TO ROME WITH LOVE
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TO ROME WITH LOVE
August 2012 www.trailer-ruhr.de www TO ROME WITH LOVE www.toromewithlove.de EIN FILM VON WOODY ALLEN FESTIVAL AM HENGSTEYSEE IN HAGEN FREITAG, 31.08.2012 SAMSTAG, 01.09.2012 JUPITER JONES BOSSE AULETTA THOMAS GODOJ MADCON FRIDA GOLD THE PUSHER STEREOLOVE Einlass: 16:00 Uhr / VVK: Erw. 29,50 € / Jgdl. bis 17 J. und Schüler 24,50 € /// Kombiticket Fr. + Sa. 49,50 € / 39,50 € / AK zzgl. 2 € Tickets und Infos unter: www.seegefluester-festival.de www.westfalenbad.de www EIN GANZER FERIENTAG FÜR DEN PREIS VON 3 STUNDEN! r das …gültig fü der d in Freizeitba vom Ferienzeit . August 7. Juli - 21 Stadionstr. 15 | 58097 Hagen | Tel. 02331-208-600 | [email protected] 5 trailer-Thema: KULTURFÖRDERUNG, Foto: Boris Golz, Arnsberg www.trailer-ruhr.de I August 2012 trailer-Thema. 5 KULTURFÖRDERUNG Ruhrgebiets-Theater im Finanz-Dilemma Themeninterviews „Eine gezielte Aufgabenkritik muss möglich sein“ 6 „Das Zentrum einer Stadt verteidigen“ „Die Stadt wird nicht wiederzuerkennen sein“ Bühne. 9 Micro!Festival Dortmund 10 Theater Ruhr Das arabisch-deutsche Episodenstück „Irgendwo müsste es schön sein“ 11 Cabaret Queue Ebertbad 12 Komikzentrum Ruhr Quer durch die Republik mit dem Zeltfestival Ruhr RuhrTanz Grenzüberschreitung als Prinzip 13 Festival Beim Micro!Festival wird es international 15 Festival zur Internationalen Tanzmesse NRW 17 Theater demnächst „No Education“ bei der RuhrTriennale 2012 Theater im Rathaus Essen 18 Theater-Kalender Ruhr Kino. Kunst. 21 Film-ABC Vorspann 22 Film des Monats „We need to talk about Kevin“ Lynne Ramsays brisantes Mutter-Sohn-Drama 23 Kritikerspiegel Ruhr Kino-Kalender Ruhr 24 Hintergrund „To Rome with Love“ 25 weitere Film-Kritiken Foyer „Louisa“ im Kino im U Dortmund/„Work hard – play hard“ im Endstation Bochum/„Bis zum Horizont, dann links“ in der Lichtburg Essen 26 Hintergrund „Samsara“ 28 Roter Teppich Channing Tatum über „Magic Mike“ 30 Gespräch zum Film Marten Persiel über „This ain‘t California“ 31 culture clubs Kino-Café: „Best Exotic Marigold Hotel“ Open-Air-Kino am Schloss Strünkede 33 culture clubs Shadowland Seegeflüster Hagen 36 Kino.Ruhr. Jörg Kluge über das Kino im Walzenlager 41 Kunstsommer Arnsberg 42 RuhrKunst Ian McKeever im Museum Quadrat Bottrop/Zwei Fotografen im Kunstmuseum Mülheim/Kongolesische Kunst in Dortmund 43 RuhrKunst Die Duisburger Küppersmühle zeigt Papierarbeiten von Beuys und Kiefer 44 Sammlung Die Ausstellung „Fluxus – Kunst für Alle!“ im Dortmunder U über grundlegende Ideen des Fluxus 45 Kunstwandel Zehn Tage lang Kunstsommer in Arnsberg 46 Kunst-Kalender NRW www Kultur in NRW. überregional Literatur. 14 Tanz in NRW Tanzmesse lockt das Publikum aus NRW Theater in NRW Der Stärkungspakt nagt an kultureller Substanz 16 Oper in NRW Jetske Mijnssen inszeniert Mozart in Essen Musical in NRW Musical-Leckerbissen auf Freiluftbühnen 37 Popkultur in NRW Warum nicht alles Retro ist 45 Kunst in NRW T. Schütte in Düsseldorf/B. Riley in Siegen BÜHNE © Mammalian Diving Reflex RuhrTanz 12 KINO 38 Literatur-Portrait Der Essener Autor Stefan Sprang beleuchtet die Liebe im 21. Jahrhundert 39 Poetry Die Kolumne von Sebastian23 40 Wortwahl Buch-Empfehlungen des Monats ComicKultur Comic-Neuerscheinungen im August 41 Textwelten Kindheiten als Spiegel des Lebens Hintergrund 24 MUSIK Musik. 37 Kompakt Disk Neue Alben im August trailer spezial. 4 Intro 8 Über Tage Heike Dahlheimer vom Kulturzentrum Wichern über Engagement im Dortmunder Norden 47 Impressum Magenbitter Kolschewsky Innovation Mikro-Kredite können Existenzgründungen stützen Besuchen Sie uns auf: www.facebook.com/trailerRuhr Lesen Sie mehr auf www.trailer-ruhr.de! Dieses Icon zeigt Ihnen den Weg. Popkultur in NRW KUNST 37 © VG Bild-Kunst, Bonn 2012 RuhrKunst 42 Intro -ruhr.de August 2012 trailer + trailer-ruhr.de Magic Bus Im Doppelpack mehr Service, Meinung und Hintergrund Thema 6 Neid ist die falsche Haltung Anselm Weber, Intendant des Schauspielhauses Bochum, weiß: „Was einmal weg ist, ist weg.“ Bei aller – zum Teil berechtigten – Kritik gelte es daher vor allem, die Kulturinstitutionen zu erhalten. Anselm Weber Über Tage Foto: Diana Küster 8 Grüner als man denkt Heike Dahlheimer, Programmplanerin im Kulturzentrum Wichern, über den berüchtigten Dortmunder Norden: „Die Realität entspricht nicht dem Bild, das die Medien zeichnen.“ Heike Dahlheimer Film Foto: Jonas Martinetz 28 Vortanzen an exponierten Stellen Obwohl Schauspieler Channing Tatum früher selbst einmal Stripper war, befremdeten ihn die Dreharbeiten im String-Tanga zu seinem aktuellen Film „Magic Mike“ durchaus. Channing Tatum Film 30 Ein Skater-Paradies im Osten Seit er acht ist, fährt Regisseur Marten Persiel Skateboard. trailer sprach mit ihm über sein Langfilmdebüt „This ain’t California“, das einen Blick in die Skaterszene der DDR wirft. Marten Persiel Kunst 44 Besucher zu Teilnehmern machen Fluxus ist noch immer aktuell, das weiß Kurt Wettengl, Direktor des Museums am Ostwall. Wichtig war und ist die Verbindung von Alltag und Kunst. Nicht umsonst trägt die aktuelle Ausstellung den Titel „Kunst für Alle!“. Kurt Wettengl Wasserdampf oder Sweet Smoke?, Foto: Francis Lauenau Das passiert schon mal zur Urlaubszeit. Da legt man viele hundert Kilometer zurück um dem Alltag zu entfliehen, und da trifft man auf alte Bekannte. Ich schlendere nichtsahnend mit meinem Töchterchen die Spanische Treppe in Rom hinab, da rollt lautlos ein Stummel von einem Bus vorbei. In trailer haben wir bereits von diesem Wunderwerk – made im Ruhrgebiet – berichtet. Etwa 20 Sitzplätze und null Emission. Ich erkläre der Tochter, dass dieses Gefährt mit Wasserstoff betrieben und deshalb so leise und so umweltfreundlich sei. Hinten komme nur Wasserdampf heraus, höre ich mich sagen. In diesem Moment tauchen wir mit unseren Köpfen in eine dichte Wolke ein, die von einer Gruppe sitzender Jugendlicher aufsteigt. Die Tochter guckt mich zweifelnd an. Vielleicht steht das große H auf dem Bus doch nicht für Wasserstoff, sondern für einen anderen Stoff: Hanf. In diesem Heft gibt es wieder viel Theater mit dem Theater. Große Festivals wie RuhrTriennale und Ruhrfestspiele feiern Erfolge, während die angestammten kommunalen Häuser ihre Etats zusammengestrichen bekommen. Gibt es eine Schieflage bei der Kulturförderung im Revier? Zum August-Thema KULTURFÖRDERUNG sprach trailer unter anderem mit Kulturministerin UTE SCHÄFER. Nicht immer im Namen des Herrn wird Kultur im Dortmunder Norden angeboten. Im ÜBER TAGE-Interview erklärt HEIKE DAHLHEIMER den Zusammenhang von Kirche und Dorf im dort ansässigen KULTURZENTRUM WICHERN. Die in diesem Monat startende RuhrTriennale stellt Kinder auf die Bühne und nutzt sie auch als Kulturkritiker. Aber nicht nur die Grenzen zwischen Erwachsenen und Kindern verschwimmen, sondern auch die zwischen den Genres. Wo beginnt Tanz, wo endet Ausstellung? Verwandelt sich das Außengelände der Bochumer Jahrhunderthalle in einen Abenteuerspielplatz für Erwachsene und Kinder? In einen solchen Abenteuerspielplatz verwandelt sich auch ein kleiner Regierungssitz im Sauerland, und zwar während des KUNSTSOMMERS ARNSBERG. Aus Essen kommt der Autor STEFAN SPRANG, dessen Romane trailer vorstellt. Liebe und Jazz in den Zeiten des Strukturwandels. www Im Kino wird in diesem Monat Tragödie gezeigt. WE NEED TO TALK ABOUT KEVIN illustriert detailgetreu die destruktiven Verstrickungen innerhalb einer amerikanischen Mittelschichtsfamilie. Können sich Mutter und Sohn von Beginn an hassen? Eher lustig ist die Geschichte eines 18-jährigen Strippers, die der Film MAGIC MIKE erzählt. trailer sprach mit Hauptdarsteller CHANNING TATUM über seine eigenen Erfahrungen als Akttänzer und sein inzwischen gereiftes Bedürfnis nach Intimsphäre. Tänzer auf vier Rollen stellt der Film THIS AIN’T CALIFORNIA vor. Ausgerechnet in der DDR spielt die Geschichte vom Skater namens Panik. trailer sprach mit Regisseur MARTEN PERSIEL über seine Zeit als Skater und über den Mut der kleinen Filmemacher. Mut beweist auch das KINO IM WALZENLAGER im Zentrum Altenberg in Oberhausen. Dessen Leiter JÖRG KLUGE erklärt, warum es keine Premierenvorstellungen braucht, um gutes Kino zu machen. LUTZ DEBUS Foto: Ostwall Museum, Dortmund 4 Thema Viel Harmonie bei der Kulturförderung? Foto: Presseamt Essen Operation geglückt, Patient tot? Die Kulturförderung des Landes möchte auch gefährdeten Theatern helfen Norbert Lammert sagt ja nicht immer das, was mit der Verteilung eines erhöhten Landeszuseine Kanzlerin erfreut. Der Bundestagspräsident schusses für die Stadttheater beschäftigt hat, und CDU-Politiker aus Bochum hielt beim Festakt aber sich in der Folgezeit auch mit Strukturfragen anlässlich des zehnten Geburtstages der Bundes- beschäftigen soll. Auch ein Kulturfördergesetz ist kulturstiftung ein flammendes Plädoyer für die in Düsseldorf in der Diskussion. Ob die Maßnahmen ausreichen werden Theater der Republik. und rechtzeitig greifen, Die Häuser seien in ihtrailer-Thema im August: bevor ein großes Thearen Wurzeln bedroht. tersterben einsetzt, ist Zur Konsolidierung der aber noch unklar. Haushalte der BundesDie Städtischen wie Freien Theater stecken im Ruhrgebiet im Finanz-Dilemma, während Leuchtturmprojekte länder und Kommunen wie die RuhrTriennale großzügig Gelder zugesprochen wären weitere Einbekommen. Winkt der nächste große Konflikt? schnitte im Kulturetat völlig ungeeignet. Schließlich machten die Kulturausgaben nur 0,4 Die Landesregierung ist – anders als in vieProzent des Bruttoinlandsproduktes aus. Tatsäch- len anderen Bundesländern – nicht für die lich aber leiden auch die Theater im Revier an der Theater verantwortlich klammen Haushaltslage der Städte. Die rot-grüne Mancher intellektuelle Stammtischbesucher ärLandesregierung versprach nach der Wahl, not- gert sich indes schon länger über die Politik aus leidenden Kommunen zu helfen. Doch diese Hilfe Düsseldorf. Millionenschwere Zuschüsse komhilft zunächst nicht den bedrohten Theatern. In men den sogenannten Leuchtturmprojekten wie manchen Städten werden die Kulturetats zusam- der RuhrTriennale zugute, während die lokalen mengestrichen, um zu sparen, damit die Hilfsvor- Häuser in ihrer Existenz bedroht sind. Leicht gaben der Landesregierung erfüllt werden können werden hier allerdings Äpfel mit Birnen verund die Kommune Geld aus dem Landeshaushalt rechnet. Die Landesregierung ist – anders als in bezieht. Um solche paradoxen Entwicklungen zu vielen anderen Bundesländern – schlicht nicht vermeiden, ist vor gut einem Jahr die Theaterkon- für die Theater verantwortlich. Dieter Kükenferenz ins Leben gerufen worden, die sich zuerst höner, Geschäftsführer vom Musiktheater im Kulturförderung www Revier Gelsenkirchen, mag eine Konkurrenz zwischen RuhrTriennale und den etablierten Einrichtungen auch aus einem anderen Grund nicht überbewerten: „Die Stadttheater stellen über das Jahr die ‚Grundversorgung‘ in den Kommunen sicher und geben aufgrund der Dichte im Ruhrgebiet auch die Möglichkeit, dass für jeden Geschmack etwas dabei ist. Wenn darüber hinaus das Land sich ‚Großprojekte‘ leistet, so finden diese sicher auch ihr Publikum und stellen auch eine Außenwirkung für das Land her, von der die gesamte Kulturlandschaft NRW wiederum profitiert.“ Ähnlich antwortete auf unsere Anfrage auch die Theaterleitung des Westfälischen Landestheaters Castrop-Rauxel, Günter Wohlfarth als Kaufmännischer Direktor und Ralf Ebeling als Künstlerischer Direktor: „Eine Entweder-oderFrage führt in der Tat nicht weiter. Ohne Frage sind Großprojekte wie die RuhrTriennale für das Land NRW und sein kulturelles Profil immens wichtig. Gleichzeitig sind aber die Kultur in der Fläche und die tägliche Kulturarbeit vor Ort in den Kommunen unverzichtbar. Es wäre fatal, das eine gegen das andere ausspielen zu wollen.“ Das wollen wir natürlich auch nicht. LUTZ DEBUS „Eine gezielte Aufgabenkritik muss möglich sein“ Ute Schäfer zur Kulturförderung der Landesregierung trailer: Frau Schäfer, ist die Kulturpolitik in Zeiten der Haushaltskonsolidierung nicht zuallererst ein „Streichkonzert“? Ute Schäfer: Nein, das darf auf keinen Fall passieren. Der Kulturetat im Landeshaushalt wird nicht gekürzt. Allerdings muss wie für alle anderen Politikfelder auch für die Kultur gelten: Eine gezielte Aufgabenkritik muss möglich sein. Legt die Kulturförderung des Landes in den nächsten Jahren mehr Wert auf Großprojekte, oder hilft sie nach dem Gießkannenprinzip? Weder das eine noch das andere. Wir haben sowohl die kulturelle Förderung in der Breite als auch die Spitzenförderung im Auge. Einen zentralen Schwerpunkt bildet dabei die kulturelle Bildung. Denn ich glaube, wir müssen die Tür zu Kunst und Kultur so früh wie möglich und so weit wie möglich öffnen. Die schwarz-gelbe Vorgängerregierung siedelte sind. Mit dem Stärkungspakt Stadtfinanzen will die Kulturpolitik in der Staatskanzlei an. Ist das die Landesregierung bis zum Jahr 2020 insgesamt sinnvoll, oder liegt darin die Gefahr der Selbst- 5,85 Milliarden Euro aufbringen. Damit sollen die Kommunen wieder handlungsfäprofilierung? „Wir haben eine Theaterlandhig werden. Darüber hinaus haben Seit dem Regierungswechsel schaft, die wir mit vereinten wir mit den kommunalen Theatern 2010 hat die Kultur nicht mehr Kräften erhalten sollten“ und Orchestern einen Theaterpakt nur einen Staatssekretär, sondern mit mir als Ministerin auch endlich wieder geschlossen und unterstützen sie zusätzlich mit 4,5 eine Stimme im Parlament. Als solche werde ich Millionen Euro. Wir haben eine international einauch in den kommenden Jahren die Interessen der zigartige Theaterlandschaft, die wir mit vereinten Kräften erhalten sollten. Kultur offensiv vertreten. Viele Theater in kommunaler Trägerschaft stehen vor herben Einschnitten. Ist die Unterstützung der klammen Kommunen in diesem Fall nicht die beste Kulturförderung? Absolut richtig. Wir haben keine Krise der Kultur, sondern eine kommunale Finanzkrise. Und wir haben in NRW die Tradition, dass die Hauptträger von Kunst und Kultur die Städte und Gemeinden 5 ZUR PERSON Ute Schäfer (58) ist Ministerin für Familie, Kinder, Jugend, Kultur und Sport des Landes NRW und in der SPD. Foto: Ministerium für Familie, Kinder, Jugend, Kultur und Sport NRW Thema In Moers hat man weniger Angst vor Virginia Woolf als vor der Haushaltslage, Foto: Jakob Studnar „Das Zentrum einer Stadt verteidigen“ Anselm Weber über die Zukunft des Schauspielhauses Bochum trailer: Herr Weber, wie geht es dem Schau- liche Kraftanstrengungen leistet, muss es in Zuspielhaus Bochum finanziell? Alles im grünen kunft wie andere städtische Kultureinrichtungen behandelt werden. Kürzungen im Kulturhaushalt Bereich? Anselm Weber: Nach einer außergewöhnlichen können keine kommunalen Finanzen sanieren. Kraftanstrengung der letzten anderthalb Jahre Kürzungen sind immer ein psychologischer Obolus. haben wir über 1,7 Millionen Euro eingespart. Was bleibt von einer Stadt übDas sind fast 10 Prozent des Zuschusses. Wir sind auf dem Weg „Kürzungen im Kulturhaushalt rig, die keine Kulturangebote mehr macht? der Gesundung. sind immer ein psycholoEs geht darum, das Zentrum gischer Obolus“ einer Stadt zu verteidigen. Wir Warum schaffen Sie das und haben vor dem Schauspielhaus eine Solidaritätsandere Theater nicht? Wir haben wirklich jeden Stein umgedreht und demonstration für den Erhalt von Opel in Bohaben das Maximum an Einsparungen heraus- chum durchgeführt. Herbert Grönemeyer hat im geholt. Das bedeutet: keine Neueinstellungen, vergangenen Jahr im Schauspielhaus gespielt. In keine Aushilfen im Krankheitsfall, die Kinder- und diesem Monat haben wir vor dem Haus ein wunJugendbühne wurde geschlossen, Personal wurde derschönes Tana Schanzara-Denkmal enthüllt. All das macht das Theater zum emotionalen Zentrum innerhalb der Stadtverwaltung versetzt … der Stadt. Manchmal sind Kommunen nimmersatt. Was passiert, wenn durch wegbrechende Steuerein- Hilft da eine Neiddebatte? Die RuhrTriennale wird staatlich und stattlich unterstützt. nahmen weiter gespart werden muss? Wenn ein Institut wie dieses solch außergewöhn- Nach wie vor gilt das Gesetz: Was einmal weg ist, ist weg. Sie können keine Bühne, keine Bibliothek, kein Museum schließen und nach ein paar Jahren wieder öffnen. Bei aller teilweise auch berechtigten Kritik an den Kulturinstitutionen gilt es jetzt erst einmal, diese zu erhalten. Neid ist natürlich die falsche Haltung. Was ist denn zu tun? Machen Sie es auch unter der HundertmillionenDollar-Frage? Wir müssen noch mehr vermitteln, dass diese Kulturorte tolle Orte sind, die auch für die nachfolgenden Generationen erhalten werden müssen. ZUR PERSON Anselm Weber (48) ist Intendant des Schauspielhauses Bochum. Foto: Diana Küster www „Die Stadt wird nicht wiederzuerkennen sein“ Ulrich Greb zu der Zukunft des kulturellen Lebens in Moers trailer: Herr Greb, wie geht es dem Schlosstheater Moers? Ulrich Greb: Künstlerisch ist das Schlosstheater Moers sehr gut aufgestellt, finanziell sind wir von der Stadt Moers abhängig, der es wie vielen NRW-Kommunen nicht gut geht. Bereits 2010 haben wir mit der Stadt ein Konsolidierungskonzept erarbeitet, mit dem wir ohne den Verlust größerer künstlerischer Substanz leben konnten. Die Situation in diesem Jahr stellt sich radikal anders dar, da der Haushalt nicht genehmigt wurde. Der Kämmerer der Stadt Moers hat einen Sanierungsplan aufgestellt, um in den Stärkungspakt 2 des Landes zu kommen, der nun in die politische Beratung geht. Dieser Plan setzt die viele „freiwilligen Leistungen“ im Sport-, Sozial- und Kulturbereich auf null, d.h. das Theater wäre ab 2015 geschlossen und das renommierte Moers-Festivals schon ab 2014. Wenn dieser Plan umgesetzt werden sollte, wird die Stadt nicht wiederzuerkennen sein. Ist das letzte Wort denn schon gesprochen? Hat denn der Moerser etwas von seinen LeuchtIch hoffe nicht. 61,5 Millionen Euro müssen in türmen? den nächsten zehn Jahren gespart werden. Das Bei der Schließungsdiskussion wird leicht überArbeitspapier des Kämmerers übersteigt deut- sehen, wie stark das Theater und auch das Festilich die Vorgaben des Landes. val mit der Stadt vernetzt sind. Es werden in dem Entwurf 47 „Ausgerechnet von den Das Theater hat 11 KooperatiMillionen Euro mehr gespart Leuchttürmen kann man sich onsverträge mit Schulen jeden als erforderlich. Da gibt es also am leichtesten trennen“ Schultyps. Wir arbeiten bei noch einen VerhandlungsspielProjektreihen, zum Beispiel zum raum. Thema Demenz, zum Thema Sterben, zum Thema Armut, intensiv mit sozialen und anderen kultuWird denn gerecht gespart? rellen Einrichtungen zusammen. All das ist auch Ich finde die Vorschläge unausgewogen. Die gefährdet. Ausgaben für Kultur in Moers machen etwa INTERVIEWS: LUTZ DEBUS 4,35 Prozent des Gesamtetats aus. Nun soll die ZUR PERSON Kultur 65 Prozent sparen. Und im Kulturbereich Ulrich Greb (53) ist Intendant des sind das Theater und das Festival zu 100 ProSchlosstheaters Moers. zent betroffen. Ausgerechnet von den Leuchttürmen, die weit über die Grenzen von Moers hinaus strahlen, kann man sich am leichtesten trennen. Foto: Christian Nielinger 6 Thema Das Schlosstheater in Moers spielt „Todesstation“, Foto: Christian Nielinger Das Glück liegt auf der Bühne Helga Scharmin arbeitet im Dortmunder Theater im Depot Wie ein typischer Tag im Theater aussieht, das kann Helga Scharmin gar nicht sagen. „Das Typische ist“, erklärt sie, „dass jeder Tag anders ist.“ Oftmals seien es nur Kleinigkeiten, die den Tag besonders machen. „Künstler vergessen immer irgendetwas“, sagt sie und schmunzelt. Wenn Helga Scharmin dann helfen kann, macht sie es natürlich. Und so besorgt sie die fehlenden Kleinigkeiten für die Schauspieler und steht einmal sogar selbst auf der Bühne. In der vergangenen Spielzeit hatte sie eine Rolle als Komparsin. In „Verehrt und angespien – Das Testament des Francois Villon“ unter der der Regie von Stefan Schroeder spielt sie Karten und trägt in einer anderen Szene ein Glas Wasser auf die Bühne. Ihr Gesicht strahlt, wenn sie über ihre Arbeit erzählt. Ihre Rolle hat ihr Spaß gemacht, wie so vieles in ihrem Job. Um zehn Uhr in der Früh beginnt ihre Tätigkeit, um achtzehn Uhr endet sie normalerweise. Acht Mitarbeiter sind beim Theater im Depot beschäftigt, davon arbeiten drei in Vollzeit. Helga Scharmin arbeitet als Finanzbuchhalterin in der Verwaltung. „Da unterscheidet sich ein Theater nicht von einem Wirtschaftsun- ternehmen“, sagt sie. Dennoch ist ihr Job in einem der größten Freien Theater NRWs in vieler Hinsicht anders. Sie wäscht und spült – täglich anfallende Arbeiten, die alle Mitarbeiter ausüben. Das Theater im Depot muss schließlich laufen. Mancher Tag fordert mehr als acht Stunden. „Ich verliere mich in der Zeit. Sie vergeht doppelt so schnell wie normal“, sagt Helga Scharmin. Manchmal weiß sie gar nicht, welcher Tag heute ist, denn sie hilft ehrenamtlich abends und an den Wochenenden an der Theaterkasse aus. Helga Scharmin lässt die Besucher ins Theater, reißt Eintrittskarten ab und kümmert sich um ihre Belange. Bei den Premierenfeiern schenkt sie Sekt ein und sammelt Gläser. Sie muss immer aufmerksam sein: „Ich warte darauf, ob einer der Gäste einen Wunsch hat.“ Vielfältige Theater- und Tanzprojekte jenseits der klassischen Stücke Über zufriedene Theaterbesucher freut sie sich besonders: „Auch wenn es nur zwanzig Besucher sind, sehe ich, dass wir die Menschen glücklich gemacht haben.“ Mit dem Ehrenamt hat alles begonnen. Lange bevor sie im September des vergangenen Jahres eine feste Stelle bekam, engagierte sich Helga Scharmin im Theater. Als eine Kollegin erkrankte, sprang sie ein. Es war purer Zufall, wenn auch für Helga Scharmin ein glücklicher, dass sie diese Stelle bekam. „Ich bin einfach da gewesen.“ Angst, aufgrund klammer Kassen ihren Job zu verlieren, hat sie nicht: „Es geht immer weiter.“ Schließlich sei das Theater darauf angewiesen, dass es durch die öffentliche Hand unterstützt werde. An einem Freien Theater reizt sie die Möglichkeit, vielfältige Theater- und Tanzprojekte jenseits der klassischen Stücke zu sehen. Regelmäßig zeigt das Theater im Depot ein genreübergreifendes Gastspielprogramm und beteiligt sich an Festivals. Seine Bühne, das Herzstück eines jeden Theaters, ist auch für Helga Scharmin etwas Besonderes. Bei ihren täglichen Wegen schreitet sie bewusst über das Parkett. „Wenn ich zweimal am Tag über diese Bühne gehen kann, dann bin ich glücklich.“ ANKE-ELISABETH SCHOEN www Schutthaufen statt Stadttheater Was macht die Halde Haniel außerhalb der Theatersaison? Preisfrage: Was macht ein RuhrTriennale-Spielort, wenn gerade keine RuhrTriennale stattfindet? Er spendet keinen Schatten – aber Trost. Denn anstatt Bäumen findet man auf der Halde Haniel im Bottroper Nordwesten in erster Linie Totholz. 15 Stationen hat das Erzbistum Essen hier 1995 als Kreuzweg aufstellen lassen, jede davon besitzt die Form eines Förderturms. Denn verantwortlich für die Halde ist letztlich die Ruhrkohle AG. Die betreibt direkt nebenan eine Zeche namens – Überraschung –Prosper Haniel mit einer Förderung von vier Millionen Tonnen Kohle. Als Nebenprodukt der prosperierenden Kohleförderung, die in den nächsten Jahren ein jähes Ende finden wird, brachte sie die Masse an Abraum hervor, die heute als Industriekulturdenkmal in jedem Reiseführer steht. Und um nicht nur die Leiden Christi, sondern auch die der Bergleute für die post-montanen Ruhrgebietsbewohner und ihre touristischen Gäste nachfühlbar zu machen, beginnt jeder Besuch der 159 Meter hohen Halde mit einem etwa 25minütigen Aufstieg per pedes. Zumindest gefundenes Fressen für Hobbyfotografen Einmal dort angekommen hat man eine wirklich fantastische Aussicht über die angrenzenden Städte: Dinslaken, Gladbeck, Oberhausen, Gelsenkirchen und selbstverständlich Bottrop selber. Nur das Kohlekraftwerk in Gelsenkirchen-Scholven drängt sich beim Blick nach Osten ein wenig unangenehm ins Sichtfeld. Der wahre Blickfang ist aber die für das Ruhrgebiet typische Haldenkunst. Diese folgt dem tradierten Muster. Man nimmt ein eher zweckmäßiges Material mit Verbindung zum Schweiß der alten Arbeitswelt und stellt es leicht verfremdet in die Gegend. Auf der Halde Haniel durfte der baskische Bildhauer Agustín Ibarrola alte Eisenbahnschwellen als „Totems“ in einem Halbkreis aufstellen. Welche Gruppe genau diese Totems eigentlich repräsentieren sollen, bleibt dagegen ein wenig unklar, aber seine Installation 7 ist zumindest gefundenes Fressen für Hobbyfotografen und hat damit den primären Zweck von Kunst im Ruhrgebiet gleich erfüllt: Sie lockt Touristen an. Der größte Trostspender inmitten dieser „Wahnsinnswüstenlandschaft“ (Wim Wenders) ist jedoch das 800 Plätze umfassende Amphitheater, in dem die einheimischen Bildungsbürger die Einheit von Zeit, Raum und Handlung im faux-authentischen Ambiente genießen dürfen. Vielleicht ist es aber auch einfach nur eine Verneigung vor der Kultur der ‚Gastarbeiter‘ aus Italien. Auf Sizilien steht so ein Amphitheater schließlich auf jedem Hügel, der ein wenig was auf sich hält. Am Eröffnungswochenende der Triennale werden die Japanoiser Boredoms hier ihren proto-schamanistischen Trommelzirkel abhalten. An den 51 anderen Wochenenden ist das Vollrund dann die Kulisse für alltägliche Ausflugsaktivitäten: eine Brotzeit auf dem Halbrund und eine Schnappschusslocation für den geliebten Vierbeiner. CHRISTIAN WERTHSCHULTE Über Tage Das Wichern: Suppenküche und Kleinkunstbühne, Foto: Lutz Bahrmüller, Teamdesign Schwerte „Die Realität entspricht nicht dem Bild, das die Medien zeichnen“ Heike Dahlheimer über soziales, kulturelles und kirchliches Engagement im Dortmunder Norden trailer: Frau Dahlheimer, im Dortmunder Nor- Sie verbarrikadieren sich also nicht hinter diden engagieren sich das Diakonische Werk und cken Kirchenmauern? Nein, die Kirche hat den Andie Evangelische Kirche sowohl „Johann Hinrich Wichern spruch, auch die Rechte der sozial, kulturell wie auch spiriwar Begründer der Diakonie Schwächeren zu vertreten. Und tuell. Funktioniert das so wie und auch Erfinder des sie will fröhlich sein. Da gibt in dem Film „Sister Act“? Adventskranzes“ es in der Tat Parallelen zu der Heike Dahlheimer: Es gibt da schon deutliche Unterschiede. Wir sind nicht Handlung von „Sister Act“. katholisch. Deshalb gibt es im Kultur- und Tagungszentrum Wichern auch keine Nonnen und Protestanten können fröhlich sein? Ich dachte, Mönche. Unser Umfeld ist vielleicht ähnlich bunt die gehen zum Kichern in den Keller. wie das des Klosters in dem Hollywood-Film. Der Bei uns gehen die Protestanten und auch andere Dortmunder Norden hat durch Negativschlag- Menschen zum Kichern ins Wichern. zeilen in den letzten Jahren für Aufmerksamkeit Ich muss nicht getauft sein, um zu Ihnen komgesorgt. men zu dürfen? Der Dortmunder Norden, so liest man, ist ge- Nein, sie müssen auch nicht evangelisch sein, um prägt von bulgarischen Prostituierten und Al- zu uns zu kommen. Es ist natürlich bei uns auch nicht verboten, evangelisch zu sein. Für mich ist koholikern. Stimmt das? Nein, die Realität entspricht nicht dem Bild, es völlig selbstverständlich, dass diakonische Andas die Medien zeichnen. Wenn Sie hier durch gebote uneingeschränkt allen Menschen zugängdie Straßen gehen, dann merken Sie, wie grün lich sind. der Dortmunder Norden ist. Es gibt den Fredenbaumpark, den Hoeschpark, den Stollenpark. Der junge Mann, auf den Sie sich beziehen, Auch stehen hier viele restaurierte alte Häuser. hat ja vor 2000 Jahren auch allen Menschen Die Nordstadt ist das größte zusammenhän- geholfen … gende Altbaugebiet der Stadt. Hier leben ganz Ja, natürlich. Und dann gibt es ja noch eine zweiviele unterschiedliche Ethnien. Die Menschen, te Persönlichkeit, auf die wir uns im Wichern die für die negativen Schlagzeilen sorgen, sind beziehen. Besucher aus Berlin fragten mich mal, in der absoluten Minderheit. Ganz viele Künstler warum das Haus „Wichern“ heißt. Die dachten, sind hierhin gezogen. Ich möchte die bestehen- dass das vielleicht der Stadtteil hier ist. Johann den Probleme nicht verharmlosen, aber ich fin- Hinrich Wichern war Begründer der Diakonie de das Leben hier sehr bunt, lebendig und auch und auch Erfinder des Adventskranzes. Er setzte sich für mittellose Kinder und Jugendliche ein, friedlich. gründete vor 180 Jahren das „Rauhe Haus“ in Hamburg. Unser Haus hieß übrigens immer schon Aber die Kirche wurde stillgelegt? Gerade in Stadtteilen, die zunehmend multikul- Wichern-Haus. Als wir vor 10 Jahren unser Kulturell geprägt sind, werden die evangelischen tur- und Tagungszentrum eröffneten, haben wir Gemeinden immer kleiner. Viele Standorte wur- diesen Namen übernommen, weil er sehr deutlich den deswegen schon von der Kirche aufgege- macht, woher wir kommen. Auch wir engagieren ben. Das Wichernhaus hätte auch geschlossen uns für die, die sonst keine Lobby haben. werden sollen. So ist vor zehn Jahren die Idee entstanden, hier ein Kulturzentrum zu etablieren Mal ganz provokant gefragt: Könnten die Leuund dieses Haus für den Stadtteil zu bewahren. te, die Ihre Suppenküche besuchen, nicht einSo verbinden wir Kultur mit Stadtteilarbeit. Viele fach arbeiten gehen? Organisationen treffen sich hier. Und wir bieten Dieses Totschlagargument höre ich Gott sei Dank an jedem Mittwoch mit Hilfe von 18 Ehrenamt- nicht so oft. Jeder, der Dortmund und das Ruhrlichen eine Suppenküche für 250 bedürftige gebiet kennt, weiß, dass das so nicht stimmt. Für die 34.000 Menschen, die früher hier in der MonMenschen aus dem Stadtteil an. www 8 tanindustrie gearbeitet haben, gibt es einfach keine adäquaten Arbeitsplätze mehr. Manche versuchen natürlich, gesellschaftliche Probleme zu individualisieren. So was regt mich auf. Apropos aufregen. Sie bieten in Wichern Kultur an. Hat die immer einen Gottesbezug? Sonst wäre das am Ende, zumindest nach der Definition von Erzbischof Meisner aus Köln, entartete Kunst. Diese Äußerung disqualifizierte diesen Mann so sehr, dass ich mich damit gar nicht auseinandersetzen mag. Also ist Ihre Kultur nicht mit Gottesbezug ausgestattet? Zunächst sehe ich Wichern als ganz normalen Kulturanbieter. Vielleicht ist es bei uns etwas familiärer als woanders. Wir präsentieren Musik, Theater und Kabarett sowohl hier aus dem Stadtteil wie auch bekanntere Künstler. Hier finden Nachwuchswettbewerbe, Schultheaterprojekte und auch Gastspiele von hochkarätigen Leuten statt. Mit dem Theater 36 haben wir ein hauseigenes Ensemble, das sich jedes Jahr eine neue Produktion erarbeitet. Einmal im Jahr findet hier ein Kirchenkabarett-Festival statt. So viel dazu, dass Protestanten zum Lachen in den Keller gehen würden. Wichern ist jetzt 10 Jahre alt geworden. Was wünscht sich das Geburtstagskind? Wir wünschen uns Geld, immer viele Besucher, und dass dieser Standort lange erhalten bleibt. INTERVIEW: LUTZ DEBUS ZUR PERSON Heike Dahlheimer ist Programmplanerin im Wichern. Foto: Jonas Martinetz Mikro-Kredite können bei Existenzgründungen wertvolle Unterstützung leisten: Lesen Sie auch trailer „Innovation“: www.trailer-ruhr.de/gruene-seiten D O W N T O W N O N S TA G E 17. - 19. August 2012 Friedensplatz Dortmund Freitag, 17.08 17.00 CHIHA Tunesien 18.00 Theater Irrwisch Österreich 19.00 Mikail Aslan Ensemble Ost-Anatolien 20.00 Cia Mar Gomez Spanien 21.00 Fanfare Ciocarlia Rumänien www Samstag,18.08 16.00 Aldona Polen 17.00 Cia Mar Gomez Spanien 18.00 Romengo Ungarn 19.00 Compagnie DAAD Niederlande 20.00 Hot Water Südafrika 22.00 Compagnia Teatrale Corona Italien Sonntag,19.08 16.00 Kindertheater Wundertüte Deutschland 17.00 Duo Diagonal Deutschland 18.00 Sväng Finnland 19.00 Kluster Belgien 20.00 Tamikrest Mali Informationen KulturInfoShop Dortmund Tel. 0231 / 50- 2 77 10 www.kis.dortmund.de [email protected] I n t e r n a t i o n a l e s S t r a ß e n t h e a t e r u n d We l t m u s i k Theater Ruhr Keine Chance, den Scanner zu überwinden, auch nicht nackt, Foto: Folkwang Universität der Künste Überall könnte es schön sein Essener Folkwang-Studenten haben mit Absolventen der palästinensischen Drama Academy Ramallah ein Episodenstück uraufgeführt Eine Menschenmenge stolpert auf die Bühne der Bochumer Kammerspiele. Die puppenspielhafte Choreografie lähmt das Gehen, Ziel ist ein Scanner an der Rampe, wie er an Flughäfen und in Gerichtsgebäuden üblich ist. Einer aus der Gruppe traut sich nach vorn, der Alarm ertönt. Klar, irgendwo muss es wohl noch eine metallische Gürtelschnalle oder Ähnliches geben, der Mann entkleidet sich, Alarm, er wird weiter ausgezogen, bis er nackt ist. Alarm. Der Mann sackt zusammen, „sieht aus wie jemand, der versucht, sich an etwas zu erinnern, an irgendetwas, an etwas Wichtiges, das er verloren hat“. So die Auftakt-Regieanweisung von den Autoren Moritz Rinke, Mario Salazar und dem Dichter Ghassan Zaqtan, der die arabischen Passagen geschrieben hat. Gleich für 17 Schauspieler taugt das Episodenstück. Es erzählt von der Sehnsucht, von verlorenen Schicksalen – und Palästina. Irgendwo in den palästinensischen Autonomiegebieten im Westjordanland gibt es seit drei Jahren eine Schauspielschule, die Drama Academy Ramallah mit Sitz in Al Kasaba, einem alten Theater mit Kinosaal. Die Essener Hochschule der Künste ist mit dieser einzigen Ausbildungsstätte für Schauspiel in Palästina verbunden, deren Budget von der Essener Stiftung Mercator und dem Auswärtigen Amt gesichert wird. Gerade haben die ersten Studenten in Ramallah ihren Abschluss gemacht, einen Teil davon bildet die Inszenierung von „Irgendwo müsste es schön sein“ von Johannes Klaus, Professor für praktische Theaterarbeit, und Katrin Lindner. Erstmals stehen deutsche und palästinensische Studierende darin als ein gemeinsames zweisprachiges Ensemble auf der Bühne. Auf der Bühne hat die Szenerie gewechselt. Jetzt geht es um eine Reise nach Jerusalem. Fünf Freunde haben in ihrem Grand Voyager Hamburg verlassen und fahren auf Landstraßen nach Jerusalem, wo sie die Holocaustgedenkstätte Yad Vashem besichtigen wollen. Ihr endloser Weg wird per LiveVideo und Straßenschilder dokumentiert. Die diskutierten Probleme sind die der westlichen Jugend. Studium, Liebe, Sex, Musik und ein bisschen Politik. Doch die Reise ist lang, und so gibt es erst einmal eine schnelle Blende ins palästinensische Flüchtlingslager. Ghassan Zaqtan blickt zurück ins für den barbarischen Konflikt bedeutsame Jahr 1949, wo ein Postbote mit seinen Töchtern dort die Briefe der Angehörigen vorlesen muss. Er wird zum Informationsknotenpunkt und zum Ausreiseexperten. Sein ganzes Glück ist seine Uniform, die er ins Lager gerettet hat und die ihm das Gefühl von Autorität verleiht. Nur noch die Alten sind geblieben, alle anderen wandern weg, können nach Schließung der Grenzen nicht mehr so einfach zurück. Das ist auch das Problem von Fatima und Said, die sich kennen und lieben gelernt haben in Amman (Jordanien). Dort haben sie Hals über Kopf geheiratet. Dann kehrte er in die Wüste zurück und sie wieder ins Lager. Nun stellt sie einen Antrag auf Familienzusammenführung nach dem anderen, doch die israelischen Beamten torpedieren das – bis Said gestorben ist und sie sich mit seiner Urne begnügen muss, die eine Flasche ist, und mit der sie am Schluss eine bewegende Zwiesprache hält. „Mit dir hätte es hier schön sein können“ ist der letzte Satz, während sie Said aufs Fensterbrett stellt. www Alle Passagen der Schauspielschüler aus Ramallah sind auf Arabisch gesprochen worden, die Essener dolmetschten die Dialoge. Doch dieser Sprachenmix hatte einen unheimlichen Reiz, vermittelte er doch auch Authentizität und kulturelle Unterschiede. Das Fragmentarische im Schlaglicht führte zu ungewöhnlichen Choreografien, die live auf der Bühne stattfindenden Kostümwechsel und die offene Technik machten diese Schlaglichter auf einen unmenschlichen Konflikt visuell überaus reizvoll. Nach der Uraufführung gehen Moritz Rinke und Mario Salazar nach Palästina und arbeiten an den Szenen weiter, bis zur nächsten Uraufführung in Ramallah. PETER ORTMANN „Irgendwo müsste es schön sein“, eine Koproduktion der Folkwang Universität der Künste Essen und der Drama Academy Ramallah I Al Kasaba, Theatre & Cinematheque, Ramallah 10 rt: e i t n e s prä Highlights AUGUST / SEPTEMBER Fr. 03. 08. bis So.19. 08. 1 Cabaret Queue 1 Fr./Sa. 24./25.08. 2 Cabaret Queue 2 Sa. 01.09. Cabaret Queue Sa. 08.09. Cabaret Queue ab Mi. 12. 09. Cabaret Queue 3 4 Sa. 15. 09. Cabaret Queue Sa. 22. 09. Cabaret Queue ab Fr. 28. 09. Cabaret Queue Do. 08. 11. 3 4 5 Pottsäue Hermannstr. 74 · Dortmund-Hörde Di.-Sa.18°°-1°° Tickets + Gastro 0231-413146 6 NEU: „Fettverbrennung“ Lioba Albus & Andrea Badey Peter Vollmer „Frauen verblühen – Männer verduften“ Schrader / Griesbach NEU: „Götterspeisendämmerung“ René Steinberg „WDR 2 Lachen Live – jetzt neues Solo“ Dinner Attacke „Die Dinner-Show: satirisch, kulinarisch, lustisch!“ Stephan Bauer „Warum heiraten – leasing tut´s auch“ Emmi & Herr Willnowsky „Staying alive in concert“ Sea & Dance „Die neue Tanz-Party für Leute ab 40“ 6 7 7 8 8 Rohrmeisterei Schwerte Fritz Eckenga 5 www.CabaretQueue.de Dienstags Cabaret Queue Mittwochs Cabaret Queue Donnerstags Cabaret Queue „Alle Zeitfenster auf Kippe“ Tango Salon mit DJ Topolino Dinner Attacke Italienisches Buffet mit Überraschungskünstler Lachen, Live & Lecker Menue am Donnerstag mit Live-Programm www 9 9 Komikzentrum Ruhr RuhrTanz Blödeln auf hohem Niveau: Eure Mütter Allora and Calzadilla Revolving Door, Foto: Alan Seabright / Manchester Art Gallery 2011 Das Beste aus dem Land des Lächelns Grenzüberschreitung als Prinzip Beim Zeltfestival Ruhr geht es quer durch die Republik Die RuhrTriennale hebt Grenzen zwischen den Kunstgattungen auf Von wegen nix los in der Region: Das Spiegelzelt am Dortmunder U bietet auch im August ein tolles Programm, im Cabaret Queue laden die Pottsäue alias Andrea Badey und Lioba Albus (vom 3. bis 19.8.) mit „Fettverbrennung“ zum ultimativen Sommer-Special ein, und am Bochumer Kemnader See sorgt (vom 17.8. bis 2.9.) das Zeltfestival Ruhr für jede Menge Unterhaltung. Obwohl hier der Schwerpunkt auf musikalischen Acts liegt, kann sich die Auswahl der Kabarettisten, die in den großen weißen Zelten auftreten, sehen lassen. Als da wäre Konrad Beikircher, der behauptet „Schön ist es auch anderswo ...“ (19.8.). Der Titel stammt von Wilhelm Busch und wird von diesem mit den Worten „... und hier bin ich sowieso“ ergänzt. Der aus Südtirol kommende Wahl-Rheinländer befasst sich in seinem Programm mit den sprachlichen Eigenheiten deutscher Zunge und fragt sich, wie diese gewachsen und zustande gekommen sind. Dass ein Bochumer wie Frank Goosen nicht fehlen darf, versteht sich von selbst, oder wie es in der Ankündigung heißt: „Goosen und das ZFR, das gehört zusammen“. „Ein bisschen was vom Besten“ garantiert (19.8.) einen gelungenen Abend, an dem vermutlich auch der Versager Toto, sein brutales Herrchen Diggo, die Verwirrmaschine Karin und last but not least auch Omma Luise teilnehmen werden. Kurz: Goosen ist der anbetungswürdigste Bochumer weit und breit. Einen waschechten Kölner haben die Veranstalter mir Jürgen Becker eingeladen, der mit seinem jüngsten Programm „Der Künstler ist anwesend“ (am 22.8.) die verschlungenen Pfade der Kunstgeschichte aufspürt: Da lernt man was und lacht sich nebenbei schlapp. Ähnliches lässt sich über Piet Klocke alias Professor Schmitt-Hindemith und seine bezaubernde Partnerin Angelika Kleinknecht (Simone Sonnenschein) behaupten – mit dem Unterschied, dass der zerstreute Wissenschaftler „den Herrschaften“ nichts beibringt, sondern sie lediglich in willenlose Lachsäcke verwandelt. „Das Leben ist schön – gefälligst“ heißt das Programm, in dessen Verlauf Fräulein Kleinknecht zum Saxophon greift, verlegen mit ihren Haaren spielt und den Eindruck erweckt, sie säße mutterseelenallein auf der Bühne und warte nur darauf, dass jemand sie aus ihrem Tagtraum weckt (22.8.). Aus Berlin angereist kommt Kurt Krömer mit „Der nackte Wahnsinn“ (23.8.), um dem Ruhrgebiet seine sehr eigene Form des Humors näherzubringen. Der Familie Popolski legt mit „Get the Polka startet ...“ nicht nur die zweite Show vor, sondern wartet mit weiteren skandalösen Enthüllungen auf. Wurde bereits ruchbar, dass die Hits der Pop-Größen ursprünglich in Polen entstanden sind und schamlos abgekupfert wurden, so beweist die Band um Achim Hagemann einmal mehr, dass Witz und Musik keine Gegensätze sind. Typisch: „Nix da ‚Leck mich!‘ auf geht’s!“ – so der Titel der dritten Show – ist das Ergebnis monatelanger Proben und geistiger Schwerstarbeit von Andi Kraus, Don Svezia und Matze Weinmann, besser bekannt als „Eure Mütter“ (30.8.). Das Trio blödelt nicht nur auf hohem Niveau, es kann einfach alles, was man braucht, um ein Publikum zu berauschen: singen, tanzen und spielen. Bis zur Ekstase – die stellt sich nämlich regelmäßig sowohl auf der Bühne als auch im Zuschauerraum ein. Anders gesagt: Auf geht’s! Für Gerburg Jahnke und ihre Gäste („... mal gucken, wer kommt“, 31.8.) und Bülent Ceylans „Wilde Kreatürken“ (31.8.) gibt es leider keine Karten mehr. Was angesichts des vielseitigen Programms am Freizeitbad durchaus zu verschmerzen sein dürfte. Meint zumindest Ihre stets über Tage lebende Wenn sich am 17. August der Vorhang zur RuhrTriennale 2012 hebt, werden auch Kinder unter den Zuschauern sein. Ungewöhnlich ist das nur deshalb, weil diese Kids mit einer ganz bestimmten Aufgabe noch bei vielen Aufführungen dabei sein werden. Sie sind die Experten einer Festivaljury, die einen ebenso unbestechlichen wie unverdorbenen Blick nicht nur auf die zahlreichen Beiträge zum Thema „So konsequent wie bei der Kind, Kindheit, Wachstum haben wer- RuhrTriennale ist die Aufheden. Dahinter steht der Gedanke, dass bung der Grenzen noch nie jeder Mensch – auch ein Kind – in der gezeigt worden“ Lage ist, die Sprache der Kunst zu verstehen. Am Ende der RuhrTriennale werden die kindlichen Experten, die von der kanadischen Performancegruppe Mammalian Diving Reflex unterstützt werden, einen Preis verleihen: The Children‘s Choice Award (30. September). Kinder stehen auf ganz verschiedene Weise im Mittelpunkt der RuhrTriennale. Sie beobachten, und sie werden beobachtet. Werden Fragen der Kindheit zum Inhalt von Inszenierungen gestellt, dann stehen sie auch selbst auf der Bühne. Bei Boris Charmatz sind sie sowohl handelndes Subjekt als auch passives Objekt (siehe www.trailer-ruhr.de/das-schicksal-der-kinder). In einem Workshop über „Bewegungslosigkeit“ mit Kindern aus dem Ruhrgebiet wird Charmatz dieses Spannungsverhältnis weiter ausloten (24. August). Auch Heiner Goebbels, Intendant der RuhrTriennale, wird in seiner Musiktheater-Inszenierung „When the mountain changed its clothing“ mit den vierzig Mädchen der Carmina Slovenica im Alter von zehn bis 20 Jahren vielen Geschichten und Fragen zum Abschied von der Kindheit nachgehen (26. bis 29. September). Die RuhrTriennale 2012 lebt von Grenzüberschreitungen dieser und anderer Art. In den zeitgenössischen darstellenden Künsten sind die einzelnen Genres kaum noch voneinander abgrenzbar. Das Schauspiel, das Musiktheater, ja selbst die bildenden Künste haben die choreografierte Bewegung längst übernommen. Umgekehrt hat der zeitgenössische Tanz seit Pina Bausch mit dem Tanztheater ein neues Genre mit Tanz und Sprache geschaffen. In „Marketplace 76“, einem Theaterstück von Jan Lauwers & Needcompany über einen tragischen Unfall, werden Sprache, Tanz und Gesang ineinander verwoben und die Grenze zwischen Bühne und Publikum aufgehoben (7. bis 15. September). In den „12 Rooms“ im Museum Folkwang in Essen (das erstmals mit der RuhrTriennale kooperiert) gerät der Zuschauer in eine Ausstellung lebender Objekte, wo Raum und Bewegung, Körperskulptur und Formation (siehe Foto) eine neue Kunstform schaffen: Live Art – eine Fortführung der klassischen Performance. Nach Feierabend kann das Kunstwerk nach Hause gehen. Bei den 12 Rooms mit dabei sind renommierte Performancekünstler von Marina Abramovi bis Xu Zhen. Wo die Grenzüberschreitung zum Prinzip wird, bedarf es eigentlich keiner Zuordnung zu einem bestimmten Genre. So finden sich in der Programm-Rubrik Theater auch Tanz und Bewegungstheater, in der Rubrik Bildende Kunst die erwähnten lebenden Bewegungskunstwerke und mit der Rubrik No Education wurde gar ein neues Genre eingeführt. Längst haben also choreografische Prinzipien auch in den anderen Kunstgattungen Einzug gehalten. Doch so konsequent wie bei dieser RuhrTriennale ist die Aufhebung der Grenzen zwischen der darstellenden und der bildenden Kunst bei einem Festival noch nie gezeigt worden. ANNE NÜME KLAUS KEIL 12 www Mitreißend. Festival Unsere Grugahalle Good-Feeling-Produzenten: „Hot Water“ aus Südafrika Der Urlaub geht weiter Vom 17.-19.8. wird es beim Micro!Festival international Das letzte Ferienwochenende dürfte für viele die Drehtür aus der stressfreien Zone sein. Genau in dieser Zeit schlägt das Dortmunder Micro!Festival seit nun schon 20 Jahren seine Zelte auf. Am Friedensplatz gelegen, sei das Umsonst-und-draußen-Fest konzipiert, um sich nach der Rückkehr aus dem Urlaub zu treffen, so Michael Hoppe, künstlerischer Leiter des Micro!Festivals und Kulturreferent Dortmunds. Da es „so gut wie keine Sponsoren gab“, sei man froh, dennoch ein internationales Programm aus Theaterkompanien und Weltmusik-Bands aufbieten zu können, sagt Hoppe. Neben den spektakulären Lichtinstallationen und Plastiken der Compagnia Teatrale Corona (18.8. 22 Uhr) sind die Katalanen von Cia Mar Gómez zu sehen, die das Thema Leidenschaft an einer Waschmaschine abtanzen. „Heart Wash“ heißt das gute Stück (17.8. 20 Uhr). Bebende Balkan Beats gibt es von der „Fanfare Ciocarlia“ (17.8. 21 Uhr), während „Hot Water“ vom Reggae angehauchten Sommer-Pop mitbringen (18.8. 20 Uhr). Ob das Micro!Festival auch im nächsten Jahr als Ferienausklang besteht, hänge vom neuen Rat der Stadt Dortmund ab, so Hoppe. Der wird Ende August gewählt. DAWID KASPROWICZ 06 | 09 | 2012 – 08 | 09 | 2012 Mario Barth auft! Ausverk „Männer sind schuld, sagen die Frauen!“ 15 | 09 | 2012 Subergs Ü-30 Party Mehr als eine Party 28 | 09 | 2012 Bülent Ceylan „Wilde Kreatürken“ 29 | 09 | 2012 Musical Allstars Tickets exklusiv bei KODi 13 | 10 | 2012 Grobschnitt HEINZ Kult Rocknacht 14 | 10 | 2012 Second Hand Modemarkt Ladies- & Kidsfashion 20 | 10 | 2012 Koncert Gwiazd Kombii, Wilki & Dzem Micro!Festival Dortmund I 17.8.-19.8. I Friedensplatz Dortmund I 0231 502 77 10 Vote N Win ge.de www s Monster Beat 5 iPads und 10 nnen! wi ge zu r re Kopfhö 21 | 10 | 2012 CD- & Schallplattenbörse im Foyer 03 | 11 | 2012 Wise Guys Spezialnacht 04 | 11 | 2012 Ina Müller & Band Tournee 2012 10 | 11 | 2012 Presseball RheinRuhr das Ball-Ereignis 14 | 11 | 2012 Olaf Erste Solotour nach den Flippers 06 | 12 | 2012 Ehrlich Brothers MAGIE, Träume erleben 14 | 12 | 2012 Matthias Reim & Freunde Das Live-Konzert mit Band 15 | 12 | 2012 22. Oldie-Night mit Tony Christie & Band, Hermans Hermits u.v.a. Terminstand: Juli 2012 . Änderungen vorbehalten ACADEMIC – ARTS – COMPETITION 13 MESSE ESSEN GmbH Geschäftsbereich Grugahalle Norbertstraße . D-45131 Essen Telefon: +49.(0)201.7244.0 Telefax: +49.(0)201.7244.500 Ganz nah dran mit dem QR-Code. Wähl deinen Favoriten auf zeigzun Ticket-Hotline: 02 01.72 44 290 Montag bis Freitag 10.00 – 18.30 Uhr [email protected] . www.grugahalle.de Theater in NRW Tanz in NRW Luc Petton: „Swan“, Foto: Laurent Philippe Kulturelle Eiszeit in Moers, Foto: Christian Nielinger Tanz satt und jede Menge Schwäne „Wir müssen retten, was zu retten ist“ Von Thomas Linden Keine der klassischen Künste muss in der Moderne so beständig um ihre Anerkennung kämpfen wie der Tanz. Kein Wunder, dass sich die Förderung des Tanzes als ein so zähes Ringen darstellt. Tatsächlich fehlt vielen Menschen – darunter manchen „Entscheidungsträgern“ der öffentlichen Hand – die Begegnung und das Erlebnis „Die Sprache des Tanzes in ihrer mit jenem Füllhorn an künstlerischer Inüberraschenden Vielfalt erleben” novation, das der zeitgenössische Tanz zu bieten hat. An Gelegenheiten, diesen Zustand zu ändern, mangelt es jedoch nicht. So richtet das NRW Landesbüro Tanz vom 29. August bis 1. September in Düsseldorf die alle zwei Jahre stattfindende Internationale Tanzmesse NRW aus. Mehr als 50 internationale Kompanien kommen an den Rhein, um sich zu zeigen, Kontakte zu knüpfen, Produzenten auf sich aufmerksam zu machen oder Freundschaften mit hiesigen Kompanien zu schließen und im Austausch ihre Produktionen zu spielen. Ein idealer Einstieg ins Metier für ein interessiertes Publikum, das die Sprachen des Tanzes in ihrer überraschenden Vielfalt erleben möchte. „Schwanensee“ war gestern und ist heute. So stellt das Tanzhaus NRW die aufsehenerregende Produktion „Swan“ von Luc Petton vor, in der seine Tänzer auf der Bühne mit Schwänen agieren. Jahrelange Beschäftigung mit den Gewohnheiten der Tiere ging der Choreographie voraus, die Struktur und Spontaneität auf verblüffende Weise miteinander verbindet. In der Deutschen Oper am Rhein ist zur Eröffnung die Maschinen-Choreographie „Robocygne“ der Schwedin Unander-Scharin zu sehen, in der die Gefühle der Menschen über der Bewegung eines mechanischen Tiers entfacht werden. Die Messe nutzt die Möglichkeit, uns die Ästhetik von Tanztraditionen zu zeigen, die nur selten Eingang in den hiesigen Veranstaltungskalender finden. So präsentiert die Eröffnung Kostproben aus Taiwan, dem Schwerpunktland dieses Jahres. Formationstanz in Perfektion verspricht Cloud Gate 2 mit seiner Produktion „The Wall“, und die legendäre Choreographin Lee-Chen Lin zeigt puristische, aber gleichwohl bildgewaltige Choreographien, die mit den Phänomenen Langsamkeit und Expressivität arbeiten. Auch Martin Schläpfer ist mit seinem Ballett am Rhein und der Produktion „Forellenquintett“ auf der Messe vertreten. Wobei sich bei Kompanien wie Schläpfers Ensemble die Frage stellt, ob die Großen der Branche tatsächlich die Messe als Kontaktbörse benötigen angesichts ihrer ohnehin üppig gebuchten Gastspieltourneen. Erfreulich, dass den Künstlern aus NRW die Möglichkeit geboten wird, sich in den „Open Studios“ zu präsentieren und über ihre Arbeit zu berichten. Andererseits könnten die NRW-Kompanien durchaus ein wenig nachdrücklicher in die erste Reihe der Messe geschoben werden, denn der Tanz gehört zu den interessantesten Exportgütern, die NRW im Kulturbereich zu bieten hat. Eine Trumpfkarte des Messe-Programms sind die kleinen Formate. Der Koreaner Nam Jim Kim zeigt etwa seine verstörende Performance „Crazy Swan Lake“, in der vom Schwan angesichts der grassierenden Umweltverschmutzung nur noch Knochen übrig bleiben. Der Russe Alexander Andriyashkin mischt das Publikum Thomas Linden Journalist und Jurymitglied des Kölner Kinder- in „I will try“ mit seiner spontanen Street-Performance u. Jugendtheaterpreises auf, die mit jeder Vorstellung eine andere Story erhält. Von Hans-Christoph Zimmermann Eigentlich ist der Stärkungspakt Stadtfinanzen, den die rot-grüne Landesregierung im Dezember 2011 verabschiedet hat, eine gute Sache: Er soll überschuldete Kommunen oder solche, die kurz davor stehen, vor dem finanziellen Kollaps bewahren. 350 Mio. Euro stehen dafür jährlich zur Verfügung, 34 Städte kamen 2011 bereits in den Genuss des Geldsegens, im Mai 2012 kamen 27 weitere hinzu. Die Stadt Moers hat im zweiten Anlauf die Aufnahme in den Pakt geschafft, muss jetzt „Steht jetzt die Seele der Stadt aber einen Fahrplan vorlegen, wie sie bis Moers auf dem Spiel?“ 2021 insgesamt 61,5 Mio. Euro einsparen will. Die Finanzspritze gibt es nämlich nicht umsonst. Alle Kommunen, die am Stärkungspakt teilnehmen, müssen sich auf konkrete Maßnahmen mit dem Ziel ausgeglichener Haushalte verpflichten. In Moers kursiert dazu ein Arbeitspapier der Verwaltung, das alle (!) freiwilligen Leistungen zur Disposition stellt: die Sportförderung genauso wie die Offene Ganztagsschule und Kultureinrichtungen vom Jazzfest bis zum Schlosstheater, wo 2015 der Vertrag von Intendant Ulrich Greb ausläuft. Würde der Vertrag nicht verlängert, sparte die Stadt immerhin jährlich 1,258 Millionen Euro. Der Löwenanteil der freiwilligen Leistungen fällt ins Ressort von Hans Gerhard Rötters. Der Dezernent für Schule, Sport und Kultur besteht allerdings darauf, dass es sich bei dem Papier um eine Arbeitsgrundlage und keine Sparliste handelt. Wie fühlt man sich, wenn alle freiwilligen Leistungen des eigenen Ressorts zur Diskussion stehen? „Kämpferisch!“, sagt Rötters entschlossen und fügt hinzu: „Wir müssen retten, was zu retten ist.“ Wer allerdings sein kulturelles und sonstiges Tafelsilber ohne politischen Gestaltungswillen infrage stellt, riskiert den Ausverkauf. Offenbar gibt es darüber in der Stadtspitze einen Dissens. „Die Verwaltung hat vorgeschlagen, einen Sanierungsplan zu erarbeiten, das wollte die Politik nicht“, sagt Rötters unmissverständlich. Dass die ganze Sparliste im Internet für ein Bürgervotum steht, das ins endgültige Sparkonzept einfließen soll, macht die Sache nicht einfacher. „Kultur ist die Seele der Stadt“ heißt es auf der Homepage der Kulturbetriebe Moers. Steht jetzt also diese Seele auf dem Spiel? Für Chefdramaturg Justus Wenke vom Schlosstheater stellt sich die Frage grundsätzlich: „Die Stadt stellt das infrage, was sie überhaupt erst lebenswert macht.“ Festivals, Theater, Museen machen erst die Attraktivität der Kommune aus. Wo gespart werden soll, weiß auch Justus Wenke nicht zu sagen. Den Gürtel enger schnallen könne man jedenfalls nicht mehr: „Das Schlosstheater ist finanziell an der Grenze dessen, was einzusparen ist.“ Das Haus verfügt über gerade einmal fünf fest angestellte Schauspieler. Die Frage bleibt also, inwieweit der Stärkungspakt Stadtfinanzen die kulturelle Substanz der Städte antastet. Das Schlosstheater und der deutsche Bühnenverein laden deshalb zu einer Diskussion unter dem Titel „Stärkungspakt trifft Stadtkultur“ am 31. August, an der Hans-Christoph Zimmermann unter anderem Regierungspräsidentin Anne Lütkes und Journalist u. Rolf Bolwin vom Deutschen Bühnenverein teilnehmen. Theaterkritiker Tanzmesse lockt das Publikum aus NRW Tanzmesse NRW I 29.8.-1.9. I Düsseldorf I www.tanzmesse-nrw.com Stärkungspakt Stadtfinanzen nagt an Moers’ kultureller Substanz www „Stärkungspakt trifft Stadtkultur – Wirkungen und Nebenwirkungen eines Rettungsversuchs“, Podiumsdiskussion I 31.8. 19 Uhr I Theaterhalle Moers 8 14 TH EATE R IM Saisoneröffnung *PIPAPO* E I N E H O M M AG E A N G E O RG B ÜC H N E R DIE NEUE PRODU K T ION DES C H A R O L I J A T E ATA R recoil performance group © N Rodriguez-Smith / Imperiet PREMIERE MI 29.08.2012 um 20 Uhr DO 30.08.2012 um 20 Uhr FR 14.09.2012 um 20 Uhr SA 15.09.2012 um 20 Uhr Und im Dezember natürlich wieder: A Christmas Carol …unser Weihnachts-Dauerbrenner von Charles Dickens FESTIVAL zur internationalen tanzmesse nrw www Düsseldorf · 29.08.– 01.09.2012 Deutsche Oper am Rhein Düsseldorfer Schauspielhaus Central Capitol Theater tanzhaus nrw Hans Peter Zimmer Stiftung Fabrik Heeder Krefeld www.tanzmesse-nrw.com Die internationale tanzmesse nrw ist ein Projekt des nrw landesbuero tanz getragen von der Gesellschaft für Zeitgenössischen Tanz NRW e.V. Tel. +49 (0) 221 888 95 394 · [email protected] gefördert von: 15 Oper in NRW Beziehungsstress: B. Berchtold, R. Astakhov und A. Kludszuweit, Foto: B. Duin Musical in NRW „Crazy for You“; Foto: Freilichtbühne Meppen/A. Schneiders Party-People mit Chaos im Kopf Von Gershwin bis Wecker Von Karsten Mark Zu seinen Lebzeiten war sie Mozarts größter Opernerfolg. Genau 230 nach ihrer Uraufführung ist „Die Entführung aus dem Serail“ ein Graus für jeden Regisseur. Die bunte Türken-Maskerade, „Christoph Poppen arbeitet zu Mozarts Zeiten ein großer, komischer viele Feinheiten der Partitur Renner, wirkt heute nur noch merkwürdeutlich heraus“ dig, die Handlung ist verworren, und die gesprochenen Zwischendialoge engen auch noch jeden Spielraum für Umdeutungen auf ein Minimum ein. Wer mit einer Inszenierung der Entführung etwas reißen will, darf im Umgang mit der Vorlage nicht zimperlich sein. Die Niederländerin Jetske Mijnssen hatte den Willen zur eigenen Handschrift und legte ordentlich Hand ans Original. Die ursprünglichen Dialoge von Johann Gottlieb Stephanie strich sie vollständig und ersetzte sie teilweise durch eigene. Den Exotismus verbannte sie so radikal von der Bühne, dass es in ihrer „Entführung aus dem Serail“ weder mehr ein Serail noch eine Entführung gibt. Stattdessen landet sie – wie alle Regisseure, denen nichts Besseres einfällt – bei einer schicken Party in besseren Kreisen. Bassa Selim feiert seinen 40. Geburtstag. Warum? Weil die Essener Solisten allesamt in etwa so alt sind und sich Regisseurin Mijnssen (Jahrgang 1970) wohl auch darin wiederfindet. Die existentiellen Probleme ihrer Party-People haben nichts mehr mit den Bedrohungen der Mozartschen Figuren zu tun. Diese waren noch handfest entführt und eingesperrt worden, mussten Tod und Folter fürchten. Mijnssens Wohlstandsclique dagegen hat nur „Chaos im Kopf“, wie es in einem ihrer Zwischendialoge heißt. Sie hat schlimme Bindungsängste und ist unfähig, sich zwischen potenziellen Partnern zu entscheiden. Zugegeben, den Kern der Handlung in der Dreiecksgeschichte von Konstanze, Belmonte und Bassa Selim zu suchen, ist keine schlechte Grundidee – und durchaus im Sinne Mozarts. Doch kommt sie im Kreise der modernen Partygesellschaft nicht über ein theoretisches Konstrukt hinaus, das sich in Verbindung mit dem Originallibretto hartnäckig gegen die szenische Umsetzung sperrt. So bleibt der Regie alsbald nicht anderes übrig, als sich in zunehmende Abstraktion zu flüchten. Sanne Danz schafft als Kulisse ein strahlend weißes Nirgendwo, das weit in die Tiefe des Bühnenraums hineinführt. Selbst die Geburtstagsparty mit holländischem Dosenbier verflüchtigt sich alsbald in diesem Nichts. Es bleiben betroffen dreinblickende Gestalten, die darin umherwandeln und letztlich auch oft an der Rampe stehen. Man würde sich zu Tode langweilen, gäbe es nicht das wirklich aufsehenerregende Pult-Debüt von Christoph Poppen. In der Philharmonie gleich nebenan hat der Spezialist für historische Aufführungspraxis schon vor einigen Jahren große Erfolge eingefahren. Am Pult der Aalto-Oper aber steht er zum ersten Mal und lässt auch als Operndirigent kaum Wünsche offen. Poppen arbeitet viele Feinheiten der Partitur überraschend deutlich heraus und stellt ebenso überzeugend übergreifende wie innere Sinnzusammenhänge her. Gesanglich bewegt sich diese Produktion auf gewohnt hohem Essener Niveau. Simona Šaturová ragt als Konstanze allerdings noch einmal daraus hervor. Ihre TechKarsten Mark nik, Strahlkraft und Dramatik sind stellenweise atembeJournalist mit Schwerpunkt (Musik-)Theater raubend. Von Rolf-Ruediger Hamacher Nicht nur, dass die deutschen Musical-Bühnen wegen der Erweiterung des Funk-Frequenz-Netzes technisch aufrüsten mussten und dadurch so manches Theater in der Ton-Qualität in „Freiluftbühnen den Schatten stellen – sie erweisen auch geben deutschen Komponisten mehr Mut als die meisten Stadttheatereine Chance“ Intendanten hierzulande, wagen sich an deutsche Erstaufführungen von Broadway-Musicals und geben deutschen Komponisten eine Chance. Waldbühne Kloster Oesede: Zum vierten Mal schon inszeniert Musical-Darsteller Max Messler hier mit seinem kongenialen Choreographen Brady Stephan Harrison. Diesmal ist es die deutsche Erstaufführung des BroadwayHits „The Wedding Singer“. Und wieder holen sie aus der durch Studierende der Musical-Akademie Osnabrück verstärkten Laienspielschar Erstaunliches heraus. Durch die temporeiche Inszenierung, die fetzige Choreographie und die kraftvollen Songs von Matthew Sklar wird man geradezu süchtig auf die Musik der 80er Jahre. Emsländische Freilichtbühne Meppen: Auch hier scheint man mit der Regisseurin und Choreographin Iris Limbarth die ideale Besetzung gefunden zu haben. Für ihr „Verflixtes 7. Jahr“ in Meppen wählte sie George Gershwins „Crazy for You“ aus dem Jahre 1930, das ja irgendwie auch ein musikalischer Kommentar zur damaligen (und heutigen) Finanzkrise ist. Aber auch, weil sie die im vorigen Jahr mit Cole Portes „Anything Goes“ begonnene Hinwendung zum Stepp-Musical fortsetzen will. Schon die mit Stepp-Einlagen gewürzte Ouvertüre lässt einem vor Staunen den Mund offenstehen. Die Freilichtbühne Coesfeld gab mit der Welt-Uraufführung von „Der große Gatsby“ einem deutschen Komponisten eine Chance. Und Claus Martin beweist mit seiner Partitur, dass er sich vor seinen angelsächsischen Kollegen nicht verstecken muss. Martins Kompositionen, die die Musik der Roaring Twenties mit modernen Pop-Elementen verbinden, haben durchaus Ohrwurm-Qualität. Auch hier trifft das nach dem gleichnamigen Roman – der gerade mit Leonardo de Caprio neu verfilmt wurde – von F. Scott Fitzgerald entstandene Musical den Zeitgeist: Denn es wirft nicht nur die Frage „Geld oder Liebe“ auf, sondern geißelt auch die damals wie heute kriminellen Börsenspekulationen. Auch bei den Burgfestspielen Mayen ist große Literatur angesagt: Niko Kazantzakis „Alexis Sorbas“ als Musical. Leider griff Indendant, Regisseur und Hauptdarsteller Peter Nuesch nicht auf das Musical-„Original“ des „Cabaret“-Teams Fred Ebb/John Kander zurück, sondern wählte Konstantin Weckers uninspirierte Neu-Komposition aus, von der nichts im Ohr hängenbleibt. Immerhin liefert die auf sich zugeschnittene Inszenierung von Peter Nuesch einen kraftvollen Theater-Abend in imposanter Burg-Kulisse, der allerdings ohne Musik mehr überzeugt hätte. Beim „Schinderhannes“-Musical auf der Open-Air-Bühne Schloß Simmern ist es ähnlich. Das geschichtsträchtige Stück( nach Zuckmayer) um einen deutschen „Robin Hood“ überzeugt mehr durch die Inszenierung von Joerg Steve Mohr als durch die musikalische Aufarbeitung, R.-Ruediger Hamacher wobei die Kompositionen von Carsten Braun deutlich Hochschuldozent und mehr Talent verraten als die unsäglichen Liedtexte von Vorstand des FilmkriMichel Becker. tikerverbandes Jetske Mijnssen inszeniert Mozart in Essen „Die Entführung aus dem Serail“ I So 23.9. 18 Uhr Aalto-Theater Essen I 0201 812 20 Musical-Leckerbissen auf Freiluftbühnen www 16 Theater demnächst Schauspiel · Komödie · Krimi · Musical „links“, Foto: © J. Thézac/Musée departmental Breton, Quimper/Fonds de Thézac Abris du Marin Kinder an die Macht „No Education“ bei der RuhrTriennale 2012 Kulturelle Bildung hat sich die Politik auf die Fahnen geschrieben, zahlreiche geförderte „kindgerechte“ Kulturveranstaltungen sind dadurch entstanden. Die diesjährige RuhrTriennale geht einen anderen Weg. Das Programm heißt „No Education“, Schirmherr ist der unvergessene Gründungsintendant Gerard Mortier. Wieso keine Lehre? Etwa nur Genuss? Aber mit Überforderung? Mortier gibt die Zielrichtung vor und schreibt, dass es keinen Grund gebe, einem Zuschauer Komplexität zu ersparen. Egal, wie klein er sein mag. „No Education“ basiere auf der Beobachtung, dass Kinder, Jugendliche und Erwachsene gleichermaßen offen sind für solche vielfältigen Wahrnehmungen. Es müsse Schluss sein „mit den ‚adults only‘-Bezirken!“ Und so wird auch die Mega-Installation „Our CenturY“ vor der Bochumer Jahrhunderthalle keine dieser Areas werden. Ab dem 17. August verwandelt das Berliner Künstlerduo Folke Köbberling/Martin Kaltwasser mit freiwilligen (jungen) Bauenthusiasten aus dem Ruhrgebiet das Gelände rund um die ehemalige Maschinenhalle in eine urbane Landschaft. Am Anfang steht nur eine Architekturküche, in der die nötigen Baumaterialien gesammelt, sortiert und zubereitet werden. Danach sind alle eingeladen, eigene Ideen und Knowhow einzubringen, mit Akkuschraubern, Hämmern, Sägen und anderen Utensilien anzurücken. Zu einem Workshop über Bewegungslosigkeit, der den Blick auf unsere Idee von Kindheit lenken soll, auf die Probleme, auf die Spannungsverhältnisse, denen Kinder ausgesetzt und für die sie zugleich oft die Auslöser sind, lädt der französische Tänzer und Choreograf Boris Charmatz ins Museum Folkwang. Seine Arbeiten bewegen sich immer wieder in der Nähe der bildenden Kunst und Philosophie. Eine künstlerische Haltung, die auch zu „No Education“ passt. Der Workshop „links“ entsteht im Kontext der Live Art-Ausstellung „12 Rooms“. Und die RuhrTriennale stellt sich den gnadenlosesten Kritikern der Welt. Die sind nämlich die wahren Anarchisten, lieben das Chaos, kennen keine Rechte, keine Pflichten. Diese ungebeugte Kraft voll ungestümem Stolz (Herbert Grönemeyer 1986), die die „Children’s Choice Awards“ verleihen wird, ist die freiwillige Selbstkontrolle der RuhrTriennale. Hundert Kinder aus der Metropole Ruhr werden dafür von Stadt zu Stadt und von Aufführung zu Aufführung reisen und dabei Musik, Theater, Tanz, Performance und Video einer kritischen Prüfung unterziehen. Mit dem Blick geborener Experten und der Offenheit unvorbereiteter Kinder prallen sie auf zeitgenössische Kunst. Und sie sind wichtig. Sie erhalten einen roten Teppich und sie sind (hoffentlich) unbestechlich. Die feierliche Preisverleihung findet Ende September in der Jahrhunderthalle Bochum statt. Dann werden wir wissen, wer in diesem Jahr die coolste Tänzerin war oder wo das pappigste Pausenbrot gereicht wurde. Damit werden die Kinder wohl nicht überfordert sein. PETER ORTMANN Folke Köbberling/Martin Kaltwasser: „Our CenturY“ ab 17.8. I Jahrhunderthalle Bochum Boris Charmatz: „links“ I Musée de la danse – Ein Workshop mit Kindern 20. bis 24.8. I Museum Folkwang Essen I 0209 60 50 71 47 17 h i h i f h di b – Theater im Rathaus h l i f h i h einfach die h iim Rathaus h beste i f Unterhaltung! h di h l Theater – einfach die b beste Unterhaltun 31. August, 10. November 2012, 10. Juni 2013 Thomas Glup Noch’n Gedicht LUSTIG 2. bis 22. September 2012 Der dressierte Mann SCHAUSPIEL 23. bis 27. September 2012 sowie 17. bis 20. März 2013 Ein Fall für Pater Brown KRIMI 29. September bis 18. Oktober 2012 Arsen und Spitzenhäubchen KRIMI 7. Oktober, 2. November 2012, 3. Februar 2013 Oper Légère MUSIKALISCH 13. Oktober 2012, 6. März 2013 Thomas Glup Total verglupt LUSTIG 22. bis 31. Oktober 2012 Der alte Mann und das Meer SCHAUSPIEL 1. bis 13. November 2012 Achterbahn AMÜSANT 17. November 2012 Thomas Glup Ach du lieber Himmel LUSTIG 16. November bis 13. Dezember 2012 Möwe und Mozart AMÜSANT 24. November 2012 Thomas Glup Der Kontrabass AMÜSANT 8. Dezember 2012 Don Kosaken Chor Viktor Kuleschow MUSIKALISCH 15. Dezember 2012 bis 12. Januar 2013 Die Wahrheit AMÜSANT 16. und 23. Dezember 2012 Humorvolle Weihnachtslesung mit Thomas Glup LUSTIG 13. Januar 2013 Haus, Frauen, Sex. SCHAUSPIEL 14. bis 20. Januar 2013 Heiße Zeiten Weiblich, 45plus NA UND!?! Wechseljahre MUSIKALISCH 20. Januar 2013 Soloprogramm Inez Timmer: Musicals und Jazz! MUSIKALISCH 21. bis 28. Januar 2013 Ein Heimspiel LUSTIG 23. Januar 2013 Thomas Glup Lesung über das alte Essen 27. Januar 2013 Thomas Glup Best of Heinz Erhardt LUSTIG 1. bis 28. Februar 2013 Reimanns Family MUSIKALISCH 3. und 4. Februar 2013 Thomas Glup Beamte sind auch nur Menschen LUSTIG 3. bis 16. und 21. März bis 17. April 2013 Gut gegen Nordwind SCHAUSPIEL 21. bis 29. April, 4. bis 12. Mai 2013 Motown – Die Legende MUSIKALISCH 30. April bis 3. Mai 2013 Suche impotenten Mann fürs Leben LUSTIG 14. und 15. Mai 2013 Thomas Glup Runter zum Fluss LUSTIG 17. Mai bis 6. Juli 2013 Alles auf Krankenschein LUSTIG www Infos und Karten: 0201 / 24 55 555 www.theater-im-rathaus.de Schauspiel · Komödie · Krimi · Musical Theater-Kalender Ruhr = Premiere STADTTHEATER THEATER OBERHAUSEN 0208 857 81 84 Die kleine Hexe Sa. 25.8. 15.30 und 17.30 VARIETE + BOULEVARD MONDPALAST WANNE-EICKEL 02325 58 89 99 Classic: Auf der wilden Rita Fr. 17.8. 20.00, Sa. 18.8. 20.00, So. 19.8. 17.00, Fr. 24.8. 20.00, Sa. 25.8. 20.00, So. 26.8. 17.00 Flurwoche Fr. 31.8. 20.00 REVUEPALAST HERTEN 02325 58 89 99 Voilà Fr. 17.8. 20.00, Sa. 18.8. 20.00, Fr. CABARET QUEUE DORTMUND 01803 77 68 42, Beginn: 20.00 Uhr 24.8. 20.00, Sa. 25.8. 20.00, Fr. 31.8. 20.00 Die Pottsäue Ganze Kerle – die Show nur für Fr. 3.8., Sa. 4.8., So. 5.8., Fr. 10.8., Sa. Frauen 11.8., So. 12.8., Fr. 17.8., Sa. 18.8., So. Mi 29.8. 20.00 19.8. Peter Vollmer Fr. 24.8., Sa. 25.8. GOP VARIETE ESSEN 0201 247 93 93 FREIE THEATER EBERTBAD OBERHAUSEN 0208 205 40 24 Toys jeden Mi./Do. 20.00, Fr. 19.00, Sa. Volker Pispers 18.00 und 21.00, So. 15.00 und 19.00 Mi. 29.8. 20.00 WDR 2 Lachen Live – Mehr! Do. 30.8. 20.00 Sehnsucht Do. 2.8. 20.00, Fr. 3.8. 20.00, Sa. 4.8. 20.00, So. 5.8. 19.00, Do. 9.8. 20.00, Fr. 10.8. 20.00, Sa. 11.8. 20.00, So. 12.8. 19.00, So. 19.8. 19.00, Do. 23.8. 20.00, Fr. 24.8. 20.00, Sa. 25.8. 20.00, So. 26.8. 19.00 KULTURHAUS THEALOZZI BOCHUM 0234 175 90, Beginn: 19.00 Uhr THEATER AN DER NIEBUHRG OBERHAUSEN 0208 86 00 72 Wer küsst dich Fr. 24.8. 20.00, Sa. 25.8. 20.00, So. 26.8. 18.00, Fr. 31.8. 20.00 THEATER FREUDENHAUS IM GREND ESSEN 0201 851 32 30 Pott sei Dank! – Freunde der guten Fee Der kleine Prinz Fr. 17.8., Sa. 17.8., So. 19.8., Do. 23.8., Fr. 31.8. 20.00 Sa. 25.8., So. 26.8. THEATER IM DEPOT DORTMUND 0231 982 23 36, Beginn: 20.00 Uhr PACT ZOLLVEREIN ESSEN 0201 289 47 00, Beginn: 20.00 Uhr Life and Times – Episode 2 Do. 30.8., Fr. 31.8. Pipapo – Eine Hommage an Georg Büchner Mi. 29.8., Do. 30.8. ROTO THEATER DORTMUND 0231 42 27 79 Ein ungleiches Paar Fr. 24.8. 19.30 Ich war noch niemals in New York Sa. 25.8. 19.30 Goethe in Italien So. 26.8. 18.00 Der Loriot Abend Fr. 31.8. 19.30 STRATMANNS THEATER ESSEN 0201 820 40 60 Dat Schönste! Fr. 24.8. 20.00, Sa. 25.8. 20.00,So. 26.8. 19.0 {n~wmn vju rnmn{ urn }{noonwÕ n{ Uȗ r}rpxÕ j| wn~n xvv~wrtj}rxw|ßxxuÕ Essen-Altenessen www n}} y{xknojq{nwÕ n{ Uȗ r}rpxÕ rn kn|}n ȗ{} vr} nw|lqnw ~ txvv~wrß rn{nwÖ r|} rvvn{ wxlq nrw {noonw vr} nw|lqnw rv nlq}nw nknwÕ n{ txvyjt}n Uȗ r}rpxÖ o~wt}rxwju rn nrw vxmn{wn| vj{}yqxwnÖ k{rwp} rn mr{nt} ~v pnÆw|lq}nw n|y{lq|yj{}wn{Õ ]kn{n~pnw rn |rlq |nuk|} knr nrwn{ {xknojq{}Õ {jo}|}xoon{k{j~lq oÆ{ mnw Uȗ r}rpx ĖÖĕ uÖ ęę t ìěĕ íÖ rw uă Ėĕĕ tvÖ rwwn{x{}|Ø ĚÖě× j~¿n{x{}|Ø ĘÖĞ× txvkrwrn{}Ø ęÖĚ× ėßvr||rxwÖ txvkrwrn{}Ø ĖĕĚ pătv ìpnv¿ ìí {Õ ĜĖĚăėĕĕĜíÕ oorrnwtuj||n ȗ~}xvxkrun {rnmnw|nrlqn vk j|}{xyn{ nuunp ĖĕĞÖ ęęĝĕĚ Ȗxlq~v nuØ ĕėĘę ĘĚėĞĖęÖ jØ ĕėĘę ĞĘěėĖĝě o{rnmnw|nrlqnÕpoûyj{}wn{Õ|txmjßj~}xÕmn Õj~}xvxkrunßo{rnmnw|nrlqnÕmn FR 14.09 | LITCARL MIT AGNES HAMMER SO 16.09 | COMEDY CARL MI 19.09 | INTERGALACTIC LOVERS FR 21.09 | ENDZEIT FESTIVAL DO27.09 | EMMI & HERR WILLNOWSKY FR 12.10 | MAIKE ROSA VOGEL SA 13.10 | SLIME FR 17.10 | KILIANS DO18.10 | DELAIN FR 19.10 | DAS GLASBLASSING QUINTETT SO 21.10 | 2. KULTURMESSE ESSENER NORDEN SO 21.10 | COMEDY CARL MI 24.10 | KATIA SAALFRANK DO25.10 | INGRID LUKAS SO 28.10 | MOSES W. DO08.11 | MARKUS KREBS FR 09.11 | BUTTERFAHRT 5 DO15.11 | EIVIND AARSET SONIC CODEX 4TET SA 17.11 | ARENA SO 18.11 | COMEDY CARL FR 23.11 | DIE LOKALMATADORE FR 30.11 | CHAMELEONSVOX SO 09.12 | BARBARA RUSCHER DO13.12 | DAVID WERKER SO 16.12 | COMEDY CARL MI 19.12 | OHRENFEINDT FR 21.12 | 257ERS + GENETIKK FR 28.12 | END OF GREEN Stand: 11.07.2012 (Änderungen vorbehalten!) KONZERTE, KABARETT & MEHR www.zechecarl.de 18 Peter Vollmer machte schon Männerkabarett, als andere noch von schlecht geschmierten Butterbroten und Computerabstürzen erzählten. Und nun hat er den Salat. Seine Frau hat auf vegetarische Zwangsernährung umgestellt und die erste Prostatauntersuchung steht an. „Frauen verblühen, Männer verduften“ ist schnelles, blitzgescheites Kabarett über das endgültig zu Ende gehende Macho-Zeitalter. 16.–19.8.2012 KÖLN www.trailer-ruhr.de ALEXANDRA MARIA LARA SEBASTIAN BLOMBERG CAROL SCHULER GEORG FRIEDRICH www NACHTLÄRM www.nachtlärm.x-verleih.de EIN FILM VON CHRISTOPH SCHAUB ab 23.8. im Kino Vorfahrfreude! · Aufregend wie nie: die neue A-Klasse¹. Erleben Sie schon bald die mitreißende Premiere. Freuen Sie sich auf eine neue A-Klasse mit atemberaubendem Design und innovativer Technik. Ab so zu be fort stel Infos len! u www .lueg. nter de/akl asse www Fahrzeug-Werke LUEG AG • Autorisierter Mercedes-Benz Verkauf und Service 14 Center im Ruhrgebiet • Kostenloses Info-Telefon: 0 800 82 82 823 • www.lueg.de ¹Kraftstoffverbrauch innerorts/außerorts/kombiniert: 8,4-4,5/5,1-3,3/6,4-3,8 l/100 km; CO2-Emission kombiniert: 148-98 g/km. Die Angaben beziehen sich nicht auf ein einzelnes Fahrzeug und sind nicht Bestandteil des Angebots, sondern dienen allein Vergleichszwecken zwischen verschiedenen Fahrzeugtypen. Abbildung enthält Sonderausstattung. Film-ABC Vorspann Gefährlich gestörtes Mutter-Sohn-Verhältnis: „We need to talk about Kevin“, S. 22 KULTUR.KINO.RUHR. August 2012 FILMKRITIK-ÜBERSICHT FILMSTART-TERMINE 26.7. 2.8. 9.8. 16.8. 23.8. 25 360 X 36 Bavaria – Traumreise durch Bayern 27 Das Schwein von Gaza X 27 Der Vorname X 34 Die Stooges – Drei Vollpfosten drehen ab 31 Entre les Bras – 3 Sterne. 2 Generationen. 1 Küche. X 30 Familientreffen mit Hindernissen X 34 Frisch gepresst 32 Jeff, der noch zu Hause lebt 36 Karen llora en un bus 34 Katy Perry: Part of me 29 Magic Mike 31 Merida – Legende der Highlands 31 Miss Kicki 33 Nachtlärm X 34 ParaNorman X 32 Prometheus – Dunkle Zeichen X 34 Red Lights X 36 Roman Polanski: A Film Memoir 32 Rum Diary 26 Samsara 27 Starbuck 34 Ted 34 The Dark Knight Rises X 27 The United States of Hoodoo X 30 This ain’t California 24 To Rome with Love 36 Total Recall 34 Was passiert, wenn’s passiert ist X 22 We need to talk about Kevin X 32 Wer‘s glaubt wird selig 29 Who Killed Marilyn? X X X X X X X X X X X X X X X 30.8. X X X Freut sich auf Open Airs im historischen Pott: Lisa Mertens Unter den Wolken Neben Hochöfen, Brauereien & Co. In dem Film „Solino“ erzählt Regisseur Fatih Akın von einer italienischen Familie, die in das Ruhrgebiet der 1960er auswandert und eine der ersten Pizzerien aufmacht. Die beiden Söhne der Familie wenden sich jeweils mehr oder weniger dem Film zu. Der Ältere bleibt in Deutschland und erntet bei den Ruhrfilmtagen falsche Lorbeeren für einen Kurzfilm über den Strukturwandel im Ruhrgebiet, der Jüngere zieht zurück nach Italien und macht ein Freiluftkino auf. Mit ein bisschen Mühe lässt sich in „Solino“ vieles finden, was das Ruhrgebiet ausmacht: 1. Pizza und Döner Kebab gehören heute ebenso zum typischen Stadtbild wie Currywurst-Pommes-Majo und die unzähligen Buden. 2. Der Strukturwandel des Ruhrgebiets ist allgegenwärtig. Die Zeit, als der Pott noch kochte, wird romantisiert, musealisiert und dennoch oft nicht mehr herbeigewünscht. RUHR.2010 setzte ein offizielles Zeichen, wie sich das Ruhrgebiet von einem Industriezentrum zu einem Kulturzentrum gewandelt hat oder es doch zumindest versucht. Zechen und Industriegelände stehen mittlerweile für Konzerte, Theater und Installationen. 3. Kino und Film sind im Ruhrgebiet tief verwurzelt. Dortmund und Gelsenkirchen haben beide Schauburgen, die auf eine lange Tradition zurückblicken können. Die Lichtburg in Essen gehörte bereits vor dem Zweiten Weltkrieg zu den wichtigsten Kinos Deutschlands. Und mit dem Kinoboom der 50er schossen weitere Kinos aus dem Boden. Wenn Gigi, der jüngere Bruder aus Solino, noch ein paar Jahre gewartet hätte, hätte er möglicherweise eines der vielen Freiluftkinos im Sommer mit organisiert. Das Ruhrgebiet weist wunderschöne Kulissen für Filmvorführungen auf: Hinterhöfe, Industriebrachen und vieles mehr. In Bochum bietet das Hofgelände der Brauerei seit 13 Jahren mit Sitzsäcken und Klappstühlen Gelegenheit, große Filme an frischer Luft sehen zu können. In Duisburg wird der Landschaftspark im Sommer nicht nur von den Lichtinstallationen erhellt, sondern auch von der Leinwand, auf der neben aktuellen Streifen auch immer ein Klassiker flimmert. Dass die Geschichte des Ruhrgebiets nicht nur von Kohle und Stahl bestimmt wird, beweist das Freiluftkino in Herne, wo es sich die Zuschauer im romantischen Innenhof von Schloss Strünkede bequem machen können. Auch der Rand des Ruhrgebiets, das kulturell wenig beachtete Hagen, nutzt im Hinterhof des 25 Jahre alten Kulturzentrums die Möglichkeit, sich unter der größten Kuppel unterhalten zu lassen. Pompöser geht es in Dortmund im Stadion des amtierenden Fußballmeisters zu, in dem unter anderen der Kultfilm des Ruhrgebiets schlechthin, „Bang Boom Bang“, läuft. Open Airs sind beliebt, bei Musik wie Filmen gleichermaßen. Und immer kommen Neue hinzu. Dieses Jahr zieht beispielsweise auch das Endstation Kino mit. Schön im Ruhrgebiet ist, dass die Open Airs auch immer die historischen ruhrgebietstypischen Kulissen mit einbinden und so ein unverwechselbares Flair erzeugen. Mindestens genauso viel Flair wie Gigis kleines Freiluftkino in Italien. www LISA MERTENS Wertung unter den Filmkritiken: 1( ) bis 6 ( ) 6 Punkte = Höchstwertung Lesen Sie mehr: www.trailer-ruhr.de / news Alle Filme, alle Kinos, alle Filmkritiken, alle Termine im Ruhrgebiet 21 www.trailer-ruhr.de/heute-im-kino Film des Monats Eva (Tilda Swinton) und Franklin (John C. Reilly) wissen nicht mehr weiter Blutige Tragödie „We need to talk about Kevin“ von Lynne Ramsay Das Verhältnis zwischen Eva und ihrem Sohn Kevin scheint von Anbeginn gestört. Auch die Geburt der Tocher Celia ändert daran nichts. C Alptraumhaftes Mutter-Kind-Drama Die Reisejournalistin Eva lernt Franklin kennen – sie werden ein glückliches Paar. Mit der Geburt des ersten Kindes Kevin scheint dieses Glück zu enden: Eva gibt für die kommenden Jahre ihre Karriere auf, mit dem Abschied von ihrer Reiselust scheint auch ihre Lebenslust zu weichen. Schon im Kindbett wirkt sie wie versteinert, als sich der Säugling zum Schreikind entwickelt, schlägt die unterschwellige Depression in schiere Verzweiflung um. Einmal nutzt sie den Lärm eines Presslufthammers an einer Straßenbaustelle, um für einen kurzen Augenblick das Geschrei von Kevin zu übertönen. In der kommenden Zeit entfaltet sich ein Kräftemessen: Schon bald scheint Kevin mit voller Absicht das Nervenkostüm von Eva zu strapazieren. Es sieht aus, als verweigere er sich demonstrativ einer adäquaten Entwicklung. Seine Verweigerungshaltung schlägt bald in offene Aggression um. Der berufstätige Franklin kriegt davon kaum etwas mit, Eva um so mehr. Als Kevin eine kleine Schwester bekommt, die im Gegensatz zu Kevin für Eva ein echtes Traumkind ist, erfährt auch sie gleich die Aggression des Bruders. Derweil verstehen sich Vater und Sohn prächtig. Gemeinsam üben sie im Garten des großzügigen Anwesens Bogenschießen. Von Anfang an eine Tragödie Kevins Entwicklung von der Geburt bis kurz vor seinen 16. Geburtstag ist nur eine von drei Zeitebenen des Films. Einige wenige verstreute Bilder zeigen Eva vor der Geburt: entweder lachend mit Franklin, oder entrückt bei dem Tomatenfest Tomatina in Valencia. Hier sind die Bilder in ein prächtiges Rot getaucht, und dieses Rot ist einerseits die Verbindung zum Hauptplot und andererseits die Verbindung zur Gegenwart, in der wir Eva alleine, ohne ihre Familie, sehen. Sie arbeitet nun nicht mehr in einem schicken Office, wie am Ende des Hauptplots, sondern in einem schäbigen Reisebüro. Sie wohnt nicht mehr in der großen Vorortvilla, sondern alleine in einem kleinen Häuschen. Die verschiedenen Handlungsstränge sind kunstvoll ineinander verwoben, die Tonspur verbindet sie mitunter auf surreale, fast alptraumhafte Art, die Bildmotive gleiten ineinander über. Die genauen Zusammenhänge entfalten sich dem Zuschauer zwar erst nach und nach, aber es ist schon früh klar, dass in der Beziehung zwischen Eva und Kevin nicht nur einiges schief läuft, sondern dass die Geschichte zielstrebig auf eine blutige Tragödie hinaus läuft. Es gibt einen anderen, sehr artifiziell erzählten Film über aufs Schlimmste entgleiste Heranwachsende: Gus Van Sant hat seinen vage an das SchulMassaker in Columbine angelehnten Film „Elephant“ multiperspektivisch angelegt. Auch er zerlegt die Chronologie der Ereignisse. Und er geht gegen eine simplifizierende Ursachensuche vor, zeigt, dass die amoklaufenden Täter www.trailer-ruhr.de/heute-im-kino gemobbt wurden und Ego-Shooter gespielt haben – dass sie aber auch wunderschön Klavier spielen konnten. Lynne Ramsay blendet in ihrem Film fast jeglichen sozialen Kontext jenseits der Familie aus. Und auch innerhalb der Familie dreht sich fast alles nur um das Verhältnis zwischen Mutter und Sohn. Das liegt daran, dass alles, was wir als Zuschauer sehen, die Erinnerungsfetzen von Eva sind. Einer Mutter, der ihr Sohn von Anfang an fremd ist und die ihn als vorsätzlich böse wahrnimmt. Wenn der Zuschauer Kevin sieht, dann sieht er ihn mit Evas Augen. Im Gegensatz zu ihr kann der Zuschauer jedoch erkennen, dass in der Mutter-Kind-Beziehung von Anfang an einiges schief läuft. Eva selbst erkennt das erst nach und nach im Zuge ihrer Erinnerungsarbeit. Scheinbar perfekte Familie Anders als das monokausale Erklärungsmuster derjenigen, die die Familie als heiligen Gral der Gesellschaft verteidigen, sucht der Film die Ursachen und Übeltäter für die Tat nicht in Computerspielen oder Horrorfilmen. Der Film sucht die Schuld auch nicht ganz allgemein in der Gesellschaft, die kommt in diesem hermetischen Familienfilm nämlich gar nicht vor. Er konzentriert sich radikal und komplett auf die Familie, eben jenen vermeintlich guten, unschuldigen Kern der Gesellschaft. Mit dem Fokus auf die Mutter-Kind-Beziehung – der Vater kommt nur am Rande vor und glänzt vor allem durch Abwesenheit – geht der Film noch einen Schritt weiter. Während die Mutter den Gedanken des unschuldig geborenen Lebens in Frage stellt, stellt der Film provokant die Idee von grenzenloser Mutterliebe in Frage. Und stellt zugleich die Frage nach der Schuld in den Raum, ohne sie zu beantworten. Sowohl Lionel Shriver, die Autorin der Romanvorlage, als auch Lynne Ramsay liefern als mögliche Ursache nur das Beziehungsgeflecht innerhalb der Familie. Die Kleinfamilie – großes Haus in den Suburbs, glückliche, erfolgreiche Eltern und zwei Kinder – älterer Sohn und jüngere Schwester – alles sieht so perfekt aus. Doch ohne eine funktionierende zwischenmenschliche Beziehung ist all das nichts wert und kann direkt in einen Alptraum führen. Das langsame Abgleiten in diese Tragödie hat Ramsay mit Hilfe einer – wieder einmal atemberaubenden – Tilda Swinton und den drei Furcht erregend diabolisch agierenden Darstellern des heranwachsenden Kevin als visuell fesselnden, surrealen Alptraum inszeniert. www CHRISTIAN MEYER WE NEED TO TALK ABOUT KEVIN Europäischer Filmpreis 2011: Beste Darstellerin Tilda Swinton GB 2011 - Drama / Thriller - Regie: Lynne Ramsay - Kamera: Seamus McGarvey - mit: Tilda Swinton, John C. Reilly, Ezra Miller - Verleih: Fugu Start: 16.8. BO: Endstation, E: Filmkunsttheater 22 Alle Filme, alle Kinos, alle Filmkritiken, alle Termine im Ruhrgebiet Kritikerspiegel Ruhr August 2012 Die häufigsten Nennungen Herausragend Bemerkenswert Arnold Hohmann Ingrid Bartsch R.-Ruediger Hamacher Sascha Westphal Marieke Steinhoff Christian Meyer Verena Lueken Katja Nicodemus Cristina Nord WAZ ARD Morgenmagazin film-Dienst EPD-Film Schnitt choices Kultur.Kino. Köln. FAZ Die Zeit taz We need to talk about Kevin von L. Ramsay Keine Bewertung abgegeben Keine Bewertung abgegeben Who Killed Marilyn? von G. HustacheMathieu Roman Polanski (...) von L. Bouzereau Magic Mike We need to talk about von S. Soderbergh Kevin von L. Ramsay Roman Polanski (...) von L. Bouzereau Daniel Kothenschulte Frankfurter Rundschau Hartmut Ernst Lars Olav Beier Frank Brenner engels Kultur.Kino. Wuppertal. Spiegel trailer Kultur.Kino. Ruhr. Who Killed Marilyn? von G. HustacheMathieu Magic Mike von S. Soderbergh Miss Kicki von H. Liu Prometheus - Dunkle Zeichen von R. Scott Merida (...) von M. Andrews Prometheus - Dunkle Zeichen von R. Scott Ted von S. MacFarlane Der Vorname von A. de la Patellière Das Schwein von Gaza von S. Estibal Who Killed Marilyn? von G. HustacheMathieu Das Schwein von Gaza von S. Estibal Jeff (...) von J. Duplass Rum Diary von B. Robinson Jeff (...) von J. Duplass Best of Drama Jeff (...) von J. Duplass Prometheus - Dunkle Zeichen von R. Scott We need to talk about Kevin von L. Ramsay This ain‘t California von M. Persiel We need to talk about Kevin von L. Ramsay Familientreffen mit Hindernissen von J. Delpy Besondere Erwähnung Merida (...) von M. Andrews Das Schwein von Gaza von S. Estibal This ain‘t California von M. Persiel Das Schwein von Gaza von S. Estibal Best of Comedy Magic Mike This ain‘t California von S. Soderbergh von M. Persiel This ain‘t California von M. Persiel Merida (...) von M. Andrews The United States of Hoodoo von O. Hardt We need to talk about Kevin von L. Ramsay The United States of Hoodoo von O. Hardt Who Killed Marilyn? von G. HustacheMathieu Roman Polanski (...) von L. Bouzereau Merida (...) von M. Andrews w Kino-Kalender Ruhr PREVIEWS, FILMREIHEN, FESTIVALS & SONDERVORFÜHRUNGEN 29.7., 20 Uhr GREENPEACE MULTIVISIONS SHOW, Fiege OpenAir Europas Natur eingefangen in den Bildern von Markus Mauthe 13.8., 21.30 Uhr HUGO CABRET, Filmforum Duisburg Oscarprämiertes Werk von Scorsese 31.7., 17.15/20 Uhr THE YELLOW SEA, Schauburg Gelsenkirchen Koreanischer Gangsterfilm 14.8., 17.15/20 Uhr MARLEY, Schauburg Gelsenkirchen Dokumentation über die Legende Robert Nesta Marley, OmU 1.8., 14.30 Uhr NUR FÜR PERSONAL, Filmwelt Herne Französischer Klassenkampf mal komödiantisch 15.8., 20.15 Uhr FRISCH GEPRESST, Cinemaxx Essen Leben und Lieben von Single-Frauen, Preview, s.S. 34 1.8., 14.30 Uhr JANE EYRE, UCI BO/DU Verfilmung des englischen Klassikers 17.8., 22.30 Uhr FAUSTRECHT DER FREIHEIT, Metropolis BO Von und mit Rainer Werner Fassbender www 1.8., 20.30 Uhr DER VORNAME, Lichtburg Oberhausen Mädelsabend mit einer Preview, s.S. 27 „Jane Eyre” 17.8., 23 Uhr URBAN EXPLORER, Schauburg Dortmund Berlins dunkelste Seite: unter Tage. Mitternachtskabinett, OmU 1.8., 21.30 Uhr TED, Filmzeche Hollywood Komödie mit Mark Wahlberg und Mila Kunis, Preview, s.S. 34 17.8., 23 Uhr THE RUNNING DEAD, UCI BO/DU Genre-Film mit Zombies 2.8., 14 Uhr FAMILIENTREFFEN MIT HINDERNISSEN, Lichtburg E Delpys gefühlvolle Familienstudie als Preview, s.S. 30 18.8., 21.30 Uhr SOUND IT OUT, Endstation Bochum Doku über die letzte Festung gegen den Musikeinheitsbrei 3.8., 23 Uhr TRUE GRIT, Casablanca Bochum Zynische Neuauflage des alten Western, OmU 18.8., 21.30 Uhr ZIEMLICH BESTE FREUNDE, Filmwelt Herne Herzerwärmender Film gezeigt vor Open Air-Kulisse 5.8., 18/22.30 DETLEF, Astra Theater Essen Vorpremiere im Rahmen von Ruhr.CSD 2012 19.8., 15 Uhr PIPPI LANGSTRUMPF, Endstation Bochum Der Kinderbuchklassiker im KinderKino 6.8., 20 Uhr THE DARK KNIGHT RISES, Lichtburg Essen Nolans dritter Batman in Originalversion, s.S. 34 „True Grit“ 20.8., 14.30 Uhr IN GUTEN HÄNDEN, Casablanca Bochum, Hysterie im verklemmten England 8.8., 19.45 Uhr WAS PASSIERT, WENN’S PASSIERT IST, Cinemaxx E Preview, s.S. 34 20.8., 20 Uhr DIRTY DANCING, UCI BO/DU 25jähriges Jubiläum: Grey und Swayze tanzen wieder 8.8., 20.15 Uhr PROMETHEUS, Cinestar Dortmund Michael Fassbender im Kampf um die Menschheit, Preview, s.S. 32 21.8., 20 Uhr NORTH BY NORTHWEST, Rio Mülheim Der gute alte Hitchcock in OmU 10.8., 23 Uhr VIER IN ROTEM KREIS, Casablanca Bochum Französischer Krimi-Klassiker, OmU 22.8., 20 Uhr TOTAL RECALL, Cinestar Dortmund Preview mit Colin Farrell und Jessica Biel, s.S. 36 10.8., 23 Uhr BAD BEHAVIOUR, Apollo Gelsenkirchen Tiefböser schwarzer Humor mit viel Blut 23.8., 20.30 Uhr UNTER MÄNNERN – SCHWUL IN DER DDR, Schauburg DO Dokumentation über das Leben von sechs Männern 11.8., 21.30 Uhr PUSHED, Endstation Bochum Passion no Fashion: Skateboardfilm beim Open Air „The Dark Knight Rises“ Alle Filme, alle Kinos, alle Filmkritiken, alle Termine im Ruhrgebiet 23 29.8., 20 Uhr THE EXPENDABLES 2, Cinemotion Mülheim Zeit für Chuck Norris-Witze, Preview „Marley“ „Faustrecht der Freiheit“ „Der unsichtbare Dritte“ www.trailer-ruhr.de/heute-im-kino Hintergrund Flugangst? Ehrensache! Aber nach Italien wollte er doch Komisch ironisch „To Rome with Love“ von Woody Allen Woody Allen begleitet in Rom allerlei Zeitgenossen durch Liebe und Karriere. Smarte Boulevard-Komödie „Midnight in Paris“ hieß Woody Allens letztes Werk, eine beseelte Komödie, die sich gewitzt der Realität entzieht und poetisch durch die Zeit reist. Nun ist der 76jährige New Yorker Regisseur nach England („Matchpoint“), Spanien („Vicky Cristina Barcelona“) und Frankreich in Italien angekommen und widmet sich vergleichbar nostalgisch der ewigen Stadt. Italien – dieses Land und seine Leute scheinen wie geschaffen für eine beseelte Quasselstrippe wie Woody Allen. Und ja, der vielen fixen Dialoge ist der Autorenfilmer immer noch nicht müde, diesmal darf er gar selbst wieder mitquasseln. Als Opernregisseur im Ruhestand besucht er mit seiner Frau (Judy Davis) die Tochter und den Schwiegersohn in spe. Der Ruhestand lässt dem Künstler auch in Rom keine Ruhe, entsprechend hartnäckig und aufdringlich sucht er im Alltag die große Inszenierung und die Chance auf ein Karrierehoch im Alter. Allerlei weitere Charaktere leben und geistern in und durch die Stadt: Ein Architekturstudent (Jesse Eisenberg) verguckt sich in die Freundin (Ellen Page) seiner Freundin (Greta Gerwig) und wird auf seinem Irrweg von einem Architekten begleitet (Alec Baldwin). An anderer Stelle kommt Biedermann Leopoldo (Roberto Benigni) unverhofft zu Starruhm und kann sich schon bald nicht mehr der Paparazzi-Schar erwehren. Ein turbulenter, dialogfreudiger Episodenreigen, den Allen mit sommerlichen Bildern und verträumt touristischem Blick einfängt. Anders als sein vergleichbar inspirierter „Midnight in Paris“ bewegt sich Allen diesmal eher im intellektuellen Boulevard: Kurzweil, Tempo und amüsante Verwechslungen bestimmen den Kurs, nicht immer gelingt der intendierte Schritt zur Satire, zu klamaukhaft bleiben die Ansätze, und bloßes Tempo entspricht nicht automatisch gelungenem Timing. Komisch ironisch wird es, wenn sich der Regisseur in seiner Rolle als gealterter Künstler beharrlich dem Ruhestand verweigert. Da spielt Allen gelungen schlitzohrig mit seinem Alter Ego und den Publikumserwartungen. Trotzdem: Auch wenn die Komödie oberflächlicher angelegt ist als seine letzten Werke, eher episodisch und weniger als rundes Ganzes – sie bewahrt sich noch immer die Qualität eines Woody-Allen-Films. Und der ist nicht nur gewohnt gelungen und prominent besetzt, sondern bleibt immerzu sympathisch geerdet und liebenswert, selbst wenn er sich Klischees bedient, italienischer Klischees in diesem Falle. Und da darf man jetzt vielleicht einmal kleinlaut nachhaken: Hat Woody Allen auf seiner cineastischen Europatour eigentlich auch irgendwann mal Deutschland im Visier? „Midnight in Berlin“, „To Dresden with Love“, „Vicky Cristina Colonia“ – der Gedanke drängt sich vielleicht nicht direkt auf. Andererseits, Woody Allen in der Bundeshauptstadt: exotisch, delikat, jüdisch, kafkaesk. Mit anderen Worten – da wäre großes Kino drin. Das deutsche Kinopublikum mag Allens Witz und belegt damit, dass es ihn entgegen vieler Vorurteile irgendwo hat, den Humor. Also, Mr. Allen – finden Sie ihn. Wir freuen uns auf Sie. www HARTMUT ERNST TO ROME WITH LOVE I/USA 2012 - Komödie - Regie: Woddy Allen - Kamera: Darius Khondji mit Woody Allen, Alec Baldwin, Roberto Benigni - Verleih: Tobis Start: 30.8. BO: Metropolis/Casablanca, Union, DO: Cinestar, E: Cinemaxx, Filmkunsttheater, GE: Schauburg TO ROME WITH LOVE – Am Rande Der Titel für die romantischste Stadt ist bereits vergeben, und das ziemlich endgültig. In vermutlich vielen Köpfen schimmert das Wort „Liebe“ auf, wenn der Name „Paris“ fällt. Rom liegt immerhin noch über tausend Kilometer weiter südlich, die Tage sind wärmer, die Nächte milder. Die geschichtsträchtigen, antiken Bauten und kopfsteingepflasterten Gassen üben einen ganz eigenen Charme aus; ein guter Nährboden für sich anbahnende Liebesbeziehungen, frisch Verliebte, und für Geschichten, die sich um solche drehen. Den Rang abzulaufen droht Rom Paris so schnell nicht, keine Frage. Zumindest 2010 aber war Rom populärstes Reiseziel verliebter Paare, das zeigten ReiseportalBuchungen über den 13. und 14. Februar. Auch Roms Beiname „Ewige Stadt“ www.trailer-ruhr.de/heute-im-kino hat per se durchaus Romantisches an sich, Paare in der Realität (ebenso wie in Woody Allens neuester Komödie) hoffen sicher nicht selten, dass eine durch die Rom-Reise verbriefte Beziehung ewig besteht. Außerhalb des Valentinstags findet man Rom zwar ebenfalls unter den obersten Zehn des TourismusRankings europäischer Hauptstädte. Spitzenreiter ist und bleibt aber Paris. Die italienische Hauptstadt landete 2011 sogar noch hinter Berlin (Studie „European Capital City Tourism“ von Roland Berger Strategy Consultants). Auch, wenn Berlin nicht unbedingt für mediterranes Flair bekannt ist, zeigt das doch: „Midnight in Berlin“ ist kein allzu schlechter Vorschlag für Allens nächstes Projekt. MAREN LUPBERGER 24 Alle Filme, alle Kinos, alle Filmkritiken, alle Termine im Ruhrgebiet Foyer Neue Filme Ein globales Kommen und Gehen Globaler Liebesreigen „360“ von Fernando Meirelles In verschiedenen Metropolen verweben sich verschiedene Schicksale auf komplexe Weise miteinander und zeigen so unsere Verbundenheit und Verwundbarkeit auf. C Hintergründiges Beziehungsdrama Die Erzählung beginnt und schließt in Wien, eine Reminiszenz an Arthur Schnitzler, dessen berühmter „Reigen“ dem Drehbuchschreiber Peter Morgan („Die Queen“, „Frost/Nixon“) als Inspiration diente. Ähnlich dem damals skandalösen Fin de siècle-Stück, tritt auch hier eine Vielzahl an Protagonisten auf, deren amouröse Verstrickungen schließlich ein netzwerkartiges Gesellschaftsporträt ergeben. Hier ist es zu Beginn der britische Geschäftsmann Michael Daly (Jude Law), der in einer tiefen Ehekrise steckt und kurz davor steht seine Frau Rose (Rachel Weiz) mit einem slowakischen Callgirl zu betrügen. Doch die Verabredung in der Hotellobby wird auf unerwartete Weise von seinem deutschen Kollegen (Moritz Bleibtreu) gestört. Emotional aufgewühlt ruft Daly, der sich entschlossen hat nun doch nicht fremdzugehen, zuhause an, nicht ahnend, dass Rose hingegen tatsächlich schon länger eine intensive Affäre mit dem brasilianischen Fotografen Rui (Juliano Cazarré) pflegt, dessen Freundin Laura (Maria Flor), die einst mit ihm zusammen nach England immigrierte, sich über das Verhältnis sehr wohl im Klaren ist. Enttäuscht macht sie sich auf die Reise in die Heimat. Im Flugzeug trifft sie auf den charmanten Witwer John (Anthony Hopkins), dessen Tochter verschwunden ist. Er muss sich auf den Weg machen, eine Leiche zu identifizieren. Ein Schneesturm zwingt die Passagiere in Denver zu landen, doch an Bord ist auch ein frisch aus der Haft entlassener Sexualstraftäter, mit dem Laura ins Gespräch kommt. Dem Prinzip des Domino-Effekts folgend, zieht Fernando Meirelles („City of God“, „Der ewige Gärtner“) die Handlungsstränge noch über Paris und Rio, Bratislava und Phoenix, bevor sie in unerwarteter Weise in Wien zusammenlaufen. Dabei ist ihm zusammen mit Autor Morgan ein interessanter Kommentar auf zeitgenössische Beziehungsprobleme und menschliche Schwächen gelungen. Die komplexe Struktur, die er dabei gewählt hat, ist mehr als nur ein Episodenfilm, sondern steht in einer Reihe mit Globalisierungsdramen wie „Babel“, „Syriana“ oder auch dem ausgezeichneten „L.A. Crash“ und stellt einen weiteren Versuch dar, ein für das 21. Jahrhundert so bezeichnendes Lebensgefühl auf den Punkt zu bringen: Räumliche und zeitliche Grenzen sind zunehmend unklarer geworden, globale Finanztransaktionen lassen nationale Gefüge einstürzen, durch technische Neuentwicklungen sind wir in der Lage, früher undenkbare Relationen einzugehen. Stellenweise verliert sich Meirelles ein wenig in der Vielzahl an Geschichten, die gelegentlich nicht komplett ausgeführt werden, da sich, durch interessante Split-Screen-Konstruktionen, bereits der Übergang zum nächsten Schicksal ankündigt. Dennoch ist „360“ ein bewegendes und schauspielerisch beeindruckendes Mosaik, das Fernando Meirelles Ausnahmetalent ein weiteres Mal unter Beweis stellt. SILVIA BAHL 360 GB/A/BRA/F 2011 - Drama - Regie: Fernando Meirelles - Kamera: Adriano Goldman mit: Sir Anthony Hopkins, Jude Law, Rachel Weisz - Verleih: Prokino Start: 16.8. BO: Metropolis/Casablanca, E: Filmkunsttheater Flucht nach vorn „Louisa“ im Kino im U Dortmund Dortmund, 28. Juni – „Nur Mut, fragen Sie!“ fordert Louisa Pethke die ZuschauerInnen im Kino im U immer wieder freundlich nach der Filmführung von „Louisa“ auf. Sie macht diese Aufmunterung in Gebärdensprache, eine Dolmetscherin übersetzt ins Mikrofon für das hörende Publikum, das tatsächlich viel nachfragt. In dem L. Pethke im Filmgespräch auf Gebärden- Dokumentarfilm begleitet ihre Schwester sprache, Foto: B. Schiel Katharina Pethke die junge Frau mit der Kamera für die Abschlussarbeit an der KHM Köln. Entstanden ist ein intensives Portrait einer Emanzipation. Zentrales Thema des Films und auch des Publikumsgesprächs ist Louisas Entscheidung, als Gehörlose nicht mehr immer lautsprachlich zu reden, sondern sich lieber in Gebärdensprache zu verständigen. „Work hard – play hard“ im Endstation Bochum Bochum, 28. Juni – Propagierte die Bochumer Band „Die Kassierer“ wenige Wochen vor Vorführung der Dokumentation „Work hard – play hard“ nebenan noch „Arbeit ist Scheiße!“, war die Quintessenz des Filmabends zumindest, dass unsere moderne Arbeitswelt bestenfalls schädlich für den Einzelnen sei. Regisseurin Ausgiebige Diskussion über den Umgang Carmen Losmann erklärte im anschliemit der neuen Arbeitswelt, Foto: L. Mertens ßenden Filmgespräch, dass sie bewusst eine sehr ästhetisierende Form gewählt habe, um eine „schöne, neue (Arbeits-) Welt zu generieren, die sich ohne eine Stimme aus dem Off selbst demontiert“. Die Zuschauer waren schockiert über selbst entlarvende Begrifflichkeiten der Managements wie „positiver Leidensdruck“ und diskutierten hitzig, ob und in wieweit die Ausbeutung der Individualität sich allein auf das Heute bezieht. www „Bis zum Horizont, dann links“ in der Lichtburg Essen, 5. Juli – Bernd Böhlich konnte für seine melancholische Komödie um eine Gruppe von flüchtigen Senioren ein hochkarätiges Ensemble verpflichten. Neben Herbert Feuerstein, Monika Lennartz, Robert Stadlober und Anna Mühe u.a. sorgen vor allem zwei Schauspiel-Legenden für vergnügliche eineinhalb Stunden: Otto Zurückhaltend, aber fröhlich: Angelica Sander und Angelica Domröse. Letztere Domröse auf der Bühne der Lichtburg Foto: A. Thiemer war gemeinsam mit dem Regisseur, der Produzentin und Torsten Frehse vom Neue Visionen Filmverleih zur Premiere ihres ersten Kinofilms nach fast zehn Jahren ins Ruhrgebiet gekommen. Und die wunderschöne Lichtburg bot ihren Premierengästen einen entsprechend feierlichen Empfang. Auf roten Teppich und Sektempfang folgte dann ein Film, in dem die Bewohner eines Altenheims noch einmal den Aufbruch ins Ungewisse wagen. BETTY SCHIEL/ LISA MERTENS/ ANN KATRIN THÖLE trailer verlost 3x2 Karten. E-Mail bis 10.8. an [email protected], Kennwort: „360“ Alle Filme, alle Kinos, alle Filmkritiken, alle Termine im Ruhrgebiet Nach langer Zeit wieder im Kino: die großartige Angelica Domröse neben Regisseur Bernd Böhlich, Foto: A. Thiemer Lesen Sie auch die Langfassungen unter www.trailer-ruhr.de/foyer 25 Foyer Nachrichten aus der Kino-Welt Hintergrund Optisch beeindruckend: Bagan in Myanmar Weltreise „Samsara” von Ron Fricke Ein Bilderfänger reist rund um den Globus, spiegelt das Schöne, das Erhabene, das Gemeine. Visuell beeindruckendes Kaleidoskop unserer Welt Ron Fricke begab sich bereits 1982 als Kameramann für Godfrey Reggios „Koyaanisqatsi“ auf die Suche nach eindrucksvollen bewegten Bildern von unserer Mutter Erde, die kunstvoll und kommentarlos, unterlegt von der hypnotischen Musik von Philip Glass, miteinander verwoben wurden. Eine zeitgenössische, meditative Montage, die die Spuren des Ursprungs mit den absurden Auswüchsen des Fortschritts kontrastierte. 1992 führte Fricke Regie bei „Baraka“. Ein ähnliches Konzept, allerdings mit radikaleren Nuancen. So ließ Fricke auch historische Aufnahmen aus Konzentrationslagern einfließen. Den Blick auf Ursprung, Natur und die menschlichen Einflüsse in Sachen Industrialisierung und Urbanisierung ergänzte er durch Szenen des Unmenschlichen. Nun hat Ron Fricke die Erde erneut bereist, „Samsara“ bildet das Ergebnis einer fünfjährigen Tour durch 25 Länder. Dem Konzept von „Baraka“ bleibt er treu: Aufnahmen ergreifender Schönheit werden irgendwann hässlich von den kranken Auswüchsen unserer Zivilisation gebrochen. Fricke konfrontiert uns mit Einblicken in die Massentierhaltung und -schlachtung oder in unmenschliche Arbeitsbedingungen. So erhält dieser sinnliche Trip irgendwann einen Beigeschmack, entfernt sich vom reinen Wundern und Staunen und wird sehr destruktiv für eine „geführte Meditation“, als die Fricke sein Werk verstanden haben will. Hinzu kommt, dass in diesem Werk die Ästhetik im Mittelpunkt steht, die Suche nach dem perfekten Bild. Dies bedingt ein Problem, sobald der Film Missstände anstößt. Das Konzept, das anfangs augenscheinlich auf Erhabenheit ausgerichtet ist und die Wohlstandswelt allenfalls über Massenphänomene in Totalen und Zeitraffer iro- nisiert, bekommt Risse, moralisiert und dämonisiert. Man ahnt, dass Fricke bloß allumfassend abbilden möchte, doch wenn er schockiert, entsteht ein emotionales Rhythmusproblem, das auch die folkloristisch angehauchte New-Age-Weltmusik nicht kitten kann. In einem kommentarlosen Stückwerk wie diesem können Bilder des Schocks und der Verstörung in ein Opus mit 100 Zeigefingern ohne Aussagekraft münden. Andererseits ist Ron Fricke vermutlich gar nicht der Gesellschaftskritiker, den man hinter seinem Medley an Impressionen vermuten mag. Vielleicht ist er nur ein Sammler von Eindrücken, der optisch begeistern will. Und er begeistert optisch! Die Einblicke in menschliche Abgründe erscheinen nur sporadisch, ansonsten sind die Bilder, die er mit seiner 70 mm-Kamera einfängt, die Perspektiven, Kompositionen, die Zeitrafferaufnahmen, Massenszenen und Stillleben schlichtweg betörend. Fricke betrachtet seinen Film als Kunstwerk, „und wie jedes andere Kunstwerk auch kann man den Film nicht auf eine schlichte ‚Message‘ vereinfachen“. Unterm Strich bleibt ein visueller Trip durch Zivilisation, Religion, Massen, Fortschritt, Elend, Schöpfung, Zerstörung, Kreativität, Perversion, Geist, menschliches und Naturschauspiel. Nicht weniger, und doch mehr. www HARTMUT ERNST SAMSARA Internationales Film Festival Dublin: Preis der Filmkritik USA 2011 - Dokumentarfilm - Regie: Ron Fricke - Kamera: Ron Fricke Verleih: Busch Media Start: 23.8. SAMSARA – Am Rande Ein außergewöhnlicher Film erfordert außergewöhnliche Technik. Viele professionelle Fotografen schwören auf Mittelformatkameras, deren Negativfläche größer ist als die der herkömmlichen Kleinbildkameras, daher mehr Informationen speichern und im Allgemeinen detailreichere und brillantere Resultate hervorbringen. Fotografen verstehen sich immerhin nicht selten als Künstler. Und auch Ron Fricke sieht sein neuestes Werk „Samsara“ ja als Kunstwerk, das in erster Linie visuell Maßstäbe setzen will. Das schafft Fricke auch über technische Parameter. Statt, wie heute üblich, auf 35-mm-Filmen zu drehen, entschied er sich für einen 70-mm-Film, also ein Breitfilmformat, mit dem inzwischen nur noch selten gearbeitet wird. Vor allem zwischen den 50er und 70er Jahren kam das Format zum Einsatz, u. a. bei „Ben Hur“ (1959), Mit Filmtrailer, Hintergrund, Interview, Portrait … „West Side Story“ (1960), oder „2001: A Space Odyssey“ (1968). Neben dem Vorgänger „Baraka“ zählt „Samsara“ also gerade einmal zu einer Handvoll Langfilmen, die innerhalb der letzten 40 Jahre in diesem Format gedreht wurden. Das umfangreiche Ausgangsmaterial zu digitalisieren, das mit 70 mm immerhin doppelt so viel Fläche bietet wie die üblichen 35-mm-Aufnahmen, war ein langwieriger Prozess – am Ende sahen sich die Macher 20 Terabyte Filmmaterial gegenüber. Doch der Aufwand dürfte sich gelohnt haben. Das Breitfilmformat bietet nach wie vor herausragende Projektionsqualität, die sicherlich dazu beiträgt, dass „Samsara“ seine intendierte Wirkung nicht verfehlt: Ein optisches Erlebnis, das in seiner lebhaften Ästhetik berauscht MAREN LUPBERGER 26 www.trailer-ruhr.de/heute-im-kino Neue Filme David (Patrick Huard) übt schon mal für seine neue Rolle Die Stimmung steigt, und bald kippt sie Plötzlich Vater Schlagabtausch der Eitelkeiten „Starbuck“ von Ken Scott „Der Vorname“ von Bernard Murat David hat als junger Mann fleißig Sperma gespendet – rund 20 Jahre später erfährt er, dass daraus 533 Kinder entstanden sind. C Modernes Großstadtmärchen Fünf wohlsituierte Zeitgenossen liefern sich einen aufreibenden Schlagabtausch im bürgerlichen Wohnzimmer. C Bissiges Kammerspiel Man mag sich gar nicht ausmalen, was Hollywood aus dieser schlüpfrigen Idee gemacht hätte, die solch ein enormes Fremdschämpotenzial bietet. Aber in den Händen des kanadischen Independentfilmers Ken Scott ist daraus ein überaus liebenswertes Großstadtmärchen mit sympathischen Figuren geworden. Der von Patrick Huard mit verschmitztem Lächeln angelegte David wird plötzlich in eine Verantwortung getrieben, vor der er sich ein Leben lang gedrückt hat. Die Wandlung, die er durchläuft, kommt allen Beteiligten zugute. Und das Publikum wird dabei gut unterhalten. FRANK BRENNER Vincent ist Immobilienmakler und Zyniker — jetzt wird er Vater. Bei einem Dinner bei seiner Schwester, an dem auch Vincents Frau, sein Schwager und Jugendfreund Claude teilnehmen, kommt es bei der Diskussion über den Vornamen des Babys zum großen Streit. Weitere, über die Jahre schwelende Konflikte brechen auf, Geheimnisse werden gelüftet, am Ende stehen die fünf Erwachsenen vor einem Scherbenhaufen. Ein Kammerspiel, das dem zeitgenössischen Bürgertum den Spiegel vorhält und das somit an Polanskis „Der Gott des Gemetzels“ erinnert. „Der Vorname“ stolpert gelegentlich inhaltlich, ist mal anregend, mal trivial, mal wirkt er konstruiert. Inszenatorisch aber ist das Drama rundum gelungen, darstellerisch trefflich besetzt. HARTMUT ERNST STARBUCK Valladolid 2011: Preis für den besten Nachwuchsregisseur CDN 2011 - Komödie - Regie: Ken Scott - Kamera: Pierre Gill - mit: Patrick Huard, Julie LeBreton, Antoine Bertrand - Verleih: Ascot Elite Start: 16.8. BO: Metropolis/Casablanca, Union, DO: Cinestar, E: Filmkunsttheater, GE: Apollo trailer verlost 3x2 Karten. E-Mail bis 10.8. an [email protected], Kennwort: „Starbuck“ DER VORNAME F/B 2012 - Komödie - Regie: Bernard Murat - Kamera: David Ungaro - mit: Patrick Bruel, Valérie Benguigui - Verleih: Warner Start: 2.8. BO: Union, E: Filmkunsttheater, OB: Lichtburg www Die Utensilien of Hoodoo Das Schwein bringt den Fischer in eine missliche Lage Rituale im Alltag Unrein „The United States of Hoodoo“ von Oliver Hardt „Das Schwein von Gaza“ von Sylvain Estibal Eine Reise zu den spirituellen Enklaven afroamerikanischer und indianischer Kultur in den USA. C Ethnografisches Roadmovie Einem palästinensischen Fischer geht ein Schwein ins Netz. Wohin mit dem unreinen Tier? C Satirische Komödie Der afroamerikanische Schriftsteller Darius James („Negrophobia“) begibt sich auf eine Reise durch die USA, um Verbindungslinien zum Voodoo zu orten und deren popkulturelle Durchdringung im Hoodoo. Die Entdeckungsreise führt ihn von intellektuellen Gesprächen an der Ostküste bis in den tiefen Süden nach New Orleans – zum Blues, wo spirituelle Rituale im Alltag zu finden sind. Regisseur Oliver Hardt, der neben James auch für das Drehbuch verantwortlich zeichnet, begleitet seinen Co-Autoren mit schön gefilmtem Bildmaterial durch das Land und zeichnet die Gespräche auf, die er führt. Artho Lindsay hat den leicht tribalistischen Soundtrack gemacht. Es waren einmal ein glückloser Fischer (Sasson Gabai) und seine Frau. Mit der Fischerei lief es nicht gut. Eines Tages aber geht ihm ein Schwein ins Netz. Nun gelten diese Tiere am Gazastreifen sowohl auf israelischer als auch auf palästinensischer Seite als unrein. Der Fischer wird das Schwein nicht los. Also versucht er, spitzbübisch wie er ist, aus der misslichen Lage Profit zu schlagen. Der Film ist ein amüsanter, satirisch angehauchter Schildbürgerstreich, ein Märchen, aber damit nicht automatisch verklärt. Vielmehr eine Komödie, die sich dem politischen Konflikt mit Leichtigkeit und Optimismus annähert und darlegt, dass diese Annäherung an die Tragik nicht nur legitim, sondern ein kluger Weg sein kann. HARTMUT ERNST CHRISTIAN MEYER THE UNITED STATES OF HOODOO DAS SCHWEIN VON GAZA D 2010 - Dokumentarfilm - Regie: Oliver Hardt - Kamera: Harald Schmuck Verleih: RealFiction Start: 26.7. César 2012: Bestes Debüt F/D/B 2011 - Komödie - Regie: Sylvain Estibal - Kamera: Romain Winding - mit: Sasson Gabai, Baya Belal, Myriam Tekaïa - Verleih: Alamode Start: 2.8. BO: Metropolis/Casablanca, E: Filmkunsttheater DO: Cinestar Alle Filme, alle Kinos, alle Filmkritiken, alle Termine im Ruhrgebiet 27 www.trailer-ruhr.de/heute-im-kino Roter Roter Teppich Teppich Nachdenken über ein Leben als Stripper: Channing Tatum in „Magic Mike“ „Ich wollte auf die dunkle Seite des Mondes gelangen“ Channing Tatum über „Magic Mike“, seine Vergangenheit als Stripper und seine jüngsten Karrieresprünge 1980 wurde Channing Tatum in Alabama Aussehen beurteilt, genau wie Stripper. Wie geboren. Als Achtzehnjähriger verdiente er fühlt sich das denn an? sich seinen Lebensunterhalt als Stripper in Unser Film soll doch einfach nur Spaß machen, Tampa, Florida. Über diese Erfahrungen hat wir wollten damit das Rad nicht neu erfinden. er zusammen mit Steven Soderbergh den Frauen werden doch schon seit Ewigkeiten zu Objekten degradiert, wir wollten Film „Magic Mike“ gedreht, der nun in den Kinos anläuft. „Man kann als Stripper leicht da einfach mal einen anderen Tatum ist mittlerweile durch auf die schiefe Bahn geraten“ Aspekt ins Spiel bringen. Aber als Schauspieler fühle ich mich Filme wie „G.I. Joe – Geheimakte Cobra“, „Für immer Liebe“ oder keineswegs zum Objekt degradiert, ich liebe meidas Filmrevival der Johnny-Depp-Serie „21 ne Arbeit wirklich. Jump Street“ zu einem der kassenträchHatten Sie also nie den Eindruck, Sie müssten tigsten Stars in Hollywood aufgestiegen. in einem Film Ihr Hemd nur deswegen auszietrailer: Mr. Tatum, der Film spielt in Ybor, hen, weil die Zielgruppe Sie so sehen möchte? Tampa, einem der Hot Spots für schwules Wenn es im Drehbuch steht und sinnvoll ist, Nachtclubentertainment. Als Sie selbst dort dass ich das Hemd ausziehe, dann mache ich aufgetreten sind, war das tatsächlich vor das auch. Das stößt mir nicht sauer auf. Wenn die Handlung an einem Strand spielt, würde man einem rein weiblichen Publikum? Channing Tatum: Ja. Es gibt in ganz Florida eine dort ja auch nicht mit einem hochgeschlossenen Menge Clubs und Bars für eine schwule Klientel, Anzug auftauchen. besonders in Ybor, aber wir sind dort vor einem ausschließlich weiblichen Publikum aufgetreten. Hat das Strippen damals Ihren Charakter verEinige der Stripper sind auch als Go-Go-Tänzer ändert, haben Sie dabei etwas gelernt? in den schwulen Clubs aufgetreten. Das war Ich habe gelernt, dass man dabei leicht auf die dann kein Strippen oder revueartiger Auftritt, schiefe Bahn geraten kann. In Wirklichkeit ist sondern das übliche Vortanzen an exponierten das ein düsteres Metier, das wir im Film weniger Stellen. So etwas habe ich nie gemacht. Nicht, düster dargestellt haben, als es tatsächlich ist. dass ich etwas dagegen hätte, es hat sich nur Ich war achtzehn, neunzehn Jahre alt und total verrückt, suchte nach einem Kaninchenloch, in nie ergeben. das ich hineinspringen konnte, um sozusagen auf Wie seltsam ist es, im Stringtanga zu drehen? die dunkle Seite des Mondes zu gelangen. Und Das ist sehr seltsam, besonders für einen Kerl. ich habe eines gefunden (lacht). Ich wollte in eiEs war wirklich äußerst befremdlich für mich, ner Welt aus Sex, Drugs und Rock’n’Roll leben. obwohl ich es ja tatsächlich schon einmal getan Aber ich habe, Gott sei Dank, rechtzeitig den Abhatte. Aber damals war ich wahrscheinlich zu sprung geschafft. Ich hatte weder mit Drogenjung, um die Verrücktheit dahinter zu erkennen. problemen zu kämpfen noch mit ungeplanten Als Achtzehnjähriger hatte ich einfach meinen Kindern (lacht). Spaß dabei, aber mittlerweile hatte ich die Zeit, Wie weit würden Sie hinsichtlich Nacktszedarüber nachzudenken (lacht). nen vor der Kamera gehen? Könnten Sie sich Gibt es in den Berufen eines Schauspielers auch echten Sex vor der Kamera wie bei Lars von Trier vorstellen? und eines Strippers nicht auch Parallelen? Außer der Tatsache, dass beide auf einer Bühne Ich glaube nicht, dass ich vor der Kamera echarbeiten, erkenne ich da eigentlich keine Paral- ten Sex haben würde, ich glaube, dass dazu keilelen. Schauspielerei entspricht der Wirklichkeit, nerlei Notwendigkeit besteht. Ich mag generell das Strippen ist überlebensgroß. Man spielt da- Sexszenen in Filmen nicht besonders. Wenn ich bei Rollen, die es in der Wirklichkeit meiner Mei- Angelina Jolies Brüste sehe, dann lenken die mich nur von ihrer Filmfigur ab. Wenn sich zwei nung nach überhaupt nicht gibt. Charaktere im Film ineinander verlieben, besteht Aber Schauspieler werden auch manchmal doch noch lange nicht die Notwendigkeit, dass zum Objekt degradiert und nur nach ihrem man sieht, wie sie miteinander ins Bett gehen. www Mit Filmtrailer, Hintergrund, Interview, Portrait … 28 Ich würde jetzt nicht generell ausschließen, mich komplett nackt vor der Kamera zu zeigen, aber, wie gesagt, es müsste schon eine inhaltliche Notwendigkeit dazu bestehen. Sie schwimmen derzeit auf einer Erfolgswelle – fühlt es sich für Sie selbst auch so an, wie wenn eine neue Phase Ihrer Karriere begonnen hätte? Es kommt mir tatsächlich ein wenig so vor, als würde ich gerade in eine neue Phase eintreten oder mich in eine neue Richtung weiterentwickeln. Vor ungefähr achteinhalb Jahren sagte mir meine Schauspiellehrerin, dass es zehn Jahre dauern würde, bis ich ein guter Schauspieler sei. Ich glaube, dass ich so langsam an diesen Punkt komme. Mit jedem Film glaube ich, besser zu werden. Am Anfang hatte ich ja auch kaum irgendwelche Erfahrungen, ich habe das Ganze während des Filmens gelernt. Heute produziere ich auch Filme, und erst dabei bekomme ich nach und nach einen umfassenden Einblick darüber, wie eine Geschichte aufgebaut ist, welche Funktion meine Figur innerhalb der Geschichte hat, wie man einen Film plant, und wie man ihn anschließend verkauft. Mir gefallen all diese verschiedenen Aspekte des Berufes. Man kann einen wirklich tollen Film drehen – wenn ihn anschließend niemand sieht, ist er bedeutungslos, liegt einfach in irgendwelchen Regalen rum. Deswegen sollte man auch als Schauspieler aktiv werden, wenn einem etwas an einem Film liegt. Wenn man Zeit damit verbrachte, ihn zu drehen, sollte man auch Zeit investieren, die Leute dazu zu bringen, ihn sich anzuschauen. Sie sind also Produzent geworden, um Ihre Figuren und die Arbeit des Regisseurs vor dem Studio zu schützen? Ja, diese Punkte spielen alle mit hinein. Aber ich liebe auch einfach den Entstehungsprozess eines Films. Das hat schon bei dem Film „Das Leuchten der Stille“ angefangen, bei dem ich lediglich als Schauspieler involviert war. Aber ich habe mitgeholfen, den Drehbuchautoren zu finden und gemeinsam im Team die Geschichte in die richtigen Bahnen zu lenken. INTERVIEW: FRANK BRENNER Lesen Sie die Langfassung unter: www.trailer-ruhr.de/roter-teppich www.trailer-ruhr.de/heute-im-kino „G E R M A N Y ‘S N E X T Neue Filme KIN OW UND ER !“ Mike (Channing Tatum) und sein Boss Dallas (Matthew McConaughey) haben Stress Patric A k HU N Julie L E B R ET O RD K KINO-ZEIT.DE RT R A N D Antoine B E Es regnet Stripper n KEN SCOTT E in F ilm vo „Magic Mike“ von Steven Soderbergh Adam sucht einen Job und landet über Mike in einem Strip-Club. Dort tanzt er für die Frauen im Publikum und findet Gefallen daran. Mike hingegen will aussteigen. C Realistisches Drama über männliche Stripper Soderbergh hält sich gerne am Independent-Rand von Hollywood auf, und das auf sehr raffinierte Art. Das Szenario schielt auf Scharen von weiblichen Kegelclubs und Junggesellinnenabschiedstrupps. Zugleich stülpt Soderbergh mit seinen männlichen Strippern Geschlechterklischees ein wenig um. Wenn Channing Tatum, der selbst mal Stripper war, zu „It's raining Men“ im Dubstep-Mix sein Becken schüttelt, ist das wunderbar albern. Daneben erzählt der Film eine recht konventionelle, aber berührende Geschichte. Die visualisiert Soderbergh anders als die perfekt glänzenden Tanzszenen weich und in zarten Brauntönen. Dass der Regisseur, der auch für Kamera und Schnitt verantwortlich zeichnet, durch und durch Ästhet ist, zeigt sich in jeder Einstellung. CHRISTIAN MEYER VATER UND VON 1 42 5 3 3 KINDERN WOLLE DLICH KENNENLERNEN! MAGIC MIKE USA 2012 - Komödie - Regie: Steven Soderbergh - mit: Matthew McConaughey, Channing Tatum, Olivia Munn - Verleih: Concorde Start: 16.8. BO: UCI, Union, DO: Cinestar, E: Cinemaxx, Filmkunsttheater, GE: Apollo, HE: Filmwelt, MÜL: Cinemotion www Die Marilyn von Mouthe im Schnee Twin Peaks à la Français „Who killed Marilyn?“ von Gérald Hustache-Mathieu Ein Starlett stirbt, die Gemeinde schweigt, ein Fremder wird zu neugierig. C Unterhaltsam-absurd erzählter Krimi Als Krimi-Autor David Rousseau (Jean-Paul Rouve) wegen einer Erbschaft im verschneiten, französischen Mouthe landet, gerät er in einen mysteriösen Mordfall. Die Dorfschönheit wird tot aufgefunden. Rousseau entdeckt hinter dem Fall Inspiration für seinen nächsten Roman, der Polizeichef jedoch sieht es gar nicht gern, dass der Fremde recherchiert. Eine hübsche Tote, verschwundene Tagebücher, geheimnisvolle Ziffern, absurde Typen und trügerische Natur-Idylle: Gérald Hustache-Mathieu entwirft ein winterliches „Twin Peaks“. Dabei bleibt er aber, nicht zuletzt mit Referenzen zu Marilyn Monroe und ausgebremsten Coversongs, eigensinnig genug, um als originell durchzugehen. Absurd, spannend, berührend, erfrischend. HARTMUT ERNST WHO KILLED MARILYN? F 2011 - Komödie - Regie: Gérald Hustache-Mathieu - Kamera: Pierre Cottereau - mit: Jean-Paul Rouve, Sophie Quinton, G. Gouix - Verleih: Koch Media Start: 2.8. BO: Metropolis/Casablanca, E: Filmkunsttheater www.trailer-ruhr.de/heute-im-kino 29 K INO M I T S U G U A B 16 . A .d er fil m S ta rb uc k- de rF ilm .d e st ar bu ck Gespräch zum Film Neue Filme Regisseur Marten Persiel „Ich wollte den als Held“ Regisseur Marten Persiel über sein Filmdebüt „This ain‘t California“ Marten Persiel, Jahrgang ’74, studierte an der HfBK in Hamburg Dokumentarfilm, in Portsmouth Mixed Media Art und in London Regie. Er drehte in verschiedenen Ländern Werbefilme, Musikvideos und Dokumentationen. 2008 kehrte er für seinen ersten Kinofilm „This ain‘t California“ nach Deutschland zurück. trailer: Herr Persiel, wie sind Sie auf das Thema Skaten in der DDR gekommen? Marten Persiel: Seit ich acht bin, fahre ich Skateboard, dadurch ist die Geschichte auch zum großen Teil meine Geschichte des Aufwachsens. Vor drei Jahren waren wir in Berlin skaten, und an der Schräge des Fernsehturms haben wir gedacht, eigentlich muss das hier im Osten doch perfekt gewesen sein zum Skaten. Ich wollte dann eine Komödie daraus machen, in der es plötzlich Skateboarder im Osten gibt. Bei der Recherche habe ich aber tatsächlich einige gefunden, die damals gefahren sind, und dann gemerkt, dass das keine Komödie sein sollte, weil es eine ganz tolle Geschichte ist, die noch nicht erzählt wurde. Warum haben Sie sich entschieden, Fiktionales in den Film zu nehmen? Wir haben zum Beispiel bei der Hauptfigur „Panik“ Ecken abgerundet und Sachen nicht erzählt. Ich wollte den als Held haben, wenn man aber alles erzählt hätte, was der damals und auch später noch gemacht hat, dann wäre das sehr zweifelhaft. Wir nennen das „dokumentarisches Erzählen“ im Gegensatz zu einer Reportage. Wir wollten vor allem eine gute Erzählung machen mit Spannungsbogen und Figuren, die soweit ausgeschnitzt sind, dass sie für etwas stehen. Ich habe eigentlich wie ein Spielfilmregisseur gehandelt. Das ist kein Film für Leute, die sich informieren wollen, das ist ein Film für Leute, die verstehen wollen, wie sich das angefühlt hat. All diejenigen, die damals dabei waren, sagen, der Film stellt das genauso dar, wie es war. Und dass es zum Glück kein geradliniger, regelgetreuer Film sei, denn darum könne es schon mal gar nicht gehen, wenn es um sie geht. Das ist das Hauptargument, wenn mir ein Dokumentarfilmpurist sagt, das könnt ihr alles nicht machen. Hat Sie die Skate-Doku „Dogtown & Z Boys“ von Stacy Peralta beeinflusst? Nicht nur der Film, sondern alles, was Peralta gemacht hat. Der hat ja schon vorher Skatevideos gedreht, und die habe ich schon ganz früh gesehen. Der hat einen ganz bestimmten Humor, der nichts ernst nimmt und alles ineinanderschmeißt. Der hat auch den Ansatz, alles möglichst fett zu machen, was ja auch nicht gerade einer Dokumentarfilmethik entspricht. Wie geht es mit dem Film jetzt weiter? Der Festivalerfolg ist unglaublich, jetzt hoffen wir auf einen Kinoerfolg. Viele Leute – auch ich – sind ja noch nicht bezahlt. Das war für viele von uns der erste Langfilm, und ich habe viel dabei gelernt. Vorher habe ich zehn Jahre Werbung gemacht, das war jetzt das erste Mal, dass das Geld überhaupt nicht stimmte und alles schwierig war. Mit dem Ergebnis, dass ich wieder zu schätzen weiß, wie das ist, wenn Leute einem vertrauen und Sachen in die Hand geben, damit man arbeiten kann. Man sollte in der Filmwirtschaft, aber auch im Leben insgesamt, den Leuten, die etwas anderes machen wollen, mehr Vertrauen geben. In Deutschland hat in der Kultur alles so sehr seinen Platz gefunden, dass es echt schön ist, wenn es mal anders läuft und totale Newcomer eine Chance kriegen. INTERVIEW: CHRISTIAN MEYER www.trailer-ruhr.de/heute-im-kino Panik in der DDR Subversive Kraft „This ain't California“ von Marten Persiel Auf dem Alexanderplatz bildet sich Mitte der 80er Jahre eine Skaterszene. 'Panik' ist einer der wagemutigsten Fahrer. Auch zwischenmenschlich neigt er zum Extrem und legt sich gerne mit der Staatsmacht der DDR an. C Dokumentarischer Spielfilm über die Skaterszene in der DDR Zu Beginn erfährt man, dass der Vater von einem der Jungs gute Westkontakte hatte und immer an Filmmaterial kam. Wir sehen also recht lückenlos die Entstehung der Skaterszene bis zum Ende der DDR. In wunderbar atmosphärischen Bildern erleben wir das erste Ausprobieren der Tricks, das Werkeln an den Boards Marke Eigenbau, die wilden Parties und den Konflikt mit der Staatsmacht. Dass dann am Ende nicht jedes Gesicht zur historischen Person gehört, und nicht jede Filmszene aus den 80ern ist, sondern für den Film gedreht wurde – es macht einen kurz stutzig und wirft Fragen nach der Authentizität auf. Aber das mitreißende Filmerlebnis und beseelte Gefühl gegenüber der subversiven Kraft der Jugendkultur kann das nicht dauerhaft stören. CHRISTIAN MEYER THIS AIN'T CALIFORNIA Berlinale 2012: Dialogue en Perspective - D 2012 - Dokumentarfilm Regie: Marten Persiel - Kamera: Felix Leiberg - Verleih: Farbfilm BO: Endstation Start: 16.8. www Die Großfamilie unter einem Dach – das kracht Sommerleicht „Familientreffen mit Hindernissen“ von Julie Delpy Julie Delpy lädt ein zu einem tragikomischen Sommertag auf dem Lande, ein Familientreffen. C Beschwingte, idyllische Komödie Die Bretagne im Sommer 1979: Die Großfamilie trifft sich – Oma, Opa, Eltern, Enkel. Ein großes, buntes Potpourri, so unterschiedlich, mitunter zerstritten – und zugleich geeint über das Band der Familie. Äußerst charmant führt Delpy durch einen Tag und eine Nacht, trifft dabei das Zeitkolorit, dass man aus dem Schmunzeln nicht herauskommt, und findet dazu hinreißend idyllische Bilder und Momente. Die Leichtigkeit fängt sogar den Umstand auf, dass beinahe ununterbrochen geredet wird. Aber das wissen die Franzosen ja schon immer unangestrengt zu inszenieren. Regisseurin Delpy gibt sich hier merklich geistreicher als mit ihrem vergleichsweise plumpen „2 Tage New York“. Die Französin gehört eben einfach nach Frankreich. HARTMUT ERNST FAMILIENTREFFEN MIT HINDERNISSEN F 2011 - Komödie / Drama - Regie: Julie Delpy - Kamera: Lubomir Bakchev mit: Lou Alvarez, Julie Delpy, Eric Elmosnino - Verleih: NFP Start: 9.8. BO: Metropolis/Casablanca, E: Filmkunsttheater 30 Alle Filme, alle Kinos, alle Filmkritiken, alle Termine im Ruhrgebiet culture club präsentiert: Kino-Café Viktor und Didi streunen umher Fragile Fremde „Miss Kicki“ von Håkon Liu Miss Kicki und Viktor erleben eine interkulturelle Mutter-Sohn-Geschichte der besonderen Art, untermalt von einem stimmungsvollen Soundtrack. C Leises Familiendrama Miss Kicki (Pernilla August) kehrt nach langem Aufenthalt in den USA in ihre Heimat Schweden zurück, wo sie ihren 16jährigen Sohn Viktor zurückgelassen hat. Sie schlägt dem Jugendlichen, der bei seiner Großmutter aufwuchs, eine Reise nach Taiwan vor, um sich wieder anzunähern, verschweigt ihm jedoch ihre wahre Motivation. Die unglückliche Miss Kicki setzt nämlich all ihre Hoffnung in die Beziehung zu dem taiwanesischen Geschäftsmann Chang. In Taipei lernt der Sohn den jungen Didi kennen. Zwischen den beiden entwickelt sich langsam eine zaghafte Romanze. Doch Didi steckt in Schwierigkeiten. Håkon Liu entwickelt in ruhigem Erzählfluss und eindringlichen Bildern eine emotional dichte Geschichte von enttäuschten Hoffnungen, Einsamkeit und den Möglichkeiten neuer Begegnungen. SILVIA BAHL MISS KICKI S/TW 2009 - Drama - Regie: Håkon Liu - Kamera: Ari Willey - mit: Pernilla August, Ludwig Palmell, He River Huang - Verleih: Barnsteiner Start: 26.7. BO: Metropolis/Casablanca, DO: Cinestar culture club präsentiert: Open-Air-Kino BEST EXOTIC MARIGOLD HOTEL SCHLOSS STRÜNKEDE Eine Gruppe britischer Senioren reist aus den verschiedensten Gründen nach Indien, um dort den Lebensabend zu genießen. Zunächst voller Vorfreude, müssen sie bald feststellen, dass das Marigold Hotel, ein einstiger Palast, seine besten Tage schon weit hinter sich hat. Obwohl das neue Heim nicht den Erwartungen entspricht, entdecken die rüstigen Rentner, dass das Leben immer wieder neue Überraschungen parat hält. Vom 15. bis 18.8. findet im romantischen Innenhof von Schloss Strünkede wieder das Herner Open-Air-Kino statt. Auf dem Programm stehen „The Best Exotic Marigold Hotel“ (15.8.), „Ice Age 4“ (16.8.), „Fast verheiratet“ (17.8.) und „Ziemlich beste Freunde“ (18.8.). Einlass ist jeweils ab 19.30 Uhr, zum Film werden leckere Brat- und Currywürste sowie Kinoknabbereien und Getränke kredenzt. UCI Kinowelt Ruhr Park Am Einkaufszentrum, Bochum | Karten 0234 239 02 34 UCI Kinowelt Duisburg Neudorfer Straße 36-40 | Karten 0203 301 91 91 Open-Air-Kino auf Schloss Strünkede Karl-Brandt-Weg 5, Herne. Karten: (023 23) 14 777-0 trailer verlost 3x2 Karten E-Mail bis 30.8.an [email protected], Kennwort: „Marigold Bochum“ oder „Marigold Duisburg“ Mi, 5.9. 14.30 Uhr trailer verlost für alle vier Abende jeweils 3x2 Karten E-Mail an bis 10.8. [email protected], Kennwort: Strünkede (plus jeweiliger Filmtitel) 15.-18.8. 19.30 Uhr www Der Vater beäugt seinen Erben Merida trainiert mit ihrem Papa, die Mama ist nicht begeistert Verhext Kochkunst „Merida – Legende der Highlands“ von M. Andrews u. Br. Chapman „Entre les Bras – 3 Sterne. 2 Generationen. 1 Küche.“ von Paul Lacoste Eine junge Prinzessin ist lieber Raufbold und kommt den Plänen ihrer Eltern in die Quere. C Prinzessinnen-Märchen von Pixar Aus Altersgründen muss ein berühmter Koch sein Restaurant an den Sohn abgeben. Die Kamera begleitet die beiden. C Doku über zwei beseelte Köche Vorbildfunktion, Pflichten und Etikette bestimmen das langweilige Leben der kleinen, rebellischen Schottenprinzessin Merida. Als ihre Eltern eines Tages drei blöde Prinzen auffahren, die beim Bogenschießen um ihre Hand werben sollen, platzt dem Mädchen der Kragen: Sie wendet sich an eine Hexe, die ihre strenge Mutter zur Vernunft zaubern soll. Schon bald bereut Merida den Schritt – zu spät. Der neue Pixarfilm braucht ein wenig Zeit, bis er in die Gänge kommt. Doch spätestens mit dem Besuch im Hexenhaus bekommen Groß und Klein wieder bewährte Pixel-Qualität vorgesetzt. Passend zum Film gibt es in der Kunst- und Ausstellungshalle in Bonn übrigens eine Ausstellung zum 25-jährigen Jubiläum des Trickfilmstudios Pixar. HARTMUT ERNST Michel Bras ist in Frankreich als Drei-Sterne-Koch eine lebende Legende. Die Dokumentation begleitet den Familienvater bei der Arbeit, in der Freizeit und mit seiner Familie. Zugleich richtet der Film den Fokus auf seinen Sohn, der das Talent des Vaters geerbt hat, das Restaurant übernimmt und die Kunst des Kochens in die neue Generation überführt. Ein Film nicht nur über die Kunstfertigkeit des Kochens und über das Loslassen von einer lebenslangen Leidenschaft, sondern ebenso ein Portrait über die, mitunter widerborstige, Liebe zwischen Vater und Sohn, die sich, beide naturverbunden und gleichermaßen verschlossen, vor der Kamera öffnen. Ein Fünf-Sterne-Film in vier Gängen, schmackhaft, appetitlich und anregend angerichtet. HARTMUT ERNST MERIDA – LEGENDE DER HIGHLANDS ENTRE LES BRAS – 3 STERNE. 2 GENERATIONEN. 1 KÜCHE USA 2012 - Trickfilm - Regie: Mark Andrews, Brenda Chapman - Kamera: Robert Anderson - Verleih: Disney Start: 2.8. BO: Bofimax, UCI, Union, DO: Cinestar, E: Cinemaxx, GE: Apollo, Schauburg, HE: Filmwelt, MÜL: Cinemotion, OB: Lichtburg F 2011 - Dokumentarfilm - Regie: Paul Lacoste - Kamera: Yvan Quéhec, R. Carcanade - mit: Michel Bras, Sebastien Bras - Verleih: mindjazz Start: 9.8. www.trailer-ruhr.de/heute-im-kino 31 E: Filmkunsttheater Alle Filme, alle Kinos, alle Filmkritiken, alle Termine im Ruhrgebiet Neue Filme Style wird hier groß geschrieben: Johnny Depp als Paul Kemp Jeff sucht nach Zeichen — und findet sie sogar im Supermarkt Stylischer Säufer Lacher ohne Brechstange „Rum Diary“ von Bruce Robinson „Jeff, der noch zu Hause lebt“ von Jay und Mark Duplass Ein amerikanischer Journalist in Puerto Rico zwischen Alkoholsucht, Frauen und Korruption. C Hübsch inszenierte Literaturverfilmung Der Titel sagt bereits das Wichtigste. Daneben sucht der 30-jährige Jeff vor allem nach Zeichen, die sein Leben lenken könnten. Sein Bruder nimmt alles selber in die Hand, hat dadurch aber nicht weniger Probleme. C Sanftmütige Tragikomödie Der Journalist Paul Kemp landet in Puerto Rico bei einer englischsprachigen Zeitung. Zwischen durchzechten Nächten und Liebesabenteuern muss sich Kemp gegen korrupte Machenschaften und die Abwicklung der Zeitung durchschlagen. Dass Regisseur Robinson ebenfalls reiche Erfahrung als Alkoholiker vorzuweisen hat, müsste ihm zu Gute gekommen sein. Doch seine Verfilmung des erst in den 90er Jahren erschienenen Frühwerks von Hunter S. Thompson ist weniger dem Wahnsinn geweiht, als die ebenfalls mit Thompson-Freund Johnny Depp realisierte Adaption „Fear and Loathing in Las Vegas“, dafür aber sehr schön bebildert. Dem Film hätten mehr Schmutz und ein rauerer Tonfall gut getan, aber: Es ist ein ordentlicher Säufer-Film mit einigen tollen Szenen vor schöner Kulisse geworden. CHRISTIAN MEYER Die Brüder Duplass kommen aus der Mumblecore-Bewegung und haben teilimprovisierte Low-Budget Filme mit HD-Camera gemacht, bevor sie ihren letzten, bereits starbesetzen Film „Cyrus“ größer anlegen konnten. Nun haben sie mit den Comediens Jason Segel („How I met your mother“) und Ed Helms („Hangover“) sowie Susan Sarandon gedreht. Ein überdrehter Komödien-Brüller ist ihr Film trotz der Besetzung nicht, Realismus ist aber auch nur zum Teil die Grundlage. Zurückhaltend inszeniert, wie beispielsweise „Our Idiot Brother“, sucht er die Lacher nicht mit der Brechstange, sondern wird im Gegenteil zunehmend ernster und zeigt gleichermaßen Interesse und Verantwortung für seine Protagonisten. Am Ende entlässt der Film den Zuschauer vor allem mit Hoffnung. CHRISTIAN MEYER RUM DIARY USA 2011 - Abenteuer / Drama - Regie: Bruce Robinson - Kamera: Dariusz Wolski mit: Johnny Depp, Aaron Eckhart, Michael Rispoli - Verleih: Wild Bunch Start: 2.8. BO: Bofimax, UCI, Union, DO: Cinestar, E: Cinemaxx, Filmkunsttheater, GE: Apollo, HE: Filmwelt JEFF, DER NOCH ZU HAUSE LEBT USA 2012 - Komödie - Regie: Jay Duplass, Mark Duplass - Kamera: Jas Shelton - mit: Jason Segel, Ed Helms, Susan Sarandon - Verleih: Paramount Start: 9.8. BO: Metropolis/Casablanca, UCI, DO: Cinestar www Georg (Christian Ulmen) trinkt ein Schlückchen mit dem Papst (Nikolaus Paryla) Die Mannschaft tappt bei ihrer Suche im Dunkeln Die heilige Daisy Schöpfer „Wer’s glaubt, wird selig“ von Marcus H. Rosenmüller „Prometheus – Dunkle Zeichen“ von Ridley Scott Georg möchte die Touristen in sein schneefreies Heimatdorf locken. Warum nicht die verstorbene Schwiegermutter heilig sprechen lassen? C Slapstickhafte Religionssatire Ridley Scott führt uns zurück zum Ursprung und erzählt von Schöpfern, Menschen und Aliens. C Mitreißendes Weltraumabenteuer Marcus H. Rosenmüller („Wer früher stirbt, ist länger tot“) bleibt seinen Lieblingsmotiven treu: bayerische Lebensart, breiter Dialekt, die Bedeutung von Religion im Allgemeinen und Katholizismus im Besonderen, sowie surreale Elemente. Im Laufe der letzten sechs Jahre, in denen der Regisseur Filme fast schon am Fließband drehte, ist er immer publikumswirksamer geworden, worunter die feineren Nuancen mitunter etwas leiden. Auch diese Provinzposse setzt eher auf bodenständige Slapstickkalauer und Verwechslungskomik. Wer für diese Art Humor empfänglich ist, wird sicherlich auch hier wieder seinen Spaß haben, denn Rosenmüller hat zweifellos Talent für Timing sowie einen rasanten Inszenierungsstil. Und ihm steht ein sichtlich gut aufgelegtes Starensemble zur Seite. FRANK BRENNER Ridley Scott übertrifft sich auf seine alten Tage noch einmal selbst: Science Fiction in betörendem 3D, ein sinnlicher, aufregender, beängstigender Trip durchs All, ein Prequel, das den Regisseur zurück führt zu „Alien“, mit dem er 1979 Filmgeschichte schrieb. Das Prequel ist im Jahr 2089 und damit etwa 30 Jahre früher angelegt als das Original: Archäologin Shaw (Noomi Rapace) reist durchs All, um auf die Schöpfer der Menschheit zu stoßen – und auf die Brut, die eines Tages der Besatzung der Nostromo die Hölle heiß machen wird. Scott verleiht seiner Mär neben einer würdigen, zeitgemäßen Fortsetzung auch eine neue Dimension. Eine filmische Offenbarung, die zugleich nach einer weiteren Fortsetzung schreit. HARTMUT ERNST PROMETHEUS – DUNKLE ZEICHEN WER’S GLAUBT, WIRD SELIG D 2012 - Komödie - Regie: Marcus H. Rosenmüller - Kamera: Stefan Biebl - mit: Christian Ulmen, Marie Leuenberger, Nik. Paryla - Verleih: Constantin Start: 16.8. E: Filmkunsttheater, GE: Apollo, MÜL: Cinemotion USA 2012 - Science Fiction - Regie: Ridley Scott - Kamera: Dariusz Wolski - mit: Noomi Rapace, Michael Fassbender, Guy Pearce - Verleih: Fox Start: 9.8. BO: Bofimax, UCI, Union, E: Cinemaxx, Filmkunsttheater, GE: Apollo, Schauburg, HE: Filmwelt, MÜL: Cinemotion, OB: Lichtburg www.trailer-ruhr.de/heute-im-kino 32 Alle Filme, alle Kinos, alle Filmkritiken, alle Termine im Ruhrgebiet culture club Gangsterduo mit versehentlich geklautem Baby Wohin mit dem Kind? „Nachtlärm“ von Christoph Schaub Ein Baby liefert seinen Eltern schlaflose Nächte und wird unverhofft von einem Gaunerpärchen entführt. C Komödiantisches Roadmovie Regisseur Christoph Schaub und Drehbuchautor Martin Suter melden sich zurück: 2009 brachten die beiden Schweizer erfolgreich „Giulias Verschwinden“ in die Kinos, ein poetisches Drama, in dem Corinna Harfouch eine Frau spielt, die gerade fünfzig wird und sich nicht mehr von der Umwelt wahrgenommen fühlt. In „Nachtlärm“, dem gemeinsamen neuen Projekt, beschäftigen sich Schaub und Suter nicht mehr mit dem Älterwerden, sondern mit dem Schicksal eines Pärchens, das dem lautstarken Terror ihres Nachwuchses ausgesetzt ist – und dabei unorthodoxe Lösungen findet. Von groß zu klein, von der Unsichtbaren zum Unüberhörbaren - ein merklicher Wechsel. Der acht Monate alte Tim (Tiziano Jähde) bringt in diesem Film den Stein ins Rollen, als er mit seinen nächtlichen Schreitiraden erneut seine Eltern Livia (Alexandra Maria Lara) und Marco (Sebastian Blomberg) dazu zwingt, mitten in der Nacht aus der Wohnung zu fliehen und sich ins Auto zu setzen. Denn dort, im Auto, surrt der Motor – und das scheint das einzige Geräusch Di, 14.8. 20 Uhr zu sein, welches das Baby zur Ruhe bringt. 130 km/h sind seine Einschlafgeschwindigkeit. Vielleicht bieten sie ja damit Lebenshilfe für junge Eltern im Publikum, wie man den Nachwuchs besänftigt, wenn er des Nachts zum krakelenden Nervtöter mutiert. Autofahren klingt nachvollziehbar und abwegig zugleich und ist damit trefflich geeignet für ein Roadmovie. In dieser Nacht aber geht etwas schief: Ein Gauner (Georg Friedrich, „Import – Export“, „Sommer in Orange“) und seine Freundin (Carol Schuler) klauen kurzentschlossen den Wagen, übersehen dabei allerdings den kleinen Fahrgast. Ein Umstand, der in einer turbulenten Nacht endet. Ein Schreikind, zwei gestresste Eltern, zwei unfreiwillige Kindesentführer: Ein „Roadmovie, in bester alpenländisch-skurriler Tradition“, verspricht der Verleih, worauf auch immer er sich damit beziehen mag. Wie schon „Giulias Verschwinden“, in der Corianna Harfouch unter anderem Bruno Ganz begegnete, vereint Christoph Schaub auch hier wieder deutschsprachige Darstellergrößen verschiedener Nationalitäten. In diesem Fall ist es die jüngere Generation: Alexandra Maria Lara („Der Untergang“, „Vom Suchen und Finden der Liebe“, „Rubbeldiekatz“) gilt hierzulande inzwischen als Institution und darf auch gelegentlich im Ausland mitmischen („Control“). Sebastian Blomberg fiel erstmals in „Anatomie“ auf, um sich im Laufe der Zeit durch Filme wie „Alles auf Zucker!“, „Das letzte Schweigen“ oder „Wer wenn nicht wir“ auch für anspruchsvolles Mainstream-Kino zu qualifizieren. In „Nachtlärm“ finden die zwei Darsteller nun als Elternpaar zusammen. Und wenn harte Jungs, in diesem Fall der Österreicher Georg Friedrich, unverhofft zum Babysitter avancieren, birgt das gleichermaßen Lacher und Thrill. Derartige Begegnungen haben schließlich schon Arnold Schwarzenegger („Der Kindergarten-Cop“) oder Vin Diesel („Der Babynator“) salonfähig gemacht. Nur hatten die nicht auch noch die Eltern im Nacken. HARTMUT ERNST NACHTLÄRM Der Film konnte vor Redaktionsschluss nicht gesehen werden CH/D 2012 - Komödie - Regie: Christoph Schaub - Kamera: Nikolai von Graevenitz mit: Alexandra M. Lara, Seb. Blomberg, C. Schuler - Verleih: X-Verleih Start: 23.8. BO: Union, E: Filmkunsttheater www.trailer-ruhr.de/heute-im-kino 33 culture club Foto: Emmanuel Donny Foto: Emmanuel Donny präsentiert: Tanztheater präsentiert: Festival SHADOWLAND SEEGEFLÜSTER HAGEN 2012 Im April 2011 begeisterte die amerikanische Tanzkompanie „Pilobolus“, die 1971 als experimentierfreudige Tanzgruppe gestartet war, die deutschen Fernsehzuschauer mit einem unglaublichen Auftritt bei „Wetten, dass …?“. Das Ensemble besticht durch Weltklasse-Tänzer; „Pilobolus“ gilt mittlerweile nicht nur als Institution, sondern ist – auch dank „Shadowland“ – ein eigenes Genre geworden, das auf intensiven Improvisations- und Spielerlebnissen basiert. Sommertraugliche Livemusik bietet auch dieses Jahr das Seegeflüster-Festival in Hagen. Neben Madcon, Bosse oder Frida Gold treten u.a. auch die Jungs von Jupiter Jones auf. So steht die 8. Ausgabe des Festivals nicht nur für großes Entertainment, sondern auch für erstklassige Musik. Drei der Künstler sind aktuell für den Echo nominiert. Insgesamt lockt das Open Air-Fest an beiden Tagen rund 12 000 Besucher in das Event-Bad Hengstey. Konzerthaus Dortmund Brückstr 21 Karten an allen VVK-Stellen Familienbad Hengstey Seestraße 4, Hagen Karten an allen VVK-Stellen trailer verlost 3x2 Karten bis 10.8 E-Mail an [email protected], Kennwort: Shadowland Di, 14.8. 20 Uhr www trailer verlost 3x2 Karten bis 26.8. E-Mail an [email protected], Kennwort: Seegeflüster Fr, 31.8. /Sa, 1.9. 16 Uhr Neue Filme The Dark Knight Rises Die Stooges – Drei Vollpfosten drehen ab USA 2012 - Action/Krimi - Regie: Christopher Nolan - Verleih: Warner - Start: 26.7. USA 2012 - Komödie - Regie: Bobby und Peter Farrelly - Verleih: Fox - Start: 23.8. Regisseur Chr. Nolan etablierte sich spätestens mit „The Dark Knight“ als ingeniöser Blockbuster-Garant. Sein neues Batman-Abenteuer bildet den Abschluss der Trilogie. Gegen Christian Bale in der Rolle des Titelhelden tritt diesmal Tom Hardy als Schurke Bane an, der Gotham City den Garaus machen will. HE The Three Stooges beehrten das vornehmlich amerikanische Publikum seit den ausgehenden 1920er Jahren mit vergleichsweise grobschlächtigen SlapstickKurzfilmen. Ein Genre, das Hollywood bis hin zu den Brüdern Bobby und Peter Farrelly („Dumm und dümmer“, „Unzertrennlich“) beeinflusste. Da ist es nur konsequent, dass sich die beiden der Drei auf Spielfilmlänge annehmen. HE BO: Bofimax, UCI, Union, DO: Cinestar, E: Cinemaxx, Filmkunsttheater, GE: Apollo, Schauburg, HE: Filmwelt, MÜL: Cinemotion, OB: Lichtburg BO: UCI, MÜL: Cinemotion Red Lights Frisch gepresst E/USA 2012 - Thriller - Regie: Rodrigo Cortés - Verleih: Wild Bunch - Start: 9.8. D 2012 - Komödie / Lovestory - Regie: Christine Hartmann - Verleih: Disney - Start: 23.8. Dr. Margaret Matheson (Sigourney Weaver) kennt die Tricks der Mentalisten, Hellseher und Uri Gellers. Gemeinsam mit Tom Buckley (Cillian Murphy) entlarvt sie moderne Scharlatane. Nur Simon Silver (Robert De Niro) ist ihr noch nicht ins Netz gegangen. Als der nach 30 Jahren sein Comeback feiert, kommt es zum Duell. Mystery-Thriller. Spannend, zunehmend hanebüchen, netter Twist. HE Ein gutherziges Dusselchen (süß: Diana Amft), eine oberflächlich emanzipierte Freundin, ein naseweises Mädchen, zwei Männer (gut: Tom Wlaschiha, schlecht: Alexander Beyer), eine Schwangerschaft, das Ganze ergänzt durch KuschelrockClips – der Film lässt keine Romantic-Comedy-Standards aus, verzichtet allerdings auf Til Schweiger. Verlässliches Kuschelfilmchen mit Köln-Idylle. HE BO: UCI, DO: Cinestar, E: Cinemaxx, Filmkunsttheater BO: UCI, Union, DO: Cinestar, GE: Apollo, HE: Filmwelt, MÜL: Cinemotion, OB: Lichtburg Was passiert, wenn’s passiert ist Katy Perry: Part of me USA 2012 - Komödie - Regie: Kirk Jones - Verleih: Universal - Start: 16.8. USA 2012 - Musikfilm - Regie: Dan Cutforth, Jane Lipsitz - Verleih: Paramount - Start: 23.8. Fünf Elternpaare, fünf Episoden, eine Komödie. Jede Menge Stars (darunter Cameron Diaz, Elizabeth Banks und Jennifer Lopez) treten als frische oder angehende Eltern an, die sich dem Baby oder der Idee dahinter stellen müssen. Und das ist in unserer seltsam zivilisierten Gegenwart mitunter eigensinnig abenteuerlich. Adaption des Sachbuch-Bestsellers „Ein Baby kommt“. HE Nach Kirchenchor und ersten Erfolgen in der christlichen Musikszene öffnete sich Kate Perry äußerst erfolgreich dem Mainstream („I kissed a girl“). Dan Cutforth und Jane Lipsitz begleiten den Star in 3D auf Tournee. Ihr Film reiht sich damit ein in die zeitgenössischen Dokus über Justin Bieber & Co – mit dem Unterschied, dass Perry auf und hinter der Bühne mehr zu sagen hat. HE BO: UCI, Union, E: Cinemaxx, GE: Apollo, HE: Filmwelt, MÜL: Cinemotion BO: UCI, DO: Cinestar, E: Cinemaxx, MÜL: Cinemaxx Ted ParaNorman USA 2012 - Komödie - Regie: Seth MacFarlane - Verleih: Universal - Start: 2.8. USA 2012 - Trickfilm - Regie: Chris Butler, Sam Fell - Verleih: Universal - Start: 23.8. Die Kombination Männer & Stofftiere funktioniert ja ganz gut, seitdem Mel Gibson in „Der Biber“ Trost beim Plüschkumpel suchte. Teddybär Ted ist so etwas wie des Bibers Mr. Hyde: Ein zum Huren und Saufen mutierter, sprechender Mr. Pelz, der seinem Besitzer John (Mark Wahlberg) das Leben schwer macht. HE Dass Animationsfilme auch schaurig gruseln dürfen, demonstrierte Chris Butler bereits 2005 mit „Tim Burton’s Corpse Bride“. Gemeinsam mit Chris Butler erzählt er in diesem 3D-Stop-Motion-Abenteuer von Norman, der die paranormale Gabe besitzt, mit Toten zu kommunizieren. Als Zombies die Stadt heimsuchen, setzt Norman zum humanoid-morbiden Dialog an. HE BO: Bofimax, UCI, Union, DO: Cinestar, E: Cinemaxx, GE: Apollo, HE: Filmwelt, MÜL: Cinemotion, OB: Lichtburg www.trailer-ruhr.de/heute-im-kino www GE: Apollo, HE: Filmwelt, MÜL: Cinemotion 34 Alle Filme, alle Kinos, alle Filmkritiken, alle Termine im Ruhrgebiet PATRICK BRUEL VALÉRIE BENGUIGUI CHARLES BERLING UNTER MITWIRKUNG VON JUDITH GUILLAUME EL ZEIN DE TONQUÉDEC ,PUNYVLZ=VYIPSK,PUT`Z[LYPZLY;VKLZMHSS <UKLPURSLPULZ+VYMPUKLY7YV]PUa FRANÇOISE FABIAN ,PUL2YPTPRVTKPLH\Z-YHURYLPJO JEAN-PAUL ROUVE SOPHIE QUINTON JEDER HAT EINE MEINUNG … DOCH DIE SOLLTE MAN FÜR SICH BEHALTEN. EIN FILM VON MATTHIEU DELAPORTE & ALEXANDRE DE LA PATELLIÈRE DANS CERTAINES SALLES AB 2. AUGUST IM KINO Highlights in Dortmund 25. + 26. August 2012 221. – 29. September 2012 01. Oktober 2012 06. Oktober 2012 27. Oktober 2012 27. Oktober 2012 01. November 2012 02. November 2012 07. November 2012 0 – 11. November 2012 09. DORTMUNDER ANTIK- UND SAMMLERMARKT OKTOBERFEST HELENE FISCHER SYNDICATE SÖHNE MANNHEIMS GLAMOTION FREI.WILD KRAFTKLUB CHIPPENDALES TABALUGA www und die Zeichen der Zeit OLAF MALOLEPSKI 8. KINDERLACHEN-GALA IN EXTREMO APASSIONATA CINDERELLA Das märchenhafte Popmusical 14. Dezember 2012 18. Dezember 2012 20. Dezember 2012 SASCHA GRAMMEL BUDO-GALA SILBERMOND EIN FILM VON GÉRALD HUSTACHE-MATHIEU Änderungen vorbehalten 18. November 2012 24. November 2012 07. Dezember 2012 0 + 09. Dezember 2012 08. 09. Dezember 2012 TICKETING WESTFALENHALLEN Telefon 0231/1204-666 · www.westfalenhallen.de Kostenloser e-mail-Newsletter: www.newsletter.westfalenhallen.de Besuchen Sie uns auch auf facebook. AB 2.08. IM KINO filmfest münchen seattle international film festival französische filmwoche berlin london film festival ù(LQYHUJQşJOLFKHU)LOPGHUGDEHL ZXQGHUEDULURQLVFKLVWDEVROXWVHKHQVZHUWì NLQR]HLWGH Kino.Ruhr. Neue Filme Total Recall USA 2012 - Action / Science Fiction - Regie: Len Wiseman - Verleih: Sony - Start: 23.8. 1990 reiste bereits Arnold Schwarzenegger durch die Illusion und auf den Mars. Eine intelligente Identitätssuche durch Manipulations-Mechanismen, basierend auf dem Roman von Philip K. Dick („Blade Runner“). Jetzt ist es Colin Farrell, der unter der Regie von Len Wiseman („Stirb langsam 4.0“) Urlaub in der digitalen Phantasie sucht und dabei gefährliche Tatsachen aufdeckt. HE BO: Union, E: Filmkunstth., GE: Apollo, HE: Filmwelt, MÜL: Cinemotion, OB: Lichtburg Kinobetreiber Jörg Kluge im Walzenlager „Kino hat kein Verfallsdatum“ Kino im Walzenlager Jörg Kluge, der Theaterleiter des Kinos im Walzenlager, liebt Filme und macht ein Programm, für das er wenige Kompromisse eingeht. Mit einer Kinogruppe gestartet, ist er mittlerweile vom Zentrum Altenberg angestellt, um in Personalunion den Laden zu schmeißen. Bavaria – Traumreise durch Bayern D 2012 - Dokumentarfilm - Regie: Joseph Vilsmaier - Verleih: Concorde - Start: 26.7. Nach „Deutschland von oben“ und „Die Nordsee von oben“ müssen natürlich auch die Bayern ihren Beitrag liefern, der die bajuwarische Schönheit auf die Leinwand bannt. Mit Joseph Vilsmaier („Rama dama“, „Nanga Parbat“) liefert ein entsprechend heimatverbundener Regisseur märchenhafte und urige Einblicke ins Bayernland und seine Bewohner. Haindling, wer sonst, musiziert dazu. HE BO: Metropolis/Casablanca, DO: Cinestar, E: Cinemaxx Karen llora en un bus COL 2011 - Drama - Regie: Gabriel Rojas Vera - Verleih: Arsenal - Start: 26.7. Ángela Carrizosa Aparicio verkörpert in diesem kolumbianischen Drama Karen, eine Frau, die nach zehn Ehejahren ihren Mann verlässt und sich auf eine Reise begibt, an deren Ende sie sich Selbstfindung und Erfüllung herbeisehnt. Ihre Weggefährten auf dem Weg sind eine junge Friseurin und ein Schriftsteller. Philosophische Reise weg von der Abhängigkeit - hin zum Ich. HE DO: Cinestar trailer: Herr Kluge, seit wann arbeiten Sie für das Kino im Walzenlager? Jörg Kluge: 1999 wurde im Zentrum Altenberg gefragt, ob nicht irgendwelche Leute enthusiastisch genug wären, das Kino im Walzenlager wieder ehrenamtlich zu eröffnen. Dann gab es ein Jahr Diskussionen, wie das so ist in soziokulturellen Zentren. Im Jahr 2000 haben wir gestartet, und seitdem bin ich dabei, erst ehrenamtlich, dann selbstständig und jetzt angestellt. Das Programm ist sehr hochkarätig. Wir haben nur 45 Plätze, und deswegen ist das Kino nicht für Premieren geeignet. Die Filmverleiher wollen mehr Eintrittskarten am ersten Wochenende verkauft wissen. Jedes Mal, wenn ich frage, ob ich einen Film in der 3. Woche haben kann, sagen sie „Nein, wir warten ab.“ Und daraus haben wir irgendwann mal die Regel gemacht: Es ist uns egal, wir wollen hier gutes Programm, egal wie alt. Kino hat kein Verfallsdatum. Das ist ja eigentlich kein Programm zum Geldverdienen. Das ist eher ein Kino zum Lieben. Was ist Ihre Motivation? Als ich 2000 hierhin kam, um das Kino wiederzueröffnen, gab es kein anständiges Programmkino in Oberhausen. Jetzt gibt es hier jede Woche vier bis fünf Programmkinofilme zu sehen. Ich finde aber auch, wenn man nicht allein vom Publikum, sondern auch von Subventionen lebt, sollte man eine Art kulturellen Standard hoch halten. Unterhaltung kann jeder, Kultur darbieten nicht. Ich glaube, solche kleinen Oasen braucht man. www Was interessiert Sie an den Filmen? Film ist die Kunst, viele Kunstarten, Musik, Bildgestaltung und Schauspiel, zusammenzubringen. Wenn ein Film das gut verspricht, ist er hier auf jeden Fall interessant. Ich bin groß geworden im Programmkino mit „Blade Runner“. Für viele Männer zwischen 40 und 50 war „Blade Runner“ der Film, der sie ins Programmkino geholt hat, dann ging es weiter über Kaurismäki, Tarantino und viele andere, die Anfang der 90er aktiv waren. Dann will man aber auch noch tiefer eindringen. Kino ist so vielfältig, und das ist das Schöne daran. Es ist ja auch schwer zu sagen, was ein Arthousefilm ist. Diese Frage ist ganz schrecklich. Die ist ja auch eigentlich überflüssig, oder? Zwischen Mainstream und hoher Kunst liegt irgendwo was dazwischen, was faszinierend ist, und ich glaube, das ist es. Roman Polanski – A Film Memoir GB 2012 - Dokumentarfilm - Regie: Laurent Bouzereau - Verleih: Eclipse - Start: 23.8. „Ekel“, „Rosemaries Baby“ – Roman Polanski lehrte dem Kino inspiriert das Gruseln, ohne sich im Genre-Trash zu verlaufen. Stilsicher wanderte er durch die Genres, ob Komödie („Tanz der Vampire“) oder Film Noir („China Town“). Bis heute tragen seine Werke eine eigene Handschrift. Der Film erzählt vom Werk und vom kontroversen Leben eines ebenso gefeierten wie verfluchten Filmemachers. HE Schlägt sich die linke politische Ausrichtung des Zentrum Altenberg bei den Kinobesuchern nieder? Eher im Programm, glaube ich. Manche sagen, hier laufen nur Schlechte-Laune-Filme (lacht) …, was nicht stimmt! Wenn man zwei Filme mit verprügelten Frauen und gequälten Kindern im Programm hatte, hat man den Ruf ganz schnell weg. Glücklicherweise interessieren sich dafür auch Leute INTERVIEW/FOTO: BETTY SCHIEL E: Filmkunsttheater Lesen Sie die Langfassung unter www.trailer-ruhr.de/kino-ruhr 36 Kompakt Disk Popkultur in NRW Sehnsüchtiger Echonebel Dass Köln eine Hochburg der elektronischen Musik ist, ist weltweit bekannt. Mit der Rockmusik steht es nicht so gut. Die wohl einzige Band von Weltruhm ist Can. Dementsprechend bekannt ist das Werk, und echte Fans haben fast alle ihre Alben (außer vielleicht „Out of Reach“ und „Can“). Doch es gibt noch mehr Material. Als ihr altes Tonstudio in Weilerswist ins Museum kam, wurden Bänder mit 50 Stunden Material gefunden, von denen jetzt 30 Stücke auf drei CDs veröffentlicht werden. Klar hört man da zum Teil bekannte Motive, lange Improvisationen, Liveaufnahmen, Versions und Exzerpts – und das macht alles viel Spaß. Aber unter den Stücken sind auch etliche Perlen, die selbst auf den Studioalben herausgestochen hätten (Mute). Die Berliner Neo-Krautrocker Camera spielen gerne mal nachts auf der Straße oder in der U-Bahn und mogeln sich mit ihrem Set auch mal in öffentliche Veranstaltungen. Offizielle Weihen haben sie durch ihr Zusammenspiel mit Michael Rother und Dieter Moebius erhalten. Für ihr erstes Album „Radiate!“ mussten sie damit klarkommen, dass alle widrigen Umstände fehlten. Dafür klingen ihre ausladenden Improvisationen noch ansprechend rau, sie nutzen aber auch die Gelegenheit, um ruhigere Passagen auszukosten (bureau b). Sie sind beste Freunde, und sie haben beide neue Platten draußen: „A Collection of Rarities and previously unreleased Material“ ist die erste Retrospektive vom irren John Maus. Sie durchstreift wieder die übelsten Regionen der 80er Jahre und lässt einen all das lieben, was man einst gehasst hat. Wie er das macht? Die fiesesten Sounds taucht er in die besten Farben, Synthie-Chart-Pop wird bei ihm zu einem sehnsüchtigen Echonebel vertaner Chancen, und die Texte dazu sind abgründig. Abgründig kann sein Buddy Ariel Pink auch, nur klingt es bei ihm nicht nach neonpinker Nacht in Miami, sondern nach gesättigten 70ern. Auch hier gilt: alles wunderbar wattig und fantasievoll, aber Vorsicht: Auch auf „Mature Themes“ kann hinter jedem Wohlklang ein kleines Unbehagen auftauchen (4 AD). „Cut the World“ ist eine Sammlung von Stücken, die Anthony and the Johnsons im letzten Jahr in Kopenhagen live mit dem nationalen dänischen Kammerorchester eingespielt haben. Die Stücke stammen von allen vier Studioalben, die Streicherarrangements betonen den dramatischen Aspekt der Musik von Anthony Haggerty. Das Titelstück ist ein Teaser zu seiner kommenden Zusammenarbeit mit Robert Wilson und Marina Abramovic (Rough Trade). Wenn Gabor Schablitzki alias Robag Wruhme, ehemals eine Hälfte des Duos Wighnomy Brothers, eine Mix-CD macht, dann hat das nicht viel mit einem herkömmlichen DJ-Mix zu tun. Das gilt auch für „Olgamikks“, die erste CD zum Nachtdigital-Festival im Spreewald. Zum einen verwendet er nur Remixe, die er selber von Stücken von Dntel, Modeselektor, Gui Boratto, Extrawelt, Audiovision, Claude VonStroke, Romboy u.a. gemacht hat. Zum anderen verstreut er über den gesamten Mix seine Soundpartikel, arbeitet sie in den komplexen Funk ein und lässt einen unvergleichlichen Fluss entstehen, in dem sich auch noch drei neue Stücke verstecken (Pampa). Die in Rumänien geborene, in Toronto aufgewachsene und in Berlin lebende Simina Grigoriu hat Paul Kalkbrenner auf seiner letzten Tour supportet. Da konnte sie schon zeigen, wie sie eine Party rockt. Auf ihrem Album „Exit City“ unterstreicht sie, dass sie nicht als Freundin von Kalkbrenner gefördert wird, sondern weil ihr minimal melodisch aufgeladener Techno warm und mächtig den Raum füllt (Susumu). CHRISTIAN MEYER Passt schon! Musikkritiker lieben den Vorwurf des „Retro“ (Shoreline Is) Warum nicht alles Retro ist Von Christian Werthschulte Unter Musikkritikern ist gerade eine sehr spezielle Haltung der – wie man früher einmal sagte – letzte Schrei. Zusammengefasst geht sie ungefähr so: „Alles schon mal dagewesen, Retromanie allerorten.“ Und so richtig diese Einschätzung auch ist, so wenig stimmt sie dennoch. Denn die Sammelnund-Sortieren-Perspektive der Kritiker kann nur wenig mit dem zu tun haben, was dem Musikernachwuchs im Proberaum durch die Finger geht. Eisbaer aus Essen sind dafür ein gutes Beispiel. Sie spielen einen schnörkellosen Bass, mit dem sie ihre zielsicher zirkulierenden Post-Punk-Gitarren grundieren. So weit, so frühe 80er. Aber wenn Sänger André Hörmeyer seine zwischen Introspektion und Anklage „Die 1980er sind die immer pendelnden Texte rauskramt, ist es vorneue Blaupause für die immer bei mit der Retro-Gemütlichkeit. „Nach gleichen Sehnsüchte“ der Arbeit ist vor der Arbeit“ singt er, und dass dies einmal stimmen würde, hätte vor 30 Jahren kaum jemand gedacht. Für junge Musiker sind die 1980er eine Blaupause für die immer neue Formulierung der immer gleichen Jugendsehnsüchte. Aber das entwertet die Sehnsüchte nicht, sondern ist eher klassische Bildung. Man arbeitet sich halt am Kanon ab. Das Kölner Trio Xul Zolar schickt seine verhallten Gitarren ins Niemandsland zwischen den New Romantics der 4AD-Schule und den zaghaften Rockversuchen der C86-Generation. So entsteht die Kunst der unterkühlten Gitarrenmanipulation, die dennoch niemals kaltherzig ist. Ihre Dortmunder Shoegaze-Kollegen Shoreline Is, mit denen sie sich auch schon eine Bühne geteilt haben, rollen die 1980er dagegen vom Ende des Jahrzehnts auf. Damals verbanden sich die Shoegaze-Gitarren langsam mit der aufkommenden Sample-Technologie, und auf den zwölf Stücken ihres Debütalbums „Deal Kindly“ wird dieser Periode detailverliebt Hommage gezeugt. Shoreline Is pendeln zwischen der Gitarrenwand mit ausgewachsenem Effektspektrum und dem spärlichen Einsatz von Drummaschine und Sequencer und sind bei aller Soundbastelei dennoch in erster Linie Songwriter. Auf „I‘d Hear the Clouds Move“ umschmeicheln kurz vor der Schrammelei stehende Hallgitarren den butterweichen Gesang und flüstern ihm leise „Hit“ ins Ohr. Das Kölner Synthiepop-Trio Tourist hat dagegen ein wenig gebraucht, um sich mit der Songform zurechtzufinden. Begonnen haben sie als Elektro-Pop-Act mit Club-Background. Über gradlinigen Sequenzen lag die Stimme von Sängerin Inky Timez – der perfekte Soundtrack für die Night out. Mittlerweile haben Synthesizer, Drumcomputer und Gesangsspuren besser zueinandergefunden, die Tracks haben sich zu Songs entwickelt, kleine Hooks umschmeicheln die Melodien, und das bleibt nicht ohne Wirkung. Auf dem Eröffnungsabend der c/o pop haben sie im voll besetzten Millowitsch-Theater den Hauptact locker an die Wand gespielt, was nicht zuletzt der unprätentiösen Bühnenpräsenz von Sängerin Inky Timez zu verdanken ist, die wie kaum jemand zweites auf der Kölner Pop-Leistungsschau eine seltene Eigenschaft an den Tag legte: Sie hat sich herzlich über ihren Applaus gefreut. Und das wäre in den 80ern nun wohl wirklich Christian Werthschulte das Letzte gewesen. Oder was immer man damals geJournalist und Musikkritiker sagt haben mag. www Eisbaer: www.eisbaerband.de I Xul Zolar: soundcloud.com/xul-zolar Shoreline Is: shorelineis.bandcamp.com Tourist: soundcloud.com/touristontour 37 Literatur-Portrait Stefan Sprangs Werk „Fred Kemper und die Magie des Jazz“ Vom Heldentod über den Jazz zum Liebestaumel Der Essener Autor Stefan Sprang beleuchtet die Liebe im 21. Jahrhundert „Boy meets Girl“ – auf diese Grundkonstellation lassen sich alle (gemischtgeschlechtlichen) Liebesgeschichten reduzieren. Als Titel für eine Geschichtensammlung erscheint diese Formel sehr unspektakulär – und auch der Untertitel „Die Liebe der hiesigen Menschen im 21. Jahrhundert“ deutet eher auf eine wissenschaftliche Abhandlung. Zehn ineinander verzahnte, jedoch vom Sound her sehr unterschiedliche Geschichten erzählen revueartig von den melancholischen und tragikomischen Nuancen der Paarfindung. Und der 1967 in Essen geborene Stefan Sprang weiß genau, wo er in einer Buchhandlung seinen Erzählband unterbringen würde: „Im Titel steht ja das mächtige Wort ‚Liebe’. Und deshalb würde ich das Buch auf einen Tisch legen, wo es um Liebe und Beziehungen geht, auch wenn meine Storys keine rosaroten Lovestorys sind.“ Kohlenstaub im Blut Stefan Sprangs schriftstellerischer Werdegang beginnt 1985, als der damalige Gymnasiast gemeinsam mit Freunden die „Initiative junger Autor(inn) en Essen“ ins Leben ruft, die mit den „Essener Literaturflugblättern“ und vielen Lesungsprojekten für einige Jahre das literarische Leben in Essen und darüber hinaus mit prägt. In den 1990er Jahren drängt das eigene literarische Schreiben für Sprang etwas in den Hintergrund, er arbeitet überwiegend als freier Kulturjournalist, Hörfunkautor und -redakteur. Nach mehreren Jahren als freier Mitarbeiter hat er beim Hessischen Rundfunk eine Heimat als freier Hörfunkredakteur und Autor für verschiedene Redaktionen gefunden. Daher wundert es nicht, dass Sprang seinen Wohnort mit Frankfurt und Essen angibt. Der Bezug zu Essen bleibt dem Autor aber sehr wichtig: „Für mich ist und bleibt, wenn ich den so schwierigen und immer wieder viel diskutierten Begriff nutzen darf, Essen meine Heimat. Ich habe da auch eine geradezu klischeehafte Biographie und sozusagen noch Kohlenstaub im Blut. Der eine Opa hat bei Thyssen malocht, der andere war unter anderem auch Bergmann. Zwei meiner Onkels haben bei Krupp gearbeitet, dann aber schon als Angestellte. Meine Eltern haben sich in den Büros des RWE kennengelernt. Aber wie das so ist heutzutage: Mein Geld als Journalist muss ich, kann ich, darf ich auswärts in Frankfurt verdienen. In Essen oder immerhin Köln war kein Unterkommen. Aber es ist immer eine Beziehung ohne große Leidenschaft geblieben, sozusagen eine Geschäftsbe- ziehung – sieht man von den Freunden ab, die ich dort habe. Als freier Mitarbeiter versuche ich, so oft wie möglich und jeweils so lange wie möglich in Essen zu sein, wo ich noch eine kleine Wohnung im Südviertel habe.“ Die Jazz-Session zwischen Buchdeckeln Im Jahr 2005 nimmt Stefan Sprang wieder sein literarisches Schreiben auf. Sein Hörspiel „helden: tot“ wird für den Deutschen Hörspielpreis 2008 nominiert. 2011 folgt dann nach all den Veröffentlichungen von Lyrik und Kurzprosa der erste Roman, „Fred Kemper und die Magie des Jazz“, eine Liebeserklärung an eben diese Musik. „Der ‚Fred’ war ein Herzensprojekt, das seit Ewigkeiten schwelte. Dank eines Musiklehrers, der selber Jazzer war, habe ich in der Mittelstufe diese Musik entdeckt.“ „Besonders inspiriert haben mich dann noch dazu die legendären Jazz-Sessions im ‚Bahnhof Süd’ vor über zwanzig Jahren. Da kam Helge Schneider noch vorbei und spielte alle verfügbaren Instrumente. Ich habe die alle beneidet. Kurze Absprache, und alle konnten einfach zusammen spielen. Die Musiker brauchten keine Worte, um mühsam Emotionen beim Publikum zu schüren. Das ging direkt und ohne Umweg übers Hirn in den Körper und die Seele. War schon bewegend. Das ‚Süd’ rappelvoll. Im Winter gibt es die Session jetzt wieder, aber es kommt nicht mehr viel Publikum. Und das neigt stark zu grauen Haaren. Immerhin: Es gibt tollen Nachwuchs auf der Bühne. Empfohlen worden ist mir auch die Session im Essener ‚Lichtburg’-Kino. Und eine Adresse ist und bleibt das ‚domicil’ in Dortmund. Aber mein Eindruck: Man muss etwas mehr suchen. Jazz hat leider nicht mehr den ganz hohen Rang wie früher.“ www Das Revier von oben Die Literaturszene des Ruhrgebiets hingegen nimmt Sprang nicht so stark wahr: „Dank Internet und Social Media habe ich Kontakt zu Autorinnen und Autoren in Berlin, in München, in Norddeutschland. Nur im Pott habe ich seltsamerweise keine Kontakte mehr. Dabei gibt es hier ja viele Autorinnen und Autoren. Literarisch tot ist das Ruhrgebiet sicher nicht. Vielleicht fehlt der zentrale Treffpunkt, fehlt ein Literaturhaus, wo man einfach mal hingeht, ein Pils trinkt und andere Schreiberinnen und Schreiber treffen kann. Ich will jetzt auch kein allzu großes Medien-Bashing betreiben, schließlich bin ich selber einer von denen. Aber es ist schon interessant: Neulich hat eine bekannte 38 Regionalzeitung mal wieder den von mir überaus geschätzten großartigen Ralf Rothmann im Interview präsentiert anlässlich einer Lesung. Es war rührend, wie hier immer noch der Versuch gemacht wurde, Rothmann als Ruhrgebiets-Autor zu vereinnahmen, obwohl er seit Jahrzehnten nicht mehr im Pott lebt und kaum noch zu Besuch kommt. Als wäre da seitdem niemand gefolgt, den man nach vorne stellen kann.“ Im Sog der Heimat Ob Stefan Sprang nun derjenige ist, der Rothmann seinen Status als Vorzeige-Revier-Autor streitig machen kann, sei zunächst dahingestellt. Er lässt jedenfalls durchblicken, dass das Ruhrgebiet sein Leben und Schreiben weiterhin stark beeinflussen wird: „Im Ruhrgebiet bin ich aufgewachsen. Viele Dinge sind dort zum ersten Mal geschehen. Und das sind die Dinge, die sich tief ins Gedächtnis einschreiben. Wenn ich in Essen bin, versuche ich, viel unterwegs zu sein. Ich frische damit auch meine Erinnerungen auf. Und das ist die Basis fürs Schreiben. Wenn ich schreibe, muss ich Plätze, Straßen, Häuserzeilen vor mir sehen, muss ein Gespür für die Atmosphäre haben. ‚Fred Kemper und die Magie des Jazz’ hat Essen als Schauplatz. Ich wollte es offener und sinnbildlicher halten. Außerdem konnte ich mir dann so auch ein paar geografische Freiheiten erlauben. Heißt: Nirgendwo anders hätte ich meine Geschichte spielen lassen können. Im Storyband spielt der Pott keine so große Rolle. Kenner werden Szenerien aber zuordnen können. Im Moment schreibe ich am zweiten Roman. ‚Henrys Sommer’ spielt in Essen. Im Süd- und Moltkeviertel. Der Baldeneysee und die Ruhr werden eine wichtige Bedeutung haben. Ich sehe das einfach als ganz normale Bühne für die Figuren und will das auch nicht aufladen mit besonderer RuhrpottNostalgie/-Sentimentalität. Eine Zeche wird dieses Mal – wahrscheinlich – auch nicht vorkommen. Was sicher auch einfließt in die Figuren ist eine gewisse Mentalität und eine Sicht auf die Welt, die es so nur, oder sagen wir, vor allem im Ruhrgebiet gibt.“ FRANK SCHORNECK Stefan Sprang: Boy meets Girl: oder Die Liebe der hiesigen Menschen im 21. Jahrhundert. Kulturmaschinen, 161 Seiten Lesen Sie die Langfasssung unter www.trailer-ruhr.de/literatur Poetry 30.08.2012 Sommerfest Lesung und Gespräch mit dem Autor F. Goosen Frank Goosens neuer Roman zelebriert ein Heimatwochenende voller skurriler Figuren – mit Fußball und Musik, mit großen Entscheidungen und viel Gefühl. Ein rasanter Roadtrip durch den »Pott« von heute; ein urkomischer Roman voller Wehmut und Tiefgang. Cool und sentimental, derb-witzig und warmherzig. Frank Goosen ist ein Meister der Zwischentöne und versteht es wie kein anderer, auf unbeschwerte Weise die großen Lebensthemen zu verhandeln. Eintritt: 15,00 € - 19.30 Uhr 12.09.2012 „Wenn wir Tiere wären“ Lesung und Gespräch mit dem Autor W. Genazino Alles ist da, Beruf, Wohnung, Einkommen, Urlaub, Frau. Aber schon eins davon wäre manchmal weitaus genug, und das wundervolle Alles ist mehr, als einer erträgt. Aber wie befreit man sich vom Privatleben, wenn man nicht mal die Arbeit loswird? Wilhelm Genazino erzählt von einer Gegenwart, die jeden tagtäglich überfordert, und er erzählt von einem Mann, der dem Druck nur widerstehen kann, indem er das ordentliche Regelwerk durchbricht. Wilhelm Genazino ist auf der Höhe seiner Kunst. Eintritt: 9,00 € - 19.30 Uhr 14.09.2012 „Wir in Kahlenbeck“ Lesung und Gespräch mit dem Autor Christoph Peters aus seinem neuen Roman Ein tiefgründig aber auch aberwitziger und komischer Pubertäts- und Internatsroman über Religion und Spiritualität, über Freundschaft und Rivalität, über das Fegefeuer der Pubertät und die Fallgruben der Liebe. Wie Christoph Peters diese Themen und Motive miteinander verknüpft, das ist höchste erzählerische Kunst. Eintritt: 9,00 € - 19.30 Uhr Nicht hängen lassen! Pilze für die Leiste Sebastian23 zählt an: Dreiundzwanzig Viele fragen sich, warum ich meine Kolumne immer mit der Frage anfange, warum ich immer eine Mütze trage. Dabei ist der Grund doch eigentlich ganz leicht zu erraten. Es gibt so viele Sachen, die wesentlich schwieriger zu erraten sind. Privat frage ich mich z. B. gerne, was wohl zuerst fertig wird: die Hamburger Elbphilharmonie, der Berliner Flughafen oder Bodenfrost in Satans Sommerresidenz? Mich interessiert auch die Frage, ob man eigentlich alles in Komparativ und Superlativ steigern kann? Geht das auch mit Worten wie „ob“? Ist dann die Steigerung „Ob, Ober, Obst“? Und was ist mit „Für, Führer, Fürst“? Und dann frage ich mich, warum da ein „H“ im „Fürer“ ist? Obst das wohl ein besonders geschmackloser Witz ist? Braucht man eigentlich zwischen jedem Absatz einen Zusammenhang oder reicht meiner Albernheit mentaler Zuckerguss? Japan liegt im Pazifik und steht im Atlas Und dann las ich neulich einen Zeitungsbericht aus Japan. Jemand hatte dort einen seltenen Pilz im Wald entdeckt und die lokalen Medien alarmiert. Die haben das Fundstück dann groß fotografiert und gefilmt und berichtet. Am Ende stellte sich jedoch raus, dass es sich nicht um einen Pilz handelte, sondern um ein Sexspielzeug. Seitdem frage ich mich, wer schließlich dahinter gekommen ist, und wie er diese Erkenntnis den anwesenden Pilzsuchern und Journalisten mitgeteilt hat. Wie fängt man das an? „Viele fragen sich, warum ich immer eine Mütze trage. Aber bevor ich das beantworte, liebe Freunde, muss ich euch da was über diesen Pilz sagen …“? Warum solche Sachen überhaupt in der Zeitung stehen, frage ich mich. Obst das wohl aus dem Sommerloch geschlüpft ist? Aus eben jenem kam wohl auch der Artikel darüber, dass Bushido zum Idiotentest musste. Da frage ich mich wiederum, was da wohl als nächstes kommt? Muss der Papst zum Katholikentest oder Facebook zum Zeitverschwendungstest? www Das Sommerloch ist eine bodenlose Frechheit Das sind so Sachen, die ich mich frage! Wer sind Hempels und warum räumen die nicht unter ihrem Sofa auf? Warum wird der Hund in Pfanne verrückt? Was zum Teufel macht ein lebender Hund in einer Pfanne? Hat der Koch einen an der Pfanne? Kommt der aus Pfanne-Eickel oder aus der Pfann Factory? Und was machen drei Chinesen mit einem Kontrabass? Warten sie darauf, dass das Essen fertig wird? Wollen sie wissen, ob der Ober ihnen Obst bringt oder auf den Hund gekommen ist? Und ihr? Fragt ihr euch nicht auch manchmal Sachen? Z. B. obst es einen Grund gibt fürst all die Albernheiten in dieser 23. Kolumne? Oder ob Bushido manchmal Pilze sucht? Oder obst dieser Wahnsinn denn kein Ende hat? Da zumindest kann ich euch beruhigen. FOTO/TEXT: SEBASTIAN23 Sebastian23 – Die Video-Kolumne: Auf youtube und auf www.trailer-ruhr.de/literatur-nrw 39 27.09.2012 125 Jahre Sherlock Holmes Die Abenteuer des Sherlock Holmes Szenische Lesung voll prickelnder Spannung und bestem Humor. Mit den Schauspielern Roland Kalweit (Dr. Watson) und Danny Richter (Sherlock Holmes) Eintritt: 10,00 € - 19.30 Uhr Kartenvorverkauf Medienforum des Bistums Essen Zwölfling 14 / 45127 Essen Tel.: 0201 / 2204-274 Fax: 0201 / 2204-272 [email protected] Wortwahl ComicKultur Lesewetter Psychedelische Alpträume Wenn diese Zeilen das Licht der Welt erblicken, sprich: aus der Druckerpresse rattern, mag das Wetter – so Zeus will – womöglich doch noch ein sommerlicheres sein. Aber ehrlich gesagt: Zum Zeitpunkt des Redaktionsschlusses, zwei Wochen zuvor, ist davon nichts, rein gar nichts zu spüren. Den Wetterdienst hat die Bild schon mal für überflüssig erklärt. Den alten Bauernregeln kann man auch nicht mehr vertrauen. Und was der unzähligste Alligator oder Kaiman bei diesen Temperaturen in einem Regensburger (nomen est omen!) Tümpel will, ist ebenfalls nicht mehr mit dem gesunden Menschenverstand zu erklären. Vermutlich hat er angesichts des depressiven Klimas den Glauben an die Jahreszeiten verloren und sich kurzerhand höchstselbst im Sommerloch versenkt. Zu verdenken wär‘s ihm kaum. Andererseits: Hätte er Boris Johnsons köstliche Politthrillerfarce „72 Jungfrauen“ (Haffmanns & Tollkemit, 411s, € 19,95) zur Hand gehabt, wäre ihm die Idee zu diesem lemminghaften Abgang vermutlich erst mal erspart geblieben. Nur so strotzend vor britisch-bissig-bösem Humor und voll des kongenial adaptierten Insiderwissens lässt der in diesem Jahr ‚in echt‘ wiedergewählte Bürgermeister Londons vier Möchtegern-Terroristen in einem gestohlenen Krankenwagen durch die englische Hauptstadt kurven, während der verantwortliche Politiker angesichts der Schutzsperren mit seinem Rad nicht mal mehr zum Gipi unterstreicht mit der autobiografischen Geschichte „S.“ seine Meisterschaft auf allen Ebenen: Die Zeichnungen mit Aquarell-Kolorierung sind schön und stimmungsvoll. Und die Geschichte erzählt er ebenso spannend wie gefühlvoll. Es geht um traumatische Kriegserlebnisse seiner Eltern, wie sie deren Liebe zerstören und sich bis in die nächste Generation – zu Gipi – fortpflanzen. Der Generationskonflikt lässt sich hier darauf runterbrechen: Die einen erleben Krieg, die anderen spielen ihn auf dem Computer – und keiner versteht den anderen (Reprodukt). Auch Paul Hornschemeier ist ein Meister seines Faches, der aber stilistisch kaum weiter von Gipi entfernt sein könnt. Er steht mit seinen klaren, flächigen Farbzeichnungen in der Tradition von Daniel Clowes oder auch Chris Ware. Bereits in seinem letzten Werk „Die drei Paradoxien“ hat er mit Bildzitaten gespielt. Dort waren es Comics, in „Mein Leben mit Mr. Dangerous“ ist es die Lieblingsserie der nerdigen Protagonistin, die sich darüber im Klaren werden muss, für wen und für was ihr Herz schlägt. Nicht nur die Zeichnungen sind wieder einmal toll, auch Hornschemeiers Spiel mit den Mitteln des Mediums ist virtuos. Und bei all dem vergisst er nie das Wichtigste: dem Leser die Gefühle der Protagonisten nahezubringen (Carlsen). Parlament durchkommt. Kultig-komisch, dem Wetter den Krieg erklärend. / Geradezu melancholisch wird man hingegen bei Jean-Claude Izzos „MarseilleTrilogie“ (Unionsverlag, 669s, € 14,95). Die drei Bände des Klassikers der „Total Cheops“, „Chourmo“ und „Solea“ beschwören nicht nur als letzte Ode das mediterrane, multikulturelle Lebensgefühl dieser Hafenstadt, die sich langsam aber sicher zwischen Unterwelt und Großkapital aufreibt, sondern stellen den erodierenden gesellschaftlichen Prozessen in Gestalt des untersetzten Polizisten Fabio Montale einen energischen Verfechter des Genusses und der Menschenliebe entgegen. Unfair ist nur, dass sich derartige Maximen bei Sonnenschein einfach besser leben lassen. / Vielleicht sollte man es dann doch lieber handhaben wie das Alter Ego von HF Coltello, seines Zeichens Gitarrist der Band „Mutter“, dem deutschen Schweinewetter den Mittelfinger zeigen und sich mit Klampfe, Dosenbier sowie ner abgehalfterten Band in nem abgehalfterten Tourbus aufmachen, um „Einige Abenteuer und seltsame Begegnungen (im Leben des Stillen Kommandeurs)“ (Salis, 450s, € 12,99) zu erleben, statt gänzlich in der verregneten geistigen Einöde zu versauern. Punx not dead, das ist keine Frage des Klimas, höchstens des sozialen. / Allerdings ist auch das Revoluzzertum kein Zuckerschlecken, wie „Die Briefe: Ruhm tötet Alles“ (Rogner & Bernhard, 500s, € 22,95) von Jack Kerouac und Allen Ginsberg beweisen. Dabei geht es weniger um den Widerspruch zwischen Erfolg und Unabhängigkeit als vielmehr um den persönlichen Kampf mit sich selbst und seiner sozialen Umwelt, der dem beschworenen Beat nicht selten zuwiderläuft. Zwischen grenzenloser Selbstüberschätzung und gnadenloser Selbstzerfleischung gehören hier Blitz und Donner einfach zum Lebensstil, genauso wie die unfassbar schönen Momente des ersten Sonnenscheins nach dem reinigenden Gewitter. / Wirklich anarchisch (und damit wetterunabhängig) wird‘s allerdings erst, wenn man sich mitsamt Panz und den „Bären vom Hügelwald“ (Gerstenberg, 256s, € 14,95) unter die kuschelige Decke verkriecht. Mag das Buch offiziell empfohlen ab 8 bis 10 Jahren auch als Freundschaftsgeschichte durchgehen; der Übermut, mit dem Henri van Daele den staatlichen Überbau als für das Individuum groteskes Sozialkonstrukt implodieren lässt, zwingt einen förmlich – ob mit oder ohne Kind –, all seine Sichtweisen mal wieder einer gründlichen Revision zu unterziehen. Und mit ein bisschen Glück herrscht danach tatsächlich auch wieder der Sommer. Arne Jysch legt mit „Wave and Smile“ einen Comic zum AfghanistanKonflikt vor. Er behandelt das Thema zwar ‚embedded‘, also aus der Perspektive der Armee, aber es ist keine der zurzeit so beliebten Comicreportagen. Die Story um einen Bundeswehrsoldaten, der bei einem Einsatz einen Mann als Gefangenen der Taliban verliert und ihn daraufhin auf eigene Faust sucht, ist fiktiv und neigt zur Action. Doch andererseits ist Jysch mit zahlreichen Wendungen bemüht, möglichst viele Seiten des Konflikts aufzuzeigen. Für ein Debüt ist ihm das überraschend elegant gelungen (Carlsen). „Metro“ von Magdy El-Shafee ist in Ägypten verboten. Nicht nur moralisch für die Region kaum haltbar, auch die Abrechnung mit der Korruption im Land spricht eine deutliche Sprache. Künstlerisch ist das vielleicht das Problem des Comics, der nur wenig subtil ist, sondern recht grob alle dem Autor wichtigen Themen einbaut. Auch der wilde Zeichenstil ändert sich scheinbar willkürlich. Aber einerseits kann man nur froh sein, dass ein solches künstlerisches Dokument überhaupt erscheint. Andererseits ist der atemlose, wilde und zuweilen wirre Stil vielleicht auch das adäquate Mittel, die atemlosen, wilden und wirren Ereignisse in Nordafrika abzubilden (Edition Moderne). www Alan Moore und Kevin O‘Neill versetzen nach „1910“ ihre „Liga der außergewöhnlichen Gentlemen“ nun ins Jahr „1969“. O‘Neill kann sich da farbenprächtig austoben, während Moore die Aufmerksamkeit des Lesers wieder mächtig fordert. Psychedelische Alpträume und Schwarze Messen sorgen nicht gerade für klare Verhältnisse, als unsere inzwischen unsterblichen Helden gegen einen tödlichen Magier antreten. Turbulent und mal wieder bis zum Bersten aufgeladen mit literarischen, philosophischen und popkulturellen Anspielungen (Panini). Nach „Faust“ nimmt sich Flix „Don Quijote“ vor und verlegt den Stoff ins Hier und Jetzt. Don Quijote ist ein Querulant vor dem Herrn – eine nörgelnde Plage, die in ihrem spleenigen Enkel einen Verbündeten sieht für ihre wahnhaften Feldzüge zwischen Altersheim, Berlin-Mitte und dem Umland. Flix macht daraus ein surreales Spektakel allererster Güte (Carlsen). LARS ALBAT CHRISTIAN MEYER 40 Textwelten „Kindheiten“, Foto: Diogenes Verlag Sonne und Finsternis Kindheiten als Spiegel des Lebens Als Natalia Ginzburg 1946 in Rom eine Arbeit sucht, fällt einer Freundin auf, dass sie ganz schlechte, alte Schuhe trägt. Ihre Kinder hatte die italienische Schriftstellerin auf dem Lande in Betreuung gegeben, ihr Mann war von den deutschen Besatzern im Gefängnis ermordet worden. Die Schuhe waren das Letzte, an das sie einen Gedanken verschwendete. Aber sie erinnerte sich, als Professorentochter in Turin immer die besten Schuhe getragen zu haben. Wer als Kind in guten Schuhen durch die Welt gegangen ist, dem sind die Schuhe später nicht mehr wichtig, schloss sie daraus. Die Erfahrungen der Kindheit schreiben sich in unsere Erinnerung besonders tief ein. Die Literatur schöpft aus dem, was wir er-innern, es ist das, womit wir nie so ganz fertig werden und das wir deshalb nicht vergessen können. Segen und Fluch einer jeden Lebensgeschichte mag das sein. Der Literatur hat diese Tatsache ungezählte Schätze beschert. Natalia Ginzburgs „Familienlexikon“ ist so ein unvergessliches Kompendium der Kindheit. Oder Vladimir Nabokovs „Sprich, Erinnerung, sprich“, das von seinem Leben als Sohn einer märchenhaft reichen Adelsfamilie erzählt. Alles hatte Nabokov mit der Revolution in Russland verloren, und doch hat er diesem Vermögen keine Sekunde nachgeweint, denn in dieser Kindheit wurde auch seine Faszination für die Schmetterlinge, die Sprache und die Literatur entzündet, ein Feuer, das nie mehr in ihm erlosch. Es gibt aber auch die nachtschwarzen Kindheiten. Jean-Jacques Sempé, dessen Zeichnungen zum Synonym für Glück und Lebensfreude wurden, durchlitt ein Martyrium gleich zu Beginn seines Daseins. Dem Journalisten Marc Lecarpentier erzählt er in seiner Autobiographie, dass ihm manchmal, wenn er sah, dass die Mutter eines Freundes ihrem Jungen einen Kuss gab, selbst die Tränen kam, weil es bei Sempé zu Hause nur Ohrfeigen gab. Er erinnert sich, dass seine Mutter so feste zuschlug, „dass mein Kopf gegen die Wand knallte, und das ergab dann zwei Ohrfeigen“. Heute lacht er über solche Szenen, aber vergessen hat er sie nicht. So enthält der wunderbar elegant gestaltete Band, der jetzt unter dem Titel „Kindheiten“ bei Diogenes erschienen ist, auf der einen Seite Sempés Berichte über eine gnadenlose Mutter und die infernalische Streiterei, die seine Eltern zum Gespött der Nachbarschaft machten. Auf der gegenüberliegenden Seite prangen hingegen seine durchsonnten Zeichnungen. Sind Kindheiten für Erwachsene nur Projektionsflächen ihrer Sehnsüchte? Paulus Hochgatterer, deutschsprachiger Krimiautor und im Hauptberuf Kinderpsychiater, kennt die Realität des Kindseins. Er weiß, dass Kinder auch geschützt werden müssen, nicht zuletzt vor den romantischen oder leistungsgeilen Vorstellungen der Erwachsenen. In seiner klugen, eigenwillig ironischen Sprache präsentiert er in „Katzen, Körper, Krieg der Knöpfe“ eine Sammlung von Essays über das Frech- und das Bravsein der Kinder, über die Erotik, die in Kinderbuchklassikern versteckt ist, und vor allem über den Blick auf diese Welt aus der Perspektive der Kinder. Ein Blick, den wir selbst nie so ganz verlieren. Deshalb besteht noch Hoffnung, das Kind, das wir einmal waren, neu kennenzulernen. THOMAS LINDEN N. Ginzburg. Familienlexikon. Deutsch von A. Vollenweider. Wagenbach. 10,90 Euro V. Nabokov: Erinnerung, sprich. Deutsch von D. E. Zimmer. Rowohlt. 10 Euro Sempé: Kindheiten. Deutsch von Patrick Süßkind. Diogenes Verlag. 39,90 Euro Paulus Hochgatterer: Katzen, Körper, Krieg der Knöpfe. Deuticke. 18,90 Euro 41 www RuhrKunst Ian McKeever, Hartgrove, Ausstellungsansicht Museum Quadrat Bottrop, © I. McKeever, Foto: Werner J. Hannappel Heiner Schmitz, Stationen einer Reise, Frisör in Lykien, 1992, s/w-Fotografie, © H. Schmitz, courtesy Kunstmuseum Mülheim Bewegung und Schatten Menschen und Gärten Ian McKeever im Museum Quadrat Bottrop Zwei Fotografen im Kunstmuseum Mülheim Ein Anliegen des Museum Quadrat ist die Vermittlung des Werkes von Josef Albers, der, aus Bottrop stammend, als Bauhauskünstler in Amerika weltberühmt war. Seine Farbfeld-Malerei lotet, ausgehend vom Quadrat, die Beeinflussung der Farbtöne aus. Dem entsprechend stellen nun die Wechselausstellungen vor allem reduzierte ungegenständliche Positionen vor, die mit Licht und der Nuancierung von Farben handeln. Ian McKeever, der derzeit im Museum ausstellt, hat diesen Verweis auf Albers aber ganz und gar nicht nötig. Seine so eigenständige Malerei ist ein Erlebnis, obzwar der 1946 geborene Engländer meist nur eine Farbe, oft Schwarz, Weiß und Grau, verwendet und diese als freien Gestus und Fließen in autonomen Setzungen vor Augen führt: als Prozess und Resultat gleichzeitig. Das Museum Quadrat zeigt – begleitet von kleineren s/w-Fotografien – großformatige Malereien aus den letzten zehn Jahren. Was als kreiselnde Bewegung oder gegenläufiges Übereinander auftritt, ist lässig souveräne Malerei, die im Detail feine Sensationen bereithält. Da ist schon die unterschiedliche Wirkung von Öl- und Acrylfarben, die übereinander aufgetragen sind. Ian McKeever entwickelt daraus ein atmosphärisches Geflecht, durchdrungen von Licht aus der Bildtiefe. Seine Malerei handelt unmittelbar vom Sehen als erkenntnistheoretischem Vorgang – und urplötzlich stellen sich Assoziationen ein, etwa an Phänomene der Natur, wenn mitten im Dickicht das Sonnenlicht durchkommt oder sich die Gischt zwischen Felsen Bahn bricht. Aber das ist ebenso eine subjektive Vorstellung wie die Affinität eines Bildes mit kreisenden schwarzen Strichen zur Plastik von Bernard Venet, die durch die Fensterscheibe draußen im Park zu sehen ist. Dies gehört zu den eindrucksvollsten Momenten einer beglückenden Ausstellung. Und dann ärgert man sich doch. Der Katalog, der für das Publikum, das teils weit reist, zur Vertiefung bestimmt ist, lag auch Wochen nach der Eröffnung nicht vor. In Bottrop ist das mittlerweile eine ungute Tendenz. Wie schade und wie achtlos gegenüber den Besuchern! Es ist eine sinnvolle Klammer, die sich um die Landschafts-Fotografien von Etta Gerdes im Archivraum legt. Das Erdgeschoss und die beiden Räume unterm Dach werden von Heiner Schmitz bespielt. Heiner Schmitz wurde 1940 in Oberhausen geboren, er hat Fotografie an der Essener Folkwangschule studiert und war dann selbst Professor an der FH Dortmund. Er lebt in Mülheim und auf Reisen, wo er viele seiner Themen findet; zumeist nimmt er Portraits auf. Gegenstand des Projektes von Etta Gerdes wiederum sind die Landschaftsgärten von Cornelia Hahn Oberlander, die 1921 in Mülheim geboren wurde, in Berlin aufgewachsen und mit ihrer Familie 1938 ins Exil geflüchtet ist und 1953 in Vancouver ein Büro für Landschaftsarchitektur gegründet hat, mit dem sie in Kanada bekannt wurde. In Etta Gerdes‘ Fotografie ist jedes ihrer Projekte eine eigene Attraktion. Der fotografische Blick wechselt aus der Ferne in die Nähe. Gerdes‘ Sache ist vor allem das Naturdetail: Sie betont mehr den Kern der gestalterischen Maßnahmen von Hahn Oberlander als das Ganze. Es geht ihr um die Erfahrung des Landschaftlichen, nicht das kartographische Erfassen. Das ist poetisch, behutsam und vertiefend. Ein bisschen mehr versteht man diese Fotos noch, wenn man weiß, dass Etta Gerdes Schülerin von Heiner Schmitz ist. So verbindet Beide das sensible Oszillieren zwischen Annäherung und Abstand. Heiner Schmitz ist in dieser Hinsicht ein meisterlicher Fotograf. Er arbeitet in Serien und kehrt immer wieder zu seinen Sujets zurück. Vor allem portraitiert er Ausländer in Deutschland oder andernorts sowie das Leben in China. Für jede Werkgruppe hat Schmitz eine eige ne Darstellungsform gefunden. Bei einzelnen Serien sind die Menschen ganz in ihr Geschehen eingebunden; bei anderen nehmen sie inmitten ihres Tuns den Kontakt mit dem Fotografen auf, und in neueren Serien befindet sich der Portraitierte dominant im Bild ... Hier die zurückhaltende Etta Gerdes mit Naturstücken; dort Heiner Schmitz mit seinen so präsenten Menschen – ein anregender Dialog, leider nur noch wenige Tage. THOMAS HIRSCH „Ian McKeever – Hartgrove“ I bis 2. September Josef Albers Museum. Quadrat Bottrop www.quadrat-bottrop.de www THOMAS HIRSCH „Heiner Schmitz – Menschenbilder“/„Etta Gerdes – Landschaftsarchitektur von Cornelia Hahn Oberlander“ I bis 5.8. I Kunstmuseum Mülheim I www.kunstmuseum-mh.de 42 Katembom Survivre, Foto, 2009, Foto: MKK Bunt gebanntes Chaos Kongolesische Kunst in Dortmund Menschen hängen außen an einem Linienbus. Wer in Kongos Hauptstadt kein Geld hat, muss eben so sein Fahrtziel erreichen. Dies ist ein beliebtes Sujet der populären Künstler, die mit ihren grellbunten Bildern die Geschichten der Stadt erzählen und es damit auch in international hochkarätige Ausstellungen geschafft haben. Rund neun Millionen Einwohner zählt die Hauptstadt der Demokratischen Republik Kongo Kinshasa. Gegründet 1881 als belgischer Handelsposten, war sie auch als Léopoldville bekannt. Heute muss die afrikanische Metropole nicht nur mit der traurigen Hinterlassenschaft des belgischen Kolonialregimes, sondern auch mit den Auswirkungen der jahrzehntelangen Diktatur des Mobutu Sese Seko leben. In diesem Sommer sind junge Künstler aus der kongolesischen Megastadt in Dortmund, mit Bildern, aber auch Installationen, Plastiken, Fotos, Videos und Filmen. Die Ausstellung „Le surréel Congo“ im Museum für Kunst und Kulturgeschichte/MKK ist eine Präsentation zeitgenössischer kongolesischer Kunst. Darunter auch Werke der sogenannten „Artistes populaires“, das sind Straßenkünstler mit ihren bunten Bildern im Stil der Schilder- und Werbemalerei. Wie dem Kurator Aimé Mpane, selbst ein wichtiger Künstler der Gegenwart, ist es den meisten Beteiligten im MKK gelungen, mit ihren Arbeiten auf mehreren Kontinenten vertreten zu sein. Für Mpane lassen sich die europäischen und afrikanischen Lebensvorstellungen nicht vergleichen. So sehr die kulturellen Äußerungen kongolesischer Völker durch eine projektionsbeladene Rezeption historisch ihren Beitrag zur Entwicklung der modernen Kunst in Europa geleistet haben, so fremd sind den Europäern trotzdem die afrikanischen Lebensverhältnisse geblieben. Mit der Ausstellung „Le surréel Congo“ will der Kurator auch eine Vermittlung dieses Defizits erreichen, mehr noch darauf hinweisen, dass sich das riskante Leben für viele im Kongo eher durch die Karikatur, die Verfremdung bewerkstelligen lässt als durch konventionelle Alltagsorganisation. PETER ORTMANN „Le surréel Congo“ I bis 3.9. I Museum für Kunst und Kulturgeschichte Dortmund 0231 5 02 55 22 RuhrKunst Anselm Kiefer, Deutschlands Geisteshelden, 1973, Kohle und Ölfarbe auf Sackleinen über Leinwand, 306 x 680 cm, The Broad Art Foundation, Santa Monica, Foto: © Anselm Kiefer, courtesy Museum Küppersmühle Helden der Gegenwartskunst Die Duisburger Küppersmühle zeigt Papierarbeiten von Beuys und Kiefer Anselm Kiefers monumentales Bild „Deutschlands Geisteshelden“ (1973), auf das man in der Küppersmühle frontal zuläuft, ist ein Schlüsselwerk dieser Ausstellung. Trotz seiner graphischen Wirkung mehr Malerei als Zeichnung, zeigt es eine riesige Dachkammer, die perspektivisch in die Tiefe fluchtet. Die brennenden Fackeln an den Seiten sind die einzige Farbigkeit im Bild. Das Gebälk schließt den Raum atmosphärisch dicht und hermetisch zusammen, als konserviere er ein Geheimnis für die Ewigkeit. Oben, über den Dachbalken ist von Hand der Titel geschrieben, unten, auf den Bohlen stehen klein die Namen von „Geisteshelden“ des 19. Jahrhunderts wie Hölderlin, Böcklin, Stifter. Dazwischen als einziger Künstler der Gegenwart: Joseph Beuys. – Für Kiefer ist Beuys der bedeutendste Künstler des 20. Jahrhundert; zu ihm ist er 1971 aus dem Odenwald nach Düsseldorf gefahren und fühlte sich von ihm bestätigt. Beuys wurde für Kiefer (der zuvor an der Karlsruher Akademie studiert hatte) zum Lehrer und Mentor, ohne dass sich die beiden oft sehen mussten … Umso mehr überrascht es, dass die zwei Künstler, die mit ihren Ausstellungen in Amerika wesentlich zur internationalen Etablierung der deutschen Kunst beigetragen haben, noch nie in einer dialogischen Ausstellung präsentiert wurden. In der Küppersmühle wird dies nun anhand von Arbeiten auf Papier nachgeholt. Für die Rezeption des Werkes von Anselm Kiefer sind Zeitpunkt und Ort ideal. Kiefer stellt derzeit umfassend in der Bundeskunsthalle in Bonn aus – mit Werken aus der Sammlung Grothe und kuratiert von Walter Smerling – und im Museum Küppersmühle in Duisburg befinden sich im zweiten Obergeschoss permanent die vier kapitalen, wandfüllenden Materialbilder der Reihe „Sternenlager“ (1998). Anselm Kiefer erweist sich hier als Künstler der großen Geste und des Pathos, der mit viel Aufwand monumentale Werke schafft, die von der deutschen Geschichte und deren Mythologie handeln. Die Malerei ist in dicken Schichten aufgetragen, aber sie ist auch außerordentlich feinteilig. Auf etlichen dieser Bilder sitzen noch Schlacke, Pflanzen, Holz oder Stücke aus Blei. Zumal vor dieser Erfahrung – und mit den riesigen, schweren Installationen und den viele Meter langen Bildern, die es in Bonn zu sehen gibt, im Kopf – konzentriert sich nun die Ausstellung im Erdgeschoss der Küppersmühle auf die im Format moderaten Papierarbeiten von Anselm Kiefer, die freilich immer noch präsenter als die Blätter von Joseph Beuys auftreten. „Eine Konfrontation, die keine Konfrontation ist“, sagten Walter Smerling und Götz Adriani als Kuratoren bei der Pressekonferenz, an der Anselm Kiefer selbst nicht teilnahm. Immerhin soviel: Die Ausstellung, die er mit arrangiert hat, verstehe Kiefer als Ehrung für Joseph Beuys. Unterschiede und Gemeinsamkeiten Eingeleitet mit Künstlerbüchern, die sich oft aus Fotografien zusammensetzen, 43 konzentriert die Ausstellung einzelne Werkblöcke im steten Wechsel der Künstler. Für Beuys ist die Zeichnung auf Papier ein wesentliches Medium. Im Zentrum von Kiefers Schaffen steht von Anfang an das Künstlerbuch, als Prozess der Veränderung im Umblättern und des „buchhalterisch“ Archivarischen – dies führt dann zu seinen Plastiken aufeinander getürmter Bleibücher. Das Blatt Papier selbst ist bei Kiefer ganz mit Malerei besetzt. Schon um 1970 legt er auch bei den Papierarbeiten eine sogartige landschaftliche Weite an. Die deutsche Geschichte mit der christlich-jüdischen Kultur ist bereits Thema. In dieser Zeit entstehen auch die fotografischen „Heroischen Sinnbilder“, bei denen er an historisch aufgeladenen Orten den Hitlergruß aufführt und dadurch den Umgang mit unserer Vergangenheit und dem Holocaust thematisiert. Beuys ist in der bildnerischen Umsetzung ganz das Gegenteil. Seine Maßnahmen auf dem Blatt sind zart, oft mit Bleistift in prozesshafter Vervollkommnung begriffen. Das Papier wird zum Informationsträger, es ist billig, angeschnitten, und die Figur ist in es hinein gesetzt, Farbigkeit findet sich kaum. Trotzdem sind die Darstellungen autark und elaboriert. Die Kunst von Joseph Beuys (1921-1986), der 1961 auf den Lehrstuhl für Bildhauerei an der Kunstakademie Düsseldorf berufen wurde, basiert auf der anthroposophischen Lehre; er hat diese mit seiner Biographie und den Riten von Naturvölkern verwoben und in alchimistisch anmutenden Prozessen plastisch umgesetzt. Diese individuelle Mythologie hat Beuys mit einem außerordentlichen politischen Engagement verbunden. Von all dem aber unterscheidet sich Anselm Kiefer (geb. 1945) entschieden. Kiefer, der mit seinem Atelier 1993 in das südfranzösische Barjac übergesiedelt ist und seit 2007 in Paris lebt, vertritt die radikale Position des Künstlers, der zur Gesellschaft auf Distanz bleibt und an seiner Vision arbeitet. Er bildet das solitäre Zentrum eines Netzes aus Mythen unterschiedlicher Völker und Kulturen. Aber Kiefer geht es wie Beuys immer ums Ganze, um die Existenz des Menschen in der Welt und seine Einrichtung in der Schöpfung. Im übertragenen Sinne teilt das auch das Bild „Deutschlands Geisteshelden“ mit: Sowohl Kiefer als auch Beuys begeben sich in ihrer Kunst auf eine Spurensuche jenseits ausgetretener Pfade; beide definieren den Umgang mit Geschichte neu und arbeiten dazu mit der Verletzlichkeit der Oberfläche. Sie entwickeln hoch komplexe mythisch und mystisch aufgeladene Philosophien und werden damit zu kompromisslosen Forschern, denen man mitunter nur schwer folgen kann. Wie gut, dass es diese Ausstellung gibt. www THOMAS HIRSCH „Joseph Beuys und Anselm Kiefer. Zeichnungen – Gouachen – Bücher“ bis 30. September I Museum Küppersmühle, Duisburg „Anselm Kiefer – Am Anfang“ I bis 16. September I Bundeskunsthalle Bonn Sammlung Gut für Schachversager: Die Spielschachtel ist leer, „Optimistic Box No. 3” von Robert Filliou © M&P Ortmann, Bochum „Fluxus hat nicht nur die historische Dimension“ Eine Ausstellung im Dortmunder U über grundlegende Ideen des Fluxus, die auch die Kunst unserer Gegenwart prägen Vor 31 Jahren ratterte der Fluxus-Zug von Wolf ließ. Der Sammler vermachte uns immer wieder – Vostell durchs Ruhrgebiet. Machte mit dem so auch kürzlich – bedeutende Werke als SchenMeister Station an unbedeutenden Orten des kungen. Dazu kommen die Dauerleihgaben aus Reviers und brachte den Menschen die Kunst ins dem Nachlass des 2009 verstorbenen Sammlers Haus, viele hielten den Pionier des Fluxus und Hermann Braun. Happening damals für einen Spinner mit Havanna-Zigarre. Seit 1989 steht auf dem Mittel- Ist die Ausstellung auch eine historische Rückstreifen des Hohenzollernrings in der Ford-Stadt schau auf linke Kunst der 1970er Jahre? Die Ausstellung stellt die verKöln seine Auto-Betonskulptur schiedenen Facetten von Fluxus „Ruhender Verkehr“ von 1969. „Wir versuchen, die Besucher Vostell vergoss aber interessan- durch Handlungsanweisungen zu vor. Es war eine Bewegung, die terweise einen Opel Kapitän. Teilnehmern an der Kunst in der Kunst und Alltag miteinander verbinden wollte. Die Kunst von Das Museum Ostwall zeigt nun Ausstellung zu machen“ Fluxus zeichnet sich dadurch aus, mit der Ausstellung „Fluxus – Kunst für Alle!“ seinen Bestand an Werken, Ob- dass sie verschiedene Materialien und Medien verjekten und Dokumenten aus der Zeit der Fluxus- bindet und auch unterschiedlichste Strategien hat: Bewegung der 1960er und 1970er Jahre. trailer Dazu gehört das Subversive, das Ironische, das Husprach mit dem Museumschef und Kurator der moristische, das vom Zen-Buddhismus Beeinflusste, das Spielerische, das Modellhafte, das Musikalische, Ausstellung Kurt Wettengl. aber eben auch das Gesellschaftskritische. Insofern trailer: Herr Wettengl, warum darf man in einem kann man Ihre Frage nicht mit dieser Ausschließlichkeit beantworten. Wenn Sie aber mit links eine Museum umgraben? Kurt Wettengl: Sie spielen auf die Kunstinstallati- gesellschaftskritische Haltung meinen, dann gilt on „Umgraben“ von Wolf Vostell in unserer Fluxus- das sehr wohl auch für diese Ausstellung. Ausstellung an. Der erdachte diese wichtige Aktion, in der die Besucher mit Spaten in einem ursprüng- Die Objekte waren eigentlich funktionslose lich realen und nun im Museum nachgebauten Ware und die Kunst des Fluxus wollte nie bürTorfbeet graben und dabei elektronische Klänge gerlicher Fetisch sein. Wie verträgt sich das mit erzeugen. Vostell war einer der wichtigen Fluxus- einer Museumsausstellung? Künstler in Deutschland. Der aus Litauen stammen- Die Ausstellung zeigt insgesamt etwa 300 Expode US-amerikanische Grafiker und Künstler George nate. Aber, das ist richtig, Fluxus lebte – wie die Maciunas organisierte ab 1962 Fluxus-Ereignisse Kunst und die Aktionen der hierfür wichtigen Daund erfand die Bezeichnung Fluxus. Darunter ver- daisten der 1920er Jahre – sehr von der Aktion der stand er insbesondere den Akt des Fließens. Wir Künstler und der Handlung auch des Publikums. erinnern mit der Ausstellung an die Anfänge vor 50 Aber das reizt uns gerade an dieser Ausstellung. Jahren in Wiesbaden, Düsseldorf und Wuppertal, an Natürlich wollen wir auch den Aktions- und Hapdie Fluxus-Bewegung der 1960er und 1970er Jahre peningcharakter von Fluxus zeigen. Und wir versuchen, die Besucher immer wieder zu Teilnehmern und deren heutige Aktualität. an der Kunst in der Ausstellung zu machen, durch Bestreiten Sie die Ausstellung ausschließlich aus Handlungsanweisungen beispielsweise. Wir werden Fotografien, Texte oder auch Flugblätter auf Folien eigenen Beständen? Wir zeigen Bestände des Museums Ostwall, die sich reproduzieren, das Publikum kann diese dann selbst aus zwei Quellen speisen. Die wichtigste ist die von mittels Overheadprojektoren an die Wand projizie1968 bis heute bestehende Verbundenheit mit dem ren, und sich das Thema assoziativ oder durch seine Remscheider Sammler Wolfgang Feelisch. Wir ha- besonderen Interessen geleitet erschließen. ben mit Mitteln der Freunde des Museums und der Stadt Dortmund im vergangenen Jahr – wie früher Fluxus ist tot – wie aktuell ist Fluxus in der schon einmal – bedeutende Kunstwerke, Doku- Kunst heute? mente, Fotografien und Relikte der Fluxus-Kunst- Fluxus ist sehr aktuell in der Kunst. Es ist ja schon aktionen aus seiner Sammlung erwerben können. problematisch, von „der“ Fluxusbewegung zu spreHinzu kommen wichtige Dauerleihgaben Feelischs, chen, denn es war ja ein mal engeres, mal loseres die er heute wie früher dem Museum Ostwall über- Netzwerk von Künstlerinnen und Künstlern, die ins- www 44 besondere in den USA, West- und Osteuropa künstlerisch gemeinsam oder einzeln agierten. Wichtig für diese inzwischen historische Phase des Fluxus war die Idee der Verbindung von Alltag und Kunst, das Intermediale sowie die Offenheit des Kunstwerks, der Prozess, das Modellhafte, das Performative unter Beteiligung des Publikums. Das alles sind Momente, die heute von Künstlern, die auch in gesellschaftlichen Zusammenhängen denken, immer wieder als wichtig erachtet werden. Insofern hat Fluxus eben nicht nur die historische Dimension, sondern auch eine ganz aktuelle, und das macht es so spannend. Ist Beuys immer noch das Highlight? Für bestimmte Künstler schaffen wir in der Ausstellung „Fluxus – Kunst für Alle!“ eigene Räume: für George Brecht, Robert Filliou, Milan Knížák, Dick Higgins, Allan Kaprow, Alison Knowles und Wolf Vostell. Die Arbeiten von Joseph Beuys sind – wie manch andere Arbeiten des Fluxus – parallel dazu weiterhin in den Räumen des Museums zu sehen, so dass die Sammlungspräsentation des Museum Ostwall auf den Ebenen 4 und 5 im Dortmunder U und unsere Sonderausstellung auf der Ebene 6 verbunden sind. Beuys ist dabei ein zentraler Punkt. Und die Verbindung von Fluxus und Ruhrgebiet ist ja auch nicht ungewöhnlich? Überhaupt nicht. Man denke gerade daran, wie wichtig die Galerie von Inge Becker in Bochum gewesen ist, die ja mit Allan Kaprow und Wolf Vostell in den 1970er Jahren eng zusammengearbeitet hat. Auch Remscheid mit seinem VICE-Versand war nicht weit vom Ruhrgebiet entfernt. Ein weiteres wichtiges Zentrum war 1962 für die Fluxuskonzerte Düsseldorf und in den Folgejahren auch die Galerie Parnass in Wuppertal. INTERVIEW: PETER ORTMANN ZUR PERSON Prof. Dr. Kurt Wettengl, geboren 1954 in Dieburg/Hessen. Studium der Kunst/ Visuellen Kommunikation, Geschichte sowie Erziehungswissenschaften und der Kunstgeschichte in Marburg, Osnabrück und Kassel. Wissenschaftlicher Mitarbeiter am Museum für Kunst- und Kulturgeschichte in Dortmund (1988-90); danach stellvertretender Kustos und zuletzt Kommissarischer Direktor am Historischen Museum in Frankfurt am Main. Seit Januar 2005 Direktor des Museums am Ostwall. Foto: Ostwall Museum, Dortmund Kunstwandel Kunst in NRW Kunstsommer-Gäste: Die „Old Blind Dogs“ am 12.8. Mitten im Sauerland Bridget Riley, Red with Red 1, 2007, Öl/Lw, 169 x 251 cm (Ausschnitt), © B. Riley Zwei Charaktere in ihrem Fach Ausstellungen mit Thomas Schütte und Bridget Riley Zehn Tage lang Kunstsommer in Arnsberg Kunst ist Kommunikation. Dazu gehören in Arnsberg alljährlich zehn Tage lang Open-Air-Aktionen, Lichtspiele, Konzerte. Die Stadt wird dafür zwischen Klosterbezirk und Glockenturm, zwischen Neumarkt und Sauerland-Theater zur Bühne mit ungewohnten Klängen und außergewöhnlichen Einblicken. Alljährlich in der letzten Woche der Sommerferien wird der Sitz des gleichnamigen Regierungsbezirks mit dem „Kunstsommer“ zum kreativen Zentrum Westfalens. In mehr als 40 Workshops unterrichten unter dem Motto „Bei den Besten lernen“ auch weltweit bekannte Dozenten. Der Kunstsommer 2012 steht unter dem Motto: Kommunikation. Im Vordergrund soll das gemeinsame Erleben und Schaffen von Kunst stehen. Das ist auch eine historisch bedeutsame Entwicklung, gehörte doch der Umgang mit den schönen Künsten nie zum Erlebnishorizont der einfachen Bürger. Inzwischen existiert der Gegensatz zwischen Kunst und Gesellschaft in seiner alten Form nicht mehr. Die Kunst ist zu einem eigenständigen sozialen System geworden, anerkannt ist sie in Zeiten knapper Kassen deshalb noch lange nicht. Dennoch kann man im Arnsberger Kunstverein zumindest ihre Ursprünge und ihre Wirkungsweisen erkennen. Von Anbeginn an, siehe die einschlägige Höhlenmalerei weltweit, hat sich die Geschichte der Kunst aus dem Abstraktionsvermögen Einzelner entwickelt. Die Ausstellung „Public Abstraction, Private Construction IV und V“ untersucht im Kunstverein das gedankliche Verfahren von Abstraktion am Beispiel von Projekten in öffentlich erfahrbaren Situationen. Von Marco Bruzzone & Patrick Tuttofuoco über Santiago Sierra bis zum Altmeister der Aktionskunst Timm Ulrichs reicht die Palette der 15 Künstler, die sich dort mit der Situation des öffentlichen Raums auseinandersetzen. Die Kuratoren und Künstler sind dabei nicht so sehr an formalistischen Entwicklungen oder an Abstraktion als bildnerischem Ergebnis interessiert, sondern vielmehr an dem Weg und Entstehungsprozess des Kunstwerks. Die Wahrnehmung der Arbeiten findet also nicht in der Galerie, sondern eher in den Köpfen der Künstler statt, mit all ihren Ideen und Turbulenzen. Ganz anders geht es da schon im Märchenwald zu. Schließlich ist 2012 auch das Jahr der Gebrüder Grimm. Auch Märchen erzählen ist Kommunikation im Sinne des Mottos. Tatort ist das Wiesenstück zwischen dem RWE-Gebäude und dem Wohnhaus Förster am Verbindungsweg zwischen dem Ruhrradweg und dem Europaplatz an der Johanneskapelle. Hier soll dann die StabART-Installation stehen, bei der auch Zwerge und andere Waldbewohner zu Zuhörern gemacht werden. Unter dem Laubdach der dort stehenden Rotbuche sind dann zwei Meter hohe Stabreihen entlang der vorgegebenen Rasenkante aufgestellt. Dazwischen werden aus Stäben, Stahl und Drahtgeflecht konstruierte „Bäume“ platziert. Ein ziemlicher Kontrast zum geheimnisvollen „Guerilla Knitting“, über das es noch keine offiziellen Informationen gibt, genauso wenig wie über die kommunikativen Drahtbügel, dem Mitmachprojekt im diesjährigen Kunstsommer. PETER ORTMANN Kunstsommer Arnsberg I 10. bis 19.8. Infos: 02931 893 11 20 Von Thomas Hirsch Vielleicht hängt es mit der Popularität von Kunst im Jahr der documenta zusammen, dass derzeit so viele Ausstellungen auf höchstem Level stattfinden. Leverkusen stellt Rosemarie Trockel im Dialog mit Paloma Varga Weisz aus, das Kunstmuseum Bonn zeigt Lewis Baltz, Köln Claes Oldenburg und die Küppersmühle Duisburg und die Bundeskunsthalle Bonn Anselm Kiefer und die Langen Foundation in Neuss Sofia Hultén. Und im Ständehaus der Kunstsammlung NRW in Düsseldorf ist eine Ausstellung mit Thomas Schütte (geb. 1954) zu sehen, der vor einigen Jahren mit dem Goldenen Löwen der Biennale Venedig ausgezeichnet wurde. Gezeigt wird seine Arbeit „Watt„Wesen und Basis unserer wanderung“ aus dem Jahr 2001, bestehend Existenz“ aus 138 Radierungen. Thomas Schütte hat einzelne Dinge, Gesichter, Natur knapp notiert und teils um Worte ergänzt. Gerade dieses Lapidare zwischen Alltag und spürbarer Umkreisung erweist sich als Sensorium und Trauerarbeit zu den so schrecklichen Ereignissen von 2001. Und indem die Radierungen an Spannleinen aufgehängt sind, wird die Bewegung dazwischen zu einem Impuls der Bildfolge. Der Betrachter bahnt sich einen Weg, er wechselt seinen Kurs, blickt zurück und schaut auf die weißen Rückseiten. Im Ständehaus hat Schütte zwischen den Räumen mit den Radierungen überdies zwei seiner überlebensgroßen „Krieger“ aus Holz platziert, die das Thema von privatem Frieden und öffentlicher Katastrophe als Skulptur vertiefen. Thomas Schütte, dieser wirklich bedeutende, dabei so zurückhaltende und lakonische Künstler benennt gesellschaftliche Anliegen und thematisiert sie auf eindringlich anschauliche Weise. Wie anders wirkt doch die Ausstellung mit Bridget Riley in Siegen! Dort zeigt das Museum für Gegenwartskunst anlässlich der Verleihung des Rubenspreises ihre gegenstandsfreien üppigen Farb-Malereien seit den 1980er Jahren. Man kann der 81jährigen Engländerin ewig zuhören. Sie ist eine präzise und charmante Vermittlerin ihrer Werke und ihrer Sicht auf die Kunstgeschichte; ein Buch mit ihren Texten umfasst 400 Seiten. Aber birgt das nicht die Gefahr, dass die Kunst selbst zu theoretisch oder didaktisch ausfällt? Indes geht bei Bridget Riley alle Malerei vom Sehen aus, einsetzend mit der Erfahrung von Landschaft und Natur. Mit ihrer Kunst gilt sie als Klassikerin der Op Art und heute als Vertreterin einer organischen Konkreten Kunst. Die Ausstellung in Siegen aber belegt, wie vielschichtig dieses Werk ist, und warum Riley zu den großen Malern der Gegenwart gehört, ausgezeichnet mit dem Großen Preis für Malerei der Biennale Venedig und dem Praemium Imperiale. Ihre Gemälde und Wandmalereien umfassen, als All-Over ohne Zentrum, vertikale, teils diagonal gebrochene Reihen farbiger Streifen oder Kurven und geschwungene Farbformen, die sich umlagern. In Siegen geht es immer wieder um Rottöne. Die Bilder strahlen Ruhe, Stabilität und Dynamik zugleich aus … Während Thomas Schütte den Zustand unserer Zivilisation wie leichthin in verschiedenen künstlerischen Medien reflektiert, thematisiert Bridget Riley das Wahrnehmen unseres Lebensraumes mittels akkurater Malerei. Beide Künstler forschen nach dem Thomas Hirsch Wesen und der Basis unserer Existenz, über alle politischen Kunsthistoriker, Kurator und Journalist und ästhetischen Fragen hinaus. www „Thomas Schütte – Wattwanderung“ I bis 9. September K21 Ständehaus, Düsseldorf I www.kunstsammlung.de „Bridget Riley – Rubenspreis der Stadt Siegen“ I bis 11. November Museum für Gegenwartskunst Siegen I www.mgk-siegen.de 45 Kunst-Kalender FREUNDESKREIS KUNSTWERKSTATT AM HELLWEG WATTENSCHEIDER HELLWEG 9 44869 BOCHUM TEL 02327 957433 FAX 02327 957434 [email protected] www.kunstwerkstatt-am-hellweg.de Konzerttermine Klavierabend mit Chiara Montelatici Beethoven, Chopin 17. August 19:30 19. August 16:00 David Reed, #581, 2007-08, Öl und Alkyd auf Leinen, 66 × 127 cm, © VG Bild-Kunst, Kunstmuseum Bonn Die Kunst-Termine NRW Franz Schubert – Festival s!LLE7ERKEFÌR6IOLINEUND+LAVIER s$IE+LAVIERTRIOS AACHEN – Ludwig Forum www.ludwigforum.de "ORIS+UCHARSKY6IOLINE Hauke Hack, Cello Elizabeth Hopkins, Klavier 24. August 19:30 25. August 19:30 26. August 16:00 Joseph Beuys und Anselm Kiefer 29.6.Phyllida Barlow bis 26.8. Installationen mit Farb- und Formgespür 30.9. Papierarbeiten und Bücher der beiAACHEN – Suermondt-Ludwig-Museum den Hauptvertreter der Individuellen www.cornelis-bega.de Mythologie Cornelis Bega bis 10.6. ESSEN – Museum Folkwang Virtuose holländische Malerei des 17. Jh. www.museum-folkwang.de 2EINHARD#EBULLA+ULTURPROGRAMMAUF hohem Niveau 2007 BIELEFELD – Kunsthalle www.kunsthalle-bielefeld.de n unter Ticket s sicher m.de co es w w w.gam Bild des Monats Die in der Kunstwerkstatt entstehenden Bilder stehen zum Verkauf. Preise nach Vereinbarung. Der Erlös dient der Finanzierung der Konzertveranstaltungen. An dieser Stelle stellen wir monatlich ein Bild vor. DUISBURG – Museum Küppersmühle www.museum-kueppersmuehle.de Geschichten zeichnen bis 15.7. Positionen der zeitgenössischen Grafik Sou Fujimoto 3.6.-2.9. HAGEN – Osthaus Museum Der japanische Architekt (geb. 1971) mit www.osthausmuseum.de seinen verblüffenden neuartigen RaumMarkus Lüpertz bis 29.7. entwürfen Werküberblick der Malerei und Plastiken BOCHUM – Kunstmuseum www.bochum.de/kunstmuseum KÖLN – Museum für Angewandte Kunst www.makk.de Johannes Brus 2.6.-26.8. Werkschau der Skulpturen und Fotoarbeiten Architekturteilchen bis 19.8. Eine Geschichte des Bauens mit Modulen 16.–19.8.2012 KÖLN Statik Elastik BONN – Kunst- und Ausstellungshalle www.kah-bonn.de KÖLN – Käthe Kollwitz Museum www.kollwitz.de Romy Schneider bis 24.6. Loth bis 10.6. Eine dokumentarische Ausstellung mit Wilhelm figürliche Bildhauerei nach vielen Zeugnissen vom Filmstar und der Reduzierte 1950 Privatperson BONN – Kunstmuseum www.kunstmuseum-bonn.de Lewis Baltz bis 2.9. Werkgruppen des amerik. Fotografen BRÜHL – Max Ernst Museum des LVR www.maxernstmuseum.de www KÖLN – Museum Ludwig www.museum-ludwig.de Yvonne Rainer bis 29.7. Moderner Tanz und Avantgardefilme der New Yorker Künstlerin und Choreographin KÖLN – Wallraf Richartz Museum www.wallraf.museum.de Niki de Saint Phalle bis 3.6. der Linie bis 10.6. Das malerische und plastische Werk der Artisten Niederländische Grafik des 17. Jahrhunberühmten Avantgarde-Künstlerin dert Sofia Hultén Langen Foundation, Raketenstation Hombroich 1, 41472 Neuss Telefon +49(0)2182/5701–15, www.langenfoundation.de Installationsansicht Sofia Hultén – Statik Elastik, 2012 Courtesy Langen Foundation/Konrad Fischer Galerie, Düsseldorf/Berlin 7/7-7/10 2012 DORTMUND – Museum Ostwall www.museumostwall.dortmund.de KREFELD – Museum Haus Lange www.kunstmuseenkrefeld.de Heinz Mack bis 29.7. Fabián Marcaccio bis 19.8. Arbeiten und Entwürfe aus sechs Jahr- Kritische Malerei zwischen Fläche und zehnten des Pioniers der ZERO-Bewegung Raum DORTMUND – Zeche Zollern www.ausstellung-zwangsarbeit.lwl.org LEVERKUSEN – Museum Morsbroich www.museum-morsbroich.de Zwangsarbeit bis 30.9. R. Trockel, P. Varga Weisz 17.6.-30.9. Eine historische Ausstellung zu den Zwei Positionen aktueller Skulptur Verbrechen der Zwangsarbeit durch die NEUSS – Langen Foundation NS-Diktatur DÜSSELDORF – K20 Grabbeplatz www.kunstsammlung.de Fresh Widow bis 12.8. Das Fenster als Motiv der Kunst seit 1912 DÜSSELDORF – Museum Kunstpalast www.smkp.de www.langenfoundation.de Jan Albers: parcOurs mOrtale bis 24.6. Bildobjekte des Düsseldorfer Künstlers (*1971) OBERHAUSEN – Ludwiggalerie www.ludwiggalerie.de El Greco und die Moderne bis 12.8. Der berühmte manieristische Maler im Dialog At Home bis 16.9. Künstlerische Beschreibungen und Aussagen zum Leben und Alltag im Ruhrgebiet DÜSSELDORF – Kunsthalle www.kunsthalle-duesseldorf.de REMAGEN – Arp Museum Rolandseck www.arpmuseum.de Yüksel Arslan: Artures bis 24.6. Werkschau der Malereien auf Papier Köstlich! bis 14.10. Stillleben alter Meister aus der Sammlung Rau DUISBURG – LehmbruckMuseum www.lehmbruckmuseum.de WUPPERTAL – Von der Heydt-Museum www.von-der-heydt-museum.de Paul Thek bis 29.7. Der legendäre amerikanische Künstler Der Sturm bis 10.6. (1933-88) mit Plastiken und einer Meisterwerke der Avantgarde der 1920er Dokumentation Jahre Empfehlungen von Thomas Hirsch 46 46 Magenbitter IMPRESSUM Mitten im Spreewald Über die Saure-Gurken-Zeit Herausgeber: trailer Verlag Joachim Berndt Von Peter Ortmann Und es war Sommer das erste Mal im Leben, es war Sommer, das allererste Mal. Scheiß-Wetter, Scheiß-Sommer, Scheiß-Maffay, da hilft auch kein Magenbitter mehr. Saure-Gurken-Zeit zum Ärgern, selbst mitten im Spreewald hat man keine Ruhe mehr. Touristen, wohin das Auge schaut, Nachen voller Bermudashorts lärmen durch die Wälder, kein Vogel, der mehr zwitschert, kein Rehkitz, das blöd um die Ecke schaut. Ärger, Ärger, Ärger, wohin man auch sieht. Laptop an: Ankleiden der Olympioniken. Wen sehe ich? Michael Vesper, braun gebrannt und fintenreich zwischen Tonnagen an nagelneuen Klamotten. „Fröhliche Kleidung“ nennt das der ehemalige grüne NRWKulturminister, der Erfinder der RuhrTriennale, der Klempner der alternativen Szene, der flugs umsattelte ins schicke Generaldirektorenamt des Deutschen Olympischen Sportbundes (DOSB). Jetzt will er beim Medaillensammeln Weltspitze bleiben. Vesper fordert auch eine bessere finanzielle Ausstattung der Anti-Doping-Agenturen. Das Geld solle von den Bundesländern und aus der Wirtschaft kommen. Da wird sich Nordrhein-Westfalen freuen, und wie bitteschön sollen wir dann beim Medaillensammeln Weltspitze bleiben? Schnell weiterzappen und die nächste saure Gurke in den Mund schieben. Ach ja, jetzt geht es um Korruption im Weltfußball und um einen gewissen Herrn Blatter, der angeblich nichts gewusst hat. Kriminaltango in der FIFA, wer schaut sich den Scheiß eigentlich noch an, immerhin protzt dieser Verband damit, über angeblich 1,3 Milliarden Dollar Rücklagen zu verfügen. Soll der doch die Anti-Doping-Agenturen finanzieren. Ärgern auf ganz hohem Niveau ist im Sommer kaum möglich, es passiert einfach nichts. Mal was Außergewöhnliches bei der Kultur wenigstens. Dass das Klavierfestival Ruhr angeblich wieder schwarze Zahlen schreibt, ist auch nicht so der Bringer, denn die meisten Zahlen, die das untermauern könnten, bleiben unter Verschluss. Der Leichenskandal in Köln ist längst abgekocht, dass die Nachwuchsautorin Helene Hegemann (20), ich kenne ihren Vater, dort ein experimentelles Musiktheaterstück inszenieren wird. So what. Die Mühlen der kulturellen Seilschaften mahlen schnell und geschmiert wie eh und je. Warum sollte das dort anders sein als bei der FIFA? Und bei der Gähn-Tour de France in diesem Jahr wurde ja auch nicht mehr gedopt. Ganz bestimmt. Die zweite Flasche Magenbitter schmeckt schon nicht mehr so mies wie die erste beim Regen. Und so findet der Mensch-ärgere-dich eher Gefallen an dieser Posse aus dem ostwestfälischen Werther. Dort ist bei Aufräumarbeiten im Wohnhaus des Malers Peter August Böckstiegel ein seit Kriegsende verschollenes Familienbild des westfälischen Expressionisten aufgetaucht. Das zwei Meter mal ein Meter große Gemälde aus dem Jahr 1924 ist eine doppelte Überraschung: Nicht nur, dass es sechsmal gefaltet war, auf der Rückseite der Leinwand fand man auch zwei bisher unbekannte weibliche Akte aus dem Jahr 1914. Und das beim ollen Böckstiegel, der doch so was sonst nie, oder eher nur selten ... Na, dann den Laptop im Spreewald zuklappen. Wo sind die letzten Gurken? Redaktion: Linda Hoemberg (v.i.S.d.P.), Maren Lupberger 47 Mitarbeit an dieser Ausgabe: Lars Albat, Siliva Bahl, Raymond Boy, Frank Brenner, Lutz Debus, Hartmut Ernst, Rolf-Ruediger Hamacher, Thomas Hirsch, Dawid Kasprowicz, Klaus Keil, Thomas Linden, Anne Nüme, Karsten Mark, Lisa Mertens, Christian Meyer, Peter Ortmann, Betty Schiel, Anke-Elisabeth Schoen, Frank Schorneck, Sebastian23, Ann Katrin Thöle, Christian Werthschulte, Hans-Christoph Zimmermann www.trailer-ruhr.de www.facebook.com/trailerRuhr Projektleitung: Ralf Schiessl 16.–19.8.2012 KÖLN Grafik: Michael Hennemann, Martin Johna, Mira Moroz, Thomas Müller Gestaltung: PS Grafik GmbH, 40213 Düsseldorf Anzeigenverwaltung: Berndt Media Joachim Berndt www.berndt-media.de Dr.-C.-Otto-Str. 196, 44879 Bochum Tel. 0234-94191-0 Fax 0234-94191-91 E-Mail: [email protected] Buchhaltung: Karin Okniewski Druck: Henke Druck Verbr. Auflage: IVW II/2012 30.847 Alle nicht gesondert gekennzeichneten Bilder sind Pressefotos. www August 2012 www.trailer-ruhr.de www SAMSARA barakasamsara.de EIN FILM VON RON FRICKE ab 23.8. im Kino