Branchen Brauchen Low-Cost-Airlines Vielflieger
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Branchen Brauchen Low-Cost-Airlines Vielflieger
Preisstrategie Branchen Brauchen Low-Cost-Airlines Vielflieger-Programme? FACHINFO • Preisstrategie • Positionierung • Vielfliegerprogramme • Preisbildung • Kundenbindungsinstrumente • Passagierkosten Prof. Dr. Richard Klophaus ist Vorstand des Zentrums für Recht und Wirtschaft des Luftverkehrs (ZFL) und Professor am UmweltCampus Birkenfeld der Trier University of Applied Sciences. Kontakt: [email protected] absatzwirtschaft Bei den im europäischen Markt agierenden Low-cost-Airlines (LCA) scheint es angesichts des “low-cost, no frills”-Geschäftsmodells nur logisch auf kosten- und komplexitätserzeugende Vielfliegerprogramme zu verzichten. Doch werden auch Kostenunterschiede und unbefriedigende Betriebsergebnisse die Lowcost-Airlines zwingen, sich auch nicht-preislich zu positionieren. Sind aber Vielfliegerprogramme geeignet, eine aggressive Preisstrategie sinnvoll zu unterstützen? Die zu Beginn der achtziger Jahre von amerikanischen Fluggesellschaften eingeführten Vielfliegerprogramme gehören heute zum Standardleistungspaket einer etablierten Airline. Mit einer Ausnahme. Bei den im europäischen Markt agierenden Low-costAirlines (kurz: LCA) schien es angesichts ihres "low-cost, no-frills"-Geschäftsmodells nur logisch, auf die kosten- und komplexitätserzeugenden Vielfliegerprogramme zu verzichten. Jedenfalls dann, wenn die Airlines mit relativ homogenen Kostenstrukturen operieren. Tatsächlich aber zeigt sich, dass die Kosten der europäischen LCA deutlich variieren. Mit der Konsequenz, dass für "Billigflieger", die gegenüber anderen LCA höhere Betriebskosten aufweisen, eine Wettbewerbspositionierung als besonders preiswerte Fluggesellschaft keine erfolgversprechende Strategie ist. Mehrere LCA sind derzeit dabei, ausgehend von ihrem ursprünglichen Geschäftsmodell, die nicht-preisliche Differenzierung im Wettbewerb stärker zu betonen und die Einführung von Vielfliegerprogrammen zu prüfen. Mehr als Low-cost Als klassisches Beispiel für das Ge- schäftsmodell einer LCA – einfaches Produkt, niedrige Betriebskosten, günstiger Preis – gilt die Erfolgsstory von Southwest Airlines, deren Idee, Kunden zu Niedrigpreisen von einem als "secondary airport" zu bezeichnenden kostengünstigen Randflughafen zu einer schnell wachsenden Anzahl von Zielorten zu fliegen, insbesondere von Easyjet und Ryanair aufgegriffen wurde. Das Preissystem der Ryanair basiert auf One Way-Tickets, dessen Vertrieb in Deutschland nahezu aussschließlich über Internet und Telefon erfolgt. 52 Prozent der deutschen Ryanair-Passagiere ab FrankfurtHahn wären ohne deren Flugangebot mit einer anderen Fluggesellschaft geflogen, 48 Prozent der Kunden wären ohne ein Niedrigpreisangebot gar nicht gereist oder äußern, den Flug an Stelle von Auto und Bahn zu nutzen. Heute bilden LCA ein äußerst dynamisches Marktsegment im europäischen Luftverkehr, dem für Europa ein Marktanteil von mehr als 25 Prozent, für Deutschland sogar ein Marktanteil von 28 Prozent vorausgesagt wird. Infolgedessen reagieren auch die etablierten Airlines verstärkt mit preisaggressiven Angeboten: sie nähern sich dem Low-cost-Modell, indem sie, wie 2002 British Airways, auf den Science Factory 3/2003 15 Preisstrategie durch LCA angegriffenen Strecken neue Preisstrukturen einführen oder ihre bis dahin restriktiven Buchungskonditionen für Billigtarife aufheben. Dass Low-cost Airlines anders als herkömmliche Airlines hochprofitabel seien, ist eine weitverbreitete Überzeugung. Betrachtet man das Ergebnis aus dem operativen Geschäft in Prozent des Umsatzes, dann erzielte Southwest Airlines im Zeitraum 1997 bis 2001 eine Ergebnismarge von durchschnittlich 15 Prozent, die anderen LCA in Nordamerika liegen dagegen im Mittel bei -5 Prozent. In Europa erreichte Ryanair für den Zeitraum 1997 bis 2001 eine Ergebnismarge von 24 Prozent, die anderen europäischen LCA im Mittel -2 Prozent. Mit der gegenwärtig zunehmenden Zahl an Low-cost Airlines und dem weiteren Ausbau der angebotenen Linienverbindungen werden in immer mehr Fällen mehrere Billigfluggesell- Fluggesellschaft entsteht über die Abschöpfung unterschiedlicher Zahlungsbereitschaften der Kunden für die einzelnen Flüge kurzfristig ein Potenzial, den Umsatz zu steigern, wobei Vielfliegerprogramme strategisch weniger auf diesen kurzfristigen Effekt abzielen als vielmehr auf die langfristige Kundenbindung. Die Vielfliegerprogramme der großen Network Airlines haben zwar eine erhebliche Bindungswirkung. Hinsichtlich der Verwaltung des Programms, der Kommunikation mit den Mitgliedern und den Prämien, sind sie allerdings auch mit hohen Kosten verbunden. Low-cost Airlines benötigen dagegen ein unkompliziertes und damit kostengünstiges Vielfliegerprogramm. Solche in Abgrenzung zu einem Programm wie Miles&More als "FFP light" zu charakterisierende Vielfliegerprogramme sind im nordamerikanischen Markt bereits bei mehreren stark nachgefragte Flüge einlösen zu können, sofern die gewünschten Flüge zum Buchungszeitpunkt noch über freie Sitze verfügen. Gerade das weitgehende Fehlen von Verfügbarkeitsrestriktionen hat wesentlich dazu beigetragen, dass "Rapid Rewards" in den vergangenen Jahren mehrmals zu Amerikas bestem Vielfliegerprogramm gewählt wurde. Air Berlin ist eine der wenigen europäischen LCA, die mit den Air Berlin Cards bereits über ein Vielfliegerprogramm verfügt. Der ursprünglich reine Ferienflieger bietet inzwischen auf allen Strecken Nur-Flug-Tickets zu günstigen Preisen an. Der Vertrieb erfolgt, anders als bei Ryanair oder EasyJet, auch über Reisebüros. Mit den Air Berlin Cards können Kunden auf allen Flügen der Air Berlin Meilen sammeln. Je nach Länge des Fluges schreibt der Anbieter 500, 1 000 oder 1 500 Meilen gut. 500 Meilen erhält „Mit dem Preis allein lässt sich aber kein dauerhafter Wettbewerbsvorteil aufbauen.“ schaften dieselben Strecken mit oftmals identischen Flugpreisen bedienen. Gleichzeitig wird sich die Zahl der Konkurrenzstrecken zwischen LCA und den etablierten Fluggesellschaften erhöhen. Damit wächst der Druck auf die LCA, täglich auf einer Strecke mit hoher Pünktlichkeit mehrere Flüge mit günstigen Zeitenlagen anzubieten. Das verursacht höhere Kosten, führt zu mehr Flügen mit relativ geringer Sitzauslastung und verschlechtert insgesamt die Gewinnaussichten. Um dem entgegenzuwirken, suchen Low-cost Airlines verstärkt nach nicht-preislichen Ansatzpunkten, um sich beim Kunden gegenüber den Wettbewerbern abzuheben. Light oder classic? Vielfliegerprogramme sind eine Variante des Mengenrabattes und lassen sich als besondere Form der nichtlinearen Preisbildung kennzeichnen. Aus Kundensicht werden die Kosten eines Flugtickets mit der Gesamtzahl der bei einer Fluggesellschaft gekauften Flüge tendenziell sinken. Für die absatzwirtschaft LCA zu beobachten. So bietet beispielsweise Southwest Airlines seinen Kunden mit "Rapid Rewards" ein "FFP-light" an: Um einen Freiflug zu erhalten, muss ein Kunde der Southwest Airlines innerhalb eines Jahres 16 Bonuspunkte ("credits") sammeln. Jeder einfacher Flug mit Southwest Airlines entspricht dabei einem dieser Bonuspunkte, egal wie lange der Flug ist und welcher Preis für den Flug bezahlt wurde. "Rapid Rewards" zählt also Flüge, nicht Meilen, und es gilt die einfache Regel: "Fly just 8 roundtrips, and you receive a free ticket". Bonuspunkte für "Rapid Rewards" erhält der Kunde auch von Kooperationspartnern, hauptsächlich Automobilvermietungen und Hotels. SouthwestKunden gelangen dadurch schnell an einen Freiflug. Southwest Airlines sendet ihm das "Award Ticket" automatisch per Post zu. Der Kunde kann es auch auf Verwandte und Freunden übertragen. Southwest Airlines verspricht den Teilnehmern von "Rapid Rewards", "Award Tickets" auch für der Kunde für Air Berlin Inlandsflüge, 1 000 Meilen für einen Flug mit dem Mallorca-Shuttle und 1 500 Meilen für einen Flug zwischen Deutschland und den Kanarischen Inseln. Für 15000 gesammelte Prämienmeilen gibt es einen One-Way-Freiflug im gesamten Streckennetz der Air Berlin. Air Berlin vergibt auch Statusmeilen, so dass Kunden ab einer bestimmten Punktzahl in einen exklusiven Kundenkreis aufsteigen. Mit 15 000 Statusmeilen, die innerhalb eines Jahres erflogen werden, erhält der Kunde seine persönliche Air Berlin Card Silber, mit 30 000 Statusmeilen die Air Berlin Card Gold. Zu den damit verknüpften Vorteilen gehört etwa die Möglichkeit, mehr Freigepäck mitzunehmen oder kostenfrei Flüge umzubuchen. Generell sollten LCA ihr Vielfliegerprogramm einfacher aufbauen als das einer etablierten internationalen Airline. Ein einfacheres System reduziert die Kostenvorteile der Programmverwaltung, etwa durch den Verzicht auf aufwendige Prämienkataloge. Das Science Factory 3/2003 16 Preisstrategie Konzept eines "FFP light" sollte nicht nur ein Mehrprämiensystem aussschließen, es sollte auch keine Möglichkeit bieten, Statusmeilen zu sammeln. Insofern handelt es sich bei den oben beschriebenen Air Berlin Cards um kein "FFP light". Kleinere Fluggesellschaften sollten keinen zu kurzen Verfallszeitraum für gesammmelte Meilen bzw. Bonuspunkte wählen. Aufgrund der kleineren Netze und der damit begrenzten Möglichkeit, Meilen zu sammeln bzw. einzulösen, sollte das "FFP light" einer europäischen LCA eine Gültigkeitsdauer von drei Jahren zulassen. Einige Vielfliegerprogramme beinhalten eine große Zahl von Partnern. Damit steigt die Bindungswirkung, zugleich erhöht sich aber auch der Aufwand, ein solches Programm unternehmensübergreifend zu verwalten. Die jeweilige Kooperationsvereinbarung mit einem Partner wird letztlich darüber entscheiden, ob Aktionen als Wettbewerbsvorteil oder Kostentreiber gelten. Grundsätzlich gibt es für LCA neben dem "FFP light" weitere Instrumente, Kunden zu binden, beispielsweise durch die Teilnahme an einen etablier- back". E-Couponing beziehungsweise elektronische Gutscheine bieten die Chance, das Kundenverhalten insoweit aktiv zu beeinflussen, dass diese Gutscheine nur für bestimmte Flüge einlösbar sind. Payback oder e-Couponing können mit einem "FFP light" kombiniert werden. Beispielsweise lässt sich eine bestimmte Zahl von PaybackPunkten als Meilen gutschreiben. Flugverbindungen, damit ein Kunde überhaupt in der Lage ist, Meilen zu sammeln bzw. die Meilengutschriften entsprechend der jeweiligen Präferenzen für Flugprämien einzusetzen. Sind die Voraussetzungen für die Einrichtung eines Vielfliegerprogrammes erfüllt, dann sollte ein FFP den spezifischen Anforderungen einer Low-cost Airline entsprechen und Chancen und Risiken Abgesehen vom Preis bestehen für eine Airline diverse Möglichkeiten, sich im Wettbewerb zu differenzieren. Das beginnt mit Leistungsmerkmalen auf den beflogenen Strecken wie Sicherheit, Pünktlichkeit, Häufigkeit und Zeitenlage der Flüge, wobei nicht zuletzt auch serviceorientierte Mitarbeiter zu einem kundenbindenden Markenimage führen. Bei den Low-costAirlines eignet sich vor allem die Lage der Abflughäfen und der Bordkomfort, um gezielt preissensible Geschäftsreisende anzusprechen. Dazu passt dann das Angebot eines Vielfliegerprogramms, sofern die betreffende LCA über genügend Passagiere verfügt. Vielfliegerprogramme erfordern • den Freiflug als einzige Prämie aufnehmen, • auf Statusmeilen verzichten, • für die Gültigkeit der gesammelten Meilen ausreichend Zeit anbieten, • und bei der Wahl der Kooperationspartner Wettbewerbsvorteil und Kosteneffekte abwägen. Vielfliegerprogramme und andere Kundenbindungsinstrumente wie etwa e-Couponing sind heute noch die Ausnahme bei den im europäischen Markt agierenden Low-cost Airlines. Mit dem Preis allein lässt sich aber kein dauerhafter Wettbewerbsvorteil aufbauen. Angesichts der unbefriedigenden Betriebsergebnisse der meisten Billigflieger und des auch künftig wei- Kosten je Passagier (Flüge innerhalb Europas, 2001, in Euro) 180 160 Durchschnitt 137 EURO 140 120 100 Durchschnitt 67 EURO 80 60 40 20 0 easyJet GO R y a n a ir A ir F r a n c e B ritish Ib e r i a KLM A ir w a y s Lufthansa LH City SAS Line Quelle: Mercer Mangement Consulting, 2002 Die Kosten traditioneller Airlines in Europa pro Passagier lagen im Jahr 2001 für Flüge innerhalb Europas durchschnittlich um 50 Prozent über denen einer Low-cost Airline. Die Kostenunterschiede resultieren sowohl aufgrund der direkten Betriebskosten wie Personalkosten für Cockpit und Kabine oder Flughafengebühren als auch wegen deutlich niedrigerer indirekter Betriebskosten für Station, Passagierservice, Provisionen etc. ten Kundenkartensystem wie "Pay- absatzwirtschaft außerdem eine gewisse Anzahl von terhin bestehenden Preisdrucks ist da- Science Factory 3/2003 17 Preisstrategie her zu erwarten, dass immer mehr LCA ihren Kunden mehr als nur günstige Preise bieten werden. Insbesondere LCA mit relativ ungünstiger Kostenposition werden versuchen, sich stärker als bisher über echte Leistungsvorteile im Wettbewerb zu be- absatzwirtschaft haupten. Ein Vielfliegerprogramm ist dabei als ein prinzipiell geeignetes Instrument für eine nicht-preisliche Positionierung im europäischen Wettbewerb der Billigfleger anzusehen, sofern es in der Version eines "FFP light" implementiert wird. Science Factory 3/2003 18