10. Übungsstunde Anfechtungswiderspruch
Transcrição
10. Übungsstunde Anfechtungswiderspruch
Laurenz erhielt den „Aufhebungsbescheid“ des LRA seines Landkreises über seine Baugenehmigung (korrekter Rechtsbehelfsbelehrung). Er stand unmittelbar vorm ersten Spatenstich. Das LRA begründet die Entscheidung wie folgt. Der B-Plan (in dessen Gebiet Laurenz bauen will) sei geändert und sehe auf der Fläche nunmehr eine Freiheit von Bebauung und ein Nutzung als Hochwasserausdehnungsgebiet / Flutrinne vor. Die sei nötig, um Gemeinde X vor Hochwasser zu schützen, das in den letzten Jahren wiederholt große Teile der Stadt überflutete, Sachwerte in Millionenhöhe vernichtete und die Evakuierung von jeweils mehreren hundert Menschen verursachte. Die Satzungsänderung sei eine „Anpassung“ an die geänderte Regionalplanung. Außerdem sei die Baugenehmigung gerade unter der Bedingung erlassen worden, dass sie erlischt, falls künftig wegen Hochwasserschutzes die Fläche von Bebauung freizuhalten ist. Laurenz überzeugt das nicht. Zwar sind die Fakten korrekt, aber ein ebenso effektiver Flutschutz sei durch eine 4 m hohe die Gemeinde X völlig umschließende Flutmauer (kostet nur einige Millionen) herstellbar. Laurenz will nicht weichen und wenn er muss, dann wenigstens Geld. Hat er eine Chance? Übrigens wurde er nicht angehört (in dem Tag zwischen Satzungsänderung und Bescheidzugang). § 72 Baugenehmigung, Baubeginn (3) Die Baugenehmigung kann unter Auflagen, Bedingungen und dem Vorbehalt der nachträglichen Aufnahme, Änderung oder Ergänzung einer Auflage sowie befristet erteilt werden. Um die Erfüllung einer mit der Baugenehmigung verbundenen Rückbauverpflichtung zu gewährleisten, kann eine Sicherheitsleistung bis zur Höhe der für die Erfüllung der Verpflichtung voraussichtlich anfallenden Kosten verlangt werden. 1. Teil: Widerspruch Das Widerspruchsverfahren dient der Selbstkontrolle der Behörde und ist deshalb i.d.R. vor einer möglichen Anfechtungs- o. Verpflichtungsklage durchzuführen. Gemäß § 79 VwVfG gilt für das Widerspruchsverfahren die VwGO sonst die VwVfG. Bei einer Fallfrage „Wie entscheiden Sie? Ist der Widerspruch erfolgreich?“ ist jeweils Zulässigkeit und Begründetheit des Widerspruchs zu prüfen. A. Zulässigkeit I. Zuständigkeit § 73 I S. 2 Nr. 1-3 VwGO Regel: II. nächsthöhere Behörde Verwaltungsrechtsweg 40 I VwGO analog eröffnet aufdrängende Sonderzuweisung öffentlich-rechtliche Streitigkeit nichtverfassungsrechtlicher Art abdrängende Sonderzuweisung Problemfälle: III. (aus Spezialgesetz) (Subordinationstheorie) (doppelte (Art. 14 II S. 4 GG) Widerruf/Rücknahme Verfassungsunmittelbarkeit) (entsprechend dem zu widerrufenden Verhalten) Statthaftigkeit § 68 I, II + § 42 I Alt. 1 VwGO Grundsatz: Vorverfahren (= Widerspruchsv.) vor Anfechtungs-/Verpflichtungsklage statthaft liegt ein VA vor IV. Befugnis § 42 II VwGO analog Der Verwaltungsakt (Anfechtungswiderspruch) verletzen den Widerspruchsführer, also den der widerspricht, möglicherweise in seinen Rechten und zwar selbst / gegenwärtig / unmittelbar. Rechtsverletzung (Grundrechte / einfaches Gesetz – Art 12 GG / § 1 GewO) Möglichkeit reicht (fehlt offenkundig: keine Widerspruchsbefugnis) selbst: kein Popularwiderspruch, VA-Adressat (= selbst) gegenwärtig: VA muss schon/noch Bestand haben, VA muss schon / noch Wirkung entfalten unmittelbar: Wirkung ohne weiteren Vollzugsakt V. Form und Frist 70 I, II (ggf. mit 58 I, II) VwGO Der Widerspruch muss innerhalb eines Monats nach Bekanntgabe in Schriftform oder zur Niederschrift bei der Erlassbehörde oder der Widerspruchsbehörde erfolgen. Rechtsschutzbedürfnis Das Rechtsschutzbedürfnis fehlt, wenn ein einfacherer, schnellerer, billigerer (effizienterer) Weg zur Durchsetzung der Interessen des Widerspruchsführers ersichtlich ist oder wenn der Widerspruch offenkundig rechtsmissbräuchlich ist (ärgern wir mal die Behörde). B. Begründetheit Anfechtungswiderspruch: I. Der Widerspruch ist analog § 113 I VwGO begründet, falls der VA rechtswidrig und WF dadurch in seinen Rechten verletzt ist Ermächtigungsgrundlage-Anfechtungswiderspruch Sie suchen die Rechtsnorm (Paragraph), welche beim Anfechtungswiderspruch eine Ermächtigung für die Behörde für den Eingriff in die Rechte des Widerspruchsführers bietet 72 I SächsBauO oder § 49 II VwVfG II. Formelle Rechtmäßigkeit (nur Anfechtungswiderspruch) Zuständigkeit Verfahren Form III. Ausgangsbehörde für Ausgangsbescheid 28 I, II Nr. 1 VwVfG Anhörung Ausnahme? 39 I VwVfG sachlich / örtlich Materielle Rechtmäßigkeit - Anfechtungswiderspruch § 72 I SächsBauO direkt 1. Tatbestand Sie prüfen, ob der Tatbestand der Ermächtigungsgrundlage erfüllt ist. Dabei belegen Sie jedes der im Paragraphen genannten Tatbestandsmerkmale mit der Formulierung des Sachverhalts, die dem Tatbestandsmerkmal entspricht. Einige Tatbestandsmerkmale werden Sie auslegen müssen. Bei problematischen Punkten nutzen Sie den Gutachtenstil: Obersatz Gemäß § 1 GewO müsste ein Gewerbe Gewerbe ist jede wirtschaftliche Tätigkeit, Definition Tatbestandsabgleich Die beabsichtigte Tätigkeit als Auktionator Feststellung Die erstrebte Tätigkeit, Auktionator, ist also Gewerbe. § 72 I SächsBauO: Bedingung erfüllt? vorliegen. die … soll … Bedingung (auflösende), dann wäre Aufhebung rein deklaratorisch Ermächtigung zur Aufhebung - ja wegen Hochwasserschutz von Bebauung freizuhalten? ja – Planung (Regionalplanung und Satzung sehen Freihaltung vor) Anpassung erforderlich 4 m Mauer, hilft nicht gegen Planung 2. Rechtsfolge Wenn Sie den Tatbestand festgestellt haben prüfen Sie die Rechtsfolge. Sofern nur eine Rechtsfolge möglich ist, müssen Sie dies erklären. Hier Aufhebung falls Freizuhalten – also ist – also gebundene Entscheidung. § 49 II S. 1 Nr. 1, S. 2 VwVfG Tatbestand: rechtmäßiger (Erlasszeitpunkt) VA – ja begünstigend: ja Widerruf zugelassen oder im VA vorbehalten: ja §72ISächsBO zugelassen(Bedin.)/VA vorbehalten Frist: 1 Jahr ab Kenntnis aller aufhebungsbedeutsamen Fakten Rechtsfolge: Ermessen (darf) Interesse am Behalten der Baugenehmigung – Interesse am Hochwasserschutz Mauer - Kosten Wollen des Bestands - Wissen, die Baugenehmigung ist aufhebbar ggf. 3. Rechtsverletzung Aussage zur Begründetheit /Erfolgsaussicht Widerspruch begründet / unbegründet Aussicht auf Erfolg / keine Aussicht auf Erfolg