapp 30 Prozent erreicht worden. Spallek bietet
konkrete Zahlen für Bremen und Umgebung. Von
bremer kirchenzeitung September 2007 · www.kirche-bremen.de
Patenmodell
Kontakt:
Günter Spallek
Koordinator
Metropolregion Bremen-Oldenburg
Telefon 0421/ 300 15 90
[email protected]
www.patenmodell.de
www.diakonie-bremen.de
Ohne Arbeit wertlos?
sogar trotz einer Erwerbsarbeit mit bis zu 40 Wochenstunden nicht ausreichend für den eigenen Lebensunterhalt verdienen. „Working poor“ oder: „Arm trotz
Arbeit“ lauten hier die allseits bekannten Schlagworte.
Nur wer hat, kann teilnehmen
"Hast´e was, dann bist´e was – hast´e nichts, dann
bist´e auch nichts…!“ so lautet ein bekanntes Sprichwort. Inzwischen müssten wir es wohl etwas anders
formulieren:
„Schaffst´e was, dann bist´e was – schaffst´e nichts,
dann bist´e auch nichts!“ Denn in unserer Gesellschaft
scheint es, als definiere sich der Wert eines Menschen
über den Wert der Arbeit, die er leistet. Genauer noch:
Über die „Erwerbsarbeit“, mit der er zum Bruttosozialprodukt des Landes aktiv beiträgt und auch selber
etwas verdient. Denn Arbeit ist nach dieser Sichtweise
nicht gleich Arbeit.
Trotz Aufschwung chancenlos
Aber auch wenn der gegenwärtige Aufschwung dazu
führt, dass mehr Menschen wieder einen Arbeitsplatz
finden und die erschreckende Zahl von 5 Millionen
Arbeitslosen deutlich sinkt, wird auch zukünftig ein
nach Millionen zu zählender Teil der Bevölkerung
keine Chance auf eine Erwerbsarbeit haben. Und ein
immer größer werdender und ebenfalls schon nach
Millionen zu zählender Teil der Bevölkerung wird
Eine Beteiligung am gesellschaftlichen Leben ist dann
nur schwer oder gar nicht möglich, wenn alle
„Angebote“ einen Preis haben: ob es die langen Einkaufsnächte oder verkaufsoffenen Sonntage in der City
sind, ob es die Eintritte in Schwimmbäder, Museen
oder Kino sind, ob es die Kosten für Klassenfahrten
oder weitere Lernmaterialien sind, ob es die Nutzung
des Internets oder die tägliche Zeitung ist, ob es
Was sind die Menschen, dass du an sie denkst,
ein Menschenkind, dass du nach ihm siehst?
Wenig geringer als Gott lässt du sie sein,
mit Würde und Glanz krönst du sie. Du lässt
sie walten über die Werke deiner Hände. Alles
hast du unter ihre Füße gelegt.
Aus der Bibel, Psalm 8, Verse 5-7.
Sportvereine oder Musikschulen sind um nur einige
Beispiele zu nennen. Nur wer genug hat, kann an dieser Angebotsvielfalt teilhaben.
Was ist aber mit den Menschen, die dafür eben nichts
oder nicht mehr genug übrig haben, wenn sie ihre
Grundbedürfnisse von Essen, Wohnen und
Gesundheitsvorsorge gestillt haben? Ist ihr Leben
dann auch „nichts wert?“
Was ist mit den Menschen, die sich um eine Arbeit bemühen, die aber erfahren müssen, dass sie mit 45 oder
50 Jahren scheinbar schon zu alt sind, deren Qualifikation angeblich nicht ausreicht, denen, die den
Anforderungen eines 10 Stunden-Tags nicht gewachsen sind oder hunderte von Bewerbungen vergeblich
auf den Weg bringen?
Würde hat nichts mit Verdienst zu tun
Deutsche Sozialpolitik in Kommunen, Ländern und
Bund reagiert darauf mit unzähligen und teils untauglichen Versuchen, auch diese Menschen zumindest zeitweise in Arbeit zu bringen. Was aber geschieht, wenn die Maßnahme nach sechs Monaten
„folgenlos“ ausläuft? Was geschieht, wenn der
Arbeitsmarkt dauerhaft verschlossen bleibt?
Sozialpolitik ist mit der Arbeitsmarktpolitik ein
Bündnis eingegangen und es scheint, als würde sie
auf diese Weise zu einer weiteren und letztlich wohl
erfolglosen Form der Wirtschaftspolitik verkommen.
Die entscheidende Frage aber, wie alle Menschen in
die Gesellschaft einbezogen werden können und welchen Wert das Leben unabhängig von einer
Erwerbsarbeit haben kann, beantwortet sie auf diese
Weise nicht.
In der Kirche und ihrer Diakonie werden wir uns
damit nicht zufrieden geben. Jeder Mensch hat seine
Würde und niemand darf verloren gehen bzw. darf
von der Gesellschaft aufgegeben werden. Das gilt in
gleicher Weise für junge und alte Menschen, für
Menschen mit und ohne Behinderung, für Menschen
mit und ohne Erwerbsarbeit. Wir sehen die Würde
und den Wert des Lebens in der Ebenbildlichkeit des
Menschen begründet. Niemand kann sich vor Gott
etwas „verdienen“ und alles, was wir als Geschöpfe
Gottes empfangen haben, ist uns geschenkt. So kann
auch jede und jeder zum Gelingen des Lebens und
der Gemeinschaft seinen Teil beitragen, der sich nicht
an einem materiellen Wert bemisst, sondern als ein
Teil des Ganzen wertvoll wird.
Recht auf Teilhabe für jeden
ANZEIGE
Bethel, 2sp (146 mm) breit x 137 mm hoch,
4C
Deshalb arbeiten wir mit Recht daran mit, Menschen
zu qualifizieren und ihre Chancen in der Arbeitswelt
zu verbessern. Vom christlichen Menschenbild her ist
es unser erstes Anliegen, das Selbstwertgefühl der
Arbeitssuchenden zu stärken. Mit gleichem Recht
aber müssen wir für eine Gesellschaft streiten, die
ihren unbestrittenen Reichtum fair miteinander teilt.
Michael Schmidt
ist Landespfarrer für Diakonie.
Bestattungskultur Caspari,
1sp (70 mm) breit x 30
mm hoch, s/w
www.kirche-bremen.de bremer kirchenzeitung September 2007
23
Informiert
von Pastorin Jeannette Querfurth, Kapitel 8
Neues Freiwilligennetzwerk gestartet
„Haben Sie mal eine Stunde – oder ein Jahr?“ Mit
diesem Slogan startete vor einer Woche „aktiv
evangelisch“ – das Freiwilligennetzwerk. Wer Zeit
und Lust hat, sich in einer Kirchengemeinde oder
evangelischen Einrichtung zu engagieren, findet
hier eine breite Palette an Möglichkeiten. Nur
einige Beispiele aus verschiedenen Bereichen
sind hier herausgegriffen.
Kindertagesstätten und Horte
Mehrere Kindertagesstätten und Horte suchen noch
ehrenamtliche Untersützung: Einen Fahrdienst zum
Universum hätte ein Kindergarten gern, um gelegentlich kleine Ausflüge zum Universum-ScienceCenter an der Uni unternehmen zu können. „Hilfe
beim Erstellen von Hausaufgaben“ wünschen
sich zwei Horte für 6 – 10 jährige Schulkinder.
Handwerkliche Arbeiten
zusammen mit behinderten Menschen
Betreuung beim Nähen und Schneidern bräuchte
eine Wohngemeinschaft von geistig-behinderten
Menschen in Schwachhausen. Eine andere Gruppe
könnte Hilfe und Anleitung bei der Gartenarbeit
in einem eigenen Kleingarten in der Neustadt gebrauchen. Eine dritte Gruppe wünscht sich Unterstützung und Anleitung beim Basteln in ihrer
Holzwerkstatt.
Kunst und Kultur
Ein Fotobegeisterter Mensch könnte sich ausleben beim Aufbauen und Erweitern eines FotoArchivs. Gleich mehrere Einrichtungen suchen Anleitungen für Kunst- oder Kreativgruppen. Auch
die Kulturkirche St. Stephani sucht noch Ehrenamtliche bei der Öffentlichkeitsarbeit, für den
Präsenzdienst und die Ausstellungsplanung.
Hilfen für wohnungslose Menschen
Was für die meisten Menschen eine Selbstverständlichkeit ist, ist für wohnungslose Menschen
oft schon Luxus: Frische Kleidung, warmes Essen,
ein Friseurbesuch, sich selber etwas kochen.
In all diesen Bereichen, von der Kleiderkammer
für Second-Hand-Kleidung bis hin zum Haare
schneiden und Kochen lernen für ehemals obdachlose Menschen werden noch ehrenamtliche
Helfer gesucht.
Ihr evangelisches Informationszentrum
bei Fragen zu Kirchengemeinden, Veranstaltungen und Konzerten, Einrichtungen, Kircheneintritt, Taufe, Hochzeit, Beerdigung, Konfirmation;
Domsheide 8, Telefon 33 78 220
[email protected] · www.kapitel8.de
Montag bis Freitag 12.30 bis 18.30 Uhr,
Samstag 11 bis 14 Uhr
Organisationstalente gesucht
„Brot für die Welt“ und mehrere andere Einrichtungen wünschen sich kreative freiwillige Helfer,
die neue Projekte mit auf den Weg bringen, Infostände, Veranstaltungen und Benefizkonzerte
organisieren und eigene Werbe-Ideen umsetzen
können.
Seelsorge
Nach entsprechender Ausbildung kann man
KrankenhausseelsorgerInnen in ihrer Arbeit auf
den Stationen unterstützen. Ehrenamtliche Hilfe
in verschiedener Hinsicht suchen z.B. auch der
Verein „Verwaiste Eltern und Geschwister e.V.“
oder das Kinderhospiz Jona.
Arbeit mit alten Menschen
Ein ganz breites Spektrum an Möglichkeiten findet sich in der Arbeit mit alten Menschen. Im
Besuchsdienst mehrerer Gemeinden werden noch
freundliche Menschen gesucht, die mit älteren
und einsamen Menschen Kaffee trinken, plaudern oder ein bisschen spazieren gehen. Ebenso
kann man aber auch ganze Seniorenveranstaltungen in einer Gemeinde planen oder im Altenheim beim Gedächtnistraining mithelfen. Von Sitzgymnastik über Musikbegleitung von Veranstaltungen und Besuchen mit dementen Menschen in
einem Streichelzoo bis hin zur Reisebegleitung
reichen die verschiedenen Angebote für Freiwillige.
Eine bunte Palette
Die „ökumenische Ausländerarbeit“ sucht noch
Unterstützer bei ihrer Arbeit mit Flüchtlingen. Ein
Kirchencafé könnte noch Tresenkräfte gebrauchen.
Menschen mit „gesundem Menschenverstand“ sind
als Freiwillige bei der Bahnhofsmission gefragt.
Versierte Kegler werden zum Aufbau eines kleinen Kegelangebotes in einem Altersheim gesucht. Und wer es ein bisschen romantischer
mag, kann Märchen oder Geschichten erzählen
und vorlesen.
„aktiv evangelisch“
– das Freiwilligennetzwerk
im Ev. Informationszentrum „Kapitel 8“
[email protected]
www.aktiv-evangelisch.de
Unser nächstes Thema:
Freiwillig engagiert – in
Kirche und Diakonie
Wir freuen wir uns auf Ihre mail unter
[email protected] oder
ein Fax an 0421/5597-206
STARK FÜR ANDERE
Diakonisches Werk Bremen e. V. | Contrescarpe 101 | 28195 Bremen | Tel.: 0421-16 384-0
Fax: 0421 - 16 384-20 | www.diakonie-bremen.de | [email protected]
24
bremer kirchenzeitung September 2007 · www.kirche-bremen.de