Magazin - KINZO AIR by bau + art

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Magazin - KINZO AIR by bau + art
Donnerstag, 3. April 2008
Magazin
Nummer 78
Von Jürgen Herda
D
eutschlands größte Boulevard-Zeitung hat ein neues
Erscheinungs-“Bild“: Das Innen-Design der Hauptstadt-Redaktionszentrale entwarf Kinzo-CreativeDirector Karim El-Ishmawi (34). Der
Architekt wuchs in Poppenricht auf
und besuchte das Erasmus-Gymnasium in Amberg. Im Interview beschreibt er die Zusammenarbeit mit
den Springer-Größen, seine DesignPhilosophie und die Unterschiede
zwischen Amberg und Berlin.
„Bild“-Raumschiff
hebt ab
Die neue Berlin-Zentrale der
„Bild“-Zeitung war nicht Ihr erster
Auftrag für den Springer-Verlag?
El-Ishmawi: Wir hatten zuvor für
zwei Tochtergesellschaften des Verlags gearbeitet. Der Umzug von 500
Mitarbeitern nach Berlin am vorletzten Freitag war ein Mammutprozess,
der in kürzester Zeit ohne Ausfälle
über die Bühne gehen musste. Um
die Abläufe zu verstehen und Reibungsverluste zu vermeiden, habe
ich einen Tag mitgearbeitet – da
schneite zufällig Michelle Hunzinger
rein, um ihre Papparazzi- Fotos
gleich selbst vorbei zu bringen ...
Ist diese Vorgehensweise üblich –
gibt es Untersuchungen, die einen
Einfluss von Design auf das Engagement und die Arbeitsprozesse
nachweisen?
Weiß beschränkt – würden Sie alle
anderen Farben als uncool ausschließen?
weltfreundlicher. Die moderne Technik kann helfen, einen umweltbewussten Lebensstil zu realisieren.
El-Ishmawi: Nein, wir haben einfach
auf die Farben des Corporate Designs
zurückgegriffen – nur mit dem Rot
des „Bild“-Logos setzten wir dezent
Akzente – zum Beispiel in einer
Schrankwand.
Konzernchef Döpfner war von Ihren Entwürfen begeistert: Haben
sich die „Bild“-Chefs konkret in
Gestaltungsfragen eingeschaltet?
Beim Lesen Ihrer Broschüren fallen die vielen Vergleiche aus der
Welt der Technik auf: Düsenjet,
El-Ishmawi: Dr. Döpfner hat die Prototypen gesehen. Er hat spontan darum gebeten, diese weiterzuentwickeln, damit er sie für den Hauptkonzern verwenden kann. Wir haben die
Der Entwurf des
„Kinzo Air“ stammt
von Karim El-Ishmawi
und seinem Partner
Chris Middleton, bei
der Ausführung legte
Martin Jacobs Hand
an, der eine zusätzliche Tischlerausbildung absolviert
hat.
Bild: privat
El-Ishmawi: (lacht) Das hat weniger
hierarchische als organisatorische
Gründe.
Das Design besticht durch rasant
gekippte Flächen, schwebende
Tischplatten, den Verzicht auf abgerundete Harmonien: Müssen wir
uns bei „Bild“ jetzt auf noch mehr
tollkühne Übertreibungen bei den
Schlagzeilen freuen?
El-Ishmawi: (lacht weiter) Der Einfluss der Möbel ist da sicher begrenzt
– es soll ein Zusammengehörigkeitsgefühl der einzelnen Abteilungen
entstehen. Wichtige Leute aus der
Wirtschaft, die häufig zu Gast sind,
werden ein innovatives Erscheinungsbild vorfinden.
Der Look ist ganz auf Schwarz und
Große Film-Hits
selbst gemacht
Ein innovatives Trio:
(von links) Karim ElIshmawi, Chris
Middleton und
Martin Jacobs posieren in den von
ihrer Denk- und
Designfabrik Kinzo
gestalteten Räumen
von Axel Springer
Digital TV am Schiffbauerdamm in
Berlin-Mitte. Die
futuristischen Ideen
sind ein Ergebnis des
gemeinsamen Brainstormings: „Wir assoziieren um die
Themen herum, oft
habe ich Filmszenen
im Kopf, die ich dann
in die Skizzen miteinbaue“, schildert ElIshmawi den Entstehungsprozess.
Bild: Hans Starck
El-Ishmawi: Bei der Bewertung
durch die Jury spielen die Kriterien
Innovation, Haptik, Funktionalität
und äußere Erscheinung eine Rolle.
Ihr maßgeschneidertes Konzept
beinhaltet einen pfeilförmigen
Kommandostand – entspricht der
der hierarchischen „Bild“-Struktur
und müsste dann unser im Vergleich fast schon basisdemokratischer Verlag einen gemütlichen
birnenförmigen Tisch bekommen?
Film
Amberger Architekt entwirft für Berliner
Springer-Zentrale eine Enterprise-Bürolandschaft
Herr El-Ishmawi, Ihr Doppelschreibtisch „Kinzo Air“ wurde mit
dem „red dot award“ ausgezeichnet – welche Kriterien legte die Jury an?
El-Ishmawi: Das ist die optimale Vorgehensweise. Wir wollen wissen, wie
kommuniziert wird, welche Wege zurückgelegt werden. Das ist eine Form
der kreativen Unternehmensberatung. Dass das Arbeitsumfeld einen
wesentlichen Anteil an der Produktivität hat, ist erwiesen. Auch die Außenwirkung zahlt sich aus. Nach dem
Redesign einer Apotheke, die zuvor
ein sehr traditioneller Laden war,
verdoppelte sich der Umsatz – der
Raum wurde freundlicher und heller.
Aus dem Inhalt
Sportwagen, V8, iPod – für eine natürliche Umgebung haben Sie weniger übrig?
El-Ishmawi: Ganz und gar nicht. Der
Irrtum liegt in der Annahme, dass alles was technisch ist, umweltfeindlich sei. Die Idee von der umweltfreundlichen Stadt ist oft weitläufig –
in Wirklichkeit ist aber kompakt um-
Anforderungen zusammen mit den
Verantwortlichen analysiert, ein Profil erarbeitet, das Raumprogramm
abgestimmt, bis es gepasst hat.
Koste es was es wolle?
El-Ishmawi: Der Finanzrahmen war
ein eng gesteckter...
Ihr
„Bild“-Möbelprogramm
ist
Bild: dpa
„Abgedreht“: Durch einen Unfall
löscht der vertrottelte Jerry (Jack
Black) versehentlich alle Kassetten in der Videothek seines
Freundes Mike (Mos Def). Doch
die beiden haben eine zündende
Idee: Sie drehen die wichtigsten
Filme kurzerhand einfach selbst .
(Seite II)
Kinder
Das Rätsel
von Stonehenge
demnächst auch für Normalbürger
zu haben?
El-Ishmawi: Es kommt im April auf
den Markt. Wir bauen gerade eine
deutschlandweite Vertriebsstruktur
auf.
Ihr Hauptsitz ist am Berliner Alexanderplatz – wie wichtig ist der
Hauptstadtstandort?
El-Ishmawi: Berlin bietet für junge
Architekten ein kreatives Umfeld für
Kooperationen. Die Lebensbedingungen und die Miete sind günstig.
Nur so war es möglich von der Pike
auf eine Firma ohne Fremdkapital
aufzubauen. Wir haben noch Kontaktbüros in Shanghai und Chicago,
aber die Arbeit wird in Berlin gemacht.
Wäre dieser Erfolg auch in Amberg
möglich gewesen?
El-Ishmawi: Schwieriger. Bei Kunden
außerhalb von Berlin spielt das
Standort-Image eine Rolle – man hat
ein besseres Standing, weil Berlin als
kreative Metropole gilt.
Magischer Steinkreis. Bild: dpa
Die riesigen Steine von Stonehenge wiegen bis zu 25 Tonnen.
Manche Fans der Sage um König
Artus glauben, dass der Zauberer
Merlin die Riesensteine aufgestapelt hat. Doch es ist bis heute unklar, wann genau und wozu das
Denkmal errichtet wurde. Deshalb graben jetzt Archäologen
dort wieder – sie wollen das Geheimnis endlich lüften. (Seite III)
... und außerdem
Veranstaltungskalender
Fernsehen
Wetter und Rätsel
IV + V
VI
VIII
Design-Lexikon mit Karim El-Ishmawi
Kleiner Theorietest für den großen
Designer: Karim El-Ishmawi antwortet spontan auf Begriffe aus der
weiten Designer-Welt.
Lieblingsdesigner: Ken Adam.
Accessoires: Wenn’s passt!
Öko-Design: Ein wichtiger Trend,
solange der Inhalt nicht im Vordergrund steht, ist’s ok.
Banaldesign: Gibt’s nicht!
Compasso d’Oro: Ein schöner Preis,
den wir noch gewinnen wollen.
Dekonstruktivismus: Auflösung hat
keinen Einfluss auf unsere Arbeit.
Ergonomie: Ist wichtig, wenn auch
manchmal unschön – es steckt aber
viel Potenzial darin.
Funktion: Mit der Funktion fängt’s
meistens an, sie ist der rote Faden.
Gute Form: Form ohne Funktion ist
mehr Kunst als Gebrauchsobjekt.
Haptik: Das Objekt muss sich gut
anfühlen – letzten Endes ist es eine
Charakterfrage des Materials.
Imitation: Kopie ist verwerflich,
aber Imitation hat es schon immer
gegeben – sie ist die Weiterentwicklung der ursprünglichen Idee.
Junge Wilde: Neue Ideen sind keine
Frage des Alters.
Großer Bahnhof: Mit „Bild“-typischem Paukenschlag wurde die neue Verlagszentrale in Berlin am vorletzten Freitag
eröffnet. Die Redakteure schweben auf Stühlen und Tischen von Kinzo.
Bild: privat
Jack Black.
Kleinserie: Sie beginnt ab zwei.
Metamemphis: Äh, nächste Frage!.
Nude-Look: Ich mag’s lieber verhüllt!
Postmoderne: Griff in die Wühlkiste beim Sommerschlussverkauf –
kann ich nicht ausstehen.
Qual der Wahl: Immer dann, wenn
man die Lösung noch nicht hat.
red dot: Ein wichtiger Preis, der unserer neuartigen Formensprache
hoffentlich den Weg ebnet.
Styling: Meistens bringt’s nichts!
Triennale Mailand: War ich noch nie.
Unikat: Jeder sollte eines sein.
Vollkommen: Noch nicht begegnet.
Wahlheimat: Berlin.
Xing: Es gibt kein Web-Forum für
unsere Branche, weil sich Designer
nur widerwillig austauschen.
Yuppie: Dass Design nur was für
Yuppies ist, ist Quatsch.
Zeichnung: Da geht nichts drüber,
ist immer der Anfang von allem.