bremer kirchenzeitung - Bremische Evangelische Kirche
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bremer kirchenzeitung Das evangelische Magazin September 2007 Kinderoratorium im Dom Ehrenamtlich bei der Telefonseelsorge Jobpaten-Modell hilft Arbeitslosen Sonntag Gemeinsame Zeit Inhalt 4 10 20 Sonntags 18 Uhr: Gottesdienstzeit. Innenstadtkirchen laden zu besonderen Abendgottesdiensten ein. 16 Nächstenliebe “unter der Haube”: Bremer Diakonissen-Mutterhaus feiert sein 140-jähriges Bestehen. Im Dom schmatzt der Urschlamm – im neuen Kinderoratorium. 8 Telefonseelsorge: Ehrenamtliche Mitarbeit beim Notruf für die Seele. 22 18 Jobpaten: Wie eine neue Idee Arbeitslosen beim beruflichen Wiedereinstieg hilft. Mein Sonntag – warum Bremern ihr Ruhetag wichtig ist. Purer Klang in der Posaunenarbeit: Jung und Alt musizieren gemeinsam. Impressum Die bremer kirchenzeitung ist eine Publikation der Bremischen Evangelischen Kirche. Sie erscheint vier Mal im Jahr samstags als Beilage zum Weser-Kurier und den Bremer Nachrichten. Namentlich gekennzeichnete Beiträge stellen nicht in jedem Fall die Meinung der Redaktion dar. Ihr Themenvorschlag ist uns willkommen. Bitte senden Sie uns eine Mail an [email protected] oder schreiben Sie uns. Falls Sie Fragen rund um die Kirche haben, erreichen Sie Pastorin Jeannette Querfurth unter [email protected]. Sie können uns auch an 0421/5597-206 ein Fax senden. Für unverlangt eingesandte Manuskripte können wir leider nicht haften. Herausgeber: Bremische Evangelische Kirche (Mitglied im Gemeinschaftswerk der Evangelischen Publizistik) Franziuseck 2-4, 28199 Bremen, Telefon (0421) / 55 97 - 0 Redaktion: Sabine Hatscher & Matthias Dembski Titelfoto: Matthias Dembski Grafische Realisation: Rank - Grafik-Design. Druck, Vertrieb & Anzeigen: Bremer Tageszeitungen AG, 28189 Bremen Die nächste Ausgabe der bremer kirchenzeitung erscheint am Samstag, den 15. Dezember 2007 Aktuelle Termine unter www.kirche-bremen.de Kultur und Kirche stärker ins Gespräch bringen Im gläsernen Intendanzbüro von Hans-Joachim Frey geben sich die Besucher in diesen Tagen die Klinke in die Hand. Deshalb hat der neue Generalintendant des Theater Bremen seinen Arbeitsplatz kurzerhand an den Konferenztisch verlagert. Dabei liegt sein Dienstbeginn erst knapp zwei Monate zurück. Doch HansJoachim Frey legt einen Blitzstart hin. Am vergangenen Wochenende ging die erste Openpremiere mit viel Beifall des Publikums wie der Kritiker über die Bühne. Kaum ist die erste Feuerprobe bestanden, geht die Arbeit an der Neuausrichtung des Theater Bremen mit Elan weiter. “Nach 13 Jahren fand ich es wichtig, dem Haus ein neues Image zu geben, deshalb zum Beispiel das neue Logo.” Vier stilisierte Hähne – für die vier Sparten und Spielstätten des Hauses und passend zu den vier Stadtmusikanten – statt des einen gezeichneten Federviehs stehen künftig für das Theater Bremen. Ruhig erläutert er seine Vorstellungen und strahlt dabei Entschlossenheit und Tatkraft aus. Die wird er als oberster Manager der Bremer Bühnen auch brauchen, die zuletzt vor allem als betriebswirtschaftlicher Sanierungsfall Schlagzeilen machten. Noch drücken mehrere Millionen Schulden und der Theateretat ist um weitere 1,3 Millionen Euro jährlich gekürzt worden. Eine stramme betriebswirtschaftliche Herausforderung, wie Frey unumwunden zugibt. Er hat sie offensiv angenommen und betont die Stärken des Theater Bremen, die ihn motivieren. Das Haus habe eine große Tradition. “Bremen ist im Vergleich zur alt-ehrwürdigen Semper-Oper, wo ich vorher war, ein Jungbrunnen. Hier kann ich neue Sänger und Schauspieler entdecken, fördern und durch die Offenheit des Publikums innovativer sein.” Nach zehn Jahren Dresden sah er die Zeit für eine Veränderung gekommen. “Ich wollte gern persönlich ein Theater leiten”, begründet er seinen Wechsel von der Elbe an die Weser. “Außerdem konnte ich in meine norddeutsche Heimat zurückkehren. Zum Anderen hat sich dieses Theater baulich durch die Umgestaltung enorm positiv entwickelt.” Zunächst muss er die Geldsorgen loswerden: Das Ensemble hat er um ein Drittel reduziert, dafür kommen mehr Gäste auf die Bühne. Das Tanztheater wurde mit dem Oldenburger Ensemble zusammen gelegt. Mit dem HaushaltsnotlagenTarifvertrag und einem Umbaukosten sparenden Blockaufführungssystem will er ebenfalls Kosten drücken. “Die festen Personalkosten eines Theaters lagen früher bei 60 Prozent, mittlerweile sind es nahezu 90 Prozent”, rechnet Frey vor. Es brauche neue Strategien, die aber von Kulturschaffenden und Kulturmanagern, nicht von Kulturpolitikern kommen müssten. “Ich nehme die Position ein, nicht immer nur zu fordern, sondern über neue Strukturen nachzudenken. Dafür besteht in Bremen Offenheit.” wirft. Als Direktor der weltberühmten Semperoper machte er sich einen Namen, brachte zunächst ungewöhnliche Allianzen von Wirtschaft und Kultur auf den Weg. Seine Idee eines “Internationalen Forums für Kultur und Wirtschaft”, um Unternehmen als Sponsoren an das Theater zu binden, hat er bereits nach Bremen importiert. “Wir sind als Theater ein Ort für den Dialog, um zwischen Wissenschaft, Politik, Kultur und Wirtschaft zu vermitteln.” Den Kirchentag ins Haus holen Aber auch der Austausch zwischen Theater und Kirche ist dem neuen Generalintendanten schon aus biografischen Gründen wichtig – er stammt aus einem Pastorenhaushalt. “Wir haben die Theaterpredigten eingeführt. Ein oder zwei Wochen nach einer Premiere predigt ein Pastor in der Kulturkirche St. Stephani zu der Oper.” Eine wunderbare Kooperation, meint Frey. Auch der Deutsche Evangelische Kirchentag 2009 liegt ihm am Herzen. “Ich bin mit den Kirchentagen in den achtziger Jahren groß geworden. Für 2009, wenn der Kirchentag nach Bremen kommt, habe ich mir die Tage schon offen gehalten und dem Präsidium mitgeteilt, dass wir gern Veranstaltungen hier im Hause hätten.” Zwischen Kirche und Kultur gebe es viele Gemeinsamkeiten. “Kultur wie Kirche sind leider nur noch Ränder unserer Gesellschaft, die wieder viel stärker ins Bewusstsein gerückt werden müssen.” Auch wenn die Ökumene von katholischer Seite momentan stocke, sei ein deutscher Papst eine Chance. “Wir sollten gesamtkirchlich denken und die Räume des Glaubens und der Religion wieder stärker in den Mittelpunkt rücken.” “Nach dem Umzug vor drei Wochen leben wir uns jeden Tag in Bremen mehr ein”. Bremen ist für den Theatermacher kein Neuland: “Vor meiner Dresdner Zeit habe ich schon einmal zwei Jahre als Chefdisponent hier gearbeitet.” Auch familiär ver denn meine Großtante lebte hier”, erinnert sich der 42-jährige Theaterchef. Jetzt bringt er eine frische Brise der Veränderung in die Bremer Theaterlandschaft – das Publikum beobachtet es gespannt. Gespräch: Matthias Dembski Foto: Jörg Landsberg Sinnliches Theater machen “Wir können nur hoffen, dass die Bremer wieder in ihr Theater gehen. Dann hat das Haus eine Zukunftsperspektive.” Die Konkurrenzsituation der Freizeitgesellschaft sieht er deutlich: Fernsehen, Kino, Musicals und zahlreiche Veranstaltungsangebote ziehen ebenfalls Publikum an, das dem Theater fehlt. Doch der Anspruch von Hans-Joachim Frey ist klar: “Wir wollen ein Theater für alle machen. Durch Oper, Schauspiel, Tanztheater und Kinder- und Jugendtheater haben wir die Chance, alle Bevölkerungs- und Altersschichten zu erreichen.” Analysen hätten gezeigt, dass viele Zuschauer in den letzten Jahren verschreckt worden seien und nicht mehr ins Theater gekommen. “Manches war zu grell, zu laut, zu provokativ, zu verstörend. Ich möchte den Zuschauern nichts versprechen, was wir nicht einhalten.” Gemeinsam mit seinem Team wolle er gutes, sinnliches Theater machen. “Dabei wollen wir die Stücke so erzählen, wie sie sind – aber nicht im konservativen Sinn, sondern mit moderner Ästhetik.” Dabei zielt Freys Spielplangestaltung nicht nur auf Mainstream-Stücke. Mit der zeitgenössischen Oper des Ungarn György Ligeti “Le Grand Macabre” setzte er bewusst einen modernen Auftakt zu seiner ersten Spielzeit. Das Publikum dürfte dieser Akzent überrascht haben, hängt Frey doch das Vorurteil an, eher ein Kulturmanager, als ein Theatermacher zu sein. Zu Unrecht, wie er schmunzelnd meint. “Bis zum 25. Lebensjahr hatte ich nichts mit Management zu tun. Ich habe Gesang und Musiktheater-Regie studiert.” Dass er das Kulturmanagement zusätzlich für sich entdeckte, verdankt sich einem Zufall: “Durch meine auch organisatorisch erfolgreiche Diplom-Inszenierung bin ich darauf gestoßen, mit 25 Jahren ein Kulturmanagement-Aufbaustudium zu beginnen.” Seine künstlerische und seine Management-Seite als Intendant sieht er nicht im Widerspruch zueinander. “Kulturmanager kann nur derjenige sein, der ein Fachmann für künstlerische Dinge ist.” Frey versteht sich als Partner der Künstler, der aber als Verantwortlicher einen ganzheitlichen Blick auf das Theater Hans-Joachim Frey Neuer Generalintendant des Theater Bremen. www.kirche-bremen.de · bremer kirchenzeitung September 2007 3 Wenn im Dom der Sie tun es unter den strengen Augen von Johann Sebastian Bach, Heinrich Schütz und Karl Reinthaler. Sie tun es gern und zwei Mal in der Woche. Und sie tun es für viele Menschen, die sich im Oktober darüber freuen sollen. Seit März singen und tanzen rund 70 Kinder und Jugendliche der Domsingschule für die Uraufführung des Kinder-Oratoriums „Die Stunde Welt“ im St. Petri Dom. Es geht um die immerwährende Schöpfung, um Gedanken zur biblischen Geschichte von der Entstehung der Welt. Sie robben über das glatte Parkett des Chorsaals, bilden Knäuel, schreiten, rennen, schreien wie die Möwen. Sie sind die Ursuppe, verkörpert von den schlängelnden Leibern von zwölf Mädchen. Geräuschgemenge kommt in Fahrt „Schmatzt mal ordentlich und bewegt euch aufeinander zu – ihr seid doch jetzt Schlamm!“ fordern Chorleiterin Ilka Hoppe und Choreographin Gudrun Soujon sie auf. Kein Problem, schmatzen können sie alle. Draußen an der Domsheide rumpeln die Straßenbahnen vorbei, die Domglocken beginnen zu läuten. So kommt der Urschlamm der Evolution unter einem ziemlichen Geräuschgemenge in Fahrt. Immer wieder muss Ilka Hoppe die Kinder zur Ruhe mahnen, damit die Anweisungen der Choreographin durchdringen, doch Gudrun Soujon ist mit der Szene zufrieden: „Toll habt ihr das gemacht! Wunderbar!“ Das Lob beflügelt, die Szene wird gleich noch einmal durchgespielt. 4 bremer kirchenzeitung September 2007 · www.kirche-bremen.de Urschlamm schmatzt Schöpfung als kreatives Chaos Etwa eineinhalb Stunden wird die Aufführung am 20. und 21. Oktober dauern. In den dämmerigen Seitenkapellen des Doms sollen Lichteffekte und Videoinstallationen das Spiel der Kinder zu einem Erlebnis für die Sinne machen: das kreative Chaos der Schöpfung der Welt als Gesamtkunstwerk - ein aktuelles Thema in Zeiten, in denen Evolutionstheorie und Schöpfungsglaube mancherorts hart aufeinanderprallen. „Die Bremer Domsingschule nähert sich dem Thema sowohl biblisch als auch wissenschaftlich“, verspricht die Presseinformation zum Stück. Ilka Hoppe und der frühere Manager der Dom-Musik, Moritz Puschke, hatten zunächst nur eine vage Idee von einer völlig neuen Schöpfungsgeschichte gehabt. In der Bremer Sängerin und Komponistin Gabriele Hasler fand man dann die Partnerin für die Musik. Sie hatte gerade eine CD mit dem Büchner-Preisträger Oskar Pastior produziert. Aus seinen Texten durften sich Chorleiterin und Komponistin herauspicken, was zu ihrem Vorhaben passte. Wenig später, am 4. Oktober 2006, verstarb Pastior während der Buchmesse in Frankfurt. Was aus dieser Zusammenarbeit entstanden ist, wird nun von drei Chören der Domsingschule in die Tat umgesetzt. Beteiligt sind der Kinderchor der Sechs- bis Achtjährigen, der Mädchenchor mit Sängerinnen von acht bis zwölf Jahren und der Jugendchor der Zwölfbis 16-Jährigen. auch das Projekt – da geht man nicht weg.“ Der 14jährigen Gesa geht es auch ums Singen. Sie schwärmt noch von der Chorfreizeit im kirchlichen Ferienheim Haus Meedland auf Langeoog. Dort hatten sich alle drei Chöre intensiv mit den Inhalten des Oratoriums beschäftigt und Ideen für die Aufführung entwickelt. Engelsgesang fürs Brautpaar Kinderoratorium zur Schöpfung Darstellung der Schöpfungsgeschichte, fortgesetzt. Wieder wälzt sich der Urschlamm auf dem Boden, wieder schreien die Möwen… Schöpfung ist jeden Tag neu. Text: Hanni Steiner Fotos: Hanni Steiner/ Domsingschule Probenzeiten im Dom müssen sehr genau mit anderen Aktivitäten in der Kirche abgestimmt werden. An diesem Sonnabend findet erst noch eine Hochzeit statt, bevor die Kinder vor Ort mit ihrer Probe loslegen können. Leise tappen sie hinter Ilka Hoppe hinunter in die Kirche. Die Hochzeit ist gerade zu Ende. Pastor und Brautpaar voran, zieht die Hochzeitsgesellschaft gemessenen Schrittes in Richtung Brautportal. Die Chorleiterin stoppt die Kinder im Hintergrund und stimmt verhalten ein Lied an: „Dona nobis pacem“ – Gib uns Frieden“. Hell schallen die jungen Stimmen durch das hohe Kirchenschiff. Das Brautpaar bleibt stehen, schaut überrascht, lächelnd zu der Gruppe hinüber und zieht dann weiter zum Ausgang. Für einen Moment hatten die lebhaften, quirligen Kinder die Funktion von Engeln. Und einer dieser Engel murmelt im Hintergrund noch beschwörend: „Und lasst euch ja nicht scheiden!“ Dann werden die Proben in den Seitenkapellen, unter den Glasfenstern mit der Singen macht Freu(n)de Seit fünf Jahren ist die 15-jährige Katharina in der Domsingschule. Was treibt sie an, jede Woche zwei Mal stundenlang zu proben statt irgendwo locker abzuhängen? „Das ist ein außergewöhnliches, abstraktes Projekt“, sagt sie. „Das möchte ich unbedingt miterleben!“ Frederike, 12 Jahre alt, stimmt ihr zu: „Mir gefällt, dass wir selber Ideen mit einbringen können.“ Vor allem ums Singen geht es der siebenjährigen Milena: „Das macht mir total viel Spaß und ich habe hier auch Freundinnen gefunden.“ Sie ist eine der Jüngsten im großen Ensemble. Ist das alles nicht sehr anstrengend? „Das schaff ich locker…“ ist sie sicher. Lieke, 14, hat ebenfalls in dieser großen Gemeinschaft viele Freundinnen gefunden. Die seien ihr sehr wichtig geworden, betont sie, „und natürlich Kinder-Oratorium der Bremer Domsingschule Uraufführung des Kinder-Oratoriums „Die Stunde Welt“ 20. und 21. Oktober jeweils um 18 Uhr im St. Petri Dom Karten für 9, ermäßigt 7 Euro an der Abendkasse und im Vorverkauf: Dom-Büro, Sandstr. 10-12 Montag, Dienstag, Mittwoch und Freitag 10.00 bis 12.30 Uhr sowie am Donnerstag 13.30 bis 16.00 Uhr. Kapitel 8, Domsheide 8 Montag bis Freitag 12.30 bis 18.30 und Sonnabend 12.30 bis 14.30 Uhr Öffentliche Probe bei freiem Eintritt am 19. Oktober, ebenfalls 18 Uhr Kontakt: Bremer Domsingschule, Leitung: Ilka Hoppe Telefon 0421/347 72 41 [email protected] St. Petri Dom Gemeinde Sandstraße 10-12, 28 195 Bremen Telefon 0421/36 50 40 www.stpetridom.de www.kirche-bremen.de www.kirche-bremen.de · bremer kirchenzeitung September 2007 5 Amarob reicht das Wasser Uni und Friedehorst entwickeln einen Roboter für die Pflege Schöne neue Welt oder ein weiterer Schritt in die unterkühlte und sich dem Menschen weiter entfernende Pflege? Oder vielleicht eine ganz pragmatische Ergänzung zur menschlichen Pflege, die schwerstbehinderten Menschen ein Stück Selbstständigkeit zurück gibt? Viele Fragen und auch Vorbehalte umgeben das Amarob-Projekt, mit dem das Neurologische Rehabilitationszentrum für Kinder und Jugendliche der diakonischen Einrichtung Friedehort gemeinsam mit dem Institut für Automatisierungstechnik (IAT) an der Uni Bremen und dem Unternehmen ied.design einen Roboter entwickelt, der in der Versorgung von schwerstbehinderten Menschen eingesetzt werden soll. Das Projekt ist im Mai 2006 gestartet und läuft bis Ende 2009. Gefördert wird es in Höhe von zwei Millionen Euro vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMF). Ziel ist die angewandte Grundlagenforschung, die mit den Krankenkassen verhandelt wurde. Der mit einem Elektrorollstuhl kombinierte Roboter wird bei seiner Serienreife wohl rund 30 000 Euro kosten. Drehbücher für den Alltagseinsatz Dr. Matthias Spranger, der für das Rehabilitationszentrum in Friedehorst an dem Vorhaben beteiligt ist, formuliert die Ansprüche an Roboter mit dem Namen „Friend“ (Freund): Ziel sei es, dass dieser für mindestens zwei Stunden die Versorgung eines Patienten sicherstelle. Spranger, in dessen Zentrum junge Men- schen mit schweren Schädel-Hirn-Verletzungen behandelt werden, entwickelt die Alltagsszenarien und Drehbücher, nach denen der Roboter eingesetzt werden soll. Das IAT versucht nach diesen Vorgaben entsprechend zu programmieren und zu schrauben, und ied-design sorgt für eine nutzerfreundliche Anmutung. Versorgung für zwei Stunden Laut Spranger leistet Friend bisher noch nicht allzu viel. Der elektrische Rollstuhl ist mit Rechner, Bildschirm, zwei über Kopfhöhe befestigten Kameras (Stereokameras für die dreidimensionale Wahrnehmung) und einem Roboterarm ausgestattet. Bisher kann er ein Glas voll schenken: Der Mensch tut kund, dass er etwas trinken möchte. Daraufhin schenkt der Roboter selbstständig und ungesteuert aus einer Flasche ein Glas voll. Um Flasche und Glas zu finden, werden die Kameras benötigt. Eine Waage, auf der das Glas steht, weiß, wann es voll ist. Ziel ist es, den Roboter so fit zu machen, dass er rund ums Essen und Trinken autonom zwei Stunden für den Menschen sorgen kann. Roboter muss sich zurecht finden Der Job von Friedehorst ist es, eine solche Handlungskette zu entwickeln. Friend benötigt dafür eine intelligente Umgebung: Kühlschrank, Schrank, Mikrowelle müssen so ausgestattet werden, dass der Roboter sich zurechtfinden kann. Entsprechende Tests laufen in der Versuchsküche der diakonischen Reha-Einrichtung. Zudem muss der Roboter lernen, das Essen anzureichen und es dem Menschen nicht tief in den Mund zu schieben. Später soll er auch eine Kaffeemaschine bedienen und dem Menschen nach dem Essen die Zähne putzen. Oliver Prenzel, wissenschaftlicher Mitarbeiter des Instituts für Automatisierungstechnik, und sein Kollege Marco Cyriacks versuchen an der Uni gemeinsam mit sechs weiteren Kollegen, eben diese Ausgabenstellungen zu realisieren. Keine ganz einfache Aufgabe. Denn anders als bei Industrieroboter, die gut erforscht seien, würden die Wissenschaftler im häuslichen Bereich wegen der so genannten unstrukturierten Umgebung Neuland betreten. Derzeit arbeiten die Automatisierungstechniker an einer Hand mit einer „intelligenten Greifkraftkontrolle“. Will der Mensche eine Maschine? Nicht immer ohne Verständnishürden verläuft bei dem Projekt auch die Zusammenarbeit zwischen Ingenieuren und Medizinern berichtet Spranger. Nach ihrem Selbstverständnis bauen die Ingenieure eine Maschine, die Menschen versorgt. Der andere Blickwinkel gehe vom Menschen aus, der Hilfsmittel benötige. Die Frage sei also, wer ist Subjekt, wer ist Objekt. Dazu komme die Überlegung: Will ein Mensch eine solche Maschine überhaupt oder lieber menschliche Zuwendung. Dazu bemerkt Spranger, dass befragte Behinderte die Entwicklung des Roboters begrüßten. Natürlich wäre ihnen menschliche Zuwendung lieber, aber man müsse realistisch sein. Menschliche Pflege rund um die Uhr sei kaum zu finanzieren. Der Friend hingegen biete Menschen, die versorgt werden müssen, mehr Autonomie. Die Behinderten könnten essen, wenn sie Hunger haben und nicht wenn jemand da ist, sie können sich kratzen lassen, ohne auf eine Pflegekraft zu warten und könnten trinken, ohne nach Hilfe zu klingeln. Teilweise könne so auch ein wenig Privatsphäre geschaffen werden. Ähnlich äußert sich der Industriedesigner Bernd Huth von ied-design: „Ich hatte mich anfangs auch gefragt, wer so einen Roboter haben will. Bei der Befragung möglicher Nutzer hat sich gezeigt, dass das höchste Gut die wieder gewonnene Autonomie ist.“ So könne der Nutzer beispielsweise bestimmen, wann und in welchem Tempo er essen möchte. Zu der Arbeit seines Instituts am Friend bemerkt Huth: „Es ist ein weit verbreiteter Irrtum, dass Industriedesigner die Dinge lediglich schön machen. Wir machen mehr als lediglich die Ecken abzurunden.“ Nutzerbedürfnisse entscheidend nnn Hier BU einsetzen auch über 2 Zeilen oder 5? 6 bremer kirchenzeitung September 2007 · www.kirche-bremen.de Produktdesigner hätten einen anderen Blickwinkel auf die Thematik, die so genannte Problemdistanz, sagt Huth. Es gelte, die Betriebsblindheit zu vermeiden, eine andere Sichtweise als die der Ingenieure zu entwickeln und auf die Bedürfnisse des Nutzers zu achten. Huth: „Wenn man andere Fragen stellt, kommt man zu anderen Antworten und Lösungen.“ Er räumt jedoch ein, dass ein Roboterarm doch sehr technisch sei und nicht zu einem Lifestyle-Produkt herausgeputzt werden könne. Aber die Produktdesigner wollen eine Anmutung schaffen, die nicht würdelos ist. Schließlich werde der Friend sehr privat wie beim Anreichen von Essen eingesetzt. Letztlich könne es nur in Richtung Kompromiss laufen, denn es geht um die technische Nutzbarkeit. Und ein Stückchen wieder gewonnene Autonomie der Nutzer. Text/ Foto: Ingo Hartel Wenn der Sonntag zum Werktag wird Ein Betriebsrat zur Ausdehnung des Ladenschlusses Karl-Heinz van der Pütten ist Familienvater, Betriebsrat und Leiter der CD-Abteilung bei Saturn-Hansa in der Bremer Innenstadt. Seit 1981 bin ich im Einzelhandel beschäftigt. Heute arbeite ich als Abteilungsleiter der CD-Abteilung bei einem Elektromarkt in der Bremer Innenstadt. Vor 26 Jahren haben die Geschäfte samstags um 14 Uhr geschlossen. Danach bin ich mit meinen Kumpels auf den Fußballplatz gegangen. Einmal im Monat gab es den so genannten „langen Samstag“ bis 18 Uhr. Auch an den vier Samstagen vor Weihnachten war bis 18 Uhr geöffnet. Traumhafte Zeiten verglichen mit heute! stark gemacht, dass man den Ladenschluss am Samstag auf 20 Uhr festlegt, damit es überhaupt einen Sonntagsschutz geben kann. Wenn man bis Mitternacht gearbeitet hat, ist der Sonntagsschutz nicht besonders groß. In der Großen Koalition stand aber schon vorher fest, wo es lang gehen sollte. Man müsse sich Niedersachsen anpassen, lautete das Argument. Unter der Woche arbeite ich bis 20 Uhr. Weil ich in Bremen wohne, bin ich mit dem Fahrrad innerhalb von 20 Minuten zu Hause. Meine beiden kleinen Kinder liegen dann bereits im Bett und schlafen. Natürlich ist meine Frau für sie da, aber familienpolitisch wird genau das Gegenteil gefordert. Männer sollen sich mehr einbringen, sollen am Familienleben teilnehmen. Das geht bei meinen Arbeitszeiten leider nicht. Sonntag ist der einzige Familientag Die Veränderungen setzten schleichend ein. Immer, wenn den Wirtschaftspolitikern nichts mehr einfiel, haben sie die Ladenöffnungszeiten aufs Tapet gebracht. Dabei bringen verlängerte Öffnungszeiten nicht mehr Umsatz, weil niemand plötzlich mehr Geld im Portemonnaie hat. Schlimm geworden ist die Flexibilisierung erst vor einigen Jahren. Es begann mit dem „Langen Donnerstag“ als Serviceabend für beratungsintensive Ware. Da sollte viel Personal vorhanden sein, um die anderen Tage zu entlasten. Normal war damals noch um 18.30 Uhr Schluss. Dann wurden die Zeiten wochentags generell bis 20 Uhr ausgedehnt. Mit der letzten Veränderung vor vier Jahren wurde die Samstagsarbeit von 16 auf 20 Uhr verlängert. Mittlerweile haben wir die komplette Narrenfreiheit. Jedes Bundesland kann für sich entscheiden, aber die Richtung ist klar: Volle Liberalisierung, jeder kann machen, was er will. Der Sonntag ist deshalb für mich Familientag. Ich mache dann nur familienfreundliche Termine, zu denen ich meine Kinder mitnehmen kann. Fußballplatz, Spielplatz, Schwimmen gehen – sich einfach mit den Kindern beschäftigen. Meine Kinder freuen sich drauf und wollen ihren Papa wenigstens einmal in der Woche auch für sich haben. Das ist für mich sehr wichtig, genauso wie gemeinsame Zeit mit meiner Frau. Wenn ich am Sonntagnachmittag um 13 Uhr im Geschäft sein muss, um bis 18 Uhr zu arbeiten, dann hat der Sonntag einfach nicht mehr diesen Wert. Ich sehe einen riesengroßen Unterschied, ob jemand als Hebamme, als Lokführer oder als Arzt Wochenenddienst macht, oder ob ich in einem Einzelhandelsbetrieb stehe. Einkaufen kann man die ganze Woche über. Das ist sonntags nicht notwendig. “Völlige Freigabe politisch gewollt” Ich singe in zwei Chören und musste schon sehr oft meine Teilnahme an Konzerten oder Proben absagen, weil ich arbeiten musste. Der Zion Community Choir ist ein wirklich guter Gospelchor. Da möchte ich unbedingt dabei bleiben. Wenn meine Motivation nicht so groß wäre, hätte ich das Singen schon aufgegeben. Auch für Ehrenämter fehlt den meisten Mitarbeitern im Handel schlicht die Zeit. Seit April haben wir jetzt Erfahrungen mit dem neuen Auf Dauer können diese Öffnungszeiten nur Betriebe mitmachen, die zu den großen Konzernketten gehören. Kleine Familienbetriebe verschwinden irgendwann vom Markt. Die Anhörung in der Bremischen Bürgerschaft im vergangenen Jahr war eine Farce. Dort hat sich auch die evangelische Kirche für den Sonntagsschutz Nachtzuschläge schon in Frage gestellt Ladenöffnungszeitengesetz in Bremen. Aber: Es wird nicht flächendeckend genutzt. Viele Arbeitgeber belassen alles, wie es ist. Nur vor Weihnachten wird Gas gegeben. Dann soll die Kaufkraft genutzt werden. Bislang hatten wir nur zwei zusätzliche Mitternachtsshoppings in der Bremer Innenstadt. Es ist vereinbart, dass es in diesem Jahr vier offenen Sonntage geben soll. Doch die werden gar nicht genutzt werden. Auf Arbeitgeberseite will man lieber auf einen Sonntag verzichten und stattdessen im Dezember ein Mitternachtsshopping am 15. Dezember haben. Das ist für die Arbeitgeber auch noch billiger, als Sonntagsarbeit. Für das Mitternachtsshopping samstags bis 24 Uhr gibt es natürlich kein zusätzliches Personal, sondern wir machen Überstunden. Noch gibt es dafür Zuschläge. In der laufenden Tarifverhandlung will der Arbeitgeberverband die Nachtzuschläge aber über Bord werfen. Nachtarbeit soll erst um 23 Uhr anfangen. Erst macht man die Geschäfte länger auf und danach beschwert man sich darüber, dass die Personalkosten so hoch sind. “Total geschlaucht” Als Arbeitnehmer müssen wir andererseits immer ein Interesse daran haben, dass es unserem Betrieb gut geht. Das heißt: wenn alle Geschäfte in der Innenstadt öffnen, können wir uns nicht weigern. Sonst gibt es das Negativimage: „Die haben es ja nicht nötig…“ Es entsteht ein moralischer Druck, dem wir uns sehr schwer entziehen können. Wenn wir eine samstägliche Mitternachtsöffnung hatten, ist der Sonntag im Grunde kaputt, weil man total geschlaucht ist. Der Sonntag ist für mich aber nach wie vor der Tag des Herrn und nicht der Tag des Einkaufens! Der christliche Glauben sagt klar: „Am siebten Tag sollst du ruhen.“ Mein Freund, ein Arbeitsmediziner,. sagt mir immer: „Zwei zusammenhängende Tage Wochenende sind nötig, um sich zu regenerieren.“ Im Einzelhandel ist das überhaupt nicht möglich. Der Samstag ist schon komplett weg, da bleibt nur noch der Sonntag. Und wenn der Samstag dann auch noch bis 24 Uhr geht oder eine Sonntagsöffnung hinzu kommt, dann haut es einen schlicht um. Protokoll/Foto: Matthias Dembski Illustration: Wibke Murke www.kirche-bremen.de · bremer kirchenzeitung September 2007 7 Mein Sonntag Was Bremern ihr Ruhetag bedeutet 1 Klaus Peter Geschäftsführer des Landessportbunds Bremen Ich persönlich versuche, den Sonntag so weit wie möglich von beruflichen Terminen frei zu halten. Für mich dient dieser Tag zum Regenerieren und ich freue mich über gemeinsame Zeit mit meiner Frau. Wochentags habe ich viele Abendtermine, deshalb ist mir ein verlässlich freier Abend am Sonntag sehr wertvoll. Natürlich gelingt das nicht immer: Viele Sportveranstaltungen sind am Wochenende. Für Sportvereine ist die zunehmende Flexibilisierung der Arbeitszeiten sehr kritisch, weil es ihren Bestand gefährdet. Gerade Mannschaftssportarten sind bedroht, wenn immer mehr Menschen am Wochenende arbeiten müssen. Das Problem ist nicht ganz neu, sondern begann mit der Samstagsarbeit über den Mittag hinaus. Ich war selbst Trainer einer Handball-Damenmannschaft, in der viele Friseurinnen mitspielten. Da war es extrem schwierig, eine Mannschaft für Spiele am Samstagnachmittag voll zu bekommen. Wenn jetzt auch noch der Sonntag gefährdet ist, haben Menschen keine festen Tage mehr für den Sport frei - egal ob individuell oder in der Mannschaft. Angesichts des zunehmenden beruflichen Drucks und ständiger Erreichbarkeit ist das keine gute Entwicklung. 2 Bettina Töpke, Leiterin im Altenpflegeheim Kirchweg des Vereins für Innere Mission Angesichts meiner eigenen Arbeitszeiten kommt mit die Flexibilisierung der Ladenöffnungszeiten grundsätzlich entgegen. Ich finde es schön, am Samstag bis 20 Uhr mit meiner Tochter in der Stadt einkaufen zu können. Aber den Sonntag brauche und will ich nicht zum Einkaufen. An diesem Tag pflege ich Kontakte mit Familie und Freunden, dann wird gut gekocht und wir sitzen gemeinsam am Tisch. Für die Stabilität familiärer Beziehungen ist dieser Tag wichtig. Das gilt auch für unsere Bewohner: Der Sonntag ist ein wichtiger Besuchstag. Wer bei uns lebt, ist auf Besuch angewiesen. Die meisten Angehörigen kommen Sonntag nachmittags, weil sie dann Zeit haben. Für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in der Altenpflege, die im Schichtdienst arbeiten, sieht der Sonntag anders aus. Die Pflege hört natürlich am Sonntag nicht auf. Sie leben über Jahrzehnte hinweg ohne das Priveleg, sonntags immer frei zu haben, weil sie sich für Ältere, Pflegebedürftige engagieren. Das ist ein notwendiger Dienst, der viel mehr Anerkennung verdient hätte. Grundsätzlich sollte aber nur in Bereichen gearbeitet werden, in denen es wirklich unabdingbar ist. Den 8 1 Rhythmus von Arbeit und Ruhe braucht jeder Mensch. Fällt der Sonntag als für die meisten freier Tag weg, löst sich die Gemeinschaft auf und Menschen vereinsamen. 2 4 Dietmar Klepatz Geschäftsführer des Landesverbandes der Gartenfreunde Bremen e.V. S 3 Renke Brahms, Pastor und Schriftführer der Bremischen Evangelischen Kirche Für mich als Pastor ist der Sonntag meist zweigeteilt, weil ich dann natürlich auch beruflich unterwegs bin. Entweder ich halte selber Gottesdienste oder ich feiere einen Gottesdienst als Besucher mit. Der Gottesdienstbesuch gehört für mich immer zum Sonntag dazu. Zum Anderen gehört für mich zum Sonntag die Ruhe. Nur im Notfall setze ich mich an diesem Tag an den Schreibtisch. Den Sonntagmittag nutze ich gern für einen schönen Spaziergang durch den Bürgerpark, nachmittags besuchen wir meine Schwiegereltern. Ganz wichtig sind meiner Familie und mir die gemeinsamen Mahlzeiten am Sonntag. In der Woche können wir aufgrund unterschiedlicher Zeiten meist nicht zusammen essen. Dafür zumindest sonntags Zeit zu haben, tut gut. Wenn samstags bis Mitternacht geshoppt wird, fehlt die Zeit zum Runterfahren und zur Einstimmung auf den Sonntag. Ich finde es abschreckend, wie die Werbung die Schnäppchenjäger-Mentalität inszeniert. Da wird die menschliche Schwäche angestachelt und ausgenutzt, die Angst, etwas zu verpassen. Die jüdisch-christliche Tradition passt gut zum Biorhythmus des Menschen, weil sie sein Grundgefühl anspricht: Wir brauchen einen festen Rhythmus von Arbeit und Ruhe. Der Sonntag als Ruhetag ist ein Geschenk der Schöpfung. Die jüdische Tradition sagt es so: Die Krone der Schöpfung ist nicht der Mensch, sondern der Schabat, der Ruhetag. Anders ausgedrückt: Der Mensch ist nicht um der Arbeit willen geschaffen, sondern es gibt die Arbeit, damit der Mensch leben kann. Für Christen ist der Sonntag der erste Tag der neuen Woche, der Tag der Auferstehung Jesu. Unter diesem Vorzeichen des Lebens steht jede neue Woche: Wir leben von der Auferstehungshoffnung her, vom ersten Tag jeder Woche bis zum letzten. Ich erwarte vom Senat Zurückhaltung statt ständiger Ausweitung und Flexibilisierung von Ladenschlusszeiten, besonders wenn es um den Sonntag geht. Wir als Kirche müssen Hilfen geben, wie dieser Tag sinnvoll gestaltet werden kann. Denn der Sonntag hat ein kritisches Potenzial gegenüber einer zunehmend kommerzialisierten Gesellschaft: An einem Tag der Woche darf es Ruhe und Verzicht auf Arbeit geben. Wer’s ausprobiert stellt fest: Sonntagsrituale tun dem Einzelnen und der Gemeinschaft einfach gut. bremer kirchenzeitung September 2007 · www.kirche-bremen.de Wir brauchen den Sonntag dringender denn je als verlässlich freien Tag, der aus dem üblichen Werktagsschema herausfällt. Für die Gartenfreunde in unsern Vereinen ist der Sonntag wichtig, weil dann viele Veranstaltungen stattfinden. In den Kleingartenanlagen steht an diesem Tag die Gemeinschaft im Vordergrund: Feste und Versammlungen finden meist sonntags statt. Die Gartenfreunde nutzen eher den Sonntag, um jenseits des Alltagtrubels freie Zeit in ihrem Garten zu verbringen. Bei Älteren kommen Kinder und Enkel zu Besuch in den Garten, man trinkt zusammen Kaffee oder hält einen Schnack über den Gartenzaun, weil auch die meisten Nachbarn an diesem Tag da sind. Für mich persönlich bedeutet der Sonntag vor allem Ruhe und Ausgleich. An diesem Tag kann man sich für die kommende Woche sammeln und einfach mal die Seele baumeln lassen. Ich tue zu Hause etwas im Garten oder gehe durch die Anlage spazieren - ganz jenseits meines beruflichen Hintergrundes, einfach um die Farbenpracht und die Natur zu genießen. Wenn Kaufhäuser und Läden jeden Tag geöffnet sind, entsteht ein gesellschaftlicher Druck, selbst am Sonntag zu gucken und einzukaufen. Das sieht man, wenn man sich die Siutation im Ausland, beispielsweise in Skandinavien, anschaut. Wer selber in der restlichen Woche viel arbeiten muss, wird den Sonntag auch als Einkaufstag nutzen wollen, wenn das möglich ist. Dabei muss dieser Tag ein Pol der Ruhe sein, an dem man Kraft tanken kann, um im Alltag und in der Arbeitswelt bestehen zu können, aber auch um gemeinnützigen Aktivitäten nachzugehen. Vereinsleben und gemeinschaftliche Aktivitäten sind immer schwieriger zu organisieren, wenn ein verlässlicher Tag fehlt, an dem die Mehrheit arbeitsfrei hat. Ohne den Sonntag kann man keinen Rhythmus bestimmen, der die Menschen stabilisiert. Es tut gut, einmal in der Woche mit der ganzen Familie zusammen frühstücken zu können, ohne das jeder zu einer anderen Zeit aus dem Haus muss. 5 Jens Böhrnsen Präsident des Senats und Senator für kirchliche Angelegenheiten Der Sonntag ist für mich ein besonderer Tag und er soll es auch bleiben. In meinem Terminkalender gelingt es nicht, einen ganzen Tag in der Woche auszusparen. Manche schöne, wichtige, für Bremen unersetzliche Veranstaltungen finden am Sonntag statt. Aber ich versuche mir das Bewusstsein zu bewahren, dass der Sonntag kein Arbeits- oder Werktag ist. Für 3 4 mich ist der Sonntag der wichtigste Tag um aufzutanken, Abstand vom alltäglichen zu finden. Dazu gehört auch, zu sich selbst zu finden. Gerade auch dazu nutze ich so oft es geht die Gelegenheit, den Gottesdienst zu besuchen. Zu mir selbst finden heißt für mich auch, meine Familie und Freunde zu treffen, Zeit für sie zu haben. Auch dafür bietet der Sonntag die beste Gelegenheit. Besonders wichtig ist dabei für mich, dass dieses Gefühl eines besonderen Tages ein Gefühl für alle bleiben muss. Ich verschließe meine Augen nicht vor der Notwendigkeit, am Sonntag arbeiten zu müssen. In der Pflege, bei der Polizei oder Feuerwehr, in Krankenhäusern und in vielen Berufen gehören Sonntagsschichten dazu. Normal sollte aber sein, am siebten Tag zu ruhen. Ein Alltag darf der Sonntag nicht werden. 5 7 6 Gerade kleinere und mittlere Betriebe haben relativ großen Widerstand dagegen geleistet, Sonntagsöffnungen bis zum Äußersten auszudehnen. Wir wollen und müssen uns aber die Kunden erhalten, deshalb können wir uns der als modern geltenden Ausdehnung der Ladenöffnungszeiten auf den Sonntag nicht dauerhaft widersetzen. dass an solchen Tagen meist die Inhaber selbst hinter der Ladentheke stehen. Als Handelskammer haben wir uns mit Blick auf das Umland dafür ausgesprochen, die Ladenschlusszeiten an allen Werktagen einschließlich des Samstags freizugeben. Dahinter stehe ich voll und ganz. Und ich höre von vielen Einzelhändlern, dass sich verkaufsoffene Sonntage auch wirtschaftlich rechnen. O 6 Norbert Caesar 1. Vorsitzender des Einzelhandelsverbandes Nordsee, Bremen, selbständiger Einzelhändler für Haushaltswaren im Viertel und in der Vahr In der Bibel heißt es ja “Am siebten Tag sollst du ruhen” – das gilt auch für die Menschen im Einzelhandel. Aber was mir selbst gefällt, muss anderen noch lange nicht gefallen. Der Handel ist ein Dienstleister, der sich an die Kundenwünsche anpassen muss. Wenn die Kunden Lust haben, am Sonntag einzukaufen, weil sie in der Woche dafür keine Zeit haben, dann öffnen wir unsere Geschäfte. In Bremen haben wir nur sehr eingeschränkte Möglichkeiten, sonntags zu öffnen. Ich bin auch dafür, den Sonntag nicht auf kaltem Weg zum Werktag zu machen. Wir können als Einzelhändler mit der jetzigen Regelung, sonntags nur zu ausgewählten Anlässen und regional begrenzt zu öffnen, gut leben. Noch sind Sonntagsöffnungen die Ausnahme. Weitet man sie aus, wird Einkaufen am Sonntag zur langweiligen Routine. Aber Menschen unterwerfen sich ungern Zwängen und dazu gehören auch Ladenschlussregelungen. Die Idee für den Sonntagseinkauf stammt nicht von uns Einzelhändlern. Wir reagieren damit nur auf die Wünsche der Menschen, die in den Medien immer wieder veröffentlicht werden. Es gibt über Jahrzehnte hinweg einen starken öffentlichen Druck, dem wir uns beugen. In der Berichterstattung werden immer die Highlights der Sonntagsöffnungen gefeiert. Niemand stört sich in den Medien daran, dass unsere Gesellschaft immer hektischer wird und wir ökonomisch mit einer Ausweitung der Ladenöffnungszeiten auf der Stelle treten. Denn natürlich haben die Kunden nicht mehr Geld im Portemonnaie. Aber der Handel muss sich trotzdem ihrer Nachfrage nach veränderten Öffnungszeiten beugen. Nachdem der Sonntag im Handel zumindest zeitweise zum Werktag wird, ist mit einer Anpassung der Arbeitszeiten auch in anderen Bereichen zu rechnen. Das zieht irgendwann die Sieben-Tage-Arbeitswoche für alle nach sich. Die Kritik daran darf sich aber nicht an den Handel richten. Wenn wir gesellschaftlich alles dem Götzen der Individualisierung und persönlichen Freiheit unterwerfen, wird das letztlich nicht funktionieren. Schließlich gibt es aus gutem Grund auch Verkehrsregeln. Natürlich hat der Rhythmus von Arbeit und Ruhe seinen Sinn für unser Zusammenleben. Uns fehlt eine verbindliche kulturelle und kirchliche Vorgabe dafür, die mit dem nötigen starken gesellschaftlichen Druck durchgesetzt wird. Letztlich: Wenn niemand nach 20 Uhr und auch nicht am Sonntag einkaufen ginge, würde sich die Ausweitung der Öffnungszeiten von selbst erledigen und niemand müsste dann arbeiten. 7 Lutz H. Peper Präses der Handelskammer Bremen und Unternehmer Der Sonntag war für mich schon immer ein Tag der Familie. So habe ich das in meiner Kindheit erlebt und lebe das auch in meiner eigenen Familie nach Möglichkeit so. Andererseits muss man nüchtern feststellen, dass der Sonntag nicht für alle Arbeitnehmer arbeitsfrei ist. Das gilt beispielsweise für das Servicepersonal in der Gastronomie oder in den Kliniken. Dennoch: Ich bin sicher, dass ein arbeitsfreier Sonntag für viele Menschen ein hohes Gut ist. Und das ist gut so! Ich finde, dass lange Einkaufsnächte am Wochenende, wie wir sie zuletzt bei der Eröffnung des Musikfestes Bremen erlebt haben, ein hervorragendes Mittel sind, um Menschen von außerhalb für unsere Stadt und unseren Einzelhandel zu begeistern. Für mich persönlich muss das aber nicht am Sonntag sein. 8 8 Heiner Schilling Gewerkschaftssekretär im Fachbereich Einzelhandel des ver.di- Landesbezirks Niedersachsen-Bremen. “Ohne Sonntage gibt’s nur Werktage” ist eine schöne Losung. Für mich persönlich ist der Sonntag ein verlässlicher Zeitanker, den ich mit meiner Tochter, Freunden und Bekannten gemeinsam nutze. Es ist der Tag für Besuche, Ausflüge, mit Zeit im Garten oder für einen Spaziergang zur Erholung. Die wenigsten Menschen haben unter der Woche um 17 Uhr Feierabend. Im Handel wird meist bis 20 Uhr gearbeitet. Dann bleibt kaum noch Zeit für die Familie oder für die Pflege privater Kontakte und Hobbies. Dafür brauchen Menschen das Wochenende, wenigstens den Sonntag. Bislang war der Sonntag für den größten Teil der Bevölkerung arbeitsfrei. Mittlerweile ist der Versuch, ihn zum normalen Werktag zu machen, eingeleitet. Das ist ein tiefgehender Werte- und Kulturwandel, der irgendwann alle Berufe erfassen wird. Es gibt Arbeitsplätze, die auch sonntags ausgefüllt werden müssen, zum Beispiel bei der Polizei oder im Gesundheitswesen. Der Handel gehört nicht dazu. Wenn Bundesfamilienministerin von der Leyen immer wieder den hohen Wert der Familie betont, sollte sie auch darüber nachdenken, dass Familien einen garantierten, freien Tag brauchen. Auch Verkäuferinnen und Verkäufer haben das Recht auf einen gemeinsamen Ruhetag mit ihrer Familie oder Freunden. Wenn Rund-um-die-Uhr-Öffnungen zur Normalität werden, ist das nicht familienfreundlich. Gesprächsprotokolle: Matthias Dembski Fotos: Privat/ Matthias Dembski Durch die neue Ladenschlussgesetzgebung gibt es keine Aufweichung des Sonntags. In Bremen haben wir eine sehr überschaubare Anzahl von verkaufsoffenen Sonntagen. Wir dürfen auch nicht übersehen, www.kirche-bremen.de · bremer kirchenzeitung September 2007 9 Sonntags um 18 Uhr: Innenstadtkirchen laden zu besonderen Gottesdiensten ein Die Thomas-Messe Für Suchende und Zweifler Der Gospelgottesdienst Lebendig und spontan Zur Thomas-Messe in den St. Petri Dom? Oder doch zum Kulturgottesdienst mit Beatles-Songs in die Kulturkirche-St. Stephani? Vielleicht lieber richtig musikalisch-peppige und bunte Atmosphäre beim Gospelgottesdienst in der Neustädter Zions-Gemeinde schnuppern? Oder aber den ruhigeren, meditativen Gottesdienst zu Werken von Paula Modersohn-Becker in der Kirche Unser Lieben Frauen besuchen? – Die Entscheidung fällt nicht leicht, aber zum Glück ist jede Woche Sonntag und die besonderen Abendgottesdienste in den Innenstadtkirchen finden reihum statt. Jeden Monat gibt es eine Thomas-Messe, einen Kulturgottesdienst, einen meditativen Gottesdienst und einen Gospelgottesdienst. Wer möchte, kann sie alle reihum besuchen und dabei entdecken, wie einladend, vielfältig, bunt und kreativ, aber auch nachdenklich und mutmachend Gottesdienste sind. Sonntag ist Gottesdienst-Tag. 66 Gemeinden der Bremischen Evangelischen Kirche laden an diesem Tag zum Gottesdienst in ihre Kirchen ein. Die meisten Gottesdienste finden traditionell vormittags statt. Feierlich in schwarz und mit weißen Schals gekleidet tragen sie ihre Kerzen in den Dom hinein, der schon im Dämmerlicht liegt. Das Team der ökumenisch orientierten Thomas-Messe zieht in den St. Petri Dom ein, wo an jedem letzten Sonntag im Monat der Gottesdienst für Menschen auf der Suche stattfindet. Sein Namensgeber ist der Jünger Thomas, der auch der “Ungläubige” genannt wird, weil er nach der Auferstehung Jesu erst die Finger in dessen Wunden legen muss, ehe er an die Auferstehung glauben kann. Moderne Kirchentagslieder und Taizé-Gesänge bestimmen die Akkustik der Messe, die seit über zehn Jahren in Bremen eine feste Institution ist. Anfang der neunziger Jahre kam die Idee zu einem sinnlich-orientierten Gottesdienst mit vielen Ritualen aus Finnland zu uns. Ein Journalist und ehemaliger Pfarrer hatte diese Gottesdienstform für Menschen mit kirchenkritischem Bewusstsein entwickelt. Sinnliche Rituale wie die Segnung mit Salböl oder die Sündenvergebung mit der Reinwaschung der Hände spielen eine große Rolle in der ThomasMesse, die Zweifelnden oder frustrierten Kirchgängern eine neue Annäherung an Gott ermöglichen will. Die Thomas-Messe ist ein Team-Gottesdienst: Für die Verkündigung, die Gestaltung der thematischen Altäre und die Formulierung der Gebete sind von Mal zu Mal andere Team-Mitglieder zuständig. Jeden vierten Sonntag in der Zionsgemeinde, Kornstraße 31 in der Bremer Neustadt. "Ady & Zion Community Choir" sind seit nunmehr zehn Jahren in Bremen ein Begriff. Im Juli feierte der unter anderem mehrfach ausgezeichnete Chor sein Jubliäum mit einem großen Jubiläumskonzert am Café Sand. Bei den Zuhörern sorgt die besondere Mischung aus praktiziertem Glauben, echter Lebensfreude und musikalischer Professionalität immer wieder für Begeisterung. Bei allem Erfolg ist die Gospel-Gruppe stets ein Chor der Zionsgemeinde geblieben. Regelmäßig gestaltet er Gottesdienste mit, die mittlerweile zur festen Institution geworden sind. Jeden vierte Sonntagabend im Monat lädt die Gemeinde zum Gospelgottesdienst ein. Dabei sorgt nicht nur der Zion Community Choir für die richtigen, mitreißenden Töne, sondern auch befreundete Gastchöre mit Pop- und Gospelklängen. Und natürlich ist auch die Gemeinde zum Mitsingen eingeladen. Doch auch abends um 18 Uhr gibt es ein reichhaltiges Angebot thematischer Gottesdienste in den Innenstadtkirchen. Ein ausführlicher Flyer mit allen Terminen ist im Evangelischen Informationszentrum Kapitel 8 (Domsheide 8), im Dom, in der Kirche Unser Lieben Frauen und in der Kulturkirche St. Stephani erhältlich. Hier ein Überblick über die besonderen Gottesdienstangebote: Feste Bestandteile jeder Thomas-Messe: Das Abendmahl, aber auch die persönliche Segnung und die Möglichkeit zum seelsorgerlichen Gespräch in einer der Seitenkapellen des Doms. Während des Gottesdienstes bewegen sich die Besucher frei im Kirchraum und entscheiden selbst, welche Angebote sie wahrnehmen. “Bei der Sehnsucht ist nicht Endstation” Die nächste Thomas Messe findet am 30. September 2007 um 18 Uhr im St. Petri Dom zum Thema “Sehnsucht nach Gott” statt. Einsingen der Lieder – ab 17.30 Uhr. www.kirche-bremen.de www.thomasmesse-bremen.de www.stpetridom.de 10 bremer kirchenzeitung September 2007 · www.kirche-bremen.de Der Gottesdienst hat ein multikulturelles Gesicht und wird frei gestaltet. Einen festgelegten Ablauf gibt es nicht, die Prediger wechseln von Mal zu Mal – nicht nur Pastoren dürfen beim Gospelgottesdienst die Bibel auslegen. Feste Tradition nach dem Gottesdienst: Eine reich gedeckte Tafel mit netten Gästen und Gesprächen. Für das Mitbring-Büffet sorgen Chor, Gemeinde und die Gottesdienstbesucher selbst. Nächster Gospelgottesdienst: Erntedank, 30. September 2007 um 18 Uhr mit Pastor Renke Brahms und dem Cantus Iuvenis, einem Jugendchor der Kirchengemeinde Grohn. Adi & the Zion Community Choir sind das nächste Mal beim FreimarktGospelgottesdienst am 28. Oktober um 12 Uhr im Hansazelt zu hören. www.kirche-bremen.de Gottesdienstzeit! Der Kulturgottesdienst Von Günther Grass bis “Notting Hill” Beatles-Songs statt Gesangbuch-Liedern, Julia Roberts in “Notting Hill” als Thema eines Gottesdienstes? Unerwartete Begegnungen zwischen Kirche und Kultur erwarten die Besucherinnen und Besucher der Kulturgottesdienste in St. Stephani, der zum Jahresbeginn eröffneten Bremer Kulturkirche. So breit das Spektrum der Kulturkirche ist - so vielfältig sind die Kulturgottesdienste. Sie stellen Literatur, Musik, Filme, Malerei und darstellende Kunst in den Mittelpunkt. So vielfältig wie die Kunstformen sind auch die Gottesdienste. “Die Gestalt ändert sich mit dem Gegenstand”, beschreibt Kulturpastor LouisFerdinand von Zobeltitz die experimentelle Form. “Wir möchten Menschen ansprechen, die nicht unbedingt im normalen Sonntagsgottesdienst zu Hause sind.” Kultur und Kirche sind Schwestern – wie im richtigen Leben mit einem teils spannungsreichen Verhältnis, das stets lebendig ist. “Kunst gibt nicht das Sichtbare wieder, sondern macht sichtbar.” So hat es der Maler Paul Klee einmal formuliert. “An dieser Stelle trifft sie sich mit dem Glauben, der auch sichtbar machen will, was verborgen ist”, sagt Kulturpastor Louis-Ferdinand von Zobeltitz. Der Kultur, wie der Kirche gehe es darum, Tiefendimensionen des Lebens auszuleuchten. “Kultur hat eine prophetische Kraft, ist hoch sensibel für die Gegenwart und Zukunft.” Sie mit der biblischen Botschaft in Beziehung zu setzen, haben sich die monatlichen Kulturgottesdienste in St. Stephani zur Aufgabe gemacht. Innenstadtkirchen laden zu besonderen Abendgottesdiensten ein Der Meditationsgottesdienst Stille und Bildbetrachtungen “Wer mit dem herkömmlichen Gottesdienstablauf nicht so vertraut ist oder einfach keine Lust auf 20 Minuten Predigt hat, ist bei unserm Meditationsgottesdienst in der Kirche Unser Lieben Frauen richtig”, meint Pastor Peter Oßenkop. Der Meditationsgottesdienst findet in der Regel an jedem zweiten Sonntag im Monat im Chorraum der Kirche statt. Eine längere Meditations- und Stillephase steht im Mittelpunkt des Gottesdienstes. Als “Impulsgeber” dient ein Bibelwort, Symbol oder – wie im jetzigen Winterhalbjahr – ein Bild. Porträts von Paula Modersohn-Becker geben die Anregung, eigene Lebenserfahrungen auf das gezeigte Bild zu beziehen. Übungen zur Körperwahrnehmung, einfache Taizégesänge oder Kanons ohne Instrumentalbegleitung, Freiraum zum Bewegen im Kirchraum und ein als Rückenstärkung im wörtlichen Sinne erfahrbarer Schluss-Segen prägen den Meditationsgottesdienst in der Kirche Unser Lieben Frauen. www.unser-lieben-frauen.de www.kirche-bremen.de Am 21. Oktober um 18 Uhr findet der nächste Kulturgottesdienst mit und zu Texten von Günther Grass statt. Am 18. November steht Dvoraks Messe in D-Dur im Mittelpunkt und am 16. Dezember geht es um das Geheimnis der Würde in der Liebeskomödie “Notting Hill”. www.kulturkirche-bremen.de www.kirche-bremen.de Text: Matthias Dembski / Fotos: Hanni Steiner, Roland Schiffler, Matthias Dembski www.kirche-bremen.de · bremer kirchenzeitung September 2007 11 Immer wieder sonntags „Schreib doch mal was über Gottesdienste.“ „Ja, ok. Und was?“ „Was das ist. Was suchen Menschen da. Warum gehen sie in die Kirche. Was bringt ihnen das, und so.“ Und so ist gut. Da sitze ich nun. Und weiß nicht, wo ich anfangen soll. Sicher, als Pastorin bin ich automatisch Gottesdienst-Expertin. Es ist meine Aufgabe, Got-tesdienst zu „halten“. Was für ein schreckliches Wort eigentlich. Ein kluger Mensch hat mal gesagt: Nicht ein Pastor hält, sondern die Gemeinde feiert Gottesdienst. Aber ich schweife ab. Ich merke, das ist keine Frage, die ich ganz allgemein be-antworten kann. Es geht auch darum, was Gottesdienst feiern für mich persönlich bedeutet. Was das heißt, im Gottesdienst „gehalten“ zu sein. Ob ich vorne stehe oder in der Kirchenbank sitze. Warum der Gottesdienst am Sonntag gut tut Welt Gottes-dienst gefeiert. Es wird gesungen, aus der Bibel gelesen, das Vaterunser gespro-chen. Unabhängig von ihrer sozialen Herkunft kommen Menschen zusammen. Ü-berall auf der Welt. Wo gibt es so etwas sonst noch? Es tut gut, innezuhalten. „Ein jegliches hat seine Zeit, und alles Vorhaben unter dem Himmel hat seine Stunde.“ Prediger Salomo Kapitel 3, Vers 1 Drei Gedanken sind mir wichtig. Es tut gut, Teil einer Gemeinschaft zu sein. „Wo zwei oder drei versammelt sind in meinem Namen, da bin ich mitten unter ihnen.“ Matthäusevangelium Kapitel 18, Vers 19 Die Gottesdienst-Gemeinde ist jeden Sonntag eine neue, einmalige Zusammen-stellung von unterschiedlichen Menschen. In der Kirche sitzen dann die nebenein-ander, die sich im Alltag nicht unbedingt begegnen. Die Dame aus dem Senioren-kreis sitzt neben der Konfirmandin, die heute mit ihrer Mutter gekommen ist. Der Tourist aus Japan sitzt neben der Studentin, die im Kindergottesdienst mitarbeitet. Und der Rechtsanwalt, der sich Kirchenvorstand engagiert, sitzt neben der Fami-lie, deren Großmutter in dieser Woche beerdigt wurde. Im Gottesdienst ist Platz für alle. Und diese Gemeinschaft geht dann auch über die Gemeinde vor Ort hinaus. Mich berührt diese Vorstellung: Sonntags morgens wird auf der ganzen 12 Jeder Mensch braucht den Wechsel von Arbeit und Ruhe. Nicht zufällig haben sich in nahezu allen Kulturkreisen vergleichbar zusammengesetzte Zeiteinheiten entwi-ckelt Dabei entspringt unser Sieben-Tage-Rhythmus ursprünglich keinen astrologischen oder kosmischen Berechnungen. Es ist vermutlich nur die Jahrhunderte lange Erfahrung: Ruhe ist nötig! Neben der Arbeit braucht der Mensch eine über-geordnete feste Struktur, die das soziale und wirtschaftliche Leben regelt. Juden-tum, Islam und Christentum teilen das Wissen von der Wichtigkeit des religiösen Momentes der Ruhe in einer Woche. An einem Tag geht es nicht um die Schule, die Arbeit, den Stress. Es ist Zeit, den Gang raus zu nehmen. Zeit für ein Familien-Mittagessen, einen gemeinsamen Ausflug, den Besuch von Freunden. Aber eben auch Zeit für sich und Gott. Es tut gut, über sich hinaus zu denken. bremer kirchenzeitung September 2007 · www.kirche-bremen.de „Von allen Seiten umgibst du mich und hältst deine Hand über mir.“ Psalm 139, Vers 5 Das Wort „Demut“ ist aus der Mode gekommen. In unserer Zeit der Individualisie-rung hat neben der religiösen auch die soziale Komponente der Demut an Bedeu-tung gewonnen. Im Gottesdienst wird für mich ein Raum aufgeschlossen, in dem ich von mir selbst absehen kann. Ich kann Kontrolle abgeben, ohne dass ich Angst haben muss, verletzt zu werden. Es ist Raum für Gedanken und Gefühle, für die im Alltag kein Platz ist. Einfinden kann ich mich in einer Wirklichkeit, die größer ist als ich selbst. Ich bin ein Teil von ihr, aber eben nur ein kleiner Teil. Und diese soziale Dimension der Demut hilft dann auch, sich im Alltag nicht zu wichtig neh-men. Gottesdienst feiern hat immer zwei Richtungen, von denen die eine nicht ohne die andere sein kann. Im Gottesdienst feiern Menschen Gott. Aber jeder Gottesdienst ist auch eine Feier Gottes für die Menschen, die sich in seinem Namen versam-meln. Das ist ja alles schön und gut, werden nun manche sagen. Aber warum soll ich denn überhaupt in die Kirche gehen? Und was ist mit den ganzen negativen Er-fahrungen? Den Kirchenaustritten? Den entsetzlich langweiligen Predigten? Den alten Formen, in denen es manchmal schwer ist, sich zu Hause zu fühlen? Ich habe auch schon in langweiligen Gottesdiensten gesessen, keine Frage. Aber für mich gibt trotzdem immer irgendetwas, wo ich hinterher sage: Gut, dass ich gekommen bin. Das kann alles Mögliche sein. Der Klang der Orgel, ein Moment der Ruhe, ein neuer Gedanke, der mich in den Alltag begleitet. Es mag Menschen geben, die ohne Gottesdienste gut leben können. Ich gehöre nicht dazu. Mir tut die Gemeinschaft gut. Ich brauche die Unterbrechung meines Alltags. Und ich erfahre im Gottesdienst den Halt, den ich für mein Leben brau-che. Christine Sprenger, Pastorin in der St. Petri Domgemeinde und in der Friedensgemeinde Und Gott segnete den siebenten Tag und heiligte ihn, weil er an ihm ruhte von allen seinen Werken, Am siebten Tag die Gott geschaffen und gemacht hatte. Aus der biblischen Schöpfungsgeschichte, 1. Buch Mose, Kapitel 2, Vers 2. www.kirche-bremen.de · bremer kirchenzeitung September 2007 13 Rendite mit Moral Wie Oikokredit erfolgreich in Menschen und Gerechtigkeit investiert “Beim Geld hört die Moral auf” – lautet eine verbreitete Volksweisheit. Wer sein Vermögen anlegt, achtet auf guten Ertrag. Doch wo und wie das Geld angelegt wird, spielt nur selten eine Rolle. Dennoch gibt es in der von Börsen-Hypes geprägten Anlagewelt auch gegenläufige Trends: Geld soll zwar sicher und mit gutem Ertrag angelegt werden, aber für moralisch vertretbare Zwecke. Frieden, Menschenrechte, Entwicklungschancen, Armutsbekämpfung und Umweltschutz sind wichtige Kriterien, an denen sich die ethische Verträglichkeit einer Geldanlage messen lässt. Eine alternative Anlageform ist in diesem Jahr sogar mit dem Friedensnobelpreis ausgezeichnet worden: Der Wirtschaftsprofessor Muhammad Yunus aus Bangladesh und die von ihm gegründete Grameen Bank erhielten die Auszeichnung für die Vergabe von Mikrokrediten. Die ermöglichen vor allem mittellosen Kleinbauern den Aufbau einer selbständigen Existenz. “Spenden machen müde, Kredite fördern die Eigeninitiative”, lautet sein Grundsatz. Weltweit Brücken bauen Die internationale ökumenische Entwicklungsgenossenschaft Oikocredit verfolgt seit 1975 die selbe Idee: Sie vergibt Darlehen zu fairen Konditionen und mit langen Laufzeiten an Kooperationspartner in den sogenannten Entwicklungsländern Afrikas, Asiens, Lateinamerikas und Mittel- und Osteuropas. “Darlehen sind ein Anreiz, auf wirtschaftliche Produktivität zu achten”, betont Bodo Grotheer, stellvertretender Vorsitzender des Oikocredit-Förderkreises NiedersachenBremen. Oikokredit arbeitet mit den Darlehensnehmern auf Augenhöhe und Vertrauensbasis zusammen. Sie sind Geschäftspartner, keine Almosenempfänger. Der Name der Genossenschaft geht auf das "soziale Evangelium" des Ökumenischen Rates der Kirchen zurück und ist Programm: “Oikos” steht für das Haus, die weltweite Gemeinschaft. “Credit” bezieht sich nicht nur auf die Darlehensvergabe, sondern leitet sich auch vom Lateinischen “credere”, dem Glauben ab. Ob ein Projekt kreditwürdig ist, hängt bei Oikocredit nicht an banküblichen Sicherheiten. Mitarbeiter vor Ort im Partberland beurteilen aufgrund ihrer Ortkenntnisse über Kultur, Wirtschaft und Gesellschaft, ob Geschäftsideen tragfähig sind. Sie kennen Kultur, Lebensumstände und die wirtschaftliche Situation ihres Landes am besten. Kleinkredite für Frauen in Ghana Millicent Botsio vom Ökumenischen Zentrum Oldenburg, selbst aus Ghana gebürtig, war kürzlich selbst für Oikocredit in ihrer Heimat in der Küstenstadt Winneba. “Das Leben auf dem Land ist hart, deshalb flüchten viele Menschen in die Städte”, berichtet sie. Doch dort fehlt vielen ebenfalls die wirtschaftliche Lebensgrundlage. “Frauen versuchen sich im ‘Businness’, treiben Handel. Damit sie ein einfaches Ladengeschäft zum Beispiel für gebackene Maisbälle oder Maniokund Reis-Verkauf aufbauen und Waren einkaufen können, brauchen sie Kredite. Bei normalen Banken haben sie aber keine Chancen, weil ihnen die Sicherheiten fehlen.” Die “Business”-Frauen bilden eine gemeinsam haftende Genossenschaft, die wiederum von Oikocredit einen Kredit erhält. So können sie mehr Vorräte einkaufen und ihren Verkauf ausbauen. Die Händlerinnen in der Solidargemeinschaft kennen sich untereinander, so dass die Rückzahlungsquote bei 95 bis 98 Prozent liegt. Die Kreditsummen sind für deutsche Verhältnisse oft gering, sehr effektiv. So genügen 180 Euro, um eine Maisball-Bäckerei mit Herd und Töpfen auszustatten – und schon ist die Existenz einer Frau und ihrer Kinder gesichert. Marktstand in der ghanaischen Küstenstadt Winneba: Kleine Kredite helfen, tragfähige Existenzen aufzubauen. haben, sind weniger als zehn Prozent abgeschriebenen Forderungen, also nicht zurückgezahlte Kredite, sehr gering. Eingerechnet sind dabei Ausfälle durch Naturkatastrophen und politische Unruhen.” Die Dividende für die Anleger lag in den letzten Jahren in der Regel bei zwei Prozent. Nicht viel, doch um Darlehen zu bezahlbaren Zinssätzen vergeben und auch überdurchschnittlich riskante Projekte finanzieren zu können, hält die Genossenschaft die Dividende bewusst niedrig. Im Vordergrund steht der soziale Gewinn, der nachhaltig durch sinnvolle Beschäftigung geschaffen wird. “Bei Oikokredit wird kein Geld verbrannt oder in ein Faß ohne Boden investiert”, betonen Bodo Grotheer und Jürgen Stein, Bremer Vorstandsmitglieder im Oikocredit-Förderkreis Niedersachsen-Bremen. “Die Genossenschaft informiert regelmnäßig und ausführlich über die Projekte, es gibt transparente Jahresabrechnungen, die auch den Weg des Geldes nachvollziehbar machen.” Bei den Mitgliederversammlungen berichten regelmäßig Referenten, die vor Ort die Projekte in Augenschein genommen haben. Oikocredit-Anteile ab 200 Euro In Niedersachsen und Bremen haben derzeit 650 Mitglieder insgesamt 4,5 Millionen Euro der Genossenschaft anvertraut. 276 Millionen Euro betrug das weltweite Darlehenskapital Ende 2006. Mit über einer Viertel Milliarde Euro ist Oikokredit eine der gößten Organisationen, die Darlehen in der Dritten Welt oder ehemaligen Ostblockländern vergibt. Mit 200 Euro ist man bei Oikokredit dabei. Soviel kostet ein Anteil, den der Anleger jedoch nicht direkt bei der Oikokredit-Zentrale im niederländischen Amersfoort erwirbt, sondern den ein so genannter Förderkreis für ihn treuhänderisch hält und verwaltet. Über den Förderkreis, in dem Einzelanleger Mitglied werden, fließt auch die Dividende zurück zum Anleger. Wer sein Geld für andere Zwecke zurück haben möchte, kann seine Anteile jederzeit mit einer Frist von etwa sechs Monaten kündigen. Aber die Anlage bei Oikocredit wird meist längerfristig getätigt – mit nachhaltigem Erfolg für das gute Gewissen und einer respektablen Rendite für die Anleger, vor allem aber wachsender Selbständigkeit und Entwicklungschancen für die Kreditnehmer. Text: Matthias Dembski / Foto: Millicent Botsio Hohe Zuverlässigkeit der Kreditnehmer “Arme sind verlässliche Geschäftspartner mit guter Rückzahlungsmoral”, meint Dr. Jürgen Stein vom Diakonischen Werk Bremen, selbst bei Oikocredit Bremen-Niedersachsen im Vorstand aktiv. “Wenn man bedenkt, was Anleger bei der Telekom-Aktie verloren ANZEIGE Tielitz, 2 Spalten (146 mm) breit x 30 mm hoch, 4c Oikocredit Kontakt in Bremen: Dr. Jürgen Stein, Diakonisches Werk Telefon 0421/0421/163 84-16 [email protected] Bodo Grotheer (2. Vorsitzender des Förderkreises Niedersachsen-Bremen) Telefon 0421/ 396 61 72 [email protected] [email protected] www.oikocredit.org 14 bremer kirchenzeitung September 2007 · www.kirche-bremen.de Neuer Second-HandLaden der Diakonie Tante Emma in Hemelingen Ja, „Pro Shop“ ist ein Laden, in dem günstig gebrauchte Kleidung, Haushaltsmaterialien, Bücher oder VideoKassetten gekauft werden können. Aber nicht nur. Denn „Pro Shop“ ist auch ein lebendiger Treffpunkt in einem siechenden Stadtteil und bietet zudem zehn Frauen, die hier über so genannte Ein-Euro-Jobs beschäftigt werden, eine gewisse berufliche Perspektive. Frauen, die ansonsten kaum eine Chance auf Vermittlung hätten. Eine weitere Besonderheit: Die hier angebotenen Waren des täglichen Gebrauchs wurden nicht eingekauft oder in Zahlung genommen, sondern sind allesamt Spenden. Diese werden sortiert, repariert, gereinigt oder gebügelt. Schließlich soll alles tiptop auf den Bügeln hängen und in den Rega- len stehen. Nach Auskunft von Susanne Quest, die als Sozialpädagogin, das Ladenprojekt betreut, und ihrem Kollegen Jürgen Mades orientiert sich der Secondhand Laden von ProJob am Gemeinwesenkonzept und stellt eine Bereicherung für einen Stadtteil dar, der nicht gerade auf der Sonnenseite Bremens liegt. In der unmittelbaren Nachbarschaft sind bereits viele Geschäfte geschlossen worden. Einkaufen und auf’n Kaffee Neben dem Einkauf nutzen viele Besucher den Laden gern, um einen kleinen Klönschnack zu halten, erzählt Mades. Birgitt Schaidl (49) und Dilan Sen (29) geben ihm Recht. Gerade erst haben sie einem Kunden einen Kaffee angeboten. Die beiden Frauen sind zwei der zehn, die hier von Montag bis Freitag jeweils von 8 bis 18 Uhr den Laden schmeißen. Eine gute Sache, wie sie beide befinden. Ihnen gefällt besonders, wie abwechslungsreich ihre Aufgaben hier sind. Denn sie stehen nicht nur im Verkauf, sondern arbeiten eben auch die gespendeten Kleidungsstücke und Haushaltsgeräte mit auf. Waschen, Nähen, Bügeln gehören ebenso zum Job im „Pro Shop“ wie der Umgang mit Kunden, Dekoration des Ladens, Marketing und Abrechnung. So die sozialpädagogische Idee, die nach Auskunft Quests darauf abzielt, eine arbeitsmarktnahe Beschäftigung auf niedrigem Leistungsniveau anzubieten. Eine Beschäftigung, die zudem auch noch Spaß bringt. Lernen durch Praxis Quest und Mades richten zudem ein besonderes Augenmerk auf jeweils individuelle Entwicklungskonzepte, bei den beschäftigten Frauen. “Diese werden auf ihrem Weg zur individuellen Stabilisierung und Integration begleitet.” Die persönliche Begleitung wird durch tägliche Teambesprechungen ergänzt. Der Vermittlung von Grundfähigkeiten, wie deutsche Sprache, Teamarbeit, Zuverlässigkeit und angemessener Umgang mit Kunden nimmt für Quest und Mades einen besonderen Stellenwert ein. Und ganz nebenher erfolgt eine Einarbeitung in die Grundkenntnisse des Einzelhandels sowie Unterricht in Deutsch, Mathematik und "Alltagswissen". Umgang mit Arbeitsmitteln, Materialien und Hygiene runden das pädagogischen Konzept des Ladens ab. Nachschub ist stets gefragt Dabei soll aber natürlich nicht der vordergründige Zweck des Pro Shops vergessen werden, nämlich das Einwerben von Spenden und deren Verkauf im Laden an der Hemelinger Bahnhofstraße. Obwohl sich an den Kleiderständern Bluse an Bluse drängt, Morgenmäntel in verwegenem Retro-Look zu finden sind und sich auf den Regalen diverse Haushaltsgeräte stapeln, herrscht immer Bedarf an Nachschub. „Da die Kleidung meist antizyklisch hereinkommt, entstehen immer wieder Engpässe“, sagt Mades. Antizyklisch? „Ja, Sie müssen sich das so vorstellen. Jetzt kommt die neue Herbstmode und die Leute misten ihre Kleiderschränke aus und bringen uns ihre Sommermode, um für die aktuellen Sachen Platz zu schaffen.“ Nur dass Pro Shop jetzt selbst eher Herbst- und Winterkleidung bräuchte. Besonders mangele es an Winterklamotten für Kinder, ergänzt Susanne Quest. Aber auch an Männerbekleidung herrsche noch ziemlicher Bedarf. Aber: Bitte vorher kurz durchrufen, bittet Quest. “Die Mitarbeiter können so konkret Auskunft geben, was gerade benötigt wird.” Text & Fotos: Ingo Hartel Pro Shop Beerdigungsinstitut am Riensberg, 2sp (146 mm) breit x 85 mm hoch, 4C Der Secondhand-Laden von ProJob Hemelinger Bahnhofstraße 1, 28309 Bremen Ansprechpartnerin: Susanne Quest Telefon 0421 / 460 52 70 [email protected] Öffnungszeiten: Montag bis Freitag 8 bis 18 Uhr Gute Anbindung an den öffentlichen Personennahverkehr, DB-Regionalbahn, Straßenbahn Linien 2 und 10, Bus Linien 21, 38 und 41. www.projob-bremen.de www.kirche-bremen.de · bremer kirchenzeitung September 2007 15 0800 111 0 111 – Notruf Ein Anruf bei der Bremer Telefonseelsorge (TS) kurz vor Mitternacht. Das ist die Zeit, in der jene anrufen, die nicht in den Schlaf kommen. Die Anruferin nennt keinen Namen. Das tun die meisten Menschen nicht, die das täglich rund um die Uhr besetzte Krisentelefon anwählen. Zwei Menschen begegnen sich mitten in der Nacht am Telefon, ohne sich zu kennen: “Ich kann nicht mehr.” Die Frau am anderen Leitungsende stockt mehrmals. “Ich weiß nicht mehr weiter. Das wächst mir hier alles total über den Kopf. Mein Vater ist seit einem Jahr ein Pflegefall und total verwirrt. Von meinen Geschwistern bekomme ich überhaupt keine Unterstützung und mein Mann hilft mir auch nicht. Aber der muss viel Nachtschicht arbeiten, damit wir endlich die Schulden vom Haus abzahlen können. Dann kommt er total kaputt nach Hause und mit ihm ist nicht zu reden. Ich brauche aber jemanden, der mal zuhört, was mir alles auf der Seele liegt...” – So ähnlich könnte ein Anruf bei der Telefonseelsorge beginnen. Jeder, der dort Hilfe sucht, bleibt anonym – das gilt auch für die Mitarbeitenden der Beratungseinrichtung. Deshalb berichten sie auch nie über Inhalt oder Verlauf ihrer Gespräche. Schließlich geht es oft um existenzielle Lebensfragen. Wer die TS anruft, befindet sich oft in einer akuten Krisensituation: Die Ehe steht vor dem Aus, ein Schuldenberg erdrückt die Familie, der Freund ist abgehauen, der Vater wird den Kindern gegenüber handgreiflich, der Pflegefall zu Hause wächst den Angehörigen über den Kopf, die Freundin trinkt plötzlich regelmäßig tagsüber Alkohol, um ihren Kummer wegzuspülen, der Partner ist plötzlich bei einem Unfall ums Leben gekommen und das Leben ohne ihn scheint sinnlos, die Bekannte ist nach langem Bangen und Hoffen doch an Krebs gestorben. Oft drückt nicht nur irgendwo der Schuh, sondern die psychische Not hat sich aufgestaut. Doch wem können Betroffene davon erzählen? Über persönliche Probleme zu reden erzeugt oft Scham oder Angst, manchmal fehlt auch ein vertrauenswürdiger Zuhörer. Wer die Telefonseelsorge anruft, findet immer ein offenes Ohr – und absolute Verschwiegenheit. “Wir möchten Menschen in schwierigen Situationen annehmen, für sie da sein, mit ihnen die Gedanken ordnen und sie ermutigen. Das ist oft so, als versuchten wir, eine kleine Kerze am Ende des dunklen Tunnels zu entzünden”, erklärt ein erfahrener Telefonseelsorger. 22.000 Hilferufe jährlich Seit 1963 ist die von der Bremischen Evangelischen Kirche getragene Telefonseelsorge in der Hansestadt aktiv und gehörte damals zu den Pionieren der Beratungsarbeit per Telefonhörer. 1956 wurde die erste deutsche TS in Berlin gegründet. Die Bremer Einrichtung ist heute eine von bundesweit 105 Stellen. Rund um die Uhr ist die Zentrale besetzt, die jährlich 22.000 Mal kostenlos angerufen wird. Tendenz steigend: “Der Bedarf an Gesprächen steigt von Jahr zu Jahr”, berichtet Pastor Dr. Frank Austermann, Leiter der Bremer TS. Die Schwelle sei niedriger geworden, ein Krisentelefon in Anspruch zu nehmen. “Auffallend zugenommen haben wirtschaftliche, soziale und finanzielle Notlagen bei den Anrufern. Hartz IV wirkt sich indirekt auch auf die Telefonseelsorge aus.” 16 Ehrenamtliche Telefonseelsorger lernen, Menschen in Krisen beizustehen Zunehmend riefen auch ältere, vereinsamte Menschen an. “Früher wurde man so erzogen, nicht zu klagen. Das ändert sich. Auch Ältere lernen, zu klagen und sich dadurch zu entlasten.” Damit die Telefonseelsorge arbeitsfähig ist, reicht das kleine Team der Hauptamtlichen längst nicht aus. Sie bilden vor allem Ehrenamtliche aus und begleiten sie. Doch um die permanente telefonische Erreichbarkeit zu gewährleisten, ist das Engagement der über 60 Freiwilligen unerlässlich. Von der Studentin bis zum Pensionär sind alle Alters- und Berufsgruppen vertreten. Je mehr Ohren sich den Dienst am Telefon teilen, desto besser. “Wir freuen uns immer über neue Freiwillige. In der Regel startet zweimal jährlich ein neuer Ausbildungskurs ”, erklärt Frank Austermann. Denn wer bei der TS den Hörer abnimmt, hat eine einjährige, intensive Ausbildung hinter sich. “Wer sich qualifizieren lässt, verpflichtet sich zugleich, mindestens für zwei weitere Jahre bei der Telefonseelsorge mitzuarbeiten”, erläutert der Leiter der Einrichtung. Die vielfältige, attraktive Ausbildung gibt es dafür kostenfrei. In der späteren Praxis liegt der Zeitaufwand für die Ehrenamtlichen bei monatlich 15 Stunden, davon 12 Stunden am Telefon. Wer möchte, kann sich darüber hinaus laufend fortbilden. Um bei der TS mitarbeiten zu können, braucht es Stabilität, Belastbarkeit, Sensibilität und Einfühlungsvermögen, Offenheit, ein gutes Gefühl für eigene Stärken und Schwächen, Interesse an anderen Menschen und auch eine Portion Mut. “Telefonseelsorger sollten eigene Gefühle zulassen, aber sich selbst auch zurücknehmen können”, erklärt bremer kirchenzeitung September 2007 · www.kirche-bremen.de eine Ausbilderin. “Nicht ich als Telefonseelsorger stehe im Mittelpunkt des Geschehens, sondern der Anrufer”, beschreibt ein Ehrenamtlicher. “Unaufgeräumte Schubladen” sortieren Die TS-Mitarbeiter sind mehr als gute und intensive Zuhörer. Sie lernen, mit dem Anrufer zu klären, welches Problem wirklich anliegt, was ihm gut tut und welche eigenen Kräfte trotz aller Verzweifelung doch vorhanden sind, um neue Lebensperspektiven zu gewinnen. “Wir öffnen für jeden Menschen unabhängig von Konfession oder Religion Freiräume durch Zuhören und Mitgehen.” Dabei verstehen sich die ehrenamtlichen Seelsorgerinnen als Begleiter auf Augenhöhe. Das gehört für die Mitarbeitenden zum christlichen Menschenbild. “Ratschläge, Patentrezepte oder Kopf-Hoch-Parolen wären eine Anmaßung. Wir kitzeln nichts heraus, sondern lauschen die Probleme eher ab”, beschreibt ein langjähriger Ehrenamtlicher. “Gemeinsam mit dem Anrufer suchen wir danach, was entlastet und stabilisiert.” Wenn am anderen Leitungsende jemand intensiv dabei ist und Gefühle mit aushält, spüren viele Anrufer bereits eine Entlastung. Manche Gespräche erinnern an das Sortieren einer unaufgeräumten Schublade. “Wer endlich ausspricht, was ihn belastet, ordnet seine Probleme. Vielen bringt es Erleichterung, wenn wir stellvertretend das richtige Wort aussprechen und die Dinge beim Namen nennen.” Durch behutsame Fragen der Telefonseelsorger für die Seele Telefonseelsorge Nächster Ausbildungsbeginn: Frühestens Mitte Januar 2008 Bewerbungen für die Ausbildung und spätere ehrenamtliche Mitarbeit sind ab sofort und jederzeit möglich. Kontakt & Infotelefon für Interessenten: Pastor Dr. Frank Austermann 0421/ 32 16 18 (mit Anrufbeantworter) [email protected] Telefonseelsorge Bremen Postfach 10 69 29 28069 Bremen Bundesweite, kostenfreie, 24 Stunden besetzte und anonyme Krisentelefonnummer der Telefonseelsorge: 0800-1110111 . 0800-1110222 www.telefonseelsorge.de www.kirche-bremen.de entdecken Anrufer im Idealfall plötzlich bislang verborgene Perspektiven. “Das ist wie das Leuchten mit der Taschenlampe auf bestimmte dunkle Stellen. Wir verbinden die Anrufer neu mit ihren eigenen Stärken und Kräften.” Auch Seelsorger müssen Kräfte stärken Die Gespräche sind mitunter anstrengend und belastend, schließlich wird die Telefonseelsorge meist von Menschen angerufen, die sich am Ende ihrer Kräfte und Möglichkeiten fühlen. Wer sich am Telefon die Sorgen, Nöte, Ängste und Probleme Anderer anhört, braucht selbst ein Ventil und einen Ort, wo die Erfahrungen verarbeitet werden können. Dazu besuchen alle TS-Mitarbeitenden zweimal monatlich eine Supervisionsgruppe, in der besondere Problemfälle und Belastungen aus den Telefonaten aufgearbeitet werden. Der Austausch in der Supervisionsgruppe unterliegt ebenfalls der Schweigepflicht, so dass Inhalte von Telefonaten niemals nach Draußen gelangen. “Wir haben eine tolle Kollegialität”, loben die ehrenamtlichen Seelsorger durchweg die Atmosphäre. Bei gemeinsamen Festen, Fortbildungen und in der Supervision entsteht ein fester Team-Zusammenhalt. “Die Gespräche am Telefon sind aber keinesfalls nur dramatisch und beschwerlich. Wir bekommen von den Anrufern unendlich viel an Lebenserfahrung zurück”, betonen TS-Ehrenamtliche immer wieder. “Wenn ein Gespräch gelingt und die Situation verändert, kommen sich Anrufer und Seelsorger menschlich sehr nahe.” Sie erlebe echte Sternstunden, wenn ein Gespräch gelinge, meint eine Ehrenamtliche. “Diese Arbeit macht für mich selbst und für die Gesellschaft Sinn”, formuliert ihr Kollege. “Mitmenschlichkeit, wie wir sie hier zu leben versuchen, weitet auch den eigenen Horizont.” Selbsterfahrung in der Ausbildung Wer sich für eine Arbeit bei der Telefonseelsorge entscheidet, nimmt zunächst einmal wöchentlich für anderthalb Stunden an einer Ausbildungsgruppe teil. Statt Literaturlisten und theoretischem Lernen mit Stift und Block steht Selbsterfahrung im Mittelpunkt: Wie nehme ich mich selbst und andere wahr? Welche Erlebnisse hatte ich in eigenen Lebenskrisen? Was macht mich wütend, traurig oder fröhlich und wodurch werden diese Gefühle bei mir ausgelöst? Und wo liegen meine Stärken und Grenzen? Diese Fragen und Erfahrungen werden in der Ausbildungsgruppe intensiv ausgetauscht und diskutiert. “Die Ausbildung arbeitet stark gruppenbezogen, damit Teilnehmende gegenseitig ihre Wirkung auf Andere erfahren”, betont Pastor Frank Austermann. Sich in andere einzufühlen und Vertrauen aufzubauen lernen künftige TS-Mitarbeiter vor allem über Selbsterfahrung und Rollenspiele. In einer zweiten Trainingsphase steht die Gesprächsführung im Mittelpunkt. Dabei üben die künftigen TS-Mitarbeiter im Rollenspiel, auf bestimmte Anliegen zu reagieren. Am konkreten Fall wird erprobt, wie man einen guten Kontakt aufbaut, ein Gespräch beendet und sich von bestimmten Anliegen der Anrufer abgrenzt. “Die Auszubildenden lernen, wo ihre eigenen Grenzen sind und wie sie sich wahren lassen”, betont Frank Austermann. Im Schlussteil der Ausbildung lernen die künftigen TS-Mitarbeitenden in Übungstelefonaten, wie sie mit Menschen in schwierigen Lebenssituationen sprechen können: Wie gehe ich mit Suchtkranken, Depressiven, Selbstmordgefährdeten, Trauernden oder psychisch Kranken um? Dabei lernen sie Hintergründe bestimmter Problemstellungen und Krankheiten kennen. Auch in diesen Ausbildungsabschnitt haben eigene Vorerfahrungen der Teilnehmenden ihren Platz. Weitere kompetente Hilfen vermitteln Ein Gespräch mit der Telefonseelsorge ist eine akute Soforthilfe, schafft für die Anrufer neue Perspektiven und entlastet sie von Sorgen und Problemen, weil jemand mit Zeit und Ruhe zuhört. Patentantworten und abschließende Lösungen kann und will die TS nicht liefern. Aber sie vermittelt an die richtigen Adressen weiter. Ob es um Verschuldung, Sucht oder Partnerschaftsprobleme geht – das dichte Beratungsnetzwerk von Diakonie und Kirche in Bremen, aber auch außerkirchliche Beratungs-, Therapie- und Selbsthilfeinstitutionen geben weitere praktische Informationen und Hilfestellungen. Damit auch nach dem Telefonat niemand mit seinen Problemen allein bleibt. Text: Matthias Dembski Illustration: Wibke Murke www.kirche-bremen.de · bremer kirchenzeitung September 2007 17 Purer Klang zum ersten Mal in die Hand genommen. Gemeinsam mit sechs Mitstreiterinnen und Mitstreitern zwischen neun und 47 Jahren sitzt sie nun in der “Jungbläserrunde” im Wasserhorster Gemeindehaus. Posaunenarbeit hat in der kleinen Gemeinde Tradition. “In den letzten vier Jahren ist die Anziehungskraft deutlich gewachsen”, erzählt Landesposaunenwart Rüdiger Hille, der an diesem Abend die neuen Bläser besucht. Im Wasserhorster Posaunenchor spielen derzeit 23 Bläser mit – bei 318 Gemeindemitgliedern der idyllischen Landgemeinde im Blockland eine stolze Größe. Posaunenchorarbeit verbindet Alt und Jung gehen, soll die Teilnahme für niemanden scheitern, weil zu Hause die finanziellen Mittel fehlen. Viel Geld ist also nötig, das der Etat des von der Bremischen Evangelischen Kirche finanzierten Posaunenwerkes nicht hergibt. “Auch in den Gemeinden werden die Mittel knapper, deshalb haben wir bereits vor zehn Jahren einen Förderverein gegründet”, erklärt Rüdiger Hille. Der sammelt nicht nur Geld, sondern organisiert auch Veranstaltungen und führt Bläser zusammen. Zum Jubliäum findet ein großes Bläserkonzert im Bremer Dom statt. Text & Fotos: Matthias Dembski Draußen liegt der herbstliche Duft frisch geernteter Rüben in der Luft. Drinnen versucht sich Julia gerade an ihren ersten Trompetentönen. Erst vor einer Woche hat die Neunjährige das Blechblasinstrument Rund 600 Bläserinnen und Bläser sind insgesamt in den 42 evangelischen Chören Bremens aktiv. Die Bläsermusik verbindet oftmals Generationen. “Bei uns spielen alle zwischen acht und 80 mit”, sagt Landesposaunenwart Rüdiger Hille. “Manchmal sind ganze Familien dabei.” So auch bei Friederike (14) und Andrea (43) in Wasserhorst. Als die Tochter sich entschied, Trompete zu lernen, stieg ihre Mutter gleich mit ein und erfüllte sich damit einen langgehegten Wunsch. Andrea hat sich für die tiefere Tuba ausgewählt. Die Arbeit der Posauenchöre ruht auf vielen ehrenamtlichen Schultern. Edith Katenkamp bringt seit über 30 Jahren Jungbläsern die richtigen Töne bei. So wie die Verantwortliche für die Nachwuchsarbeit in Wasserhorst und der dortige Chorleiter Holger Schumacher engagieren sich viele im Evangelischen Posaunenwerk. Die Bläserausbildung ist kostenlos, in den meisten Fällen werden auch Instrumente und Noten leihweise unentgeltlich zu Verfügung gestellt. 500 Euro kostet eine vernünftige Trompete, rund 1000 Euro eine Posaune für den Chorgebrauch. Hinzu kommen Kosten für Seminare und Chorleiterschulungen. Wenn Jungbläser auf Chorfahrt Anzeige: 2sp (146 mm) breit x 45 mm hoch, HKS57, Grabmalbetriebe Werth. 18 bremer kirchenzeitung September 2007 · www.kirche-bremen.de Posaunenwerk Konzert zum 10-jährigen Jubiläum des Fördervereins Unter dem Motto „Alles Ding währt seine Zeit“ musizieren zahlreiche Bläserinnen und Bläsern aus ganz Bremen: 14. Oktober ab 17 Uhr im St. Petri-Dom Bläservesper zum Reformationsfest in der Wasserhorster Kirche 31. Oktober, 19.30 Uhr Kontakt und Informationen zu Nachwuchsarbeit, Posaunenchören und Bläserkonzerten: Rüdiger Hille, Landesposaunenwart Telefon 0421/ 20 30 359 [email protected] Spendenkonto: Landesposaunenwerk Bremen Kontonummer 118 91 90 bei der Sparkasse Bremen, BLZ 290 501 01 Telefon 0421/ 33 00 89-10 www.posaunenwerk-bremen.de www. kirche-bremen.de Was ist böse? Es verbreitet Angst und Schrecken. Es bedroht das Leben in Sicherheit, Wohlstand, Glück und Gesundheit stets untergründig oder sichtbar: Das Böse, der Horror, die Abgründe der menschlichen Seele. Das Böse durchzieht die Menschheitsgeschichte wie ein Roter Faden, genauso wie der Versuch, es zu bekämpfen oder gar militärisch auszumerzen. Hat das Böse ein Gesicht? Wo steckt der Teufel heute? Sind es die Namen von Diktatoren und Massenmördern, die großen geschichtlichen Katastrophen und ihre Urheber? – Menschen fragen schon immer nach der Ursache des Bösen. In allen Religionen und Kulturen finden sich Geschichten und Mythen, um das übernatürliche Böse zu erklären. In der Bibel ist es die Geschichte vom Sündenfall Adams und Evas im Paradies. Nachdem sie verbotenerweise den Apfel vom Baum der Erkenntnis gegessen haben, öffnen sich ihre Augen und sie können Gutes und Böses unterscheiden. Doch was ist “böse”? – Wir etikettieren das Gegenteil zum moralisch Guten mit dem Begriff “böse”, eben das, was wir für schlecht halten. Schon Kinder lernen, Gutes und Böses voneinander zu unterscheiden, Verhaltensweisen und Dinge zu bewerten. “Böse” ist das wohl prägendste Werturteil, das wir über einen Menschen fällen können. “An sich ist nichts weder gut noch böse; das Denken macht es erst dazu”, hat der Dichter William Shakespeare formuliert – das Böse entsteht im Kopf. So steckt das Böse in den klassischen sieben Todsünden – oder Hauptlastern – Stolz, Zorn, Trägheit, Wollust, Geiz, Völlerei und Neid, für die Menschen während ihres Lebens oder an dessen Ende schließlich büßen müssen? Im evangelischen Verständnis liegt das Böse, die Sünde, nicht in der einzelnen Verfehlung des Menschen, sondern in seiner grundsätzlichen Trennung von Gott. Böse Gedanken, falsche Handlungen entstehen aus dieser Gottesferne. Wer dem Bösen, seinen Erscheinungsformen, Ursprüngen, “Gegenmitteln” und seiner Bekämpfung näher auf die Spur kommen will, kann ihm ab dem 17. November im Überseemuseum Bremen buchstäblich ins Gesicht schauen. Dann beginnt die Sonderausstellung “All about Evil”, die über Religions- und Kulturgrenzen hinweg die Welt des Bösen näher ausleuchtet. Text: Matthias Dembski Foto: Überseemuseum All about Evil – Das Böse Überseemuseum Bremen Bahnhofsplatz 13, 28195 Bremen 17. November 2007 bis 18. Mai 2008 Eintritt 8,50 Euro (Erw.)/ 3,50 Euro (Kinder)/ 17,50 Euro (Familien) Infos zu Führungen Telefon 0421/ 160 38 171 [email protected] www.uebersee-museum.de www.kirche-bremen.de · bremer kirchenzeitung September 2007 19 Nächstenliebe “unter Auf eine wechselvolle Geschichte blickt das evangelische Diakonissenmutterhaus in Bremen Gröpelingen zurück. Eine Geschichte, mit vielen Aufs und Abs, wie Klaus von Hahn, Leiter des Mutterhauses, betont. Eine Geschichte, in der Tradition der Diakonissen eine große Rolle gespielt hat. Aber auch eine große Tradition, die wie in vielen Institutionen in die Jahre gekommen ist – und sich neu ausrichtet. Doch der Reihe nach. anstalt zusammengefunden und bereits ein Jahr später wurde das erste Domizil des Mutterhauses an der Fichtenstraße in Betrieb genommen. Oberin Saxer hatte hier mit zwei Diakonissen ein kleines Krankenhaus mit kaum mehr als 20 Betten betrieben. Schnell konnte dieses Haus nicht mehr den wachsenden Anforderungen gerecht werden. Betten ersetzt, um so die Versorgung im Bremer Westen zu verbessern. Dieses Krankenhaus wurde 1944 bei einem Bombenangriff zerstört und der Betrieb wurde zunächst im siebenstöckigen Bunker weiter geführt. Auswanderungshallen des Norddeutschen Lloyd an der Hemmstraße wurden zudem als Mutterhaus und Krankenhaus genutzt. Krankenhausneubau in der Nordstraße Neubau für Mutterhaus und DIAKO Die wichtigsten weiteren Etappen in Auszügen: So kam es in den Jahren 1879 bis 1880 zu einem Krankenhausneubau an der Nordstraße. Bereits 1883 wurden auswärtige Stationen in Emden und Delmenhorst gegründet und eine Schwester hatte als Aufseherin im der Frauenabteilung des Gefängnisses in Oslebshausen gearbeitet. Diese Vielseitigkeit der Diakonissen wird von Klaus von Hahn ausdrücklich, wenn auch mit Augenzwinkern betont. Es folgten Jahre des Übergangs bis es 1958 auf dem Gelände des Ludwig-Schrage-Stiftes in Gröpelingen zur Grundsteinlegung für das Mutterhaus und das jetzige DIAKO-Krankenhaus kam. In diesem Jahr trennten sich die rechtlichen und organisatorischen Wege des Krankenhauses und des Diakonissenmutterhauses, die zuvor als der „Verein Evangelische Diakonissenanstalt“ unter einem gemeinsamen Dach beheimatet waren. Bunkerbetrieb im Krieg 200 Diakonissen in den Sechzigerjahren Das Krankenhaus an der Nordstraße wurde 1927 durch einen erheblichen größeren Neubau mit 275 1959 folgte die Grundsteinlegung für die EmmausKirche auf dem Mühlenberg und 1960 der Bezug Anfang mit 20-Betten-Krankenhaus Die Diakonissenbewegung ist im Zuge der sozialen Reformbewegung in der Evangelischen Kirche im 19. Jahrhundert entstanden. Damals begann die Kirche, sich der sozialen Not durch die beginnende Industrialisierung und gesellschaftliche Veränderungen zu stellen. Unverheiratete Frauen “unter der Haube” stellten sich in den Dienst eines Mutterhauses, das die Schwestern in Krankenhäuser oder in die Sozialarbeit aussandte. Markenzeichen: Die weiße Haube. Klaus von Hahn blättert in alten Dokumenten: Im Oktober 1867 haben sich um Pastor Hermann Henrici diverse Bremer Persönlichkeiten zur Gründungsversammlung des Vereins Evangelische Diakonissen- Kinderkrankensaal im alten Diakonissen-Krankenhaus 1960: Eine Kopfkissenlieferung für das Personalwohnheim trifft per Pferdewagen ein. 1960: Die Diakonissen nehmen ihre neugegossene Glocke in Augenschein 20 bremer kirchenzeitung September 2007 · www.kirche-bremen.de 140 Jahre DiakonissenMutterhaus in Bremen der Haube” des Kranken- wie des Mutterhauses. In den fünfziger bis Anfang der sechziger Jahre stieg die Zahl der hier tätigen Diakonissen auf rund 200. Neben der Arbeit im Gröpelinger DIAKO waren sie in Friedehorst in der Arbeit mit behinderten Kindern, in der Erziehungshilfe und Altenpflege tätig. Über 80 Diakonissen arbeiteten 1967 als Gemeindekrankenschwestern in Kirchengemeinden Bremens, im Unterwesergebiet und in Ostfriesland. Heute leben im Mutterhaus gerade noch elf Diakonissen, zwei von ihnen sind noch in der aktiven Phase, die anderen befinden sich im so genannten Feierabend. Trotz “Feierabend” noch aktiv als Diakonisse. Doch das Leben in Armut, Keuschheit und Gemeinschaft habe offensichtlich seine Anziehungskraft verloren. Text: Ingo Hartel Fotos: Ingo Hartel Diakonissenmutterhaus Arbeit an neuem Profil Das sind Tatsachen, aber kein Grund, sich das Jubiläum verhageln zu lassen. „Wir haben jetzt ein Altenpflegeheim mit 85 Plätzen als wirtschaftliche Grundlage und arbeiten an einem neuen Profil.“ Klaus von Hahn und Schwester Jenny wollen ihr Haus als geistiges Zentrum im Stadtteil verankern und insbesondere für Frauen öffnen. Als Stichworte nennt von Hahn meditative und spirituelle Angebote. Straßenansicht des alten Schwesterhauses. Gartenansicht des alten Schwesternhauses. 1960: Der Umzug ins neue Haus ist in vollen Gange. Eine von ihnen ist Schwester Jenny Dreier (77). Obwohl offiziell schon längst im Feierabend ist sie immer noch aktiv und erledigt einen Großteil der Büroarbeit. Aber sie weiß eben auch, dass es mit der großen Zeit der Diakonissen vorbei ist. Seit den 60er Jahren sei keine mehr eingesegnet worden. Zu ihrer Zeit als junges Mädchen sei es für eine Frau kaum möglich gewesen, im öffentlichen Leben tätig zu sein. Es sei denn Diakonissenmutterhaus in Bremen-Gröpelingen Festgottesdienst mit anschließendem Empfang im Diakonissenmutterhaus Sonntag, 7. Oktober, 10 Uhr in der Emmaus-Kirche Begleitende Fotoausstellung „Das Diakonissenmutterhaus Bremen im Wandel der Zeit“ Kontakt: Adelenstraße 68, 28239 Bremen Telefon 0421 / 61 02 36 00 [email protected] Spendenkonto: Ev. Diakonissenmutterhaus Kontonummer 101 28 71 BLZ 290 501 01 bei der Sparkasse Bremen www.diakonie-bremen.de www.kirche-bremen.de · bremer kirchenzeitung September 2007 21 Patenmodell hilft Arbeitslosen bei Bewerbungen Beim neuen Job Pate stehen Das Diakonische Werk Bremen unterstützt die bundesweite und von der Diakonie der Evangelischen Kirche Deutschland (EKD) getragene Initiative „Arbeit durch Management/Patenmodell“, die mit einer gezielten Begleitung Arbeit suchender Menschen wieder den Weg in einen neue Beschäftigung weisen soll. Gerade hat auch Bürgermeister Jens Böhrnsen für Bremen die Schirmherrschaft für das Modell übernommen und so politischen Rückhalt demonstriert. Bürokaufmann, aber derzeit ohne Arbeit. Aus der Zeitung hatte er von den Jobpaten erfahren und sich beworben. Mittlerweile habe er mit seiner Patin Ingeborg Mehser seine Bewerbungsunterlagen auf Vordermann gebracht, Lücken im Lebenslauf geschlossen und bereits das erste Vorstellungsgespräch absolviert. „So weit bin ich vorher gar nicht gekommen. Da kam immer nur der große Umschlag mit den Bewerbungsunterlagen zurück.“ Stärken und Schwächen aufspüren Hilfe beim Berufs-Wiedereinstieg Das Patenschaftsmodell, das von der Deutschen Telekom mit Personal und Büroinfrastruktur unterstützt wird, sieht vor, einem arbeitslosen Menschen einen ehrenamtlichen Paten an die Seite zu stellen, der aus der Wirtschaft kommt und womöglich gerade in einer Personalabteilung oder als selbstständiger Personalcoach tätig ist, sagt Michael Schmidt, Geschäftsführer des Diakonischen Werkes Bremen. Der Landespfarrer weiter: „Jeder Arbeitssuchende, der nach einer neuen Perspektive sucht und mit dieser Hilfe einen Zugang zum Arbeitsmarkt findet, ist ein Gewinn und Grund genug, sich für dieses Patenmodell zu engagieren.“ Bundesweit sind derzeit 400 dieser Paten im Einsatz, in Bremen soll ein solches Netz jetzt aufgebaut werden, berichtet Günter Spallek, der für die Initiative „Arbeit durch Management“ die Region BremenOldenburg betreut. Mit Ingeborg Mehser hatte er im Frühjahr eine erste selbstständige Personalberaterin für die Arbeit gewonnen. Jetzt sind nach Auskunft Spalleks bereits zehn Jobpaten für den Raum Bremen und Oldenburg im Boot, die derzeit 27 Arbeitssuchende betreuen. Bewerbungsunterlagen auf Vordermann Einer von ihnen ist Gerrit Hanekamp. Er ist gelernter 22 Die Arbeit der Jobpaten besteht in einer umfangreichen Beratung „ihres“ Arbeitsuchenden, erläutert Ingeborg Mehser. Zunächst geht es um die realistische Beurteilung der Bewerbungschancen, eine Analyse vorhandener Stärken und Schwächen, die Beurteilung der Bewerbungsunterlagen sowie um eine Überprüfung der bisherigen Bewerbungen. Die Begleitung durch den Paten soll die Hilfe zur Selbsthilfe fördern. Es wird aber auch ganz handfeste Unterstützung wie die aktive Begleitung der Bewerbung, die Unterstützung während einer möglichen Probezeit bis hin zur Kontaktanbahnung im Netzwerk des Paten und Hilfe bei der Suche nach Gesprächspartnern geben. den 27 betreuten Jobsuchenden seien fünf Beratungen abgeschlossen. Vier von ihnen haben eine neue Arbeit gefunden. Auch Mehser kann bereits auf ein Erfolgserlebnis zurückblicken: „Die erste Frau, die ich unterstützt habe, hat jetzt eine Anstellung gefunden.“ Interessierte Arbeitsuchende können sich im Internet unter www.patenmodell.de für eine Teilnahme anmelden. Vertreter der Wirtschaft, die sich ehrenamtlich als Paten bereitstellen möchten, wenden sich unter der gleichen Adresse an Günter Spallek. Sie sollten kompetent in Gesprächsführung und Beratung sein sowie den lokalen Arbeitsmarkt bestens kennen. Den Ehrenamtlichen wird eine mehrstufige Einarbeitung geboten. Zudem sollen Kontakte zu anderen Jobpaten einen weiteren Austausch ermöglichen. Dies sei ein weiterer großartiger Aspekt dieser Arbeit, sagt Mehser. Diese Kontakte, Vernetzungen und Rückmeldungen könnten für die eigene Arbeit zunehmend Bedeutung gewinnen. Text / Foto: Ingo Hartel Neue Jobpaten gesucht Zielsetzung in Bremen ist nach Aussage Spalleks, in diesem Jahr 15 Jobpaten zu gewinnen, die drei bis fünf Patenschaften im Jahr übernehmen. Natürlich könne bei diesen Zahlen keine Wunder für den Arbeitsmarkt erwartet werden. Wohl aber befördere die Initiative ein weiteres direktes bürgerschaftliches und diakonisches Engagement zum Nutzen der Gesellschaft. Dank der eigenen Kontaktnetze zu Arbeitgebern und die Einbindung von Wirtschaftspartnern sei aber bisher eine Vermittlungsquote von knapp 30 Prozent erreicht worden. Spallek bietet konkrete Zahlen für Bremen und Umgebung. Von bremer kirchenzeitung September 2007 · www.kirche-bremen.de Patenmodell Kontakt: Günter Spallek Koordinator Metropolregion Bremen-Oldenburg Telefon 0421/ 300 15 90 [email protected] www.patenmodell.de www.diakonie-bremen.de Ohne Arbeit wertlos? sogar trotz einer Erwerbsarbeit mit bis zu 40 Wochenstunden nicht ausreichend für den eigenen Lebensunterhalt verdienen. „Working poor“ oder: „Arm trotz Arbeit“ lauten hier die allseits bekannten Schlagworte. Nur wer hat, kann teilnehmen "Hast´e was, dann bist´e was – hast´e nichts, dann bist´e auch nichts…!“ so lautet ein bekanntes Sprichwort. Inzwischen müssten wir es wohl etwas anders formulieren: „Schaffst´e was, dann bist´e was – schaffst´e nichts, dann bist´e auch nichts!“ Denn in unserer Gesellschaft scheint es, als definiere sich der Wert eines Menschen über den Wert der Arbeit, die er leistet. Genauer noch: Über die „Erwerbsarbeit“, mit der er zum Bruttosozialprodukt des Landes aktiv beiträgt und auch selber etwas verdient. Denn Arbeit ist nach dieser Sichtweise nicht gleich Arbeit. Trotz Aufschwung chancenlos Aber auch wenn der gegenwärtige Aufschwung dazu führt, dass mehr Menschen wieder einen Arbeitsplatz finden und die erschreckende Zahl von 5 Millionen Arbeitslosen deutlich sinkt, wird auch zukünftig ein nach Millionen zu zählender Teil der Bevölkerung keine Chance auf eine Erwerbsarbeit haben. Und ein immer größer werdender und ebenfalls schon nach Millionen zu zählender Teil der Bevölkerung wird Eine Beteiligung am gesellschaftlichen Leben ist dann nur schwer oder gar nicht möglich, wenn alle „Angebote“ einen Preis haben: ob es die langen Einkaufsnächte oder verkaufsoffenen Sonntage in der City sind, ob es die Eintritte in Schwimmbäder, Museen oder Kino sind, ob es die Kosten für Klassenfahrten oder weitere Lernmaterialien sind, ob es die Nutzung des Internets oder die tägliche Zeitung ist, ob es Was sind die Menschen, dass du an sie denkst, ein Menschenkind, dass du nach ihm siehst? Wenig geringer als Gott lässt du sie sein, mit Würde und Glanz krönst du sie. Du lässt sie walten über die Werke deiner Hände. Alles hast du unter ihre Füße gelegt. Aus der Bibel, Psalm 8, Verse 5-7. Sportvereine oder Musikschulen sind um nur einige Beispiele zu nennen. Nur wer genug hat, kann an dieser Angebotsvielfalt teilhaben. Was ist aber mit den Menschen, die dafür eben nichts oder nicht mehr genug übrig haben, wenn sie ihre Grundbedürfnisse von Essen, Wohnen und Gesundheitsvorsorge gestillt haben? Ist ihr Leben dann auch „nichts wert?“ Was ist mit den Menschen, die sich um eine Arbeit bemühen, die aber erfahren müssen, dass sie mit 45 oder 50 Jahren scheinbar schon zu alt sind, deren Qualifikation angeblich nicht ausreicht, denen, die den Anforderungen eines 10 Stunden-Tags nicht gewachsen sind oder hunderte von Bewerbungen vergeblich auf den Weg bringen? Würde hat nichts mit Verdienst zu tun Deutsche Sozialpolitik in Kommunen, Ländern und Bund reagiert darauf mit unzähligen und teils untauglichen Versuchen, auch diese Menschen zumindest zeitweise in Arbeit zu bringen. Was aber geschieht, wenn die Maßnahme nach sechs Monaten „folgenlos“ ausläuft? Was geschieht, wenn der Arbeitsmarkt dauerhaft verschlossen bleibt? Sozialpolitik ist mit der Arbeitsmarktpolitik ein Bündnis eingegangen und es scheint, als würde sie auf diese Weise zu einer weiteren und letztlich wohl erfolglosen Form der Wirtschaftspolitik verkommen. Die entscheidende Frage aber, wie alle Menschen in die Gesellschaft einbezogen werden können und welchen Wert das Leben unabhängig von einer Erwerbsarbeit haben kann, beantwortet sie auf diese Weise nicht. In der Kirche und ihrer Diakonie werden wir uns damit nicht zufrieden geben. Jeder Mensch hat seine Würde und niemand darf verloren gehen bzw. darf von der Gesellschaft aufgegeben werden. Das gilt in gleicher Weise für junge und alte Menschen, für Menschen mit und ohne Behinderung, für Menschen mit und ohne Erwerbsarbeit. Wir sehen die Würde und den Wert des Lebens in der Ebenbildlichkeit des Menschen begründet. Niemand kann sich vor Gott etwas „verdienen“ und alles, was wir als Geschöpfe Gottes empfangen haben, ist uns geschenkt. So kann auch jede und jeder zum Gelingen des Lebens und der Gemeinschaft seinen Teil beitragen, der sich nicht an einem materiellen Wert bemisst, sondern als ein Teil des Ganzen wertvoll wird. Recht auf Teilhabe für jeden ANZEIGE Bethel, 2sp (146 mm) breit x 137 mm hoch, 4C Deshalb arbeiten wir mit Recht daran mit, Menschen zu qualifizieren und ihre Chancen in der Arbeitswelt zu verbessern. Vom christlichen Menschenbild her ist es unser erstes Anliegen, das Selbstwertgefühl der Arbeitssuchenden zu stärken. Mit gleichem Recht aber müssen wir für eine Gesellschaft streiten, die ihren unbestrittenen Reichtum fair miteinander teilt. Michael Schmidt ist Landespfarrer für Diakonie. Bestattungskultur Caspari, 1sp (70 mm) breit x 30 mm hoch, s/w www.kirche-bremen.de bremer kirchenzeitung September 2007 23 Informiert von Pastorin Jeannette Querfurth, Kapitel 8 Neues Freiwilligennetzwerk gestartet „Haben Sie mal eine Stunde – oder ein Jahr?“ Mit diesem Slogan startete vor einer Woche „aktiv evangelisch“ – das Freiwilligennetzwerk. Wer Zeit und Lust hat, sich in einer Kirchengemeinde oder evangelischen Einrichtung zu engagieren, findet hier eine breite Palette an Möglichkeiten. Nur einige Beispiele aus verschiedenen Bereichen sind hier herausgegriffen. Kindertagesstätten und Horte Mehrere Kindertagesstätten und Horte suchen noch ehrenamtliche Untersützung: Einen Fahrdienst zum Universum hätte ein Kindergarten gern, um gelegentlich kleine Ausflüge zum Universum-ScienceCenter an der Uni unternehmen zu können. „Hilfe beim Erstellen von Hausaufgaben“ wünschen sich zwei Horte für 6 – 10 jährige Schulkinder. Handwerkliche Arbeiten zusammen mit behinderten Menschen Betreuung beim Nähen und Schneidern bräuchte eine Wohngemeinschaft von geistig-behinderten Menschen in Schwachhausen. Eine andere Gruppe könnte Hilfe und Anleitung bei der Gartenarbeit in einem eigenen Kleingarten in der Neustadt gebrauchen. Eine dritte Gruppe wünscht sich Unterstützung und Anleitung beim Basteln in ihrer Holzwerkstatt. Kunst und Kultur Ein Fotobegeisterter Mensch könnte sich ausleben beim Aufbauen und Erweitern eines FotoArchivs. Gleich mehrere Einrichtungen suchen Anleitungen für Kunst- oder Kreativgruppen. Auch die Kulturkirche St. Stephani sucht noch Ehrenamtliche bei der Öffentlichkeitsarbeit, für den Präsenzdienst und die Ausstellungsplanung. Hilfen für wohnungslose Menschen Was für die meisten Menschen eine Selbstverständlichkeit ist, ist für wohnungslose Menschen oft schon Luxus: Frische Kleidung, warmes Essen, ein Friseurbesuch, sich selber etwas kochen. In all diesen Bereichen, von der Kleiderkammer für Second-Hand-Kleidung bis hin zum Haare schneiden und Kochen lernen für ehemals obdachlose Menschen werden noch ehrenamtliche Helfer gesucht. Ihr evangelisches Informationszentrum bei Fragen zu Kirchengemeinden, Veranstaltungen und Konzerten, Einrichtungen, Kircheneintritt, Taufe, Hochzeit, Beerdigung, Konfirmation; Domsheide 8, Telefon 33 78 220 [email protected] · www.kapitel8.de Montag bis Freitag 12.30 bis 18.30 Uhr, Samstag 11 bis 14 Uhr Organisationstalente gesucht „Brot für die Welt“ und mehrere andere Einrichtungen wünschen sich kreative freiwillige Helfer, die neue Projekte mit auf den Weg bringen, Infostände, Veranstaltungen und Benefizkonzerte organisieren und eigene Werbe-Ideen umsetzen können. Seelsorge Nach entsprechender Ausbildung kann man KrankenhausseelsorgerInnen in ihrer Arbeit auf den Stationen unterstützen. Ehrenamtliche Hilfe in verschiedener Hinsicht suchen z.B. auch der Verein „Verwaiste Eltern und Geschwister e.V.“ oder das Kinderhospiz Jona. Arbeit mit alten Menschen Ein ganz breites Spektrum an Möglichkeiten findet sich in der Arbeit mit alten Menschen. Im Besuchsdienst mehrerer Gemeinden werden noch freundliche Menschen gesucht, die mit älteren und einsamen Menschen Kaffee trinken, plaudern oder ein bisschen spazieren gehen. Ebenso kann man aber auch ganze Seniorenveranstaltungen in einer Gemeinde planen oder im Altenheim beim Gedächtnistraining mithelfen. Von Sitzgymnastik über Musikbegleitung von Veranstaltungen und Besuchen mit dementen Menschen in einem Streichelzoo bis hin zur Reisebegleitung reichen die verschiedenen Angebote für Freiwillige. Eine bunte Palette Die „ökumenische Ausländerarbeit“ sucht noch Unterstützer bei ihrer Arbeit mit Flüchtlingen. Ein Kirchencafé könnte noch Tresenkräfte gebrauchen. Menschen mit „gesundem Menschenverstand“ sind als Freiwillige bei der Bahnhofsmission gefragt. Versierte Kegler werden zum Aufbau eines kleinen Kegelangebotes in einem Altersheim gesucht. Und wer es ein bisschen romantischer mag, kann Märchen oder Geschichten erzählen und vorlesen. „aktiv evangelisch“ – das Freiwilligennetzwerk im Ev. Informationszentrum „Kapitel 8“ [email protected] www.aktiv-evangelisch.de Unser nächstes Thema: Freiwillig engagiert – in Kirche und Diakonie Wir freuen wir uns auf Ihre mail unter [email protected] oder ein Fax an 0421/5597-206 STARK FÜR ANDERE Diakonisches Werk Bremen e. V. | Contrescarpe 101 | 28195 Bremen | Tel.: 0421-16 384-0 Fax: 0421 - 16 384-20 | www.diakonie-bremen.de | [email protected] 24 bremer kirchenzeitung September 2007 · www.kirche-bremen.de