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Veröffentlicht in: CardNews, Nr. 3 (2000), S. 12-14.
Profitabilität im Kreditkartengeschäft
- Bestandsaufnahme und Perspektiven von
Dr. Hugo Godschalk,
PaySys GmbH
Bei der "Geburt" der bankeigenen Kreditkarten (Chargekarte) standen vor ca.
20 Jahren in der Bundesrepublik vor allem strategische Überlegungen im Vordergrund. Ausländische Nicht-Banken drohten damals dieses Geschäft zu okkupieren. Aus einem notgedrungenen Abwehrprodukt wurde aber im Laufe
der Zeit ein prachtvolles Flaggschiff, das im gesamten Kartengeschäft der
Banken und Sparkassen unbestritten die Profitabilitätsskala anführt.
Transparenz der Ertragsstruktur
Die Affinität des Kreditgewerbes zu diesem Gewinn bringenden Produkt
wurde wesentlich erhöht durch die Verlagerung der wirtschaftlichen Verantwortung auf die Institute in Folge der sukzessiven Eigenemission der Eurocard
seit Beginn der 90-er Jahre. Ohne aufwendige Berechnungen kann heute jedes Institut die Profitabilität seiner Kreditkarten nicht nur erkennen und überwachen, sondern auch durch entsprechende Produktgestaltung und Vertriebsmaßnahmen direkt beeinflussen und steuern.
Diese erfreuliche Transparenz der Kosten- und Ertragsstruktur ist maßgeblich
durch das in Deutschland weit verbreitete Outsourcing des Processings im
Kreditkartenbereich bedingt (Outsourcing: ca. 85 Prozent der Karten). Die periodische Rechnung der Drittdienstleister (wie z. B. Atos, FDR, GZS oder
Pluscard) gibt nicht nur Aufschluss über wesentliche Kostenkomponenten,
sondern auch über deren Treiber im Kreditkartengeschäft. Innerhalb des Instituts wird das Produkt Kreditkarte oft als Profitcenter mit einer produktbezogenen Kosten- und Erlösrechnung geführt.
Kredit- versus Debitkarte
Bei anderen Kartenprodukten, wie z. B. ec- und Bankkundenkarte oder GeldKarte, fehlte bislang diese Transparenz. Die Kosten und Erlöse dieser Produkte
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werden nicht produktspezifisch erfasst und vielfach dem Girokonto- oder dem
Privatkundengeschäft zugeordnet. Eine Ursache für diese unterschiedliche
Optik im Bankkartengeschäft ist auch das weitgehende Inhouse-Processing
der Debitkarten, wobei für die bankinternen Dienstleistungen (z. B. Karteninhaberservice) keine interne Rechnungslegung erfolgt.
Viele vermuten, daß das Produkt Debitkarte im Gegensatz zur Kreditkarte
defizitär sei, nur die wenigsten Institute haben die Profitabilität der Debitkarte
für ihre gesamte Funktionalität als SB-, GAA- und POS-Karte analysiert. Auf
Basis einer umfangreichen Kostenanalyse für das deutsche Kreditgewerbe
weiß man bislang nur, daß die POS-Funktion der Debitkarte erhebliche Kosten
verursacht.
Bedingt durch die starke Zunahme des Debitkartenumsatzes und die Stagnation des Kreditkartenumsatzes am inländischen POS (siehe Grafik) ist die Frage
der Profitabilität beider Kartensysteme wieder in den Vordergrund gerückt.
Der Umsatz am inländischen POS einer durchschnittlichen Bankkreditkarte
(Eurocard & Visa) beträgt ca. 2.300 DM bei einem Durchschnittsbon in Höhe
von ca. 145 DM. Mit einer ec-Karte wurden 1999 am inländischen POS durchschnittlich ca. 1.775 DM mit einem Durchschnittsbon in Höhe von 155 DM umgesetzt. Die Zahlen lassen auf der Akzeptanzseite eine Penetration der Debitkarte in den bislang typischen Kreditkartenkartensegmenten vermuten. Kannibalisieren die - aus Sicht des Kreditgewerbes - defizitären Debitkartenumsätze die profitablen Kreditkartenumsätze?
Erlöse und Kosten der Kreditkarte
Betrachten wir die Profitabilität einer durchschnittlichen Bankkreditkarte in
Deutschland. Auf der Erlösseite gibt es zwei Einnahmequellen: die Entgelte
des Karteninhabers (Jahresgebühr, Entgelte für Bargeldbezug und Auslandsumsätze) und die Interchange-Zahlungen der Acquirer-Banken für POS-Umsätze. Die Interchange wird oft als Vergütung des Acquirers für die Leistungen
des Issuers angesehen. Die in der Vergangenheit zum Teil erheblich abweichenden „Domestic Interchange“-Sätze der beiden Kartensysteme Eurocard
und Visa haben sich mittlererweile angenähert und betragen derzeit ca. 1,4
Prozent des inländischen POS-Umsatzes bei Eurocard und 1,3 Prozent bei Visa.
Der Anteil der Erlöse aus der Interchange beträgt bei einem jährlichen Umsatz
von 4.000 DM pro Karte ca. 45 Prozent Die Kosten- und Erlöszahlen in diesem
Beitrag beziehen sich - wenn keine weiteren Angaben erfolgen - grundsätzlich auf eine durchschnittliche Kreditkarte (Chargekarte) mit einem Umsatz von 4.000 Mark und ca. 24 Transaktionen pro Karte im Jahr. Der Anteil des
Umsatzes im Inland beträgt 70 Prozent. Es wird davon ausgegangen, dass die
Vertragsdauer sechs Jahre beträgt. Die Gesamterlöse einer derartigen Kreditkarte betragen ca. 105 bis 110 DM pro Karte und Jahr.
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Der Umsatz pro Karte ist maßgeblich für die Interchange und ist damit einer
der wichtigsten Parameter für die Profitabilität der Karte. Im Eurocard-Bereich
ist der Umsatz einer durchschnittlichen Karte in den letzten Jahren leicht
rückläufig und beträgt derzeit ca. 3.800 DM. Der Umsatz einer Visa-Karte dagegen blieb in der gleichen Periode – allerdings auf einem niedrigeren Niveau – stabil (siehe Grafik). Mehrere Ursachen für den Umsatzrückgang – trotz
erheblicher Zunahme der Vertragsunternehmen – kommen in Betracht:
Mehrfachkartenbesitz und damit Aufteilung des Umsatzes auf mehrere Karten, Neukundengewinnnung in mittleren und unteren Marktsegmenten und
der befürchtete Kannibalisierungseffekt der Debitkarte.
Auf der Kostenseite dagegen ist die Umsatzhöhe nur von Bedeutung für den
Zinsaufwand der Zwischenfinanzierung für die Periode zwischen der Überweisung an die Acquirer-Bank (Gutschrift für den Händler) und der Belastung des
Karteninhabers und gegebenenfalls für den Mißbrauchsschaden. Neben den
karten- und kontobezogenen Fixkosten ist der wesentliche Kostentreiber die
Anzahl der getätigten Transaktionen mit der Karte. Viele Dienstleistungen der
Third-Party-Prozessoren werden pro Transaktion in Rechnung gestellt.
Als Faustregel für die Kostenseite gilt derzeit, daß ca. 50 Prozent der Kosten
umsatz- und transaktionsabhängig sind. Die anderen 50 Prozent sind kartenoder kontoabhängig und damit Fixkosten. Bei Inanspruchnahme eines ThirdParty-Prozessors (Outsourcing) können die Gesamtkosten in drei Kostenblöcke
aufgeteilt werden:
Bestimmungsfaktoren der Kosten
)
Kosten des Third-Party-Prozessors (z. B. Kartenausgabe, Core-Processing,
Karteninhaber-Service, Risk Management)
)
Interne Kosten des Kreditinstituts (z. B. Marketing, Forderungsausfall,
Zinsaufwand)
)
Systemkosten (Entgelte an die jeweilige internationale Kartenorganisation
für Lizenz, Clearing & Settlement, Autorisierung usw.)
Die Systemkosten betragen ca. 13 DM pro Karte pro Jahr . Außer diesen Systemkosten und den institutsindividuellen Marketing- und Vertriebskosten
können die restlichen Kosten auf Basis von Durchschnittswerten auf ca. 70 DM
pro Karte p.a. geschätzt werden. Bei einer Annahme von jährlichen Marketing- und Vertriebskosten in Höhe von 10 DM pro Karte ergibt sich also eine
Gewinnspanne von ca. 12 bis 17 DM pro Karte pro Jahr. Diese Zahlen sind
durchaus vergleichbar mit Charge-Karten in anderen europäischen Märkten
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und zeigen, daß auf dem deutschen Markt „normale“ wettbewerbsfähige
Verhältnisse herrschen.
Gründe für die Gewinnsituation
Ein Vergleich mit der Gewinnsituation Anfang der 90-er Jahre zeigt, daß auf
der Kostenseite insbesondere zwei Determinanten einen spürbaren Anstieg
der Profitabilität verursacht haben. Durch Einsatz verbesserter Scoring-, Bonitätsüberwachung und Mißbrauchspräventionssysteme konnte das Missbrauchs- und Bonitätsrisiko fast halbiert werden. Eine zweite Kostenreduzierung ergab sich durch die starke Senkung des Geldmarktzinssatzes, wodurch
sich gegenüber 1992 der Zinsaufwand für die Zwischenfinanzierung um 50 Prozent reduzierte. Auf der Erlösseite hat der Anstieg der inländischen Interchange von ca. 0,75 Prozent (1992) auf über 1,3% (1997; Visa-Werte) die tendenziell fallende Jahresgebühr kompensieren können. Im Eurocard-Bereich
wurde die inländische Interchange erst 1996 eingeführt. Bis dahin erhielten die
Institute eine Netto-Provision auf den Inländischen Umsatz (Händler-Disagio
abzüglich der GZS-Acqiringkosten.
Die Zahlen zeigen, daß für eine durchschnittliche Kreditkarte die Gewinnmargen nicht so üppig sind wie manchmal behauptet wird. Mittelfristig wird
es für den Issuer nicht einfach werden, diese Gewinnmarge zu erhalten.
Folgende "Schlechtwetterwolken" tauchen am Horizont auf:
Einfluss auf Gewinnmargen
)
steigende Zinsen,
)
wenig Chancen auf Interchange-Erhöhung,
)
Intensivierung des Wettbewerbs durch ausländische (Internet-)Banken.
Erhalt der Gewinnsituation
Im Hinblick auf diese absehbaren Entwicklungen wird derzeit intensiv über
neue Produkte und Features nachgedacht. So rechnet man damit, durch
eine Bonifizierung des Kartenumsatzes den Trend des Umsatzrückgangs zu
stoppen und umzukehren. Der erwartete Wegfall des antiquierten Rabattgesetzes würde hier den Weg ebnen. Mit einem attraktiven Bonuspunkte-Programm wird außerdem auch die Anhebung der Karteninhaberjahresgebühr
am Markt durchsetzbar sein. Auf der anderen Seite stehen aber nicht uner___________________________________________________________________________
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hebliche Zusatzkosten für die Leistungen des Bonusprogramms und die wesentlich höheren Kosten für den Karteninhaberservice (Call-Center).
Auch die aktive Markteinführung von „echten“ Kreditkarten mit einer „Revolving Credit“-Funktion könnte neue Erlösquellen auftun. Die Erfahrungen ausländischer Kartenmärkte zeigen ein erhebliches Einnahmenpotential. Die
Gewinnspanne einer Kreditkarte mit Revolving Credit beträgt beispielsweise
in Großbritannien ca. 40 bis 80 Mark (aus Gründen der Vergleichbarkeit wurde
ein Pfund-Kurs von 2,75 Mark zugrunde gelegt) bei einer durchschnittlichen
Kreditvergabe in Höhe von 2.000 DM pro Karte.
Trotz dieser verlockenden Zahlen aus dem Ausland sollen die Hoffnungen
nicht zu hoch geschraubt werden. Es ist zu berücksichtigen, daß eine derartige Kreditkarte teilweise das profitable Kreditgeschäft über das Girokonto
(Überziehungskredit) substituieren wird. Einsparungspotential dagegen besteht durch Substitution des personalintensiven Ratenkreditgeschäfts. Wenn es
gelingt, die Revolving Credit-Karte als Wettbewerbsinstrument gegenüber
dem Kreditgeschäft der Nicht-Banken einzusetzen, ist dieses neue Produkt
durchaus geeignet, das gesamte Kreditgeschäft der Kreditinstitute zu Lasten
der Nicht-Banken auszudehnen.
Ausblick
Die Weichen für das Produkt Kreditkarte stehen derzeit günstig:
Die geplante Neustrukturierung des Debitkartengeschäft durch die Einführung
eines Interbankenentgelts wird das relative Preisgefüge zwischen Debit- und
Kreditkarte erheblich beeinflussen. Aus Sicht des kartenakzeptierenden
Händlers werden die Kosten für die Akzeptanz der Kreditkarte gegenüber der
Debitkarte relativ geringer. Dieser Preiseffekt dürfte gerade im klassischen
Kreditkartenmarktsegment eine Substitution zugunste der Kreditkarte bewirken.
Seit dem Aufkommen des Internet-Handels wurden viele neuartige elektronische Zahlungssysteme entwickelt und auf den Markt gebracht. Bislang führen
diese Pioniere – wenn überhaupt noch am Markt - ein Nischendasein. Keinem
dieser Zahlungssysteme ist es gelungen, die Kreditkarte im grenzüberschreitenden eCommerce zu entthronisieren. Auch herkömmliche nationale Zahlungssysteme, wie Nachnahme, Rechnung & Überweisung oder Lastschrift
haben derzeit wegen der fehlenden internationalen Akzeptanz kaum eine
Chance, sich im Worldwide Web zu etablieren. Die Kreditkarten haben als
einziges Zahlungssystem auf globalem Level das Henne-Ei-Problem erfolgreich
überwunden: internationale Marke und internationale Akzeptanz. Wenn die
Sicherheitsproblematik kundenfreundlich gelöst werden kann, hat die
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Kreditkarte die besten Voraussetzungen, ihre Vorreiterrolle im eCommerce
weiter auszubauen.
Umsatz pro Karte
1992 - 1999
6.000
- VISA
5.000
in DM
4.000
- Eurocard
4.900
3.800
3.400
3.500
3.000
2.000
1.000
0
1992
1993
1994
1995
1996
1997
1998
© PaySys
1999
1
Bankkreditkarte vs. Debitkarte
Umsatz am POS-Inland
1991 - 1999
70.000
Um satz in Mio. D M
60.000
50.000
Kreditkarte
ec-cash und PO Z
40.000
30.000
20.000
10.000
0
1991 1992 1993 1994 1995 1996 1997 1998 1999
Kreditkarte: VISA und EUROCARD
Debitkarte: ohne ELV
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