Liebe Leserinnen und Leser
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Liebe Leserinnen und Leser
2 EDITORIAL Anzeige Liebe Leserinnen und Leser, was ist eigentlich mit dem Wetter los? Ende Oktober Hitze wie in Damaskus und keine vier Wochen später versinkt das Münsterland im Schnee und alles bricht zusammen: der Verkehr, die Zugverbindungen und vor allen Dingen die Strommasten. Baut RWE die bei uns eigentlich weniger stabil als in Bayern? Dort unten ist der Winter in der Regel dreimal so hart, aber haben Sie schon mal gehört, dass da ganze Landstriche tagelang ohne Heizung und Strom gewesen wären? Zum Glück sind alle unsere Leute wohlauf. Auch die Kol- legin von „Hier und Heute”, die mit einer unserer Verkäuferinnen eine Woche lang auf der Straße gelebt hat und plötzlich die volle Härte der Obdachlosigkeit mitbekam. Respekt: Sie hat durchgehalten bis zum Schluss, auch als das Zelt der beiden fast unter den Schneemassen zusammengebrochen wäre. Andere hatten weniger Glück. In Dortmund ist ein Mann unter einer Fußgängerbrücke erfroren und bei Minden fand ein Jäger im Wald die Leiche eines Obdachlosen, der offenbar von der Kälte überrascht wurde. Auch in Brüssel sind zwei „Berber” erfroren, der eine in einer überdachten Bushaltestelle, der andere im Eingang einer Kirche. Wir befürchten, es werden nicht die letzten Opfer in diesem Winter sein. Deshalb ein Appell an alle, die Platte machen: Geht in die Unterkunft, wenn es draußen rattenkalt ist! Bis nächstes Jahr, Ihr Gerrit Hoekman 3 I N H A LT Impressum Herausgeber: ,,draußen!“ e.V. Anschrift: Overbergstr. 2 48145 Münster Redaktion: Tel.: 02 51 / 53 89 - 128 Fax: 0251 / 5389 - 129 Streetwork: Sabrina Kipp [email protected] 3:1 gegen Oranje! Draußen Münster besiegt den Erzrivalen Alles Nichtschwimmer Schöne Tage im Lazarett Gegen den Strom Internet: www.muenster.org/draussen Rosa Münsterland for ever Lindenstraße bricht Tabus 11 12 Die Kultserie wird zwanzig Jahre alt Großes Stühlerücken Heinz Dalmühle (hd), Michael Heß (mh), Sabrina Kipp (sk), Kerstin Winkelnkemper (kw) Immer mehr Straßencafés versperren in der City den Weg Illustration: Sigi Nasner Irma und Erwin Layout: Heinz Dalmühle Weihnachtsgeschichte von Sigi Nasner Auflage: 8000 Heinz Dalmühle 10 Das schwule KCM feiert Jubiläum Fotos: Titel: 8 Münster im Kriegsjahr 1941 Unrast-Verlag macht linke Bücher Barbara Blasum, Heidi Brülls, Heinz Dalmühle, Paul Demel, Horst Gärtner, Michael Heß, Gerrit Hoekman (V.i.S.d.P.), Sabrina Kipp, Malte Koppe, Sigi Nasner, Klaus Panreck, Jörg Rostek, Kerstin Winkelnkemper 6 CDU und FDP wollen Frei- und Hallenbäder schließen E-Mail-Adresse: [email protected] An dieser Ausgabe haben mitgearbeitet:: 5 Lesen hinter Gittern 13 16 18 JVA eröffnet neue Bücherei Druck: Borgsmüller Druck Steine vom Herzen unterstützt durch: City-Advent schafft Besinnlichkeit Siverdes-Stiftung Bankverbindung: Sparkasse Münster Konto-Nr. 33 878 BLZ 400 501 50 Wir danken allen Spendern! Gerd Meyerratken ist tot 19 24 „draußen!“ sagt dem Besetzer der Frauenstraße 24 adieu Truthahn, Punsch und Bratäpfel 30 Leckeres zu Weihnachten draußen! 2006 Fußballberber in Polen Jungs, wir sind stolz auf euch! Siebter Platz und die Niederländer geschlagen. Wir danken den Leuten, die unserem Team mit Rat und Tat zur Seite gestanden haben: Bäckerei Krimphove, Karstadt Sport, SC Preußen Münster, Berthold Tillmann, Richard Halberstadt, Westfälische Nachrichten, Ratio, Westfalen AG, Traluna, Butt’s, Stadtteilauto, WKP u.a. draußen! 2006 STRONGMENI Draußen Münster 05: 3:1 gegen Oranje! Sie sind wieder da, die obdachlosen Fußballer von Draußen Münster 05 und sie haben sogar einen großen Pokal mitgebracht. Nun ja, Europameister sind sie als deutscher Vertreter im polnischen Gdansk nicht geworden, Donnerstag. Sechs Wochen haben wir uns vorbereitet. Trainiert. Sponsoren gefunden. Sportschuhe, Trikots, und Stutzen besorgt. Wir wollen ja gut aussehen als deutscher Vertreter bei der ersten inoffiziellen Europameisterschaft. Jemal, der Wirbelwind aus Bosnien, darf leider nicht mit, er bekommt kein Visum für Polen. Der erste Nackenschlag, aber nun geht es endlich los. Richard Halberstadt von der CDU spendet unseren Jungs Fresspakete für die lange Zugreise nach Gdansk, dem ehemaligen Danzig. Gut zwölf Stunden werden wir unterwegs sein. Um elf Uhr abends trifft sich das Team und muss die erste Hiobsbotschaft verdauen: Spielertrainer Bodo liegt mit Fieber im Bett. Ein herber Verlust, der ehemalige Profi vom FC Nantes ist der Star der Mannschaft. Auch ein paar Fans sind gekommen. Sie geben den Jungs taktische Tipps mit auf den Weg, wie die Meisterschaft zu holen ist. Abschiedstränen fließen. Mit der Bahn geht es nach Hamm. Mitten in der Nacht haben wir eine Stunde Aufenthalt. Es ist kalt, die Spieler sind müde. Die Stimmung sinkt. Jetzt heißt es: Zähne zusammenbeißen! Freitag. Über Berlin kommen wir gegen elf Uhr morgens an die polnische Grenze. Wir haben das Gefühl, es wird schlagartig kälter. Zwischendurch schneit es sogar heftig. Der Zug ist rappelvoll und aber damit hat auch niemand gerechnet. Viel wichtiger: Sie haben die Niederländer geschlagen, sehr zum Leidwesen des Chefredakteurs. Teammanagerin Sabrina Kipp hat Reisetagebuch geführt. wir kriegen keine Abteile für uns alleine. Die polnischen Schaffner kommen jede Stunde vorbei und wollen die Fahrscheine sehen. Auch die Feldjäger schauen schwer bewaffnet bei uns rein. Nach 15 endlosen Stunden erreichen wir erschöpft Gdansk. Am Bahnhof werden wir mit dem Bus abgeholt. Alle warten schon auf uns, in einer Stunde soll die Eröffnungsfeier beginnen und vor uns liegen noch 50 Kilometer Fahrt nach Tczew. In der Sporthalle muss alles ruckzuck gehen, wir sind spät dran. Rein in die Trikots und unter Blitzlichtgewitter und dem Jubel von 800 Zuschauern aufs Feld laufen. Kinder in polnischen Trachten begleiten die Mannschaften, die Landesfahnen vorneweg. Dann die Auslosung. Beim Anblick unserer Gegner kriegen wir einen Schreck. Hier spielen offenbar zwei Welten gegeneinander. Russland, Tschechien und die beiden polnischen Teams sind super durchtrainiert und spielen schon lange zusammen. Diszipliniert und bestens ausgerüstet treten sie an. Die Norweger haben einige Talente in ihren Reihen, aber Dänemark, die Niederlande und Deutschland, also wir, sind echte Straßenteams. Schade, die Holländer sind in die andere Gruppe gelost worden. Zum Start der Meisterschaft spielen polnische Stars gegeneinander. Ein Spekta- kel. Boxweltmeister Dariusz Michalczewski, der Tiger, macht auch mit. Auf dem Weg zum Bus, der uns zum Quartier in eine Schule bringt, müssen die Spieler den polnischen Fans die ersten Autogramme geben. „Niemcy! Germany!“ rufen sie als wir einsteigen. Alle sind überwältigt, überrascht, müde, hungrig. In der Schule sind wir bestens behütet: Wir schlafen im Religionsraum unter Portraits vom alten polnischen und vom neuen deutschen Papst. Nach dem Abendbrot fallen alle um halb neun in die Feldbetten. Samstag. Direkt nach dem Frühstück haben wir um neun Uhr unser Auftaktspiel gegen Dänemark. Wir versieben eine gute Möglichkeit nach der anderen und verlieren am Ende unglücklich mit 1:3. Als nächstes warten die Cracks aus Polen und spielen uns beim 0:19 Knoten in die Beine. Zum Abschluss der Vorrunde gibt es noch ein 1:9 gegen Norwegen. Markus erzielt den Ehrentreffer. Große Enttäuschung bei unseren Spielern. Aber die Fans stehen hinter uns. Auf alles mögliche müssen wir Autogramme schreiben. Torwart Alfred ist der Star, mit Glanzparaden hat er Schlimmeres verhindert. Radio, Fernsehen und Zeitung - er ist der Liebling der polnischen Medien und gibt ein Interview nach dem anderen. 5 Nach der Vorrunde besuchen wir Gdansk. Eine wunderschöne Stadt. Zurück in unserem Quartier hören wir, dass es den Niederländern ähnlich ergangen ist wie uns. Sie sind Tabellenletzter, das heißt morgen geht es gegen Oranje um Platz sieben! Das packen wir, sind alle sicher. Trotzdem feiern wir ein bisschen mit den Norwegern, Dänen und Polen. TeamKrankenschwester Nicole versorgt die leichten Blessuren der Spieler. Um Mitternacht ist Ruhe, wir müssen morgen fit sein. Sonntag. Wir spielen als erste. Die Stimmung auf der Tribüne könnte bei einem Finale nicht besser sein. Die polnischen Zuschauer stehen auf, als das „Deutschlandlied“ und das „Wilhelmus“, die niederländische Hymne, erklingen. Unser Spieler legen ergriffen die Hand aufs Herz. Dann der Anpf iff! Schoko flankt, Markus köpft. Tor! Kurz vor der Pause erhöht Heiko auf 2:0. In der zweiten Halbzeit machen die Holländer mächtig Druck und erzielen den Anschlusstreffer. Nun ist in der deutschen Hälfte die Hölle los, die Oranjes wollen den Ausgleich. Ein eiskalter Konter beendet die Hoffnungen der Niederländer - Goalgetter Heiko knipst zum 3:1. Der Erzrivale ist besiegt, unsere Spieler liegen sich in den Armen. Die Holländer gratulieren und die Teams tauschen die Trikots. Im Finale schlägt Russland Polen und wird inoffizieller Europameister. Bei der Abschlussfeier bekommen alle Pokale und Geschenke. Anschließend ist das gewaltige Büffet geöffnet. Im Zug auf der Heimreise sind sich alle einig: Das war eine große, große Show, die niemand jemals vergessen wird. draußen! 2006 6 SEEPFERDCHEN Bäder-Gutachten: Alternativen herausgearbeitet!“, findet Carola Möllemann-Appelhoff, Chefin der FDP-Fraktion. Alles Nichtschwimmer Amelsbüren, zweimal Handorf und das Südbad, dazu noch Nienberge und vielleicht auch Stapelskotten - bei der Ratsmehrheit aus CDU und FDP geht es im Moment zu wie auf Tillmanns Resterampe. Alles muss raus und zwar so schnell wie möglich. Selten Sie stehen beim Bäcker, vor dem Supermarkt und im Südbad mit dem Kugelschreiber in der Hand. Sie legen ihre Listen im Treffpunkt der Weißenburgsiedlung aus und heften sie mit Reißzwecken an die Pinnwände in den Kitas. Innerhalb von vierzehn Tagen haben die Mitglieder der Bürgerinitiative „Rettet das Südbad“ auf der Geist fast 4.000 Unterschriften gesammelt und dem Oberbürgermeister persönlich ins Rathaus gebracht. Ziel: Das Bad muss erhalten bleiben! Genutzt hat es wenig, die Ratsmehrheit will mit aller Gewalt ihren Antrag am 7. Dezember verabschieden. Bürgerwille hin, Bürgerwille her. Vor etwas mehr als einem Jahr verpassten die Münsteraner der CDU bei der Kommunalwahl eine schallende Backpfeife. Die Christdemokraten verloren die absolute Mehrheit und Berthold Tillmann musste in die Stichwahl. Die Bürger wollten keine Tiefgarage unter dem Ludgeriplatz. Tillmann sagte erschrocken „Ich habe verstanden“, kippte über Nacht das Projekt und blieb OB. Nun wollen CDU und FDP ein Drittel der Bäder schließen und wieder regt sich überall der Widerstand. Doch die Politik schaltet auf stur. Ist der Beschluss erst mal durch, wird der Protest schon aufhören, so offenbar das Kalkül. Die nächste Wahl ist noch lange hin, anders als bei der draußen! 2006 -kw Allerdings fast ausschließlich unter finanziellen Gesichtspunkten, was das aber für die Bürger ganz konkret bedeutet, spielt kaum eine Rolle. Alleine wichtig ist das riesige, klaffende Loch im Stadthaushalt. Das Gutachten, das im Internet unter www.muenster.org und dem Link „Stadtgespräch“ nachzulesen ist, ist für Laien schwer zu verstehen. Da rüber täuschen auch die bunten Grafiken und niedlichen Smileys nicht hinweg. Es wimmelt von Fachbegriffen, Zahlen und Abkürzungen. Absicht? Ein Gutachten, das über die Belange Tausender Bürger entscheidet, aber von denen nicht verstanden wird, ist das Geld nicht wert. Am Alltag der Menschen geht es jedenfalls vorbei. Sie fühlen sich von der Stadt übergangen. „Wissen Sie eigentlich, dass allein durch die Schließung des Südbads über 1.000 Schüler und Schülerinnen aus 15 Schulen von der Streichung des Schwimmunterrichts bedroht sind?“, fragte Katrin Liebert den Oberbürgermeister, als sie ihm die 4.000 Unterschriften überreichte. beteiligt werden. Wir brauchen einfach nur etwas Zeit, um funktionierende Alternativen aufzeigen zu können“, sagt Katrin Liebert, Sprecherin der Bürgerinitiative „Erhaltet das Südbad.“ Auch Heinz-Dieter Sellenrieck, der Vorsitzende der CDU-Fraktion im Rat, betonte noch Anfang November: „Wir wollen die Reaktionen auf den Bürgerversammlungen abwarten.“ Die waren eindeutig für den Erhalt der Bäder, doch die Koalition hält am Termin 7. Dezember fest. „Das Gutachten hat sehr gute Natürlich weiß er das, aber der ehemalige Stadtkämmerer, auf dessen Schreibtisch im Rathaus ein Dagobert Duck steht, denkt an die Haushaltskasse. Die Frei- und Hallenbäder machen kräftig Miese. Aber nicht nur die laufenden Kosten sind groß, die meisten Bäder müssten dringend renoviert werden. Betritt man das Südbad, schlägt einem der Geruch der Siebziger entgegen. Es riecht nach Chlor und Fußpilz. Modrige Holzbänke, rostige Kleiderhaken, hässlich geflieste Duschräume. Aber die Bewohner der Geist und ist eine Vorlage in solchem Affenzahn durch die Gremien gejagt worden. Aber in den betroffenen Stadtteilen rumort es. Ein Bericht von Gerrit Hoekman und Kerstin Winkelnkemper. Beide wären übrigens von der Schließung betroffen. Tiefgarage unterm Ludgeriplatz. Grund für den Ärger ist das Gutachten der Hamburger Wenzel-Consulting, für das die Stadt 100.000 Euro bezahlt hat. Inhalt: Die vom Aus bedrohten Bäder sind im muss so bleiben wie es ist. Deshalb fordern Opposition, Bürgerinitiativen, Schwimmvereine, Schulen und der DLRG, über den Antrag später abzustimmen. „Wir wollen an den Gesprächen rund um die Bäderschließungen Südbad: Demnächst vielleicht auf dem Trockenen Unterhalt zu teuer und müssten außerdem dringend renoviert werden. Dafür fehlt in der gähnend leeren Stadtkasse das Geld. Also schließen. Das war im Oktober. Nun ist es Dezember und in allen betroffenen Stadtteilen gehen die Bürger auf die Barrikaden, gründen Initiativen, machen mobil. Was sie besonders empört, ist die Hatz, mit der CDU und FDP den Antrag durch den Stadtrat prügeln. Obwohl die Bürger Gespräche angeboten haben, obwohl sie Alternativen vorschlagen, obwohl sie nicht sagen: Alles 7 SEEPFERDCHEN im Südviertel lieben „ihr“ Südbad und von liebgewonnenen Freunden trennt man sich nicht so einfach. Besser so eins als gar keins, denken viele. Besonders wer Kinder hat, fragt sich: Wie viel Schwimmstunden werden in der Schule demnächst wohl ausfallen? Bis wohin muss ich mein Kind bringen, wenn es bei der DLRG Schwimmen lernen will? Krieg ich das zeitlich überhaupt hin? Geht das noch mit dem Rad oder muss ich mit dem Auto fahren, nachmittags durch den dicken Berufsverkehr? Am meisten betroffen sind die Schulen. Zum Beispiel das HittorfGymnasium im Geistviertel. Nach dem Willen der Hamburger Gutachter müssen die Schülerinnen und Schüler in Zukunft eine halbe Weltreise zum Hallenbad nach Kinderhaus antreten, einmal quer durch die Stadt. Wie soll das gehen in einer Doppelstunde von neunzig Minuten? Fürs Schwimmen bleibt dann höchstens noch eine halbe Stunde, die Schüler müssen ja wieder pünktlich in der Schulbank sitzen. Alle erinnern sich noch an das Chaos, das ausbrach als die Stadt vor Jahren das Stadtbad Mitte umbaute. „Es kam zu erheblichen Störungen im Schwimmunterricht. Die Schüler mussten auf andere Bäder ausweichen, was zu hoffnungslos überfüllten Becken führte“, erzählt eine Schulleiterin. Der Zustand dauerte damals nur ein paar Monate, aber vergessen hat das von den Lehrern niemand. Die Grundschulen rangeln heute schon um Schwimmzeiten, weil es zu wenig Platz da ist. Wie soll das erst werden, wenn das Bäder-Gutachten umgesetzt wird? Viele Kindergärten und Kitas sind davon ebenfalls betroffen. Früher Jahre buhlte die Stadt noch mit einem „Tag im Wasser“ um die kleinen Badegäste, solche Aktionen kann sie sich demnächst sparen. Schon jetzt ist es ein Riesenaufwand mit den Kleinen schwimmen zu gehen, berichtet eine Erzieherin. „Müssen wir auf weiter entfernte Bäder ausweichen, ist das von der Zeit her kaum noch zu machen.“ Auch die Kinder selbst bekommen inzwischen mit, dass ihr Bad geschlossen werden soll und ärgern sich. „Ich möchte doch, wenn ich etwas größer bin, vielleicht auch das Bronze-Abzeichen machen!“, schreibt die kleine Hannah in einem Brief an den Oberbürgermeister. Ihre Mutter hat Vergnügen. „Die Zahl der Nichtschwimmer wird künftig sicher ansteigen“, befürchtet eine Grundschullehrerin. „Aus Nichtschwimmern werden Schwimmer, aus Schwimmern werden Rettungsschwimmer und aus Rettungsschwimmern werden Ausbilder für Schwimmanfänger“, sagt auch Wilfried Sandbaumhüter vom DLRG. Man dürfe in der Diskussion, ob die Bäder geschlossen werden, den sozialen Aspekt nicht außer Acht lassen: „Dieser Kreislauf macht deutlich, dass Kinder und Jugendliche syste- Bürgerinitiative kämpft um den Erhalt - kw kein Auto, sagt sie. Da geht es ihr nicht anders, als den Bewohner der autofreien Weißenburgsiedlung. Wer hier leben will, muss auf den eigenen fahrbaren Untersatz verzichten. Kein Problem, Supermarkt, Spielplatz, Bioladen, Schule, Kindergarten, Wochenmarkt, Apotheke, Kiosk und Frittenbude - alles um die Ecke. In der Weißenburg wohnen vor allem Familien mit Kindern, wenn sie in Zukunft nicht mehr ins Südbad können, sondern mit dem Bus nach Hiltrup oder ins Stadtbad Mitte müssen, wird der Badespaß ein teueres matisch an die Übernahme von Verantwortung herangezogen werden.“ 350 Jugendliche sind zur Zeit in Münster bei den Lebensrettern aktiv. Erst vor kurzem hat die Stadt 600.000 Euro in das Hallenbad in Amelsbüren gesteckt, das im Gutachten übrigens am schlechtesten wegkommt. Damals vermuteten einige, mit der Summe wolle die CDU die Gegner der in Amelsbüren geplanten Forensik besänftigen. Ein Wahlgeschenk. Nun will sie es aber doch schließen und über eine halbe Millionen Euro sind futsch. Egal, die Zeit ist günstig, die nächsten Wahlen sind weit weg. Die Stadt hat klar gemacht, dass sie sich an den Betriebs- und Sanierungskosten der Bäder, die sie schließen will nicht mehr beteiligt. Basta. Immerhin spart sie pro Hallenbad 250.000 Euro und für jedes Freibad laut Gutachten 200.000. Ob aber der Antrag überhaupt den Stadtrat passiert, ist unsicher. Im Stadtrat gibt es zwischen der Opposition und der Koalition ein Patt. Dass CDU und FDP regieren können, verdanken sie Berthold Tillmann, der als Oberbürgermeister die entscheidende Stimme hat. Die FDP wird geschlossen für den Antrag sein, das gilt als sicher. Bei der CDU in Nienberge und in Amelsbüren rumort es jedoch und wenn nur ein Fraktionsmitglied dagegen stimmt... Aber auch, wenn für die Koalition alles glatt läuft - ein Ratsbeschluss muss nicht ewig gelten und wie schnell er geändert werden kann, hat sich bei der Tiefgarage unter dem Ludgeriplatz gezeigt. Als Schirmherr der DLRG sagte Berthold Tillmann einmal: „Große und kleine Probleme wollen besprochen und gelöst werden. Dabei geht es für mich immer um eins: Das Beste für Münster und die Münsteraner zu erreichen.“ Die Bürgerinitiativen, Schulen und Schwimmvereine wollen gerne dabei mithelfen. Nun muss der Oberbürgermeister nur noch zuhören und sich an das erinnern, was er nach der Kommunalwahl versprochen hat: „Kommunalpolitik ist Bodenturnen. Noch stärker das Ohr bei den Bürgern zu haben, für Anregungen und Gespräche noch mehr Zeit als bisher zu finden, das habe ich mir für die kommenden Jahre vorgenommen.“ draußen! 2006 8 DAMALS Münster im Krieg: Schöne Tage im Lazarett 1941 ist der Zweite Weltkrieg im vollem Gange und auch die Münsteraner bekommen die Auswirkungen mehr und mehr zu spüren. Im Sommer bombardieren die Alliierten vier Nächte hintereinander die Stadt. „Wegen Einberufung geschlossen!“, steht auf den Schildern, die neuerdings in vielen Schaufenstern hängen. Gerrit Hoekman hat weiter in den Notizen des Stadtchronisten der Nazis, Franz Wiemers, geschnüffelt. Fazit der Propagandamache: Alles halb so schlimm. Im Januar gibt sich die NaziProminenz im Friedenssaal die Klinke in die Hand: der Reichsjugendführer, der Stabschef der SA, die Frauenreichsführerin und Innenminister Werner Frick. Am 11. Januar empfängt Oberbürgermeister Hillebrand den berüchtigten Alfred Rosenberg, „Beauftragter für die Überwachung der gesamten geistigen und weltanschaulichen Schulung und Erziehung der NSDAP“, der wenig später zum „Reichsminister für die besetzten Ostgebiete“ ernannt wird. Ein Schlächter der übelsten Sorte. Überhaupt wird den Münsteranern im Winter 1941 einiges an Remmidemmi geboten: Am Tag der Polizei können sie am Servatiiplatz von einem mittelhohen Holzturm aus kleine Bomben auf ein Model der britischen Hauptstadt London werfen. Zwei Groschen kostet der Spaß. „Das Sausen einer Bombe ist ausgezeichnet nachgemacht“, freut sich der Stadtchronist. „Viele Kinder, Soldaten und Erwachsene klettern die hohe Treppe herauf und werfen eine Bombe auf England.“ Eines der vielen Potemkinschen Dörfer der Nationalsozialisten. Richtig echte Bomben werfen nämlich die Briten auf Münster. Zwölf Mal ist die Stadt 1941 Ziel alliierter Flugzeuge, ein insgesamt vergleichsweise ruhiges Kriegsjahr. Im Juli jedoch wird es ganz hart, in draußen! 2006 Bunkerbau an der Aegidiistrasse - sa Werbewoche der Luftwaffe - sa H.J.-Auftritt auf dem Domplatz - sa vier Nächten hintereinander greifen die Alliierten an. Das Hafenviertel liegt in Trümmern, der rechte Flügel des Schlosses ist zerstört. Auch Dom und Lambertikirche sind schwer getroffen. 43 Münsteraner kommen ums Leben, zehn sind vermisst, 196 verletzt. An der Kanalstraße hat es ein Wohnhaus erwischt. „Es liegen noch zwei oder drei Menschen unter den Trümmern. Wo bleiben denn nur die Helfer, die die Trümmer wegräumen“, fragen Frauen vor der Schutthalde, die gestern noch eine Mietskaserne war. Der Buddenturm steht unversehrt inmitten der Ruinen. Die Luftabwehr hat kaum eine Chance gegen die Bomber. „Am Servatiiplatz stehen Truppenkommandos. Alle Leute fragen: Seid ihr von der Flak? Kommt ihr jetzt endlich wieder? Wir hatten eine schlimme Nacht“, notiert Nazi-Chronist Wiemers. Aber die Soldaten werden nur verlegt. Die Münsteraner versuchen so gut es geht weiter zu machen. Dem Gasthof „Zum Krummen-Timpen“ hat es die Fenster rausgehauen, der Wirt hat die Rahmen mit Pappdeckeln zugeklebt. Die Möbelhäuser dürfen erst mal nur an Ausgebombte verkaufen. „Andere brauchen gegenwärtig gar nicht versuchen, dort einzukaufen. Auch keine Brautleute, die ihre Möbel einkaufen möchten.“ In der Stadt sind jetzt viele verwundete Soldaten unterwegs. An Krücken humpeln sie durch die Straßen. Auf einem Archivfoto sind zwei Verletzte zu sehen, die sich in Positur geworfen haben: „Sie möchten eine Erinnerung an ihren schönen Lazarett-Aufenthalt in Münster haben“, glaubt Wiemers. Einem der beiden fehlt das linke Bein. Aber auch als Kriegsversehrter ist das Leben schön. „Fröhliche Verwundete im Lazarett Hedwigsklinik“ 9 DAMALS Bund deutscher Mädchen tanzt im Schlossgarten unterdessen Ringelrein und macht Gymnastik. fotografiert der Chronist. Die Stenotypistinnen der Stadtverwaltung sind vorbeigekommen und haben den Verwundeten kleine Geschenke mitgebracht. Im Sommer sind vier neue Bunker fertig, auf dem Hindenburgplatz ist einer für 1.000 Menschen im Bau. Ein Tropfen auf dem heißen Stein. Die meisten Münsteraner hocken weiter notdürftig geschützt in modrigen Kellern. Um gegen die Brände anzukommen, hat die Stadt einen Löschteich angelegt - auf dem Platz, wo bis zur Reichspogromnacht 1938 die Synagoge stand. Nach den Bombennächten im Juli beginnt die NSDAP Kulturschätze aufs Land zu bringen. Auch die Kinderverschickung läuft auf Hochtouren. „Hier weint eine Frau, weil sie ihre Kinder alleine auf dem Transport hat mitgeben müssen“, notiert der Chronist. Frauen mit Kleinkindern, alte Leute und Kranke - alle müssen raus aus Münster. Wer ausgebombt ist, schläft außerhalb der Stadt unter freiem Himmel. „Im Walde gleich jenseits von Telgte, nahe der Ems: Eine Familie, die ich mit dem Fotoapparat noch im Schlaf um 5 Uhr morgens überrascht habe. Alles schläft noch im Heidekraut des Waldrandes“, schreibt Wiemers poetisch. Die Schüler üben beim Sicherheitshilfsdienst für den Ernstfall. „Man scheint in Münster für dieses Jahr noch allerhand zu erwarten“, sagt ein Junge, der gerade auf dem Weg zu einer vierwöchigen Übung ist. Auch die Hitlerjugend zeigt Präsenz, in Reih und Glied steht sie auf dem Prinzipalmarkt. Wiemers fotografiert die Szene. „Unter den Jungen herrscht stramme Disziplin. Weil einer zu dem Kameramann auf die Seite geschaut hat, bekommt er ordentlich eins abgerissen!“, klopft er sich auf die Schenkel. Der Schnaps wird knapp bei Loerdemann - sa Ludgeristrasse nach Bombenangriff - sa Aufräumen am „Krummen Timpen“ - sa Flakstellung auf dem Dach von Hettlage - sa Jeder muss mithelfen, auch die Münsteraner Wirte! Die NaziFührung steckt sie in blaue Uniformen und macht sie zu Polizisten. „Überall mangelt es an Hilfskräften“, klagt Wiemers. Nicht nur daran. In langen Schlangen stehen die Frauen vor den Gemüseständen auf dem Wochenmarkt. Nur bei den Metzgern geht es ruhig zu, Fleisch und Wurst gibt es nur noch rationiert auf Marken. Langsam werden auch die Rohstoffe knapp, die Nationalsozialisten sammeln deshalb im großem Stil bei den Bürgern altes Metall, Papier und Lumpen. Viele Münsteraner stellen leere Flaschen vor die Haustür für die Wehrmacht. Gerüchte gehen um, die Nazis hätten die Fronleichnam-Prozession verboten. Aber noch mehr Gläubige als sonst nehmen daran teil. Subtiler Protest gegen die Diktatur. Davon steht natürlich nichts in Franz Wiemers Tagebuch und auch die flammende Rede des Kardinal von Galen gegen die Euthanasie hat er glatt verpaßt. Die Partei hält mit Propaganda dagegen. Auf den Pappkartons, die bei vielen Häusern das Fensterglas ersetzen, steht ein großes V. „Das europäische Siegeszeichen, das Viktoria bedeutet“, belehrt Wiemers. Im Schaufenster einer Kneipe steht die Büste des Führers und ein Reichsadler, darüber der Spruch „Gib auch Du!“. Und zwar dein Haus, deine Seele, deine Kinder und vor allen Dingen dein Leben. Das aber verschweigt der Nazi-Chronist ebenfalls. Die Internet-Ausstellung des Stadtarchivs finden Sie unter www.muenster.de/stadt/kriegschronik draußen! 2006 10 BUCHHANDEL Unrast-Verlag: Friedemann Bieber Gegen den Strom preisgekrönt Seit 15 Jahren ist der Unrast-Verlag aus Münster so etwas wie der Hecht im kapitalistischen Karpfenteich. Wo die großen Fische im deutschen Buchhandel mit Massenware Geld scheffeln, versucht der klei- „draußen!“-Autor Friedemann Bieber hat bei einem Schreibwettbewerb der HeinrichBöll-Stiftung in NordrheinWestfalen und der Berliner „Tageszeitung“ einen von zwei ersten Preisen gewonnen. Die 33 teilnehmenden Jungautoren sollten sich Gedanken machen, wie verlassene Orte neu genutzt werden können. Der 15-jährige Gymnasiast Bieber, der auch Chefredakteur der Schülerzeitung „Schillerglocke“ ist, beschreibt in seinem Siegertext, wie aus dem stillgelegten Atomkraftwerk Stade ein Kindergarten wird. Eine beängstigende Vorstellung. „Runder, stringenter Text mit vielen konkreten Ideen“, lobte die Jury den Nachwuchsjournalisten. Der schöne Erfolg, für den er eine teure Fotobearbeitungs-Software bekommen hat, ist nicht überraschend: Mit 13 Jahren war Bieber der jüngste Autor, der je für unser Straßenmagazin geschrieben hat. Seinen preiswürdigen Artikel lesen Sie in der nächsten „draußen!“. Wer nicht bis dahin warten will: Unter www.vorspulen.net gibt es alle Beiträge des Wettbewerbs im Internet. Was aus einem anarchistischen Kollektiv werden kann, zeigt der Unrast Verlag am Haverkamp. Dort wird seit 1990 versucht mit politischen Sachbüchern die Gesellschaft zu verändern, ganz im Dienst der linken Sache. Auch wenn Verleger Martin Schüring den anarchistischen Anspruch in Reinkultur längst aufgegeben hat. „Wir wollen heute Verbindungsglied innerhalb der Linken sein“, umreißt er das Ziel bei Unrast. Die oft zerstrittenen linken Gruppen zusammenzuführen ist schon eine Herkulesaufgabe für sich. „Wir Linke sind hier unterrepräsentiert“, sagt Martin Schüring. „Münster ist für uns ein schwarzes Loch.“ Die Zahl der Buchhandlungen in der Stadt ist allgemein gesunken, linke oder alternative Buchläden gibt es kaum noch. Die Großen haben den Markt unter sich aufgeteilt. Sie verkaufen streng am Geschäft orientiert. Was schlechter läuft, kommt erst gar nicht ins Regal. „In Deutschland findet ein Monopolkampf zwischen Thalia und Hugendubel statt, der mit Stapelware und Bestsellerlisten geführt wird“, sagt Schüring. „Das Sortiment wird immer flacher. Es fehlt die Tiefe.“ Die Buchhandlungen bestehen auf Mindestbestellmengen, die für Unrast zu hoch sind. „Da kommen wir nicht rein“, weiß Schüring. Die kleinen Verlage würden ausgeschlossen und isoliert. „Der Buchhandel ist durchkapitalisiert.“ Schon allein desdraußen! 2006 ne Betrieb am Hawerkamp mit gesellschaftskritischen Sachbüchern und Romanen dagegen zu halten. Mit einigem Erfolg. Jörg Rostek hat dem linken Kultverlag einen Besuch abgestattet. halb, weil die Buchhandlungen mit moderner Technik arbeiten, wie Codes und Scannern, die an die Kleinverlage Anforderungen stellten, denen sie nicht gewachsen sind. Trotzdem verkauft der Unrast Verlag seine Bücher. Zwar nicht unbedingt in Münster, aber in anderen Gegenden der Republik, hauptsächlich in Großstädten wie Berlin, Köln oder Hamburg. Die Umsatzzahlen steigen. „Ostdeutschland repolitisiert sich“, begründet Schüring die positive Entwicklung. Dort herrscht offenbar reges Interesse an linker Literatur abseits des früher staatlich verordneten Marxismus-Leninismus. „Im Rahmen des Sozialabbaus landen die Leute beim Sozia- lismus“, vermutet Schüring. Das Buch „Kommunismus Kleine Geschichte, wie endlich alles anders wird“ gehört zu den Rennern bei Unrast. Aber auch aufklärende Literatur über die rechte Szene läuft gut. „White Noise“, ein Buch das sich mit der rechtsradikalen Musikszene beschäftigt, ist ebenfalls ausgesprochen erfolgreich. In Krisenzeiten werden die Menschen politischer, das hilft den linken Verlagen in Deutschland. „Wir profitieren von den Katastrophen, die der Kapitalismus verursacht“, sagt Schüring. 25 bis 30 verschiedene Titel verbreitet Unrast pro Jahr im deutschsprachigen Raum. Engagierte Literatur rund um klassische linke Themen: Gesellschaftskritik, Antifaschismus, Feminismus, Internationalismus. Alternative Zeitungen wie Junge Welt, Jungle World und taz besprechen die UnrastBücher. Besondere Pressepflege, die bei den renommierten Verlagen zum Alltag gehört, kann ein kleiner Verlag nicht leisten. Trotzdem kommt hin und wieder eine Anfrage von freien Mitarbeitern der MZ und der WN. Auch die Frankfurter Rundschau und die Neue Zürcher Zeitung sind schon mal auf Titel vom Hawerkamp aufmerksam geworden. Um nicht ganz alleine im kapitalistischen Universum zu sein, hat sich Unrast mit anderen in „Alive“, der Assoziation Linker Verlage, zusammengeschlossen. Die Zusammenarbeit würde Schüring gerne ausbauen. Aber die meisten linken Verleger fürchten den damit verbundenen bürokratischen Verwaltungsaufwand. Immerhin ist auf der nächsten Buchmesse schon mal ein gemeinsamer, sechszehn Meter langer Stand geplant. Länger ist nur noch der Weg zu einer anderen, gerechteren Gesellschaft. Biebers Burg - hd HOMO SAPIENS 20 Jahre KCM: Rosa Münsterland for ever Wo hat 1972 die erste Schwulen-Demo in der Geschichte der Bundesrepublik stattgefunden? Genau, in Münster. Die Szene in der Domstadt war schon immer sehr aktiv, kein Zufall also, dass eines der größten Schwulenzentren des Landes, das KCM, hier seinen Klaus Wowereit, Guido Westerwelle, Volker Beck jede Partei hat wenigstens einen prominenten Schwulen. Nur bei der CDU fällt uns auf Anhieb keiner ein. „Ole von Beust, der Bürgermeister von Hamburg!“, ruft Richard Halberstadt wie aus der Pistole geschossen. Klar doch! Den haben wir ganz vergessen. Und Politiker in Münster? „Da gibt es bestimmt welche“, vermutet Halberstadt, der bis zur Kommunalwahl im letzten Jahr für die Christdemokraten im Stadtrat saß. Dann verlor er seinen Wahlkreis am Hafen an die Grünen und war draußen. Nun widmet er sich anderen Aufgaben: Seit kurzem ist der Sozialpolitiker der neue Vorsitzende des Schwulenzentrums KCM. „Es ist nicht mehr wichtig, ob ein Politiker schwul ist. Das ist heute Privatsache“, glaubt Halberstadt. Kaum noch jemand regt sich auf, wenn der regierende Bürgermeister von Berlin mit seinem Lebensgefährten auf dem Bundespresseball auftaucht. Es hat sich viel getan seit 1985, als Schwule und Lesben in Münster das erste Zentrum für Homosexuelle gründeten. Im AStA-Häuschen, links vorm Schloss, saßen sie zusammen und stritten über den Namen. Sollte der Verein MÜSLI heißen, Münsteraner Schwulen- und Lesbeninitative? Zu provokant für die konservative Domstadt, fanden die meisten. Damals schauten Sitz hat. Von weit her kommen die Gäste, aus dem Ruhrgebiet, sogar aus Holland. Auch Sorgenonkel Jürgen Domian vom WDR ist hier schon gesichtet worden. Unlängst ist das KCM 20 Jahre alt geworden. Gerrit Hoekman gratuliert. sich junge Leute noch verstohlen dreimal um, bevor sie in die Beratungsstelle an der Rothenburg huschten, aus Angst jemand könnte sie beobachten und als schwul outen. Kommunikationscentrum Münster hingegen klang neutral. Heute fast unvorstellbar: Kein Notar wollte für den neuen Verein den Eintrag ins Register beantragen. „So etwas Unmoralisches mache ich nicht“, meinte einer. Erst in Handorf fand sich eine mutige Frau, die alles für das KCM regelte. Die Schwulen und Lesben mieteten runtergekommene Räume in einem Teppichgeschäft an der Grevener Straße, dort wo heute ein Aldi ist. Als der Vermieter herausbekam, wer seine Mieter waren, kündigte er den Vertrag und drehte Wasser, Strom und Heizung ab: „Es ist einem ahnungslos getäuschtem Privatmann nicht zuzumuten, an eine Randgruppe zu vermieten, deren Betätigungsfelder leider vor einigen Jahren als Strafbestand aus dem Gesetzbuch herausgenommen worden ist“, schreibt er in einem Brief ans KCM. Später musste er sich vor Gericht dafür entschuldigen. riege kamen Schwule und Lesben höchstens am Stammtisch in schlüpfrigen Witzen und als Feindbild im Wahlkampf vor. Als 1987 am Tag der offenen Tür auch die CDU ins KCM eingeladen wurde, empfanden das viele als Anbiederei. „Es besteht die Gefahr, dass aus dem KCM ein Kaffee- und Kuchenzentrum wird“, lästerten Kritiker. Die Mehrheit wollte aber an den Geldtopf der in Münster damals noch allmächtigen CDU und nahm dafür auch das eine oder andere frivole Plakat von der Wand, wenn Politiker auf der Matte standen, und schmiss sich in Schale mit Anzug und Krawatte. Der Einsatz half: Mit den Stimmen der CDU bekam das KCM ab sofort Geld von der Stadt. 1989 zog das Zentrum an den Hawerkamp, wo es bis heute geblieben ist. Es gab nun einen Frauentag, rauchfreie Partys und das schwule Radio „Rosa Welle“. Anfang der 11 Neunziger kam es zu den heftigsten Auseinandersetzungen in der Geschichte des KCM: Eine Selbsthilfegruppe von Pädophilen wollte sich in den Räumen am Hawerkamp treffen. Mit großer Mehrheit lehnten die Mitglieder den Antrag schließlich ab. Legendär auch die Demonstration bei den Westfälischen Nachrichten. Schwule und Lesben kamen in Münsters größter Tageszeitung nicht vor. Selbst aus Todesanzeigen entfernten die Redakteure das Wort schwul. Die wilden Zeiten sind vorbei, die WN berichten inzwischen über die Schwulenszene in Münster, auch wenn ihnen noch ein wenig die Lockerheit im Umgang fehlt. Die Lesben haben vor einigen Jahren einen eigenen Verein gegründet, LIVAS. Das KCM ist nun rein schwul. Für die Zukunft haben sich die Mitglieder einiges vorgenommen, aus dem Schwulenzentrum soll ein Ort soziokultureller Begegnung werden. Überflüssig wird das KCM aber noch lange nicht. Wie sagte Oberbürgermeister Berthold Tillmann auf der Geburtstagsgala des Vereins in der Cascade: „Es gibt noch viel zu tun, bis die Entscheidung, als Mann einen Mann oder als Frau eine Frau zu lieben und diese Liebe auch offen zu leben, keine Nachteile mehr mit sich bringt.“ Anzeige Münster hat sich geändert und auch das KCM. Dass nun mit Richard Halberstadt ein CDUPolitiker dem Verein vorsteht, wäre in den Achtzigern undenkbar gewesen. In der christdemokratischen Herrendraußen! 2006 12 MÜNCHEN Fernsehkult: Lindenstraße bricht Tabus Wer noch nie den Prinzipalmarkt sonntagabends gegen 18.50 Uhr gesehen hat, der ist entweder kein Münsteraner, sitzt noch brav in der Messe oder ist Lindenstraßenfan. Andere Serien kamen und gingen, aber die Lindenstraße gibt es am 8. Dezember stolze Am liebsten hängt der struppige Harry am Stehtisch von Olaf Klings Imbiss herum. Gern sitzt er auch mit Anglermütze, Nickelbrille und spekkigem Parka an der Theke im „Akropolis“ und wartet, dass ihm ein freundlicher Gönner ein Bier ausgibt. Seit einigen Jahren verkörpert der erfolgreiche Übersetzer, Vorleser und „Zeit“-Kolumnist Harry Rowohlt den wohl einzigen Obdachlosen in einer deutschen Fernsehserie. Die Lindenstraße hat schon manches Tabu gebrochen. Nachbarschaftshilfe und Ehekrisen, Fahrerflucht und Nazivergangenheit, Drogenabhängigkeit und Zwangsprostitution - seit 20 Jahren schaffen es die Autoren immer neue gesellschaftspolitische Themen in die Serie hineinzuschreiben. Wer wissen will, was die Republik bewegt, muss Lindenstraße gucken. Wenn es die Aktualität der Ereignisse erfordert, scheut Regisseur Hans Geißendörfer keine Mühen um schon fertige Folgen auf den neusten Stand zu bringen und Szenen neu einzuspielen. Legendär: Egal wie eine Bundestagswahl ausgeht, in der Lindenstraße gibt es schon eine halbe Stunde später das echte Ergebnis. Die Macher sind auf alle Eventualitäten vorbereitet. In den achtziger Jahren sorgte die erste Liebesszene zwischen zwei Männern für einen regelrechten Skandal. So draußen! 2006 20 Jahre. Wie es die Familienserie zur Kultsendung brachte und wie die Fans das Jubiläum feiern: Claudia Siemens sprach mit einem Fanclubvorsitzenden, der es durch seine Leidenschaft sogar ins Guinness Buch der Rekorde geschafft hat. etwas wollte der deutsche Zuschauer nicht sehen und trotzdem blieb er vor dem Bildschirm hocken. Der erste AIDS-Tote war dann nur noch eine Frage der Zeit - aber es traf zur Überraschung aller einen Hetero und keinen Schwulen. Das Schicksal des freundlichen Benno Zimmer- Marie-Luise Marjan - www mann wühlte 1988 die Nation auf, Millionen vergossen im heimischen Wohnzimmer vor der Flimmerkiste Trauertränen. Das Virus war in der Mitte der Gesellschaft angekommen. Womit sich die Lindenstraße um die Aufklärung in Sachen HIV mehr als verdient gemacht hat. Heute gehört das schwule Paar Carsten und Käthe zum Serienalltag und kein Hahn kräht mehr danach, dass die beiden inzwischen einen Jungen an Kindesstatt bei sich aufgenommen haben. Nicht zuletzt wegen ihrer Tabubrüche und ihrer starken Charaktere, von denen 12 seit dem ersten Jahr dabei sind, hat sich die Lindenstraße zum Kult entwickelt. Und wo es nach Kult riecht, lassen die Fans nicht lange auf sich warten. André Weber guckt die Lindenstraße von der erste Folge an. Bei der Premiere am 8. Dezember 1985 saß der damals 13-Jährige vor dem Fernseher und prophezeite altklug: „Diese Sendung gibt es in zehn Jahren noch.“ Weber hat Recht behalten und weil ihn die Serie nie mehr losgelassen hat, gründete er vor ein paar Jahren mit Gleichgesinnten den Kölner Fanclub „Jour Fix“, einer von insgesamt 25 im deutschsprachigen Raum. Die elf Mitglieder treffen sich regelmäßig und reden über das, was gerade in der Lindenstraße passiert. Manchmal laden sie auch Schauspieler Willi Herren - www oder Techniker ein. „Wir sprechen dann über Gott und die Welt“, erzählt Weber. Aber auch darüber, was im Hintergrund geschieht und wie die Sendung technisch entsteht. „Die Lindenstraße ist wie eine Großfamilie“, sagt Weber, der selbst schon häufig als Kom- parse in seiner Lieblingsserie mitgespielt hat. Ob MarieLuise Marjan, Willi Herren oder Joachim Luger - die Schauspieler findet er durch die Bank sympathisch. „Das Besondere an der Lindenstraße ist: die Zuschauer können sich gut mit den Personen in der Serie identifizieren“, findet Weber. Die Rollen sind eben mitten aus dem Leben gegriffen, haben einen eigenen Lebenslauf, sogar einen Geburtsort und einen Geburtstag. Das 20-jährige Jubiläum feiern die eingefleischten Fans mit einer großen Party auf dem WDR-Gelände in KölnBocklemünd. Von montags bis freitags dreht die Lindenstras- Joachim Luger - www sen-Crew hier in den Kulissen zwischen Café Beyer und der Villa Dressler fleißig die neuen Folgen. Einen ganz besonderen Gratulanten bekommen die Zuschauer am 19. Februar zu sehen, verrät André Weber - Dallas-Fiesling J.R. Ewing alias Lary Hagman kommt als Kunde in das Reisebüro von Helga Beimer. Auch die Sendung wird Weber wieder auf Video aufzeichnen, wie alle 1049 Folgen zuvor. Über 500 Stunden Lindenstraße - das war auch dem Guinness Buch der Rekorde einen Eintrag wert. Jetzt träumt Weber von einem Fanzimmer, in dem er seine Sammlung unterbringen kann. Vielleicht ist ja in Ursulas Frisiersalon noch ein Hinterzimmer frei. 13 P L AT Z D A ! Sommer in der City: Das große Stühlerücken Wer in diesem Sommer in der Innenstadt unterwegs war, musste oft genug Zickzack laufen: Stühle und Tische verstellten den Weg auch dort, wo bisher alles frei war. Die Außengastronomie hat inzwischen einen groDer Kellner am Marienplatz muss ständig auf der Hut sein: Mit Kaffeekännchen, Kuchen und Bier auf dem Tablett steht er an der Bordsteinkante. Entdeckt er eine Lücke im Verkehr auf der Königsstraße huscht er schnell hinüber. Sein Revier befindet sich nämlich auf der anderen Straßenseite, wo eine Münsteraner Gaststätte neben dem kleinen Park im Sommer Tische und Stühle aufgebaut hat. Auch die Belegschaft am Lambertikirchhof ist nicht zu beneiden. Hier kommen den Maitres zwar keine Autos in die Quere, aber sie müssen sich durch den Strom von Passanten in der Salzstraße zwängen. Viele Münsteraner sehen die Entwicklung skeptisch. „Geld kann ich doch nur einmal ausgeben“, meint eine Passantin. Und ein Busfahrgast am Klemensplatz findet: „Die Bestuhlung sieht an vielen Stellen wirklich nicht schön aus.“ Unterm Strich dürfen die Gastwirte momentan 3.300 Quadratmeter in der Innenstadt für Außengastronomie nutzen. Das sind etwa zwei Drittel eines Fußballfeldes und das klingt zunächst nach wenig. Verteilt auf die kleine City ist das aber viel. Es fehlt nun einmal ein Prachtboulevard. Den finanziellen Vorteil hat zunächst die Stadt. Ein Brancheninsider schätzt den Nutzen auf „etwa 80.000 Euro, vielleicht noch etwas mehr“. Das lindert die städtische Finanznot zwar nur ßen Teil des öffentlichen Raums in Beschlag genommen. Die Bürger müssen sehen, wie sie durch den Irrgarten kommen. Michael Heß hat für „draußen!“ alle Hürden übersprungen. Hier sein Bericht. in homöopathischer Dosis, doch Kleinvieh macht bekanntlich auch Mist. Die Kritik entzündet sich nicht an Alteingesessenen wie Stuhlmacher und Pfefferkorn, die - Hand aufs Herz - zu Münsters guter Stube gehören wie die Käfige von Sankt Lamberti. Es sind die in den letzten beiden Jahren ausge- Straßencafé: Kaum Platz für die Passanten stellten Genehmigungen, die nicht immer überzeugen. An manchen Stellen wie unterhalb des Horstebergs am Dom bleibt kaum noch Platz für die Passanten und am Klemensplatz verhinderten noch im tristen November Tische und Stühle die eigentliche Nutzung des Platzes als öffentlicher Raum für alle Bürger. Der allerletzte Cent aus der Pelz- und Stiefelgastronomie scheint mehr zu wiegen. Dafür dürfen die gewöhnlichen Münsteraner auch mal einen Umweg gehen. Peter Schnepper, Geschäftsführer der Industrie- und Handelskammer, hingegen freut sich: „Wirtschaft, Bürgerschaft und Stadt müssen gemeinsam daran arbeiten, - mh ihre Innenstadt aufzuwerten und besser zu vermarkten.“ Im Klartext: Die Privatisierung des öffentlichen Raums soll weiter gehen. Was in erster Linie im Interesse der Wirte ist. „Der Teufel liegt im Detail“, sagt Horst-Werner Koch vom Ordnungsamt. Die Behörde muss alle Gastronomen gleich behandeln, deshalb war das Ordnungsamt faktisch gezwungen, neuen Anträgen zuzustimmen, so lange nicht gewichtige Argumente dagegen sprechen. Zum Beispiel die Straßenverkehrsordnung: Mindestens 1,80 Meter des Gehwegs müssen bis zur Bordsteinkante frei bleiben, müssen die Kellner eine Straße überqueren, darf die kein hohes Verkehrsaufkommen aufweisen. Die Lizenz vom Ordnungsamt gilt meistens von April bis Oktober. Nur wenige wie „Pfefferkorn“ erhalten Lizenz für das ganze Jahr. Die Gastronomen haben sich außerdem mit der Verwaltung auf die Regelung weiterer Details wie zum Beispiel zu vorteilhaften Bestuhlungen und Tischdekor verständigt, die das Stadtbild nicht zu sehr strapazieren. Das klingt alles vernünftig, doch der Preis ist zumindest am Klemensplatz hoch: Bürger, Parteien und Vereine, die früher hier ihre Infotische aufbauten oder sich zu Kundgebungen trafen, müssen nun woanders hin. Im letzten Jahr waren es immerhin 40 Veranstaltungen, die Hälfte davon am Samstag. Der Ausländerbeirat feierte sein Fest der Kulturen. Amnesty International, das schwule Zentrum KCM oder der Allgemeine Deutsche Fahrradclub - alle machten am Klemensplatz an zentralem Orte auf ihre Sache aufmerksam. In diesem Sommer bot die Stadt den Rathausinnenhof als Ersatz an, aber dort sind, was Lautstärke und Besucherandrang betrifft, enge Grenzen gesetzt. Lichtblick: Laut Ordnungsamt sind keine neuen Genehmigungen mehr geplant. Aber der nächste Sommer kommt bestimmt und bis dahin sollten alle Beteiligten für den Klemensplatz eine Lösung finden. Wirte, Stadt und die Münsteraner Vereine, Parteien und Bürger. draußen! 2006 14 TRÄNEN Weihnachten: Mami hat euch ganz doll lieb! Der Advent ist die Zeit der Besinnung, das können Sie an einer anderen Stelle in dieser Ausgabe ganz genau nachlesen. Auch Anne, die seit gut einem Jahr die „draußen!“ verkauft, wird melancholisch, wenn sie an WeihAnzeige Anne wächst in Emsdetten auf. Hier besucht sie die Hauptschule und träumt davon, Pferdepflegerin zu werden. „Dafür muss man aber einen Realschulabschluss haben,“ erzählt die 34-Jährige. Statt eine Ausbildung zu machen geht sie putzen. Gerade 18 geworden lernt sie ihren Mann kennen und zieht zu ihm. Das Familienglück „draußen!“-Verkäuferin Anne scheint perfekt, als die erste Tochter geboren wird. Die Kleine ist gesund und munter, hat aber einen großen Blutschwamm im Gesicht. Die junge Mutter muss immer wieder mit dem Mädchen zu Spezialisten, die das Mal in etlichen Sitzungen weglasern. Weil das Gesicht des Kindes wegen der Behandlung manchmal geschwollen ist, erzählen sich die Leute das Mädchen werde geschlagen. Das Jugendamt meldet sich. draußen! 2006 nachten denkt. Eigentlich ist sie eine lebenslustige, junge Frau, nur wenn sie von ihren Töchtern erzählt, wird sie ganz traurig. Die drei Mädchen leben seit über einem Jahr im Kinderheim. Sabrina Kipp hat ihr zugehört. „Ich musste die kleine Maus bis auf die Unterwäsche ausziehen“, schämt sich Anne. Das Amt will das Mädchen mitnehmen, aber der Arzt verhindert das mit einem Attest, das die Krankheit bescheinigt. Wenige Jahre später bekommt Anne das zweite Mädchen. Das Baby leidet an einer - hd schweren Nierenkrankheit, es weint viel, hat immer wieder Fieber. Mit acht Monaten muss es eine schwere Operation überstehen. „Ich saß jahrelang ständig in irgendwelchen Wartezimmern“, erinnert sich Anne. Sie wird wieder schwanger und bringt die dritte, zum Glück rundherum gesunde Tochter zur Welt. Arzttermine, nachts aufstehen und Pampers wechseln - die kleine Familie ist am Rande ihrer Kräfte. Immer öfter spielt Alkohol eine Rolle, hin und wieder wird es richtig laut zwischen den Eheleuten. Wieder steht das Jugendamt vor der Tür. Nachbarn haben den Verdacht, die Kinder werden geschlagen und kriegen nichts zum Essen. „Das mit dem Alkohol war manchmal wirklich schlimm, aber zum Essen hatten wir immer genug. Und misshandelt haben wir die Kinder auch nicht“, weint Anne. Alle drei Mädchen kommen in ein Heim. Kurz darauf verlässt Anne ihren Mann, sie hält es zu Hause nicht mehr aus. Der Schlussstrich unter ihrem bisherigen Leben. Anne hat neu angefangen. Ihr jetziger Freund brachte sie mit zur „draußen!“. Nun ist sie eine der wenigen Frauen, die Münsters Straßenmagazin verkaufen. Inzwischen hat sie auch eine eigene kleine Wohnung. „Es fehlt zwar noch einiges, aber das wird schon“, freut sie sich. In ihrer Freizeit spielt Anne Dart, das englische Pfeile werfen, und hat schon den einen oder anderen Preis gewinnen können. Aber obwohl es aufwärts geht - das Schicksal ihrer Kinder schmerzt noch immer. Im Moment überlegt das Jugendamt, ob die Älteste zum Vater zurück kann. Anne hatte zu ihr die ganze Zeit Kontakt. Die beiden Kleinen sollen in Pflegefamilien untergebracht werden. Für Anne steht fest: „Egal wo meine drei Mäuse sind, ich hab sie ganz doll lieb!“ 15 KUNST Gelungener Abend von Brigitte Borchers Kalligraphien oder von Ulrike Röttgers und Anne Hellmuths Gemälden bezaubern lassen. Fetzige Musik, klassischer Stunden im Hotel Das Hotel „Hansa-Haus“ platzte fast aus allen Nähten: Über 150 Besucher kamen zum Albersloher Weg um eine ungewöhnliche Aktion zu bestaunen. Gut ein Dutzend Künstlerinnen, Musiker und Schriftsteller zeigten ihre Am Eingang gleich die erste Überraschung: Statt einer Eintrittskarte bekommen wir einen Schlüssel mit glitzerndem Anhänger, den wir als schönes Andenken behalten dürfen. Als erstes fällt Kascha B. auf alias „Frau Pillepalle“. Durch ihre schrullige Art sorgt sie beim Publikum für lachende Gesichter. Auch Anja Rohlf als „Dame in Blau“ sticht durch ihr grellblau geschminktes Gesicht sofort ins Auge. Kunst dort, wo sonst die Gäste schlafen. Am Ende stand nicht nur ein gelungener Abend, sondern auch eine Spende von 800 Euro für unser Straßenmagazin. Kerstin Winkelnkemper hat sich unter die Leute gemischt. mich wohl dort erwarten? Und in der Sauna? Oder im Treppenhaus? In den Gästezim- Brigitte Borchers - privat Gesang, gehaltvolle Lesungen, ein großartiger Zauberer und ausdrucksstarke Bilder die einzigartige Veranstaltung Petra Brandes - privat mern konnte man gemütlich auf den Betten liegen und Brigitte Kreymeyers Lyrik lauschen und den plattdeutschen Texten von Ulla Wolanewitz. Anja Rohlf zwischen Gedichten und Liedern, die er mit Gitarre und Mundharmonika begleitete, Hiltrud Allhoff - privat fand ein begeistertes Publikum. Auch das Gitarren-Duo Helm & Heik mit ihrer Film Guitar Show erhielten großen Beifall. Ihre Bühne war das Treppenhaus. Auf dem Weg dorthin konnten die Gäste sich Gerlinde Niedick - privat im Hotel „Hansa Haus“ bot für jeden etwas. Die „draußen!“ bedankt sich herzlich bei den Organisatorinnen, den Künstlerinnen und Künstlern für einen wundervollen Abend! - privat „Vier Ausstellungen, drei Lesungen, zwei Sängerinnen und ein Gitarrenduo - wo kriegen sie das woanders an einem Abend zu sehen?“, begrüßte Organisatorin Petra Brandes die Besucher. „Und wir legen sogar noch einen Zauberer drauf, Frau Pillepalle, eine Dame in Blau in der Wäschekammer und Geschichten aus der Hotelsauna!“ Das Publikum strömte durch das Hotel, wanderte von einem Zimmer in das nächste und fragte sich: Was mag Kascha Borgmann - privat Sigi Nasner, der „draußen!“Poet las aus seinen Texten, die Facetten seines Lebens widerspiegelten. Das Wechselspiel Petra Brandes übergibt 800 Euro an Horst Gärtner -hd draußen! 2006 16 WEIHNACHTS Irma und Erwin von Sigi Nasner Das schwere vereiste Friedhofstor glitt Irma aus den Händen, und fiel laut ins Schloss. „Im Alter lassen die Kräfte doch etwas nach. Den Toten wird der Lärm wohl egal sein,“ dachte sie. Gefrorener Kies knirschte unter ihren Schuhen, als sie fröstelnd durch die verlassenen Grabreihen ging. Der eisige Wind zerrte an ihrem Kopftuch. Die Luft war schneidend kalt. Irma blieb vor einem der Gräber stehen, und hielt inne. „Dieses Weihnachtsfest werde ich ohne dich feiern müssen Donna. Aber in Gedanken werde ich bei dir sein.“, sagte sie. Sie beugte sich zur Grabstätte hinab, nahm eine Grabkerze aus ihrer Handtasche und entzündete sie. Das Grab wurde in einen rötlichen Schimmer getaucht. Tränen liefen ihr über die Wangen. Mit einem Taschentuch trocknete sie ihr Gesicht. In lieben Erinnerungen an ihre Freundin verharrte sie und ihre Schultern zitterten. Der auffrischende Wind ließ sie leicht schwanken. Sie vergaß Zeit und Ort. Nach einer Weile hörte sie von der nahen Kirche die Glocken Anzeige erklingen. „Ich muss nun wieder gehen, meine Liebe. Schnipp wartet vor dem Friedhof und er friert bestimmt schon.“ murmelte sie. Langsam wendete sie sich ab, und ging den Weg, den sie kam, wieder zurück. hatte ihn vor einigen Wochen an einem Baum angebunden gefunden. Er bibberte vor Angst und Kälte. Es machte sie traurig, dass Leute so etwas übers Herz bringen. Sie hatte ihn Schnipp getauft und schnell hatte sie ihn lieb Unerwünscht im Warteraum Neben dem Friedhofstor war ein kleiner Hund angebunden. Als er sie sah, sprang er freudig kläffend hin und her. Irma Nun, da ihr klar wurde, wohin sie ging, wurde ihr Gang bestimmter und schneller. - sn gewonnen. Den Verlustschmerz, der sie nach dem Tod ihrer Freundin ergriffen hatte, ertrug sie jetzt ein wenig leichter. Mit Schnipp an der Leine machte Irma sich in Gedanken versunken auf den Weg nach Hause. Sie fürchtete sich vor der Einsamkeit, die dieser Heilige Abend ohne ihre Freundin mit sich bringen würde. Nach einer Weile bemerkte sie, dass sie unbewußt eine völlig andere Richtung eingeschlagen hatte. Dieser Weg draußen! 2006 würde sie geradewegs zu einem kleinen See führen. Oft hatte Irma an dessen Ufer mit ihrer Freundin auf einer Parkbank gesessen und vertraute Gespräche geführt. Manchmal hatten sie in stiller Zweisamkeit auch einfach nur dagesessen, um die Schönheit und Ruhe, die dieser Ort ausstrahlt, zu genießen. Auf dem Bahnsteig herrschte vorweihnachtliche Betriebsamkeit. Jeder wollte zeitig zu Hause sein, um das Weihnachtsfest im Kreise der Familie zu feiern. Erwin saß allein in einem kleinen beheizten Warteraum. Früher hatte er mit seinem Freund Karl zusammen hier gesessen. Sie hatten die Reisenden beobachtet und über Gott und die Welt geredet. Was sollten sie auch sonst unternehmen? Sie bewohnten gemeinsam ein Zimmer im nahe gelegenen Obdachlosenheim. Aber dort gab es häufig Streit unter den Bewohnern. Vor allem, wenn GESCHICHTE zuviel Alkohol getrunken wurde. Zwar hatten sie sich auch ab und an eine Flasche Wein gegönnt, aber streitsüchtig sind sie dabei nie geworden. Im Gegenteil! Ihr Lebensmotto hieß: leben, und leben lassen. „Mensch Karl, warum bist du nicht zum Doktor gegangen, als ich es dir geraten habe?“ dachte Erwin. Dann könnten wir bestimmt noch immer hier beisammen sitzen. Karl war oft über sein Leben bekümmert gewesen. Als seine Firma bankrott ging hatte seine Frau ihn verlassen. Aus Frust hatte er zu trinken begonnen. Das war ihm dann alles auf den Magen geschlagen und er hatte schlimme Bauchschmerzen bekommen. Aber zum Arzt mochte er einfach nicht gehen. „Ärzte sind mir suspekt“, hatte er oft gesagt. schleppenden Schritten auf den Weg. „Einen alten Mann einfach so in die Winterkälte zu schicken!“ dachte er, als er aus dem Bahnhof heraustrat. Der Wind blies ihm ins Gesicht. Trotzdem wollte er nicht zurück zur Obdachlosenunterkunft. „Ich werde noch eine Weile zum See hinunter gehen“, murmelte er leise. „Das wird mir bestimmt gut tun“. Er schlug den Mantelkragen hoch und machte sich auf den Weg. Am Seeufer, im Windschatten einer Tannenschonung, saß Irma auf der einzigen Bank. Neben sich den kleinen Schnipp. Sie blickte verträumt über die matt schimmernde Eisfläche. Am Ufersaum sie. Er setzte sich gemächlich. Der kleine Hund begann neugierig an ihm herumzuschnüffeln. Schweigend saßen sie eine Weile nebeneinander. Dann ergriff Irma das Wort: „Wir haben uns eine Zeit lang nicht gesehen, Erwin. Wo ist denn ihr Freund, mit dem sie sonst unterwegs sind?“ Erwin hob seinen Blick und schaute ihr ins Gesicht. „Er hat diese Welt verlassen“, entgegnete er traurig. „Der Magen hat rebelliert. Sein Kummer hat ihn aufgefressen.“ „Das tut mir sehr leid“, sagte Irma. Wieder war es still. Nach einer Weile wollte er wissen: „Und ihre Freundin, ist sie noch im Krankenhaus? Wie geht es ihr?“ „Auch sie hat 17 Weihnachtsfest verbringen, wenn nicht mit ihrem Freund?“ wagte sie sich schließlich zu fragen. „Ich weiß noch nicht, was heute sein wird“, erwiderte Erwin wahrheitsgetreu. Der vor Kälte zitternde Hund schmiegte sich an Erwins warmen Mantel. „Er scheint wirklich ein guter Mensch zu sein.“ dachte Irma. Dann erhob sie sich von der Bank. „Kommen sie!“ forderte sie ihn auf. „Es wird wohl ein sehr kaltes Weihnachtsfest werden. Aber ein einsames braucht es nicht zu sein.“ Erwin zögerte. Er blickte sie verlegen an. „Nun kommen sie schon, bevor wir hier noch festfrieren“, ermunterte Irma ihn und hielt Erwin Eines Morgens war Erwin von einer Reise zurückgekehrt. Er hatte Karl in seinem eigenen Blut liegend vorgefunden. „Magendurchbruch! Er ist vor etwa drei Stunden verstorben“, hatte der Notarzt sachlich festgestellt. In Erwins Augen schimmerten Tränen, als er nun an jenen Morgen zurückdachte. „Kann ich bitte mal ihren Ausweis sehen“, riss ihn eine Stimme aus seinen trüben Gedanken. Zwei Beamte der Bundespolizei standen vor ihm, und musterten ihn streng. Überrascht kramte er seinen Ausweis hervor und gab ihn weiter. Während der eine Beamte die Papiere kontrollierte, fragte sein Kollege: „Wollen sie verreisen? Kann ich mal die Fahrkarte sehen?“„Ich wollte mich hier nur etwas aufwärmen“, erwiderte Erwin. „Das ist gegen die Vorschriften“, sagte der Polizist bestimmt. „Sie müssen den Bahnsteig unverzüglich verlassen.“ Erwin bekam seinen Ausweis zurück, und machte sich mit Gemeinsam den Heiligen Abend feiern streckten Korbweiden ihre Äste wie dürre Finger Richtung Himmel. Sie sah einen Mann auf sich zukommen. Sie freute sich, als sie Erwin erkannte, mit dem sie schon früher gerne geredet hatte. Er lächelte sie freundlich an, als er vor der Bank stand: „Ob ich mich wohl einen Augenblick zu Ihnen setzen dürfte, Irma?“ „Aber natürlich“, antwortete - sn diese Welt verlassen. Das Herz wollte nicht mehr mitmachen“, antwortete sie nach kurzem Zögern. „Mein aufrichtiges Beileid.“ Erwin sah sie betroffen an. Der eisige Wind nahm an Stärke zu. Schnipp leckte vertrauensselig an Erwins Hand. Irma beobachtete beide lächelnd und ihr kam eine Idee. „Mit wem werden sie heute das ihren Arm entgegen. „Da wartet noch eine Gans, die gebraten werden will und ein Baum, der geschmückt werden muss.“ Erwin stand auf und hakte sich bei Irma ein. Schnipp sprang freudig von der Bank und umkreiste die beiden. Nun machten sie sich auf den Weg und freuten sich auf den gemeinsamen Heiligen Abend. draußen! 2006 18 DRINNEN Knastbücherei: Lesen hinter Gittern Stadtbüchereien wären über so eine Quote froh: 80 Prozent aller Gefangenen nutzen die Bibliothek der Justizvollzugsanstalt in der Gartenstrasse. Eine Chance, klüger aus dem Knast zu kommen, als man reingegangen ist. Für Maria „Für die Freiheit des Wortes“ unter diesem Motto stand die feierliche Neueröffnung Mitte November am Tag des Writers-in-Prison-Day, dem weltweiten Gedenktag an verfolgte Autoren. Für die Insassen der 152 Jahre alten JVA hat das Wort Freiheit unbestreitbar seine eigene, ganz besondere Bedeutung. Trotz des schlechten Wetters und der Kühle im Veranstaltungsraum, gelang es Maria Look, den vielen angereisten Medienvertretern aus Presse, Funk und Fernsehen ihre Anstalt erfolgreich zu präsentieren. Als erste von vier Rednern erwähnte sie die hohe Benutzerquote und den Platzmangel, die es nötig machten, die neue Bibliothek einzurichten: Anzeige draußen! 2006 Look, Leiterin der JVA, ist Lesen wichtig für die Wiedereingliederung in die Gesellschaft. Weil die alte Bücherei zu klein geworden war, musste eine neue her. Jörg Rostek hat an der Eröffnung teilgenommen. „Die Übersichtlichkeit war nicht mehr sichergestellt.“ Wahrlich: Wie beruhigend und notwendig ist doch die Freiheit des Geistes, besonders in der Unfreiheit. Das Wissen wir spätestens seit der „Schachnovelle“ von Stefan Zweig. Jetzt stehen auf hundert Quadratmetern Regale, angefüllt mit Lektüre aus allen erdenklichen Gebieten: Belletristik, Geschichte, Theologie, Philosophie und Wissenswertes über Westfalen, in der Bücherei der JVA findet jeder etwas passendes. Auch Comics. Ein kleines Eckchen ist reserviert für Werke unterdrückter Autoren, wie Rushdie, Pamuk und Solschenizyn. Ja, es könnte beinahe eine gut sortierte Buchhandlung sein, was sich den neugierigen Besuchern der Feier dort bot und den Insassen nun zur „freien“ Verfügung steht. Fontane auf Litauisch, Böll auf Spanisch und Puzo auf Polnisch bieten auch denjenigen Einblick in die Welt der Bücher, die des Deutschen kaum oder nicht mächtig sind. Alle erforderlichen Sprachen sind vorhanden. Für die Einge- sperrten ist die Bibliothek sicher auch eine gerne genutzte Möglichkeit die enge Zelle für kurze Zeit zu verlassen. Lesestube Gartenstrasse Geld-, Bücher- und Sachspenden sowie Rat und Tat haben eine besuchenswerte Bibliothek hervorgebracht. Das Architekturbüro Bolles + Wilson, das schon die Stadtbücherei in Münsters Innenstadt entwarf, trug maßgeblich dazu bei. Michael Klaus ist Vizepräsident des PEN-Zentrums in Deutschland, einer Organisation, die sich schon jahrelang für das freie Wort einsetzt. Er betonte eindrucksvoll die Bedeutung des PEN und die Verschlechterung der „Freiheit des Wortes“ nach den Attentaten in den USA am 11. September 2001. Die Wahrheit könne in den Texten von Autoren auch hinter einer Fabel versteckt sein, um sie vor der Zensur zu schützen, erklärte Klaus. Sehr deutlich und einprägsam war seine Kritik an autoritären Staaten wie Sierra Leone und Iran, die die Menschenrechte ihrer Bürger und die Freiheit ihrer Autoren missachten und einschränken. Etwas über 150 Gäste waren bei der Feier anwesend. Vier engagierte Reden wurden ge- - archiv halten und in den Pausen erklang bezaubernde Gitarrenmusik, gespielt von der anstaltseigenen Gitarrenlehrerin Tania Pentcheva. Ganz kurz kam es einem so vor, als sei dies eher eine Art Treffen von alten Bekannten und Freunden. Nur die Gefangenen kamen nicht zu Wort, niemand bat sie ans Rednerpult. Stattdessen schenkten sie für die Gäste Eintopf aus. Vielleicht hätten sie einiges zu erzählen gehabt. Am Tag „Für die Freiheit des Wortes“ in der Unfreiheit. 19 CANDLELIGHT City-Advent: die Schokoladenindustrie das Potential, das im Adventskalender steckt und er trat seinen Siegeszug um die ganze Welt an. Steine vom Herzen Verstopfte Straßen, brechend volle Geschäfte, gestresste Kunden und Verkäufer. Kurz vor Weihnachten herrscht wie jedes Jahr Ausnahmezustand in Münster. Von Besinnlichkeit keine Spur, an den Advent erinnert Advent in Münster. Aus Bussen und Zügen quellen Touristen, die in die Altstadt ziehen und kategorisch alle Straßen mit Kopfsteinpflaster zur Fußgängerzone erklären. Ihr Ziel: der Weihnachtsmarkt. Lichterketten, wohin das Auge blickt. Aus dem Lichtlein - erst eins, dann zwei, dann drei, dann vier- sind unzählige Glühbirnen geworden. Spielzeug, Weihnachtsschmuck, Kunsthandwerk und jede Menge Leckereien, herzhaft oder süß, je nach Laune und Geschmack. Es ist schwer, aus dem Menschenstrom, der sich durch die Budenreihen zwängt, auszubrechen und sich zu den einzelnen Ständen durchzuboxen. Im Gedränge bleibt kaum Platz, das nach langem Anstehen erbeutete Essen zu verspeisen. So mancher Besucher lässt sich mit seinem Plastikteller müde und erschöpft in einem Kaufhauseingang nieder. Aber trotz allem: die in Lichter getauchte Altstadt, die Tannenbäume, geschmückten Buden, weihnachtlichen Düfte und Lieder sind ein Erlebnis. Wer mit Muße über den Weihnachtsmarkt schlendert, kann noch etwas erahnen von der Vorfreude und Besinnung als eigentliche Absicht des Advent. Vorfreude worauf? Abgesehen vom Weihnachtsfest mit Familie, gutem Essen und Geschenken? Advent heißt Ankunft, und derjenige, dessen Kommen erwartet wird, ist Jesus. nur die Beleuchtung. Festliche Stimmung findet man höchstens auf dem Weihnachtsmarkt bei einer Tasse Glühwein und Gebäck. Heidi Brülls erinnert daran, was Advent aus christlicher Sicht eigentlich bedeutet. Für viele heute unvorstellbar: Das Warten auf die Ankunft Christi war ursprünglich eine Kuppel der Dominikanerkirche Buß- und Fastenzeit, und im Advent durfte weder getanzt noch geheiratet werden. Denn man dachte nicht an die Geburt des kleinen Kindes im Stall von Bethlehem, sondern an die Wiederkunft des Erlösers am Ende der Zeiten. Aber schon früh setzte sich daneben auch das Motiv der Menschwerdung Gottes durch, die Freude darüber, dass Gott „in tiefster Nacht erschienen“ ist und in einem hilflosen Neugeborenen Gestalt angenommen hat. Kerzen anzuzünden symbolisierte das Licht, das durch Jesus in die Welt gekommen war. Erst im 19. Jahrhundert kam jemand im protestantischen Norddeutschland auf die Idee, Kerzen auf einen mit Tannenzweigen umkränzten Holzreifen zu stecken. Daraus ent- - André Guczki wickelte sich schließlich der Adventskranz, der bald in ganz Deutschland verbreitet war und 1925 zum ersten Mal auch in einer katholischen Kirche hing. Den Adventskalender gibt es ebenfalls noch gar nicht so lange. Früher hat man, um den Kleinen die Tage bis Weihnachten zu verkürzen, für jeden Tag einen Strohhalm in die Krippe gelegt oder 24 Kreidestriche an die Haustür gemalt, von denen täglich einer weggewischt wurde. Den ersten Adventskalender schuf 1908 ein schwäbischer Pfarrersohn. In seiner Kindheit hatte die Mutter 24 Plätzchen auf einen Karton genäht, um ihm die lange Zeit bis zum Heiligabend zu versüßen. Nach dem Zweiten Weltkrieg entdeckte Wer einmal von der Hektik der Weihnachtseinkäufe verschnaufen möchte, für den ist die Dominikanerkirche in der Salzstraße die richtige Adresse. Hier veranstaltet das „Kirchenfoyer“ den sogenannten „City-Advent“. Also eintreten, die vollen Einkaufstüten beiseite stellen, Stress abschütteln und zur Ruhe kommen. Das Motto in diesem Jahr lautet „Gottes Weg mit mir...“. Diesem Weg kann der Besucher an verschiedenen Orten der Stille für sich selbst nachspüren. Zum Beispiel beim Betrachten der Photos unterschiedlicher Menschen, die ihren persönlichen Weg mit Gott beschrieben haben. In einem Buch in der besinnlichen Ecke kann man seine Wünsche eintragen. Die Ordensschwestern der Klarissen schließen sie dann im Dom in ihre Gebete ein. Seine Sorgen kann man in der Dominikanerkirche symbolisch ablegen, indem man sie auf einen Stein schreibt. Wer möchte, darf sich aus dem Steinhaufen einen wegnehmen, um so die Sorgen eines anderen mit zu tragen. Und wenn jemand nach dieser Atempause Lust auf einen Glühwein bekommt, braucht er nicht lange zu suchen, wenn er die Kirche wieder verlässt. Dominikanerkirche 26.11.05 - 18.12.05 Öffnungszeiten: Mo - Do 15.00 - 18.00 Uhr Fr 13.00 - 18.00 Uhr Sa 13.00 - 17.00 Uhr So 12.00 - 17.00 Uhr draußen! 2006 20 SPENDENAUFRUF Spenden Sie uns! Liebe Leserinnen und Leser, hoppla, schon wieder Weihnachten, schon wieder ein Jahr vorbei. Ich habe das Gefühl, die Zeit vergeht schneller, je älter man wird. Ein Freund, der sich für solche Phänomene interessiert, hat mir mal erklärt woran das liegt: Für ein fünfjähriges Kind bedeutet ein Jahr ein Fünftel seines Lebens und das ist gefühlt eine ganz schön lange Zeit. Für einen Vierzigjährigen macht das Jahr aber nur ein Vierzigstel aus - ein Wimpernschlag im Vergleich zum Gefühl eines Kleinkindes. Wir bei „draußen!“ jedenfalls haben die knappe Zeit genutzt und blicken auf ein erfolgreiches Jahr zurück. Die Auflage hat sich zwischen 5.500 und 6.000 Hefte eingependelt, das ist noch mal eine leichte Steigerung gegenüber letztem Jahr. Trotzdem: Ohne Ihre Spende kann die „draußen!“ nicht überleben, dazu müssten wir doppelt so viel verkaufen. Ob wir das jemals schaffen, keine Ahnung. Aber wir bemühen uns nach Kräften. Weil Anzeige wir im letzten Jahr viele neue Verkäufer gewonnen haben, sind wir nun auch außerhalb Münsters in Greven, Telgte und Warendorf regelmäßig präsent. Über 30 Verkäufer sind jetzt für die „draußen!“ aktiv und dazu hat die HartzReform einen großen Beitrag geleistet. Die Menschen sind ärmer geworden. Mit Ihrer Spende helfen Sie, jenen eine Perspektive zu geben, die am Rande der Gesellschaft stehen. Viele unserer Verkäufer würden morgens keinen Grund haben aufzustehen, gäbe es die „draußen!“ nicht. Sie ist ein gutes Stück Lebensinhalt für sie geworden und ein bisschen auch wie ein Zuhause. Die meisten haben keine Aussicht eine „normale“ Stelle zu bekommen. Weil sie auf der Straße krank geworden sind, weil sie psychische Probleme haben, weil sie niemand brauchen kann. Deshalb stehen sie bei Wind und Wetter in der Innenstadt und haben für jede Käuferin und jeden Käufer ein nettes Wort, manchmal sogar einen Lutscher oder ein paar Kekse für die Kinder. Sie sind gute Botschafter unserer Stadt, das beweisen die Mails, die uns Besucher von auswärts schicken. Und nun ist die „draußen!“ sogar in Polen ein Begriff. Dank unserer neuen Fußballmannschaft, die als deutscher Vertreter bei der inoffiziellen Europameisterschaft in Gdansk einen großen Beitrag zur Verständigung zwischen den beiden Ländern geleistet hat. Die „Fußballberber Draußen Münster“ waren auf geschichtlich schwierigem Terrain sympathische Repräsentanten und die Lieblinge der polnischen Fans. Unsere Kicker zeigen, wie schnell Menschen zu motivieren sind, die sich lange haben hängen lassen. Anstatt den ganzen Tag auf der „Platte“ rumzuhängen, rennen sie jetzt auf der Wiese dem Ball hinterher. Wer für „draußen!“ spendet, kann sicher sein: Das Geld kommt dort an, wo es hin soll. Direkt, ohne Umweg. Es fließt in die Weihnachtsfeier, in das Sommerfest, in die Miete für unser Büro. Wir unterstützen damit auch die Verkäufer, die im Krankenhaus oder in der Psychiatrie sind und eine Zeitlang nicht auf der Straße stehen können. Damit wir auch in Zukunft unsere soziale Aufgabe erfüllen können, sind wir auf Ihre Hilfe angewiesen. Deshalb bitte ich Sie um einen kleinen Beitrag. Jede Spende hilft. Wie die zehn Euro, die uns neulich eine ältere Dame geschickt hat mit einem lieben Brief dabei. Sie finden in diesem Heft einen Überweisungsträger, den Sie nur noch auszufüllen brauchen. Sollte der verschwunden sein, steht unsere Bankverbindung vorne im Impressum. Ich wünsche allen unseren Leserinnen und Lesern ein frohes Weihnachtsfest und einen Guten Rutsch ins neue Jahr. Ihr Gerrit Hoekman Falschaussage Letzten Monat berichteten wir über einen Neonazi, der angeblich an der Volkshochschule und am Sprachwissenschaftlichen Institut der Universität unterrichten soll. Das behauptet zumindest die Antifaschistische Aktion aus Münster. Was die Uni angeht, hat die Antifa scheinbar schlampig recherchiert. „Bei uns hat der Mann nie Seminare gegeben“, wehrt sich das Institut gegen den Vorwurf Rechtsradikale bei sich zu dulden. „Das gäbe es bei uns auch nicht.“ Zwar sei der Neonazi in den UniListen als freier Dozent geführt, aber keinem Fachbereich zugeordnet. Man werde in jedem Fall Augen und Ohren offen halten. draußen! 2006 21 BERLIN Bundespräsident Horst Köhler Grußwort für die Straßenzeitungen Es sind oft kleine Nachrichten, die es nur selten bis ins Fernsehen schaffen. Umso wichtiger sind sie aber für jene, die darin eine Rolle spielen oder die in ihrem Alltag ganz ähnliche Situationen erleben. Liebe Leserinnen und Leser, während Sie diese Straßenzeitung lesen, sitzen Sie wahrscheinlich in der U-Bahn oder S-Bahn. Sie fahren zur Arbeit, zum Einkaufen oder nach Hause. Vielleicht sind Sie ein bisschen abgelenkt, weil Sie schon darüber nachdenken, was Sie am Ziel Ihrer Reise tun werden. Dennoch nehmen Sie Eindrücke mit, indem Sie in dieser Zeitung blättern, und erhalten Einblicke in Lebenswelten, die Sie nicht alle aus persönlicher Erfahrung kennen: Sie lesen einen Artikel über Armut in der Stadt und einen über Probleme mit Ein-Euro-Jobs und Hartz IV. Sie erfahren, dass eine Freiwilligenagentur Nachwuchs sucht. Ein Überblick über kulturelle Veranstaltungen in Ihrer Stadt liegt der Straßenzeitung vielleicht auch bei, und eine Tombola für Bedürftige vermeldet, was sie eingespielt hat. Sie finden ein Interview mit dem Besitzer eines kleinen Sportstudios und einen Beitrag, in dem die sozialen Probleme von kinderreichen Familien beschrieben werden. Ein Straßenzeitungsverkäufer schildert seine Eindrücke von der weihnachtlichen Stadt. Am Ende finden Sie die Lokalnachrichten: Neuigkeiten aus Fußballverein, Standesamt, Schuldnerberatung, Arbeitsamt, Kirche und Tierheim. Ich weiß nicht, wie es Ihnen geht: Ich freue mich immer, wenn ich auf eine interessante Information stoße, die ich in anderen Zeitungen nicht gefunden hätte. Bei den Berichten aus den Stadtvierteln fühle ich mich kurzfristig in einer Straße, einer kleinen Lebenswelt zu Besuch. Oft lese ich aber auch von Dingen, die mir keine Ruhe lassen, zum Beispiel von Kindern, die in Armut leben, von Ausschreitungen gegen Obdachlose oder von einsamen alten Menschen. Ich denke dann, das darf so nicht sein, da muss man doch was ändern können! Nun werden einige von Ihnen sagen, Sie sind doch der Bundespräsident, Sie könnten doch alle Missstände ändern, wenn Sie wollten! Ganz so einfach ist es aber nicht. Natürlich kann ich als Bundespräsident den Finger in manche Wunde legen, indem ich die Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit auf bestimmte Tatsachen lenke. Aber wirklich etwas ändern - das können wir nur alle gemeinsam. Ohne die Mithilfe von jeder und jedem Einzelnen von Ihnen, liebe Leserinnen und Leser, werde ich aber gar nichts ausrichten. Nur wenn wir alle hinschauen, werden Ausschreitungen gegen Obdachlose aufhören, werden Kinder bekommen, was sie brauchen, wird jemand der alten Dame von nebenan beim Einkaufen helfen. Meine besondere Hochachtung gilt daher all jenen Menschen, die sich ehrenamtlich engagieren. Sie haben erkannt, dass kein Einzelner machtlos ist, und dass selbst Politiker nicht so einflussreich sind, dass sie alle Probleme aus der Welt schaffen könnten. Dabei ist es egal, wo man sich engagiert - Sport- oder Heimatvereine, Umwelt- und Naturschutzverbände sind genauso wichtig wie soziale Einrichtungen und die private Hilfe in der Nachbarschaft. Ich möchte daher auch Sie, liebe Leserin, lieber Leser, bitten, sich für ein Thema zu engagieren, das Ihnen wichtig ist. Nicht nur, weil Weihnachten ist - das ist ein guter Anlass, um ein solches Engagement zu beginnen, aber nicht die einzige Zeit, in der Ihre Hilfe gebraucht wird. tan: Sie unterstützen durch den Kaufpreis eine Obdachloseninitiative, und Sie informieren sich aus der Straßenzeitung über Probleme und Aspekte, die Obdachlose in Ihrer Stadt wahrnehmen. Vielleicht haben Sie ja gerade deshalb jetzt, in der Weihnachtszeit, eine Obdachlosenzeitung gekauft, weil auch die Weihnachtsgeschichte von einer Familie erzählt, die kein Zuhause hat. Vielleicht geht es Ihnen aber auch wie mir und Sie haben durch diesen Kauf Ihrer Dankbarkeit darüber Ausdruck gegeben, dass Sie ein warmes Zuhause haben und dass es Ihnen gut geht. Welche Motive dabei eine Rolle gespielt haben, ist letztlich nicht wichtig. Wichtig ist, dass jeder Einzelne von uns auf diesem Weg weitergeht. Allen Verkäufern, Mitarbeitern und Lesern dieser Straßenzeitung und ihren Familien wünsche ich ein gesegnetes Weihnachtsfest. Ihr Indem Sie diese Zeitung gekauft haben, haben Sie bereits einen ersten Schritt geAnzeige Feldenkrais-Praxis Vera Lämmerzahl Feldenkrais-Methode® Bewußtheit durch Bewegung® Funktionale Integration® Ludgeristr. 114 48143 Münster Tel./Fax: 0251-796707 draußen! 2006 22 KRAKERS Frauenstraße 24: Gerd Meyerratken ist tot Vermutlich können sich nur betagte Münsteraner an die Besetzung des Jugendstilhauses in der Frauenstraße 24 erinnern und die damit verbundenen Demonstrationen. Wer aber die Auseinandersetzung um Einmal schickten Bergarbeiter aus dem Ruhrgebiet wintertags eine LKWLadung Kohlen für die Besetzer vorbei. Die Kumpel wollten der Frauenstrasse 24 Solidarität beweisen. Viele Geschichten ranken sich um das Haus mit der blauen Jugendstilfassade, sogar einem Giftanschlag sind die Bewohner Ende der Siebziger nur knapp entkommen. Bis zu 5.000 Demonstranten trafen sich dereinst in Münsters Innenstadt, weil mal wieder Politiker und Polizei mit der Räumung drohten. Aber das Haus hat alles überstanden, selbst den Krieg, als eines der wenigen Gebäude in der Innenstadt. den drohenden Abriss des Hauses begleitet hat, dem ist wahrscheinlich auch Gerd Meyerratken ein Begriff. Klaus Panreck erinnert an den Münsteraner, der vor Kurzem gestorben ist. Als 1973 der alte Besitzer der Frauenstraße 24 gestorben war, rissen sich eine Menge Makler um die historische Hütte. Erben gab es keine. Der neue Eigentümer drängte die Mieter auszuziehen, die meisten suchten sich was neues. Nur der Kunststudent Gerd Meyerratken war renitent, er wollte seine liebgewonnene Bleibe partout behalten. Die längste Hausbesetzung in der Bundesrepublik hatte begonnen. Schnell zogen weitere Studenten in die leere Frauenstraße und verschanzten sich hinter Stacheldraht. Die Politiker blieben lange Zeit hart, keine Verhandlungen, kein Entgegen- Anzeige Presse und Informationsamt Tausend Fragen - eine Adresse Infos und Service im publikom - Stadtnetz für Münster www.muenster.de Portal für Münster und das Münsterland www.muenster.de/stadt Service und Infos der Stadtverwaltung www.muenster.de/soziales-netz Sozialforum, Online-Freiwilligenbörse www.termine.muenster.org Münsters Veranstaltungskalender www.wilsberg.muenster.de Das „Wilsberg“-Spiel des Presseamtes www.buene.org/stadtgespraech Diskussion: Münsters Bürger reden mit www.awm.muenster.de Abfall und Recyling, Entsorgungskalender www.muenster.de/stadt/formulare Vordrucke online - das spart Zeit und Wege draußen! 2006 ber ging bei Hausbesetzers, dann glättete er die Wogen und hielt die Wohngemeinschaft zusammen. Er war redegewandt und alleine schon durch seine Körpergröße eine charismatische Erscheinung. Selbst im Winter hielt er als einer der wenigen aus, ohne Heizung, Strom und fließend Wasser. kommen. Erst nachdem die Studenten damit drohten, einen internationalen Hausbesetzer-Kongress in Münster abzuhalten, endete die Auseinandersetzung. Die Mieter bekamen Verträge und durften ab sofort legal in der Frauenstraße wohnen. Inzwischen gehört das Haus der Landesentwicklungsgesellschaft, der AStA, die Vertretung der Studenten, kümmert sich um das Organisatorische und sucht die Mieter aus. Gerd Meyer ratken war eine der treibenden Kräfte beim Erhalt der Frauenstraße 24, die inzwischen unter Denkmalschutz steht. Wenn es drunter und drü- Bis in die späten Achtziger wohnte Meyer ratken in der Frauenstraße 24. Er arbeitete als Gastdozent an der Kunstakademie in Münster und stellte unter anderem in Berlin, Köln und dem Ruhrgebiet aus. Eine überregionale Berühmtheit, die von der Kunst leben konnte. Am 30. Oktober ist Gerd Meyerratken im Alter von 68 Jahren gestorben und auf dem Zentralfriedhof beigesetzt worden. Und wenn wir das nächste Mal in der Frauenstraße 24 unten in der Kneipe sitzen, dann schauen wir uns sein berühmtes Wandgemälde an und trinken ein Glas auf ihn. 23 LESERBRIEFE Leserbrief: Leserbrief: Lutscher für die Kleinen War dieses Armutszeugnis wirklich nötig? Unsere Verkäufer sind freundlich, das hören wir immer wieder. Selten bekommen wir aber so eine schöne Zuschrift, wie die von Thomas und Marvin Dietzel aus Hopsten: Hallo liebe draussen Redaktion, Hause nicht aus der Hand gegeben. ich hatte heute eine sehr nette Begegnung mit einem eurer Verkäufer. Leider habe ich nicht auf sein Namensschild geschaut, aber er stand vor Sinn Leffers. Er ist übrigens großer VW-Käfer-Fan. Wir hatten zwar nur eine kurzes, aber sehr schönes Gespräch. Er hatte sogar für meinen Kleinen einen Lutscher und sagte dass er sich das extra für die Kinder ausgedacht hat. Das ist ganz großes Kino und mein Kleiner hat den Lutscher auch die ganze Fahrt nach Mir hat diese positive Einstellung an dem Herrn sehr imponiert und ich wünsche ihm und allen anderen Verkäufern alles positive. Egal was auch passiert: Man sollte sich nicht seine Würde und seinen Humor nehmen lassen. Vielen Dank Liebe Grüße Thomas + Marvin Dietzel aus Hopsten Der Verkäufer heißt übrigens Michael Schmitz und ist in der Tat ein großer Käfer-Fan. Mit dem Geld, das er durch die „draußen!“ verdient, fährt er zu Auto-Treffen in der ganzen Republik. Das mit den Lutschern und den Keksen hat er sich selbst ausgedacht und kommt damit offenbar gut an. Auch eine Leserin rief in der Redaktion an und richtete Michael ihre besten Grüße aus. Übrigens: Bei unseren Verkäufern können Sie auch noch immer die „WIR“, die bundesweite Verkäuferausgabe des Bundesverbandes der sozialen Strassenmagazine kaufen. Welch´ ein Erfolg: die Nazis konnten nur eine von drei Kundgebungen in der Öffentlichkeit mitteilen. Das war der positive Ausgang der Demo gegen den angekündigten Nazi-Aufmarsch in Göttingen am 29.10.05. Leider fiel die Beteiligung der von uns angesprochenen Münsteraner alles andere als befriedigend aus. Als wir im Internet auf die Demo gegen Nazis aufmerksam wurden, die in zwei Wochen stattfinden sollte, waren wir sofort fest entschlossen, uns zu engagieren. Wir fertigten prompt Plakate an und hängten sie in Münster bei Anlaufpunkten wie Supermärkten und Diskotheken auf. Außerdem mischten wir uns in Münsters Nachtleben, verteilten Flyer mit den wichtigsten Informationen zur Demo und unseren Telefonnummern (bei eventuellen Rückfragen und Absprachen) und sprachen gezielt Menschen an, um sie dazu zu bewegen, mit uns nach Göttingen zu fahren und gegen Nazis aktiv zu werden. Damit die Kosten nicht zu groß wurden, schlugen wir die Fahrt mit dem Wochenendticket vor. Das wären dann bei fünf Personen jeweils sechs Euro Kostenaufwand gewesen. Doch selbst das war den meisten noch zuviel. Außerdem mussten wir uns mit Sätzen wie „Ich kann doch sowieso nichts ändern!“ und „Das bringt doch alles nichts!“ abspeisen lassen. Dass wir auf so wenig Interesse und vor allem Gleichgültigkeit gestoßen sind, hat uns nicht nur erstaunt, sondern auch entsetzt. Richtig frustriert waren wir, als wir nachts fünf Stunden bevor der Zug nach Göttingen gefahren wäre, niemanden gefunden hatten, um uns das Zugticket teilen zu können. Die Tatsache, dass in unserer Demokratie, in der alle Menschen gleichberechtigt sein sollten, Aufmärsche erlaubt werden, bei denen ausländische Mitbürger als weniger wert angeprangert werden, finden wir schockierend. Aber dass es so schwierig ist, jemanden zu finden, der sich dem entgegenstellt, ist ein Armutszeugnis für Münster. Wer Interesse hat, im nächsten Jahr auf friedliche Art und Weise den Nazis entgegenzutreten, wende sich bitte an die „draußen!“ -Redaktion. Radlos ? Sarah und Claudia Anzeige Neue und gebrauchte Fahrräder Montag bis Freitag 10 - 13 Uhr 14 - 18 Uhr Frauenfahrradladen Dortmunderstr. 11 Tel 66 57 61 draußen! 2006 24 EXIL Kurt Tucholsky: Ein aufgehörter Deutscher Vielen ist er heute nur noch wegen seines streitbaren Ausspruchs „Soldaten sind Mörder!“ ein Begriff. Doch Kurt Tucholsky war viel mehr: Mit der Feder kämpfte der Publizist und Theaterkritiker gegen deutschen Militarismus und Welche Verbindung hat einer wie Kurt Tucholsky zu Münster? Geboren ist er woanders, gestorben auch. Wir wissen noch nicht einmal, ob er jemals in der Stadt gewesen ist. Aber seine Bücher lagen auch in Westfalen auf dem Scheiterhaufen der Nazis. Neben den Werken all der anderen großen Schriftstellern, die im Dritten Reich verbrannt wurden. „Deutsche, kauft deutsche Zitronen!“ Der brillante Satiriker Kurt Tucholsky überschüttete die Nazis zunächst mit beißendem Spott. Nach ihrer Machterschleichung 1933 vernichteten die Nationalsozialisten öffentlich das Werk des feingeistigen Humanisten als zersetzende Literatur. Tucholsky, der sich zu der Zeit bereits in Schweden im Exil befand, kommentierte die Ereignisse in Deutschland mit Galgenhumor: „Schadensersatzforderungen haben keine Aussicht.“ Die Nazis entzoAnzeige draußen! 2006 Nationalwahn. Am 21. Dezember jährt sich Tucholskys Todestag zum 70. Mal. Malte Koppe gedenkt einem Mann, der sich stets in Opposition zu seiner Zeit befand. Ein Vorbild für heutige Journalisten. gen ihm die deutsche Staatsbürgerschaft, voll tiefer Verbitterung stellte der studierte Jurist danach das Schreiben für immer ein. Als Sohn eines Bankkaufmanns wuchs Tucholsky ohne materielle Not auf und konnte sich sorgenfrei seinem Studium widmen. Zu schaffen machte ihm aber der frühe Tod des Vaters und das schlechte Verhältnis zur Mutter. 1912 veröffentlichte er „Rheinsberg - ein Bilderbuch für Verliebte“, in dem er sich nicht um die verordnete Prüderie im Kaiserreich scherte. Ein Jahr später begann er als Theaterkritiker für die linksliberale Zeitschrift „Die Schaubühne“, später „Weltbühne“, zu schreiben. Im Ersten Weltkrieg kam der Pazifist als Feldschreiber um den Schützengraben herum. Nach Kriegsende schrieb er unter seinen Pseudonymen Peter Panter und Theobald Tiger politische Leitartikel, Gerichtsreportagen, Satiren und Gedichte. Es gab kaum ein Gebiet, zu dem Kurt Tucholsky nichts zu sagen hatte. Wie sein Vorbild Heinrich Heine verbrachte Tucholsky einige Jahre in Frankreich. Schloss Gripsholm „Ich ruh' mich von meinem Vaterlande aus“, schrieb er aus Paris. Von dort setzte er sich für die Aussöhnung zwischen Frankreich und Deutschland ein. „Es muß vernünftig und besonnen von einer Demokratie zur anderen verhandelt werden. Dazu müssen freilich zwei da sein. Frankreich hat eine ... „, bemerkte er bissig. Politisch schlug das Herz des Satirikers für die unabhängigen Sozialisten. Doch alles Engagement blieb vergebens: Die Stimmung in Deutschland wurde mit jedem Tag radikaler. Gleichzeitig verschlechterte sich Tuchol- skys Gesundheitszustand zunehmend. Genau parallel zum Niedergang der ersten Demokratie in Deutschland. Tucholskys Leben und Werk sind umstritten. Manche werfen ihm versteckten Antisemitimus vor und verweisen dabei vor allem auf die „Wendriner“-Geschichten. Der Historiker Golo Mann glaubt, Tucholsky trage Mitschuld am Scheitern der Weimarer Republik. Dass er die „Weimarer Verhältnisse“ und das konservative Bürgertum kategorisch abgelehnt hatte, habe alleine den Nationalsozialisten in die Hände gespielt. Manche stießen sich auch am Privatleben des Satirikers und seine zahlreichen Liebschaften. Christiane Dahms vom Institut für Neuere deutsche Literatur an der Universität Münster verteidigt den Schriftsteller: „Tucholsky ist in erster Linie ein virtuoser literarischer Publizist, der gegen sämtliche Instanzen seiner Zeit Sturm läuft, und dies laut und ausgesprochen kreativ. Sein Werk - www lässt sich durchaus als Versuch zur Mobilisierung der Abwehrkräfte gegen den Nationalsozialismus deuten.“ Über Tucholskys letzte Lebensjahre geben nur seine privaten Briefe Auskunft. „Daß unsere Welt in Deutschland zu existieren aufgehört hat, brauche ich Ihnen wohl nicht zu sagen. Und daher: Werde ich erst amal das Maul halten“, klagte er einem Freund. Die volle Brutalität des Dritten Reichs hat Tucholsky nicht mehr erlebt. Er starb 1936 in Schweden an einer Überdosis Schlaftabletten, vermutlich wählte er den Freitod. 25 MIX Schnee in deutschen Flüssen Bald ist Weihnachten und zu Weihnachten gehört der Schnee wie der Weihnachtsmarkt in den Münsteraner Rathausinnenhof. Doch der nun in deutschen Flüssen entdeckte Schnee lässt das adventliche Herz nicht höher schlagen. Es schrillen vielmehr die Alarmglocken! Der Glöckner der deutschen Wissenschaftler heißt Professor Fritz Sörgel, vom Nürnberger Institut für Biomedizinische und Pharmazeutische Forschung, kurz IBMP. Fritz Sörgel sorgte bereits vor einigen Jahren für Schlagzeilen, als er Kokain-Spuren auf 90 Prozent der im Umlauf befindlichen Banknoten entdeckte. Ebenso fand er mit Hilfe von Wischproben Kokain-Rückstände im Deutschen Bundestag oder im Europaparlament. Jetzt gelang es ihm und seinen Kollegen erstmals Spuren von Benzoylecgonin, dem Abbauprodukt von Kokain, in deutschen Flüssen nachzuweisen. Die Ergebnisse belegen, dass es in Deutschland weit mehr Kokser gibt, als bisherige Umfragen vermuten ließen. Bislang ging man in Deutschland davon aus, dass es knapp 1 Prozent kokainabhängige Menschen gibt. Professor Sörgels Forschungsergebnisse zeichnen ein deutlich anderes Bild. „In Wahrheit sind es wohl dreimal so viele.“ Um solide Messergebnisse zu erhalten, entnahmen die Forscher aus 15 Flüssen in ganz Deutschland Proben. Ob nun die Probe aus dem Rhein, der Isar oder der Spree ist, überall finden sich Reste des Rauschmittels. Ein interessantes Ergebnis lieferte Professor Sörgel auch mit der Aussage, dass sich in den Abwässern der 8000-SeelenGemeinde Heroldsberg bei Nürnberg, exakt die Spur einer Line Kokain nachweisen lässt. Dieser einsame Kokser in Heroldsberg sollte sich eventuell überlegen, ob ein Umzug in eine Großstadt sinnvoll wäre. Wer weiß, wie weit die Forschung in ein paar Monaten ist? MIEZE DES MONATS Der Kater Moppel ist ca. 1/2 Jahr alt und ein richtiges Herzchen! Er ist ein ausgesprochen menschenbezogener Kater, für den nichts über seine geliebten Dosenöffner geht. Er kommt mit anderen Katzen zurecht, ist aber gerne der Oberboß. Moppel sucht nette Katzenfreunde, gerne mit Kindern, die ihm viel Zuneigung und Liebe schenken möchten. Da er so sehr anhänglich ist, sollte er keinen Freigang bekommen. Interesse? Katzenhilfe Münster e.V. Tel. 8469757 Anzeige: Suche kleine Rhythmusinstrumente für die Arbeit mit alten Menschen. Tel.: 0251-5309680 Gisela Holtz, Kirsten Faust: Münster - Ein Reiseführer in leichter Sprache Die lebenswerteste Stadt der Welt kann mit einer weiteren Innovation aufwarten: dem bundesweit ersten Stadtführer in leichter Sprache, der sich an Kinder und Erwachsene mit Lese- und Lernproblemen richtet. Auch Senioren sollen sich damit besser zurechtfinden. Im Vergleich mit üblichen Führern geht der Text mit Informationen sparsam um, zeigt dadurch aber das Wesentliche an der Strecke und die Besonderheiten Münsters. Der Text wird durch eine beiliegende CD ergänzt, so dass man sich die vorgestellten Touren auch ansehen und anhören kann. Die Autorinnen haben sechs Touren durch Münster zusammengestellt. Die Beschreibung ist genau, viele Bilder illustrieren den Weg aufs Beste. Die Schriftgrad ist größer als üblich, um das Lesen zu vereinfachen. Zusätzlich haben die Texte für jede Tour eine andere Farbe. Die Spiralbindung erlaubt zügiges Blättern, das A-5Format passt in jede Handtasche. Nicht zu vergessen: alle Touren wurden von potentiellen Nutzern erprobt und für gut befunden. Mit diesem Reiseführer kann vom Knirps bis zum rüstigen Rentner jeder selbst seinen Weg durch Münster finden. Einfache Touren wechseln sich ab mit mehrstündigen Rundgängen. Nicht nur in der Innenstadt, sondern auch am Aasee, im Botanischer Garten, am Zwinger und am Zoo. Ein umfangreicher Infoteil sagt, wo die Sehenswürdigkeiten stehen und wo man in Münster übernachten kann. Buch und CD können übrigens auch direkt bei den Autorinnen bestellt werden. Michael Heß Bestellungen sind möglich über: Zugvogel e.V. Achtermannstraße 12 48143 Münster Verlag Ulrike Wellige Münster 84 Seiten, 10 EUR ISBN 3-9810253-7-7 draußen! 2006 26 MIETERTIPP Alle Jahre wieder: Betriebskostenabrechnung Flattert Anfang des Jahres die Betriebskostenabrechnung ins Haus, kommt es oft schnell zum Streit. Wer muss was bezahlen? Hat der Vermieter auch wirklich alles richtig abgerechnet? Warum zahlt Familie X. viel Peter Preuß, dessen Namen wir geändert haben, wunderte sich: Die Nachforderung aus der Betriebskostenabrechnung war im letzten Jahr schon recht hoch gewesen, aber diesmal war sie noch höher. Er schaute sich die Abrechnung genauer an, aber was da stand, waren für ihn Böhmische Dörfer. Peter ging also zum Anwalt, der ebenfalls nicht schlau aus dem Schreiben wurde. Er forderte den Vermieter auf, die verschiedenen Beträge zu erklären und Rechnungskopien vorzulegen. Der Anwalt staunte, als er die Unterlagen sah: Der Vermieter hatte nicht nur das Haus, in dem Peter wohnte, zu Grunde gelegt, sondern gleich noch sechs andere Häuser in der Nachbarschaft. Mietrechtler nennen das eine WirtAnzeige mehr als Familie Y.? Im Extremfall treffen sich dann beide Parteien vor dem Richter wieder. Paul Demel schildert einen echten Fall, der kürzlich vor dem Amtsgericht in Münster verhandelt worden ist. schaftseinheit. Im Grundsatz darf der Vermieter nur ein Haus separat abrechnen, nur in Ausnahmefällen kann er das anders handhaben. Wenn er das tut, muss er das aber in der Abrechnung ausdrücklich erwähnen und den Grund nennen. Das hatte Peters Vermieter unterlassen. Bei der Prüfung durch den Rechtsanwalt stellte sich auch noch heraus, dass der Vermieter vor zwei Jahren den Betrieb der Heizungsanlage einer Wärmefirma übertragen hatte, „Wärme-Contracting“ nennen das Juristen. Das war ein Grund für die hohe Abrechnung bei Peter. Die Betriebskosten waren nun deutlich höher, weil die Wärmefirma ja auch von etwas leben will. Im normalen Mietver- hältnis sind aber diese Kosten schon in der Grundmiete enthalten. Der Bundesgerichtshof hat im April dazu folgendes Urteil gefällt: Entstehen dadurch Mehrkosten, darf der Vermieter keine Wärmefirma beauftragen ohne die Zustimmung der Mieter. Ausnahme: Wenn der Mieter bereits im Mietvertrag einer solchen Möglichkeit zugestimmt hat. Das hatte Peter aber nicht getan. Außerdem waren die Versicherungskosten um mehr als das Doppelte gestiegen. Der Vermieter hatte einfach eine neue Versicherung beauftragt, die teurer war als die bisherige. So eine Erklärung reicht natürlich nicht. Der Vermieter muss die Betriebskosten wirtschaftlich verwalten und darf nur Kosten umlegen, die angemessen und erforderlich sind. Das sah die Richterin in der Verhandlung vor dem Amtsgericht ähnlich. Sie gab zu verstehen, dass sie Peter aller Voraussicht nach Recht geben würde. Schon allein die zugrunde gelegte Wirtschaftseinheit sei nicht erkennbar. Der Vermie- draußen! 2006 ter müsse also vermutlich die gesamte Abrechnung noch einmal neu erstellen. Der pfiffige Peter hatte gehört, dass ein Vermieter eine ordentliche Abrechnung innerhalb eines Jahres vorlegen müsse. Danach stehe ihm keine Nachzahlung mehr zu. Das Jahr aber sei nun schon vorbei. Er wollte aber mit dem Vermieter keinen Ärger und schlug eine gütliche Einigung vor. Für die Jahre 2003 und 2004 vereinbarten beide Parteien einen Abzug von 700 Euro zu Peters Gunsten. Mal schauen, ob die Abrechnung für dieses Jahr ordentlich erstellt ist. „draußen“ sucht ... Praktikantinnen und Praktikanten freie Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter! Für die Mithilfe in der Redaktion und die Betreuung von Verkäufern. Wir stellen auch Praktikumsbescheinigungen aus! Interesse? Ruft bitte in der Redaktion an! 02 51/ 53 89 128 ADRESSEN Weihnachten auf Platte 27.11. 15:00 h Adventsnachmittag Hansahof Aegidiistr. 65 04.12. 15:00 h Adventsnachmittag Kapuzinerkloster Kapuzinerstr. 27 24.12. 19:00 Weihnachtsfeier Hansahof Aegidiistr. 65 14.12. 15:00 h Adventsnachmittag Canisiuskloster Canisiusweg 23 24.12. 19:00 Weihnachtsfeier Pfarrheim St. Martini Martinikirchhof 11 16.12. 15:00 h Adventsfeier mit warmem Essen Pfarrer Hilge im Paul-Gerhard-Haus Friedrichstr. 10 Ausserdem an den bekannten Stellen wie HdW und Treff 26.12. 15:00 Gottesdienst in der Clemenskirche 27 Erdbeben in Pakistan Mehr als 76.000 Menschen sind bereits an den Folgen des verheerenden Erdbebens in Pakistan gestorben. Nach Schätzungen pakistanischer Regierungsstellen sind 500.000 Familien obdachlos geworden. Aufgrund der harten Winter droht ihnen nun der Erfrierungstod. Nach wie vor mangelt es an Decken und Zelten. Jüngst folgte er einem Angebot der pakistanischen Botschaft und verschaffte sich im Erdbebengebiet einen Überblick über die Ausmaße der Naturkatastrophe. In einem Reisebericht hat der 64-Jährige seine schockierenden Eindrücke festgehalten. Die Humanity Care Stiftung mit ihrem Förderverein in Münster unterstützt seit Jahren die Ärmsten der Armen in Pakistan. Stiftungspräsident Folker Flasse hat bereits Hilfsgüter im Wert von 15 Millionen Euro nach Pakistan gebracht. Die Humanity Care Stiftung unterstützt unter anderem zwei Zeltlager für Überlebende. Folker Flasse bittet um Spenden, um das Überleben der Notleidenden zu gewähren: Volksbank Münster, BLZ 401 600 50, Konto 523 838 400. (www.humanity-care-stiftung.de) draußen! 2006 28 BUCHTIPP Genauso leserfreundlich wie die Literaturverweise und die Angaben zu den Autoren. Attac (Hrsg.) - ABC der Globalisierung VSA Verlag Hamburg, 224 Seiten, Euro 10, ISBN 3-89965-139-1 Bis heute fehlen in der Debatte der Globalisierungskritiker wichtige Definitionen. Was ist eigentlich genau Globalisierung - darüber gibt es viele Auffassungen. Deshalb schrieben 71 renommierte Autoren aus dem Umfeld von ATTAC ein kleines Nachschlagewerk mit über hundert Stichworten, von A wie Alterssicherung über Grundeinkommen und Neoliberalismus bis Z wie Zivilgesellschaft. „Kleine Tupfen des Wissens“ wie die taz aus Berlin schreibt. Im Sinne einer Volkserziehung gegen den neoliberalen Ungeist. Die Texte erheben keinen wissenschaftlichen Anspruch, sie sind aber auch kein Zeitvertreib. Sie wenden sich an den interessierten Leser, der ernsthaft mitreden will beim Thema Globalisierung und sich dabei Diskussionssicherheit wünscht. Das Layout ist einfach und auf Fotos wird konsequent verzichtet. Dieses ABC will in die Hand genommen werden. Es ist ein Arbeitsbuch und taugt nicht für den Schrank. Kein Text ist länger als zwei Seiten. draußen! 2006 Das ABC macht deutlich, wie vielschichtig das Phänomen Globalisierung ist; hier fließen ethische, historische, juristische, natürliche, ökonomische und politische Aspekte zusammen. Doch das Phänomen wurde von konservativen „Think Tanks“ konzipiert, es wird von neoliberalen Politikern voran getrieben und von sich selbst zensierenden Medien als alternativlos dargestellt. So übermächtig diese Phalanx scheinen mag, ist gerade deshalb eine andere Welt möglich. Die Frontlinie verläuft nicht nur in Cancun und Seattle, sondern in jedermanns Kopf. Michael Heß Helme Heine mit Gisela von Radowitz: Neue Fälle für Freunde. Geschichten aus Mullewapp. München: Hanser, 2005. 108 S. , Ill. (farb. u. schw.-w.), ISBN 3-44620635-3, fest geb., Kriminal-Vorlesegeschichten für Kinder ab 5 J. Endlich, endlich gibt es wieder Neuigkeiten aus Mullewapp! Aber von wegen dörflicher Ruhe: hier tobt der Bär! Sechs neue kriminalistische Fälle, die ganz schön verzwickt sind, gilt es für die drei Freunde Franz von Hahn, Johnny Mauser und den dicken Waldemar zu lösen. Franz von Hahn, der trotz seines gefürchteten Kikerikis ungekrönter König seiner Hennengarde ist, tappt tatsächlich in eine Liebesfalle! Da ist Ärger natürlich vorprogrammiert! Ebenso juckend wie ansteckend ist eine geheimnisvolle Krankheit, die nicht nur den dicken Waldemar sondern gleich mehrere Bewohner des Hühnerhofes befallen hat. Auch die Freunde sind sich nicht immer einig. Nach einem heftigen Streit zwischen Franz und Waldemar ist Johnny Mauser spurlos verschwunden. Ist er einem Verbrechen zum Opfer gefallen und vielleicht schon mausetot? Als ein kleiner Igel fast ums Leben kommt, geraten die drei Freunde sogar in den schrecklichen Verdacht, Fahrerflucht begangen zu haben! Ganz heikel ist auch der Fall der Kindesverwechslung, den die Hennen Lulala und Leila auslösen. Hier muss mit sehr viel Fingerspitzengefühl vorgegangen werden, um niemandem zu schaden! Die Krone des Ganzen ist ein ausländischer Artgenosse, der sich mit fremden Federn schmücken, d.h. den Platz von Franz einnehmen will. Da kommen schon mal Mordgelüste auf. Wie schön, dass Helme Heine, zusammen mit seiner Frau Gisela von Radowitz, nun eine Fortsetzung des ersten Bandes „Ein Fall für Freunde“ veröffentlicht hat! Alle Geschichten sind altersgerecht spannend und regen an, die Lösung selbst herauszuf inden. Alles in allem ein tolles Buch, in dem es immer auch um die Freundschaft geht. Ab November 2005 werden wieder jeden Sonntag in der „Sendung mit der Maus“ von den drei Freunden neue Fälle gelöst. Barbara Blasum Busch, Andrea C., Heuner, Almuth (Hrsg.): Mord zwischen Lachs und Lametta. Illustriert von Bengt Fosshag. Hildesheim: Gerstenberg 2005. 336 S., 20 Ill. (farb.), ISBN 3-8067-2563-2, Euro 24,90, Für Krimifans und Hobbyköche Man nehme: 21 Morde, gespickt mit vielen internationalen Festtagsmenüs vom Valentinstag bis zum Chinesischen Neujahrsfest und lasse sich beides genüsslich auf der Zunge zergehen! Essen und Trinken hält Leib und Seele zusammen, doch hier kommt es schon mal vor, dass der Küchenchef (sprich: Autor) dem Küchenpersonal (sprich: den Protagonisten) das Fell über die Ohren zieht. Aber das Leben ist manchmal keinen Pfifferling wert, und 29 BUCHTIPP so wird das Corpus Delicti eben als Delikatesse angeboten und unverfroren serviert. Hier wird gemeuchelt und geheuchelt und statt Nouvelle de Cousine gibt es Bruschetta Mortale. Wenn Engelstrompeten Halluzinationen auslösen oder die Lösung wie Schuppen von den Augen fällt, keimt beim Leser eventuell der Verdacht, dass viele Köche womöglich den Brei verderben. Doch Festtagsmenüs sind trotz ihrer mörderischen Kalorien nicht unbedingt Gift für den Magen! Die 130 Rezepte sind in der Tat völlig unschädlich, sehr inspirierend und allesamt ohne größeren Aufwand nachzukochen. Einzig und allein das Vierzig-Zehen-Huhn könnte bei Knoblauch-Gegnern vielleicht eine Gänsehaut auslösen. Das Rezept dieser ungewöhnlichen Kombination aus Krimi und Kochbuch geht auf, denn das Buch ist die erweiterte Neuauflage des Erfolgstitels „Mord zum Dessert“. (Übrigens eines der meistgeklautesten Bücher auf einer Frankfurter Buchmesse). Es wurde garniert mit Illustrationen von Bengt Fosshag, dem es mit seinem leicht boshaften Stil hervorragend gelungen ist, die skurril spannende Atmosphäre der einzelnen Kriminalgeschichten einzufangen. In diesem Sinne: passen Sie gut auf sich auf, wenn Sie demnächst eine Einladung zum Essen annehmen! Barbara Blasum Die nächste „draußen!“ erscheint am 27. Jan. 2006 will oder nicht! Wenn das bloß gut geht! Achim Bröger/Leope: Du bleibst hier! Stuttgart: Thienemann, 32 S., Ill. (farb.), ISBN 3-522-43514-1, Euro 12,90 Bilderbuch ab 4 Jahren Schöne Momente möchte man am liebsten für immer festhalten. Nicht anders geht es dem Familienhund Goli. Für ihn steht fest: Der Weihnachtsmann, der so gut duftet und auch noch Geschenke mitbringt, darf nicht wieder weg. Diesmal bleibt er hier, ob er Jedes Jahr ist es dasselbe, kaum hat der Weihnachtsmann seine Päckchen an die Familie und die dazugehörigen Tiere verteilt, will er schon wieder weg. Das möchte Goli auf jeden Fall verhindern. Die Einladung auf ein Glas Punsch nimmt der Weihnachtsmann noch gerne an, aber dann, ja dann wendet Goli viele originelle Tricks an, um ihn zum Bleiben zu bewegen. Ob das klappt, soll hier nicht verraten werden. Die humorvollen Bilder mit vielen witzigen Details bringen sowohl den Vorlesenden als auch die Zuhörer immer wieder zum Schmunzeln. Die überschäumende Freude dieses weihnachtssüchtigen Hundes macht die Geschichte zu einem herrlichen Vorlesespaß für die ganze Familie. Barbara Blasum Anzeige Michael Topp & Paul Demel §§§§§§§§§§ §§§§§§§§§§ §§§§§§§§§§ Rechtsanwälte Interessenschwerpunkte RA Topp: Arbeitslosenrecht Pflegeversicherungsrecht Rentenrecht Verkehrsrecht Strafrecht Bahnhofstr. 5 48143 Münster RA Demel: Mietrecht Wohnungseigentum Baurecht Sozialhilfe Familienrecht Tel.: 02 51 - 414 05 05 Fax: 02 51 - 414 05 06 draußen! 2006 30 REZEPTE Weihnachtsessen: TRUTHAHN Truthahn, Punsch und Bratäpfel Weihnachten feiert man mit vielen traditionellen Bräuchen, die besonders in den ländlichen Gegenden gepflegt werden. Die ganze Familie trifft sich zum Festessen unter dem Christbaum. Es gibt eine leckere Suppe, das Hauptgericht ist WEIHNACHTSSUPPE Zutaten: für 4 Personen 125 g Truthahnfleisch 125 g Rindfleisch 125 g Lammfleisch 125 g Schweinefleisch 1 Tasse Reis 2 Eier 2 Zitronen Salz und Pfeffer Zubereitung: Das Fleisch waschen und in einen großen Topf legen. Soviel Wasser angießen, daß das Fleisch bedeckt ist, salzen und ca. 2 Stunden auf kleiner Flamme kochen lassen. Dabei den Schaum abschöpfen. Die Brühe durch ein Sieb gießen, wieder aufkochen lassen und den Reis zugeben. Die Eier verquirlen und langsam den Saft der Zitronen einrühren. Etwas kochende Brühe vorsichtig einrühren. Wenn der Reis gar ist die Suppe vom Feuer nehmen und die Ei-Zitronensoße langsam zugeben. Mit frisch gemahlenem Pfeffer und Salz abschmecken. Das Fleisch kann man nun kleingeschnitten zur Suppe geben oder anderweitig weiterverwenden. draußen! 2006 der Weihnachtsbraten: Truthahn, Gans oder alternativ Spanferkel. Danach gibt es Süsses, Bratäpfel, Tiramisu und natürlich viel leckeres Gebäck. Dazu trinkt man einen Weihnachtspunsch. Heinz Dalmühle hat Rezepte. B R AT Ä P F E L M I T VANILLEEIS Zutaten: 4 grosse, aromatische Äpfel 75 g Marzipanrohmasse 1 Messerspitze Zimt 3 Esslöffel Sahne 4 Kugeln Vanilleeis Zubereitung: Den Backofen auf 180° C vorheizen. Die Äpfel waschen und trocken tupfen und das Kerngehäuse mit einem Apfelausstecher herausschneiden. Die Marzipanrohmasse mit dem Zimt und der Sahne verquirlen und die Äpfel damit füllen. Die Bratäpfel in die Auflaufform setzen und in dem Ofen (Mitte, Umluft bei 160° C) ca. 30 min backen. Warm mit jeweils einer Kugel Vanilleeis servieren. Zubereitung: Sahne steif schlagen, Mascarpone, Quark, Zucker und Vanillezucker verrühren, Sahne unterheben. In eine eckige Auflaufform ca. 3 El von der Creme verteilen, darüber eine Schicht Spekulatius legen. Die Beeren darauf verteilen. Restliche Creme darauf streichen und mit Spekulatius bedecken. 4-5 Std. oder über Nacht kühl stellen. Vor dem Servieren mit Puderzucker bestreuen. WEIHNACHTSPUNSCH Zutaten: 1 l Weißwein 1/2 l Rum 1/2 l Orangensaft 1 Orange 3 Zimtstangen 6 Nelken 1 Prise Fenchelsamen 200 g Kandis Zubereitung: WEIHNACHTSTIRAMISU Zutaten: für 4 Portionen 200 g Sahne 250 g Mascarpone 250 g Quark 100 g Zucker 1 Pck. Vanillezucker 200 g Spekulatius 400 g gemischte Beeren Wein, Rum und Orangensaft mischen, Orangenscheiben halbieren und alle Zutaten hinzufügen. Aufkochen und genießen!! Ein frohes und beschwingtes Weihnachtsfest wünscht Ihnen die „draußen!“-Redaktion! Übrigens: Dieser Punsch schmeckt auch zu Silvester ganz gut. Zutaten: 1 Truthahn, ca. 5 bis 6 kg 500 g Schweinegehacktes 6 Scheiben durchwachsenen Speck, gewürfelt 6 dünne Scheiben durchwachsenen Speck 1/2 Tasse gewürfelter Kochschinken 1 gewürfelte Zwiebel 3 gewürfelte Knoblauchzehen 2 gewürfelteStangensellerie 1/2 Tasse geschälte und gehackte Mandeln 4 Äpfel geschält, gewürfelt 1/2 Tasse Rosienen 1/2 Tasse Weisswein 1/2 Tasse Jerez-Sherry Salz und Pfeffer, Öl Zubereitung: Den Truthahn innen und außen abspülen, abtrocknen und anschließend mit Pfeffer und Salz würzen. In einer tiefen Pfanne die Zwiebel in Fett glasieren und den Knoblauch hinzufügen. Den gewürfelten Speck und das Hackfleisch hinzufügen und anbraten. Den gewürfelten Schinken, Mandeln, Rosinen, Äpfel, Stangensellerie und 1/2 Tasse Jerez hinzufügen. Alles gut durchmischen und bei niedriger Hitze so lange kochen, bis fast alle Flüssigkeit verdampft ist. Dem Truthahn mit einer Spritze die 1/2 Tasse Weißwein gut verteilt injizieren, mit der Pfannenmischung füllen und zunähen. Die Flügel fest anlegen, die Beine kreuzen und den Truthahn gut binden. Anschließend würzen, rundherum mit dünnen Scheiben durchwachsenem Speck bedecken und mit der Brustseite nach oben in einen eingefetteten Bräter legen. Bevor der Truthahn in den vorgeheizten Ofen (175°C) kommt noch gut mit Alufolie abdecken. Mind. 5-6 Std. braten lassen und gegen Ende der Bratzeit die Folie entfernen, mit dem Bratsaft oder weicher Butter begießen und weitere 10 bis 15 min braten lassen. ANZEIGEN 31 Gr¸n f¸r die Groflstadt: Der Garten auf der Fensterbank Kr‰uter, Gem¸se und Zierpflanzen auf kleinstem Raum angebaut von „draußen!“-Layouter Heinz Dalmühle Wer nicht über einen eigenen Garten verfügt, aber einen Balkon, ein kleines Dach oder vielleicht nur eine Fensterbank bepflanzen kann, findet in diesem Buch einen wertvollen Ratgeber. Der Autor schreibt aus persönlicher Überzeugung und, was noch wichtiger ist, aus alltäglicher und praktischer Erfahrung. So gibt er machbare, interessante und ausführliche Hinweise über die Möglichkeiten, auf kleinstem Raum Gemüse, Zierpflanzen und Kräuter anzubauen. Es ist schon erstaunlich, was sich alles auf Fensterbänken und Balkonen, in Kübeln, auf Dächern und an Fassaden pflanzen läßt. Wer sich mit Gemüse und Kartoffeln, Früchten vom Erdbeerbaum oder auch nur mit frischen Kräutern selbst versorgen möchte, wird ebenso gut beraten wie derjenige, der sich zu jeder Jahreszeit mit schönen Pflanzen umgeben möchte. Einige Restexemplare abzugeben für 12 Euro Anfragen telefonisch: 0175-5207708 oder in der „draußen!“-Redaktion 0251-5389128, persönlich abzuholen bei „draußen!“, Overbergstr. 2, 48145 Münster draußen! 2006 Stunden im Hotel KünstlerInnen im Hotel Hansahaus, Albersloher Weg 1 Gelungener Abend für einen guten Zweck