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Martin Engelmann • • AUF DEM FRANZISKUSWEG Florenz • Assisi • Rom Martin Engelmann ZU FUSS NACH ROM AUF DEM FRANZISKUSWEG „Die moderne Zivilisation hat uns die Stille genommen. Wer pilgert, kann sie sich zurückerobern.“ Autor Martin Engelmann ZU FUSS NACH ROM AUF DEM FRANZISKUSWEG Florenz Assisi Rom Fotografie: Martin Engelmann Text: Martin Engelmann & Anna-Maria Stiefmüller TYROLIA-VERLAG INNSBRUCK-WIEN 6 Vorweg 8 Der Pilgerweg im Überblick 10 Die Wiege der Renaissance und der Beginn einer Pilgerreise Florenz 26 Erste Schritte im Grünen Sant’Ellero und Passo della Consuma 34 Durch den Märchenwald Stia und Camaldoli 44 Das Kloster am heiligen Berg Badia Prataglia und La Verna 56 Rosensträucher, Superstrada und Michelangelo Pieve Santo Stefano und Caprese Michelangelo 62 Von der Toskana nach Umbrien Sansepolcro, Selci Lama, Bocca Seriola und Pietralunga 72 Der weite Weg zurück ins Mittelalter Gubbio 78 Momente der Stille und die Geschichte einer großen Liebe Valdichiascio und Valfabbrica 90 Wege ins Licht Assisi und Santa Maria Degli Angeli 112 Hoch hinaus – über den Monte Subasio Spello und Montefalco Querfeldein durch die Valle Umbra 122 Spoleto Das magische Licht Italiens 130 montI Sibillini und Castelluccio di Norcia Vom Glück des einfachen Lebens 144 Patrico I NH AL T Das grüne Herz Umbriens 152 Ferentillo und Polino „Buon giorno, Lazio!“ 162 Poggio Bustone und Rieti Hunde, Hitze und Weihnachten im Sommer 172 Greccio Zurück nach Umbrien 180 Stroncone und Calvi dell’Umbria In die Zielgerade 192 Selci und Fara in Sabina Die Schönheit schwindet 198 Montelibretti und Monterotondo Alle Wege führen aus der Stille ... 202 UND NACH Rom Die Ewige Stadt 206 Rom Unterkünfte, Literatur, Links 224 Vorweg S eit Jahren zieht es mich in den Süden, wie viele andere kann ich dem Charme von „Bella Italia“ nicht widerstehen. Ob ein Wochenende in Florenz, entspannte Tage am Meer oder ein Trip mit dem Campingbus durch die Toskana – Italien geizt nicht mit Reizen. Auch im Frühjahr 1998 war ich in Italien, dieses Mal fuhr ich nach Anchiano, einem Ortsteil der Gemeinde Vinci, unweit von Florenz. Der Blick in die Geschichtsbücher verrät: Hier hat im Jahre 1452 Leonardo da Vinci das Licht der Welt erblickt. In unmittelbarer Nähe dieser historischen Stätte schlug ich damals mein Nachtlager auf, ein warmer Schlafsack unter Olivenbäumen sollte als Bettstatt genügen. Über mir spannte sich unwirklich schön das toskanische Sternenzelt, unweigerlich gingen die Gedanken auf Reisen. Wusste Leonardo um sein Privileg, in diese Szenerie hineingeboren zu sein? Hat ihn diese Landschaft mit ihren sanften Hügeln in sattem Grün, der würzigen Luft und diesem ganz besonderen Licht genauso in ihren Bann gezogen wie mich? Oder war sie gar die Quelle von Leonardos Inspiration, der Nährboden für seinen genialen Geist? Weitere Namen gingen mir durch den Kopf: Michelangelo, Botticelli, Dante Alighieri, Galileo Galilei – sie alle und noch viele andere Künstler und Denker sind Kinder dieser Gegend und sollten später ihre größten Söhne werden. Mich beschlich das Gefühl, dass das kein Zufall sein kann. Eine weitere historische Persönlichkeit kam mir in den Sinn: Franz von Assisi. Jener christliche Heilige, der Gott in der Schönheit der Natur begegnete und Mond, Sterne und Tiere als seine Geschwister auserkor und so das Verhältnis des Menschen zur Natur und den Respekt vor der Schöpfung als Weg zum Allmächtigen beschrieb. In dieser Nacht ahnte ich noch nicht, dass diese Gedanken der erste Schritt einer langen Reise werden sollten. Es vergingen einige Jahre, bis ich zum ersten Mal vom so genannten Franziskusweg hörte, einem Pilgerweg, der den Spuren 6 des heiligen Franziskus zu seinen Klöstern und Einsiedeleien und schließlich auf seinem Weg nach Rom folgt. Im Jahre 1209 machte sich Franz von Assisi mit zwölf Gefährten auf nach Rom, um von Papst Innozenz III. die Legitimation seiner Lebensweise zu erbitten. Seine Reise führte ihn durch die einzigartige Landschaft im so genannten „grünen Herzen“ Italiens, durch jene Orte, denen ich in besagter Nacht so viel Bedeutung für Kunst und Kultur beigemessen hatte. Meine Neugierde war geweckt und bald beschließe ich, mich selbst auf den Weg zu begeben und meine Reise für meine Arbeit als Fotograf und Vortragsreferent zu nutzen. Doch es schleichen sich auch Zweifel ein, der Gedanke, als „Pilger“ unterwegs zu sein, bereitet mir Unbehagen. Die unterschiedlichsten Menschen und auch die Medien hatten das Pilgern gerade als neuen Trend entdeckt und zahlreiche mehr oder weniger bekannte Personen berichteten in ihren Pilgerbüchern von der Überwindung von Lebenskrisen oder gar von Begegnungen mit Gott. Versprechen wie „Dieser Pilgerweg wird Ihr Leben verändern“ halten mich beinahe davon ab, das geplante Projekt zu realisieren, und auch meine kritische Distanz zu kirchlichen Institutionen und eine mangelnde religiöse Sozialisation scheinen mich als Pilger zu disqualifizieren. Schließlich werfe ich meine Bedenken über Bord und beschließe, als einfacher Wanderer unterwegs zu sein, dem die herrliche Natur und die kulturellen Schönheiten am Wegesrand Motivation genug sind. Mit meiner Kamera als ständiger Begleiter hoffe ich, dem Geheimnis dieser inspirierenden Landschaft und ihrer herausragenden Persönlichkeiten auf die Spur zu kommen. Im Frühsommer 2011 begebe ich mich auf eine erste Erkundungstour entlang des Franziskusweges. Dabei stellt es sich rasch heraus, dass der Franziskusweg weniger ein einzelner Pilgerweg, sondern vielmehr ein Netz aus verschiedenen Routen und Wegvarianten ist. Dies spiegelt sich auch in den aktuell erhältlichen Pilgerführern wider. Der Grund für die zahlreichen Wegvarianten ist schnell erklärt: Zum einen lässt sich nicht mehr exakt belegen, auf welchen Pfaden Franz von Assisi genau unterwegs war, und zum anderen ist es Wanderern nicht zuzumuten, alten Wegen zu folgen, wo diese zu vielbefahrenen Überlandstraßen ausgebaut wurden. Doch viele der beschriebenen Wege sind jahrhundertealt und so darf man davon ausgehen, zumindest streckenweise in die Fußstapfen des Heiligen zu treten. Mir erscheint die Wegvariante des Autors Kees Roodenburg als die reizvollste, weil diese schon in Florenz beginnt und bis nach Rom führt. In den Sommern der Jahre 2012 und 2013 bin ich schließlich zu Fuß auf diesem Franziskusweg unterwegs, wobei ich bei der zweiten Reise auch einige interessante Varianten und Abstecher erwandere. Dieses Buch versteht sich aber nicht als Pilgerführer, vielmehr möchte ich Ihnen, verehrte Leserinnen und Leser, in einer Art fotografischem Tagebuch Eindrücke, Erfahrungen und Begegnungen meiner Reisen entlang des Franziskusweges präsentieren und meine Begeisterung für diese außergewöhnliche Landschaft mit Ihnen teilen. Vielleicht möchten Sie sich ja eines Tages selbst auf Wanderschaft begeben – auf einen Weg, der Sie viele Jahrhunderte zurück in die Vergangenheit führt und durch seine natürliche und kulturelle Schönheit so vielen zur Quelle der Inspiration wurde – vielleicht auch Ihnen. Martin Engelmann, Innsbruck, Oktober 2014 Oben: Das Geburtshaus des Leonardo da Vinci 7 Der Pilgerweg im Überblick 36 Tage, 622 Kilometer, 20.000 Höhenmeter Tag 1: Tag 2: Tag 3: Tag 4: Tag 5: Tag 6: Tag 7: Tag 8: Tag 9: Tag 10: Tag 11: Tag 12: Tag 13: Tag 14: Tag 15: Tag 16: Tag 17: Tag 18: Tag 19: Tag 20: Tag 21: Tag 22: Tag 23: Tag 24: Tag 25: Tag 26: Tag 27: Tag 28: Tag 29: Tag 30: Tag 31: Tag 32: Tag 33: Tag 34: Tag 35: Tag 36: 8 Sant’Ellero Passo della Consuma Stia Camaldoli Badia Prataglia La Verna Pieve S. Stefano / C. Michelangelo Sansepolcro Selci Lama Bocca Seriola Pietralunga Gubbio Valdichiascio Valfabbrica Assisi Santa Maria degli Angeli Spello Montefalco Spoleto Spoleto (Bus nach Norcia) Castelluccio di Norcia Monti Sibillini Norcia (Bus nach Spoleto) Patrico Ferentillo Polino Poggio Bustone Rieti Greccio Stroncone Calvi dell’Umbria Selci Fara in Sabina Montelibretti Monterotondo Rom Kilometer gesamt: 20 16 15 14 7 17 19 25 19 18 17 29 12 26 16 4 20 21 24 0 14 8 14 8 19 14 25 19 21 14 21 19 26 17 18 26 622 Die Wiege der Renaissance und der Beginn einer Pilgerreise Florenz A nkunft in Florenz, dem Ausgangspunkt meiner Wanderschaft. Dichtes Gedränge und ein beinahe babylonisches Stimmengewirr, klickende Kameras, wild gestikulierende Reiseleiter, aufdringliche Straßenverkäufer und unzählige Läden mit wummernder Diskomusik – zu Beginn meiner Pilgerreise schlägt die moderne Zivilisation noch einmal mit aller Härte zu. Besonders in den Sommermonaten gleicht Florenz einem Bienenstock, jeden Tag strömen Tausende Besucher aus aller Welt in die historische Stadt am Arno. Es ist ihnen nicht zu verdenken, Florenz wirkt als die viel zitierte „Wiege der Renaissance“ wie ein riesiges Museum unter freiem Himmel, an jeder Straßenecke wartet Sehenswertes, durch jede noch so kleine Gasse scheint der Wind der Geschichte zu wehen. Und so kann der Touristenansturm dem Charme der Stadt wenig anhaben, es wäre beinahe schon eine Sünde, die Stadt gleich zu 10 verlassen, ohne nicht wenigstens ihre berühmtesten Bauwerke und Kunstschätze bestaunt zu haben. Florenz erblühte im 14. und 15. Jahrhundert, unter der Herrschaft der Medici erlebten die schönen Künste eine wahre Wiedergeburt – die Renaissance. Unzählige Künstler und Gelehrte wie Donatello, Botticelli, Michelangelo, Leonardo da Vinci, Galileo Galilei oder Dante Alighieri lebten und wirkten hier. Ihre Werke ließen Florenz zu einer Stadt werden, die ihresgleichen sucht. Schon lange Zeit bevor Florenz zur Hochburg der Kunst und Kultur aufstieg, hatte Franz von Assisi hier seine Spuren hinterlassen. Auf seinen zahlreichen Reisen durch Italien machte er auch mehrmals in Florenz Halt, und glaubt man der Legende, soll der Heilige selbst im Jahre 1294 den Grundstein der Kirche Santa Croce gelegt haben. Heute ist diese Franziskanerkirche die größte ihrer Art und beheimatet die Grabmäler berühmter Italiener aller Jahr- hunderte von Galileo Galilei über Niccolò Machiavelli bis zu Gioacchino Rossini oder Guglielmo Marconi. Santa Croce wird als der Startpunkt des „Cammino di Francesco“ bezeichnet, auch ich werde einige Tage später hier meine Reise beginnen. Doch zuvor widme ich mich noch den kulturellen Höhepunkten der Stadt. Die Kathedrale Santa Maria del Fiore mit ihrer weltbekannten Kuppel von Filippo Brunelleschi, der Palazzo Pitti und der herrliche Ausblick vom Piazzale Michelangelo in Richtung Ponte Vecchio bei Sonnenuntergang sind nur einige der Sehenswürdigkeiten, die den Besucher in Flo- Oben: Die Kathedrale Santa Maria del Fiore. Die Domkuppel misst 45 Meter Durchmesser – mehr als Pantheon oder Petersdom in Rom – und gilt heute als Meisterwerk der Renaissance. Das Bild wurde vom Piazzale Michelangelo aus aufgenommen. Linke Seite: Ausschnitt des Gemäldes „Abstieg Christi in die Vorhölle“ von Agnolo Bronzino. Das Bild entstand 1552 und befindet sich heute im Museo dell‘Opera di Santa Croce. Touristen bannen ihre Eindrücke auf Foto und Film. 11 renz begeistern. Selbst nach mehreren Tagen habe ich das Gefühl, nur einen Bruchteil der Stadt erkundet zu haben, und muss mich dennoch mit dem Gedanken anfreunden, Florenz zu verlassen und mich auf den Weg zu machen. Den Abend im Hotelzimmer nutze ich für eine letzte Bestandsaufnahme meines Reisegepäcks. Stolze 20 Kilogramm bringt der Rucksack auf die Waage, ein Gewicht, das mir bereits bei meinen Testwanderungen in den Tiroler Bergen Kopfzerbrechen bereitet hat. Einen Großteil nimmt dabei natürlich die Fotoausrüstung ein, neben einer Nikon D600 mit drei Wechselobjektiven, zwei kleineren Filmka- 12 meras und einem Stativ bleibt nur wenig Platz für Kleidung. Eine Dreiergarnitur an atmungsaktiven T-Shirts und Unterwäsche, eine Trekkinghose mit abziehbaren Beinen und ein Regenponcho müssen genügen. Ein kleiner Kulturbeutel, etwas Verbandsmaterial und ein Wassersack mit drei Liter Fassungsvermögen sowie Teleskopwanderstöcke ergänzen die Ausrüstung. FOTOTIPP: Florenz ist ein Paradies für Fotografen. Für Panoramaaufnahmen besteigen Sie am besten die Domkuppel, auch rund um den Palazzo Vecchio sollten Sie länger verweilen. Bitte beachten Sie, dass in vielen Museen wie z. B. den Uffizien generelles Fotografierverbot herrscht. Der Startpunkt des Franziskusweges, die Kirche Santa Croce, erstrahlt am Spätnachmittag im schönsten Licht. Bei Sonnenuntergang wandern Sie hinauf zum Piazzale Michelangelo und genießen dort die beste Aussicht auf die Stadt und die Brücke Ponte Vecchio. Linke Seite: Auf der Piazza della Signoria findet man vor dem Palazzo Vecchio eine Kopie von Michelangelos David. Das Original steht in der Accademia delle Arti del Disegno. Im Hintergrund: „Herkules tötet Cacus“ von Baccio Bandinelli. Oben: Ein Kunstwerk mit Ablaufdatum. Zahlreiche Straßenkünstler buhlen um die Aufmerksamkeit der Besucher. 13 14 Oben: Giottos Glockenturm des Florentiner Doms kurz vor einem Gewitter am Spätnachmittag. Der 85 Meter hohe Campanile wurde erst nach dem Tod des Künstlers im Jahre 1359 fertiggestellt. Linke Seite: „Der Raub der Sabinerinnen“ von Giovanni da Bologna in der Loggia dei Lanzi. 15 Statue des Dante Alighieri von Enrico Pazzi aus dem Jahr 1865 vor der Kirche Santa Croce „Man muss wissen, dass es Dinge gibt, die unserer Macht nicht unterliegen und die wir nur zu erkennen, nicht hervorzubringen imstande sind.“ Dante Alighieri 16 Die 1224 erbaute Franziskanerkirche Santa Croce ist der Startpunkt des Franziskusweges. In der Kirche finden sich Meisterwerke von Giotto, Cimabue, Gaddi und Donatello. 17 Der Palazzo Vecchio an der Piazza della Signoria geht auf einen Entwurf von Arnolfo di Cambio (1245–1302) zurück und beherbergte für zwei Jahrhunderte das Parlament der Republik Florenz. Heute dient er als Rathaus der Stadt. Von der Domkuppel bieten sich herrliche Aussichten auf Florenz. Rechts befindet sich der Palazzo Vecchio, links der Palazzo del Bargello sowie die mittelalterliche Abteikirche Badia Fiorentina. 18 Oben: Der Parkplatzmangel lässt viele Fiorentiner auf Motorräder umsteigen. Links: Straßenmusiker füllen die Gassen und Plätze von Florenz mit klassischen Klängen. Folgende Doppelseiten: David-Statue am Piazzale Michelangelo. Die Brücke Ponte Vecchio bei Sonnenuntergang und die Skyline von Florenz im Abendlicht, jeweils vom Piazzale Michelangelo aus gesehen. 19 Erste Schritte im Grünen Sant’Ellero und Passo della Consuma A ls ich am nächsten Morgen das Hotel verlasse, erkenne ich Florenz kaum wieder. Die menschenleeren Gassen hüllen sich in eine fremdartige Stille, nur das Geräusch meiner Wanderstöcke auf den gepflasterten Straßen ist zu hören. Von Santa Croce geht es in Richtung Osten, die Beschilderungen führen entlang des Arno aus der Stadt. Nach einigen Kilometern führt der Weg auf eine Anhöhe und es bietet sich ein schöner Blick zurück nach Florenz, die markante Kuppel von Santa Maria del Fiore leuchtet im warmen Morgenlicht. In Rignano angekommen, wird meine Wanderlust jäh getrübt. Schnell wird klar, dass die letzten drei Kilometer nach Sant’Ellero zu Fuß wohl zu gefährlich sind. Der Weg führt entlang einer stark befahrenen Schnellstraße, wo Autos und Lastwagen mit halsbrecherischer Geschwindigkeit dahinrasen, der schmale Streifen am Straßenrand bietet kaum Platz für einen Fußgänger. Also marschiere ich zum Bahnhof und steige 26 in einen Zug, der mich innerhalb weniger Minuten nach Sant’Ellero bringt. Nach nur sechs Stunden ist die erste Tagesetappe mit ihren rund 20 Kilometern bereits geschafft, wenn auch mit unerwarteter Unterstützung durch die italienische Bahn. Auch am nächsten Morgen wandere ich bereits bei Sonnenaufgang los. Der Weg zum Passo della Consuma führt tausend Meter in die Höhe und ich hoffe, durch den frühen Aufbruch die anstrengende Etappe nicht in der gnadenlosen Mittagshitze gehen zu müssen. Doch noch ist es nicht die Sommersonne, die mir zu schaffen macht, sondern die 20 Kilogramm meines Rucksackes. Sie drücken unbarmherzig auf Schultern und Rücken, am liebsten würde ich die Hälfte meines Reisegepäcks einfach am Wegesrand liegen lassen. Doch nach einigen Kilometern auf dem gut ausgeschilderten Weg sind diese Gedanken schon wieder verflogen. Der Pfad führt durch einen ange- nehm kühlen Wald und ich genieße es, endlich in der Natur unterwegs zu sein. Nach rund sieben Stunden Wanderung passiere ich das Ortsschild von Consuma. Es folgt ein weiterer steiler, aber kurzer Anstieg zur Passhöhe, ein herrlicher Ausblick in die umliegenden Täler und ein frischer Windhauch entschädigen für die Strapazen der letzten Stunden. Meine Unterkunft am Passo della Consuma ist das Hotel Miramonti. Das Panorama vom Balkon meines Zimmers ist grandios, vor mir breitet sich die saftig grüne Hügellandschaft der Toskana aus, die wenigen Wolken ziehen Oben: Auf der ersten Tagesetappe folgt man einige Kilometer dem Verlauf des Arno. Linke Seite: Hinweisschilder in Richtung Consuma. Auch die rot-weißen Wegmarkierungen erleichtern das Wandern. 27 beinahe wie im Zeitraffer am tiefblauen Himmel vorbei. Wer genau hinschaut, entdeckt auch schon den Weg, den es in den nächsten Tagen zu beschreiten gilt. Doch zuvor wollen der Hunger gestillt und die geschundenen Beine hochgelagert werden. Bei Carpaccio mit Rucola und Parmesanstreifen und einem Glas Wein genieße ich die beschauliche Ruhe. Nur meine blasenübersäten Füße trüben die Stimmung ein wenig, gut eingelaufene Schuhe und teure Wandersocken sind wohl doch kein Garant für eine schmerzfreie Wanderung. Eine Erfahrung, die wohl schon viele Pilger vor mir machen mussten. Die herrliche 28 Abendstimmung, die ich später noch erleben darf, stimmt mich wieder versöhnlicher. Kurz nach Sonnenuntergang taucht der Vollmond die umliegenden Hügel in ein goldgelbes Licht – ein schönes Motiv, das ich als Fotograf nicht undokumentiert lassen kann. FOTOTIPP: Auf dem Passo della Consuma haben Sie am späten Nachmittag wunderbare Ausblicke ins Tal. Sofern Sie nach der Ankunft am zweiten Etappenziel nicht zu müde sind, wandern Sie noch einige Hundert Meter weiter entlang der Straße Richtung Stia ins Tal. Rechter Hand finden Sie schöne Wiesen und ein fotogenes Panorama der toskanischen Hügellandschaft. Oben: Ländliche Idylle kurz vor dem Anstieg zur Passhöhe Linke Seite: Auf dem ersten Wanderabschnitt zum Passo della Consuma: Weingärten im Morgenlicht 29