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Musterklausur Strafrecht AT Ihr Ratgeber für die erste Klausur mit Auszügen aus der Reihe „Basiswissen“ Alpmann Schmidt Alpmann Schmidt Wir begleiten Sie auf dem Weg zu Ihrem Examen! Studium Repetitorium Referendariat E1ബExamenskurs 1. Examen E2ബExamenskurs 2. Examen C1ബCrashkurs 1. Examen C2ബCrashkurs 2. Examen K1ബKlausurenkurs 1. Examen K2ബKlausurenkurs 2. Examen S2ബSkripten 2. Examen DL S Skripten KK Karteikarten Digitales Lernen BപഩBasiswissen D Definitionen A Aufbauschemata F Fälle RÜപഩRechtsprechungsÜbersicht RÜ2ബRechtsprechungs Übersicht 2 Alpmann und Schmidt Juristische Lehrgänge Verlagsgesellschaft mbH & Co. KG Alter Fischmarkt 8 • 48143 Münster • Tel.: 0251-98109-0 • www.alpmann-schmidt.de Musterklausur Strafrecht StGB AT mit Auszügen aus der Reihe „Basiswissen“ Eine typische Semesterabschlussklausur im Öffentlichen Recht – Grundrechte und im Zivilrecht – BGB AT sowie die vorliegende Strafrechtsklausur finden Sie hier: Öffentliches Recht Grundrechte Strafrecht AT Zivilrecht BGB AT www.alpmann-schmidt.de/ downloads/KlausurÖR.pdf www.alpmann-schmidt.de/ downloads/KlausurSR.pdf www.alpmann-schmidt.de/ downloads/KlausurZR.pdf Alpmann Schmidt Juristische Lehrgänge Verlagsges. mbH & Co. KG 48143 Münster, Alter Fischmarkt 8, Telefon (0251) 98109-0 www.alpmann-schmidt.de, [email protected] Vorwort Liebe Studierende, wie Sie bereits zu Beginn Ihres Studiums merken werden, lernen und arbeiten Sie in zwei unterschiedlichen Bereichen: dem Erwerb abstrakter Rechtskenntnisse und der praktischen Anwendung auf den (unbekannten) Fall. Der Erfolg Ihres Studiums steht und fällt damit, dass Sie beide Felder in ausreichendem Maße „beackern“. Denn von der ersten Studienwoche arbeiten Sie Ihrem ersten Ziel entgegen: den Semesterabschluss- oder Scheinklausuren. Diese bestehen nicht in der Abfrage erworbener Rechtskenntnisse in Form eines multiple-choice-Tests, sondern in der Erstellung eines Rechtsgutachtens – bereits im oder am Ende des 1. Semesters! Dieses Heft zeigt Ihnen exemplarisch, wie Sie eine Erstsemesterklausur im Strafrecht AT erfolgreich lösen. Dabei folgt das Heft der typischen Annäherung an die Problematik: von der Technik der Klausurbearbeitung, über die Vermittlung der abstrakten, in der Klausur eingebauten Rechtskenntnisse bis hin zur Klausurlösung selbst. Letztere enthält Hinweise auf die Punkte, die bei der Notenvergabe für die einzelnen Problemkreise vergeben werden würden. Damit wird die Benotung transparent und Ihnen steht die Möglichkeit offen, sich selbst und ihren Kenntnisstand zu überprüfen. Warum aber erhalten Sie ein Klausurheft mit Erstsemesterklausuren von ALPMANN SCHMIDT? ALPMANN SCHMIDT, T bereits 1957 in Münster gegründeter juristischer Fachverlag und erstes bundesweit in allen 42 großen Universitätsstädten tätiges Repetitorium, ist Ihr Begleiter in der juristischen Ausbildung. Wir bereiten nicht nur Examenskandidaten auf Ihre Klausuren vor, sondern richten uns mit unseren Verlagsprodukten auch an die Studierenden. Damit ist ALPMANN SCHMIDT Ihr Ausbildungsbegleiter von den ersten Wochen des Studiums bis zum Abschluss des 2. Staatsexamens. Damit sind unsere Verlagsprodukte – sei es print oder digital – Ihre unverzichtbaren Begleiter auf dem Weg zum Volljuristen. Alle unsere Produkte konzentrieren sich auf das Wesentliche und verknüpfen abstraktes Wissen mit Anwendungsfragen, insbesondere mit gezielten Klausur- und Aufbauhinweisen. So ermöglichen sie eine fokussierte, anwendungsorientierte und zeitsparende Vorbereitung auf die Ihnen bevorstehenden Prüfungen. Zum Inhalt dieses Hefts im Einzelnen: Klausurtechnik und -taktik A. Oberste Klausurregel „Ruhe bewahren – andere kochen auch nur mit Wasser.“ B. Technischer Ablauf Der technische Ablauf einer Klausur stellt prinzipiell einen „Vierakter“ dar; optimal mit folgendem Ablauf: 1. Akt: Vollständiges Erfassen des Sachverhalts 2. Akt: Erstellen einer vollständigen Lösungsskizze (Gliederung) 3. Akt: Niederschreiben des Gutachtens (eigentliche Klausurleistung!) 4. Akt: Durchlesen der eigenen Lösung und „feilen“ an Lösung C. Die sieben Regeln für eine erfolgreiche Klausurbearbeitung I. Sachverhaltsaufbereitung Den Sachverhalt sorgfältig mindestens zwei- bis dreimal vollständig lesen. Sachverhaltsskizze und/oder Zeitstrahl erstellen. Dabei auf gesondertem Blatt die ersten Ideen notieren (z.B. „§§ ...“ oder „Problem: Vorsatz bzgl. Tod eines Menschen?“) Ö Klausurtipp: Die ersten Ideen sind häufig die besten! II. Fragestellung erarbeiten Die Fragestellung (sog. „Fallfrage“) muss bei der Lösung genau beachtet werden, da sie den Inhalt des Gutachtens vorgibt! Aufgliederung nach Sachverhaltsteilen durch Bildung von Tat-/Handlungskomplexen Ausgeschlossene Straftatbestände berücksichtigen Sind Strafanträge gestellt? III. Rechtliches Durchdringen des Falles Die rechtliche Durchdringung des Falles und die Erstellung der Lösungsskizze vollzieht sich in zwei Phasen: 1. Brainstorming (Kreative Phase) Auffinden und Ordnen der lösungsrelevanten Rechtsnormen. (Möglichst) alle herangezogenen Normen – auch wenn hinlänglich bekannt – lesen, um nichts zu vergessen! Ö Klausurtipp: Auch immer „zwei §§ davor und zwei dahinter prüfen“!!! 2. Disziplinierte Prüfung (Arbeitsphase) Akribische Prüfung der für lösungsrelevant erkannten Rechtsnormen IV. Der Sachverhalt ist mitteilsam und heilig!!! 1. Eine Klausurlösung muss sich ergeben wie eine „Klickerbahn“: Ein Teil muss sich aus dem anderen ergeben. Wenn es bei der Lösung nicht richtig weitergeht, darf nicht der Sachverhalt dem gewollten Ergebnis angepasst werden, sondern der eigene Lösungsansatz muss überprüft werden. 2. Ausnahmen: Schließen Sie Lücken im Sachverhalt durch lebensnahe Auslegung. Erforderlich ist eine solche aber nur, wenn sie für die Lösung auch wirklich erforderlich ist! Keine „Sachverhaltsquetsche“! An Rechtsansichten der Beteiligten ist man nicht gebunden, vielmehr können sie ein Tipp des Klausurstellers, aber auch eine Falle sein! Die Kurzanleitung zur Klausurtechnik und -taktik k vermittelt die wichtigsten Punkte und Arbeitsschritte der Klausurbearbeitung. Es ist damit das „Werkzeug“ des Juristen, mit der er sich der Lösung des Falles wendet. Im Laufe Ihres Studiums werden Sie erkennen, dass dieses „Werkzeug“ universell für Semester(abschluss)klausuren wie auch für Examensklausuren verwendet werden kann. Musterklausur Strafrecht Strafrecht AT So könnte Ihre erste Klausur im Strafrecht aussehen: Sachverhalt: Karoline (K) besucht zusammen mit ihren beiden besten Freundinnen den Club „Index“ in der Stadt O. Nachdem sie sich an der Bar mit Cocktails versorgt haben, stellen sich K und ihre Freundinnen in der Nähe der Tanzfläche. Dort bemerkt die K, dass zwei Gäste, Thorsten (T) und sein Kumpel Marcel (M), die sich unmittelbar vor ihr auf der Tanzfläche befinden, gegen das bestehende Rauchverbot verstoßen. K geht zu den beiden und fordert sie auf, mit dem Rauchen aufzuhören oder dies draußen zu tun. T und M ignorieren die Aufforderung. K dreht sich wutschnaubend und schimpfend um und begibt sich zum Eingangsbereich. Dort spricht sie die Security-Mitarbeiter an, die ihr versichern, sich um die Angelegenheit zu kümmern und auf die Einhaltung des Rauchverbotes hinzuwirken. K ist beruhigt und begibt sich wieder zu ihren Freundinnen. T und M sieht sie zunächst nicht. Nachdem sie getanzt haben, begeben sich K und ihre Freundinnen erneut zur Bar. Gerade als K den bestellten Cocktail serviert bekommt, tritt T neben sie – erneut mit einer brennenden Zigarette in der Hand. K ist außer sich: Sie schreit den deutlich größeren und ihr körperlich überlegenen T an, er solle endlich das Rauchen einstellen. Daraufhin beugt sich T mit drohendem Gesichtsausdruck zu K herüber und bläst ihr aus einer Entfernung von unter einem Meter den Zigarettenqualm mit spürbar feuchter, d.h. mit Speichelpartikeln versetzter Atemluft ins Gesicht und fragt, was sie jetzt machen wolle. Durch das Anpusten mit dem Zigarettenqualm werden die Atemwege der K merklich gereizt; sie muss unwillkürlich mehrmals kräftig husten. T findet Gefallen daran, die K weiter zu provozieren, und nimmt erneut einen tiefen Zug an seiner Zigarette, um ihn der K erneut in das Gesicht zu pusten. Um dies zu verhindern, will K ihm ihr Getränk mitsamt Glas in das Gesicht werfen. T bemerkt die Ausholbewegung, mit der er zuvor überhaupt nicht gerechnet hat, und schlägt mit der Faust der K kraftvoll auf den Unterarm, um seinerseits zu verhindern, von dem Glas oder dem Inhalt getroffen zu werden. Hierdurch erleidet K eine schmerzhafte Prellung mit einem Bluterguss am Unterarm. Das Glas fällt zu Boden und zerspringt. Strafbarkeit des T? Bearbeitungshinweis: Beleidigungsdelikte und Sachbeschädigung sind nicht zu prüfen. Etwa erforderliche Strafanträge wurden gestellt. Der Sachverhalt ist „die Klausur“, wie Sie Ihnen am Ende des Semesters gestellt wird. Lesen Sie den Sachverhalt besonders aufmerksam: Er enthält sehr häufig Hinweise des Klausurstellers auf in dem Gutachten anzusprechende Rechtsfragen. Vorwort Das Basiswissen (B) enthält das wesentliche Grundwissen, wie Sie es für eine Semesterabschlussklausur benötigen. Abstrakt und ohne unnötigen Ballast können Sie mit dieser Reihe, die alle Rechtsgebiete des Grundstudiums abdeckt, die abstrakten Rechtskenntnisse erwerben. Lösung zur Musterklausur Strafrecht StGB AT Randbemerkungen, Punkteangaben und die Vorbemerkung gehören nicht zum Gutachten. Hervorhebungen (wie hier Fettdruck) werden in der Klausur nicht gerne gesehen. Wir benutzen diese Elemente, um Ihnen didaktische Hinweise zu geben. Vorüberlegung, nicht Teil der Lösung: 1. Gerade wenn Sie – wie im vorliegenden Fall – eine ineinander verschachtelte Prüfung von Rechtfertigungsgründen begutachten müssen, bietet sich im Vorfeld die Erstellung einer Skizze mit den wechselseitigen Handlungen an (vgl. die Hinweise zur Klausurtechnik). Je einfacher Sie eine solche Skizze halten, desto eher kann sie eine Orientierungshilfe sein. Denn denken Sie daran: Angesichts der nur kurz bemessenen Zeit für eine Semesterabschlussklausur schaffen Sie es nicht, den Sachverhalt immer wieder zu lesen! Für den vorliegenden Fall könnte Ihre Skizze wie folgt aussehen: T Anblasen mit Zigarettenrauch / Spucke K Ausholen mit dem Glas, um zu beschütten Schlag auf den Unterarm 2. Darüber hinaus mussten Sie in diesem Fall erkennen, dass sich aus der ersten „Auseinandersetzung“ von T und K auf der Tanzfläche keinerlei strafbares Verhalten ergibt. Derartige Sachverhaltsabschnitte können – und müssen! – Sie in Ihrem Gutachten unerwähnt lassen! Alles andere wären überflüssige Ausführungen, die Sie nicht nur Zeit sondern auch Punkte kosten! 3. Letztlich galt es auch, Fallfrage und Bearbeitervermerk sorgfältig zu lesen! Aus der Fallfrage ergibt sich, dass ausschließlich nach der Strafbarkeit des T gefragt ist. Einen besonders schwerwiegenden Fehler begehen Sie deshalb, wenn Sie auch die Strafbarkeit der K prüfen. Verlangt ist in diesen Fällen vielmehr, dass Sie sich inzident in der Prüfung der Rechtfertigung durch Notwehr mit dem Verhalten der K auseinandersetzen. Aufgrund des Bearbeitungsvermerks durften Sie keine Sachbeschädigung gemäß § 303 Abs. 1 StGB durch das Herunterschlagen des Cocktailglases prüfen. Ausführungen hierzu wären deshalb ebenfalls überflüssig und folglich falsch! 4. Falls Sie glauben, wir hätten uns einen solch abstrusen Sachverhalt nur ausgedacht: Der Fall geht auf eine Originalentscheidung des Amtsgerichts Erfurt zurück (Urt. v. Die Lösung enthält das Gutachten und damit die Musterlösung zum Sachverhalt. Sie werden feststellen, dass in den vorherigen Auszügen nahezu das gesamte für die Lösung erforderliche Wissen enthalten ist. Am Rand der Lösung haben wir Hinweise zur Vertiefung des enthaltenen Wissens und zur Bewertung mit aufgenommen. 18.09.2013 – 910 Js 1195/1348 Ds). Sie finden diese Entscheidung in der im AlpmannSchmidt-Verlag erscheinenden „RechtsprechungsÜbersicht“ (RÜ) in Heft 11/2014. Für die Vorbereitung der weiteren Klausuren während Ihres Studiums empfehlen wir zusätzlich: Unsere Reihe Fälle (F) mit vielen weiteren Sachverhalten nebst Gutachten. Entsprechend der hier dargestellten Musterklausur enthält diese Reihe eine Mischung von „Klassikern“ und aktuellen Entscheidungen und sind damit Vorlage für das eigene „Falltraining“. Unsere Definitionen (D) mit allen „Vokabeln“ für die Fallbearbeitung. Ohne die – oftmals ungeliebte – Definition eines rechtlichen Merkmals lässt sich nicht überprüfen, ob dieses im konkreten Fall erfüllt ist. Damit ein wichtiges Nachschlagewerk für jede Fallbearbeitung! Unsere digitaler Karteikartenkasten – das Digitale Lernen (DL). Mit der Alpmann Schmidt Jura App für iOS und Android statten wir Sie zusammen mit unserem Partner Repetico mit einen ausgeklügelten Lernsystem aus. Wir wünschen Ihnen Freude am Jurastudium und bereits jetzt viel Erfolg für Ihre ersten Klausuren! Münster, im März 2016 Ihr AS-Team Klausurtechnik und -taktik Klausurtechnik und -taktik A. Oberste Klausurregel Ruhe bewahren – andere kochen auch nur mit Wasser! B. Technischer Ablauf Der technische Ablauf einer Klausur stellt prinzipiell einen „Vierakter“ dar; optimal mit folgendem Ablauf: 1. Akt: vollständiges Erfassen des Sachverhalts 2. Akt: Erstellen einer vollständigen Lösungsskizze (Gliederung) 3. Akt: Niederschreiben des Gutachtens (eigentliche Klausurleistung!) 4. Akt: Durchlesen der eigenen Lösung und „feilen“ an der Lösung C. Die acht Regeln für eine erfolgreiche Klausurbearbeitung In den einzelnen Akten müssen Sie verschiedene Aufgaben erledigten und unterschiedliche Dinge berücksichtigen. Insgesamt lassen sich daraus acht einzelne Regeln entwickeln: 1. Akt: I. Sachverhaltsaufbereitung Den Sachverhalt sorgfältig zweimal vollständig lesen. Sachverhaltskizze und/oder Zeitstrahl erstellen. Dabei auf gesondertem Blatt die ersten Ideen notieren (z.B. „§§ ...“ oder „Problem: Vorsatz bzgl. Tod eines Menschen?“) Klausurtipp: Die ersten Ideen sind häufig die besten! II. Fragestellung erarbeiten Die Fragestellung (sog. „Fallfrage“) muss bei der Lösung genau beachtet werden, da sie den Inhalt des Gutachtens vorgibt! Aufgliederung nach Sachverhaltsteilen durch Bildung von Tat-/Handlungskomplexen Ausgeschlossene Straftatbestände berücksichtigen Sind Strafanträge gestellt? 2. Akt: III. Rechtliches Durchdringen des Falles Die rechtliche Durchdringung des Falles und die Erstellung der Lösungsskizze vollzieht sich in zwei Phasen: Klausurtechnik und -taktik 1. Brainstorming (Kreative Phase) Auffinden und Ordnen der lösungsrelevanten Rechtsnormen (Möglichst) alle herangezogenen Normen – auch wenn hinlänglich bekannt – lesen, um nichts zu vergessen! Klausurtipp: Auch immer „zwei §§ davor und zwei dahinter prüfen“! 2. Disziplinierte Prüfung (Arbeitsphase) Akribische Prüfung der lösungsrelevanten Rechtsnormen IV. Der Sachverhalt ist mitteilsam und heilig!!! 1. Eine Klausurlösung muss sich ergeben wie eine „Klickerbahn“: Ein Teil muss sich aus dem anderen ergeben. Wenn es bei der Lösung nicht richtig weitergeht, darf nicht der Sachverhalt dem gewollten Ergebnis angepasst, sondern der eigene Lösungsansatz muss überprüft werden! 2. Ausnahmen: Schließen Sie Lücken im Sachverhalt durch lebensnahe Auslegung. Erforderlich ist eine solche aber nur, wenn sie für die Lösung auch wirklich erforderlich ist! Keine „Sachverhaltsquetsche“! An Rechtsansichten der Beteiligten ist man nicht gebunden, vielmehr können sie ein Tipp des Klausurstellers, aber auch eine Falle sein! V. Schwerpunktbildung 1. Bei der Erstellung der Lösungsskizze problemorientiert prüfen, Schwerpunkte bilden und in der Lösung kennzeichnen (z.B. durch eine andere Farbe oder mit einem „P“). 2. Unproblematisches kann im verkürzten Gutachtenstil (Definition und Subsumtion in einem Satz) oder sogar im Urteilsstil (Ergebnis vorangestellt mit anschließender Begründung) erörtert werden. 3. Ausfiltern der Lösungsskizze bzw. ersten Ideen: Als abwegig Erkanntes aussortieren! Klausurtipp: Immer kritikfähig in Bezug auf die eigene Lösung bleiben! VI. Prüfungsreihenfolge vom Speziellen zum Allgemeinen 1. Prüfungsreihenfolge beachten (sofern nicht durch Fragestellung eingeengt) Grds. schwerste Delikte zuerst Täterschaft vor Teilnahme 2. Konkrete Prüfungsaufhänger suchen Keine abstrakten Erörterungen, sondern Probleme und Meinungsstreitigkeiten stets konkret am Tatbestandsmerkmal erörtern! Klausurtechnik und -taktik 3. Akt: VII. Handwerkliches Können bei der Erstellung der Lösung 1. Bei der Subsumtion immer den Pendelblick bewahren zwischen der zu prüfenden Norm, der Fragestellung, dem Sachverhalt und dem Gesetzestext. 2. Normen genau bezeichnen (nicht „§ 224“, sondern § 224 Abs. 1 Nr. 2 Alt. 2 StGB) und vollständig prüfen 3. Reihenfolge: Obersatz, Definition, Subsumtion, (Zwischen-)Ergebnis Grds. nicht Ergebnis voranstellen, da Urteilsstil („A beging die Körperverletzung mittels …, da ...“)! 4. Klare und geraffte Argumentationen („dafür – dagegen – zu folgen ist“) 5. Meinungsstreite nur darstellen und ausführlich herleiten, wenn es für die Falllösung darauf ankommt. Nach Darstellung der jeweiligen Meinung Subsumtion des konkreten Falles. Bei unterschiedlichen Ergebnissen: Stellungnahme nicht vergessen! 6. Tatbestandsmerkmale dürfen nur im extremen Ausnahmefall offengelassen werden, wenn das nachrangige Merkmal evident nicht erfüllt ist (z.B. kein Tötungsvorsatz bei Prügelei) und das übersprungene Merkmal entweder keinerlei Bedeutung für die weitere Falllösung hat oder an anderer Stelle wieder angesprochen werden kann. Im ersten Fall schadet ein Hinweis auf die offengelassene Problematik gleichwohl nicht! 7. Wichtig: Gliederungspunkte verwenden und Absätze machen da dem Prüfer nur so klar wird, dass man die Systematik (z.B. Obervoraussetzung, Untervoraussetzung) beherrscht. Also nicht seitenlang im Fließtext runterschreiben! Überschriften nur bei den jeweiligen Rubriken verwenden (Tatbestand, Rechtswidrigkeit, Schuld), im Übrigen sind Überschriften überflüssig! 8. Bilden Sie Schwerpunkte, d.h. ausführliche Argumentation an den „Knackpunkten“ des Falles. Unproblematisches ist andererseits entsprechend kurz zu erörtern! Ausführlich zum Gutachtenstil siehe AS-Skript Methodik der Fallbearbeitung. 4. Akt: VIII. Letzte Überprüfung vor Klausurabgabe Abgleich mit der Lösungsskizze: Sind alle Prüfungspunkte im Gutachten abgearbeitet? Abgleich mit der Aufgabenstellung: Sind alle Fallfragen beantwortet? Musterklausur Strafrecht Strafrecht AT So könnte Ihre erste Klausur im Strafrecht aussehen: Sachverhalt: Karoline (K) besucht zusammen mit ihren beiden besten Freundinnen den Club „Index“ in der Stadt O. Nachdem sie sich an der Bar mit Cocktails versorgt haben, stellen sich K und ihre Freundinnen in der Nähe der Tanzfläche. Dort bemerkt die K, dass zwei Gäste, Thorsten (T) und sein Kumpel Marcel (M), die sich unmittelbar vor ihr auf der Tanzfläche befinden, gegen das bestehende Rauchverbot verstoßen. K geht zu den beiden und fordert sie auf, mit dem Rauchen aufzuhören oder dies draußen zu tun. T und M ignorieren die Aufforderung. K dreht sich wutschnaubend und schimpfend um und begibt sich zum Eingangsbereich. Dort spricht sie die Security-Mitarbeiter an, die ihr versichern, sich um die Angelegenheit zu kümmern und auf die Einhaltung des Rauchverbotes hinzuwirken. K ist beruhigt und begibt sich wieder zu ihren Freundinnen. T und M sieht sie zunächst nicht. Nachdem sie getanzt haben, begeben sich K und ihre Freundinnen erneut zur Bar. Gerade als K den bestellten Cocktail serviert bekommt, tritt T neben sie – erneut mit einer brennenden Zigarette in der Hand. K ist außer sich: Sie schreit den deutlich größeren und ihr körperlich überlegenen T an, er solle endlich das Rauchen einstellen. Daraufhin beugt sich T mit drohendem Gesichtsausdruck zu K herüber und bläst ihr aus einer Entfernung von unter einem Meter den Zigarettenqualm mit spürbar feuchter, d.h. mit Speichelpartikeln versetzter Atemluft ins Gesicht und fragt, was sie jetzt machen wolle. Durch das Anpusten mit dem Zigarettenqualm werden die Atemwege der K merklich gereizt; sie muss unwillkürlich mehrmals kräftig husten. T findet Gefallen daran, die K weiter zu provozieren, und nimmt erneut einen tiefen Zug an seiner Zigarette, um ihn der K erneut in das Gesicht zu pusten. Um dies zu verhindern, will K ihm ihr Getränk mitsamt Glas in das Gesicht werfen. T bemerkt die Ausholbewegung, mit der er zuvor überhaupt nicht gerechnet hat, und schlägt mit der Faust der K kraftvoll auf den Unterarm, um seinerseits zu verhindern, von dem Glas oder dem Inhalt getroffen zu werden. Hierdurch erleidet K eine schmerzhafte Prellung mit einem Bluterguss am Unterarm. Das Glas fällt zu Boden und zerspringt. Strafbarkeit des T? Bearbeitungshinweis: Beleidigungsdelikte und Sachbeschädigung sind nicht zu prüfen. Etwa erforderliche Strafanträge wurden gestellt. Basiswissen – Jura von Anfang an verstehen! Alpmann Schmidt Auszug aus AS-Basiswissen Strafrecht AT, 4. Aufl. 2015 A. Der dreistufige Deliktsaufbau: Universalprogramm für alle Straftaten Wenn es in einer Strafrechtsklausur also nur darum geht, ob jemand ein Verbot verletzt hat, müsste man eigentlich nur prüfen, ob der Straftatbestand erfüllt ist. Richtig? Leider nicht: Denn auch wenn jemand etwas allgemein Verbotenes tut, kann er doch im Einzelfall gerechtfertigt sein – denken Sie an die Tötung eines Angreifers in Notwehr. Wir müssen also auch immer prüfen, ob der Tatbestand auch rechtswidrig erfüllt wurde. Auch trotz Rechtswidrigkeit kann es sein, dass wir dem Täter aus der Tat gar keinen Vorwurf machen können, weil er gar nicht in der Lage war, sich rechtstreu zu verhalten – denken Sie an Kinder oder Geisteskranke. Eine Strafe kann nur verhängt werden, wenn der Täter vorwerfbar, also schuldhaft gehandelt hat. Und damit sind wir bei den drei Hauptpunkten jeder Strafbarkeitsprüfung: dem dreistufigen Deliktsaufbau. Dieser gilt für jede Deliktsprüfung und jeder dieser Hauptpunkte umfasst verschiedene Unterpunkte. I. Tatbestandsmäßigkeit Beginnen wir mit dem Straftatbestand oder noch kürzer: mit dem Tatbestand. 1. Die Wörter, aus denen der Tatbestand zusammengesetzt ist, heißen Tatbestandsmerkmale. Die meisten sind objektiv gefasst, d.h. man kann sie unabhängig von etwaigen Vorstellungen des Täters feststellen. Sie beschreiben das äußere Erscheinungsbild der Tat, z.B. den Täterkreis, das Tatobjekt sowie die Tathandlung und die verbotene Folge. Objektiver Tatbestand Bei der Körperverletzung gehören zum objektiven Tatbestand die Merkmale: „andere Person“, „körperlich misshandeln“ und als Alternative dazu: „an der Gesundheit schädigen“. Der Täterkreis wird nicht näher eingegrenzt; erforderlich ist nur, dass Täter und Opfer verschiedene Personen sind. Das ergibt sich aus dem Adjektiv „andere“. 2. Nun sagt § 223 Abs. 1 gar nichts zu der Frage, ob oder was sich der Täter bei der Tat gedacht haben muss. Man könnte also meinen, dass dies völlig unerheblich sei. Das kann aber auch nicht sein, weil der Gesetzgeber in § 229 ausdrücklich die fahrlässige Körperverletzung unter (mildere) Strafe gestellt hat. Fahrlässig handelt, wer „aus Versehen“ etwas falsch macht und ohne es zu wollen einen Schaden herbeiführt. Subjektiver Tatbestand Auszug aus AS-Basiswissen Strafrecht AT, 4. Aufl. 2015 Also muss die Körperverletzung nach § 223 Abs. 1 irgendein Mehr an Unrecht aufweisen. Aber was? Die Antwort gibt § 15. Dort heißt es kurz und bündig: „Strafbar ist nur vorsätzliches Handeln, wenn nicht das Gesetz fahrlässiges Handeln ausdrücklich mit Strafe bedroht.“ Hieraus ergibt sich eine wichtige Erkenntnis für das Erfassen von Strafvorschriften. Etwas anders ausgedrückt besagt § 15 nämlich: Immer dann, wenn das strafrechtliche Verbotsgesetz zur inneren Seite des Täters schweigt, wird verlangt, dass der Täter bzgl. aller objektiven Tatbestandselemente vorsätzlich gehandelt hat. Durch § 15 hat sich der Gesetzgeber nur erspart, das in jede Strafnorm extra hineinzuschreiben. Die Vorsatztat ist der Regeltyp aller Straftaten. Jetzt taucht schon wieder ein neuer Begriff auf: Vorsatz. Was ist das? Wir müssen uns diesem komplexen Begriff später noch genauer widmen. Soviel an dieser Stelle: Vorsatz ist die gewollte oder bewusste Erfüllung aller Elemente eines Straftatbestandes. Umgangssprachlich auch: „Das hast Du extra getan!“ § 15 besagt weiter: Will der Gesetzgeber auch fahrlässiges Verhalten unter Strafe stellen, muss er dies ausdrücklich anordnen. So z.B. geschehen in § 229. Zurück zur Vorsatztat. Wir wissen nun, dass bei jedem dieser Delikte der Straftatbestand zusätzlich zur Verwirklichung der objektiven Tatbestandsmerkmale als subjektives Tatbestandsmerkmal Vorsatz des Täters verlangt. 3. Darüber hinaus sind in vielen Straftatbeständen spezielle subjektive Tatbestandsmerkmale genannt, die nach dem Vorsatz festzustellen sind. Sie beschreiben in den meisten Fällen weitergehende, auf die Zukunft gerichtete Absichten des Täters (z.B. Zueignungsabsicht bei § 242 Abs. 1). II. Rechtswidrigkeit In der Regel steht mit der Tatbestandsmäßigkeit fest, dass der Täter gegen das Recht verstoßen, also rechtswidrig gehandelt hat. Das lässt sich aus § 11 Abs. 1 Nr. 5 herauslesen, einer Vorschrift über den Sprachgebrauch des Strafgesetzes: „Im Sinne dieses Gesetzes ist rechtswidrige Tat nur eine solche, die den Tatbestand eines Strafgesetzes verwirklicht.“ Auszug aus AS-Basiswissen Strafrecht AT, 4. Aufl. 2015 Andererseits gibt es Regeln, nach denen ausdrücklich die Rechtswidrigkeit ausgeschlossen ist, die sog. Rechtfertigungsgründe. Rechtfertigungsgründe Rechtfertigungsgründe gibt es viele. Sie existieren als geschriebenes und ungeschriebenes Recht, denn das Prinzip: „Keine Strafe ohne Gesetz“ gilt nur für die Strafbarkeitsbegründung, nicht für Strafbarkeitsausschlüsse. Ich komme darauf noch zu sprechen. Wenn auch nur ein Rechtfertigungsgrund eingreift, liegt trotz der Tatbestandsmäßigkeit kein Unrecht vor. Bevor wir also ein abschließendes Urteil darüber treffen, müssen wir die gesamte Rechtsordnung danach absuchen, dass keine Rechtfertigungsgründe vorgelegen haben. Genau das ist die Funktion der zweiten Deliktsstufe: der Rechtswidrigkeit. Die Tatbestandsmäßigkeit löst zwar die Vermutung der Rechtswidrigkeit aus; diese Vermutung, oder auch: Indizwirkung, entfällt aber, wenn für die Tat ein Rechtfertigungsgrund eingreift. III. Schuld Mit der Feststellung der Rechtswidrigkeit einer tatbestandsmäßigen Tat allein kann aber noch keine Strafe verhängt werden, denn individuelle Strafe setzt voraus, dass der Täter für das von ihm angerichtete Unrecht auch persönlich verantwortlich gemacht werden kann. Hier kommt ein weiteres Fundamentalprinzip jedes Rechtsstaats ins Spiel: Keine Strafe ohne Schuld. Schuld im strafrechtlichen Sinn ist viel enger als Schuld im moralischen oder religiösen Sinn. Sie liegt schon dann vor, wenn der Täter wenigstens dazu fähig war, das Unrecht seiner Tat einzusehen und nach dieser Einsicht zu handeln. Auch dies spricht der Gesetzgeber nirgendwo als Strafbarkeitsvoraussetzung an; die Schuldfähigkeit wird vielmehr bei einem gesunden Erwachsenen vermutet. 1. Die Vermutung gilt nicht bei einem Kind unter 14 Jahren, § 19. Kinder sind strafunmündig. 2. Bei Jugendlichen im Alter von 14–18 Jahren (§ 1 Abs. 2 JGG = Jugendgerichtsgesetz) muss die strafrechtliche Verantwortlichkeit nach ihrer sittlichen und geistigen Entwicklungsreife positiv festgestellt werden, § 3 S. 1 JGG. 3. Bei Heranwachsenden im Alter zwischen 18 und 21 Jahren (§ 1 Abs. 2 JGG) und bei Erwachsenen ist die Vermutung widerlegbar, wenn der Täter im Zeitpunkt der Tat geisteskrank oder – in Klausuren häufig – in einem hochgradigen Alkoholrausch war und des- „Indizieren“ heißt in diesem Zusammenhang:“ Die Schlussfolgerung erlauben/die Vermutung begründen.“ Aber Widerlegung (durch einen Rechtfertigungsgrund) ist möglich. Schuldfähigkeit Auszug aus AS-Basiswissen Strafrecht AT, 4. Aufl. 2015 halb seine Einsichts- oder Steuerungsfähigkeit ausgeschlossen war, § 20. Entschuldigungsgründe 4. Darüber hinaus kann sich jeder an sich schuldfähige Täter in einer Ausnahmesituation befinden, die es ihm unzumutbar macht, sich rechtskonform zu verhalten. Er verwirklicht dann zwar Unrecht, ist aber dennoch nicht strafbar. Solche Entschuldigungsgründe sind insbesondere existenzbedrohende Gefahrenlagen nach § 35. B. Sonstige Strafbarkeitsvoraussetzungen oder -hindernisse Tatbestandsmäßigkeit, Rechtswidrigkeit und Schuld sind für die Strafbarkeit zwar notwendige, aber immer noch nicht hinreichende Voraussetzungen. In dem einen oder anderen Straftatbestand können dafür noch weitere Voraussetzungen zu prüfen sein. Auf objektive Strafbarkeitsbedingungen müssen sich weder Vorsatz noch Fahrlässigkeit des Täters beziehen! I. Objektive Strafbarkeitsbedingungen Außerhalb von Tatbestand und Schuld stehen zunächst die seltenen objektiven Strafbarkeitsbedingungen. Dies sind Umstände, die an ein für sich gesehen gefährliches Verhalten anknüpfen, durch deren tatsächliche Verwirklichung aber erst die Schwelle der Strafwürdigkeit überschritten wird. Den Täter braucht bzgl. einer objektiven Strafbarkeitsbedingung kein Vorsatz- oder Fahrlässigkeitsvorwurf zu treffen. Er kann sich diesbezüglich aber auch nicht mit fehlendem Vorsatz oder fehlender Fahrlässigkeit entlasten. II. Strafausschließungs-, -aufhebungsgründe und benannte Strafzumessungsvorschriften 1. Spiegelbildlich zu den objektiven Strafbarkeitsbedingungen stehen die Strafausschließungsgründe. Hierbei handelt es sich entweder um persönliche Gesichtspunkte (z.B. § 258 Abs. 5 und Abs. 6) oder sachliche Umstände (z.B. § 37), die schon bei Tatbegehung vorliegen und das Strafbedürfnis entfallen lassen. 2. Demgegenüber beseitigen die sog. Strafaufhebungsgründe rückwirkend die Strafbarkeit, weil der Täter durch sein Verhalten weiteren Schaden verhindert hat. Hauptfälle sind der beim Versuch grundsätzlich mögliche Rücktritt (§ 24) und beim vollendeten Delikt die tätige Reue in den Fällen, in denen sie gesetzlich vorgesehen ist (z.B. § 306 e). Regelbeispiele 3. In Klausuren bis zum Referendarexamen braucht man sich nicht um die konkret zu verhängende Strafe zu kümmern. Eine Ausnah- Auszug aus AS-Basiswissen Strafrecht AT, 4. Aufl. 2015 me bilden die sog. benannten Strafzumessungsgesichtspunkte. Das sind solche, die an bestimmte gesetzliche Merkmale anknüpfen und deshalb auch wie sonstige Merkmale geprüft werden können. Am wichtigsten sind die sog. Regelbeispiele: Man erkennt diese immer daran, dass der Gesetzgeber dem jeweiligen BT-Tatbestand einen Absatz oder einen Paragrafen anhängt, dessen Satz 1 („In besonders schweren Fällen wird ... bestraft“) die Formel folgt: „Ein besonders schwerer Fall liegt in der Regel vor, wenn ...“ (vgl. § 243 Abs. 1 S. 2). Da der Gesetzgeber die Straferhöhung nicht zwingend vorschreibt, sondern auch Ausnahmen zulässt, sind die Regelbeispiele keine Tatbestände, sondern Strafzumessungsvorschriften. Andererseits können die in den Regelbeispielen genannten Voraussetzungen wie Tatbestandsmerkmale subsumiert werden. Deshalb sind sie auch in der Klausur zu erwähnen. Sie brauchen aber auch bei den Regelbeispielen nur festzustellen, ob sie erfüllt sind oder nicht. Eine konkrete Strafe müssen Sie auch hier nicht bestimmen. III. Verfahrensvoraussetzungen und -hindernisse Prozessvoraussetzungen 1. Außerhalb von Unrecht und Schuld stehen auch die Strafverfolgungsvoraussetzungen: Viele Delikte der Bagatellkriminalität hat der Gesetzgeber unter den Vorbehalt gestellt, dass der Verletzte Strafantrag gestellt hat, also innerhalb von drei Monaten nach Kenntnis von Tat und Täter förmlich die Strafverfolgung begehrt. Einzelheiten finden sich in den §§ 77 ff. Stellt der Verletzte keinen Strafantrag, besteht in diesen Fällen ein Strafverfolgungshindernis, d.h. der Täter kann strafrechtlich für die Verwirklichung dieser Delikte nicht zur Verantwortung gezogen werden (sog. absolute Antragsdelikte, z.B. § 194). In anderen Fällen ist das jeweilige Delikt nicht nur nach Strafantrag des Verletzten verfolgbar, sondern auch dann, wenn die Strafverfolgungsbehörde das besondere öffentliche Verfolgungsinteresse bejaht hat (sog. relative Antragsdelikte, z.B. § 230). In Übungsklausuren sind die Strafverfolgungsvoraussetzungen selten ein Problem. Meistens steht am Ende des Falles: „Etwa erforderliche Anträge sind gestellt.“ Dann genügt es, wenn Sie in Ihrer Lösung auf die Strafverfolgungsvoraussetzung hinweisen und darauf, dass diese nach dem Sachverhalt erfüllt ist. ! 2. Gewissermaßen negative Strafverfolgungsvoraussetzungen sind die Strafverfolgungshindernisse. Das Wichtigste ist die Strafverfolgungsverjährung. Die Verjährung beginnt, wenn die Prozesshindernisse Auszug aus AS-Basiswissen Strafrecht AT, 4. Aufl. 2015 Tat beendet ist, und sie endet nach Ablauf einer ununterbrochenen Frist. Die Verjährungsfrist richtet sich nach dem jeweiligen Strafrahmen und kann von drei bis zu 20 Jahren lang sein (Einzelheiten in den §§ 78 ff.). Mord (§ 211) verjährt sogar nie. ! Verjährung spielt in Übungsklausuren praktisch keine Rolle. ––– C. Das vollendete vorsätzliche Erfolgsdelikt als Begehungstat Hiervon geht der Gesetzgeber als Normalfall aus. Dieses Schema müssen Sie auswendig lernen! Das ist die häufigste und deshalb wichtigste Deliktsart. Sie liegt vor, wenn der Täter – bewusst und/oder gewollt – alle Tatbestandsmerkmale durch aktives Tun verwirklicht. Dieses Deliktsmodells veranschaulicht zugleich die wichtigsten Einzelheiten der verschiedenen Deliktsstufen. Aufbauschema: Vollendetes vorsätzliches Begehungsdelikt I. Tatbestandsmäßigkeit 1. Objektiver Tatbestand a) Täter, Tathandlung, Taterfolg b) Kausalzusammenhang c) Objektiver Zurechnungszusammenhang zwischen Handlung und Erfolg 2. Subjektiver Tatbestand a) Tatbestandsvorsatz b) Ggf. deliktsspezifische subjektive Tatbestandselemente (ggf. objektive Bedingung der Strafbarkeit) II. Rechtswidrigkeit Kein Eingreifen von Rechtfertigungsgründen III. Schuld n Schuldfähigkeit n Entschuldigungsgründe n Potenzielles Unrechtsbewusstsein IV. Strafausschließungs- oder -aufhebungsgründe V. Strafverfolgungsvoraussetzungen oder -hindernisse Auszug aus AS-Basiswissen Strafrecht AT, 4. Aufl. 2015 I. Die Rechtswidrigkeit Die Verwirklichung des Tatbestandes „indiziert“ die Rechtswidrigkeit. Damit ist gemeint, dass bei Erfüllung der objektiven und subjektiven Tatbestandsmerkmale einer Norm im Normalfall auch von der Rechtswidrigkeit der Tat ausgegangen werden kann. Die Straftatbestände erfassen ja solche Verhaltensweisen, die typischerweise Unrecht darstellen. Greifen offensichtlich keine Rechtfertigungsgründe ein, reicht deshalb in der Klausur die schlichte Feststellung der Rechtswidrigkeit aus! ! Eine Besonderheit sind die Nötigung (§ 240) und die Erpressung (§ 253). Diese Tatbestände sind so weit gefasst, dass allein die Verwirklichung der Tatbestandsmerkmale noch nicht genügt, um auch nur ein vorläufiges Unwerturteil über die Tat zu fällen. Hier muss die Rechtswidrigkeit begründet werden. Dafür muss zusätzlich festgestellt werden, dass das tatbestandsmäßige Verhalten verwerflich ist (= positive Rechtswidrigkeitsprüfung). Rechtfertigungsgründe erlauben ausnahmsweise die Rechtsgutverletzung in einem konkreten Fall. Sie sind als Erlaubnistatbestände Gegennormen zu den Straftatbeständen und beseitigen das Unrecht. Anders als bei den Verbotstatbeständen gilt für die tätergünstigen Erlaubnistatbestände der Bestimmtheitsgrundsatz nicht. Rechtfertigungsgründe für Straftaten müssen auch nicht zwangsläufig aus dem StGB kommen. Da die Rechtsordnung eine Einheit bildet, können Rechtfertigungsgründe vielmehr aus jedem beliebigen Rechtsgebiet herangezogen werden. Denn was zivilrechtlich oder öffentlich-rechtlich erlaubt ist, kann unter strafrechtlicher Betrachtung nicht verboten sein. Rechtfertigungsgründe müssen nicht einmal gesetzlich normiert, sondern können gewohnheitsrechtlich anerkannt sein. Wie für Verbotstatbestände ist aber auch für Erlaubnistatbestände neben den objektiven Voraussetzungen eine korrespondierender subjektive Rechtfertigungsseite erforderlich. Nach dem Schrifttum genügt hierfür allein die Kenntnis der objektiven Sachlage, während die Rechtsprechung sogar Rechtfertigungsabsicht verlangt. Im Folgenden schauen wir uns zunächst die häufigsten Rechtfertigungsgründe an. Danach befassen wir uns – wie schon oben beim Vorsatz – mit den Folgen der Unkenntnis der eigenen Rechtswidrigkeit wegen irriger Annahme eines Rechtfertigungsgrundes. Rechtfertigungsgründe sind Erlaubnistatbestände. Auszug aus AS-Basiswissen Strafrecht AT, 4. Aufl. 2015 1. Die wichtigsten Rechtfertigungsgründe BGB n n § 228 (Defensivnotstand) StGB n § 32 (Notwehr) n § 34 (Notstand) § 904 (Aggressivnotstand) n § 859 (Besitzwehr/-kehr) n § 229 (Selbsthilfe) StPO n § 127 Abs. 1 S. 1 (JedermannFestnahmerecht) ungeschrieben n Pflichtenkollision n Einwilligung n mutmaßliche Einwilligung a) Notwehr gemäß § 32 Prinzipien der Notwehr: Schutzprinzip und Rechtsbewährungsprinzip Die Notwehr ist der schärfste Rechtfertigungsgrund überhaupt. Wer angegriffen wird, darf sich gegen den Angreifer wehren, ohne abwägen zu müssen, ob seine Interessen mehr wert sind als der Schaden, der durch die Verteidigung beim Angreifer entsteht. Zum Schutz von Eigentum kann daher durchaus die Verletzung und unter Umständen sogar die Tötung des Angreifers erlaubt sein. Das Folgenrisiko trägt der Angreifer. Der Notwehr liegen zwei Prinzipien zugrunde: Zum einen das Schutzprinzip, welches dem Grundbedürfnis jedes Menschen Rechnung trägt, seine Rechtsgüter vor Angriffen zu schützen. Zum anderen das sog. Rechtsbewährungsprinzip: „Recht braucht Unrecht nicht zu weichen“. Aufbauschema: Notwehr, § 32 n n n Notwehrlage, Nothilfelage n Angriff entweder auf den Verteidiger oder Dritte (dann: Nothilfe) n Gegenwärtigkeit des Angriffs n Rechtswidrigkeit des Angriffs Verteidigungshandlung n Nur gegen Rechtsgüter des Angreifers n Erforderlichkeit n Gebotenheit Notwehrwille/Nothilfewille n Kenntnis der objektiven Voraussetzungen und Verteidigungswille (str.) Auszug aus AS-Basiswissen Strafrecht AT, 4. Aufl. 2015 aa) Notwehrlage Ein so scharfes Abwehrrecht wie die Notwehr kann nur in ganz engen zeitlichen und rechtlichen Grenzen gewährt sein, weil in einer funktionierenden Gesellschaft Polizei und Gerichte und nicht der Einzelne für die Lösung von Konflikten zuständig sind. Diese Grenzen der Notwehr werden zuerst durch die Notwehrlage bestimmt. Die Notwehrlage besteht in einem gegenwärtigen rechtswidrigen Angriff. Gegenwärtiger, rechtswidriger Angriff (1) Ein Angriff ist jede Bedrohung rechtlich geschützter Interessen durch menschliches Verhalten. Rechtlich geschützte Interessen sind vor allem solche, die dem einzelnen zustehen, also Leib, Leben, Eigentum, aber auch Ehre, das Recht am eigenen Bild und die Privatsphäre. Darauf, dass sich der Angreifer strafbar gemacht hat, kommt es nicht an. Auch ein nicht strafbares Verhalten kann einen Angriff begründen. Beispielsweise die Wegnahme einer fremden Sache in der irrigen Annahme, die eigene genommen zu haben. Allerdings darf gegen einen im Irrtum Handelnden nur in beschränktem Maß Notwehr geübt werden (dazu unter bb) (3) Gebotenheit der Verteidigungshandlung). Objektiv muss tatsächlich eine Bedrohung bestehen. Nur menschliches Verhalten im strafrechtlichen Sinn stellt einen Angriff dar. Nicht umfasst werden menschliche Verhaltensweisen, die nicht willensgetragen sind und damit keine Handlungsqualität besitzen, sowie rein tierisches Verhalten. Möglich ist auch ein Angriff durch Unterlassen. Weitgehend besteht hierbei Einigkeit, dass ein Angriff durch Unterlassen eine Rechtspflicht zum Handeln voraussetzt. Der Hundehalter, der seinen aggressiven Fifi entgegen bestehender Anleinpflicht umherlaufen lässt, kann damit zum Angreifer durch Unterlassen werden, wenn der Hund Spaziergänger anfällt. Tiere können nicht rechtswidrig handeln. Daher scheiden solche Aggressionen als Angriff i.S.v. § 32 aus! Der Angriff muss sich nicht gegen den Notwehr Übenden selbst richten. Das Gesetz erlaubt auch Notwehr zugunsten jedes Dritten (s. § 32 Abs. 2: „Angriff von sich oder einem anderen“). Man spricht dann von Nothilfe. Hier gibt es aber zwei Einschränkungen: Der Angegriffene „andere“ muss ein individueller Rechtsgutträger sein, z.B. der von Jugendlichen angegriffene Fahrgast in der U-Bahn. Nothilfe zugunsten der Allgemeinheit oder des Staates ist nicht gestattet. Sonst könnte sich jeder Bürger zum Wahrer der Rechtsordnung aufschwingen und hätte mit der „Staatsnothilfe“ Der Staat ist kein „Anderer“ i.S.v. § 32 Abs. 2, wohl aber i.S.v. § 34! Auszug aus AS-Basiswissen Strafrecht AT, 4. Aufl. 2015 mehr Rechte als die Polizei- und Ordnungsbehörden! Möglich ist allenfalls eine Rechtfertigung aus Notstand, § 34. Zudem darf Nothilfe nicht gegen den Willen des Angegriffenen aufgedrängt werden. (2) Ein Angriff ist dann gegenwärtig, wenn er unmittelbar bevorsteht oder wenn er gerade stattfindet oder noch fortdauert, also noch nicht fehlgeschlagen, noch nicht endgültig aufgegeben und auch noch nicht vollständig durchgeführt ist. Ist ein Angriff noch nicht gegenwärtig, kann allerdings schon eine Gefahr im Sinne der Notstandsregeln vorliegen. (3) Rechtswidrigkeit des Angriffs Bei diesem Merkmal besteht Uneinigkeit über die Definition: Der BGH und Teile der Lit. bejahen die Rechtswidrigkeit eines Angriffs dann, wenn der Angegriffene die drohende Rechtsgutverletzung nicht zu dulden braucht. Maßgeblich ist also das drohende Erfolgsunrecht. Viele Rechtslehrer stellen hingegen darauf ab, ob das Angreiferverhalten objektiv im Widerspruch zur Rechtsordnung steht oder nicht, d.h. es entscheidet hier das sog. Verhaltensunrecht. Nach dieser Auffassung entfällt ein rechtswidriger Angriff nicht nur dann, wenn für die drohende Rechtsgutbeeinträchtigung ein Rechtfertigungsgrund besteht, sondern auch, wenn der Täter sich objektiv fehlerfrei verhalten hat. Der Streit wird bedeutsam bei einem unvermeidbaren Irrtum über das Vorliegen eines rechtswidrigen Angriffs. Beispiel: Die Oberschüler A, B und C verabreden für ihren Leistungskurs Sozialkunde, dass A den B an einer Bushaltestelle körperlich attackiert. Es wird erwartet, dass keiner der Vorbeikommenden eingreift. C will alles aus einiger Entfernung auf Video aufnehmen, um die mangelnde Zivilcourage der Mitbürger zu dokumentieren. Der Mitbürger X sieht nur A und B und will eingreifen. Er ist schon im Begriff, den vermeintlichen Angreifer A zu verletzen, doch hindert C den X gewaltsam daran. Kann diese Nötigung gemäß § 240 durch § 32 gerechtfertigt sein? – Diejenigen, die nur auf das Erfolgsunrecht abstellen, bejahen einen gegenwärtigen Angriff des X auf A, der auch rechtswidrig ist, weil er seinerseits mangels Angriffs des A nicht aus Notwehr gerechtfertigt ist. Diejenigen, die für die Rechtswidrigkeit des Angriffs auch einen Verhaltensfehler des Angreifers verlangen, verneinen § 32 für C schon mangels Nothilfelage: Zwar liegt danach ein gegenwärtiger Angriff des X auf A vor. Da dieser aber nach den Umständen unvermeidbar war, war er nicht rechtswidrig. Ein Verschulden ist nach keiner Ansicht notwendig. Auszug aus AS-Basiswissen Strafrecht AT, 4. Aufl. 2015 Die Rechtswidrigkeit des Angriffs entfällt – unabhängig vom oben dargestellten Meinungsstreit –, wenn der Angreifer seinerseits gerechtfertigt ist und damit ein Eingriffsrecht hat, das eine Duldungspflicht des Angegriffenen nach sich zieht. Ist also der Angreifer seinerseits beispielsweise bei einer Körperverletzungshandlung durch Notwehr gerechtfertigt, kann sich der Angegriffene mangels Rechtswidrigkeit des Angriffs nicht mit einer Notwehrhandlung dagegen wehren („Keine Notwehr gegen Notwehr“). Solche ineinander geschachtelten Prüfungen von Rechtfertigungsgründen sind in Klausuren durchaus beliebt. Der Anknüpfungspunkt für die Verschachtelung ist dabei stets das Merkmal der Rechtswidrigkeit des Angriffs! ! bb) Verteidigungshandlung (1) Nur gegen den Angreifer Die Notwehrhandlung muss „Verteidigung“ sein. Notwehr setzt damit bereits begrifflich voraus, dass sich die Handlung des Täters ausschließlich gegen Rechtsgüter des Angreifers richtet. Eingriffe in Rechte und Rechtsgüter dritter, unbeteiligter Personen erlaubt das Notwehrrecht folglich nach h.M. nicht. Dazu kann sich der Täter allenfalls auf die schwächeren Notstandsregeln berufen. Die Gegenansicht, die auch in der Rspr. vertreten wird, erstreckt die Notwehr ausnahmsweise auch auf die Rechtfertigung von Tatbeständen zum Schutz der Allgemeinheit, wenn deren Begehung untrennbar mit der Notwehrhandlung verbunden ist. Beispiel: Autofahrer A wird von einer Gruppe bewaffneter Schläger umringt, die ihn aus dem Auto zerren und schwer verletzen wollen. Um sich zu retten, fährt A auf die Angreifer zu und verletzt einen von ihnen. – Hier ist die Körperverletzung gemäß §§ 223, 224 Abs. 1 Nr. 2 Alt. 2 und Nr. 5 aus Notwehr gerechtfertigt; nach Ansicht des BGH auch der gefährliche Eingriff in den Straßenverkehr nach § 315 b Abs. 1 Nr. 3. Die h.M. im Schrifttum, die eine Drittwirkung der Notwehr ablehnt, würde diese Tatbestandsverwirklichung aus § 35 Abs. 1 entschuldigen. (2) Erforderlichkeit der Verteidigungshandlung (a) Nicht jede Abwehr einer objektiv bestehenden Notwehrlage ist auch erlaubt. Die Verteidigungshandlung ist vielmehr durch das Merkmal der Erforderlichkeit in tatsächlicher Hinsicht begrenzt. Die Verteidigungshandlung muss zunächst überhaupt geeignet sein, den Angriff sofort und nachhaltig abzuwehren. Der Verteidiger darf das für ihn erreichbare Abwehrmittel wählen, das eine sofortige und endgültige Beseitigung des Angriffs erwarten lässt. Er ist grundsätzlich nicht gehalten, auf die Anwendung weniger ge- Keine Drittwirkung der Notwehr Auszug aus AS-Basiswissen Strafrecht AT, 4. Aufl. 2015 fährlicher Verteidigungsmittel zurückzugreifen, wenn deren Wirkung für die Abwehr zweifelhaft ist. Notwendiges Mittel = relativ mildestes Mittel (b) Die Verteidigungshandlung muss darüber hinaus auch notwendig sein. Auf unsichere Abwehrhandlungen braucht sich der Angegriffene aber nicht einzulassen. Auch kennt die Notwehr kein Gebot der Waffengleichheit oder der Konfliktvermeidung. Wir erinnern uns: Recht braucht Unrecht nicht zu weichen! Wenn jedoch mehrere gleichermaßen geeignete Abwehrmittel zur Wahl stehen, dann und grundsätzlich nur dann hat der Verteidiger das mildeste Mittel zu wählen, das aus einer Betrachtung der „Kampflage“ im Voraus (sog. ex ante-Sicht) Erfolg verspricht. Das zwingt bei Einsatz lebensgefährlicher Waffen zur Prüfung, ob eine vorherige Androhung oder ein weniger verletzender Einsatz für die Abwehr ausgereicht hätte. Man spricht auch vom „relativ“ mildesten Mittel. (3) Gebotenheit der Verteidigungshandlung Die Erforderlichkeit kennzeichnet die tatsächliche, die Gebotenheit die rechtliche Begrenzung der Eingriffsbefugnisse. Das Erfordernis der Gebotenheit wird von der h.M. aus dem Wortlaut des § 32 Abs. 1 gefolgert und begrenzt die Verteidigungshandlung zusätzlich in rechtlich-ethischer Hinsicht. Dadurch werden die Fälle erfasst, in denen nach den Besonderheiten des Konflikts und der Beteiligten die unbeschränkte Notwehr ausnahmsweise rechtsmissbräuchlich erscheint. Je nach Fallgestaltung kann zum einen mangels Gebotenheit das Notwehrrecht ganz ausgeschlossen sein; zum anderen kann aber auch lediglich verhältnismäßige (abgestufte) Notwehr geboten sein. Folgende Fallgruppen haben sich herausgebildet: n Krasses Missverhältnis zwischen Erhaltungsgut und Eingriffsgut Schulfall: Der wegen einer Querschnittslähmung an den Rollstuhl gefesselte A sieht, wie ein Nachbarsjunge in einen seiner Apfelbäume klettert, um einen Apfel zu stehlen. Seine einzige Möglichkeit, diesen Angriff auf sein Eigentum zu unterbinden, läge darin, den Jungen mit einem Gewehr aus dem Baum zu schießen. Hier wäre wegen des krassen Missverhältnisses zwischen dem Eingriffsgut „Leben“ und dem Erhaltungsgut „Eigentum an Äpfeln im Wert von Centbeträgen“ eine Notwehr durch A überhaupt nicht geboten. Es greift auch kein anderer Rechtfertigungsgrund für den Einsatz einer tödlichen Waffe ein! Nur ausnahmsweise kommt es hier dann doch zu einer Interessenabwägung, die sonst der Notwehr fremd ist. n Absichtsprovokation Darunter versteht man Fälle, in denen der spätere Verteidiger die Attacke des Angreifers gezielt herausgefordert hat, nur um Notwehr üben zu können. Die Notwehr dient hier nur vorder- Auszug aus AS-Basiswissen Strafrecht AT, 4. Aufl. 2015 gründig der Verteidigung; in Wahrheit soll ein eigener Angriff durch den Deckmantel der Notwehr verschleiert werden. Hierin liegt ein Missbrauch des Notwehrrechts. Beispiel: Der Jurastudent J hat gehört, dass eine durch Notwehr gerechtfertigte Tat nicht bestraft werden kann. Dies möchte J sich nun auch praktisch zunutze machen, indem er seinen leicht erregbaren Rivalen R solange verspottet, bis dieser auf ihn losgeht. Da der J dem R körperlich weit unterlegen ist, hat er sich vorsorglich mit Pfefferspray ausgerüstet. Als R den J gerade anspringen will, sprüht ihm dieser mit den Worten „Recht braucht Unrecht nicht zu weichen!“ das Pfefferspray in die Augen. – J hat hier eine gefährliche Körperverletzung (§§ 223, 224 Abs. 1 Nr. 2 Alt. 1; Pfefferspray als Defensiv-„Waffe“) begangen, die nicht nach § 32 gerechtfertigt ist. Zwar lag ein gegenwärtiger rechtswidriger Angriff des R vor, und die Verteidigung des J war unter den gegebenen Umständen auch erforderlich; allerdings war hier die Notwehr wegen Absichtsprovokation nicht geboten. Die Tat ist nicht gerechtfertigt. n Sonstige vorwerfbare Provokation Auch wer – ohne es darauf abzusehen – durch sein Vorverhalten für die spätere Notwehrlage verantwortlich ist, kann sich nicht mehr unbeschränkt auf das Rechtsbewährungsprinzip berufen. Eines ist dabei unbestritten: Rechtlich erlaubtes oder sogar gebotenes Verhalten löst keine Notwehrbeschränkung aus, selbst wenn erkennbar war, dass es zu einem Angriff führen könnte. Auch muss sich das Vorverhalten gegen Rechtsgüter des späteren Angreifers gerichtet und in zeitlich-räumlichem Zusammenhang mit dem späteren Angriff gestanden haben. Im Übrigen ist umstritten, welche Qualität das Vorverhalten haben muss: Die Rechtspraxis beschränkt das Notwehrrecht bereits dann, wenn das Vorverhalten sozialethisch zu beanstanden ist, also etwa seinem Gewicht nach einer schweren Beleidigung gleichkommt, z.B. Herausekeln aus einem Zugabteil durch fortwährendes Öffnen des Fensters. Das Schrifttum betont demgegenüber, dass nur derjenige Beschränkungen seines Notwehrrechts hinnehmen müsse, der durch sein Vorverhalten selbst rechtswidrig und nicht nur sozialethisch missbilligenswert gehandelt habe. Ist nach dem Vorgenannten eine Notwehrbeschränkung zu bejahen, darf der Verteidiger nur noch „abgestufte“ oder „verhältnismäßige“ Notwehr üben, d.h. er muss zunächst versuchen, dem Konflikt auszuweichen oder durch Ausweichen zu einem weniger gefährlichen Einsatz seiner Verteidigungsmittel zu kommen, auch wenn nicht sicher ist, ob der Angriff endgültig gebrochen wird. Nur wenn der Angegriffene diese Möglichkei- Diese Provokationsfälle sind besonders klausurrelevant. Im Detail gibt es hier noch viel Streit. Für die Zwischenprüfungsklausur genügt die Linie der h.M. Je schwerer die Provokation, desto stärker die Einschränkung des Notwehrrechts! Notwehrbeschränkung: Ausweichen – Schutzwehr – Trutzwehr – erst wenn all dies nicht mehr möglich: lebensgefährliche Verteidigung! Auszug aus AS-Basiswissen Strafrecht AT, 4. Aufl. 2015 ten ausgeschöpft hat oder wenn sie von vornherein ausgeschlossen waren, darf er als allerletztes Mittel zu einem lebensgefährlichen Verteidigungsmittel greifen. Die Tat selbst ist dann gerechtfertigt. Es stellt sich aber das Folgeproblem, ob die Herbeiführung der Notwehrlage in Verbindung mit dem später gerechtfertigten Erfolg als Fahrlässigkeit strafbar ist. Die Rspr. hält dies für möglich, wenn gerade in der Provokation der Vorwurf sorgfaltswidrigen und vorhersehbaren Fehlverhaltens liegt. Die Lit. lehnt eine Fahrlässigkeitstat in dieser Konstellation mangels objektiver Zurechenbarkeit ab: Da der Erfolg von der Rechtsordnung (wegen der Rechtfertigung) erlaubt sei, habe sich darin gerade nicht mehr das verbotene Risiko des Vorverhaltens verwirklicht. n Angriffe schuldlos Handelnder Wer den Angriff nicht vorwerfbar, also schuldlos, begeht, verdient auch nicht die volle Härte des Rechtsbewährungsprinzips. Gegen ihn darf Notwehr auch nur in abgestufter Form wie bei der vorgenannten Fallgruppe der schuldhaften Notwehrprovokation geübt werden. Schuldlos sind schuldunfähige (§§ 19, 20), entschuldigte (z.B. §§ 33, 35) oder im unvermeidbaren Irrtum handelnde Angreifer. cc) Notwehrwille/Nothilfewille Zumindest ist erforderlich, dass der Verteidiger alle objektiven Umstände der Notwehr oder Nothilfe gekannt hat, also die tatsächlichen Umstände, die den gegenwärtigen rechtswidrigen Angriff, Erforderlichkeit und Gebotenheit ausmachen. Die Rspr. folgert aus dem Gesetzeswortlaut („um zu“), dass der Täter Verteidigungsabsicht gehabt haben muss. Aufwallende Wut ist so lange unschädlich, wie diese Emotion lediglich ein Nebenmotiv bleibt. Tritt hingegen der Verteidigungswille völlig in den Hintergrund, scheidet danach eine Rechtfertigung aus. Alpmann Schmidt Jura verstehen von Anfang an Unsere Grundlagen und Helfer für alle Fälle B – Basiswissen D – Definitionen F – Fälle Lösung zur Musterklausur Strafrecht StGB AT Randbemerkungen, Punkteangaben und die Vorbemerkung gehören nicht zum Gutachten. Hervorhebungen (wie hier Fettdruck) werden in der Klausur nicht gerne gesehen. Wir benutzen diese Elemente, um Ihnen didaktische Hinweise zu geben. Vorüberlegung, nicht Teil der Lösung: 1. Gerade wenn Sie – wie im vorliegenden Fall – eine ineinander verschachtelte Prüfung von Rechtfertigungsgründen begutachten müssen, bietet sich im Vorfeld die Erstellung einer Skizze mit den wechselseitigen Handlungen an (vgl. die Hinweise zur Klausurtechnik). Je einfacher Sie eine solche Skizze halten, desto eher kann sie eine Orientierungshilfe sein. Denn denken Sie daran: Angesichts der nur kurz bemessenen Zeit für eine Semesterabschlussklausur schaffen Sie es nicht, den Sachverhalt immer wieder zu lesen! Für den vorliegenden Fall könnte Ihre Skizze wie folgt aussehen: T Anblasen mit Zigarettenrauch / Spucke K Ausholen mit dem Glas, um zu beschütten Schlag auf den Unterarm 2. Darüber hinaus mussten Sie in diesem Fall erkennen, dass sich aus der ersten „Auseinandersetzung“ von T und K auf der Tanzfläche keinerlei strafbares Verhalten ergibt. Derartige Sachverhaltsabschnitte können – und müssen! – Sie in Ihrem Gutachten unerwähnt lassen! Alles andere wären überflüssige Ausführungen, die Sie nicht nur Zeit sondern auch Punkte kosten! 3. Letztlich galt es auch, Fallfrage und Bearbeitervermerk sorgfältig zu lesen! Aus der Fallfrage ergibt sich, dass ausschließlich nach der Strafbarkeit des T gefragt ist. Einen besonders schwerwiegenden Fehler begehen Sie deshalb, wenn Sie auch die Strafbarkeit der K prüfen. Verlangt ist in diesen Fällen vielmehr, dass Sie sich inzident in der Prüfung der Rechtfertigung durch Notwehr mit dem Verhalten der K auseinandersetzen. Aufgrund des Bearbeitungsvermerks durften Sie keine Sachbeschädigung gemäß § 303 Abs. 1 StGB durch das Herunterschlagen des Cocktailglases prüfen. Ausführungen hierzu wären deshalb ebenfalls überflüssig und folglich falsch! 4. Falls Sie glauben, wir hätten uns einen solch abstrusen Sachverhalt nur ausgedacht: Der Fall geht auf eine Originalentscheidung des Amtsgerichts Erfurt zurück (Urt. v. 18.09.2013 – 910 Js 1195/1348 Ds). Sie finden diese Entscheidung in der im AlpmannSchmidt-Verlag erscheinenden „RechtsprechungsÜbersicht“ (RÜ) in Heft 11/2014. Lösung Gutachten I. T könnte sich wegen Körperverletzung gemäß § 223 Abs. 1 StGB strafbar gemacht haben, indem er die K mit Speichel versetzten Zigarettenrauch in das Gesicht blies. 1. Tatbestand Dies setzt zunächst voraus, dass T die K vorsätzlich körperlich misshandelt oder an der Gesundheit geschädigt hat. Beim Obersatz muss immer eine Handlung genannt werden, durch die der Täter den Straftatbestand verwirklicht haben soll – üblicherweise eingeleitet mit „indem“. a) Hier kommt eine körperliche Misshandlung in Betracht. Darunter versteht man eine üble und unangemessene Behandlung, die die körperliche Unversehrtheit oder das körperliche Wohlbefinden des Opfers nicht nur unerheblich beeinträchtigt. Es muss dabei zwar nicht zu einer schmerzhaften Auswirkung auf das Opfer kommen; gleichwohl muss die Beeinträchtigung über eine kurze psychische Belastung hinausgehen und körperlich spürbar werden. Ob die Beeinträchtigung nur unerheblich ist, beurteilt sich aus der Sicht eines objektiven Beobachters, wobei die Dauer und die Intensität der Einwirkung zu berücksichtigen sind. Dies ist vorliegend insofern zweifelhaft, als dass T die K lediglich mit Zigarettenrauch angepustet hat. Allerdings ist das Anblasen mit Zigarettenrauch und Spuckeanteilen gegen das Gesicht über die die Grenze hinzunehmender Bagatellen hinaus geeignet, das körperliche Wohlbefinden und die Gesundheit zu beeinträchtigen. Die Gesundheitsbeeinträchtigung resultiert dabei sowohl aus den krebserregenden Bestandteilen des Zigarettenrauches als auch aus den potenziell in der Körperflüssigkeit „Spucke“ enthaltenen Viren und Bakterien. Darüber hinaus kam es bei K in der konkreten An dieser Stelle können Sie sich bei entsprechender Argumentation auch anders entscheiden! Dann hätte sich T durch das Anblasen nicht strafbar gemacht. Situation nicht nur zu einem nur vorübergehenden Ekelgefühl, sondern zu einer merklichen Reizung der Atemwege, die ihrerseits zu einem spontanen Hustenreflex führte. Demzufolge kam es zu einer unmittelbaren, für K körperlich spürbaren Auswirkung durch das Anpusten seitens T. Durch das Anblasen hat T die K folglich körperlich misshandelt. b) Hierfür war das Verhalten des T kausal. Auch die objektive Zurechnung, der Risikozusammenhang ist – für den Fall, dass man ihr Vorliegen auch im Rahmen der vorsätzlichen Erfolgsdelikte für erforderlich hält – erfüllt. c) T kannte die Auswirkungen seines Verhaltens und handelte demzufolge bezüglich aller Umstände, die den objektiven Tatbestand ausmachen, vorsätzlich. 2. Rechtswidrigkeit, Schuld Rechtswidrigkeit und Schuld sind ebenfalls zu bejahen. 3. Strafverfolgungsvoraussetzungen Auch der nach § 230 Abs. 1 S. 1 StGB erforderliche Strafantrag wurde gestellt. 2 Punkte Lösung T hat sich durch das Ablasen wegen Körperverletzung gemäß § 223 Abs. 1 StGB strafbar gemacht. II. Durch dieselbe Handlung könnte sich T wegen gefährlicher Körperverletzung gemäß § 224 Abs. 1 StGB strafbar gemacht haben. Tatbestand T könnte die Körperverletzung durch Beibringung eines anderen gesundheitsgefährdenden Stoffes gemäß § 224 Abs. 1 Nr. 1 Alt. 2 StGB begangen haben. Zu den Ist – wie in diesem Fall – das Vorliegen einer Qualifikation eher zweifelhaft, sollten Sie diese getrennt vom Grundtatbestand darstellen. gesundheitsgefährdenden Stoffen gehören alle Stoffe, die mechanisch, thermisch oder biologisch-physiologisch wirken. Zu den biologisch wirkenden Stoffen werden dabei auch Krankheitserreger gezählt. Als derartige Stoffe kommen einerseits der in der Atemluft enthaltene Speichel, andererseits der Zigarettenrauch selbst in Betracht. 1. Es ist jedoch nicht sicher, ob der Speichel des T überhaupt mit krankheitserregenden Viren oder Bakterien versetzt ist. Dieser Zweifel wirkt sich nach dem Grundsatz „in dubio pro reo“ zugunsten des T aus, sodass davon ausgegangen werden muss, dass der Speichel nicht mit ausreichend Viren und Bakterien versetzt war, um einen krankhaften Zustand bei der K auszulösen. 2. Sofern man den Zigarettenrauch überhaupt als „Stoff“ im Sinne der Vorschrift ansehen wollte, kann er nur dann als gesundheitsgefährdend angesehen werden, wenn er seiner Art und dem konkreten Einsatz nach zur erheblichen Gesundheitsschädigung geeignet ist. Zwar hat der Zigarettenrauch bei der K einen Hustenreflex ausgelöst. Das einmalige Einatmen von Zigarettenrauch ist jedoch noch nicht geeignet, weitere erhebliche, über den Hustenreflex hinausgehende Gesundheitsbeeinträchtigungen zu verursachen. T hat sich nicht wegen gefährlicher Körperverletzung strafbar gemacht. 1 Punkt III. Er könnte sich aber wegen Körperverletzung gemäß § 223 Abs. 1 StGB strafbar gemacht haben, als er der K mit der Hand auf den Unterarm schlug. 1. Tatbestand a) Durch den Schlag könnte T eine Gesundheitsschädigung bei K bewirkt haben. Hierunter ist jedes Hervorrufen oder Steigern eines nicht unerheblichen krankhaften Zustands zu verstehen. Krankhaft ist dabei jede vom vorherigen Zustand nachteilig abweichende Veränderung der körperlichen Verfassung. Sie darf jedoch nicht völlig unerheblich sein, sodass bagatellhafte und sozialadäquate Beeinträchtigungen aus dem Strafbarkeitsbereich herausfallen. Durch den Schlag erlitt die K eine schmerzhafte Prellung am Unterarm sowie einen Bluterguss. Hierin liegt eine nachteilige Abweichung vom vorherigen Zustand. Auch als sozialadäquat ist die schmerzhafte 1 Punkt Lösung Verletzung am Arm nicht mehr zu bezeichnen, sodass eine Gesundheitsschädigung vorliegt. b) Auch die Merkmale einer körperlichen Misshandlung sind erfüllt. c) Insoweit handelte T zudem vorsätzlich. 2. Rechtswidrigkeit Fraglich ist jedoch, ob die Tat auch rechtswidrig war. Dies ist nicht der Fall, wenn der Schlag des T durch einen Rechtfertigungsgrund gedeckt gewesen war. Hier kommt insoweit Notwehr gemäß § 32 in Betracht. Danach ist gerechtfertigt, wer sich gegen einen gegenwärtigen rechtswidrigen Angriff in geeigneter, erforderlicher und gebotener Weise verteidigt. a) Die erforderliche Notwehrlage erfordert einen gegenwärtigen rechtswidrigen Angriff. aa) Angriff ist jede Bedrohung rechtlich geschützter Interessen durch menschliches Verhalten. K war im Begriff, dem T ihr Glas in das Gesicht zu werfen. Hierdurch war zum einen die körperliche Unversehrtheit des T insoweit in Gefahr, als dass durch das Glas zum einen Platzwunden als auch Prellungen im Gesichtsbereich entstehen können. Zum anderen stellt die alkoholhaltige Flüssigkeit auch ein Risiko für die ungeschützten Augen dar. Überdies hätte sich der Inhalt des Glases der K nach dem Auftreffen auf dem Gesicht über die Kleidung des T ergossen, sodass auch sein Eigentum bedroht war. Ein Angriff lag damit vor. bb) Der Angriff ist gegenwärtig, wenn er unmittelbar bevorsteht, gerade stattfindet oder noch fortdauert. K war bereits in der Ausholbewegung begriffen, sodass der Wurf des Glases unmittelbar bevorstand und der Angriff damit gegenwärtig war. cc) Der Angriff ist ferner rechtswidrig, wenn der Angegriffene ihn nicht zu dulden braucht bzw. wenn er von der Rechtsordnung missbilligt wird. Dies ist jedenfalls dann nicht der Fall, wenn K ihrerseits in Bezug auf das Werfen des Glases und das damit verbundene Verschütten des Getränks gerechtfertigt war. Auch K könnte sich ihrerseits möglicherweise auf Notwehr nach § 32 berufen. 1 Punkt Ein Klausurklassiker: Notwehr gegen einen möglicherweise ebenfalls aus Notwehr gerechtfertigten Angriff! (1) Das setzt wiederum einen gegenwärtigen rechtswidrigen Angriff durch T voraus. Nachdem er der K das erste Mal Rauch in das Gesicht geblasen hatte, brannte seine Zigarette immer noch. Zudem stand T immer noch provozierend vor der K, was durch die Frage, was sie jetzt unternehmen wolle, noch unterstützt wurde. Er nahm einen weiteren tiefen Zug aus der Zigarette, sodass ein erneutes Anblasen mit spuckehaltigem Zigarettenrauch für die K unmittelbar bevorstand. Dieser gegenwärtige Angriff des T auf K war auch rechtswidrig, ihm standen insoweit keine Rechtfertigungsgründe zur Seite. Eine Notwehrlage bestand damit auch für K. 1 Punkt Lösung (2) Darüber hinaus müssten die Schranken der Notwehr gewahrt sein. (a) Ihre Gegenwehr richtete sich ausschließlich gegen Rechtsgüter des Angreifers T, sodass eine Verteidigung i.S.d. § 32 StGB vorliegt. (b) Darüber hinaus müsste die Verteidigung erforderlich gewesen sein. Dies ist der Fall, wenn sie zur Abwehr des Angriffs geeignet ist und das mildeste Mittel zur Abwehr des Angriffs darstellt. Geeignet ist jedes Verteidigungsmittel, das eine sofortige und endgültige Beseitigung des Angriffs erwarten lässt. Das mildeste, also dasjenige Mittel, das den Angreifer am wenigsten verletzt, muss der Angegriffene allerdings nur dann wählen, wenn es zur Beendigung des Angriffs gleichermaßen geeignet ist. Der Angegriffene verteidigt in der konkreten Situation sich und das Recht, sodass er nicht gehalten ist, sich auf riskante Verteidigungsmaßnahmen einzulassen. Bei der Notwehr kommt es insoweit nicht auf eine Güterproportionalität zwischen dem verteidigten und dem beeinträchtigten Rechtsgut an. (aa) Das Bewerfen mit dem Glas beendete den Angriff durch weiteres Anblasen mit Zigarettenrauch sofort und beseitigte damit endgültig die weitere Möglichkeit körperlicher Beeinträchtigung der Angeklagten. Der Wurf war deshalb zur Beendigung des Angriffs geeignet. (bb) Ein vorheriges Ansprechen des T als milderes Mittel hatte K bereits beim ersten Antreffen des T mit einer Zigarette erfolglos unternommen, sodass es fernliegt, dass T sein Verhalten durch ein erneutes Ansprechen geändert hätte. Ein Schubsen oder Wegschlagen der Zigarette barg die Gefahr einer Eskalation, zumal T der K körperlich überlegen war. Die Angegriffene muss sich insofern nicht auf ein riskantes Verteidigungsverhalten einlassen. Andere gleich geeignete, mildere Mittel sind nicht ersicht- 2 Punkte lich, sodass der Wurf auch erforderlich war. (c) Fraglich ist allerdings, ob der Wurf mit dem Cocktailglas i.S.d. § 32 geboten war. Insoweit unterliegt die Notwehr aus Gründen des Verbots rechtsmissbräuchlichen Handelns sozial-ethischen Einschränkungen. (aa) Ein bloßer Bagatellangriff liegt nicht vor, da T durch das Anblasen mit speichelhaltigem Zigarettenrauch den Tatbestand der Körperverletzung verwirklicht hat (s.o.). (bb) Eine Beschränkung des Notwehrrechts der K ist allerdings anzunehmen, wenn zwischen der Art und dem Umfang der aus dem Angriff drohenden Verletzung und der mit der Verteidigung verbundenen Beeinträchtigung oder Gefährdung des Angreifers ein grobes Missverhältnis besteht (sog. krasses Missverhältnis). Durch das erneute Anblasen mit Zigarettenrauch wäre es zu einer weiteren Reizung der Atemwege der K gekommen, die aber nach nur kurzer Zeit ohne Nachwirkungen abgeklungen wären. Die Auswirkungen des Angriffs des T waren für K damit vergleichsweise gering. Demgegenüber war der Wurf mit einem Cocktailglas in das Gesicht – Sofern Sie oben die Körperverletzung verneint haben, konnten Sie hier eine Einschränkung der Gebotenheit aufgrund eines Bagatellangriffs bejahen. Lösung der sich hier als versuchte gefährliche Körperverletzung gemäß §§ 224 Abs. 1 Nr. 2 Alt. 2, Abs. 2, 22, 23 Abs. 1 StGB darstellt – geeignet, erhebliche Verletzungen bei T herbeizuführen, die von Platzwunden über Augenverletzungen bis zu Zahnverlet- 2 Punkte zungen reichen. Damit ergibt sich ein krasses Missverhältnis zwischen Angriff und Abwehr, sodass die konkrete Verteidigung der K nicht geboten war. Sie war demzufolge bei ihrer Handlung nicht durch Notwehr gerechtfertigt. Ihr Angriff gegen T war deshalb rechtswidrig und demzufolge eine Notwehrlage gegeben. b) Auch der Schlag des T gegen den Unterarm der K müsste sich im Rahmen der Einschränkungen der Notwehr gehalten haben. aa) Der Schlag richtete sich gegen die Angreiferin K und war damit eine Verteidi- Hier gilt es „aufzutauchen“! Versehen Sie jede aufgeworfene Frage mit einem Ergebnis, bevor sie zur Notwehrprüfung des T zurückkehren! gung. bb) Ein milderes, gleich geeignetes Mittel zur Abwehr des Angriffs ist ebenfalls nicht ersichtlich. Insbesondere kann von T nicht verlangt werden, dass er vor dem rechtswidrigen Angriff der K zurückweicht. Der Schlag war deshalb erforderlich. cc) Fraglich ist aber auch hier, ob der Schlag des T geboten war. Das Notwehrrecht des T ist eingeschränkt, sofern er die Notwehrlage schuldhaft herbeigeführt hat. (1) Eine Absichtsprovokation scheidet aus, da T der K den Rauch nicht gezielt in das Gesicht geblasen hat, um ihren Angriff zu provozieren und sie dann unter dem Deckmantel der Notwehr zu verletzen. (2) Es könnte sich aber um eine sonst vorwerfbar herbeigeführte Notwehrlage handeln. Das Anblasen mit speichelhaltigem Zigarettenrauch ist ein Vorverhalten des T, das sich auf die spätere Angreiferin K bezog und mit diesem Angriff in einem räumlichen und zeitlichen Zusammenhang stand. Umstritten ist jedoch, ab wann ein derartiges Verhalten als „vorwerfbar“ bezeichnet werden kann. (a) Nach einer Auffassung ist das Verhalten vorwerfbar und damit eine Einschränkung des Notwehrrechts vorzunehmen, wenn es sich um ein sozialethisch vorwerfbares Vorverhalten handelt, das seinem Gewicht nach einer schweren Beleidigung gleichkommt. Wie bereits oben dargestellt, liegt in dem Anblasen mit Zigarettenrauch eine strafbare Körperverletzung, die sogar über das in einer schweren Beleidigung enthaltene Unrecht hinausgeht. Nach dieser Auffassung war das Verhalten des T folglich nicht geboten. (b) Nach einer anderen Auffassung ist eine Notwehrbeschränkung nur aufgrund eines Vorverhaltens möglich, das selbst rechtswidrig war. Die in dem Verhalten des T liegende Körperverletzung war rechtswidrig (s.o.), sodass es auch nach dieser Auffassung zu einer Einschränkung der Notwehr kommt. Nach beiden Auffassungen ist die Gebotenheit der Notwehrhandlung des T übereinstimmend zu verneinen. Anstatt der Angreiferin K kraftvoll auf den Unterarm zu Stellen Sie Meinungen ohne die Bezeichnung „Rspr./Lit.“ dar und subsumieren Sie den Fall unter die Auffassungen, um zu ermitteln, ob Sie den Streit überhaupt entscheiden müssen. Lösung schlagen, hätte T vielmehr dem Wurf des Glases ausweichen müssen, um nicht getroffen zu werden. Die Verteidigungshandlung des T hielt sich nicht in den Schranken der Notwehr, so- 2 Punkte dass sein Verhalten nicht nach § 32 gerechtfertigt ist. T handelte rechtswidrig. 3. Schuld T handelte ferner schuldhaft. Anhaltspunkte dafür, dass T die Grenzen der Notwehr aus Verwirrung, Furcht oder Schrecken i.S.d. § 33 StGB überschritten haben könnte, sind nicht ersichtlich. 4. Strafverfolgungsvoraussetzungen Der nach § 230 Abs. 1 S. 1 StGB erforderliche Strafantrag wurde gestellt. Er hat sich durch den Schlag auf den Schlag auf den Unterarm der K wegen Körperverletzung gemäß § 223 Abs. 1 StGB strafbar gemacht. IV. Zu denken wäre noch an gefährliche Körperverletzung gemäß § 224 Abs. 1 StGB durch den Schlag. Einzige in Betracht kommende Strafschärfung ist die Körperverletzung mittels eines gefährlichen Werkzeugs, § 224 Abs. 1 Nr. 2 Alt. 2 StGB. Dann müsste die Faust ein „Werkzeug“ i.S.d. Tatbestandes gewesen sein. Werkzeuge 1 Punkt sind nach dem natürlichen Wortsinn des Begriffs „Werkzeug“ nur solche Gegenstände, die nicht Teile des menschlichen Körpers sind, sondern zur Erhöhung der Körperkräfte eingesetzt werden. Dazu gehören bewegliche Objekte ebenso wie Bewehrungen einzelner Körperteile – etwa schwere Ringe am Finger oder Schuhe. Körperteile selbst sind dagegen keine Werkzeuge. Damit liegt keine gefährliche Körperverletzung vor. V. Konkurrenzen Die Körperverletzung durch Anblasen mit dem Zigarettenrauch und dem Schlag auf den Unterarm sind durch zwei unterschiedliche Handlungen begangen worden. Da T durch den Schlag die zwei Tatalternativen der Körperverletzung durch dieselbe Handlung an derselben Person erfüllt hat, ist insoweit nur eine einzige Körperverletzung verwirklicht. Beide Körperverletzungen durch das Anblasen und den Schlag stehen zueinander im Verhältnis der Tatmehrheit i.S.d. § 53 StGB. 1 Punkt Lösung Ergebnis: T hat sich wegen zwei tatmehrheitlich begangenen Körperverletzungen strafbar gemacht. ----- Für Aufbau, Stil, Sprache und Methodik: 4 Punkte Schlussbemerkungen, nicht Teil der Lösung: Von Ihnen wird in den Klausuren verlangt, dass Sie einen Ihnen unbekannten Sachverhalt begutachten und hierbei zu zumindest vertretbaren Ergebnissen kommen. Sie sollten daher auch die vorstehende Musterlösung nicht als Lösungsschablone verstehen! Wie Sie bereits aus den Randbemerkungen ersehen konnten, hätten Sie sich an der einen oder anderen Stelle auch anders entscheiden können. Auch wenn Ihre Lösung also nicht 1:1 mit der vorstehenden Lösung identisch ist, muss sich dies nicht unbedingt in einer schlechten Benotung niederschlagen. Für Ihre erste und auch für Ihre weiteren Klausuren wünschen wir Ihnen viel Erfolg! Ihr AS-Team Jura von Fall zu Fall r, Aktuelle Fälle und Klassiker, wie in Ihrer Klausur Alpmann Schmidt DL Digitales Lernen Lernen ist heute digital KO Zug STE ang NLO Rep S: 10 p 0 D lus etico efin Jur itione a n www.repetico.de/as-definitionen Alpmann Schmidt Alpmann Schmidt Durchblick von Anfang an Mit der Reihe Basiswissen (B) bieten wir Ihnen für alle Rechtsgebiete, was Sie für Ihre Klausuren brauchen – verständlich dargestellt und durch zahlreiche Beispiele und Übersichten ergänzt. 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