Das mehrfachbehinderte, sehbehinderte Kind
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Das mehrfachbehinderte, sehbehinderte Kind
Inhalt Vorwort ....................................................................................................... 3 Grundlagen 1. Das mehrfachbehinderte sehgeschädigte Kind ................... 2. Bestimmung der visuellen Funktionen ................................. 5 7 3. Lehrplan der Sonderschule für schwerstbehinderte Kinder.. 4. Leitlinien für den Unterricht bei Kindern mit erhöhtem Förderbedarf ..................................................................... 5. Ideen für die Grundausstattung einer Klasse ........................ 10 12 15 Förderung 1. Sehen beim mehrfachbehinderten Kind................................ 16 2. Basale Kommunikation – ein Weg zum Anderen .................. 18 3. Basale Förderklassen (z.B.in Wien) ....................................... 21 4. Sitz - und Liegemöglichkeiten im Klassenraum .................... 23 5. Ein Koffer voller ... Das Förderkonzept einer Pionierin - Lilli Nielsen .................. 25 6. Wer nicht sprechen kann hat scheinbar nichts zu sagen! .... 7. Bits, Bytes & Co(mputer) ....................................................... 28 32 8. Orientierung und Mobilität für mehrfachbehinderte sehgeschädigte Kinder .......................................................... 35 9. Ich möchte mit dir gehen, aber .............................................. 39 10. Lebenspraktische Fertigkeiten.............................................. 42 11. Wichtige Helfer ..................................................................... 44 12. „Alle Hände voll zu tun“ ....................................................... 45 Therapeutische Zugänge 1. Lilly & Gogo go to school ..................................................... 47 2. Hippotherapie = Reiten als Therapie ................................... 50 3. „Nicht nur für die Fisch!“ ....................................................... 4. Kom-MUSIK-ation - Ein Weg für Jeden ................................. 5. Ist MSE- der neue Schmäh? .................................................. 51 53 55 Beispiele 1. „... denn ohne Georg ist es hier so stinknormal.“ ................ 58 2. Christian ................................................................................ 62 3. Die Schule aus der Sicht eines Kindes ................................. 65 4. Der Weg aus der Isolation ..................................................... 67 5. Projektorientierter Unterricht in der Klasse ............................ 68 6. „Der Vogel“ ............................................................................ 71 7. Meine liebsten Freizeitbeschäftigungen ................................ Anhang 72 Literaturliste ............................................................................ 73 Vorwort VORWORT N och vor 20 Jahren galt das alleinige Interesse der Forschung den verschiedenen Einzelbehinderungen. Mehrfachbehinderungen wurden als solche nicht diskutiert. Heute ist die überwiegende Zahl der Kinder, die in der Sehgeschädigtenfrühförderung betreut werden, mehrfachbehindert (60% bis 80%). Mehrfachbehinderung resultiert aus dem Zusammentreffen einzelner, bekannter Schädigungen, zwischen denen eine Wechselwirkung besteht. Daraus entwickelt sich für jedes Kind eine ganz eigene Dynamik. Durch diese Komplexität und die Schwere der Schädigungen benötigen die Kinder deutlich mehr Betreuung. Dies betrifft medizinische Versorgung, pflegerische Hilfe und pädagogisch-therapeutische Förderung. Die Familien der Kinder, besonders die Eltern, brauchen viel Unterstützung. Die eindimensionale Sicht von Behinderung wurde mit der Zeit durch ein Betrachten des komplexen Zusammenwirkens der einzelnen Behinderungen ersetzt. Jedes Kind, für das der Ausdruck „Mehrfachbehindert-sehgeschädigt“ verwendet wird, ist sehr individuell in seinen Fähigkeiten, Schädigungen und besonderen Bedürfnissen. Diese Veränderung der Sichtweise ergibt Konsequenzen für den Unterricht, die Behandlung und Therapie. Es ist wichtig, dass alle, die mit einem mehrfachbehinderten-sehgeschädigten Kind arbeiten, ihr Fachwissen zum Wohle des Kindes einbringen und kooperieren. Ein großer Teil aller behinderten Menschen sind mehrfachbehindert und stellen somit den Regelfall und nicht die Ausnahme dar. Eine Schädigung wirkt sich nicht nur in einem einzigen Bereich aus. Sie beeinträchtigt den Menschen in seiner Ganzheit. Der Verlust des Sehvermögens zeigt Auswirkungen: 1 beim Lernen 1 in der Mobilität 1 in der Begegnung mit anderen Menschen 1 im Spiel 1 im lebenspraktischen Bereich Vorwort Mehrfachbehinderungen stellen hohe Anforderungen an Diagnostik, Therapie und Unterricht: Man kann nicht einfach aus den beobachtbaren Symptomen auf die zugrundeliegenden Ursachen schließen. Ebenso ist eine genaue Prognose über den weiteren Verlauf der Entwicklung schwierig. Diese schwierige, umfassende Aufgabe darf uns nicht davon abhalten, jedem Menschen sein Recht auf Leben und Lernen zukommen zu lassen. Das Recht auf Unterricht und Bildung haben alle Kinder. Grundlagen der Begegnung sind der respektvolle Umgang mit den Kindern und die Achtung der Würde jedes Einzelnen. Eine humane Gesellschaft muss sich dieser Herausforderung stellen. Das Redaktionsteam Grundlagen 1. Das mehrfachbehinderte sehgeschädigte Kind In der englischen Fachliteratur wird der Terminus „Multiple disabilities and visual impairment“ (MDVI) verwendet. Jedes Kind, für das dieser Ausdruck verwendet wird ist sehr individuell in seinen Fähigkeiten, Schädigungen und besonderen Bedürfnissen. Mehrere auftretende Behinderungen in ihren Auswirkungen nicht additiv, sondern multiplikation sind. Daher spricht man von der Multiplikation des Zustandsbildes. Kinder mit einer Kombination von Schädigungen können in 3 Hauptgruppen eingeteilt werden: 1 zusätzlich behindert 1 zweifach sinnesbehindert 1 mehrfachbehindert Der Terminus „zusätzlich behindert“ kann für jene Kinder benutzt werden, die zu einer Sehschädigung eine zusätzliche Beeinträchtigung haben. Diese Probleme können Schwierigkeiten beim Lernen bereiten, aber die Kinder können ähnlich unterrichtet werden wie „nur“ Sehgeschädigte. Eine additive Behinderung ist z.B. das Zusammentreffen von Blindheit und Körperbehinderung (Querschnittlähmung). Das Kind kann mit einem Rollstuhl ausgestattet sein und mit blindenspezifischen Methoden unterrichtet werden. Zweifach sinnesbehindert: Die am besten bekannte Gruppe sind die taubblinden Kinder. Kinder mit der Kombination von Seh- und Hörschädigung haben bestimmte Kommunikations- und Lernschwierigkeiten. Selten sind sie völlig blind oder vollkommen gehörlos. Sie brauchen veränderte pädagogische Methoden, die beide Schädigungen berücksichtigen. Mehrfachbehinderung kann nicht in einer einzigen Definition erfasst werden, da jedes Kind eine einzigartige Kombination von Fähigkeiten und Behinderungen hat. Dabei ist der synergetische Effekt zu betonen, d.h. der Kombinations- oder Multiplikationseffekt überschreitet die Summe der einzelnen Behinderungen. Wegen der engen Verbindung der Entwicklung des Auges und des Gehirns gibt es eine hohe Häufigkeit von Sehbehinderungen bei Kindern und Jugendlichen, die schwere Lernprobleme haben. Wenn eine Hirnschädigung in der Embryonalzeit auftritt, ist auch die Entwicklung des Sehapparates betroffen. Grundlagen Das Zusammentreffen von zwei oder mehreren Behinderungen hat für das Leben und Lernen meistens interaktive Wirkung. Beispiel für diese interaktiven Auswirkungen ist das Kind mit Sehschädigung und zerebraler Lähmung. Die Spastizität, die von der zerebralen Lähmung kommt, beeinträchtigt das Lernen im taktilen Bereich. Bilder und Symbole, wie sie sonst für zerebral gelähmte Kinder Anwendung finden, können wegen der Sehschädigung nicht angewendet werden. Es muss ein neuer individueller Ansatz in der Pädagogik gefunden werden. Weltweit gibt es einen Anstieg von Kindern mit Mehrfachbehinderungen. Nach einer Untersuchung von Martin Häußler in Bayern 1995 gibt es eine Anzahl von 67 mehrfachbehindert - sehgeschädigten Kindern auf 100 000 Geburten. Die Anzahl von Kindern, die nur blind oder sehbehindert sind, ist in den westlichen Industrieländern gesunken. Sowohl die Kinder als auch die Gesellschaft sind mit neuen Herausforderungen konfrontiert (Challenged People). Grundlagen 2. Bestimmung der visuellen Funktionen Seh- und mehrfachbehinderte Kinder sind Kinder mit speziellen Bedürfnissen. Diese besonderen Bedürfnisse müssen bei der augenärztlichen Untersuchung in sensibler Weise berücksichtigt werden. In der Regel sind die Funktionen des visuellen Systems 1 Sehschärfe 1 Gesichtsfeld 1 Dioptrienanzahl 1 Beidäugiges Sehen 1 Farb-, Kontrastsehen, u. a. m. bei der augenärztlichen Untersuchung quantitativ exakt vorausgesetzt der Patient arbeitet gut mit. bestimmbar, Selbst objektive Untersuchungsmethoden des Auges wie die Beurteilung 1 der vorderen Augenabschnitte 1 des Augenhintergrundes 1 die Messung des Augeninnendruckes, u. a. m. erfordern eine gewisse Mitarbeit des Patienten. Subjektive Angaben und die gewünschte Kooperation sind von einem sehbehinderten Kleinkind und von einem mehrfachbehinderten Kind nicht oder nur bedingt zu erwarten. Dennoch ist es möglich, mit viel Zeit, Geduld und Einfühlungsvermögen Aussagen über die Sehfunktion zu treffen. Entscheidend bei der augenärztlichen, wie auch bei jeder anderen Beurteilung ist der allgemeine Aufmerksamkeitsgrad des Kindes: 1 ausgeschlafen oder müde 1 satt oder hungrig 1 gutes Wohlbefinden oder Erkrankung, Infekt, Schmerzen 1 Sympathie oder Ablehnung der Untersuchungsperson Viele Faktoren bestimmen die Mitarbeit und somit die Aussage über die visuellen Funktionen des Kindes. In die augenärztliche Beurteilung miteinbezogen werden: das spontane aktive Verhalten 1 bewegt sich das Kind krabbelnd oder gehend frei im Raum 1 ist es neugierig und möchte es den Raum entdecken 1 sitzt es teilnahmslos am Schoß der Eltern Grundlagen das visuelle Interesse 1 erkennt das Kind Gegenstände oder Spielsachen nach denen es greift, auf die es zugeht, die es haben möchte 1 wie groß, bunt, kontrastreich, visuell attraktiv sind diese Objekte die Beobachtungen der Eltern 1 reagiert das Kind auf hell/dunkel 1 nimmt es Blickkontakt auf 1 lächelt es 1 werden Spielsachen visuell oder überwiegend akustisch und taktil erfasst 1 was sind die Lieblingsbeschäftigungen des Kindes die visuellen Leistungen werden nicht mit handelsüblichen Sehprobetafeln bestimmt, sondern mit 1 Spielsachen in verschiedenen Farben 1 gefärbten Holzkugeln in unterschiedlichen Größen, angeboten in verschiedenen Entfernungen 1 schwarz-weiße Streifenmuster in abnehmender Streifenbreite 1 Lichter und glitzernde Gegenstände 1 Objekte, die sich bewegen oder zusätzlich akustische Signale von sich geben allesamt Dinge, für die es sich lohnt zu schauen. Kein wesentlicher Unterschied zwischen sehbehindertemmehrfachbehinderten und bei nichtbehinderten Kindern besteht in der Untersuchung des Augenorgans 1 Brillenglasbestimmung nach Tropfengabe 1 Beurteilung der vorderen Augenabschnitte 1 Untersuchung des Augenhintergrundes 1 Messung des Augeninnendruckes, ... Sind diese Untersuchungen nicht aufschlussreich genug und ist eine Differenzierung zwischen Sehbehinderung und geistiger Behinderung zu treffen, so können mittels elektrophysiologischer Untersuchungsmethoden die Hirnströme gemessen und Rückschlüsse auf die Sehfunktionen gezogen werden. "Wie viel Prozent sieht mein Kind?" Diese oft geäußerte Frage der Eltern kann im Kleinkindesalter nicht exakt beantwortet werden. Genaue Prozentangaben sind bei vermuteter oder bestätigter höhergradiger Sehbehinderung unwesentlich. Mehrfachbehinderung Wichtig ist 1 eine rasche Erfassung einer Sehschädigung 1 die gezielte Behandlung einer Augenerkrankung und 1 die rasch einsetzende visuelle Frühförderung zur Stimulierung des vorhandenen Sehvermögens und zur Aktivierung der übrigen Sinne. Dr. Gruber Hildegard, St. Pölten Grundlagen 3. Lehrplan der Sonderschule für schwerstbehinderte Kinder (unter besonderer Berücksichtigung der Sehgeschädigtenproblematik; Zitate kursiv) Der seit 1996 gültige Lehrplan orientiert sich nicht an den Schwierigkeiten und fehlenden Fertigkeiten und Kenntnissen der Schüler, sondern geht von vorhandenen Voraussetzungen aus. Nicht der Aspekt der Behinderung sondern des erhöhten sonderpädagogischen Förderbedarf steht im Vordergrund. Im Unterricht geht es darum, der Entwicklung und den Fähigkeiten des Kindes gerecht zu werden. Dabei sind Inhalte und Ziele nach ihrer Lebensbedeutung auszuwählen, wobei eine gemeinsame Planung schulischer und nichtschulischer Bildung in besonderem Maße notwendig ist. Bei Kindern mit erhöhtem Förderbedarf wird daher eine isolierte Betrachtung von Sehschädigung nicht zielführend sein. Notwendige Fördermaßnahmen im visuellen Bereich sind Teile eines ganzheitlichen Unterrichtes. Dies wird Auswirkungen auf die Auswahl und Zusammensetzung des Personals, seine Aus- und Weiterbildung, aber auch auf Medien und Ausstattung haben. Der folgende Überblick kann eine genaue Auseinandersetzung mit dem Lehrplan nicht ersetzen, doch soll er auf Schwerpunkte aufmerksam machen. Die Gliederung erfolgt in eine Eingangs-, eine Kern- und eine Übergangsstufe. Die Schüler durchlaufen diese Sutfen gemäß ihrer Entwicklung wobei die Übergänge fließend sind. Bei fast allen Schülern ist der gesetzlich mögliche Weiterbesuch der Schule über das Pflichtschulalter hinaus eine sinnvolle Maßnahme. Für diese Zeit werden in der Übergangsphase eigene Inhalte angeführt. Zentrales Anliegen ist die Vermittlung von Erfahrungen, Kenntnissen, Wissen und Handlungskompetenzen. Sie sind in folgenden Lebens- und Lernfeldern anzubahnen bzw. auszuformen: 1 Erfahren, Erleben und Entfalten der eigenen Person 1 Erfahren, Erleben und Auseinandersetzen mit der Gemeinschaft 1 Erfahren, Erleben und Auseinandersetzungen mit der Umwelt 1 Erfahren, Erleben und Auseinandersetzen mit der Sachumwelt In der Folge wird auf die Aspekte des Lernens, auf begleitende Maßnahmen, aber vor allem auf die Ansprüche des Kindes, die sich aus der Würde des Menschen ergeben, eingegangen. Besonders hingewiesen wird auf das Recht auf Zuwendung, Bildung und Annahme als eigenständige Persönlichkeit. Grundlagen Beachtung behinderungsspezifischer Erfordernisse im Unterricht, die Gestaltung der schulischen Umwelt, Angaben über den Einsatz des Lehrplanes in anderen Schularten (Integration) und die Bedeutung der Informations- und Kommunikationstechniken sind besondere Schwerpunkte. Breiten Raum schenkt der Lehrplan den didaktischen Grundsätzen. Prinzipieller Ansatz ist das Sammeln lebensunmittelbarer Erfahrungen. Dies kann durch das Hereinnehmen von Lebenssituationen in den Unterricht oder durch das Hinausführen der Kinder und der Jugendlichen in das Alltagsleben geschehen. Wichtig ist jedoch, nicht Leben zu spielen, sondern stattfinden zu lassen. Es geht nicht um Vorbereitung auf das Leben, die Bedeutung des Unterrichts liegt darin, dass er selbst Teil des Lebens ist. Bei der notwendigen differenzierten Förderdiagnostik wird die Abklärung der visuellen Wahrnehmung und deren Fördermöglichkeit bei jedem Kind eine Rolle spielen. Zentrale Bedeutung wird sie jedoch bei Kindern mit Sehschädigung haben. Eine Einbindung entsprechend ausgebildeter LehrerInnen ist hier unabdingbar. Bei diesen Schülern begründen die Grundprinzipien der Unterrichtes, die von der Sicherung der existenziellen Bedürfnisse ausgehen und alle Fassetten der Persönlichkeitsentwicklung berücksichtigen, die Anwendung spezieller Methoden für Sehgeschädigte. Exemplarisch seien hier die Schulung des Sehvermögens, die Schulung der übrigen Sinne, Hilfe beim Erlernen der Kulturtechniken, die Vermittlung lebenspraktischer Fertigkeiten und das Training der Mobilität erwähnt. Für die Klärung von Möglichkeiten und Notwendigkeiten und für deren Umsetzung ist der zusätzliche Einsatz von Lehrerlnnen für Sehgeschädigte notwendig. Vielfältige Anregungen für den Unterricht ergeben sich aus der differenzierten Betrachtung der lebensbedeutsamen Handlungsfelder wie sie in Form von Strukturgittern in den Lehrplan eingeflossen ist. Aspekte des Lernens und die Methoden aus der Sicht des Lernenden bilden die Schnittpunkte für Inhalte von Lernsequenzen. Dies reicht von der sinnlichen Wahrnehmung der eigenen Person durch Berühren lassen bis zum begrifflich abstrakten Ziel, Dinge des täglichen Bedarfes vorausschauend besorgen zu können. Inhalte und Ziele für den Unterricht in Deutsch, Mathematik, Werken, Hauswirtschaft und Sport werden als Möglichkeit einer Erweiterung des Unterrichtes angeführt. Besondere Bedeutung misst der Lehrplan dem Übergang von der Schule in andere Formen des Lebens mit dem Schwerpunkt der Arbeitswelt zu. Grundlagen 4. Leitlinien für den Unterricht bei Kindern mit erhöhtem Förderbedarf In diesem Heft werden Kinder mit erhöhtem Förderbedarf beschrieben. Wer so ein Kind kennt, dem wird manches bekannt vorkommen. Aber das Besondere an dieser Personengruppe ist, dass sie zeigt, wie einzigartig die Menschen sind und dass niemand einem Anderen gleicht. Deshalb können allgemeine Hinweise, wie sie nun folgen, nur eine Hilfe sein. Nachfolgend wird versucht, Aspekte der schulischen Förderung, wie sie auch im Lehrplan beschrieben sind, exemplarisch aufzuzeigen, um Anregungen für die eigene Situation zu geben. Der Aspekt der Zeit Zeit spielt in der Sonderpädagogik eine entscheidende Rolle. Das betrifft den Zeitpunkt des Beginnens und Beendens einer Förderung, ihre Dauer und die Einbettung im Tages- Wochen- und Jahresablauf. Es ist ein ganzes Jahr als Vorbereitung einzuplanen, um alle Fragestellungen, die mit dem Schuleintritt zusammenhängen klären zu können: Beratungen über die geeignete Schule, Durchführung notwendiger baulicher Maßnahmen, personelle Vorsorge (Lehrer, Betreuungsperson), Organisation des Schulweges und die Ausstattung mit Hilfsmitteln, ... (Siehe Heft 1) Die gesetzliche Regelung macht leider derzeit eine Rückstellung vom Schulbesuch unmöglich. Trotz dieser gesetzlichen Regelung ist es manchmal für ein Kind mit Sehschädigung notwendig, individuell einen späteren Zeitpunkt für die Eingliederung in die Schule zu finden. Dies ist derzeit nur über die befristete Erklärung der Schulunfähigkeit bzw. die Abmeldung zum häuslichen Unterricht möglich. Als eine Form der Hilfe beim Übergang in die Schule wird im Lehrplan die Möglichkeit eines geringeren zeitlichen Ausmaßes der Anwesenheit im Unterricht vorgesehen. Die Gliederung der Schulzeit erfolgt in eine Eingangs-, Kern- und Übergangsstufe. Um die besonderen Bedürfnisse jedes Kindes bzw. Jugendlichen berücksichtigen zu können, ist der Wechsel innerhalb der Stufen flexibel. Auf dieser Grundlage kann ein individueller Förderplan erstellt werden. Über das Pflichtschulalter hinaus besteht für Kinder mit sonderpädagogischem Förderbedarf die Möglichkeit, in einer Sonderschulklasse freiwillig ein zehntes, elftes, bzw. zwölftes Schuljahr zu besuchen. Dabei ist auf das Höchstalter von 18 Jahren zu achten. Für viele Jugendliche ist dies ein geeigneter Zeitrahmen, um die Eingliederung in nachschulische Einrichtungen gezielt vorzubereiten und zu begleiten. Grundlagen Der Aspekt von Raum und Material Die Beschaffenheit und die Ausstattung eines Klassenraumes können das Lernen entscheidend beeinflussen. Eine wohnliche Gestaltung, besondere Berücksichtigung der Erfordernisse basaler Förderung und erhöhter Raumbedarf sind Kriterien für die Einrichtung der Klasse (Siehe „Ideen für die Ausstattung einer Klasse“). Ein breites Angebot von Spiel- Förder- und Therapiematerial, die Einbeziehung von Konsumgütern und Dingen des alltäglichen Gebrauches, aber auch von Tieren und Pflanzen in das Leben in der Klasse sind Lernanreize und eine Unterstützung der Förderung. Dabei ist auch die Integration von Informations- und Kommunikationstechniken durch den Einsatz von Computern miteinzubeziehen. Unterricht außerhalb der Klasse und der Schule ist im Sinne der lebenspraktischen Erziehung, der Mobilität und der sozialen Eingliederung eine wichtige Ergänzung. Das kann in der Gruppe oder im Einzelunterricht sinnvoll sein. Der Aspekt der Lebensbedeutsamkeit Das oberste Bildungsziel ist „Leben lernen“. Aufgrund der unterschiedlichen Voraussetzungen müssen Inhalte und Ziele individuell abgeklärt werden. Ein weitgehend autonomer, selbstbestimmter Umgang mit unterschiedlichen Lebenssituationen soll erreicht werden. Bei der Förderung der Lebenspraxis und der Selbstversorgung, der kognitiven und sozialen Fertigkeiten sowie der Mobilität ist immer die Frage der Bedeutung für den derzeitigen Alltag und das zukünftige Leben zu stellen. Nach diesen Kriterien erfolgt auch die Auswahl von Bildungsinhalten. Der Aspekt der individuellen Förderung „Eine differenzierte Förderdiagnostik über mögliche Ursachen, Art und Ausmaß vorhandener Beeinträchtigungen mit Hilfe entsprechender Methoden bildet die Grundlage aller Bemühungen um Erziehung und Unterricht. Förderdiagnostik impliziert nicht nur das Feststellen des „IST-Zustandes“, sondern ebenso den Aspekt der Förderung“ (siehe Lehrplan). Für Lehrer bedingt das eine andere Form der Vorbereitung auf den Unterricht. Die Herausforderung besteht darin, eine Vielzahl methodischer Ansätze zu kennen, zu suchen, zu entwickeln, um möglichst jedem Kind gerecht zu werden. Die Bedürfnisse des Kindes setzen der Methodenfreiheit Grenzen. Grundlagen Der Aspekt des sozialen Umfeldes Um den pädagogischen, pflegerischen und sozialen Anforderungen bei der Bildung von Schülern mit erhöhtem Förderbedarf zu entsprechen, ist in der Regel eine Arbeit im Team notwendig. Dieses kann sich aus Klassenlehrern, Sonderschullehrern (auch für spezielle Aufgaben wie Sehen, Sprache,...), Betreuungspersonen und Therapeuten zusammensetzen. Wesentliche Voraussetzung für das Lernen ist die „von Vertrauen und Zuwendung erfüllte, auf Respekt basierende und in einer Atmosphäre des Wohlbefindens getragene menschliche Beziehung zwischen Kind und Erwachsenem“ (Lehrplan). Daher ist für alle Personen neben der fachlichen Eignung die Bereitschaft entscheidend, sich auf eine besondere schulische Arbeitssituation einzulassen. Angemessene ärztliche Information und Versorgung (Facharzt, Klinik, ...) sowie eine sonderpädagogische und psychologische Beratung stellen eine optimale Ergänzung schulischer Betreuung dar. Die partnerschaftliche Zusammenarbeit von Schule und Elternhaus gibt dem Kind emotionale Sicherheit und unterstützt eine ganzheitliche Förderung. Sie hat bei Kindern mit erhöhtem Förderbedarf einen besonderen Stellenwert. Bei der Entscheidung „Integration oder Sonderschulklasse“ kann nur geraten werden, die im Rahmen der rechtlichen Möglichkeiten für das Kind beste Lösung anzustreben, wobei ein Wechsel zwischen verschiedenen Schulformen nicht ausgeschlossen werden soll. Grundlagen 5. Ideen für die Grundausstattung einer Klasse Bereich des Sitzens und Liegens: Hängematte, Bodenmatte, Matratzen, Sitzsack Pölster in verschiedenen Größen, Formen, Farben und Materialien, Kuscheldecken, ... Verschiedene Lagerungskeile, Lagerungspolster, Therapierollen, ... Physiotherapieball, angepasste Sessel, ... Stehbrett, Rollator, ... Materialien zur visuellen Stimulation: Materialien aus Neonfarben und/oder Schwarzweißmuster, Glitzermaterialien, ... Ecke oder Raum mit Verdunkelungsmöglichkeit für visuelle Stimulation Verschiedene Lichtquellen (Taschenlampen, farbige Spots, ev. Schwarzlicht, Projektoren, ...) Materialien zur auditiven Stimulation: Instrumente (Trommel, Resonanzkörper, Klangstäbe, ...) CD-Player und Kassettenrekorder mit Fernbedienung Klingelball Materialien zur basalen Stimulation: Resonanzbrett, Kleiner Raum, Materialien aus dem Alltag, ... (siehe „Lili Nielsen“) Tastbrett, Massagegerät Bällchenbad, Wühlwanne Riechdosen, Trockenduschen (z.B. Perlenvorhänge) Feste Stangen, an denen man Mobiles und Material aufhängen kann Materialien zur Kommunikationsförderung: Bilder, Schalter, PC mit speziellen Programmen, ... Förderung 1. Sehen beim mehrfachbehinderten Kind Viele mehrfachbehinderte Kinder gelten als "blind". Sie reagieren nicht auf optische Reize, greifen nicht nach Gegenständen. Und dennoch: Sehr wenige dieser Kinder sind wirklich blind, doch nur ständige Beobachtung lässt eine Einschätzung des Sehvermögens zu, medizinische Befunde geben meist nur wenig Auskunft. Das Sehvermögen ist nicht allein abhängig von Sehschärfe und Gesichtsfeld, sondern von vielen anderen Faktoren. Es wird beeinflusst vom momentanen körperlichen und seelischen Zustand des Kindes. So wird es in einer Umgebung, in der es sich wohl fühlt, „besser sehen". Eine falsche Lagerung, Probleme bei der Atmung, Verdauungsbeschwerden etc. beeinträchtigen möglicherweise das Interesse an visueller Information oder an Fördermaßnahmen. Informationen und Beobachtungen all jener, die mit dem Kind leben, helfen zu einer verbesserten Einschätzung des funktionellen Sehvermögens. Es geht nicht nur darum zu wissen, wie viel ein Kind sieht, sondern Möglichkeiten für individuelle Fördermaßnahmen zu finden. Anregungen zur Beobachtung: 1 Wie nimmt das Kind seine Umgebung wahr? 1 Welche seiner Sinne setzt es ein? 1 Kann es Informationen verwerten? 1 Auf welche Reize reagiert es? 1 Setzt es aktive Handlungen? Greift ein Kind nicht nach einem Gegenstand, kann die mangelnde Sehkraft dafür verantwortlich sein. Es kann aber auch bedeuten, dass es motorisch nicht dazu in der Lage ist. Vielleicht hat es mangelndes Vertrauen zu den Leuten, die mit ihm arbeiten, oder es fehlt die Motivation. Für jede Art des Lernens ist es von Vorteil, Spaß daran zu haben. Ein mehrfachbehindertes Kind, das gerne im Wasser ist, wird im Bad bessere Lernbedingungen vorfinden. Sinnvolles Handeln setzt Denken, Lernen und Erinnern voraus. Je mehr wir über das Kind wissen, desto eher können wir einschätzen, über welches Sehvermögen es verfügt und wie es dieses einsetzt. Daraus resultieren Überlegungen für den Förderplan, die Materialien, die technische Ausstattung, usw. Förderung Visuelle Wahrnehmungsförderung Das bedeutet die Förderung des aktiven Sehens. Nur in aktiver Auseinandersetzung des Kindes mit der Umwelt entwickelt sich das Sehen. Durch die visuelle Stimulation wird die Vernetzung im kindlichen Gehirn angeregt. Dies wirkt sich auf alle Entwicklungsbereiche aus. Das Kind soll angeleitet werden, sein visuelles Sinnesorgan häufiger und besser zu nützen. Visuelle Wahrnehmungsförderung ist keinesfalls ein isoliertes Funktionstraining. Ziel ist die Integration der visuellen Leistung in die Gesamtaktivität. Die Entwicklung der visuellen Wahrnehmung verläuft auch bei mehrfachbehinderten Kindern in bestimmten Regelmäßigkeiten. Dabei müssen wir aber bedenken, dass sich die Entwicklung immer individuell vollzieht und in keinen Rahmen pressen lässt. Es geht darum, die Kompetenz des Kindes zu stützen. Bei der Förderung mehrfachbehinderter Kinder begegnen uns fünf Stufen der visuellen Wahrnehmung: 1. Die Wahrnehmung, dass es SEHEN gibt, dass es hell und dunkel gibt, 2. das Aufmerksamsein, die Fähigkeit einen visuellen Reiz zu bemerken. 3. das Lokalisieren, das mit Augen-, und Kopfbewegungen verbunden ist und ein aktives Hinwenden bedeutet, 4. das Erkennen, Wiedererkennen von Gesehenem, eine erste geistige Vorstellung über die Dinge der Umgebung, 5. das Verstehen von einfachen Ereignissen, Relevanz und Nutzen von Objekten. Leitgedanken für die Arbeit mit mehrfachbehinderten Kindern 1. 2. 3. 4. 5. 6. 7. 8. 9. 10. Du sollst die Perspektive des Lernenden teilen. Du sollst deine Augen öffnen. Du sollst Stärken und Fähigkeiten feststellen. Du sollst dich sensibel auf das Kind einstellen. Du sollst die Gesamtheit des Kindes sehen. Du sollst dich mit alle anderen abstimmen. Du sollst an morgen – an die Ziele denken. Du sollst das Kind wertschätzen. Du sollst dem Kind Zeit geben. Du sollst deine eigene Arbeit, nicht das Kind beurteilen. Förderung 2. BASALE KOMMUNIKATION – ein Weg zum Anderen (aus: Texte zur „Basalen Kommunikation“ von Winfried Mall) Ich stehe vor jemandem und frage mich, wie ich ihn erreichen kann. Er selbst spricht nicht oder nur so eingeschränkt, dass er sich damit nicht wirklich selbst mitteilen kann. Seine Mimik oder Gestik hat keinen erkennbaren Bedeutungsinhalt. Mit meiner Sprache kann er offensichtlich nichts anfangen, auf mein Lächeln reagiert er nicht, meinem Blickkontakt weicht er aus, meine Berührungen rufen keine Antwort hervor oder werden gar abgelehnt. Ich habe das Gefühl, der andere lebt in einer Welt für sich, zu der ich keinen Zugang finde. Oder aber ich spüre, der andere möchte sich mitteilen, möchte Kontakt aufnehmen, hat aber keine Möglichkeiten dazu. Es ist keine Kommunikation möglich, es kommt zu keinem wechselseitigen Austausch. Das Problem ist sicher vielen bekannt, die mit schwer geistig behinderten Menschen zusammenkommen. Zielgruppe Zielgruppe der basalen Kommunikation sind Menschen, die nicht in der Lage sind, sich aktiv auszudrücken und mitzuteilen. Bei ihnen wird zwar jede einfühlsame Betreuerin Hinweise erkennen, wie sie sich fühlen, was ihnen besonders gefällt und was sie ablehnen. Ausdrucksmittel sind vermehrtes Lautieren, motorische Unruhe, Schreien oder andere Ausdrucksweisen der Körpersprache. Jedoch bleiben diese Eindrücke diffus und subjektiv. Oft ist man auf Mutmaßungen angewiesen, das Gefühl der Distanz und eines unüberbrückbaren Abgrundes drängt sich immer wieder auf. Die Situation der unvermittelten persönlichen Begegnung lässt sich nicht herstellen. Basale Kommunikation möchte keine Methode der Förderung ersetzen, sondern hat die Begegnung zum Ziel. Der Begriff „basal“ wird hier verwendet im Sinne der „Voraussetzungslosigkeit“ auf Seiten des behinderten Partners. Es werden keine Vorbedingungen für Kommunikation gestellt. Kommunikationskanäle Über die Kommunikationsweisen, derer wir uns üblicherweise bedienen (Blickkontakt, Sprache, Mimik, Gestik...), kommt mit einem schwer geistig behinderten Menschen kaum ein Austausch zu Stande. Nun lässt sich aber feststellen, dass jeder Mensch irgend etwas tut, und in seinem Tun Auskunft gibt, wie er sich fühlt, was ihn bewegt. Es ist wichtig, den Mitteilungscharakter dieser Aktivitäten erkennen. Hier sind die Ansätze der Kommunikation zu finden. Selbst wenn Menschen sich nicht bewegen, lautieren und schauen, gibt es eine ganz zentrale Tätigkeit, die bei jedem zu finden ist - wir atmen. Förderung Der Atem bzw. die Art, wie wir atmen, der Rhythmus unseres Atems ist unser elementarstes Ausdruckmittel. Und hier setzt die basale Kommunikation an. Der Atemrhythmus drückt nicht nur den momentanen Zustand aus, sondern auch eine Grundstimmung, ein Lebensgefühl - die Persönlichkeit. Auffälligkeiten im Atemrhythmus bei schwer behinderten Menschen sind sehr häufig in Form von Hyperventilation, ungleichmäßigem, stauendem, pressendem oder verhaltenem Atmen zu finden. Auf basaler Ebene kann versucht werden, mit dem Partner über den Atemrhythmus in Austausch zu treten. Lautäußerungen im Zusammenhang mit der Atmung (Tönen, Brummen, Lautieren...) sind weitere Kommunikationsformen, die in der basalen Kommunikation genutzt werden. Zentrale Kommunikationsmittel sind: 1 1 1 1 Atemrhythmus Körperkontakt Bewegung Stimme Kommunikationsinhalte sind: 1 1 1 1 die Herstellung eines wechselseitigen Austausches zwischen mir und dem behinderten Partner auf vorsprachlicher, emotionaler Ebene das Vermitteln von Verständnis, Zuneigung und Interesse der Abbau von Ängsten, Verspannung und Panik die Öffnung für Beziehung Durchführung Bei der Durchführung der basalen Kommunikation ist u.a. Folgendes zu beachten 1 Sich Zeit nehmen (ca. 15 Minuten, zweimal täglich) 1 Ruhiger, reizarmer Raum 1 Vorsichtiger Körperkontakt: Leib an Leib sitzen, mit der eigenen Hand den behinderten Partner beim Ausatmen berühren, stets die Reaktionen des anderen wahrnehmen und sich anpassen, nicht in mechanisches „Bearbeiten“ verfallen 1 Sehr wenig, leise und behutsam sprechen – nur das ansprechen, was gerade aktuell ist Förderung 1 1 1 Sich auf den Atemrhythmus des Partners einstellen und ihn mitmachen, so „ver-rückt“ er auch sein mag Ausatmung hörbar machen (brummen, singen, summen...) Ausdruckselemente des Partners aufnehmen, sie nachahmen und ihm widerspiegeln, dabei jedoch nicht stereotyp werden 1 1 1 In der Ausatmungsphase Bewegungen vom Partner übernehmen und neue Bewegungsimpulse setzen Abwehrreaktionen des Partners respektieren Das Ende der Sitzung bestimmt der Betreuer, möglichst in einer ruhigen und gelösten Phase Basale Kommunikation darf nicht auf Methode beschränkt werden, sie enthält immer spielerische und kreative Momente und soll nie kritiklos auf jede Beziehung übertragen werden. Die Echtheit der Begegnung ist zentraler Kern der basalen Kommunikation. Basale Kommunikation soll nicht auf begrenzte Situationen eingeschränkt werden, Begegnung findet überall statt und lässt sich im Sinn basaler Kommunikation gestalten. Sie hat nicht die Heilung der Behinderung zum Ziel. Es geht um einen gegenseitigen Zugangsweg und ist Kommunikationsmittel auf einer basalen Ebene. Förderung 3. Basale Förderklassen Behinderte Menschen haben ein unveräußerliche Recht auf Achtung ihrer Menschenwürde. Behinderte haben also dieselben Grundrechte wie ander Mitbürger ihres Alters, womit primär und insbesondere das Recht auf ein angemessenes Leben gemeint ist, das so normal und sinnerfüllt wie möglich sein soll – alle Behinderten, ungeachtet des Ursprungs, der Art und Schwere ihrer Benachteiligungen oder Behinderungen. Basale Förderklassen wurden in ganz Österreich eingerichtet. Anhand des Beispiels von Wien wollen wir hier eine mögliche Form vorstellen. Seit dem Schuljahr 1992/93 werden in den Basalen Förderklassen Wien schwerstbehinderte SchülerInnen von zwei PädagogInnen in einer Klasse unterrichtet. Vor zwei Jahren konnte auch am Bundesblindenerziehungsintstitut in Wien eine Basale Förderklasse eingerichtet werden. Mittlerweile bestehen zwei Vormittagsklassen mit je vier SchülerInnen, die Nachmittagsbetreuung mit vier SchülerInnen ist auch gegeben. Hauptkriterien für die Aufnahme der SchülerInnen in Basalen Förderklassen sind Pflegeabhängigkeit sowie geistige und mehrfache Behinderung. FachbetreuerInnen unterrichten in Teamarbeit mit SonderschullehrerInnen in einer Klasse. Basale Förderklassen sind im Wiener Regelschulsystem eingegliedert, sodass Kinder im schulpflichtigen Alter diese Klassen besuchen können. Neben der Wahrnehmung über basale Stimulation gehören die Förderung motorischer Fähigkeiten, Sprachentwicklung, Esstraining und soziales Lernen zu den Schwerpunkten des Unterrichts. Pädagogische, therapeutische und pflegerische Elemente fließen zu einer Einheit. Da es das Ziel der individuellen Förderung ist, das Kind in der Entwicklung seiner Persönlichkeit und Selbstständigkeit möglichst umfassend und ganzheitlich zu unterstützen, wird für jedes Kind ein eigener Förderplan entwickelt. Grundsätzliches Ziel der individuellen Förderung ist die Hinführung der Kinder zu größtmöglicher Selbstständigkeit, Eigenaktivität, Integration und Umsetzung erlernter Fähigkeiten, Erkennen und Ausdruck von Vorlieben und Abneigungen. Förderung Möglichkeiten der Wahrnehmungsförderung: 1 somatisch: baden in Wasser und unterschiedlichen Materialien (z.B. Bohnen), Massage, Lagerung auf verschiedenen Unterlagen Der Körper steht im Mittelpunkt der Förderung. 1 vestibulär: schaukeln, drehen, wippen Hilfsmittel wie Wasserbett, Hängematte, Physioball, .. 1 vibratorisch: Musikinstrumente, massieren mit verschiedenen Massagegeräten. Das intensive Spüren von Schwingungen steht im Mittelpunkt. 1 akustisch: Geräuschmobiles , Einsatz von Musik und Stimme Geräusche werden gezielt und geplant angeboten, die aktiv und bewusst wahrgenommen werden können. 1 visuell: verschiedene Lichtreize, Blitzkugeln, .. Kinder können zu aktivem Hinschauen, Fixieren etc. gelangen. 1 taktil/haptisch: Greifsäckchen, Mobiles, Wühlwannen, .. Im Mittelpunkt steht geführtes und eigenaktives Spüren und Ertasten verschiedener Materialien. 1 oral/gustatorisch/olfaktorisch: Riechdosen, Kausäckchen, Kostproben unterschiedlicher Lebensmittel. Neue Eindrücke im Mundraum und Gesichtsfeld sollen für Differenzierungsfähigkeit und Sensibilisierung beitragen. Aber auch das Gemeinschaftsgefühl wird gefördert. So erleben die Kinder gemeinsames Musizieren, Ausflüge, gemeinsame Feiern, etc. Weitere wichtige Gebiete sind die Ernährung und der medizinischpflegerische Bereich. Im Bereich der Ernährung sind medizinischtherapeutisch orientierte Elemente integriert: Orofaciale Stimulation, Anbahnen von eigenativem Schlucken, verschiedene Hilfsmittel wie Schnabelbecher, Griffverstärkungen, Sondieren. Das Ziel der Tätigkeiten im medizinisch-pflegerischen Bereich ist die Sicherstellung der physischen und psychischen Stabilität der Kinder und die Befriedigung von Grundbedürfnissen. Der graue Alltag ist in einer Basalen Förderklasse nie grau und trist, für Abwechslung sorgen unsere Schüler und Schülerinnen! Förderung 4. Sitz - und Liegemöglichkeiten im Klassenraum Die Auswahl an richtigen und passenden Sitz- und Liegemöglichkeiten im Klassenraum oder im Schulalltag ist von entscheidender Bedeutung. Noch wichtiger ist die Auswirkung des Sitzens oder Liegens auf das allgemeine Befinden des Schülers und damit auf seine Lebensqualität. Jeder Mensch bringt individuelle Voraussetzungen und Bedürfnisse mit. Bei Sitz- und Liegemöglichkeiten unterscheidet man zwischen Ruhestellung und Aktivität. Zur Ruhestellung Voraussetzung für eine wirkliche Ruhestellung ist die Unterstützung sämtlicher Körperabschnitte. Das bedeutet, dass nicht nur Oberschenkel, Gesäß, Rücken und Kopf unterstützt werden, sondern auch Füße, Unterschenkel, Arme und Hände. Damit dies möglich wird, ist eine Annäherung an eine liegende Position notwendig. In den meisten Fällen ist es nicht damit getan, die Sitzgelegenheit nach hinten zu kippen und anzulehnen. Dabei werden selten die Füße und Unterschenkel genügend unterstützt und fast immer werden dabei Arme und Hände frei nach unten hängen. Dieses Hängen führt jedoch zu einer kräftigen Dehnung im Schultergelenk und wird sich binnen kurzer Zeit schmerzvoll bemerkbar machen. Diese Prinzipien gelten für einen normalen Rollstuhl, einen Rollstuhl mit kippbarer Sitzeinheit oder ein anderes beliebiges Sitzmöbel. Weitere Möglichkeiten, Ruhepositionen einzunehmen, ergeben sich natürlich auf einer Matte am Fußboden oder auf einer erhöhten Liegefläche. Diese Form der Ruheposition ist oft bequemer für den Schüler, da sie sehr individuell gestaltet werden kann. Auch beim Liegen müssen alle Körperabschnitte unterstützt sein, um Entspannung und Schmerzfreiheit so weit als möglich zu gewährleisten. Wichtige Hilfsmittel dazu sind aus Schaumstoff gefertigte Rollen unterschiedlichen Durchmessers, keilförmige Polster aus dem gleichen Material in verschiedener Höhe und eine Auswahl von Polstern variierender Größe und Festigkeit. Förderung Zur Aktivität Meistens ist die Ausgangsposition für eine Aktivität eine mehr oder weniger aufrechte Haltung. Wichtig ist, dass es dem Schüler möglich ist, die erwünschte Stellung ohne Anstrengung halten zu können, dann sind die Arme und Hände zum Manipulieren frei. Wird diese Schwerpunktverlagerung erreicht, z.B. mit einem Sitzkeil oder einer leicht nach vorne geneigten Sitzfläche, muss das Gewicht des jetzt nach vorne geneigten Körpers wieder aufgefangen werden , damit der Schüler sich nicht der Haltungsarbeit widmen muss. So ist eine für den Oberkörper ausgeschnittene Tischplatte günstig, damit sich der Schüler ganz dem Manipulieren und anderen Aufgaben widmen kann. Zwischen vorderer Abstützung und Rückenlehne ist jetzt eventuell ein Raum entstanden, innerhalb dessen der Schüler sich relativ frei bewegen kann und so gute Möglichkeiten findet, sich Haltung und Gleichgewicht auch außerhalb der Therapiestunden anzueignen. Bei Kindern, die über keine Kopfkontrolle verfügen, hilft eine Halskrause zur Unterstützung. Graz, Klaus Janes, Dipl. Physiotherapeut Förderung 5. Ein Koffer voller ... Das Förderkonzept einer Pionierin - Lilli Nielsen Lilli Nielsen arbeitete 30 Jahre lang als Psychologin und Lehrerin mit sehgeschädigten Kindern. Ausgehend von der Beobachtung, dass etwa 44 % aller blinden Kinder und Jugendlichen in ihrer Entwicklung weit hinter der Altersnorm zurückbleiben, suchte sie nach neuen Unterrichtsmethoden und Lernwegen. Sie beschäftigte sich intensiv mit den Lernvoraussetzungen des blinden Kindes mit geistiger Behinderung. Das normal sehende Baby beginnt schon kurz nach der Geburt, die Welt mit seinen Augen zu erkunden. Wissenschaftliche Untersuchungen zeigen, dass bereits ein acht Tage altes Kind versucht, das Mienenspiel seiner Eltern zu imitieren. Das blinde Baby mit geistiger Behinderung nimmt Geräusche, Gerüche und taktile Reize wahr, aber es kann nicht sehen, woher diese Eindrücke kommen, und es ist ihm kaum möglich, Zusammenhänge zu entdecken. Bei blinden Kindern fällt z.B. auf, dass sie ihren Kopf sehr viel später zu heben und zu kontrollieren lernen als sehende Kinder. Insgesamt bewegen sie sich weniger als sehende Babys. Dadurch kommen sie in geringerem Maße mit ihrer Umwelt in Berührung und haben nicht ausreichend Gelegenheit, die Dinge ihrer nächsten Umgebung wahrzunehmen. Es kann ein negativer Kreislauf entstehen. Die normale motorische und sensomotorische Entwicklung verlangsamt sich. An dieser Stelle setzt L. Nielsen mit ihren Überlegungen ein. Die anderen Sinne sollen so aktiviert werden, dass die Ausfälle im visuellen Bereich kompensiert werden. Besondere Bedeutung erhält die Schulung des Gehörs. Deshalb ist es völlig falsch, blinde Babys mit geistiger Behinderung in gut gepolsterten Körbchen oder Betten liegen zu lassen. Jedes Geräusch, das die Kinder selbst erzeugen, wird durch weiche Matratzen, Polster und Kissen gedämpft und kann deshalb vom Kind nicht wahrgenommen werden. Wichtige Stimuli gehen auf diese Weise verloren. L. Nielsen geht es darum, bei den blinden Kindern mit schweren Behinderungen nicht beim fehlenden Können anzusetzen. Das Kind soll nicht therapiert und trainiert werden. Vielmehr wird versucht, eine Umgebung zu schaffen, in der das Kind so stimuliert wird, dass der oben beschriebene Kreislauf durchbrochen werden kann. Dabei soll das Kind selbst weitgehend Tempo und Richtung der Förderung bestimmen. Förderung Drei Zielbereiche sind L. Nielsen besonders wichtig: 1 1 1 Das Kind soll aus der Passivität herausgeführt werden. Es soll lernen, seine Umwelt aktiv zu erobern und zu erkunden. Kommunikation soll über die Entwicklung motorischer Funktionen angebahnt werden. Es muss eine Umgebung geschaffen werden, in der sich das Kind weitgehend selbständig entwickeln kann. Um das blinde Kind über akustische Reize zu stimulieren, muß eine Umfeld vorbereitet werden, die Geräusche verstärkt und nicht dämpft. L. Nielsen legt die Kinder deshalb auf eine sogenannte Resonanzplatte. Diese besteht aus 4 mm starkem Sperrholz und ist am Rand auf eine etwa 3 cm dicke Leiste aufgeklebt. Durch den Hohlraum zwischen Sperrholzplatte und Boden entsteht der Resonanzeffekt. Jedes Geräusch, welches das Kind erzeugt, wird dadurch deutlich hervorgehoben und besser wahrnehmbar. Mit der Zeit wird das Kind auch begreifen, dass die Geräusche, die es hört, selbst erzeugte Geräusche sind. Blinde Kinder können meist sogenannte „Distanzgeräusche“ (z.B. das Klingeln eines Telefons) hören und unterscheiden. Wenn sie ein solches Geräusch gern haben, können sie es trotzdem nicht selbst wiederholen. Sie müssen warten, bis es zufällig wieder ertönt. Auf diese Weise werden die Kinder zu guten passiven Zuhörern, aber sie lernen nicht, dass sie selbst etwas tun können, um ihre Umwelt zu kontrollieren. Das hier beschriebene Konzept basiert deshalb auf der Idee, dass die Kinder lernen, Geräusche selbst zu erzeugen und interessante zu wiederholen. Nur wenn das Kind genügend Erfahrungen mit „Nahgeräuschen“ gemacht hat, mit Geräuschen also, die es selbst produzieren und beliebig wiederholen kann, wird es sich zu einem aktiven Zuhörer entwickeln. Alle von L. Nielsen entwickelten Materialien haben das Ziel, die Eigenaktivität des Kindes zu wecken und zu fördern. Wenn das Kind mit Hilfe der Resonanzplatte gelernt hat, dass es nach Objekten suchen kann, muss man ihm immer eine entsprechende Erfolgschance bieten. Deshalb sollten in der Nähe des Kindes nicht nur einige wenige Gegenstände liegen, sondern mindestens zwei oder drei Dutzend. Auf diese Weise wird jeder einzelne Versuch, nach etwas zu suchen, mit Sicherheit zum Erfolg führen. Diese Erfahrungen steigern die Aktivität des Kindes. Es wird nach einiger Zeit nicht mehr ständig einen erwachsenen Helfer benötigen, um aktiv zu sein. Dies bedeutet nicht, dass das Kind keine Spielaktivität gemeinsam mit einem Erwachsenen braucht. Durch eine Bezugsperson kann das Kind verbale Förderung Information über sein Tun, die Gegenstände, mit denen es handelt und die damit verbundenen Geräusche erhalten. Die anregungsreiche und die entwicklungsfördernde Umwelt macht Lehrerinnen und Lehrer keineswegs überflüssig. Jedes Kind muss in der Begegnung mit dem Lehrer/der Lehrerin erfahren, dass es mit allem, was es tut, akzeptiert wird. Es braucht menschliches Echo, Kommunikation mit den Bezugspersonen und anderen Kindern. Nielsen ist es vor allem wichtig, das Kind aus seiner Passivität herauszuführen, indem eine Umgebung geschaffen wird, in der sich das Kind weitgehend selbsständig entwickeln kann. Bei all ihren Überlegungen ging es Lilli Nielsen nie um ein einseitiges Funktionstraining, sondern sie wollte die Ich-Identität des Kindes fördern. Ihre Vorschläge setzten voraus, dass die Erzieherinnen und Erzieher die Gefühle, Wünsche und Besonderheiten der ihnen anvertrauten Kinder beachten und respektieren. Es gilt, die Eigenständigkeit eines jeden Kindes anzuerkennen und zu unterstützen. Das Kind soll sich selbst als aktive Person erleben und nicht nur die Erfahrung „helfender Hände“ machen. Die eigene Beteiligung soll dem Kind bewusst werden. Die Lernangebote müssen deshalb so gestaltet sein, dass selbständiges Lernen ermöglicht wird. Dafür sind Wahlmöglichkeiten einzuplanen. Auf diese Weise lernt das Kind, eigene Entscheidungen zu treffen. Die hier beschriebene Entwicklungsförderung geht von einer ganzheitlichen Betrachtungsweise aus, die dem Kind mit schwerer mehrfacher Behinderung Raum läßt, seine eigene subjektive Seins- und Erlebnisweise, seine eigene Handlungsvollzüge zu verwirklichen. Pädagogische Interventionen erfolgen im Sinne einer Anregung der Begegnung mit der Umwelt, wobei immer das Kind mit seinen ganz individuellen Bedürfnissen den Weg weist. Vertrauen in die Entwicklungsmöglichkeiten des Kindes ist die Grundlage der Arbeit. Wichtig für den Erfolg ist die Haltung, mit der hier den Kindern begegnet wird. Die Achtung vor dem Individuum und die besondere Wertschätzung jedes einzelnen Kindes sind das eigentliche Geheimnis des Erfolges. Zur Unterstützung dieser Ziele entwickelte Lilli Nielsen im Laufe ihrer Arbeit viele verschiedene Fördermaterialien, wie z.B. den „Kleinen Raum“. Dieser soll blinde und mehrfachbehinderte Kinder unterstützen eine Vorstellung vom Raum zu erwerben. Es soll Anregungen erhalten, aktiv zu werden. In ihren vielen Büchern beschreibt L. Nielsen sehr anschaulich und mit vielen Beispielen ausgeschmückt, ihre Konzepte. (Literaturliste im Anhang) Förderung 6. Wer nicht sprechen kann, hat scheinbar nichts zu sagen! Viele unserer Kinder, die sehbehindert oder blind sind, haben Mehrfachbehinderungen. Das entspricht einem weltweiten Trend, wonach 60% mehrfache Behinderungen haben. 67 Kinder pro Hunderttausend sind schwerst mehrfachbehindert sehgeschädigt, in einem basalen Entwicklungsstadium wie ein Baby mit etwa 6 Monaten. Natürlich können diese Kinder nicht sprechen. Sie können aber über andere Kanälen kommunizieren. Dies erfordert, dass die Umwelt in der Lage ist, entsprechend zu reagieren. Uns ist das Thema Kommunikationsförderung für „nonverbale“ Menschen in den letzten Jahren sehr wichtig geworden. In Amerika oder auch in Deutschland hat man dieser Entwicklung durch eigene Beratungsstellen und Betreuer Rechnung getragen. Was bedeutet Kommunikation? Der Wortstamm aus dem Lateinischen „communicare“, bedeutet „etwas gemeinsam machen machen, Anteil nehmen“. Kommunikation ist kein einseitiger Vorgang von einem aktiven Sender zu einem passiven Empfänger, sondern ein Prozess zwischen gleichermaßen beteiligten Partnern. Nicht-sprechen-können beinhaltet: 1 Reduzierte Information über Gefühle, Personen, Orte, Bedingungen, nähere Begleitumstände, Gründe, Zwecke 1 Kaum Informationen über Zeitabläufe zu bekommen 1 Reduzierte Erfahrung vom Verstanden werden, von Umweltbeeinflussung und Lebensgestaltung und von Selbstdarstellung 1 Erfahrungen von extremer Abhängigkeit und Ausgeliefertsein. Menschen ohne Lautsprache können mit uns über viele Kommunikationskanäle kommunizieren. Blickverhalten Tätigkeiten verbale und vokale Äußerungen Gebärden Körperbewegungen Mimik Gestik Handbewegungen Atmung, Körpertemperatur, die Muskelspannung und die Körperhaltung können einen Hinweis auf die Befindlichkeit geben oder Bedürfnisse zeigen. Wichtig ist zu beobachten, zu reagieren und Zeit zu haben für das Kind. Förderung Kommunikationsfunktionen: Damit ist die Wirkung oder die Absicht gemeint, die hinter dem sichtbaren Verhalten einer Person steht. Besonders wichtig sind 1 das Verlangen nach Aufmerksamkeit 1 der Ausdruck von Gefühlen 1 der Ausdruck von Protest und von Informationen 1 das Geben von Antworten Kommunikation hat vor allem zwei Aspekte: Verstehen und Sich - Mitteilen „Verstanden zu werden ist die heilsamste Erfahrung, die jemand mit anderen machen kann.“ „Kinder brauchen Mittel, dass sie sich äußern können, und nicht Mittel, dass sie funktionieren.“ Ein Dialog besteht aus: 1 angesprochen werden 1 verstehen 1 antworten können Bei den Kommunikationsmöglichkeiten eines Kindes ist zu klären: Input: Was wird verstanden? Kann gesprochene Sprache verstanden werden? Output: Welche Möglichkeiten stehen zur Verfügung , um sich mitzuteilen? z.B. Ein Kind mit spastischen Lähmungen versteht gesprochene Sprache, besonders, wenn sie durch Gebärden unterstützt wird. Durch die spastische Lähmung kann das Kind meist nicht selbst verständlich sprechen, es ist aber auch die Motorik der Hände meist so beeinträchtigt, dass es selbst keine Gebärden einsetzen kann. Die größte Herausforderung liegt für uns darin, Methoden zu entwickeln und Mittel zu finden, dass sich ein Kind ausdrücken lernt und in der Umwelt etwas bewirken kann. In diesem Fall soll das Kind lernen, sich durch Bilder, Symbole, gedruckte Wörter oder mit der Hilfe eines technischen Kommunikationsgeräts mitzuteilen. Ein Kind kann verschiedene Systeme verwenden. Die Programme in der Sehschulung zielen darauf, Bilder zu erkennen. Bei entsprechendem Entwicklungsstand und Sehvermögen kann das Kind durch Verwenden von Bildern anzeigen was es will. Es gibt Systeme, die sogar „ein Sprechen“ in Sätzen durch mobile technische Kommunikationsgeräte ermöglichen. Die bebilderten Tastfelder (auch durch taktile Symbole belegbar) können mit Wörtern und Sätzen programmiert werden, die man auf Förderung das Kind individuell abstimmen kann. Drückt das Kind das Feld für die Mitteilung „Ich habe Durst“, ertönt die Sprachausgabe. Es müssen jedoch die Voraussetzungen auf kognitiver und emotionaler Ebene vorhanden sein. Kommunikation mit Worten läuft auf einer Symbolebene ab. Um auf eine Symbolebene zu kommen, wurde für Kinder, die nicht sehen können, die Arbeit mit Bezugsobjekten entwickelt. Bezugsobjekte haben eine bestimmte Bedeutung, die ihnen zugewiesen wird. (Das kann auch sehr individuell sein.) Sie stehen für etwas, so ungefähr, wie Wörter für etwas stehen. Sie können verwendet werden für Aktivitäten: trinken, essen, schwimmen, Musik hören, .... für Orte: Klassenzimmer, zu Hause für Leute: die Hand mit Armband steht für die Person, die es immer trägt, z.B. Frau Lehrerin Diese Bezugsobjekte werden in einer gefächerten Kiste verwendet oder hängen auf einem bestimmten Platz. Für das Kind werden Dinge, Ereignisse und Personen, die erwartet werden, als Symbole in die Kiste gegeben. Es kann also vorausblicken und sich auf Künftiges einstellen. Umgekehrt hat das Kind die Möglichkeit, durch Verwenden bestimmter Gegenstände den Wunsch auszudrücken, z.B. etwas zu essen zu bekommen oder ins Bad zu wollen. Bezugsobjekte stehen im großen Feld Kommunikation, als Möglichkeit des Selbstausdrückens im taktilen Bereich. In der Folge werden die wirklichen Gegenstände durch verkleinerte Symbole ersetzt und später überhaupt durch tastbare Abbildungen, die je nach Möglichkeit des Kindes, zur Blindenschrift weiterentwickelt werden können. Wenn das Kind verschiedene tastbare Formen bereits gut erkennt, können diese auch auf einem Kommunikationsgerät, das mit Stimme arbeitet, angebracht werden. Jene Kinder, die nicht tasten können, haben die Chance, mit einem akustischen Scanning auf das gewünschte Wort zu treffen. Akustisches Scanning bedeutet: Das Sprachausgabegerät wiederholt alle programmierten Wörter solange, bis das Kind durch einen Tastendruck ein Wort auswählt. Voraussetzung für die Arbeit mit Bezugsobjekten: 1 1 1 Die Fähigkeit, Dinge durch Tasten zu erkennen Verständnis, dass ein Objekt etwas bedeuten kann Eine gewisse Erinnerungsfähigkeit Förderung Für die Kommunikation, bzw. den Kontakt mit Menschen ohne Lautsprache können folgende Grundregeln formuliert werden: Warten lernen: Ein Mensch ohne Lautsprache braucht mehr Zeit für seine Äußerung! Das Thema suchen: Geduldig nachfragen, assoziieren und zusammenfassen. Empathisch wahrnehmen: Das Grundanliegen mit dem Herzen verstehen und alle Kommunikationsformen akzeptieren. Nichtverstehen signalisieren: Unklarheiten benennen und gemeinsam nach alternativen Ausdrucksmöglichkeiten suchen. Regelmäßige Bestätigung: Durch Fragen regelmäßig überprüfen, ob wir das Anliegen richtig verstanden haben. Das Zusammenleben und Unterrichten von Kindern mit Sehproblemen ohne Lautsprache erfordert viel Einfühlungsvermögen und Geduld. Geduld, die man auch mit sich selber haben muss, wenn Fortschritte nicht so schnell erkennbar sind. Eine große Herausforderung. Förderung 7. Bits, Bytes & Co(mputer) Durchdachte didaktische und methodische Überlegungen in Förderplänen und die Möglichkeiten des Einsatzes von elektronischen Hilfsmitteln bieten ein großes Spektrum von Maßnahmen zur Förderung von Wahrnehmungs- und lebenspraktischen Bereichen bei mehrfachbehinderten Kindern. Die Technologisierung ermöglicht zunehmend bei entsprechenden Kenntnissen die individuelle Adaptierung der Computer sowohl im Hardware - als auch im Softwarebereich. Spezielle Tastaturen, Schalter und Sensoren, verschiedene Joysticks, Programme, die in Kontrastfarben gestaltbar und akustisch unterstützt arbeiten, große Monitore, Bildschirmtastatursimulationen in Verbindung mit Vergrößerungsprogrammen und Kommunikationsgeräte, die akustisches Scanning anbieten, sind technische Voraussetzungen, die die Arbeit mit elektronischen Hilfsmitteln ermöglichen, bzw. erleichtern sollen. Bei schwerst mehrfachbehinderten Kindern kann die Kommunikation und die Wahrnehmungsorganisation unterstützt werden. Der Einsatz des Computers stellt nur eine Ergänzung im Rahmen der Gesamtförderung dar. Training mit dem Schalter Schalter und Sensoren unterschiedlichster Bauart eignen sich, das Prinzip von Ursache und Wirkung zu erfahren. Die gezielte Anwendung eines Eingabegerätes ist die Grundvoraussetzung für die Bedienung eines Computers oder eines Kommunikationsgerätes. Die Übungen dazu sollen in spielerischer Form geschehen. In der Anfangsphase darf das Kind keine negativen Erfahrung mit dem Hilfsmittel machen und sich durch das Schaltertraining an den Bewegungsablauf gewöhnen. Bei einer Reihe kleiner Spiele im dreidimensionalen Raum kann das Kind eine Wenn-Dann-Erfahrung machen und sich als Verursacher der Handlung erleben. Als Training eignet sich das selbstständige An- und Ausschalten eines Kassettenrecorders, eines Lichts, das Spielen mit einer elektrischen Eisenbahn, die auf Schalterdruck losfährt und anhält, oder mit speziell adaptierten Lichtkästen, wo das Kind optische und akustische Signale steuert und dabei zum ersten Mal mit der Scanningmethode konfrontiert ist. Eingabegeräte müssen der Behinderung individuell angepasst werden. Es eignen sich dafür robuste Flächenschalter, Näherungssensoren, Saug-, Blassensoren, Schalter mit einstellbarer Betätigungskraft, u.s.w. Bei schwerer motorischer Beeinträchtigung können diese auch als Computereingabegeräte verwendet werden. Förderung Das anfängliche Training in der Dreidimensionalität ist die Voraussetzung für die Arbeit im zweidimensionalen Raum, die Arbeit mit dem Computer. Eine weitere Voraussetzung ist die optimale Zusammenstellung der Computerkonfiguration – großer Monitor, leistungsfähige Grafikkarte, akustische Unterstützung der Programme, sorgfältig und richtig gewähltes Eingabegerät. Der weitere methodisch didaktische Aufbau wird sich je nach kognitiver Leistungsfähigkeit in Richtung Erlernen der Kulturtechniken oder Wahrnehmungsschulung mit dem Schwerpunkt Lebenspraxis und Symbolkommunikationsaufbau und Training des akustischen Scannings orientieren. Schreiben und Rechnen Neben den gängigen Textverarbeitungsprogrammen gibt es speziell entwickelte Software, mit denen man ein Schreib- und Rechenheft simulieren kann. Diese Programme sind besonders vielfältig adaptier- editier- und in Modulen erweiterbar. Sie sind mit einer integrierten Sprachausgabe ausgestattet. Zur Unterstützung von sehbehinderten Kindern können nicht nur geschriebene Texte, sondern auch die Meldungen des Programmes über die Sprachausgabe ausgegeben werden, die Farbe, die Schrift und die Größe des Textes sind frei wählbar. Tasten und Tastenkombinationen können mit eigen Texten belegt werden, häufig verwendete Texte sind dadurch schnell aufrufbar. Die Rechenheftfunktion ermöglicht das Schreiben von Rechnungen am Bildschirm in gleicher Weise wie auf dem Papier. Diese Schreibprogramme sind mit allen Eingabegeräten verwendbar. Das Tastatursimulationsmodul ermöglicht das Schreiben mit einfachen Schaltern, Joysticks und Maussimulatoren. Großfeldund Folientastaturen (Conceptkeyboard, Intellikeys) für sehbehinderte Kinder mit geringen motorischen Einschränkungen können als Eingabegeräte verwendet werden. Wahrnehmung Es gibt Lern- und Fördersoftware für Kinder, die nicht über die Schriftsprache verfügen, deren Wahrnehmungsorganisation merklich eingeschränkt ist und deren Motorik und Sehvermögen stark beeinträchtigt ist. Sie trainieren dabei die Konzentration, die Reaktionsfähigkeit und nach Möglichkeit auch die optische Differenzierung. Kommunikation Bei Schülern, die nicht sprechen können, schwerst körperbehindert und blind bzw. hochgradig sehbehindert sind, wird sich der Schwerpunkt im lebenspraktischen Lernen auf den Aufbau eines Kommunikationssystemes Förderung verlegen. Es wird sich die Frage stellen: Wie muss ein elektronisches Kommunikationsgerät beschaffen sein, damit es den Anforderungen entspricht? Symbole können nicht ausgewählt werden. Die Auswahl selbst ist nur mit Hilfe der Bedienung eines Schalters möglich – beide Forderungen führen zwangsläufig zum akustischen Scanning. Die Auswahl muss über das Hören, also akustisch erfolgen. Beispiel: Im eingestellten Takt (z.B. drei Sekunden) sind Stichworte zu hören. Nach dem Schalterdruck oder dem Sensorklick erfolgt die Aussage eines Satzes, die zum letzen Stichwort gehört. Die Stichworte sind nur für den Benutzer bestimmt und werden deshalb über einen Ohrhörer ausgegeben. Wie bei allen digitalen Kommunikationsgeräten (natürliche Sprachausgabe) gilt auch hier: Das beste Gerät taugt nichts für den Benutzer, wenn sich niemand mit großer Bereitschaft und viel Einfühlungsvermögen um das passende Vokabular kümmert. SD Hannes Liegle, Direktor an der Körperbehindertenschule in Salzburg Förderung 8. Orientierung und Mobilität Ziel des Unterrichts in O&M ist es, auch einem mehrfachbehinderten sehbehinderten oder blinden Kind eine individuelle Selbstständigkeit in der Bewältigung eines Weges zu ermöglichen. Dafür sind oft speziell angepasste Hilfsmittel notwendig. Nicht alle Kinder schaffen es, mit dem Langstock zurechtzukommen. Mitunter sind alternative Mobilitätshilfen wie z.B. ein Therapiewagerl, Kinder- oder Puppenwagen oder ein Sessel dafür geeignet, um gesichert einen Weg gehen und rechtzeitig Hindernisse wahrnehmen zu können. Als wesentliche Voraussetzung für einen effektiven Mobilitätsunterricht gilt die Motivation des Schülers. Gelingt es, eine gute Beziehung und ein entsprechendes Vertrauensverhältnis zwischen Mobilitätslehrer und Kind aufzubauen, so können oft scheinbar unerreichbare Ziele erreicht werden. Orientierung & Mobilität beginnt nicht erst mit dem Gehen mit dem weißen Stock, sondern dies umfasst viel mehr und fängt ab dem frühesten Alter an. Bereits im Gitterbett, im Kinderwagen, am Arm der Mutter wird dem Kind bewusst, wo es sich befindet und welche Erfahrungen und Erwartungen es damit verknüpfen kann. Das Kind orientiert sich: WO BIN ICH? Zu wissen, wo man ist, vermittelt Sicherheit. Auch wenn das Baby noch nicht eigenaktiv seine räumliche Position befriedigend verändern kann, so macht es doch die Erfahrung, dass es verschiedene Orte gibt, die es je nach Bedürfnis erreichen möchte: WOHIN WILL ICH? z.B. auf den Arm der Mutter, des Vaters. Sehr früh lernt ein Kind Strategien zu entwickeln, ein Ziel zu erreichen: WIE KOMME ICH DORTHIN? Durch Schreien, Lächeln, verschiedene Lautäußerungen macht es auf sich aufmerksam und wird schließlich hochgenommen. Diese zentralen Fragen: „Wo bin ich? Wo will ich hin? Wie komme ich dorthin?“ begleiten jeden Menschen, unabhängig ob sehgeschädigt, mehrfach-behindert oder nichtbehindert, zeitlebens. Nichtbehinderte Menschen sind sich dieser Tatsache meist nicht bewusst. Sie lernen es fast nebenbei, sich zu orientieren und mobil zu sein. Für sehbehinderte und blinde Menschen ist die Orientierung & Mobilität mit einem erhöhten Konzentrationsund Kraftaufwand verbunden. Förderung Geht die Sehschädigung mit einer zusätzlichen Behinderung einher, so erhöht sich der Aufwand, um sich orientieren zu können um ein Vielfaches. Die Möglichkeiten der Mobilität sind oft stark eingeschränkt. Wichtige Bausteine im Mobilitätsunterricht sind die Schulung der Körperwahrnehmung und des Körperbewusstseins. Das Kind muss seinen Körper besser kennenlernen, um zu erfahren, was es damit alles machen kann. Oben – unten, vorne – hinten, außen - innen sind Erfahrungen und Positionsbegriffe die in der Orientierung immer wieder Bedeutung erlangen. Unterschiedliche Bewegungserfahrungen verbunden mit Begriffsbildung sind weitere Bausteine für die Mobilität. Vielen geburtsblinden Kindern ist es nicht bewusst, wie sie einzelne Körperteile bewegen können. Was es bedeutet, sich zu bücken, zu drehen, vorwärts, rückwärts, seitwärts zu gehen, zu hüpfen, zu springen, zu stampfen, zu laufen, zu klettern ..., kann spielerisch erarbeitet werden. Aus Angst bewegen sich Kinder oft sehr verkrampft und meiden es, die Knie beim Gehen abzubiegen, obwohl sie motorisch dazu durchaus in der Lage wären. Das selbstständige Treppensteigen ist sehr häufig mit großen Ängsten von Seite der Erwachsenen besetzt, welche sich oft auf die Kinder übertragen. Dass man Stufen sitzend, am Po rutschend und krabbelnd erarbeiten kann um Sicherheit zu gewinnen, wird vielfach zu wenig berücksichtigt. Wurden diese grundlegenden Erfahrungen nicht im Vorschulbereich vermittelt, so ist es in der Schule erforderlich, entsprechende Fortbewegungsmöglichkeiten auf der Stiege nachzuholen. Nur so kann ein sehgeschädigtes Kind Sicherheit beim Bewältigen von Stufen gewinnen. Räume können klein oder groß sein, es können sich darin Hindernisse aber auch Anhaltspunkte für die Orientierung befinden. Ein begrenzter Raum kann eine Kiste sein, in die das Kind gesetzt wird und in welcher es Grenzen und „Mauern“ kennenlernen kann. Aus der Kiste kann es heraussteigen und sich wieder in sie hineinsetzen. Die Kiste kann geschoben werden und an andere Hindernisse im Raum stoßen. Mauern und Möbel können Begrenzungen eines Raumes darstellen, andererseits bieten sie auch manchmal Schutz und Hilfestellungen, wenn man sich daran festhalten oder an ihnen entlang tasten kann. Räume unterscheiden sich: Badezimmer – Fliesen, Waschbecken; Kinderzimmer – Bett, Spielteppich; Küche – viele Kästen und Laden, Esstisch, Herd, Geschirrspüler, Geruch nach Lebensmittel; Klassenzimmer – viele Tische und Sessel, großer Raum; Turnsaal – großer leerer Raum, Schweißgeruch; Förderung Der Schulung aller vorhandenen Sinne wird beim O&M-Unterricht hohe Bedeutung beigemessen. Durch Riechen, Hören, Tasten ist es möglich zu erkennen, wo man sich befindet. Durch den bewussten Einsatz aller Sinne ist es auch möglich, ein angestrebtes Ziel wiederzuerkennen und sich orientieren zu können. Die verschiedenen Bodenbeschaffenheiten sind ein weiteres Lerngebiet für mehrfachbehinderte Kinder. Barfuß oder nur mit Socken kann die Struktur von unterschiedlichen Böden, Teppichen, Asphalt, Beton, Kies, Wiese besser erfahren werden. Kinder gehen manchmal sicher auf dem Asphalt, sobald sie die Wiese spüren, sind sie verunsichert. Die bewusste Unterscheidung des Untergrundes kann eine wertvolle Orientierungshilfe für das sehgeschädigte Kind darstellen. Viele mehrfachbehinderte sehgeschädigte Kinder erreichen nicht jene Selbständigkeit in der Orientierung und Mobilität, die sehgeschädigte Personen ohne zusätzliche Behinderung erreichen können. Sie erleben es aber oft als hilfreich, wenn auch sie frühzeitig die Erfahrung machen können, mit dem Langstock alleine, d.h. ohne Handhaltung eine Strecke zurücklegen zu können. Sie haben die Möglichkeit, der Stimme des Erwachsenen zu folgen und ihr selbstgewähltes Gehtempo zu bestimmen. Unterwegs stoßen sie mit dem Stock auf Hindernisse und Besonderheiten, die ihr Interesse wecken. Sie können innehalten und„nachschauen“ worauf sie mit dem Stock gestoßen sind. Eine perfekte Stocktechnik muss dann zugunsten vieler Erfahrungen, die über den Stock selbst gewonnen werden können, nachrangig bewertet werden. Die Motivation, alleine im Freien gehen zu können, wiegt viele Anstrengungen auf und verstärkt die Bereitschaft, die Umgebung aktiv erleben und sich darin einigermaßen sicher bewegen zu können. Förderung Stets muss beachtet werden, dass die individuellen Möglichkeiten und Einschränkungen von verschiedenen Faktoren jedes einzelnen mehrfachbehinderten sehgeschädigten Kindes abhängen. Der Alltag bietet viele Möglichkeiten, Orientierungserfahrungen bewusster gestalten zu können. Nur wenn ein Kind viele Erfahrungen im „Wo bin ich jetzt?“ gemacht hat, kann es unterschiedliche Ziele „Wohin will ich?“ finden. Die Motivation, ein Ziel zu erreichen, kann ihm helfen, das „Wie komme ich dort hin?“ zu bewältigen. W?W?W? dies sind zentrale Punkte, die für alle Menschen wichtig sind, um sich wohlzufühlen. Im besonderen Maße gilt dies für sehgeschädigte Kinder mit einer Mehrfachbehinderung, da ihre Möglichkeiten, sich zurechtzufinden oft stark reduziert sind. Orientierung bietet Sicherheit. Wir können sehgeschädigte Kinder darin unterstützen, sich im Leben besser zurechtzufinden. Förderung I like to walk with you but . . . 9. Ich möchte mit dir gehen, aber ... Martin Thomas ist Mobilitätslehrer an der RNIB`s Rushton Hall School für mehrfachbehinderte blinde Kinder. Er überlegt hier die Erfahrungen, geführt zu werden, vom Gesichtspunkt des Kindes aus. "Gib mir die Zeit, um bereit zu sein, mit dir zu kommen" Ich möchte wissen, wer kommt, um mich zu führen. Ich möchte deine Stimme meinen Namen sagen hören und wohin du mich bringst. Das heißt, dass ich meine eigene Entscheidung fällen kann, ob ich mit dir komme. Wenn ich irgendwohin gehen muss, sag es mir und frage mich nicht, da ich ansonsten nein sagen könnte, und was machst du dann? Gib mir Zeit, deinen Arm in einer Höhe zu nehmen, die für mich und für dich angenehm ist. Ich würde gerne jedem trauen, mit dem ich gehe, aber manchmal kann ich es nicht. Einige Menschen scheinen mich aus meinem Sessel oder vom Boden zu ziehen, ohne zuerst etwas zu sagen. Ich bevorzuge es vielmehr, die Zeit zu haben, um deinen Arm oder deine Hand zu finden und selbst aus meinem Sitz zu kommen oder nur mit der Hilfe, die nötig ist. "Laß mich mit meiner eigenen Geschwindigkeit gehen, vermeide mich zu ziehen" Denk daran, dass meine Beine nicht so stark und so lang wie deine sind. Ich kann nicht immer so schnell wie du gehen, aber ich werde dennoch weitergezogen. Das heißt, dass ich nicht im Gleichgewicht bin oder dass ich mir Sorgen mache, hinzufallen oder dass du plötzlich fortgehst. Wenn du mich ziehst, ist alles, an was ich denken kann, wie müde ich werde und nicht, wohin ich gehe. Bitte sag mir, wohin ich gehe und was mir auf dem Weg begegnet. "Schiebe mich niemals von hinten" Schiebe mich nicht von hinten. Es verleiht mir ein Gefühl, als ob ich etwas falsch gemacht habe oder dass ich nicht gewollt bin. Ich denke auch, dass ich nach vorne fallen könnte. Förderung "Lass mich dir helfen, die Türen zu öffnen oder zu schließen." Ich kann Türen öffnen und schließen. Lass mich den Türgriff finden oder lass mich die Tür aufschieben und hinter mir schließen. Ich möchte dir gerne helfen, und ich höre dich gerne Danke sagen. Manchmal, wenn ich allein zu meinem Klassenraum oder Aufenthaltsraum gehe, verwirrst du mich, indem du mich plötzlich dorthin bringst, wo du denkst, dass ich hingehe. Halt ein und denke, vielleicht horche ich gerade oder fühle nach Anhaltspunkten, die mir helfen werden, selbst dorthin zu kommen. Manchmal wünsche ich mir, du würdest mich mehr selbst machen lassen, aber bleib nah bei mir, weil ich dich vielleicht brauche, um mich zu bestärken oder Dinge zu erklären, die mich beunruhigen. Wenn du mich in Gefahr siehst, sage zuerst meinen Namen, um mich dann ruhig zu stoppen oder stillstehen zu heißen. Denk daran, dass ich mich verirre, wenn ich die Wand verlasse, die ich mit Absicht verfolge. Alle blinden Menschen verirren sich manchmal. Wenn ich mich verirre, jammere und schimpfe nicht, weil ich mich dann zornig oder schuldig fühlen kann. "Wenn du mich verlässt, vermeide, mich mitten im offenen Raum allein zu lassen." Bitte, verlass mich nicht im Raum. Ich möchte neben irgend etwas stehen; das hilft mir, mich sicher zu fühlen. "Zieh ab und zu meine Schuhe an" Meine Welt ist nicht die gleiche wie deine. Es könnte mir helfen, wenn du dich ab und zu in meine Schuhe stellst. Vielleicht erkennst du dann, welche Unterschiede es gibt. Wenn du es einmal weißt, kannst du mir helfen, mehr Sinn aus meiner Welt zu machen. Versuche von jenen, die mich gut kennen, herauszufinden, wieviel ich sehe, höre und unterstütze mich ohne deine direkte Hilfe. Das wird dir helfen, meine Reise mit dir bedeutungsvoller zu machen. Wenn ich in meinem Rollstuhl bin, neigen die Leute dazu, die Türen zu öffnen oder zu schließen, indem sie den Rollstuhl dagegen stoßen. Ich verdiene eine bessere Behandlung als diese und außerdem erschrecke ich darüber. Förderung Wenn ich mit dem Rollstuhl geführt werde, werde ich verwirrt, denn ich erwarte, irgendwo gedreht zu werden, aber die Leute schneiden die "Ecken" so, dass ich nie sicher bin, wohin ich gehe, bis ich dort bin. Wenn du mit 90° Grad um die Ecke fährst, dann nehme ich zwangsläufig wahr, wohin ich gehe. Viele Menschen sind viel größer als ich, wenn sie mich in meinem Stuhl schieben, und ich kann nicht immer hören, was sie mir sagen, besonders wenn viele Geräusche rundherum sind. Wenn du dich zu mir herunterbeugst, dann kann ich dich viel klarer hören. Ich fühle gerne deine Hand auf meiner Schulter. Es erhöht den körperlichen Kontakt zwischen uns beiden." Weil ich viel Zeit im Rollstuhl verbringe oder mit meinem Rollator gehe, habe ich wenig freundlichen Kontakt, wenn ich in der Schule unterwegs bin. Ich fühle gerne deine Hand auf meiner Schulter, wenn wir zusammengehen. Außerdem, halten alle meine Freunde, die gehen können, immer deine Hand! und abschließend Denk daran, dass du Augen hast! Schau, wohin wir beide gehen und gib mir bitte genug Platz. Ich weiß, dass ich mit meinem Kopf oftmals in meinem Leben anstoßen werde, aber ich möchte darauf vertrauen, dass, wenn ich mit dir bin, das nicht der Fall ist. Ich freue mich, von Menschen geführt zu werden, die mit mir gehen möchten, aber bitte, denk daran, ich bin blind! Übersetzt aus dem Englischen von O&M-Trainer Franz Nagel, Odilieninstitut, Graz Förderung 10. Lebenspraktische Fertigkeiten Das Ausmaß der Mehrfachbehinderung beeinflusst sehr stark die Möglichkeiten und Grenzen beim Erwerb der Selbstständigkeit im Erlernen von Alltagsfertigkeiten (z.B. Körperpflege, Essen, An- und Ausziehen, ...). Sehbehinderte oder blinde Kinder, die geistig behindert sind, jedoch motorisch kaum Einschränkungen haben, können Fertigkeiten erwerben, um ihren Alltag in Teilbereichen selbstbestimmt mitzugestalten. Als Beispiel sei die Problematik des Essens angeführt: Manche mehrfachbehinderte Kinder haben enorme Schwierigkeiten feste Speisen zu sich zu nehmen, da sie nicht richtig beißen und kauen können. Die Gründe dafür können vielfältig sein und sollen medizinisch abgeklärt bzw. mit einer Logopädin erörtert werden. Einige Impulse aus der Sicht einer LPF-Lehrerin sollen Denkanstöße für die Arbeit im lebenspraktischen Bereich geben: Das Erlernen des selbstständigen Essens erfordert besonders bei mehrfachbehinderten sehgeschädigten Kindern viel Zeit, Einfühlungsvermögen, Motivation, Kreativität und Flexibilität. Das Experimentieren mit Lebensmitteln ist dabei sehr wichtig. „Mit dem Essen spielt man nicht“ - dieser Ansatz ist nicht zielführend. Ein sehgeschädigtes mehrfachbehindertes Kind, welches mit dem Beißen und Kauen Probleme hat, kann z.B. über Geräusche, die beim Kauen entstehen, motiviert werden verschiedene Lebensmittel zu zerbeißen und dabei auf die unterschiedlichen selbst produzierten Höreindrücke achten. Beim „Üben“ und „Spielen“ müssen die Lebensmittel nicht gegessen werden, wichtig sind zunächst Beiß- und Kaugeräusche. Die zerkauten Speisen dürfen ausgespuckt werden. Der Hinweis auf die unterschiedlichen Geräusche, wenn man ein Stück Karotte, Gurke, Soletti, Grissini, .... zerbeißt und kaut, muss stets gegeben werden. Eine Kassettenaufnahme beim Produzieren der Laute und das gemeinsame Anhören der Beiß- und Kauaktivitäten kann die Motivation enorm erhöhen. Ein Kausäckchen oder Kauschlauch kann hilfreich sein (Absprache mit MundEsstherapeutin). Aus dem fast übertriebenen „Kauen“ und Zerkleinern der Speisen mit dem Schwerpunkt des Hörens kann die Bestätigung des Könnens einer Fertigkeit und der Versuch dieses Können in den Alltag zu integrieren entstehen. Förderung Während sich ein Kind mit dem Kauen abmüht, ist der Grad der Autonomie bei einem anderen dann erreicht, wenn es alleine mit dem Löffel essen kann. Bei manchen Kindern kann erreicht werden, dass sie mit Messer und Gabel Speisen aufschieben und dann essen, ohne zu patzen. In vielen Fällen kann nicht eine völlige, sondern lediglich eine partielle Selbstständigkeit im Alltag erreicht werden. Bei einem Kind kann es bereits als Riesenschritt bezeichnet werden, wenn das Kind beim An- und Ausziehen mithilft, indem es die Arme hebt, aus dem Ärmel herauszieht usw., bei einem anderen Kind ist die persönliche Selbstständigkeit dann erreicht, wenn es alleine die Jacke oder den Pullover aus- oder anziehen kann. Der Bereich „Lebenspraktische Fertigkeiten“ umfasst ein sehr breites Spektrum, da darin alle Lebensbereiche wieder zu finden sind. Variationsreiche Übungsangebote müssen auf die individuellen Vorlieben und vorhandenen Stärken eines Kindes abgestimmt werden. Lebenspraktische Fertigkeiten sollten in speziell dafür vorgesehenen Zeiten angeboten, geübt und dann natürlich in den Alltag integriert werden. Der Hunger ist zwar der beste Koch, aber gewiss keine gute Voraussetzung für das Erlernen des selbstständigen Essens. Zahlreich sind die Möglichkeiten, lebenspraktische Fertigkeiten zu erlernen, den Inhalten sind wenig Grenzen gesetzt. Der Grad der Behinderung bestimmt den Bereich des Machbaren. Beim Erarbeiten von Alltagsfertigkeiten ist die Beziehung zwischen Lehrer/in und dem mehrfachbehinderten sehgeschädigten Kind besonders wichtig. Ein wesentlicher Faktor für das Gelingen von partieller Unabhängigkeit ist die Bereitschaft der Umgebung, besonders der Familie, dies zu unterstützen. Wenn Selbstständigkeit und eine Unabhängigkeit in Teilbereichen nicht gefördert und gefordert werden, sehen die Kinder keine Veranlassung, alleine etwas zu tun. Mühsam erlernte Fähigkeiten gehen verloren, wenn sie nicht täglich wiederholt werden. Die Selbstständigkeit des Kindes muss ins Lebenskonzept der Familie passen, damit es größtmögliche Unabhängigkeit erreichen kann. Förderung 11. Wichtige Helfer Der Schulalltag bei Kindern mit erhöhtem Förderbedarf wird in der Regel von mehreren Erwachsenen gestaltet. Dadurch unterscheidet sich der Unterricht in Integrations- und Sonderschulklassen grundsätzlich von der Ein-LehrerKlasse. Das Teamteaching wird oft durch die Arbeit von Betreuungspersonen ergänzt. In der Realität ist die Situation dieser Personen von Bundesland zu Bundesland, ja von Gemeinde zu Gemeinde sehr unterschiedlich. Der Status und die Funktion sind nicht klar definiert, die Ausbildung variiert von Berufsfremden bis Behindertenfachbetreuer oder LehrerInnen. Die Bezahlung und dienstrechtliche Stellung sind abhängig vom Arbeitgeber. Deshalb differieren auch die ausgeübten Funktionen und Verantwortungen in der Klasse. Manche Betreuungspersonen erfüllen rein pflegerische Dienste oder Aufsichtsfunktionen, andere übernehmen beinahe Aufgaben von Therapeuten und Lehrern. Im Idealfall ergänzen sich LehrerInnen und Betreuungspersonen und nehmen gemeinsam den Bildungsauftrag wahr. Im Lernteam (alle Erwachsenen einer Klasse) werden individuelle Förderpläne erarbeitet, gemeinsame Ziele formuliert, methodische Ansätze abgesprochen sowie Kompetenzen und Funktionen geklärt. Dabei können die Aufgabenfelder immer wieder wechseln. Die Überprüfung der eigenen Arbeit und die Formulierung neuer Ziele finden in regelmäßigen Zeitabständen statt. Das gegenseitige Feedback soll eine Verhaltenskorrektur ermöglichen, ist aber auch eine große Chance zur Stärkung der Psychohygiene. (siehe „Projektorientierter Unterricht...“ S. ...) Für Lehrer ergibt sich durch diese Konstellation neben der Veränderung in der Klasse eine Erweiterung der Aufgaben: Leitung eines Teams, Koordination unterschiedlicher Tätigkeiten, Organisation von Fortbildung und Moderation von Treffen. Förderung 12. „Alle Hände voll zu tun“ Ein Tag im Leben einer Betreuungsperson 7,10 Uhr: Auf dem Weg in die Schule. In meinem Alter.(Fast 40, aber nur fast). Hätt nicht gedacht, dass mir das Freude bereitet. Mein dritter Beruf – zum Unterschied von meinen Partnern aus dem Lehrberuf. Vielleicht ein Vorteil. Denke oft an die Anfänge zurück. War nicht so einfach. Die berufsbegleitende Ausbildung war toll. 7,30 Uhr: Dienstbeginn. 40 Stunden – Woche. Auch das ein Unterschied zu den Lehrern. Manchmal Minutenklauberei. Kurzbesprechung mit Schulleiter und Rita (Klassenlehrerin). Material soll angekauft werden – aber welches? (Ich werde gefragt!!!)Termin für Besprechung ausmachen. Jugendamt möchte Informationen über Oliver – wegen Computer. Machen wir da auch gleich gemeinsam 7,35 Uhr: Lena wird gebracht. Man hört’s. Dieses immer stärker werdende Schreien muss doch einen Grund haben? Aber welchen? Frage notieren. Kurzes Gespräch mit der Mutter. Hat’s eilig. Termin an der Neuro steht. Ob ich wohl mitfahren kann? Rückfrage beim Chef. Geht klar. 7,45 Uhr: Schulbus kommt. Rita nimmt Lena. Ich hole Oliver. „Oli mit Roli“ sagt Bernd. Wie jeden Tag. Seit Schulbeginn. Könnte dem Chef an die Gurgel, weil ihm dieser Satz ausgerutscht ist. 8,00 Uhr: „Sitzen“ im Morgenkreis- d. h.: Oliver im Rollstuhl, Lena auf mir, Michi auf Rita, Bernd am Sessel und Gerd am Boden. Wollen beruhigende Musik hören. Lena schreit immer lauter. Wird heut nichts. Gehe mit ihr in unser Ruhe- Eck. Lege sie auf die Matte. Streicheln. Ruhig erzählen. Wird ruhiger. Rita meint, vielleicht ist Schreien nur Echo auf den Wirbel und den Stress, den sie am Morgen hat. Könnte was dran sein. 8,45 Uhr: Sehbehindertenlehrer kommt. Nimmt mir Lena ab. Kann bei der Besprechung dabei sein. Gibt mir eine Zusammenstellung mit Übungen für Lena. Scheint was wert zu sein. Förderung 9,10 Uhr: Bernd hat in die Hose gemacht. Zu spät gemerkt. Ich übernehme das Putzen. Rita versucht mit Oliver zu essen. 9,40 Uhr: Lena hat sich beruhigt. So sehr, dass sie eingeschlafen ist. Irgend etwas stimmt doch mit dem Kind nicht! Wir sind ratlos! 10,00 Uhr: Pause. Gehe mit Oliver und Bernd in den Hof. Michi wurde geschubst. Weint zum Herzzereissen. Rita umarmt ihn. Drama beendet. 10,30 Uhr: Einkaufen. Gehe mit Michi in den Supermarkt. Geht schon ganz gut. Milch findet er alleine!! 11,30 Uhr: Lena wird abgeholt. Versuche mit Oliver die Sprachübungen. Arbeitet konzentriert. 12,10 Uhr: Textiles Werken. Knüpfe mit Michi am Teppich. Entspannung pur. So lange ich knüpfe und nicht will, dass er es tut. 13,00 Uhr: Schulbus kommt. Haben natürlich wieder einmal vergessen rechtzeitig Schluss zu machen. Bernd behauptet, Oliver habe seine Haube. Oliver ist unschuldig. Sie liegt auf der Matte. Nehme die Schuld auf mich. 13,10 Uhr: Alle sind draußen. Und jetzt einen Kaffee. Frei bis 15 Uhr. Dann Konferenz. Bin immer dabei. Heute geht’s um die Entwicklung eines Schulprofils. Fragestellung an mich: „Welchen Platz haben Betreuungspersonen im System Schule?“ fiktiver Bericht, SD Robert Novakovits Therapeuthische Zugänge 1. Lilly & Gogo go to school Lilly & Gogo ist ein Multimediaprogramm zur Seh- und Wahrnehmungsschulung, das unter Beteiligung einer finnischen Augenärztin, einem Journalisten und Sehbehindertenpädagogen in der Steiermark entstanden ist. Das Programm besteht aus den stark kontrastierenden Puppen Lilly & Gogo in verschiedenen Größen, einem speziellen Video zur Sehschulung, Bilderbüchern, Bildkarten, Dias und einem Computerspielprogramm. Das Programm wurde von der steiermärkischen Landesregierung finanziell gefördert und konnte auf vielen internationalen Kongressen vorgestellt werden z.B. Holland, Finnland, Thailand, Deutschland, Ungarn, Brasilien. Im Schuljahr 1997/98 bekam das SPZ Odilien- Institut einen Innovationspreis auf der Pädagogischen Messe (siehe Kleine Zeitung 1.11.1997), der sich speziell auf diese Programm bezog. Sehr gut lässt sich das Programm und vor allem einzelne Teile davon in der Frühförderung verwenden. Wie verwendet man das Programm in der Schule? Aber auch in den Schulen gibt’s Kinder mit besonderen Bedürfnissen. Viele Kolleginnen arbeiten damit in der integrativen Betreuung mit Kindern, die sehbehindert oder mehrfachbehindert sind. Oft kommt es dann vor, dass es Inhalt für die ganze Sonderschulklasse wird. Im nachstehenden Teil werden Unterrichtsstunden geschildert in denen L & G in ASO-Klassen zur Anwendung kam. Lilly & Gogo helfen beim Lernen von lebenspraktischen Fertigkeiten Als Motivation kann die erste Geschichte des Videos „Lilly zieht sich an“ dienen. Die Kinder sind üblicherweise immer sehr durch die gesehenen Handlung motiviert und möchten selber agieren. Die großen Puppen lassen sich sehr gut anziehen. Wir kommen mit einem Köfferchen voll mit verschiedenen Kleidern und den Puppen an. Die Kinder beginnen die Puppen auszuziehen, den Koffer zu öffnen und neue Kleider zu suchen. Es kann besprochen werden, welche Kleidung gegen Kälte schützt oder wie Körperpflege sein kann. In einem Funktionsspiel können Handlungen aus dem täglichen Leben nachgespielt werden. Therapeuthische Zugänge Wir wissen, dass diese Art zu spielen entwicklungsfördernd ist und auch in der Schule vorkommen soll, wenn die Kinder auf einem bestimmten Entwicklungsstand sind. Bilderbücher Puppen Puppen in verschiedenen Größen Lilly und Gogo spielen mit Farben Zur Einstimmung singen und spielen wir das Lied: „Ich seh´, ich seh´, was du nicht siehst“. Musikkassette Die Kinder haben schon die Geschichten im Video gesehen und spielen gerne mit den Puppen. Diesmal verwenden wir zum ersten Mal die Bilderbücher. Aus einer großen mit Samt überzogenen Schachtel darf Benjamin Farbkarten ziehen und sucht das entsprechende Piktogramm. Kinder und Lehrer sitzen auf dem Boden und haben nun in der Mitte einen großen Haufen einzelner Seiten der fünf Bilderbücher. Die Schüler nehmen sich Seiten vom Stoß und erzählen uns welche Situation sie auf dem Bild sehen. Plötzlich beginnt Georg die roten Seiten auf einen Stoß zu legen. Bald machen die anderen mit. Die Schüler haben verstanden, dass Farbe eine Kategorie sein kann und sich zum Ordnen eignet. Therapeuthische Zugänge Danach ordnet jedes Kind einzeln die Sequenzen des Bilderbuchs. Sie lernen auf die Reihenfolge zu achten und begreifen auch den Zusammenhang zwischen Foto und Abbildung. Lilly & Gogo als Dias und Bildkarten Angelika ist ein 14 jähriges geistigbehindertes Mädchen, das eine Kataraktbrille trägt und an einem Auge eine Lidlähmung hat. Sie kann nicht sprechen, benutzt aber in gewissen Situationen Laute. Sie hat die Eigenheit sich Fäden aus Dingen herauszuzupfen und diese vor dem Auge hin und her zu bewegen. Sie mag die Puppen Lilly & Gogo sehr. Am liebsten zupft sie ihnen ein Wollhaar aus. An diesem Tag machen wir die therapeutisch- funktionellen Übungen im Farbenspielraum der Schule. Wir verdunkeln und schalten das Schwarzlicht ein. Jetzt sieht man die weißen Puppen mit den Kleidern sehr deutlich. Angelika spielt mit den Puppen und bewegt sie vor den Augen hin und her. Ich zeige ein Dia von Lilly als Puppe an der Wand und lasse das Dia durch den ganzen Raum auf die Puppe hingleiten. Angelika lacht laut und freut sich. Offensichtlich hat sie den Zusammenhang zwischen Bild und Puppe erkannt. Als ich ihr die Fotobildkarten anbiete, holt sie sich die entsprechende Karte dazu. Das Ziel in der Arbeit mit Angelika ist soziales Zusammenspiel, das Erkennen von Bildern und das Ausdrücken von Begriffen durch einfache Gesten. Lilly & Gogo ist ein Material, das sie gut kennt und über das wir durch Bildersprache oder mit einfachen Gesten„reden“ können. Dias Bildkarten Computerspiele Mit diesen Situationen verabschieden sich Lilly & Gogo aus dem Schulalltag. Therapeuthische Zugänge 2. Hippotherapie = Reiten als Therapie Hippotherapie ist eine spezielle Form der Heilgymnastik, also eine physiotherapeutische Maßnahme, die ärztlich verordnet und von diplomierten Physiotherapeuten mit Spezialausbildung durchgeführt wird. Die dreidimensionale Bewegung des Pferdes entspricht in ihrem Rhythmus und Ablauf weitgehend der physiologischen Gangbewegung des Menschen. Dazu kommen Beschleunigungs- und Zentrifugalkräfte, die durch die Vorwärtsbewegung und Richtungsänderung des Pferdes ausgelöst werden. Das alles erfordert vom Reiter eine ständige Anpassung an den Bewegungsrhythmus des Pferdes. Hippotherapie stimuliert in eindrucksvoller Weise : 1 die symmetrische Körperhaltung 1 Kopf- und Rumpfaufrichtung 1 Haltungsstabilisation 1 Gleichgewicht und Koordination der Bewegung 1 Normalisierung von abnormer Spannung 1 Rotation und Raumorientierung 1 Sensorische Wahrnehmung Außer der motorischen Verbesserung spielen vor allem die psychischen Faktoren beim Reiten als Therapie eine bedeutende Rolle. Für viele – vor allem mehrfach behinderte Kinder und Jugendliche – ist es ein besonderes Erlebnis, auf dem Rücken des Pferdes getragen zu werden und gleichsam mit dessen Beinen zu gehen. Meist entwickelt sich eine ganz besondere Beziehung zwischen Reiter und Pferd. Hier wird der Mensch so akzeptiert, wie er ist – das Pferd nörgelt nicht, gibt keine Kommentare ab.... Hippotherapie ist mehr als nur reiten, sondern bedeutet 1 sich ganz auf die Bewegung einzulassen und sich „fallen zu lassen“ 1 mitzufühlen und mitzuspüren 1 die Wärme und den Rhythmus des Pferdes zu empfinden und damit den eigenen Körper besser wahrzunehmen Therapeuthische Zugänge 3. „Nicht nur für die Fisch!“ Wasser als Medium zur Erholung und Entspannung, als möglicher Ort für sportliche Betätigung ist heute allgemein anerkannt und jede größere Gemeinde, gar Stadt mit etwas Selbstachtung ist heute bemüht, ihren Bürgerinnen und Bürgern die Wonnen eines beheizbaren Bades auch in der kalten Jahreszeit zu bieten. Weniger bekannt sind die Möglichkeiten, welche sich vielen Menschen mit unterschiedlichen Funktionseinschränkungen durch eine gezielte Nutzung dieser herrlichen Einrichtungen eröffnen würden. Ich werde mich hier auf Kinder mit Körper - und Mehrfachbehinderung beschränken mit einem Schwerpunkt auf einer Einschränkung des Sehens. Zuerst zur Erinnerung ein paar Zeilen über die physikalischen Eigenschaften des Wassers, die wir für unsere Zwecke nutzen können. Das archimedische Prinzip Der Auftrieb eines Körpers ist gleich dem spezifischen Gewicht der von ihm verdrängten Wassermenge. Bei 35° C ist das spezifische Gewicht von Wasser 0,99g/ccm. Das spezifische Gewicht des menschlichen Körpers liegt im Durchschnitt aller Körperteile bei 0,97g/ccm, das heißt, wir sind etwas leichter als Wasser und vorausgesetzt, dass wir unsere Lungen nicht anstatt mit Luft mit Wasser füllen, schwimmen wir obenauf. Wasserdruck Mit zunehmender Wassertiefe nimmt der Druck auf unseren Körper kontinuierlich zu. Das hat positive Auswirkung auf den Kreislauf, schlecht durchblutete Füße zum Beispiel werden besser versorgt. Wärmeleitung Wasser leitet Wärme wesentlich besser als Luft. Daher ist eine relativ hohe Wassertemperatur sehr wichtig. Erst bei ca. 34° C im Wasser können wir unsere Körpertemperatur auch ohne Bewegung halten. Ca. 32° C sind für Kinder mit Bewegungseinschränkungen sind wünschenswert. Flüssigkeitsverlust Bei der relativ hohen Wassertemperatur wird viel Schweiß produziert und ans Wasser abgegeben. Weiters verursacht der Aufenthalt im Wasser eine erhöhte Harnproduktion. Beides zusammen kann zu einem beachtlichen Flüssigkeitsverlust führen, den man besonders bei Kindern mit Ess - und Schluckproblemen nicht übersehen soll. Therapeuthische Zugänge Befinden wir uns dann in diesem Wasser mit 32° fühlen wir uns rundherum wohlig und warm. Aber die Wassertemperatur ist nicht die entscheidende Komponente. Wichtiger beim Aufenthalt im Wasser ist die Tonussenkung. Wir brauchen unseren Tonus (Muskelspannung), um uns entgegen dem Einfluss der Schwerkraft aufrecht halten und bewegen zu können. Diese Grundstimmung begleitet uns während unserer ganzen wachen Zeit. Auch Personen mit Zerebralparese haben eine Grundspannung, die aber oft stark erhöht ist auf Grund einer fehlerhaften Steuerung durch das Gehirn. Im Wasser verlieren wir einen Großteil unseres Gewichts, d.h. in diesem Zusammenhang, dass wir der Schwerkraft kaum ausgesetzt sind. Dadurch braucht das Gehen auch nicht mit Muskelspannung zu antworten. Der Tonus sinkt, was sehr wohltuend für unsere Kinder ist. Diese Veränderung geschieht nach etwa 10 – 15 Minuten im Wasser und bleibt auch noch eine Weile am Land erhalten. Und noch etwas geschieht: Unter dem Einfluss der Schwerkraft bekommt das Gehirn laufend Meldung über den Druck auf alle unsere Gelenke. Dadurch können wir z. B. ohne nachzudenken und nachzusehen gehen. Im Wasser wo die Gelenke kaum noch der Schwerkraft ausgesetzt sind, funktioniert das nicht mehr. Die Meldungen laufen jetzt über die Haut. Fortbewegung erleben wir dabei als höheren Druck in Richtung der Bewegung, niedrigen Druck oder Sog entgegengesetzt. Gerade für SchülerInnen mit Sehbeeinträchtigung ist dies eine angenehme und gute Möglichkeit das ganze Sensorium zu üben und zu erproben. Sollte eine SchülerIn Angst vor dem Wasser haben, ist es wichtig, mit dieser Angst ganz behutsam umzugehen. Es gilt sich im Takt ganz langsam ans Wasser zu gewöhnen. Alles, was ich hier beschrieben habe, sollte man eigentlich zusammenfassen und in einen systematischen Übungsablauf einbauen, nicht wahr? Aber gerade das hat James Mc Millan, ein kanadischer Ingenieur, schon getan und zur Halliwick-Methode entwickelt. In einem 10-Punkte-Programm kann ein/e SchülerIn trotz größter Funktionseinschränkungen zum Schwimmen mit eigenem Schwimmstil kommen. Kurse werden regelmäßig angeboten. Ich kann nur empfehlen eine dieser einwöchigen Fortbildungen zu besuchen. Es wird dann sehr viel einfacher für Sie und Ihre Schüler, die Wohltaten des Wassers auszuschöpfen, denn Wasser ist „nicht nur für die Fisch“! Nähere Auskünfte bekommen sie am Elisabethinum in Axams, Tirol Tel: 05234/68277, Klaus Janes Therapeuthische Zugänge 4. Kom-MUSIK-ation - Ein Weg für Jeden Berichte und Gedanken eines Rhythmus- und Klangtherapeuten Mein Tagesablauf Acht Uhr, zwei Stunden Musiktherapie in einer Sonderschule mit Gruppen die Kinder spielen Klavier und Orgel, es wird getrommelt und dazu gesungen, ein Gongspieler gibt das Tempo für ein Bewegungsspiel vor, und zum Schluss wird auf der Bühne noch eine Szene improvisiert, oder ... Zehn Uhr, zwei Stunden in einem Altersheim, um mit Schlaganfallpatienten zu arbeiten (musizieren) - mit Pulstrommeln (Handtrommeln indianischer Herkunft), Leiern, Gongs, Rasseln und besonders der Stimme versuche ich mit ihnen eine "Rhythmus- und Klangreise" zu erleben und sie dadurch zu Aktivität und Entspannung (im Wechselspiel) anzuregen, oder sie durch Impulse und Anregungen von außen zu mehr Resonanz und innerlichem Hören und Fühlen zu verhelfen und so sich selbst wieder zu entwickeln; ... Nachmittags, in einer Therapiewerkstätte mit blinden und hörgeschädigten Jugendlichen, Spastikern, Autisten und ... versuche ich mit der einen Gruppe zu singen (Volks-, Kinderlieder, Schlager, ...), andere lernen mit mir Instrumente (Flöten, Leier, Gitarre, Klavier, Schlaginstrumente, ...) oder mit der nächsten Gruppe Musikhören, dazu zeichnen oder tanzen; oder mit Basalspielen und Singen (Mantras, ...) die Stimme wecken und finden; ein szenisches Spiel erfinden oder ... Abends noch trommeln mit einer Gruppe rhythmusinteressierter Leute aus allen Berufen gemeinsam mit behinderten Menschen. Diese Vielfalt meiner Arbeit begründet sich aus dem täglichen Versuch, mit allen Menschen, mit denen ich (arbeite) Musik mache, einen Weg zu finden, sie auf die Wurzeln der Musik (Rhythmus und Klang) zurückzuführen. In jedem soll SEINE innere Musikalität geweckt und ausgebaut werden. Es geht darum, für jeden einen Zugang und Weg zu finden, sich in und mit der Musik zu beschäftigen, auszudrücken und zu sich selbst zu finden. Die Wege zur Musik sind grundlegend verschieden, führen aber zu den selben Wurzeln von Hören und Rhythmus, Raum und Zeit, Körper und Seele, Wahrnehmung und Ausdruck: - INAKTIV SEIN (hören und "berieseln"). Für viele ist der erste Schritt überhaupt hinzugehen, sich einzulassen und dabei zu sein und zuzuhören, und zu erfahren, was Puls, Tempo, Rhythmus und Klang ist. Therapeuthische Zugänge 1 NONVERBALE Beschäftigung (Hören und Spielen). Natürliches Kommunizieren zulassen (mit Instrumenten), ohne Sprache und Intellekt (Denken). 1 AKTIV SEIN (Spielen / Musizieren / Improvisieren). Ohne Druck des "Können müssens", dem Erfahren des Chaos und dem Erlernen von Rhythmus sein SELBST finden. Auf diesen Grundlagen kann eben auch mit schwerstbehinderten Menschen musikalisch gearbeitet werden und etwas in Bewegung gebracht werden: Rhythmus beeinflusst Herz und Nervenbahnen, Klänge und Schwingungen kommunizieren mit den Körperorganen und der Atmung. Die Stimme bringt mehr Sauerstoff in den Körper, fördert das Meditative und Unbewusste, Hören fördert auch alle anderen Sinne und ist ein wichtiger Teil der Kommunikation. Meine musiktherapeutische Arbeit soll dem behinderten, kranken, "aus dem Gleichgewicht gebrachten" Menschen wieder einen Weg zeigen sich durch die Beschäftigung mit Rhythmus und Klang, also mit Musik, sich selbst und ihre Umwelt besser wahrzunehmen, sich "ins Lot / in Schwingung zu bringen" und ihre Mitte zu spüren. Musikalisches Gestalten fördert personale Entwicklung und Bewusstsein durch Atmen, Stimme, Bewegung und Puls. Rhythmisches und melodisches Gestalten fördert Aktivierung der Hirntätigkeit, sensomotorische Fähigkeiten, emotionale Ebenen und soziales Verhalten. "KomMUSIKation": Jeder trägt auf Grund embryonaler Erlebnisse das Bedürfnis nach rhythmischer und musikalischer Betätigung in sich, daher auch das Verlangen nach Kult, Zeremonien und Riten (Suche nach Strukturen). Es gibt kein Richtig oder Falsch, sondern nur die Lust nach Ausdruck und das Vertrauen in Eigendynamik mit dem Ziel, sich auszutauschen, sich zu artikulieren und sich wahrzunehmen. Diese Bedürfnisse können in und mit der Musik von jedem Menschen gestillt werden. So bringt jeder Tag für alle, die an dieser, musikalischen Arbeit teilnehmen etwas Neues. Ich freue mich schon auf Morgen. Therapeuthische Zugänge 5. Ist MSE- der neue Schmäh? „Multisensory Environment“ ist ein Eigenname, der dafür steht, dass durch speziell gestaltete Räume die Sinne angeregt werden. Solche Multisensorielle Räume haben in Österreich phantasievolle Namen bekommen: Snoezelenraum (Weißer Raum) Dunkelraum (Dunkel-Licht Raum) Farblicht(t)raum Mirabilis Regenbogenland Sinnesgarten Autonomieraum, ... Manche dieser phantasievollen Begriffe lassen die hohe Begeisterung der InitiatorInnen durchklingen. Nicht nur skeptische DirektorInnen oder KollegInnen mussten überzeugt werden, ein entsprechender Raum und vor allem Sponsoren und Kostenträger mussten gefunden werden. Wo es hohe Begeisterung gibt, gibt es auch harsche Kritik: 1 Es gibt gar keine Umgebung, die nicht in mehr oder weniger starkem Maße alle Sinne anspricht und keine ausgeklügelte Raumtechnik kann Naturerfahrung wettmachen. 1 Oder mit solchen speziellen Ideen wollen sich Sondereinrichtungen aufwerten und Segregation begründen. 1 Oder richtige Stimulation ergibt sich im Alltag und nicht in speziellen Kammerln. Von dort gelernten Fähigkeiten gibt es oft keine Übertragung auf den Alltag. Doch viele LehrerInnen, ErzieherInnen oder FrühbetreuerInnen schätzen die Qualitäten einer solchen vielfach stimulierenden kontrollierbaren Umgebung sehr hoch ein. Viele Begeisterte tun sich aber schwer mit einer Definition sondern illustrieren die Notwendigkeit durch Fallgeschichten einzelner Kinder oder Schülergruppen, die gerade dort bestimmte Fähigkeiten gelernt haben und diese dann auch übertragen lernten. Eine neue Definition erfolgt später. Eine erzieherische Definition eines MSR (Multisensorieller Raum)muss auch wirklich den Wert für das individuelle Kind im Auge haben. In Großbritannien gibt es schon lange verschiedene Multisensorielle Räume: Snoezelenraum, Dunkelraum, Weißer Raum, Interaktiver Raum, Wasserraum, Softplayroom und Themenräume. Therapeuthische Zugänge Der Weiße Raum basiert auf der Snoezelenidee. 1986 vereinten Hulsegger und Verheul im De Hartenberg Center in den Niederlanden die Begriffe Riechen und Dösen zu einer neuen Wortkreation, nämlich „Snoezelen“ (Idee des „Sinnescafe“). In diesen Räumen sollte Entspannung und Stimulation für Individuen jeden Alters geboten werden. Die Philosophie des Snoezelen war ursprünglich auf die Entspannung und Stimulierung von Erwachsenen mit geistiger Behinderung ausgerichtet, die in Anstalten lebten und auch das Recht auf Freizeitgestaltung haben sollten. Aus dem eher passiven Zugang zum „Snoezelen“ wurde nun durch die Fortschritte in der Mikrotechnologie ein aktiver. Eine große Auswahl an Schaltern, die Licht und Musik steuern können, können vom Kind aktiv betätigt werden. Im „Weißen Raum“ sind Wände, Boden und Decke weiß. Es gibt Matten, manchmal Wasserbetten, Blubbersäulen, bunte Lichtquellen von Flüssigkeitsprojektoren u.ä., Musik und Düfte. Das Weiß soll die projizierten Farben verstärken. Der Dunkelraum ist hauptsächlich zur visuellen Diagnostik und Wahrnehmungsschulung gestaltet. So wird der Aufbau von visuellen Fähigkeiten, wie Aufmerksamkeitsreaktion, visuelles Fixieren und Verfolgen und Üben der Auge-Hand-Koordination gefördert. Hier ist völlige Dunkelheit möglich. Schon winzige Lichtquellen, wie kleine Taschenlampen oder spezielle Dinge wie Fiberglasfasern, verschieden Projektoren mit wandernden Symbolen, die oft auf Laute reagieren, sind sehr interessant. Durch Schwarzlicht angeleuchtete Materialien in Leuchtfarben (Spielsachen, weiße Kleidungsstücke oder bestimmte Stoffe und Farben) haben eine starke Wirkung, ohne die Lichtquelle sichtbar zu machen. Es ermöglicht das Spiel in der Dreidimensionalität. Viele Erfahrungen ergeben sich auch daraus, wenn das Kind dem Lichtschein oder dem rollenden, leuchtenden Ball nachkrabbelt, den es sonst nicht sehen würde. Interaktive Räume geben Kindern, auch wenn sie stark mehrfachbehindert sind, die Möglichkeit, mittels verschiedener Schalter und Knöpfe selbst Geräte einzuschalten. So können durch das Drücken von farbigen Schaltern die Farben der Blubbersäule eingeschaltet werden, oder durch Drücken und Rollen auf bunten Feldern entsprechende Farben oder Symbole erleuchtet werden, die sich wahlweise mit Tonfolgen koppeln lassen. Stimulationsprogramme am Computer sind durch einfaches Drücken auf den Bildschirm (Touchscreen) aktivierbar. Therapeuthische Zugänge Der Soft-Play-Raum ist ein Raum mit Matten, weichen Raumteilen, pneumatischen Elementen zum Raufklettern, Abrollen, Hüpfen, ... Da in diesem Raum viele Gefahrenquellen ausgeschaltet sind, werden neue Erfahrungen im Bewegungsbereich ermöglicht: Höhe und Tiefe, Bewegung, Balance und Gleichgewicht, ... Wasserräume Strahlend leuchtende Farben werden mit warmem Wasser, Sprudelbecken und Wassermassagen verbunden. Hierbei kann es unterschiedliche Zielrichtungen geben: Soll es um Physiotherapie im Wasser oder um Entspannung und visuellen Stimulation gehen? Musik-Klangräume Diese Räume sind oft mit einem warmen Parkettböden ausgestattet, der die Vibration von Musik und Rhythmus verstärkt und auf den Körper überträgt, wenn man darauf liegt. MS-Räume bieten Anregungen für alle Sinne in einer konzentrierten Form sowie Möglichkeiten für Diagnostik und den Unterricht. Gerade sehbehinderte Kinder profitieren sehr, wenn Ablenkungsfaktoren ausgeschaltet werden und sie sich auf eine Aufgabe konzentrieren können. Die Nutzung der Räume kann in Einzelarbeit, aber auch in Schülergruppen erfolgen. Ideale MS-Räume sind auf die einzelnen Kinder und deren Möglichkeiten abgestimmt. Es gibt Räume, in denen jede Wand eine eigene Farbe hat und dadurch das Vier-Seiten-Konzept herausgearbeitet wird. Für sehbehinderte Menschen sind gerade visuell betonte Ecken sehr interessant, weil sie durch die Seheinschränkung Ecken meist als rund empfinden. Vieles spricht für die Einrichtung von MS-Räumen. Sie sollten aber niemals als Alternative für das Erleben von Natur oder das Zusammensein mit anderen Menschen betrachtet werden, sondern als Erweiterung der Möglichkeiten Sinneserfahrungen zu machen verwendet werden. Beispiele 1. „... denn ohne Georg ist es hier so stinknormal.“ Georg ist ein Schüler mit elementaren Lernbedürfnissen. Er hat folgende Möglichkeiten sich zu äußern: Elementare Berührungen: Angreifen, Festhalten, Streicheln, Klopfen, Wischen, Ziehen, Drücken, Herziehen, Wegdrücken, Zuwenden, Abwenden. Äußerungen über die Stimme: mäßig knurrende Geräusche; Wut: wildes Knurren, Trauer und Schmerz: Jammern und Weinen; Freude und Interesse: Lachen und starker Ton; Unsicherheit, Verwirrung: durch hohe quietschende Töne. Botschaften aufnehmen über Berührungen, Wahrnehmen von Temperatur, Geschmack, Geruch, Konzentration, Vibration und eventuell extrem laute Geräusche. Auf körperliche Zuwendung reagiert Georg mit Anfassen der kontaktaufnehmenden Person. Georg erkennt ihm vertraute Personen und stellt sein Verhalten (Mitarbeit, Zuwendung, ...) darauf ein. Auf sehr starke Lichtreize reagiert er durch Zu- und Abwendung. Durch schaukelndes Vorwärts- und Rückwärtsrutschen im Sitzen oder Knien kann Georg sich am Boden fortbewegen. Es ist ihm möglich, sich in alle Richtungen zu drehen. Er kann von Sofas klettern, sich an Tischen hochziehen. Auf Sesseln verschiedenster Ausführungen hält er Balance und steht von diesen gerne auf, wenn vor ihm ein Tisch steht, an dem er sich festhalten kann. Mit geringfügiger Unterstützung kann Georg auch einige Schritte gehen. Seine Balance im Stehen hält er durch Schaukeln und teilweise wippende Bewegungen, die an ein Hüpfen erinnern. Er wird dabei von jemandem an den Händen gehalten, die stützende Person macht die Ausgleichs-bewegungen mit. Beim Essen gelingt es Georg teilweise die Nahrung mit Gabel oder Löffel in den Mund zu bringen. Die Speisen werden im Mund zwischen Zunge und Gaumen zerdrückt und so hinuntergeschluckt. Von Bananen u.ä. kann Georg abbeißen. Beim Essen benötigt er prinzipiell Unterstützung. Das Trinken aus einem Becher gelingt ihm einigermaßen. Am WC arbeitet er beim Wickeln meist kooperativ mit. In der Hauptschule In der Hauptschulklasse sind vier Schüler mit Sonderpädagogischem Förderbedarf (teilweise nach ASO-Lehrplan und SBH-Lehrplan eingestuft), und dann ist da noch ein Schüler - Georg. Beispiele Erschreckt wird er nach seinen Defiziten abgecheckt: „Hört nicht. Sieht nicht. Spricht nicht. Kann nicht allein essen. Braucht Windeln! Kann nicht Gehen! Weiß nicht, dass ein Lehrer vorne steht!...“ Als klar wird, dass Georg Epileptiker ist und diese Anfälle auch während des Unterrichts bekommen wird, machen viele der neuen Kollegen dicht. Vom Bestehen auf eine Rückführung in die Schwerstbehindertenklasse, über die Weigerung, jemals in der Klasse mit ihm zu unterrichten, bis zur Feststellung, man werde sich eben mit diesem Schüler nicht abgeben und der gleichzeitigen Forderung, dass jederzeit ein Sonderschullehrer während seiner Anwesenheit dabei sein muss, reichen die Ansagen zu seiner Integration in der Hauptschule. Nur mit Mühe kann ein Klassenvorstand gefunden werden, der den Verbleib von Georg in seiner Klasse leider auch nicht unterstützt. Positive Unterstützung für die Integration gibt es von einem anderen Integrationslehrer, von den Betreuungshilfen und von der mobilen Sehbehindertenlehrerin, die Georg und seine LehrerInnen schon seit 2 Jahren betreut. Täglich kommt eine Betreuungshelferin für 2 Stunden. Sie nimmt rasch intensiven Kontakt mit Georg auf und es entwickelt sich bald gegenseitige Zuneigung. Von Seiten der MitschülerInnen besteht ein positives Verhältnis zu Georg. Da ich auf den Verbleib von Georg beharre, auch die Behörde dafür plädiert und die Mutter auf Andeutungen des Direktors nicht reagiert, verebbt die „Integrationsdiskussion“. Die Klasse wird zwar als Integrationsklasse, aber dennoch mit äußerer Leistungsgruppendifferenzierung geführt. Der Unterrichtstag gestaltet sich auf Grund des Fächerkanons und des häufigen Gruppenraumwechsels sehr hektisch. Die Schüler mit SPF - alle werden in die 3. Leistungsgruppe eingestuft bzw. eingeteilt - brauchen den Klassenraum nicht zu wechseln. Mit der Zeit kehrt mehr Ruhe ein und eine gewisse Routine nimmt ihren Lauf. Der Unterrichtsablauf für Georg ist immer nach dem gleichen Schema eingeteilt. In der ersten und vierten Stunde arbeite ich mit ihm, in der zweiten und dritten kommt eine Betreuungshilfe. Georg ist selbstverständlich niemals leistungsmäßig , sondern nur „organisatorisch“ integriert. Er arbeitet gleichzeitig an seinen Schwerpunkten im selben Raum wie die Mitschüler. Der im Unterricht behandelte Stoff tangiert ihn nur selten, bei manchen Themen wie Kleidung, Speisen etc. in Englisch gelingt es, Georg direkt mit einzubeziehen. Beispiele Sein spezieller Unterricht umfasst folgende Bereiche: 1 Sitzen auf unterschiedlichen Sitzgelegenheiten (Sessel, Sofa, Hocker, ...) 1 Ertasten unterschiedlicher Materialien 1 Wahrnehmen von Raumgrenzen im „Little Room“ 1 Essenstraining 1 WC-Training 1 Einen besonderen Schwerpunkt bildet die Arbeit an Kommunikationsmöglichkeiten: 1 Kontakte mit anderen Personen 1 1 1 Aufenthalt neben verschiedenen Personen (z.B. im Sitzkreis) Gehen etc. in der Klasse, Wandern von einem Schreibtisch zum anderen Arbeit im Nebenraum: mit dem BIG BOM (riesige Holzzungentrommel), - mit technischen Geräten für Lichteffekte, Vibrationseffekte usw. zur Wahrnehmung von Ursache/WirkungProzessen, - mit der „Resonanzplatte“ Die Angebote geschehen meist parallel zum anderen Unterricht in der Klasse. Großteils wird frontal unterrichtet, selten gelingen Formen wie Wochenplanarbeit etc. Das Essenstraining wird während der Unterrichtszeit durchgeführt. In die Pause wird Georg im Rollstuhl sitzend von Mitschülern mitgenommen. Zu gemeinsamen Projekten kommt es selten. In der Stunde für Soziales Lernen werden häufig Spiele durchgeführt, an denen auch Georg teilnehmen kann. Es gibt in dieser Stunde auch Gelegenheit, Fragen Georg betreffend zu klären. Von Seiten der MitschülerInnen wird Georg sehr geschätzt und kaum jemand möchte ihn missen. Nur wenige SchülerInnen fühlen sich während des Unterrichts zeitweise durch Georg gestört, vor allem wenn Georg z.B. plötzlich hohe laute Töne von sich gibt, weint usw. In der freien Zeit gehen sie sehr wohl auf Georg zu und nehmen Kontakt mit ihm auf. Oft sorgen sich MitschülerInnen um Georgs Wohlbefinden und sind beunruhigt, benötigt man doch sehr lange Zeit, seine Äußerungen „richtig“ interpretieren zu können und viele glaubten lange, ihm ginge es häufig schlecht, er hätte immer wieder Schmerzen. Beispiele Einige SchülerInnen beschäftigen sich besonders viel mit Georg, andere beobachten ihn aus einer gewissen Distanz, aber kaum jemandem ist Georg egal. Wenn Georg einmal krank ist, wird sehr bald gefragt, was mit ihm los sei, wann er denn wieder in die Schule kommen werde. Ein Spruch eines Mitschülers dazu: „... denn ohne Georg ist es hier so stinknormal.“ Die positiven Antworten auf Fragen an die MitschülerInnen von Georg haben mir die Sinnhaftigkeit seines Dabeiseins, seiner Integration in unsere Gruppe bestätigt. Schwerer tun sich hier viele LehrerInnen, Georg als „Hauptschüler“ zu akzeptieren. So ist die Diskussion über seine Integration am Schulschluss mit großer Härte geführt worden. Hier reicht die Palette der Meinungen von massiver Ablehnung gegenüber seinem Schulbesuch, bis hin zur Einsicht, dass das Gesetz dies eben ermöglicht. Gerade auf dieser pragmatischen Einstellung, dass bestimmte Fakten vorhanden sind, könnten Wege gefunden werden, allen Schülern und vielleicht auch Lehrern möglichst gerecht zu werden. Hier Kompromisse und Lösungen zu finden, wie im äußerlich differenzierten Leistungsgruppensystem möglichst gemeinsam / integrativ unterrichtet werden kann, wird eine Herausforderung für das nächste Schuljahr sein. SOL Christian Koller Beispiele 2. Christian Christian hatte es eilig. So eilig, dass er am 18.4.1991 bereits in der 28. SSW das Licht der Welt erblickte. Mit seinen 1.000 Gramm kämpfte er von Beginn weg eindrucksvoll ums Überleben. Und zwar so eindrucksvoll, dass erst Wochen später klar wurde: "Etwas stimmt mit seinen Augen nicht." Nach umfangreichen Untersuchungen stand fest – Christian ist beidseitig blind nach Netzhautschrumpfung und -ablösung. Ein Schock! Schicksal annehmen hieß es nun. Informationen sammeln. Bei der Frühförderung für sehgeschädigte Kinder sofort angemeldet und welch Glück bald war ein Platz für Christian frei. Die nächsten Jahre waren nun geprägt vom Warten auf Christians Entwicklungsschritte, vom Abwägen, welche Rückstände der Blindheit zuzuordnen seien und welche nicht. Halb so schlimm bis zu dem Zeitpunkt, als Christian aggressiv gegen seine Umwelt und gegen sich selbst wurde. Autistische Züge? Abklären lassen im Zentrum für Entwicklungsdiagnostik mit aller Vorsicht, die für die Aussagen eines so jungen Kindes gelten muss. Gott sei Dank wurden die Aggressionen wieder weniger und konnte manches Verhalten als blindenspezifische Eigenart (Stereotypien) abgetan werden. Dann die Frage nach einem geeigneten Kindergarten. Christian war 3 Jahre alt, verhielt sich wie ein 1 1/2-jähriger Bub und außerdem war kein Integrations-Kindergartenplatz frei. Das hieß also ein Jahr warten und einstweilen weitersuchen. Nach einem Jahr der Suche fanden wir Aufnahme in einem Montessorikindergarten. Allerdings: ein blindes Kind wurde noch nie betreut. Aber was soll’s, wir hatten ja auch gelernt damit umzugehen. Für Christian war das eine große Umstellung. Er öffnete sich vorsichtig für die Welt und die Mitmenschen. Seine Entwicklung war verzögert. Mit dem Sprechen lernen hatte er es überhaupt nicht eilig (positiv formuliert). Christian wurde nun schon bald sechs, verhielt sich wie ein 2- bis 3-jähriger Bub und nicht wie ein Vorschüler. Es war höchste Zeit ihn in der Volksschule anzumelden. Christian wurde ein Jahr vom Schulbesuch zurückgestellt. Alle Gutachten sagten aus, dass Christians geistige Behinderung ein Faktum ist. Welche Schule würde er nun tatsächlich besuchen können ? Die Volksschule? Die Sonderschule? Das Blindeninstitut? Beispiele Wenn er integriert werden würde, hätte er einen Blindenstützlehrer und wie lange? Wäre er überhaupt in der Lage, lesen, rechnen und schreiben zu lernen? Wohl kaum. Ging es bei Christian überhaupt um „normales Lernen?“ Wir konnten uns sehr vieles noch überhaupt nicht vorstellen. Anstatt eines erhofften Entwicklungsschubes stellten sich völlig unerwartet einige epileptische Anfälle bei Christian ein, die sich jedoch medikamentös gut einstellen ließen. Im Winter 97/98 war es höchste Zeit, alles für die Schule im Detail zu regeln. Letztendlich fanden wir eine Montessori-Volksschulklasse, die Christian aufnahm. Der Sonderpädagogische Förderbedarf wurde festgestellt, daraus ging klar hervor, dass Christian in allen Gegenständen nach dem Lehrplan für schwerstbehinderte Kinder zu unterrichten ist. Obwohl viele PädagogInnen zweifelten, ob die Integration für ihn möglich sei, wagten wir den Versuch. Abbrechen kann man den Versuch ja schließlich immer noch ... Anfang Mai schrieben wir Christian in die Volksschule ein. Die Direktorin verhielt sich vorsichtig entgegenkommend, aber die Lehrerinnen brachen alle Bedenken. Bei ihnen war die Vorfreude auf Christian bereits deutlich zu spüren. Christian gefiel es in der Schule auch auf Anhieb. Die Atmosphäre war insgesamt sehr ermutigend. Zur Sicherheit beantragten wir bei der Gemeinde noch eine Helferin für Christians Schulzeit, die knapp vor Schulbeginn auch tatsächlich bewilligt wurde. Im Sommer besorgten wir Schultüte und Schultasche mit einem tastbaren Hasen. Die Nacht vor dem ersten Schultag ließ auch Christian vor Aufregung nur mehr unruhig schlafen. Er spürte deutlich, dass eine Veränderung in der Luft lag. Bereits vom ersten Schultag weg konnte man von einer gelungenen Integration sprechen. Den Eröffnungsgottesdienst ließ Christian nicht aus, sondern drängte sich lautstark zum Altar vor. Keine Aufregung, nur Schmunzeln war die allgemeine Reaktion. Die ersten Schultage verbrachten wir Eltern abwechselnd und unbemerkt von Christian als stille Beobachter in der Klasse. So konnten wir bisher unbesprochene Eigenarten bzw. Bedürfnisse Christians erkennen und den Lehrerinnen und der Helferin erklären. Für sie alle war Christian das erste blinde Kind. Nach einer Woche wollten Christians MitschülerInnen aber schon genau wissen, was mit ihm los sei. Der Weg war frei für soziale "Beziehungen". Es dauerte nicht lang, bis Christian die erste Einladung zu einem Geburtstagsfest erhielt. Beispiele Seither ist er vor allem der Schwarm der Mädchen. Aber auch Otto, der wildeste Bub der Klasse, reißt sich förmlich darum, ihm die Hausschuhe anzuziehen. Und das, obwohl Christian schon vieles selbst machen kann und von den Erwachsenen auch dazu angehalten wird. Der Einstieg in den Schulalltag war gelungen. Mittlerweile ist ein halbes Jahr vorbei. Auch zu Hause wirkt Christian ausgeglichen und froh, und er sagt oft, dass er gerne in die Schule fahren möchte. Christian hat sein erstes "Zeugnis" erhalten, und daraus lassen sich u.a. folgende Kenntnisse bzw. Forschritte herauslesen: Sprache: Sprüche, Gedichte und Lieder gelernt, Begriffe, Gegensätze und Oberbegriffe gelernt; Feinmotorik: Flechten, Schneiden, Schrauben, Auf- und Zubinden (Maschen Knöpfe und Zippverschlüsse), Malen mit Pinsel und Händen; Kognitive Arbeiten: Dinge merken, wieder finden, erkennen, ordnen und zählen, Zeitabläufe erkennen; Orientierung in der Klasse, im Stiegenhaus, im Pausenhof, im Turnsaal; Turnen: klettern, robben, springen, Purzelbäume, Ballspiele, laufen; Soziales: Andere Kinder mit Namen kennen gelernt, "Nicht Ärgern" geübt, Stilleübungen genossen; Wir alle sind mehr als zufrieden! Wenn wir uns für die Zukunft etwas wünschen, dann dass die Entwicklung so positiv weiterlaufen soll wie bisher. • Fam. Valtiner, Mödling Beispiele 3. Die Schule aus der Sicht eines Kindes Ich heiße Günter, werde heuer 12 Jahre alt und bin seit meiner Geburt mehrfach behindert. Die angeborene Stammhirnverkalkung ist der Grund dafür, dass ich im Rollstuhl sitzen muss, dass ich mit dem Fläschchen gefüttert werden muss, dass ich nicht so gut sehe, nicht sprechen kann, dass ich Windeln brauche ... Ich habe 4 Jahre den Heilpäd. Kindergarten in Deutschlandsberg besucht. Danach hat sich meine Mama bemüht, mich einzuschulen. Nach Eröffnung einer Integrationsklasse in Eibiswald durfte ich in meinem Heimatort in die Schule gehen, und musste nicht jeden Tag nach Graz fahren oder die ganze Woche, getrennt von meinen Eltern, im Heim verbringen. Die Schule bietet mir so viel Abwechslung. In der Früh werde ich vom Schulbusfahrer in die Klasse getragen und in den Rollstuhl gesetzt. Hier warten schon meine Schulfreundinnen, die mir Schuhe und Jacke ausziehen. Manchmal versuchen es auch meine Schulfreunde. Oft fahren meine Schulfreunde mit mir am Gang spazieren.Wenn die Schule beginnt, zeigt mir meine Lehrerin den Tagesablauf. Das sind ein Bild für den jeweiligen Tag und Fotos von den Lehrern, die an dem Tag in der Klasse unterrichten (Religion, Werken) und Fotos zu den einzelnen Gegenständen. Seit einem Jahr verständige ich mich mit meiner Familie, meinen Lehrern, Schulfreunden und Pflegehilfen mit Gebärden. Ich kann ausdrücken was ich tun möchte, ich zeige, wenn es mir schlecht geht, mir etwas weh tut, wenn die Mitschüler zu laut sind, wenn ich hungrig bin ... Im heurigen Schuljahr habe ich Bilder, sogenannte Picture Communication Symbols (PCS), bekommen, mit denen ich mich in Kombination mit den Gebärden in ganzen Sätzen ausdrücken kann. Ich liebe es, wenn mein Computer eingeschaltet wird. Ich darf dann zeichnen, Lilly und Gogo anziehen, mit dem Flugzeug fliegen und Luftballons abschießen, Tiere zuordnen usw. Das „Blob“ (ein Computerlernprogramm) mag ich nicht besonders, weil ich mit meiner Tastatur noch nicht so gut zurecht komme. Wenn ich Musik hören will, bekomme ich Kopfhörer aufgesetzt. Wie gerne würde ich mitsingen. Meine Freude zeige ich, indem ich die Füße energisch auf und ab bewege und mit dem Oberkörper nach vor und zurück wippe. Beispiele Bilderbücher wie die „Flockibücher“ mag ich auch gern. Ich darf selbst umblättern und die Tiere, die auf jeder Seite versteckt sind, suchen. Toll ist auch das Bilderbuch für die Sinne. Da gibt es so viele Dinge zu ertasten und zu sehen. In Rechnen bin ich auch schon flott. Wenn ich irgendwo eine Zahl höre, dann zeige ich sie mit meinen Fingern. Ich kann Mengen bis 5 erkennen, Farben und Formen zuordnen, eine Art Holzpuzzle bauen und Paare finden. Wenn es mir im Rollstuhl zu langweilig wird, lasse ich mich auf die große Schaukel legen oder auf mein „Fahrrad“ stellen. So kann ich mich in der Klasse selbstständig fortbewegen. Manchmal sitze ich auch schon auf einem Sessel, weil meine Rückenmuskeln seit etwa 1 Jahr so gekräftigt sind, dass ich schon ein bisschen ohne Hilfe und Stütze sitzen kann. Ich liebe die Schule und die Kinder, und wenn ich zu Mittag von der Schulbusfahrerin abgeholt werde, ist es mir gar nicht recht und ich zeige meinen Unmut deutlich. Nur gut, dass ich morgen wiederkomme! Beispiele 4. Der Weg aus der Isolation... Nicole kam mit 7 Jahren in eine Klasse für mehrfachbehinderte, blinde Kinder. Sie war ein zartes Mädchen, bei dem große Unruhe und Stereotypien auffielen (Wackeln, Drehen, Augenbohren, Abschlecken der Handflächen). Ihre Verständigungsart war Schreien, ihr einziges Wort ein undifferenziertes „Nein“. Sie wirkte sehr verunsichert und jede noch so kleine Änderung der Situation endete mit einem Zornausbruch, der gekennzeichnet war durch Aggressionen gegen sich selbst oder andere (Kratzen, Beißen, Zwicken). Am liebsten hocke sie in ihrer sicheren Ecke. Diese war anfangs mit einem Teppich, Polstern mit verschiedenen Füllungen, einer Kuscheldecke und einem Glöckchen ausgestattet. Hier beschäftigte sie sich mit wenigen Dingen. Sorgfältig suchte sie diese selbst aus. Wichtig war für sie das Geräusch, das sie damit erzeugen konnte, z.B. ein Scheppern, Klingeln, Rasseln. Das Beschäftigen bestand aus einem Hin- und Herbewegen des Gegenstandes nahe am Ohr bzw. einem kräftigen Hineinbeißen. Dem Geschehen rund um sich schenkte sie scheinbar keine Beachtung. Essen und Trinken sowie Musik und Rhythmen lockten sie für kurze Zeit aus ihrer Ecke. Kontakte konnte sie kaum aushalten. Immer deutlicher zeigte sich ihre gute Orientierungsfähigkeit, Grob- und Feinmotorik sowie ein Sprachverständnis. Nach einigen Monaten gesellte sie sich für kurze Zeit zur Gruppe, sprach einige Wörter nach und ließ in einfachsten „Rollenspielen“ Kontakte zu. Durch viel Zuwendung fasste sie Vertrauen und wurde zusehends sicherer. So war es nun möglich, sie konsequent zu neuen Tätigkeiten zu motivieren. Wichtig war dabei, ihrem lautstarken und aggressiven Protest das Wissen um ihre Lernfähigkeit entgegenzusetzen. Heute kann sie sich relativ gut verständigen, zeigt Interesse am Gemeinschaftsleben, übernimmt auch schon Aufgaben und freut sich über Kontakte. Im lebenspraktischen Bereich hat sie es zu großer Selbstständigkeit gebracht. Das Erlernen der Kulturtechniken beschränkt sich auf Vorübungen. Ihre Aggressionen treten phasenweise noch immer auf, ein schepperndes Maskottchen begleitet sie auch heute noch bei vielen Gelegenheiten. Beispiele 5. Projektorientierter Unterricht in der Klasse Wir sind ein Team, das in den beiden S-Klassen mit 8 schwer beeinträchtigten Kindern und Jugendlichen in der Allgemeinen Sonderschule Deutschlandsberg in der Weststeiermark arbeitet. Zusammensetzung der Klassen Mehrere SchülerInnen sind zum Teil nicht mobil, sie brauchen einen Rollstuhl. Zwei SchülerInnen sind blind, zwei stark sehbehindert. Zwei von ihnen kommunizieren mit einer nicht für alle verständlichen Verbalsprache. Alle unsere SchülerInnen haben ein sehr eingeschränktes Handlungsrepertoire. Wie sind wir zur Projektarbeit gekommen? In mehrjähriger intensiver Arbeit merkten wir, dass der wöchentliche thematische Wechsel weder für die Kinder noch für uns Lehrer und Betreuer befriedigend war. Es gab zu wenig Zeit für Exkursionen, es gab zu wenig Zeit, um sich intensiv mit einem Thema auseinander zu setzen. So entschieden wir uns für das Motto „Weniger ist mehr“. Weniger Themen bringen den Kindern mehr an Inhalt. Weshalb so viel Zeit für ein Thema? Eine Grundvoraussetzung für die Arbeit mit schwer beeinträchtigten Kindern ist genügend Zeit. Jede Reaktion und Aktion muss abgewartet werden und basiert immer auf einer persönlichen Beziehungsebene: „Der Mensch wird zu dem Ich, dessen Du wir ihm sind“ (G. Feuser) Ein Gegenstand erschließt sich den SchülerInnen nur in der wiederholten aktiven sinnlichen Auseinandersetzung. Ein kaltes Stück Kürbis sehen, angreifen, halten, riechen, zum Mund führen, kosten und -klatsch- liegt es auf dem Boden. Aus der Sachstruktur der einzelnen Projekte ergibt sich beinahe zwingend ein Nach-Außen-Gehen zueinzelnen Orten, ein Kooperieren mit verschiedenen Einrichtungen und ein Besuchen oder Einladen von Personen. Beispiele Wie erfolgt die Planung? Die Projekte werden vorwiegend in den Konferenzen geplant. Das heißt im Brainstorming-Verfahren werden ungefiltert große, kleine, unmögliche und durchführbare Ideen gesammelt und am Flipchart festgehalten. Aus dieser Fülle wird ausgewählt. Für die einzelnen Aktivitäten wird bestimmt, wie und wann sie erfolgen und wer dafür verantwortlich ist, die Kontakte knüpft, Änderungen weitergibt, Transporte klärt... Ein Zeitplan wird erstellt. Während des Projektes fällt manche geplante Unternehmung flach und Anderes, vorher nicht Bedachtes, eröffnet sich. Damit jedes Kind bei der Durchführung des Projektes auf seine Kosten kommt, braucht es einen Förderplan, in dem der IST-Zustand und die langfristigen Ziele aufgeschrieben sind. Diese Pläne werden von uns LehrerInnen (KlassenlehrerInnen, Schulleiterin, Mobile LehrerIn für blinde und sehbehinderte Kinder) in Zusammenarbeit mit den jeweiligen Eltern erstellt. Die Eltern sind ganz wichtig, denn sie leben mit ihrem Kind. Aus ihren individuellen Lebensumständen und Einstellungen heraus werden erstrebenswerte, die Lebensqualität steigernde und erreichbare Ziele gefunden. Bei der Durchführung der Projekte sind die Eltern als Begleitpersonen intensiv eingebunden - ein großes DANKE an dieser Stelle. Kein Lehrausgang wäre ohne sie möglich, denn eine 1:1 - Betreuung ist notwendig. Bisher durchgeführte Projekte Neben den jahreszeitlichen Themen und der Einzelarbeit mit den Schülern gab es die Projekte 1 Bauernhof (Verkauf am Bauernmarkt), 1 Wasser (Watsu in Bad Radkersburg, das ist eine spezielle Unterwassermassagetechnik) und 1 Sommeraktion (Verkauf von eigenen Produkten aus dem Schulgarten am Hauptplatz ⇒ Säfte, Marmeladen, Strohtiere...). Heuer hatten wir Herbst (Traubenernte), sowie Klänge, Geräusche (Trommelworkshop). Derzeit läuft das Projekt Reisen und Fahren (Benutzen öffentlicher Verkehrsmittel und anderer Gefährte ⇒ von der „Schubkarre“ bis zum dreirädrigen Motorrad). Beispiele Ein ganz wesentlicher Punkt bei der Projektarbeit - von der Planung bis zur Durchführung - ist auch unser eigener Spaß dabei. Die Freude trägt uns durch die Mehrarbeit und so manche Schwierigkeiten. Ebenfalls unumgänglich ist die entsprechende Gestaltung der Räumlichkeiten (Garderobe, Vorraum, Klassenzimmer) mit Farben, Gegenständen, Materialien, Düften, Fotos...während des Projektes. Als Stütze der Erinnerung und bleibendes Dokument werden Bilderserien in Fotoalben angelegt. Alle sehenden Kinder mit Bildverständnis verwenden diese Alben mit Begeisterung. Ab und zu wird gefilmt und in Zukunft werden verstärkt Dias angefertigt. Dadurch bekommen auch stark sehbeeinträchtigte Kinder im Farblichtraum die Farb- und Lichteffekte mit. Resümee und Erfahrungen Mit jedem Projekt sammeln Kinder und Erwachsene neue Erfahrungen. Im alltäglichen Unterricht kann auf diesen Schatz zurückgegriffen werden (z.B. Signalton vom Zug). In unbekannter Umgebung und im Kontakt mit neuen Personen überraschen uns die Kinder immer wieder. Jeder Mensch, der uns besucht, knüpft Kontakt mit schwer behinderten Kindern - eine Begegnung findet statt - häufig ist es das erste Mal für diese außerschulischen Personen. Projektunterricht ist eine adäquate Unterrichtsform für „unsere“ Kinder, er entspricht dem Normalisierungsprinzip. Helene Pilko Annemarie Koch Bernhard Reichenfelser für das Team der ASO – SPZ Deutschlandsberg Beispiele 6. „Der Vogel“ (Ein Projekt, das mehrere Jahre umfasst) 1 Wir erforschen verschiedene Tastqualitäten: - weiche Federn - lange Federn - flauschige Federn ... - verschiedene Eier und Nester 1 Wir spüren verschiedene Federn - auf der Stirn - auf der Wange - auf der Hand... 1 Wir experimentieren mit Federn - Wegblasen - Befeuchten - Zerzausen..... 1 Wir hören verschiedene Vogelstimmen - im Park - im Wald - von einer CD ... 1 Wir lernen verschiedene Vögel kennen - ein Küken in der Hand - einen Wellensittich im Käfig - die Enten auf dem Teich ... 1 Wir ahmen die Vogelstimmen und die Bewegungen nach - Zirpen - Trillern - Flattern - Auf dem Ast hocken oder Stolzieren ... 1 Wir erforschen verschiedene Vogelmodelle - Erkennen wichtiger Merkmale - Benennen der Körperteile ... 1 Wir lernen Geschichten und Lieder über Vögel kennen - Geschichten erzählen - Geschichten spielen ... 1 Wir besuchen eine Tierhandlung und gehen in den Zoo Beispiele 7. Meine liebsten Freizeitbeschäftigungen Michaela, 10 Jahre , Aso Deutschlandsberg schwer mehrfachbehindert, nonverbal Über Michaelas Lieblingsbeschäftigungen berichtet die Mutter: „Michaela hat viele Hobbies, sie hat ja sonst keine Arbeit! Im Bett liegen Finger mit der Rassel im Mund; Baden, schwimmen im Thermalwasser; Spazieren gehen; Autofahren mit lauter Ö-3 Musik; Auf Besuch gehen zurkleinen Cousine, die mit ihr spielt; In der Sonne sitzen; Schaukeln in der Hängematte und auf der Schaukel; Hüpfen im Hopser; Kuscheln .“ Angelika, 14 Jahre, ASO Deutschlandsberg, schwerstmehrfachbehindert, blind, nonverbal Die Mama berichtet über die „Hobbies“ Zeitung „lesen“ und zerreißen, die alltägliche Werbeflut kontrollieren, mit der Schere zerschnipseln um anschließend damit die Wohnung zu dekorieren; fernsehen, Musik hören oder einfach zum Fenster hinausschauen. Im Garten mag Angelika Gras rupfen, Blumen pflücken, Blätter und Äpfel von den Bäumen holen; Garten gießen. Außerdem mag sie gern Schwammerln suchen und spazieren gehen. Jörg-Martin, 15 Jahre schwerstmehrfachbehindert, blind, nonverbal Jörgi mag sehr gern Musik hören. Durch Lachen oder Schimpfen zeigt er sehr genau, welche Musik er mag. Absoluter Favorit ist die Musik der Stoankogler. Seitdem er selbst mit einem Schalter den Rekorder einschalten kann, freut er sich besonders. Weitere Hobbies: Flirten mit der Freundin seines älteren Bruders. (Wenn er ihre Stimme hört beginnt er sich zu melden und lacht besonders laut, wenn sie ihm zu essen gibt oder ihn spazieren führt. Autofahren: da muß es schnell dahin gehen, beim langsamen Schleichen schimpft er. Bernhard , 10 Jahre, ASO für schwerstbehinderte Kinder Mama erzählt: Bernhard geht gerne schwimmen. Er mag gerne in seinem Rollstuhl spazieren gefahren werden oder liebt es auch im Auto mitzufahren.Er hört sehr gerne Musik oder Märchen und freut sich sehr, wenn er Seifenblasen zuschauen kann. Anhang Literaturliste Adam Heidemarie: Kommunikation bei nichtsprechenden Kindern mit geistiger Behinderung. In „Liebe macht erfinderisch.“ Ausgewählte Studien zur Geistigbehindertenpädagogik, Würzburg 1990 Adam Heidemarie: Mit Gebärden und Bildsymbolen kommunizieren edition bentheim 1996 Bundesvereinigung Lebenshilfe: Ich will, ich kann! EDV- gestützte Kommunikation mit schwer behinderten Kindern und Jugendlichen;. Lebenshilfe Verlag Marburg 1993 Kristen Ursi: Praxis unterstützte Kommunikation, Verlag selbstbestimmtes Leben, Dortmund 1994 Mall Winfried: Kommunikation mit schwer geistig behinderten Menschen; Edition Schindele, Heidelberg 1995 Nielsen, Lilli: Der Fiela Förderplan – 730 Fördervorschläge, edition bentheim 1999 Nielsen, Lilli: Schritt für Schritt. edition bentheim 1966 Nielsen, Lilli: Das Ich und der Raum. edition bentheim 1993 Nielsen, Lilli: Bist du blind? edition bentheim 1992 Nielsen, Lilli: Greife und du kannst begreifen. edition bentheim 1995 Ockleford Adam: Objects of Reference; RNIB 1994 Pickl Gonda: „Nonverbale Kommunikationssysteme“ Artikel in „der Sprachheilpädagoge“ 2 /98, österreichische Gesellschaft für Sprachheilpädagogik Sacks Oliver: Eine Anthropologin auf dem Mars, Reinbeck 1997 Sevenig Heinz: Materialien zur Kommunikationsförderung von Menschen mit schwersten cerbralen Bewegungsstörungen, Verlag selbstbestimmtes Leben, Dortmund 1994 Gebärdensprache mit autistischen und geistig behinderten Menschen; Verlag Modernes Lernen, Dortmund 1996 Literaturangabe: "Vision for doing", ASSESSING Funcitonal Vision of Learners who are Multiply Disabled von Stuart Aitken und Marianna Buultjens, Moray House, Edinburgh 1992 Multisensory Environments, A Practical Guide to the Use of Multi Sensory Rooms, Paul Pagliano, Georg Fulton Publishers Ltd, London 1999