Steuerrecht II
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Steuerrecht II
Prof. Dr. Helmuth Wilke Arbeitsmaterialien zur Vorlesung Steuerrecht II Teil 1: Steuerliches Verfahrensrecht Inhaltsübersicht: Gliederung Literaturhinweise Schaubilder Aufgaben Wintersemester 2009/2010 Prof. Dr. Helmuth Wilke HTW Berlin Vorlesung Steuerrecht II:: Gliederung Seite 1 Gliederung I. II. Grundzüge der Abgabenordnung A. Grundlagen 1. Überblick über die AO 2. Begriffsbestimmungen 3. Steuerrechts- und Steuerschuldverhältnis 4. Fristen, Termine, Wiedereinsetzung in den vorigen Stand B. Die Lehre vom Steuerverwaltungsakt 1. Begriff und Arten von Steuerverwaltungsakten 2. Wirksamkeit von Steuerverwaltungsakten 3. Fehlerhafte Steuererwaltungsakte C. Ermittlungsverfahren D. Steuerfestsetzungs- und Feststellungsverfahren 1. Arten der Steuerfestsetzung 2. Einheitliche und gesonderte Feststellung von Besteuerungsgrundlagen E. Festsetzungsverjährung F. Korrekturvorschriften 1. Offenbare Unrichtigkeit 2. Vorbehalt der Nachprüfung,Vorläufigkeit 3. Änderungen nach §§ 172 ff. AO G. Grundzüge des Steuererhebungsverfahren 1. Fälligkeit von Ansprüchen 2. Haftung für fremde Steuerschulden 3. Beitreibung der Steuerschuld H. Außergerichtliches Rechtsbehelfsverfahren (Einspruchsverfahren) 1. Zulässigkeitsvoraussetzungen 2. Prüfung der Begründetheit 3. Einspruchsentscheidung Grundzüge der Finanzgerichtsordnung A. Überblick über die Finanzgerichtsbarkeit B. Das Klagesystem der FGO 1. Die Klagearten im Einzelnen 2. Zulässigkeitsvoraussetzungen C. Die Entscheidung im finanzgerichtlichen Verfahren D. Revision, Beschwerde Prof. Dr. Helmuth Wilke HTW Berlin Vorlesung Steuerrecht II: Literaturauswahl Die folgende Literaturauswahl umfaßt einige wichtige bzw. umfassende Lehrbücher zum steuerlichen Verfahrensrecht. Darüber hinaus existiert eine Reihe weiterer lesenswerter Monographien, Kommentare, Fallsammlungen und nicht zuletzt Aufsätze in Fachzeitschriften und Festschriften, deren Studium beim Erarbeiten der Materie hilfreich sein kann. Auf den Versuch einer vollständigen Angabe wird hier jedoch aus Gründen der Übersichtlichkeit verzichtet. Die Studierenden seien insoweit auf die Lesesäle der Bibliotheken verwiesen. Andrascek-Peter/ Braun/ Friemel/ Schim Lehrbuch Abgabenordnung mit Finanzgerichtsordnung, 16. Auflage, Herne 2008 Ax/ Große/ Cämmerer Abgabenordnung und Finanzgerichtsordnung, „Blaue Reihe“ Bd. 4, 19. Auflage, Stuttgart 2007 Helmschrott/ Schaeberle Abgabenordnung, 13. Auflage, Stuttgart 2006 Lammerding AO und FGO, „Grüne Reihe“ Bd. 2, 15. Auflage, Achim 2005 Tipke/ Lang Steuerrecht, 19. Auflage, Köln 2008 Prof. Dr. Helmuth Wilke HTW Berlin Vorlesung Steuerrecht II: Übersichten Steuerpflichtiger erzielt Einkünfte im Sinne des EStG Steueranspruch entsteht mit Ablauf des Veranlagungszeitraums Aufforderung des FA zur Abgabe der ESt-Erklärung Ermittlungsverfahren Erstellung und Abgabe der ESt-Erklärung durch Stpfl. Ggf. Nachreichen weiterer Belege durch Stpfl. nach Aufforderung des FA Veranlagungsverfahren Feststellung der Besteuerungsgrundlagen durch das FA (ggf. durch gesonderten Bescheid) Feststellungs-/ Festsetzungsverfahren Erhebungsverfahren Absenden des Steuerbescheids durch das FA Steuerbescheid wird dem Stpfl. bekanntgegeben (i.d.R. 3 Tage nach Aufgabe zur Post) Steuer wird durch wirksamen Steuerbescheid festgesetzt Fälligstellen der ESt-Abschlusszahlung durch das FA, meist zusammen mit dem Steuerbescheid Fälligkeit i.d.R. einen Monat nach Bekanntgabe des Steuerbescheids Überweisung der ESt-Abschlusszahlung Steueranspruch erlischt durch Zahlung Prof. Dr. Helmuth Wilke HTW Berlin Abgabe der Steuererklärung (§§149 ff) Vorlesung Steuerrecht II: Übersichten Steuerstraf- und Bußgeldverfahren (§§ 349 - 412) Macht der Stpfl. vorsätzlich falsche Angaben, wird ein Steuerstrafverfahren wegen Steuerhinterziehung eingeleitet, bei leichtfertiger Steuerverkürzung ein Bußgeldverfahren. Zwangsgeldverfahren Ermittlungsverfahren (§ 328 ff) Bestimmte Verwaltungsakte des FA können mit Zwangsmitteln durchgesetzt werden. (§§ 85 ff) Aufgrund der Steuererklärung ermittelt das FA die tatsächlichen und rechtlichen Verhältnisse, die für die Steuerpflicht und die Bemessung der Steuerhöhe maßgebend sind (Besteuerungsgrundlagen). (§ 193 ff) Die Außenprüfung ist ein besonderes Ermittlungsverfahren. Sie dient der intensiven Ermittlung der steuerlichen Verhältnisse „vor Ort“. Festsetzungsverfahren Feststellungsverfahren (§ 155 ff) Im Festsetzungsverfahren setzt das FA den Steueranspruch gegenüber dem Steuerschuldner fest. Außenprüfung (§§ 179 ff, 175 Abs.1 Nr.1) Soweit gesetzlich vorgeschrieben, werden ausnahmsweise Besteuerungsgrundlagen „gesondert“ durch einen eigenen Bescheid festgestellt (Feststellungsbescheid). Dieser sog. Grundlagenbescheid ist für die nachfolgende Steuerfeststellung (Folgebescheid) bindend. Rechtsbehelfsverfahren Bekanntgabeverfahren (§§ 122, 124) Der Steuerbescheid wird gegenüber dem Stpfl. bekanntgegeben. (§ 347 ff) Fühlt sich der Stpfl. durch einen Steuerbescheid oder einen sonstigen Verwaltungsakt in seinen Rechten verletzt, kann er Einspruch einlegen. Korrekturverfahren (§§ 129 ff, 164, 165, 172 ff) Auch außerhalb des Rechtsbehelfsverfahrens besteht die Möglichkeit der Korrektur von Verwaltungsakten. Voraussetzung ist das Eingreifen einer Korrekturvorschrift. Erhebungsverfahren (§ 128 ff) Im Erhebungsverfahren wird der durch den Steuerbescheid festgesetzte Anspruch verwirklicht. Die Steuer wird entrichtet. Haftungsverfahren (§§ 69 ff, 191, 219) Wenn eine Haftungsnorm greift, kann das FA auch andere Personen als den Steuerschuldner zur Zahlung der Steuerschuld durch Haftungsbescheid heranziehen. Vollstreckungsverfahren wegen Geldforderungen (§§ 249ff, 259-327) Zahlt der Stpfl. nicht, kann in sein Vermögen vollstreckt werden. Prof. Dr. Helmuth Wilke HTW Berlin Vorlesung Steuerrecht II: Übersichten Aufbau der Abgabenordnung Erster Teil §§ 1 – 32 AO Einleitende Vorschriften Anwendungsbereich, Begriffsabgrenzungen, Zuständigkeit, Steuergeheimnis Zweiter Teil §§ 33 – 77 AO Steuerschuldrecht Allg. Vorschriften über die Entstehung von Steueransprüchen; Bestimmungen über steuerbegünstigte Zwecke Dritter Teil § 78 – 133 AO Allgemeine Verfahrensvorschriften Beteiligte am Verfahren, Beweiserhebung, Fristen und Termine, Rechts- und Amtshilfe, Steuerverwaltungsakte Vierter Teil §§ 134 – 217 AO Durchführung der Besteuerung Erfassung der Steuerpflichtigen, Mitwirkungspflichten, Buchführung, Abgabe der Steuererklärungen, Festsetzung durch Bescheide, besondere Feststellung von Besteuerungsgrundlagen, Außenprüfung, Steuerfahndung Fünfter Teil §§ 218 – 248 AO Erhebungsverfahren Realisierung des Steueranspruchs durch die Finanzbehörde, Fälligkeit, Zahlung, Stundung, Aufrechnung, Erlass, Verzinsung Sechster Teil §§ 249 – 346 AO Vollstreckung Möglichkeiten zur Durchsetzung von Verwaltungsakten, mit denen eine Geldleistung oder ein sonstiges Verhalten vom Stpfl. gefordert wird Siebenter Teil §§ 347 – 368 AO Außergerichtliches Rechtsbehelfsverfahren Einspruch als Rechtsschutzmöglichkeit des Stpfl., bevor er Klage beim FG erhebt. Achter Teil § 369 – 412 AO Straf- und Bußgeldvorschriften Straf- und Bußgeldverfahren Steuerstrafrecht, Steuerbußgeldvorschriften sowie die entsprechenden Verfahrensvorschriften Neunter Teil §§ 413 – 415 AO Schlussvorschriften Erfassung der Steuerpflichtigen, Mitwirkungspflichten, Buchführung, Abgabe der Steuererklärungen, Festsetzung durch Bescheide, besondere Feststellung von Besteuerungsgrundlagen, Außenprüfung, Steuerfahndung Prof. Dr. Helmuth Wilke HTW Berlin Vorlesung Steuerrecht II: Übersichten Steueranspruch Entstehung Festsetzung fallen grundsätzlich zeitlich auseinander Fälligkeit können sich ausnahmsweise zeitlich decken Erlöschen von Steueransprüchen § 47 AO durch Erfüllung oder Leistung an Erfüllungs Statt ohne Erfüllung Zahlung § 224 AO Aufrechnung § 226 AO vor Festsetzung nach Festsetzung: Billigkeitserlass § 163 AO Billigkeitserlass § 227 AO Festsetzungsverjährung § 169 AO Zahlungsverjährung § 228 AO Prof. Dr. Helmuth Wilke HTW Berlin Vorlesung Steuerrecht II: Übersichten Fristarten behördliche Fristen (durch Verwaltungsakt) gesetzliche Fristen (z.B. Einspruchsfrist) Steuererklärungsfrist § 149 AO Zahlungsfrist, § 220 AO verlängerbar durch: Stundung Aussetzung der Vollziehung verlängerbar § 109 AO nicht verlängerbar aber Wiedereinsetzung in den vorigen Stand § 110 AO Prof. Dr. Helmuth Wilke HTW Berlin Vorlesung Steuerrecht II: Übersichten Funktionen und Wirkungen des VA Konkretisierungsfunktion Titelfunktion Bindungswirkung Bestandskraft Eröffnung eines formellen Rechtsschutzverfahrens Verwaltungsakt Inhalt Form schriftlich, mündlich, in anderer Weise § 119 Abs. 2 AO Bestimmtheit § 119 Abs.1 AO Begründung § 121 Abs.1 AO u.U. Unterschrift, erlassende Behörde § 119 Abs. 3 AO Prof. Dr. Helmuth Wilke HTW Berlin Vorlesung Steuerrecht II: Übersichten Der fehlerhafte VA Grundsatz: Ausnahme: Nichtigkeit § 125 AO Fehlerhafte VAs sind wirksam! Einzelne Nichtigkeitsgründe § 125 Abs. 2 AO offenkundiger, schwerer Fehler § 125 Abs. 1 AO Ein VA bleibt wirksam, bis er zurückgenommen, widerrufen, aufgehoben wird. § 124 Abs. 2 AO Rücknahme rechtswidriger VAs § 130 AO Widerruf rechtmäßiger VAs § 131 AO Aufhebung von Steuerbescheiden § 164, § 165 AO §§ 172 AO ff Prof. Dr. Helmuth Wilke HTW Berlin Vorlesung Steuerrecht II: Übersichten Steuerverwaltungsakte § 118 AO nicht-begünstigende Steuerverwaltungsakte Bescheide sonstige Bescheide Haftungsbescheide Duldungsbescheide Korrekturbescheide Steuerbescheide und diesen gleichgestellte Bescheide Steuerbescheide Steueranmeldungen Feststellungsbescheide Steuermessbescheide Freistellungsbescheide Zinsbescheide Zerlegungsbescheide Bescheide über Ablehnung einer Steuerfestsetzung Zuteilungsbescheide Änderungsbescheide bzgl. obiger Bescheide begünstigende Steuerverwaltungsakte sonstige nicht-begünstigende Steuerverwaltungsakte konstitutive Steuerverwaltungsakte Zwangsgeldfestsetzung Festsetzung von Verspätungszuschlägen Prüfungsanordnung Ablehnung von begünstigenden konstitutiven Verwaltungsakten Korrektur der o.a. Verwaltungsakte zu Ungunsten deklaratorische Steuerverwaltungsakte Leistungsgebot Abrechnungsbescheid Korrektur der o.a. Verwaltungsakte zu Ungunsten Stundung Erlass Fristverlängerung Aufhebung eines nichtbegünstigenden Verwaltungsakts Prof. Dr. Helmuth Wilke HTW Berlin Vorlesung Steuerrecht II: Übersichten Steuerbescheid Muss-Erfordernisse Soll-Erfordernisse Form des Steuerbescheids: § 157 Abs. 1 AO i.d.R. Schriftform Rechtsbehelfsbelehrung § 157 Abs. 1 AO; an sich Mussvorschrift, aber: § 356 Abs. 2 AO Steuerschuldner § 157 Abs. 1 AO, § 119 AO; bei Fehlen oder Falschbezeichnung: Nichtigkeit § 125 Abs. 1 AO Begründung: keine Sondervorschrift, Rückgriff auf § 121 AO; Ausnahme: § 121 Abs. 2 AO; Heilung: § 126 Abs. 1 Nr. 2 AO Steuerschuld nach Art und Betrag § 157 Abs. 1 AO; ggf. Steuerjahr § 119 Abs. 1 AO Leistungsgebot = i.d.R. eigener VA, der mit Steuerbescheid verbunden § 254 AO; bei Fehlen: § 220 Abs. 2 AO und § 229 Abs. 2 AO erlassende Behörde § 119 Abs. 3 AO; bei Fehlen: Nichtigkeit § 125 Abs. 2 Nr. 1 AO nach: Ax, R. / Große, Th. / Cämmerer, J., Abgabenordnung und Finanzgerichtsordnung, Stuttgart, 18. Auflage 2003, S. 308 Prof. Dr. Helmuth Wilke HTW Berlin Vorlesung Steuerrecht II: Übersichten Folgen der Fristversäumnis Verspätungszuschlag (§ 152 AO) Säumniszuschlag (§ 240 AO) Zinsen (§§ 233 bis 237 AO) Zwangsgeld (§ 329 AO) Der Verspätungszuschlag darf 10% der festgesetzten Steuer nicht überschreiten und höchstens 25.000 € betragen. Der Säumniszuschlag beträgt 1% für jeden angefangenen Monat der Säumnis. Der rückständige Steuerbetrag ist auf volle 50 € abzurunden. Die Zinsen betragen 0,5% für jeden vollen Monat des Zinslaufs. Der zu verzinsende Betrag ist auf volle 50 € abzurunden. Das Zwangsgeld darf im Einzelnen 25.000 € nicht übersteigen. § 233 a AO Erstattungs- u. Nachzahlungszinsen z.B. ESt 2007: Beginn: 01.04.2009 Ende: Bekanntgabe des Steuerbescheids 2007 nach: Bornhofen, M. / Busch, M., Steuerlehre 1, Wiesbaden, 26. Auflage 2005, S. 68 Prof. Dr. Helmuth Wilke HTW Berlin Vorlesung Steuerrecht II: Übersichten Zinsen zwingend, Höhe 0,5 % der Steuer je vollen Monat = 900 € Zinslauf April bis Dezember Verspätungszuschlag nicht zwingend; maximal 10 % der Steuer = 2.000 € Entstehung der ESt 01 i.H.v. 20.000 € 31.12.01 Ende der Erklärungsfrist § 149 Abs.2 AO 02.06.02 (31.05.02 ist ein Sonnabend) Abgabe der ESt-Erklärung 10.10.02 Beginn Zinslauf 01.04.03 (15 Monate nach Entstehung der Steuer, § 233a Abs.2 AO) FA gibt Steuerbescheid zur Post Zinslauf 29.12.03 Säumniszuschlag zwingend, Höhe 1% der Steuer je angef. Monat = 1.000 € (da 5. Monat bereits begonnen) Bekanntgabe des Steuerbescheids Fälligkeit der ESt Zinslauf 01.01.04 (Feiertag; dennoch keine Verlegung, da kein Fristende!) 02.02.04 (01.02.04 ist ein Sonntag) Zahlung der ESt 05.06.04 Prof. Dr. Helmuth Wilke HTW Berlin Vorlesung Steuerrecht II: Übersichten Prüfungsschema „Wiedereinsetzung in den vorigen Stand“ anhand des Beispiels „Rechtsbehelfsfrist“ Ende der Rechtsbehelfsfrist am .......... Versäumung der Frist ? nein zulässig ja unzulässig § 358 AO ja Schuldhaftes Versäumnis durch - Steuerpflichtigen selbst oder - Vertreter ? nein Wegfall des Hinderungsgrundes am .......... Ende der Monatsfrist des § 110 Abs. 2 AO (§ 108 AO, §§ 187, 188 BGB) am .......... Antrag auf Wiedereinsetzung mit Begründung und Nachholung des versäumten Rechtsbehelfs innerhalb der Monatsfrist des § 110 Abs. 2 AO ja Nachholung innerhalb der Jahresfrist nach § 110 Abs. 3 AO ja zulässig nein unzulässig § 358 AO nein unzulässig, sofern nicht ggf. Wiedereinsetzung für Versäumnis der Monatsfrist des § 110 Abs. 2 AO in Betracht kommt Prof. Dr. Helmuth Wilke HTW Berlin Vorlesung Steuerrecht II: Übersichten Arten der Steuerfestsetzung Endgültige Ermittlung von Besteuerungsgrundlagen und Steuerfestsetzung in einem einheitlichen Verfahren Ermittlung von Besteuerungsgrundlagen und Steuerfestsetzung unter dem Vorbehalt der Nachprüfung Vorläufige Steuerfestsetzung (einfacher) Steuerbescheid (mit uneingeschränkter Bestandskraft) (§§ 155, 157 AO) Steuerbescheid unter Nachprüfungsvorbehalt (§§ 164, 168 AO) Vorläufiger Steuerbescheid (§ 165 AO) Steuerbescheide mit eingeschränkter Bestandskraft nach: Rose, G., Grundzüge des Besteuerungsverfahrens, Wiesbaden, 3. Auflage 1995, S. 61 Prof. Dr. Helmuth Wilke HTW Berlin Vorlesung Steuerrecht II: Übersichten Beziehungen zwischen Grundlagen- und Folgebescheiden Einheitliche und gesonderte Feststellung des Gewinns der (Beteiligungs-) Personengesellschaft EW-Bescheide für Betriebsgrundstücke Gewerbesteuermessbescheid Gew.ertrag MB Gew.E GewStZerlegungsbescheid Gewerbesteuerbescheid der Gemeinde A Gewerbesteuerbescheid der Gemeinde B Prof. Dr. Helmuth Wilke HTW Berlin Vorlesung Steuerrecht II: Übersichten Systematik der Rechtsbehelfe im Besteuerungsverfahren Rechtsbehelfe außerordentliche Rechtsbehelfe (formlos, fristlos, kostenfrei) Gegen vorstellung Dienstaufsichtsbeschwerde Außergerichtliche (kostenfrei) Einspruch Außergerichtliches Rechtsbehelfsverfahren als Vorverfahren ordentliche Rechtsbehelfe (förmlich, fristgebunden) Beschwerde Sprungklage mit Zustimmung der Finanzverwaltung Verfassungsgerichtliche (kostenfrei) Finanzgerichtliche (kostenpflichtig) Klage beim FG Klage Rechtsmittel beim BFH Revision Normenkontrollklage Gerichts beschwerde Verfassungs beschwerde Prof. Dr. Helmuth Wilke HTW Berlin Vorlesung Steuerrecht II: Übersichten Zulässigkeitsvoraussetzungen des Einspruchs Statthaftigkeit Einspruch ist nur gegen die in § 347 AO genannten Verwaltungsakte statthaft; insbesondere darf er nicht nach § 348 AO ausgeschlossen sein. Formerfordernis Der Einspruch muß gem. § 357 AO schriftlich und bei der Behörde eingelegt werden, die den angefochtenen Verwaltungsakt erlassen hat. Er soll den angefochtenen Verwaltungsakt erkennen lassen und begründet sein. Fristeinhaltung Der Einspruch muß innerhalb eines Monats nach Bekanntgabe des Verwaltungsakts erfolgen. Die Frist verlängert sich auf 1 Jahr, wenn der angefochtene Verwaltungsakt schriftlichen ergangen ist und keine Rechtsbehelfsbelehrung enthalten war. Beschwer Nur wer geltend macht, durch den angefochtenen Verwaltungsakt in seinen (eigenen) Rechten verletzt zu sein, ist befugt, Einspruch einzulegen (§§ 350353 AO). Im Regelfall ist dies der Adressat des angefochtenen Verwaltungsaktes. Klagearten Anfechtungsklage (gerichtet auf Aufhebung oder Änderung von Verwaltungsakten) Feststellungsklage (gerichtet auf Feststellung eines Rechtsverhältnisses oder auf Feststellung der Nichtigkeit eines Verwaltungsaktes) Leistungsklage Verpflichtungsklage (gerichtet auf Erlass eines bestimmten Verwaltungsaktes durch das Finanzamt) allgemeine Leistungsklage (gerichtet auf andere Leistung als Verwaltungsakt) Prof. Dr. Helmuth Wilke HTW Berlin Klagearten Vorlesung Steuerrecht II: Übersichten Anfechtungsklage (§ 40 Abs. 1 FGO Verpflichtungsklage (§ 40 Abs.1 FGO) Leistungsklage (§ 40 Abs. 1 FGO) Feststellungsklage (§ 41 Abs. 1 FGO) Untätigkeitsklage (§ 46 Abs. 1 FGO) Voraussetzungen Abschluß des Vorverfahrens (§ 44 Abs. 1 FGO) Abschluß des Vorverfahrens (§ 44 Abs. 1 FGO) Kein Vorverfahren Kein Vorverfahren; grundsätzlich subsidiär (§ 41 Abs. 2 FGO) Einleitung des Vorverfahrens (§ 46 Abs. 1 S. 1 FGO) Ziel Aufhebung oder Änderung eines Verwaltungsaktes Verurteilung der Behörde zum Erlaß eines abgelehnten oder unterlassenen Verwaltungsaktes Verurteilung der Behörde zu einer anderen Leistung, die nicht in einem Verwaltungsakt besteht („schlichtes Verwaltungshandeln“) Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens eines Rechtsverhältnisses oder Feststellung der Nichtigkeit eines Verwaltungsaktes Wie bei Anfechtungs- oder Verpflichtungsklage Aufhebung des VA und der Entscheidung des Vorverfahrens (§ 100 Abs. 1, 3 FGO) oder anderweitige Festsetzung des Geldbetrags oder entsprechende Feststellung (§ 100 Abs. 2 FGO) Verurteilung der Behörde, den begehrten VA zu erlassen (§ 101 Satz 1 FGO) oder Verurteilung der Behörde, den Kläger unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu bescheiden (§ 101 Satz 2 FGO) Verurteilung der Behörde zu einer Leistung Ausspruch der begehrten Feststellung Entsprechend Anfechtungs- oder Verpflichtungsklage Entscheidung bei Begründetheit Prof. Dr. Helmuth Wilke HTW Berlin Vorlesung Steuerrecht II Revisionsgründe § 115 FGO Grundsatzrevision (Abs. 2 Nr. 1) Divergenzrevision (Abs. 2 Nr. 2) Verfahrensrevision (Abs. 2 Nr. 3) Prof. Dr. Helmuth Wilke HTW Berlin Vorlesung Steuerrecht II Fallsammlung Fall 1 Grundlagen Steuerschuldrecht Erläutern Sie allgemein den Unterschied zwischen dem Entstehen eines Steueranspruchs, der Festsetzung und der Fälligkeit der Steuer. Geben Sie anschließend ein Beispiel anhand einer beliebigen Steuerart. Fall 2 Grundlagen Verwaltungsakt Prüfen Sie, ob Sie in den folgenden Fällen das Merkmal des Verwaltungsaktes „Rechtswirkung nach außen“ und „Regelung eines Einzelfalls“ feststellen können: 1. Ein Steuerbescheid wird dem Stpfl. A bekanntgegeben. 2. Ein Finanzbeamter beantwortet die Frage eines Stpfl. nach den verschiedenen AfA-Möglichkeiten für ein Wohnhaus. 3. Ein Steuerpflichtiger wird aufgefordert, wegen Überschreitung der Umsatzgrenzen (§ 141 Abs.1 AO) zukünftig seinen Gewinn durch Betriebsvermögensvergleich zu ermitteln (141 Abs.2 S.1 AO). 4. Ein Stpfl. erhält einen Betriebsprüfungsbericht übersandt (§ 202 AO). 5. Der Senator für Finanzen weist die Finanzämter an, einem bestimmten Steuerberater grundsätzlich keine Fristverlängerung zu gewähren. Fall 3 Wirksamkeit von Steuerfestsetzungen Beurteilen Sie die Wirksamkeit der folgenden Verwaltungsakte. Unterscheiden Sie zwischen Nichtigkeit und Rechtswidrigkeit! 1. Das Forstamt Oranienburg erläßt einen ESt-Bescheid gegen Mauke. 2. Finanzbeamter Dröge gibt telefonisch einen ESt-Bescheid durch. 3. Das Finanzamt München erläßt einen ESt-Bescheid gegen Knallke, obwohl dessen ESt-Erklärung nicht unterschrieben war. 4. In einem (ansonsten vollständigen) ESt-Bescheid fehlt die Angabe des Veranlagungszeitraumes. Fall 4 Rücknahme und Widerruf Das FA hatte dem in wirtschaftliche Schwierigkeiten geratenen Steuerschuldner Neffke die EStAbschlusszahlung unter dem Vorbehalt des Widerrufs gestundet. Lt. Stundungsverfügung sollte er die offene Steuer in 6 gleichen Monatsraten entrichten. Da Neffke die erste Rate verspätet und die zweite Rate gar nicht mehr zahlte, hebt das FA die Stundungsverfügung mit Wirkung ab ursprünglicher Fälligkeit auf. Zu Recht? Wie wäre die Lösung, wenn Neffke im Stundungsantrag falsche Angaben zur Stundungsbedürftigkeit gemacht hätte? Prof. Dr. Helmuth Wilke HTW Berlin Fall 5 Vorlesung Steuerrecht II Fristberechnung 1. Die Finanzkasse stellt die Einkommensteuer-Abschlußzahlung 01 eines Steuerpflichtigen zum 10.09.02 fällig. a) Liegt eine - gesetzliche oder behördliche - Zahlungsfrist oder ein Termin vor? b) Darf der Steuerpflichtige zulässigerweise noch später bezahlen, wenn der 10.09.02 ein Samstag ist? 2. Wann läuft in den folgenden Fällen die Einspruchsfrist gem. § 355 AO ab? a) Dem Steuerpflichtigen C gilt als am Sonntag, dem 08.10.02 der ESt-Bescheid 02 als bekanntgegeben. b) Die Steuerpflichtige K erhält ihren ESt-Bescheid 01 am Mittwoch, dem 01.03.02. Der EStBescheid wurde vom FA am Montag, den 28.02.02 zur Post gegeben (Datum des Poststempels). Das Jahr 01 ist kein Schaltjahr. Fall 6 Wiedereinsetzung in den vorigen Stand Schmidt aus Berlin wird am Dienstag, den 03.10.08 aufgrund einer akuten Erkrankung ins Krankenhaus eingewiesen. Am Samstag, 11.11.08, wird er als geheilt nach Hause entlassen. Nach flüchtiger Durchsicht seiner Post nimmt er am Montag, 13.11.08, für 3 Tage Urlaub, um seine Tochter in München zu besuchen. Ab Donnerstag, 16.11.08 arbeitet er wieder. Am Freitag, dem 15.12.08 geht beim Finanzamt sein Einspruch gegen den ESt-Bescheid 07 ein, den dieses am Donnerstag, den 31.08.08 mit einfachem Brief zur Post gegeben hatte. Schmidt macht in dem Schreiben den oben beschriebenen Sachverhalt glaubhaft, indem er die Krankheitsbescheinigung vom 03.10. und den Krankenhausentlassungsschein beifügt, und stellt Antrag auf Wiedereinsetzung. Wie wird das FA über den Antrag entscheiden? Fall 7 Verspätungs- und Säumniszuschläge Prüfen Sie, inwieweit Verspätungs- bzw. Säumniszuschläge erhoben werden können: 1. Abgabe der USt-Voranmeldung am 09.05.01 für den Monat April 01; Zahlungseingang beim Finanzamt am 20.05.01. Höhe der Zahllast 5.000 €. 2. Abgabe der USt-Voranmeldung am 24.05.01 für den Monat April 01; Zahlungseingang beim Finanzamt am 17.06.01. Höhe der Zahllast 5.000 €. Prof. Dr. Helmuth Wilke HTW Berlin Fall 8 Vorlesung Steuerrecht II Vorläufige und Vorbehaltsfestsetzungen Stehen die folgenden Festsetzungen kraft Gesetz unter dem Vorbehalt der Nachprüfung bzw. können sie unter diesem Vorbehalt (Ermessensvorbehalt) gestellt werden, oder ist ein Vorbehalt nicht möglich? 1. LSt-Anmeldung Januar 09 2. USt-Vorauszahlungsbescheid 3. Gewerbesteuermessbescheid 4. ein wegen ungeklärter Eigentumsverhältnisse gem. § 165 AO zum Teil vorläufiger ErbSt-Bescheid 5. ein ESt-Bescheid, der aufgrund einer Betriebsprüfung ergeht Fall 9 Grundlagenbescheid Nennen Sie drei Beispiele für Grundlagenbescheide. Fall 10 Festsetzungsfrist 1. Erläutern Sie den Begriff "Ablaufhemmung" und geben Sie ein Beispiel. 2. Bestimmen Sie Beginn, Dauer und Ende der Festsetzungsfrist in den folgenden Fällen. a) Die gesetzlich vorgeschriebene ESt-Erklärung für den Veranlagungszeitraum 2007 geht in 2009 beim Finanzamt ein. b) Ein Steuerpflichtiger hat im Jahr 2003 neben lohnsteuerpflichtigen Einkünften i.H.v. 26.000 DM ausnahmsweise auch Einkünfte i.H.v. 1.400 DM gehabt, die der LSt nicht unterworfen waren. Eine ESt-Erklärung hat er für 2003 aus Unkenntnis der rechtlichen Situation nicht abgegeben. Eine Veranlagung erfolgte bisher nicht. c) Die Frist für eine ESt-Festsetzung würde am 31.12.2008 ablaufen. Am 12.12.2008 wird mit einer Außenprüfung begonnen. Durch die Außenprüfung ergibt sich eine Mehrsteuer von 2.760 DM, die durch einen Steuerbescheid festgesetzt wird, den das zuständige FA am 21.4.2009 bei der Post aufgibt. Der Steuerpflichtige legt gegen den Bescheid keinen Rechtsbehelf ein. Prof. Dr. Helmuth Wilke HTW Berlin Fall 11 Vorlesung Steuerrecht II Änderungsvorschriften Eine hinsichtlich der Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung vorläufige, ansonsten endgültige Einkommensteuerfestsetzung gegen Pappke ändert das Finanzamt durch einen (wirksamen!) Änderungsbescheid, weil der zuständige Finanzbeamte bei der Veranlagung aufgrund eines Rechtsirrtums bestimmte Zinseinnahmen als steuerfrei einstufte. 1. Prüfen Sie, ob die Änderung auf § 165 AO, § 172 AO oder § 173 AO gestützt werden kann. 2. Wozu würden Sie Pappke im Fall der Rechtswidrigkeit des Änderungsbescheids raten? Fall 12 Änderungsvorschriften Der Prüfer hat in 03 bei seiner Außenprüfung bezüglich der in 02 unter dem Vorbehalt der Nachprüfung festgesetzten Einkommensteuer für das Jahr 01 bei Mauke nichts gefunden. Das Finanzamt teilt Mauke daher mit, daß die Prüfung keine Änderung der ESt 01 erbracht habe. Im Jahr 04 wird dem Finanzamt bekannt, daß ein Teil der von Mauke angegebenen Betriebsausgaben nicht abzugsfähig waren. Das Finanzamt ändert daraufhin die Festsetzung mit Hinweis auf §§ 164, 173 AO. Ist dies zulässig? Hinweis: Eine Steuerverkürzung oder -hinterziehung durch Mauke ist nicht anzunehmen. Fall 13 Änderungen nach §§ 172, 173 AO Olaf O. hat nach mehrmaliger Aufforderung durch das Finanzamt am 31.03.08 die ESt-Erklärung für das Jahr 01 abgegeben. Am 27.12.08 gibt das Finanzamt den ESt-Bescheid 01, in dem erklärungsgemäß eine Steuer von 10.000 € festgesetzt wird, zur Post. Am 5. Januar fällt Olaf auf, dass er Sonderausgaben nicht erklärt hatte, bei deren Berücksichtigung die Steuer lediglich in Höhe von 9.000 € hätte festgesetzt werden dürfen. Wie entscheidet das FA, wenn Olaf 1. am 10.01.09 Einspruch einlegt (alternativ: Antrag auf schlichte Änderung stellt); 2. am 10.02.09 Einspruch einlegt (alternativ: Antrag auf schlichte Änderung stellt); 3. am 10.02.09 eine Änderung der Steuerfestsetzung nach § 173 AO beantragt? Fall 14 Varianten des § 172 AO Claire Grube hat einen Steuerbescheid erhalten. In diesem Steuerbescheid sind (unstrittige) geleistete Spenden mit einer steuerlichen Auswirkung iHv 1.000 € nicht berücksichtigt worden. Claire ruft daher ihren Sachbearbeiter Hacke an und fragt, ob man die Angelegenheit nicht ohne großes Aufsehen erledigen und die Sonderausgaben einfach zusätzlich ansetzen könne. Hacke meint, Claire habe genug Geld und könne ja ihren StB fragen. Dieser legt Ihnen den SV zur Vorbereitung vor. Nehmen Sie für den o.a. Grundsachverhalt Stellung zu den nachfolgenden Varianten: 1. Claire legt einen zulässigen Einspruch ein, die Spenden sind unstrittig, jedoch war das Finanzamt bei der Einkommensteuer-Festsetzung recht großzügig. Bisher abgezogene „Werbungskosten“ mit einer steuerlichen Auswirkung iHv 2.000 € könnten vom Finanzamt rechtmäßig versagt werden. 2. Hinsichtlich der Werbungskosten wie 1. aber Claire ruft innerhalb der Rechtsbehelfsfrist beim FA an, die Spenden wurden bisher nicht erklärt. Prof. Dr. Helmuth Wilke HTW Berlin Vorlesung Steuerrecht II 3. Die Steuerfestsetzung ist im Übrigen in Ordnung (also auch die WK), lediglich die Spenden wurden nicht angesetzt und Claire ruft innerhalb der Rechtsbehelfsfrist an. 4. Die Steuerfestsetzung ist im Übrigen in Ordnung (also auch die WK), Claire ruft außerhalb der Rechtsbehelfsfrist an, bzw schreibt dem Finanzamt, die Spenden wurden innerhalb der Steuererklärung erklärt, vom FA abgehakt, aber aus Versehen nicht in der Eingabemaske am PC eingegeben. 5. Die Steuerfestsetzung ist im Übrigen in Ordnung (also auch die WK), Claire ruft außerhalb der Rechtsbehelfsfrist an, bzw schreibt dem Finanzamt, die Spenden wurden nicht erklärt. Fall 15 Offenbare Unrichtigkeit? Die Steuerpflichtige M erhielt am 03.02.2009 den endgültigen ESt-Bescheid für 2007. Am 07.04.2009 schreibt sie an das FA: „Gegenden ESt-Bescheid für 2007 lege ich Einspruch ein; meine Einnahmen aus Kapitalvermögen betragen nicht wie erklärt 32.400 €, sondern 23.400 €. Der Zahlendreher ist mir erst bei der Durchsicht der Steuererklärung aufgefallen. Ich bitte diese Unrichtigkeit nach § 129 AO zu berichtigen.“ Wie wird das FA entscheiden? Fall 16 Mitänderung materieller Fehler Das Finanzamt Königs Wusterhausen hat Meiers ESt für 2006 auf 8.000 € am 20.10.2007 festgesetzt. Hinsichtlich der Einkünfte aus VuV wurden die Einkünfte vorläufig festgesetzt. Nachdem die Ungewißheit geklärt war, änderte das FA am 10.03.2009 die Steuerschuld auf 10.000 €. Meier legte am 15.03.2009 Einspruch ein und trägt vor, das FA möge Lebensversicherungsbeiträge, die bisher nicht erklärt waren, nachträglich berücksichtigen (Belege wurden beigefügt; steuerliche Auswirkung 1.200 €, alternativ 3.000 €). Prüfen Sie, ob und ggf. wieweit das FA dem Einspruch stattgeben wird. Fall 17 Geschäftsführerhaftung Geschäftsführer Schmidt der X-GmbH hat ab Mai 2008 USt weder angemeldet noch entrichtet. Er tat dies, um mit den noch vorhandenen Mitteln allein Lieferantenverbindlichkeiten zu begleichen, um so den notleidenden Betrieb und die Arbeitsplätze zu retten. Haftet Schmidt für die USt-Schulden der X-GmbH? Prof. Dr. Helmuth Wilke HTW Berlin Fall 18 Vorlesung Steuerrecht II Haftung bei Betriebsübernahme B kauft von A am 01.01.2009 dessen Einzelhandelsgeschäft. Bei einer Außenprüfung in 2009 wird festgestellt, daß für den Monat Dezember des Jahres 2007 in 2008 zu wenig USt angemeldet und entrichtet wurde. 1. Haftet B für die USt, wenn der Änderungsbescheid in 2009 zugeht? 2. Wie ist zu entscheiden, wenn es sich um die USt aus Januar 2008 handelt und der Änderungsbescheid in 2010 zugeht? Fall 19 Verschiedene Haftungstatbestände Gans (G) ist der alleinige Erbe seines am 01.11.2009 verstorbenen Vaters Helmut Hahn. Hahn (H) war Geschäftsführer und zusammen mit dem ehemaligen Steuerberater Vogel (V) Gesellschafter der X-GmbH gewesen. V war von der GmbH beauftragt worden, die Bücher der Gesellschaft zu führen sowie die Jahresabschlüsse und die Steuererklärungen zu erstellen. G verlangt Einsicht in die Geschäfte und stellt nach Ablauf der Frist zur Ausschlagung der Erbschaft (§§ 1942 ff. BGB) zu seinem Entsetzen fest, dass Kunden jahrelang betrogen und Bilanzen sowie Steuererklärungen von H und V bewusst zu ihrem finanziellen Vorteil frisiert worden sind. Da G mit dem nichts zu tun haben will, wendet er sich auf Anraten seines Anwaltes an das Finanzamt mit der Bitte um Aufklärung und Unterstützung. Gegen V erstattet er Strafanzeige. Eine unter tätiger Mithilfe des G sofort durchgeführte Fahndungsprüfung bringt umfangreiche, bisher nicht erkannte, steuerlich relevante Sachverhalte an den Tag. Danach hat die GmbH u.a. Umsatzsteuer, die bis zum 01.11.2009 entstanden war, in Höhe von 50.000 € weder erklärt noch bezahlt. Daneben melden sich in zunehmendem Maße andere Gläubiger mit Forderungen gegen die Gesellschaft. Das Vermögen der GmbH wird aller Voraussicht nach nicht ausreichen, die gesamten Forderungen zu befriedigen. 1. Haftet G für die Steuerschulden der GmbH? 2. Haftet V für die Steuerschulden der GmbH? 3. Welchen der Schuldner kann das Finanzamt in Anspruch nehmen? Fall 20 Voraussetzungen des Einspruchs S erhält am Dienstag, den 01.09.2009 seinen Einkommensteuerbescheid für 2008, den das zuständige Finanzamt Finsterwalde am 31.08.2009 per einfachem Brief zur Post gegeben hatte. Statt sich mit dem Bescheid näher zu befassen, fuhr S erst einmal 3 Wochen in Urlaub. Erst am Montag, den 03.10.2009 holte S den Bescheid wieder hervor und stellte fest, dass das Finanzamt rechtsirrtümlich Werbungskosten aus Vermietung und Verpachtung nicht berücksichtigt und dadurch eine zu hohe Steuer festgesetzt hatte. Sofort verfasste er folgendes Schreiben, das das Finanzamt nachweislich am 04.10.2009 erhielt: „Gegen meinen Einkommensteuerbescheid vom 31.08.2009 erhebe ich hiermit Widerspruch, denn die von mir geltend gemachten Werbungskosten aus Vermietung & Verpachtung wurden rechtsirrtümlich nicht berücksichtigt” (wird näher ausgeführt). Prof. Dr. Helmuth Wilke HTW Berlin Vorlesung Steuerrecht II S nannte in dem Schriftstück seine korrekte Anschrift und Steuernummer, vergaß aber zu unterschreiben. Prüfen Sie, ob das Schreiben vom 03.10.2009 einen zulässigen Rechtsbehelf gegen den Einkommensteuerbescheid für 2008 darstellt. Hierbei ist kurz, aber erschöpfend auf folgende Punkte einzugehen: - Statthaftigkeit - Beschwer - Form - Frist Fall 21 Anfechtungsklage, Zulässigkeitsvoraussetzungen Die Eheleute M erheben mit dem Schriftsatz vom 10.09.2009 Klage wegen der Einkommensteuerbescheide 2005, 2006 und 2007. Die Einkommensteuerbescheide 2005 und 2006 stammen vom 10.04.2007, die zusammengefasste Einspruchsentscheidung vom 20.08.2009. Der Einkommensteuerschätzungsbescheid 2007 trägt das Datum 09.05.2008. Der Einspruch gegen ihn, der nicht begründet wurde, ist ebenfalls am 20.08.2009 zurückgewiesen worden. Die Eheleute beantragen, bei der Einkommensteuer 2005 die vom Beklagten abgelehnten Werbungskosten, und bei der Einkommensteuer 2006 die noch zu benennenden Aufwendungen steuermindernd zu berücksichtigen. Sie beantragen, den Schätzungsbescheid für 2007 aufzuheben, weil es sich dabei um eine grob überzogene, nicht an Tatsachen orientierte Schätzung handele (was zutrifft). Sind die Klagen zulässig? Fall 22 Fortsetzungs-Feststellungsklage In der Firma des E fand vom 01.09. bis zum 03.09.2009 eine Betriebsprüfung statt. Die Betriebsprüfungsanordnung erreichte E am 01.05.2009. Eine Prüfung für die Jahre 2005 bis 2007 wurde darin angeordnet. Hiergegen legte er am 10.05.2009 Einspruch ein, weil er die Betriebsprüfungsanordnung für rechtswidrig hielt. Die Einspruchsentscheidung erging am 30.06.2009. Am 15.07.2009 erhob E bei dem Finanzgericht Klage. Während der Betriebsprüfung kam es zu folgenden Vorfällen: Der Betriebsprüfer stellte zufällig fest, dass E den Jahresabschluss 2008 bereits fertig gemacht hatte. Da er ohnehin in dem Archiv der Firma E saß und somit Zugriff auf alle Belege und die Buchhaltung für 2008 hatte, erweiterte er stillschweigend seine Prüfung auf diesen Zeitraum. Bei seiner Prüfung fand der Betriebsprüfer einige Belege, die ihm aufgrund seiner Lebenserfahrung als zweifelhaft erschienen. Ohne E zu informieren, richtete das Finanzamt, dem der Betriebsprüfer angehörte, am 05.09.2009 drei Auskunftsersuchen an die Geschäftspartner von E und bat darin um Aufklärung, welche Sachverhalte den Rechnungen zugrunde lagen. Einer der Angesprochenen brach daraufhin seine Geschäftsbeziehung zu E ab. Die Prüfung brachte für die gesamten Zeiträume 2005 bis 2008 ein erhebliches Mehrergebnis. E fragt um Rat. Welche Ratschläge können Sie ihm geben? Prof. Dr. Helmuth Wilke HTW Berlin Fall 23 Vorlesung Steuerrecht II Nichtzulassungsbeschwerde Die M GmbH hat für das Jahr 2007 keine Steuererklärung abgegeben. Das Finanzamt setzte darum die Körperschaftsteuer aufgrund geschätzter Besteuerungsgrundlagen fest. Nachdem trotz wiederholter Aufforderung auch Einsprüche nicht begründet worden waren und eine nach § 364 b AO wirksam gesetzte Frist fruchtlos abgelaufen war, wies das Finanzamt die Einsprüche zurück. Nachdem die GmbH Klage erhoben hatte, reichte sie bei dem Finanzamt Steuererklärungen ein. Das Finanzamt weigerte sich aufgrund des Fristablaufs gem. § 364 b AO, Änderungsbescheide zu erlassen. Das Gericht wies die Klage, zwei Jahre, nachdem sie erhoben worden war, ab, ohne die Revision zuzulassen. Welche Möglichkeit hat die GmbH gegen das Urteil vorzugehen? Wie beurteilen Sie die Erfolgsaussichten dieses Rechtsmittels? Fall 24 Überprüfung von Ermessensentscheidungen Zusammen mit dem Einkommensteuerbescheid für das Jahr 2007 mit einer Steuerfestsetzung von 60.000 € und einer daraus resultierenden Abschlusszahlung von 4.000 € wird gegen D ein Verspätungszuschlag von 1.000 € festgesetzt wegen zum wiederholten Male verspäteter Abgabe der Steuererklärung, dieses Mal um zwei Monate. Das Finanzamt weist den Einspruch zurück mit der Begründung, die Ermessensgrenzen seien eingehalten und angesichts D’s wirtschaftlicher Leistungsfähigkeit sei es erforderlich, den Zuschlag in dieser Höhe aufrecht zu erhalten, um D künftig zur fristgerechten Erklärungsabgabe anzuhalten und einen reibungslosen Verwaltungsablauf zu gewährleisten. Daraufhin erhebt der geknechtete Steuerbürger D fristgerecht Klage und beantragt, den Verspätungszuschlag ersatzlos aufzuheben, hilfsweise, ihn auf höchstens 200 € festzusetzen. Wird D Erfolg haben? Fall 25 Vorläufiger Rechtsschutz nach § 69 FGO P hat 20.000 € Einkommensteuer für 2007 vorausgezahlt. Der Einkommensteuerbescheid setzt die Steuer auf 30.000 € fest. Hiergegen legt P fristgerecht Einspruch ein und stellt Antrag auf Aussetzung der Vollziehung mit der Begründung, das Finanzamt habe einen Aufgabeverlust nach § 16 EStG in Höhe von 150.000 € nicht berücksichtigt. Nach (rechnerisch zutreffender) Berechnung ergäbe sich demnach nur eine Steuer von 8.000 €. Das Finanzamt lehnt den Antrag auf Aussetzung der Vollziehung ab. P leistet die Abschlusszahlung, um Säumniszuschläge zu vermeiden. Drei Monate später wendet er sich an das Finanzgericht und beantragt Aussetzung bzw. Aufhebung der Vollziehung des Einkommensteuerbescheides in Höhe von 22.000 €. Über seinen Einspruch ist noch nicht entschieden. Angenommen, es ergäben sich in tatsächlicher und/oder rechtlicher Hinsicht aus den von P angeführten Gründen erhebliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Steuerbescheides, wird die Aussetzung der Vollziehung im beantragten Umfang gewährt werden? Prof. Dr. Helmuth Wilke HTW Berlin Fall 26 Vorlesung Steuerrecht II Klagebefugnis Der Komplementär und die zwanzig Kommanditisten der K-KG haben einen gemeinsamen Empfangsbevollmächtigten bestellt. Obwohl Piefke (Kommanditist Nr. 19) bereits am 20.03.2008 aus der KG ausgeschieden ist und einer Bekanntgabe des Feststellungsbescheides an den Empfangsbevollmächtigten widersprochen und dies dem Finanzamt mitgeteilt hat, schickt das Finanzamt den Feststellungsbescheid für das Jahr 2007 am 10. Dezember 2008 „mit Wirkung für und gegen alle“ an den Empfangsbevollmächtigten. Ebenso im März 2009 die nachfolgende Einspruchsentscheidung. Kann Piefke im August 2009 noch etwas unternehmen, wenn er jetzt erst erfährt, dass ein Bescheid bekannt gegeben, die Einspruchsentscheidung bestandskräftig wurde und er mit dem festgestellten Gewinn nicht einverstanden ist?