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18
Depesche 18/2006
27. Juni 2006
(Heft 226 insgesamt)
Euro 3,- · SFr 4,60
Herausgegeben im
Sabine Hinz Verlag
Dreikönigstraße 11a
73230 Kirchheim
Tel.: (07021) 7379-0
Fax: (07021) 7379-10
[email protected]
www.sabinehinz.de
www.kent-depesche.com
mehr wissen
besser leben
Beispiel Ladakh
Bild: www.PhotoCase.de: Blick über „Leh”, die Hauptstadt von Ladakh (Region in Nordindien)
Wie sich eine traditionelle Kultur durch den Einfluss und
die Verführungen des westlichen Systems veränderte.
Was wir aus der Geschichte Ladakhs lernen können:
Vorbild für moderne Lebensinseln
Top Buch: Entmachtung der Hochfinanz!
Das Glücksprinzip, dritter Teil.
Bild: www.PhotoCase.de
Michael Kent
Das Glücksprinzip
1
Folge Nr.
c
Das Spiel des Lebens verlangt es,
(1) eine Rolle anzunehmen, also etwas oder jemand zu sein, als derjenige dann (2) etwas zu tun, um
sodann (3) etwas zu haben.
Während sich viele nicht bewusst
sind, dass sie selbst ihr jeweiliges
Sein (ihre Rolle) annehmen – man
wird als Sohn oder Tochter geboren (kann nichts dafür :-), wird
Schüler (ohne dass man es selbst
bestimmt), wird Soldat oder Zivi,
wird Ehemann usw. – und während das Haben meist „einfach so
herbeikommt” oder nicht – man
hat halt einfach Streit, der eine
hat einfach Kohle, der andere
nicht usw., – sind sich die meisten
Menschen aber noch darüber im
Klaren, dass zumindest ihr Tun
von ihnen selbst dirigiert wird.
Zumindest sind sich viele der Verursachung ihres Tuns weitaus bewusster als der Verursachung ihres Seins oder der Verursachung
ihres Habens.
Daher wählte ich den Titel „unserer” ersten Tugend bewusst und
mit Bedacht: Sagen Sie anderen,
was sie gut und richtig machen!
Wenn Sie also Lob verschenken,
empfiehlt es sich, ein konkretes
Tun und nicht das Sein oder das
Haben zu loben!! Sagen Sie Ihrer
Sekretärin: „Vielen Dank, dass sie
die Sache … gut und pünktlich erledigt haben!” und Sie werden eine Sekretärin haben, die sich ins
Zeug legt, auch alles Künftige richtig und pünktlich zu erledigen. Sagen Sie Ihrem Kind: „Ich habe zur
Kenntnis genommen, dass Du heute Deine Hausaufgaben von ganz
alleine und ohne Aufforderung er-
Auch richtig loben will gelernt sein
ledigt hast. Danke!” und Sie könnten ein strahlendes Kindergesicht
ernten. Sagen Sie Ihrem Ehemann: „Ich habe mich darüber gefreut, dass Du heute pünktlich
nach Hause gekommen bist! Danke!” und Sie erhalten einen verdutzten Ehemann :-) Sagen Sie Ihrer Gattin nicht: „Wow, das Essen
schmeckt heute super!” (es könnte u.U. so ausgelegt werden, dass
Sie der Auffassung sind, Ihre Frau
könne nicht kochen und hätte heute eine rühmliche Ausnahme zu
Wege gebracht), sondern: „Schatz,
Du kannst einfach kochen!
Mmm!!” Wenn sich Ihre Frau ein
neues Kleid gekauft hat, sagen Sie
nicht: „Hmmm, super!”, sondern:
„Eine tolle Wahl!” (Sie loben damit die Tätigkeit des gelungenen,
richtigen Auswählens).
Eine ganz andere Form des Lobens ist, die Auswirkungen der guten Handlungen anderer zu bemerken bzw. würdigen. Wenn Sie
Ihrem Mann sagen: „Du bist ein
toller Autofahrer!” klingt das seltsam! Wenn Sie hingegen äußern:
„Schatz, ich fühl mich bei Dir sehr
sicher!” könnte es sein, dass eine
kleine Sonne auf der Gegenseite
aufgeht :-) Anstatt: „Ich liebe
Dich” oder „Du bist eine tolle Ehefrau!” wären Blumen o.ä. die bessere Lösung – in Verbindung mit
dem Satz: „Ich bin glücklich darüber, mit Dir zusammen zu sein!”
Vor allem anderen gilt: Wenn Sie
loben, tun Sie es nur, wenn Sie es
absolut ehrlich meinen. Sagen
Sie, was Sie meinen und meinen
Sie, was Sie sagen. Alles andere
kommt schleimig.
Und noch etwas: Der Mensch mag
es im Allgemeinen nicht sonderlich, bewertet zu werten, denn er
wurde im Leben schon zu oft benotet, gewertet, bewertet, beurteilt – und das noch meistens
falsch, so dass Sie mit einer Bewertung oft Negativreaktionen
ernten. Noch besser als „1a”, „super”, „OK” wäre demnach, Ihre
echten Gefühle zum Ausdruck zu
bringen: „Ich habe mich total darüber gefreut, dass…”, „ich bin wirklich angetan von…” usw.
Das schönste Lob kann manchmal
darin zum Ausdruck kommen,
dass man einfach nur bemerkt,
dass jemand etwas getan hat.
Bemerken Sie einfach einmal,
dass Ihre Frau heute die Wohnung
geputzt und aufgeräumt hat – und
wenn es nur ist, dass Sie mit anerkennenden Blick herumschauen
oder den Daumen in die Luft recken (was eben Ihre Art ist, es
muss natürlich sein).
Wer anerkennen möchte, was andere gut und richtig machen, der
muss also vorab erst einmal
SCHAUEN können. Worum geht
es also diese Woche? Darum, dass
Sie die Dinge überhaupt einmal
bemerken! Das ist also unsere Tugend für diese Woche: Schauen
Sie hin und BEMERKEN Sie die
Dinge, die andere laufend tun!!
Sie werden unter Umständen
höchst positiv überrascht sein!
Und dann sprechen Sie es aus!
Bringen Sie viel Freude und Erfolg
damit in Ihre Umwelt.
Alles Liebe, Michael Kent
18/2006 · Sabine Hinz Verlag · Dreikönigstr. 11a · 73230 Kirchheim · Tel. (07021) 7379-0, Fax: -10 · [email protected] · www.kent-depesche.com
Von alten
Kulturen lernen
Editorial / Impressum
Termine / Neue Impulse
03
04
Hauptartikel
Das Beispiel Ladakh
Lehren aus Ladakhs Zerfall
05
12
Buch: Entmachtung der Hochfinanz
16
Sabine Hinz und Michael Kent
Das Glücksprinzip: Eine Anmerkung zum Loben 02
Hallo lieber Freund und
Zustandsverbesserer !
IMPRESSUM
mehr wissen - besser leben erscheint 9 mal pro Quartal (36 x jährlich) und kann als Postversandausgabe
über den Verlag (ggf. plus zusätzlicher PDF-Version per
Mail) wie auch als Einzelheft über den freien Buch- und
Zeitschriftenhandel bezogen werden.
Chefredaktion: Michael Kent.
Redaktion: Michael Kent, Sabine Hinz, Kristina Peter
E-Mails: [email protected]
[email protected]
[email protected]
Zuschriften/Gastbeiträge: Sabine Hinz
E-Mail: [email protected]
Termine/Veranstaltungen: Kirsten Lang
email: [email protected]
Kurzmeldungen/Lebensinseln: Tina Weller
E-Mail: [email protected]
(Gast-)autoren: Heilpraktiker Wilfried Bales, Harald
Baumann, Daniela Amstutz (Neue Medizin), Matthias
Bormann, Jo Conrad, Wolfgang Eggert, HP Falkenberg, Harald Feierabend, E. Fisseler (Arthrose Selbsthilfe), Heiner Gehring, Günter Hannich (Wirtschaft),
Thomas A. Hein (freier Autor), Bernd Hückstädt (Joytopia), Angelika Kögel-Schauz (Impfkritik), Michael
Leitner (freier Autor), Marco Leonardo (Lebensschulen), Fritz Loindl, Heilpraktikerin P. Nastoll, Dagmar Neubronner, Kristina Peter (Gesundheit, Ernährung, Lebensmittellügen), Dr. Probst, Carl-W. Röhrig, R. Rottenfußer und Wolf Schneider (connection), Dr. J.G.
Schnitzer, Barbara Simonsohn, Barbara Thielmann,
Frank Thomas (Wasser), u.a.
Namentlich gekennzeichnete Artikel geben nicht
automatisch die Meinung des Verlages wieder!
Erstveröffentlichung 18/2006: 27.06.2006
Adresse: Sabine Hinz Verlag, Dreikönigstr. 11a
73230 Kirchheim, Tel. 07021/ 7379-0, Fax: -10
Internet: Verlag: http://www.sabinehinz.de
http://www.kent-depesche.com
Download von PDF-Depeschen:
www.kent-depesche.com/shop/
Druck: Eigendruck (Digitaldruck).
Regelmäßiger Bezug: Monatlich 3 Ausgaben, Euro 9,Jahresbezug: 36 Ausgaben, Euro 92,25. Der Bezug
kann tel., per mail, brieflich oder per Fax eingestellt werden - bei monatl. Zahlungsweise zum Monatsende, bei
jährl. zum Jahresende.
Inserate: In der Depesche werden keine bezahlten
Anzeigen abgedruckt.
Copyright (c) 2006 by Sabine Hinz-Verlag, Kirchheim.
Alle Rechte vorbehalten. Jedoch sind nicht gewerbliche Weitergabe sowie Vervielfältigungen für
Bezieher der regelmäßigen Postversandausgabe gestattet.
KENNENLERNEN
3
Für Interessenten besteht einmalig die Möglichkeit, die
Depesche unverbindlich kennen zu lernen. Hierzu die
Postanschrift mit Stichwort „Kennenlernbezug” an den
Verlag senden und Sie erhalten die Depesche drei Monate lang (3 x 3, insgesamt 9 Ausgaben) für 10,-- Euro.
Es entsteht Ihnen daraus keine Aboverpflichtung!!
Unser heutiger Hauptartikel ab
Seite 5 bedarf keiner großen Vorrede – es geht genau darum, was
die obige Überschrift aussagt.
Unsere moderne, westliche, industriell, kapitalistisch bzw. materialistisch orientierte Zivilisation
hält sich – in arroganter Weise –
viel zu oft und viel zu sehr für das
Non-plus-ultra bzw. das Maß aller Dinge! Die Lektüre des heutigen Hauptartikels lehrt uns allerdings eine ganz andere Sicht!
Da gab es doch tatsächlich ein
Land auf dieser Welt – namens
Ladakh (heute Teil Indiens) – in
dem die Menschen noch wahrhaft glücklich waren, als fest verbundene Gemeinschaft zusammen eine hohe Kultur pflegten, ihrer Religion vorrangige Aufmerksamkeit widmeten und ein wahrhaft demokratisches Staatswesen
praktizierten. Ein Land, in dem
die Menschen füreinander da waren, allesamt keinen Mangel litten, genügend zu essen hatten,
die Natur respektierten, schützten und bewahrten, ein Land, in
dem es keinen Krieg gab und wo
die Menschen in Freiheit lebten –
zumindest so lange, bis westliche
„Zivilisation” dort eindrang.
Und kein Artikel könnte besser
beschreiben, worin WIR hier allesamt gefangen sind! Nein, es sind
nicht (nur) die Verführungen des
Luxus, es ist nicht (nur) das Geld,
es ist nicht vorwiegend der Kapitalismus, es ist nicht vorrangig
Michael Kent, 27.06.2006
INHALT
die Industrialisierung, es ist etwas ganz anderes, etwas, das sich
eben so unbemerkt wie tödlich
seinen Weg in die Welt gebahnt
hat und sie heute dominiert!
WAS das genau ist, wird unsere
baldige Depesche: „Die größte
Sekte von allen” beschreiben –
und nichts könnte hierfür als bessere Grundlage dienen als die Geschichte von Ladakh, die übrigens dem höchst (!) lesenswerten
Buch „Entmachtung der Hochfinanz” entnommen wurde. Dabei
handelt es sich nicht um irgendein Buch, sondern auch um ein
ganz hervorragendes Projekt bzw.
um eine Mitmachaktion! Mehr
dazu auf Seite 16.
Doch wichtiger noch als die Erkenntnis dessen, was nicht nur
Ladakh, sondern auch unsere hiesige Gesellschaft zersetzt, was die
Menschen in ein Nichts stürzt
und ihre Leben der Sinnlosigkeit
anheim stellt, ist die Erkenntnis
dessen, was wir aus der Geschichte Ladakhs lernen können:
Und damit landen wir – Punkt für
Punkt – bei der Idee der Lebensinseln. Alles, was wir aus Ladakhs Geschichte lernen können,
alles, was das Land richtig machte, als es noch blühte und gedieh,
findet sich als zentrale Elemente
in der Lebensinselidee wieder
(siehe Depesche 1-3/2005) – und
daher gehört unsere heutige Depesche auch zur Lebensinselserie.
Genug der Vorrede! Viel Freude
bei der Lektüre, viele positive
Erkenntnisse und neue Ideen
wünscht Dir, Michael
18/2006 · Sabine Hinz Verlag · Dreikönigstr. 11a · 73230 Kirchheim · Tel. (07021) 7379-0, Fax: -10 · [email protected] · www.kent-depesche.com
Korrekturleser
NEUE IMPULSE STUTTGART
V
Mit Luc Bürgin, Gerhard Wisnewski, Andreas von Retyi, Thomas Ritter, Peter Robert
Handl, Johannes von Buttlar, Hans-Ullrich
Müller (von links nach rechts).
Anmeldung: Tel. (0 85 54) 844 oder im
Internet: www.starservice.info
Gentechnik
Podiumsdiskussion 14.07., Bad Waldsee
„Gentechnik in Lebensmittel – Revolutionäre
Technik oder folgenreiches Risiko?”
Aufgrund der äußerst starken positiven Rückmeldungen empfehlen wir allen, die zur Veranstaltung kommen möchten, den Vorverkauf zu nutzen. Um einen möglichst zügigen Einlass am Veranstaltungsabend zu gewährleisten, bitten wir
Sie folgendes zum Vorverkauf zu beachten: Am
einfachsten schreiben Sie uns und legen Ihrem
Brief einen frankierten und adressierten Rückumschlag, sowie den Kartenpreis (1 Karte 5 Euro) bei.
Sie erhalten dann umgehend in den nächsten Tagen Ihre Karten zugeschickt und kommen somit
am Veranstaltungsabend ohne lange Wartezeit in
die Halle. Bitte haben Sie Verständnis, dass wir
aufgrund der starken Nachfrage keine Karten hinterlegen können! Kontakt: Horst Fallenbeck
(0 75 24) 90 68 86. Beginn: 20 Uhr.
Diskussionsforum für Querdenker
Träume von einer gerechten Zukunft
Jeweils von 19:00 - 21:00 Uhr, Essen-City
03.Juli 2006:
Träume von sauberer Energie:
Stefan Lieser erläutert die Chancen, die in
der Wende zu erneuerbaren Energien liegen. Im Internet: www.sfv.de
05. Juli 2006:
Träume von einem bedingungslosen
Grundeinkommen: „Utopie oder Möglichkeit”. Im Internet:
www.archiv-grundeinkommen.de
07.Juli 2006:
Träume von einer echten Demokratie:
Prof. Johannes Heinrichs stellt seine Vorschläge zur Viergliederung der Demokratie
dar. Siehe Internet: www.netz-vier.de
Ort: Unperfekthaus, Raum 404
Friederich Ebert Str. 18, 45127 Essen-City
Eine Veranstaltungsreihe im Rahmen der
Projektwoche „Zeit für Träume” vom Netz
für eine gerechte Zukunft. Eintritt Frei.
Kontakt: Torsten Kries, Waldsaum 14
45134 Essen, Email: [email protected]
KVPM
Kommission für Verstöße der Psychiatrie
gegen Menschenrechte e.V.
Der Verein KVPM, mit der Zielsetzung Missbräuche und Brutalität im Bereich der geistigen Gesundheit zu beenden, trifft sich
06. Juli 2006
14tägig.
20. Juli 2006
03. August 2006
17. August 2006
31. August 2006
Wir laden alle ganz herzlich ein und freuen
uns über jede Mithilfe! Beginn: 19:30 Uhr
Ort: 3. Stock, Wolframstr. 36,
70619 Stuttgart (Mitte)
Kontakt: Tel. + Fax: (0711) 607 61 25
Email: [email protected]
Internet: www.KVPM.de
ergangene Woche habe ich
mich richtig geärgert, als ich
entdecken musste, dass im Artikel zum Glücksprinzip, Folge 1b,
gleich drei peinliche Tipp- bzw.
Rechtschreibefehler enthalten waren.
Der Umstand, dass es in der Depesche
derlei Dinge gibt, hatte mich bislang
nicht sonderlich irritiert. In einer der
ersten Depeschen schon hatte ich beschrieben warum: Es erfordert nämlich proportional ungleich viel Mehrarbeit, die aller letzten Fehler auszumerzen – meine Priorität lag aber darauf, möglichst schnell möglichst viele wichtige Themen und Artikel herauszugeben.
Nur, damit Du einmal nachvollziehen
kannst, wie das hier so läuft: Meistens
wird die Depesche so gegen 1 Uhr, 2
Uhr in der Nacht fertig, das Editorial
immer zuletzt. Wenn das erledigt ist
(und mindestens drei, vier Mal verändert und korrekturgelesen wurde), lese ich die gesamte Depesche noch einmal von Anfang bis Ende. Dann wird
korrigiert – dann nochmal überprüft:
Schriftsatz, Fußnoten, Bildunterschriften usw., dann nochmal gelesen
– so lange, bis ich, meist gegen 4 Uhr
oder 5 Uhr, keine Lust mehr habe und
sage: So, jetzt is’ aber Schluss!”
Was mich vergangene Woche besonders ärgerte, war der Umstand, dass ja
(1) gerade die Artikel zum Glücksprinzip häufig kopiert werden bzw. kopiert werden sollen und meine Fehler
(2) sinnentstellender Natur waren.
Wer würde schon erraten können,
was das Wort „ürima” bedeutet, der
nicht täglich mit einer Tastatur umgeht und weiß, dass der Buchstabe
„ü” direkt neben dem „p” gelegen ist.
Daher meine Frage an die Runde nach
einem Korrekturleser der besonderen
Art: Ich suche jemanden, dem ich
Depeschenartikel als PDF per E-Mail
zukommen lassen kann, der diese
dann sofort korrekturlesen und zurückschicken kann – und das auch
noch meist mitten in der Nacht (ich
würde mich künftig darum bemühen,
die relevanten Artikel jeweils vor Mitternacht fertigzustellen) – und außerdem sollte derjenige, das ist eine Voraussetzung, die für jeden Korrekturleser gilt, entweder Germanistik studiert haben, Deutschlehrer sein, regelmäßig mit Sprache zu tun haben
oder einschlägige Erfahrungen im Korrektorat aufweisen. Und als ob das
noch nicht genug der Unverschämtheit wäre, wird das Ganze natürlich
auch noch schlecht bezahlt – zumindest schlechter als bei der Pharmaindustrie :-) Also, falls Du noch nicht
den Mut verloren hast oder jemanden
kennst, von dem Du glaubst, er sei
hierfür verrückt genug, dann melde
Dich bitte bei mir :-)) 07021-7379-0
Alles Liebe, Michael
www.neue-impulse-treff.de
Sa., 8. Juli 2006, 19:00 Uhr
Armin Risi: Die Menschheitsgeschichte –
jenseits herkömmlicher Lehrmeinungen!
Eine der grundlegendsten und wichtigsten
Fragen der Wissenschaft – und des menschlichen Forschens überhaupt – lautet: Wie entstand das Leben auf der Erde? Insbesondere:
Was ist die Herkunft des Menschen?
Das heute vorherrschende Erklärungsmodell
gründet sich auf das, was Charles Darwin in
seinen Büchern „Über die Entstehung der Arten” und „Die Abstammung des Menschen”
in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts
als Hypothese dargelegt hat.
Diese Hypothese postuliert, dass die höheren Lebensformen aus den niederen hervorgegangen seien und dass die ersten einzelligen Organismen – durch eine „Biogenese” –
zufällig aus organischer Materie entstanden
seien. Der Darwinismus entspringt einem materialistischen Weltbild, denn seine Grundannahmen lauten: „Leben entstand aus Materie”, und „alles Existierende – auch Leben
und Bewusstsein – ist eine Funktion materieller Energie und lässt sich mit den Gesetzen
der Materie erklären.”
Doch unsere Vergangenheit war ganz anders, als uns die Schulweisheit glauben machen will, aber auch anders, als es die Religionen erzählen! Wir brauchen ein neues
Selbst-Verständnis, das über den Darwinismus, Materialismus und Fundamentalismus
hinausgeht. Armin Risi hat zu diesem Zweck
im letzten Jahr ein Forschungsinstitut der
sog. „Involution” gegründet („Involution” als
begriffliche Abgrenzung zur Evolution),
siehe: www.science-of-involution.org Das
Erklärungsmodell der Involution ist eine fundierte Alternative, die ältestes Wissen und
neuste Erkenntnisse der Menschheit in sich
vereint. Ein spannender Vortrag erwartet
uns. Seien Sie dabei! Wir freuen uns auf Sie!
Platzreservierung bei Voranmeldung.
ACHTUNG: Am 8. Juli findet – ausgerechnet – in Stuttgart in der Nähe des
Veranstaltungsortes das WM Halbfinale statt. BITTE KOMMEN SIE DAHER UNBEDINGT NUR MIT ÖFFENTLICHEN VERKEHRSMITTELN! Oder benutzen Sie bei
Anfahrt mit dem Pkw die ausgeschilderten Park-and-Ride Parkplätze an
den Zufahrtsstraßen!!
Ort: Hornbergstr. 94
Klavierhaus, im 1. OG
Stuttgart-Ost (Gaisburg)
Lotsen-Handy am Vortragstag:
(0162) 95 17 673
Telefon Anmeldung/Info:
(0 70 21) 73 79-0, Fax: -10
eMail: [email protected].
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4
Lernen von Ladakh
5
„Kleines Tibet” wird das einstige
Königsreich im westlichen Himalaya oft genannt, das heute politisch zu Indien gehört, sich aber
über Jahrhunderte hinweg eine
eigenständige, hohe Kultur und
Religion erhielt und landwirtschaftlich selbstversorgend war.
Ein Land, das trotz (oder gerade
wegen?) der extremen Lebensbedingungen glückliche Menschen
beherbergte, Menschen, die zwar
hart arbeiten mussten, aber dennoch ausreichend Zeit für Kultur,
Tanz, Musik, Geselligkeit, Spiel,
Gemeinschaft und Religionspflege hatten. Der vorliegende Artikel
beschreibt den Einzug des westlichen, kapitalistischen Materialismus in Ladakh – und wie sich
Land und Leute, ihr Wohlstand
und vor allem aber ihr Lebensglück dadurch veränderten.
Nichts, was ich bisher gelesen
hatte, könnte die Auswirkungen
des Materialismus auf eine beliebige menschliche Gemeinschaft
besser beschreiben als dieser Artikel, der dem Buch von Reiner Bischoff „Entmachtung der Hochfinanz” entnommen wurde (mehr
zum Buch auf Seite 16). Das
Buchkapitel wiederum bezieht
sich auf Originalmaterialien von
Helena Norberg-Hodge, die in
den 70er Jahren als eine der ersten Besucher aus der westlichen
Welt hierher kam und Ladakh in
seiner Ursprünglichkeit kennen
lernen durfte. Nach kurzer Zeit
beherrschte die schwedische Linguistin die Sprache der Ladakhis
und studierte die Veränderungen, welche in den folgenden Jahren über Ladakh hereinbrachen.
Lernen wir also von Ladakh,
aber lernen wir vor allem aus Ladakhs Vergangenheit, um eine
bessere Zukunft für uns – für alle
Menschen – gestalten zu können.
Das ist das Anliegen der heutigen
Depesche.
mk
PA
K
IS
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N
Text: Reiner Bischoff, basierend auf dem Buch
„Lernen von Ladakh” von Helena Norberg-Hodge.
Abdruck aus „Entmachung der Hochfinanz” mit
freundlicher Genehmigung von Rohland Bohlinger
Redaktionelle Bearbeitung: Michael Kent.
C H
I N
A
LADAKH
Tibet
NEP
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W
ird die Menschheit,
werden die Völker
mit ihren Kulturen
überleben? Werden die Industrienationen in 50 oder 100 Jahren noch da sein? Mit diesen Fragen befasst sich das sehenswerte
Video(1) „Ancient Futures* – Lernen von Ladakh”. Es wurde von
der International Society for Ecology and Culture* (ISEC) herausgebracht und basiert auf dem
Buch von Frau Norberg-Hodge,
der Begründerin der ISEC. Auf
der Kassettenhülle heißt es: „Die
Geschichte, die Ladakh zu erzählen hat, lehrt uns Vieles über
die eigentlichen Ursachen ökologischer, sozialer und seelischer Probleme. Sie liefert darüber hinaus wertvolle Orientierungshilfen für die Gestaltung
unserer eigenen Zukunft”.
Die folgenden Textpassagen geben
den (gesprochenen) Inhalt des Videos (verkürzt) wieder:
Sprecher: Tief inmitten des Himalayas, am westlichen Rand der Tibetischen Hochebene, liegt Ladakh. Kein anderes bewohntes
Gebiet der Erde ist so hoch gelegen und so trocken. Versengt von
der Sommersonne, der Boden gefroren während der acht Wintermonate: dies ist eine Gegend, die
für Menschen unbewohnbar erscheinen könnte. Dennoch wurden den Felsen und Wüsten im
Laufe der Jahrhunderte Felder abgerungen, die den Menschen hier
INDI
EN
nicht nur das Überleben, sondern sogar eine blühende Kultur
ermöglichen. Aber das Gesicht
Ladakhs wandelt sich. [Lastwagen- und Maschinengeräusche.]
Der Einfall der Moderne –
Ladakh als
Anschauungsbeispiel
Sprecher: Der Modernisierungsprozess in Ladakh stellt eine Reihe von weit verbreiteten Annahmen über die Industriegesellschaft in Frage. Tatsächlich fordert er uns heraus, den ganzen
Fortschrittsbegriff neu zu bewerten. Helena Norberg-Hodge hat in
den letzten achtzehn Jahren lange Zeit in Ladakh verbracht.
(1) Die VHS-Videokassette ist für € 20,-- in
deutscher Sprache erhältlich bei
ISEC Deutschland e.V.
Christian und Renate Storm
Postfach 111316
64228 Darmstadt
E-Mail: [email protected]
Für 12 Pfund bzw $ 20,-- ist das englische Video auf der Webseite des englischen ISEC erhältlich: www.isec.org.uk/
*„Ancient Futures” – ancient: alt, altertümlich, aus alter Zeit stammend, das Altertum betreffend, antik. Future: Zukunft, Futures wörtlich: Zukünfte (eigentlich ja nicht in der Mehrzahl möglich). Übersetzungsvorschläge
könnten lauten: „Die Zukunft des Altertums”
oder „Zukunftsvisionen aus dem Altertum”.
*ISEC International Society for Ecology
and Culture, wörtlich: Internationale Gesellschaft für Kultur, Ökologie und Kultur.
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Die Schwedin Helena Norberg-Hodge,
Begründerin des ISEC* und Autorin des
Buches „Lernen von Ladakh”, lernte das
Land während der 1970er Jahre in seiner
Ursprünglichkeit kennen und bereiste es
seitdem 18 Jahre lang regelmäßig
Helena Norberg-Hodge: Ich
weiß, dass es vielleicht weit hergeholt erscheint, aber ich bin
überzeugt davon, dass Ladakh
uns helfen kann zu verstehen,
was im Westen abläuft. Als ich
das erste Mal nach Ladakh kam,
gab es keine Umweltverschmutzung, keine Verbrechen, und die
Menschen lebten seit Jahrhunderten friedlich Seite an Seite. Es
gab eine unglaubliche Lebensfreude. Aber jetzt, in den vergangenen Jahren, habe ich die Auswirkungen der modernen westlichen Welt auf eine traditionelle
Kultur miterlebt. Diese MöglichDie Video-Kassette „Ancient Futures –
Lernen von Ladakh” basiert auf dem
Buch von Helena Norberg-Hodge. Eine
deutschsprachige Version (€ 20,--) ist
erhältlich bei ISEC Deutschland e.V.,
Adresse siehe Fußnote (1) auf Seite 5.
keit, das Neue dem Alten gegenüberzustellen, klärt eine Menge.
So kann man die Ursachen erkennen, die hinter vielen Problemen stehen, mit denen wir im
Westen konfrontiert sind – die Ursachen hinter den Umweltproblemen und dem Zusammenbruch menschlicher Gemeinschaften. Es hilft zu erkennen,
wie wir aus der ganzen Bescherung, die wir angerichtet haben,
wieder herauskommen können.
Durch die kulturellen Traditionen wurde das Bevölkerungswachstum begrenzt, und die natürlichen Lebensgrundlagen wurden nicht überbeansprucht.
Mehr als 90 Prozent der LadakhiFamilien besitzen ihr eigenes
Land, durchschnittlich ein bis
zwei Hektar, und einige Nutztiere. Landbesitz wird weder verkauft noch aufgeteilt, sondern als
Ganzes von einer Generation zur
nächsten weitergegeben ...
Bodenordnung in Ladakh
Autarke* Wirtschaftsweise
Sprecher: Ladakh war bis in die
Mitte des 19. Jahrhunderts ein unabhängiges Königreich. Heute ist
es ein Teil des indischen Bundesstaates Dschammu und Kaschmir. Sein kulturelles Erbe ist tibetischen Ursprungs – so weitgehend, dass es noch weithin als
„Klein-Tibet” bekannt ist ...
Sprecher: Die Dörfer liegen 3000
bis über 4000 Meter hoch. In dieser Höhe ist die Anbauzeit sehr
kurz. Trotzdem produzieren angepasste Landsorten von Weizen
und Gerste ergiebige Ernten Jahr
für Jahr. Jede Familie bewirtschaftet auch einen kleinen Gemüsegarten, und in den tieferen
Lagen gibt es Obstgärten mit Apfel- und Aprikosenbäumen.
Flächenmäßig ist Ladakh fast so
groß wie England, aber es wird
nur von 130.000 Menschen bewohnt, von denen die meisten als
Bauern in kleinen Dörfern wohnen. Da im Jahr weniger als 100
Millimeter Niederschlag fallen,
müssen die Ladakhis mit
Schmelzwasser von den Gletschern auskommen. Dieses wird
durch ein ausgeklügeltes System
von Bewässerungskanälen, die
oft kilometerlang sind, zu den
Feldern gebracht.
Mit wenigen Ausnahmen werden
die Grundbedürfnisse innerhalb
der Gemeinschaft gedeckt. Häuser werden aus den Rohstoffen
der unmittelbaren Umgebung gebaut: Steine für das Fundament
und das Erdgeschoss sowie sonnengetrocknete Ziegel aus Lehm
und Stroh. Die Häuser sind groß
und stattlich. Und dennoch bedarf es keiner Architekten. Jeder
in Ladakh weiß, wie man ein
Jeder in Ladakh konnte ein Haus bauen – aus den Materialien der Umgebung – und die
Gemeinschaft half zusammen. In den tieferen Lagen ist es eine Selbstverständlichkeit,
dass jedes Haus einen großen Obstgarten mit Apfel- und Aprikosenbäumen hat.
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Traditioneller Schaf- und
Ziegenhirte in Ladakh
Ursprünglich waren die sog., hier gezeigten „Stupas” Erdhügel, die über den Überresten Verstorbener errichtet wurden. Im heutigen Buddhismus sind
es Stätten allgemeiner religiöser Verehrung (stupa:
aus dem altindischen [sanskrit] stup: anhäufen).
Haus baut. Die Autarkie* beruht
auf Fertigkeiten, die genau auf die
lokale Umwelt abgestimmt sind.
Im Sommer beaufsichtigen die
Hirten das Vieh auf den Hochweiden. Auf fast 5000 Meter Höhe sind die Lebensbedingungen
hart. Aber die einheimischen
Schaf- und Ziegenrassen sind gut
an ihre Umwelt angepasst. Da der
Bewuchs spärlich ist, werden die
Herden jeden Tag weitergeführt,
um Überweidung zu vermeiden.
Dies ist ein nahezu zeitloses Leben. Arbeit und Freizeit sind
eins. Im Laufe der Generationen
haben die Ladakhis es gelernt,
das Beste aus den Ressourcen* ihrer Umwelt zu machen ...
Wirtschaften im Einklang
mit der Natur und die
Bedeutung der Religion
Tashi Rabgya [Dichter, Philosoph und Ladakhs führender Gelehrter für Buddhismus, ein älterer Mann mit klugem, freundlichem Gesicht]: Die Leute in Ladakh verschwenden nichts, was
es auch sei. Sei es Holz, Stein,
Gras, Wasser oder sonst etwas.
Sie verschwenden es nicht, sie gehen sorgfältig damit um. So können wir sagen, dass die Ladakhis
die wirklichen Ökonomen sind.
Nicht wie die modernen Ökonomen, die die Produktion erhöhen, die Umwelt zerstören. So
nicht. Sondern die auf die Ressourcen* achtgeben.
Sprecher: Das tägliche Leben in
den Dörfern beruht auf einer engen Verbindung zwischen den
Menschen und der Erde. Diese lebendige Erfahrung der Verbundenheit aller Dinge wird durch
die buddhistischen Lehren bestärkt. Die Religion durchdringt
alle Aspekte des Lebens. Fast jedes Dorf hat sein eigenes Kloster.
Die meisten Familien haben ein
Mitglied im Kloster und es findet
ein ständiger Austausch zwischen dem Dorf und den Mönchen statt. In jedem Haus gibt es
einen privaten Andachtsraum.
Die Landschaft ist übersät von
sog. Stupas oder Tschörtens (siehe Bilder oben). Diese Bauwerke
verkörpern das Wesen der
buddhistischen Philosophie: die
wechselseitige Verbundenheit aller Dinge im Universum. Auf der
Spitze der Stupa wiegt eine
Mondsichel die Sonne, ein Symbol für die Einheit allen Lebens.
Sogar die Sonne und der Mond,
die so weit entfernt voneinander
erscheinen, sind unentrinnbar
verbunden ...
Vorhandensein einer
Gemeinschaft,
Zusammenarbeit
und gegenseitige Hilfe
Sprecher: Die Arbeit in der Landwirtschaft beruht auf Zusammenarbeit. Menschliche und tierische Arbeitskraft sowie Gerätschaften werden stets geteilt.
An die besonderen Bedingungen gut angepasste Weizen- und Gerstensorten werden noch
von Hand geerntet und bearbeitet – und obwohl der Boden in Ladakh nur vier Monate lang
frei von Frost ist, wurde genug erwirtschaftet, um alle zu ernähren.
* Autarkie / autark: selbstversorgend, wirtschaftlich unabhängig (griech. autos: selbst
und arkein: genügen, hinreichen).
7
*Ressourcen: natürlich vorhandener Bestand von etwas, was für einen bestimmten
Zweck dienlich ist, natürliche Rohstoffe, Bodenschätze, aber auch Mittel, Werkzeuge,
Zeit, Möglichkeiten, Potential, Geldmittel
(engl. resource: Quelle, Hilfsquelle, Mittel,
Reichtümer eines Landes).
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Tashi Rabgyas: Grundlage der
Landwirtschaft ist das gemeinsame Zusammenwirken. Die Menschen bitten einfach ihre Nachbarn um Hilfe. Einige Familienmitglieder werden im Gegenzug
ihre Hilfe anbieten. Es wird keinerlei Geld dafür bezahlt. Nur für
die Mahlzeiten wird gesorgt – sie
helfen umsonst, Nachbarn und
Verwandte – sogar von weit her.
Sprecher: Die kleinräumige Wirtschaftsweise stärkt die gemeinschaftlichen Bindungen. Die
Menschen haben die sichere Gewissheit, dass sie sich aufeinander verlassen können ...
Sprecher: Die Ladakhi-Familien
unterstützen sich auch in einer
förmlicheren Weise, in einer Einrichtung, die „Paspun” (Gruppe
von Haushalten) genannt wird. Jede Familie gehört zu einer solchen Gruppe von Haushalten,
die sich gegenseitig helfen bei Anlässen wie Geburt, Heirat und Todesfall. Bei solchen Gelegenheiten kommen viele Dorfbewohner
zusammen, und für alle muss gesorgt werden. Wenn jemand
stirbt, erledigt der Paspun alles
Notwendige, vom Waschen und
Einhüllen des Leichnams bis zur
Durchführung der Rituale im
Haus. Seine Arbeit erleichtert die
Last auf der betroffenen Familie
und gibt den Menschen das Gefühl, zu einer größeren Einheit
zu gehören. Auch in den Zeiten
größter Bedrängnis ist der einzelne niemals allein ...
Maßgeblich zur Bewahrung der Kultur trug in Ladakh die tiefe Verwurzelung der Menschen
in den Buddhismus bei. Jedes Haus hat einen Gebetsraum, jedes Dorf hat ein Kloster, doch
Mönch zu sein bedeutet in Ladakh nicht Abkapselung, nicht öde Tristesse, sondern Gemeinschaft, Integration, Freude, Erleuchtung und sogar fröhlichen Tanz und Gesang!
Frauen in Ladakh eine bemerkenswert wichtige Stellung ...
Erntearbeit, weltliche
und religiöse Feste
Sprecher: Dies ist die entscheidende Zeit im Jahr, denn die Ernte muss schnell vor dem ersten
Schnee eingebracht werden.
Trotzdem geht die Arbeit gemütlich voran. Landwirtschaft beruht in Ladakh auf menschlicher
und tierischer Arbeitskraft und
auf handgefertigten Geräten ...
Nachdem die Erntezeit vorüber
ist, vergeht kaum eine Woche
ohne Feste – Singen, Tanzen und
Musik beziehen die ganze Gemeinschaft mit ein. Hochzeitsfeiern dauern viele Tage oder sogar
Wochen.
tur, eine, in der die Menschen
nicht nur ihre materiellen Bedürfnisse decken können, sondern auch ihr Bedürfnis nach Zugehörigkeit, sowohl zu ihrem
Platz auf der Erde als auch zu
der Gemeinschaft, von der sie einen Teil bilden.
Vormarsch der westlichen
Zivilisation – kulturelle
und ökologische Folgen
Sprecher: Seit zwei Jahrzehnten
wird Ladakh immer mehr den modernen Einflüssen ausgesetzt.
Straßen verbinden heute das Gebiet mit der Indischen Tiefebene
und bringen den Ladakhis nicht
nur Waren, sondern auch den
westlichen Fortschrittsbegriff.
Entscheidungen auf der Dorfebene werden durch einen Rat getroffen, der aus den Vertretern
der Gruppen von Haushalten besteht. Ein Ladakhi: Wenn es ein
wenig Streit gibt, sorgen wir dafür, dass er rechtzeitig beigelegt
wird und dass ein Kompromiss
gefunden wird.
Sogar religiöse Ereignisse haben
den Charakter von Festen, besonders die alljährlichen 'Cham'Tänze, die in den größeren Klöstern stattfinden. Die Tänzer sind
alle Mönche. Die Tänze, die sie
aufführen, sind Darstellungen
buddhistischer Philosophie.
In der Hauptstadt Leh sind nunmehr vielfältige Konsumgüter erhältlich. Für viele Ladakhis wird
das Leben körperlich weniger anstrengend. Die Modernisierung
untergräbt jedoch die Fundamente der traditionellen Kultur und
führt zu den allzu bekannten verheerenden ökologischen und sozialen Problemen.
Sprecher: Obwohl die meisten
formellen Entscheidungen von
Männern gefällt werden, haben
Das Leben in Ladakh ist mehr
als bloßes Überleben. Dies ist tatsächlich eine reichhaltige Kul-
Tashi Rabgyas: Das ganze Wertesystem zerfällt. Alle Werte
schwinden dahin. Es wird für die
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Ansichten von „Leh”, der Hauptstadt Ladakhs
Verlust der lokalen
Selbstversorgung
und Selbstbestimmung
Frankreichs Innenminister Sarkozy
Sprecher: Heutzutage werden
die Bewohner von Leh abhängig
von weither importierten Waren,
nicht nur, was Luxus und Konsumgüter angeht, sondern auch
bei den Grundbedürfnissen wie
Nahrung, Kleidung und Energie.
Helena Norberg-Hodge: Entwicklung ist in Ladakh – und es
ist das gleiche überall auf der
Welt – ein Vorgang des geplanten
Wandels. Was getan wird, ist die
systematische Zerstörung der lokalen Wirtschaft, der lokalen
Selbstversorgung. Das erste Opfer ist der kleine Bauer, dessen
ganzer Lebensunterhalt untergraben wird.
Menschen immer schwieriger,
sich an die alten Werte zu halten.
Sprecher: Die Hauptstadt Leh
wächst jetzt exponentiell, denn
die neue Wirtschaftsweise ermuntert die Menschen, ihre Dörfer zu verlassen, um bezahlte Arbeit zu finden. Neue Wohnsiedlungen dehnen sich in die Wüste
aus, ohne Bezug zu den umgebenden Ressourcen. Es gibt keine
Bäche hier. Die Bewohner sind
statt dessen auf die Wasserlieferung durch Tankwagen der Behörde angewiesen. Die Umweltqualität in Leh verschlechtert
sich von Jahr zu Jahr. Die dünne
Luft wird nun durch die Dieselabgase der Lastwagen und Busse
verpestet, die sich jetzt täglich in
die Hauptstadt ergießen. Müll aller Art häuft sich in den Straßen
und auf den Müllhalden am
Stadtrand an.
9
Im traditionellen Dorf ist Abfall
unbekannt. Alles kommt von der
Erde und geht zur Erde zurück.
Sogar die menschlichen Abfälle
werden kompostiert und als Dünger auf die Felder gebracht. In
Leh gibt es fast keine sanitären
Anlagen. Die wenigen Wasserspülungen beanspruchen nicht
nur die knappen Wasservorräte,
sondern sind auch schlecht gebaut. Undichte Sickergruben werden zunehmend zu einem der
wichtigsten Verursacher von Verschmutzungen. Wasser aus den
Bächen in und außerhalb der
Stadt ist jetzt nicht mehr trinkbar.
Eine Ladakhi: Früher hieß es:
„Wirf nichts ins Wasser, verschmutze es nicht!” So klug waren die traditionsgebundenen
Menschen. Sie warfen nichts ins
Wasser, das wurde als Sünde angesehen ...
Sprecher: Aufgrund der massiven Subventionen ist Weizen,
der mit Lastwagen über den Himalaya herangeschafft wird, in
Ladakh wesentlich billiger als
Weizen, der direkt hier angebaut
wird. Die örtliche Landwirtschaft
sieht dadurch unwirtschaftlich
aus. Es gibt kaum Anreize, mit
dem Anbau weiterzumachen.
Kurzfristig gesehen mögen importierte Nahrungsmittel als echter Vorteil erscheinen. Aber als
Folge davon werden die Ladakhis
zunehmend in die Weltwirtschaft eingebunden und so abhängig gemacht von der Gnade
von Marktkräften, die weit jenseits ihrer Kontrolle liegen ...
In der traditionellen Gesellschaft
waren die Menschen überwiegend selbst für ihr Leben verantwortlich. Heutzutage werden immer mehr Entscheidungen, sogar
Entscheidungen, die das alltägliche Dorfleben betreffen, in fernen Regierungsbüros gefällt.
Da sich der Brennpunkt der Wirtschaft nach Leh verlagert, werden die Familien in immer kleinere Einheiten aufgespalten. Es
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gibt keinen Platz mehr für Großeltern in Häusern wie diesen
[städtische Hochhauswohnung
wird gezeigt] – weder räumlich
noch emotional.
In der neuen Geldökonomie hat
die Tradition der Zusammenarbeit ihre Bedeutung verloren und
verschwindet schnell.
Dr. Mohamed Deen [Regierungsbeamter]: In der Vergangenheit
waren wir sehr aufeinander angewiesen. Wir hatten ein richtiges
Gemeinschaftsempfinden, denn
wir waren, wie gesagt, aufeinander angewiesen. Ich war nicht besorgt, wenn ich ein Problem hatte, mein Bruder half. Nun, da die
Leute Geld haben, helfen sie einander nicht. Wenn jemand etwas
braucht, sagen wir: Geh, hol's dir
auf dem Markt.
Tashi Rabgyas: Alle Beziehungen sind sehr oberflächlich geworden. Sie halten Belastungen
und Spannungen nicht mehr
stand ...
Zeitmangel, Hektik
Helena Norberg-Hodge: Früher
hatten die Menschen in Ladakh
viel Zeit, ihr Leben zu genießen.
Sie arbeiteten in einem geruhsamen Tempo, obwohl die Technologien, die sie hatten, sehr langsam waren. Was ich jetzt beobachte, ist, dass die Entwicklung
die Geschwindigkeit des Lebens
erhöht. Plötzlich müssen alle mit
dem Tempo der Technologie
Schritt halten. Eine Freundin in
einem abgelegenen Dorf beschrieb das sehr anschaulich: Ich
kann es einfach nicht verstehen.
Meine Schwester in der Hauptstadt hat all die Sachen, die Zeit
sparen. Sie hat einen Petroleumherd, ein Telefon, einen Jeep,
aber wenn ich sie besuche, hat
sie kaum Zeit, sich mit mir zu unterhalten.
Zerfall der Familie
Erstmals Armut
Sprecher: Die Stellung der Frau
leidet gleichfalls. Im typischen
Fall geht nun der Mann in die
Stadt arbeiten und lässt seine
Frau zu Hause allein zurück, abgeschnitten vom Zentrum der neuen Ökonomie ... Heute wächst
die Kluft zwischen Reichen und
Armen ...
Im Banne der
westlichen Glitzerwelt
Sprecher: Während des Sommers fallen Tausende von Touristen in Leh ein ... Sie erwecken
den Eindruck, dass das Leben in
der modernen Welt sauber, einfach und sorgenfrei sei ... Filme
und neuerdings das Fernsehen
haben dazu beigetragen, die Vorstellung, „westlich ist am
besten”, zu bestärken, indem
Bilder von Glanz, Luxus und endloser Freizeit gezeigt werden, wobei Maschinen die menschliche
Arbeitskraft ersetzen ...
Aus dem volkstümlichen Brauchtum wurde heute eine Show für die Touristen.
Ein Jugendlicher: Hier in Leh ist
es genauso langweilig wie in den
Dörfern. Keine Spielhalle, keine
Räumlichkeiten.
Helena Norberg-Hodge: Es sind
die jungen Männer, die das
schwächste Glied in einer Kultur
bilden. Man kann feststellen,
dass die aufkommende Kultur eine Kultur der männlichen Teenager ist. Hier ist Schnelligkeit angesagt. Auf einem Motorrad
durch die Landschaft rasen oder
mit Schußwaffen herumballern,
den Jungs gefällt so etwas, aber
niemandem sonst.
Neues Erziehungssystem
Sprecher: Als direkte Folge der
Entwicklung verlieren die Ladakhis ihr altes Selbstvertrauen, ihr
Selbstwertgefühl. Bei dem Versuch, den westlichen Vorbildern
gerecht zu werden, entfremden
sie sich von ihrer Familie und Gemeinschaft und werden zunehmend orientierungslos.
Auf die Dauer stellt das Erziehungswesen eine der ernstesten
Bedrohungen der Kultur und der
lokalen Wirtschaftsweise dar ...
Die neue Ausbildung bildet bestenfalls für spezialisierte Berufe
in den städtischen Zentren aus.
Aber solche Arbeitsplätze sind
rar. Zunehmend werden die Menschen nur noch für die Arbeitslosigkeit ausgebildet.
In den Schulen von Ladakh lernen die Kinder heute nichts
mehr über ihre eigene Kultur
oder lokale Ressourcen. Statt dessen folgen sie einem Lehrplan,
der auf dem Modell einer westlichen Industriegesellschaft beruht. Sogar die Sprache ist eine
Fremdsprache.
Sonam Angchuk [junger Mann];
Die Kinder werden in Urdu unterrichtet, einer Sprache, die den
Ladakhis völlig fremd ist. Ihre Eltern in den Dörfern würden da-
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von kein Wort benützen. Noch unglaublicher, nach acht Jahren
muss man zum Englischen als
Unterrichtssprache überwechseln, und zwar ganz plötzlich.
Sprecher: In den Schulbüchern
werden die Vorzüge der Entwicklung im westlichen Stil besonders gerühmt...
Zerstörung des
Beziehungsgefüges
Verlust des Glücks!
Sprecher: Wenn die Kinder in
der Schule sind, wird das Leben
für den Rest der Familie auf dem
Land schwieriger, besonders für
die Frauen.
Eine Ladakhi [Bäuerin und Mutter]: ... Ich bin ganz auf mich allein angewiesen. Der hier [auf ein
kleines Kind deutend] ist meine
einzige Hilfe.
11
Sprecher: In einem größeren Zusammenhang betrachtet, bringt
die Entwicklung stark negative
Auswirkungen mit sich. Die Modernisierung hat zweifellos einige kurzfristige materielle Vorteile. Aber dadurch zerstört sie das
vielfältige Beziehungsgefüge, das
Ladakh über die Jahrhunderte zusammengehalten hat. Sie verschmutzt die Umwelt, läßt die Gemeinschaften zerfallen und untergräbt die persönliche Identität.
Was der Westen von
Ladakh lernen kann
Helena Norberg-Hodge: Ich denke, die wichtigste Lehre aus Ladakh ist, dass die Menschen sich
verbunden fühlen. Sie brauchen
eine Beziehung zu dem Ort, an
dem sie leben, zu der Erde unter
ihren Füßen. Sie brauchen eine
Gemeinschaft, in der sie langfristige Beziehungen zueinander aufbauen und ihre Identität entfalten können.
Sprecher: In der alten Kultur waren diese Beziehungen auf Grund
des kleinräumigen Maßstabes
des täglichen Lebens möglich.
Die politischen und wirtschaftlichen Einheiten waren klein genug, damit die Menschen wirklich sahen, welche Auswirkungen ihre Handlungen auf ihre Umwelt hatten. Und, noch wichtiger,
es war ihnen möglich, an den Entscheidungen, die ihr Leben betrafen, direkt teilzunehmen ...
In der industrialisierten Welt ist
der Maßstab heute so groß geworden, dass in den anonymen Städten und ausgedehnten Vororten
die Handlungen des einzelnen
so erscheinen, als seien sie mit
dem Wohlergehen der gesamten
Bevölkerung unverbunden.
Und der Maßstab vergrößert sich
immer noch weiter ...
Das Beispiel Ladakh zwingt uns
dazu, neu zu bewerten, was wir
mit „Wohlstand” meinen. In der
traditionellen Lebensweise spielt
Geld fast keine Rolle, so dass konventionelle Ökonomen diese Völker unter den ärmsten einreihen
würden ...
Die Wirtschaftsfinanzen im Westen sind nicht weniger absurd.
Entsprechend der eng definierten
Weise, wie wir Wachstum messen, steht unsere Volkswirtschaft
besser da, wenn wir z. B. Gemüse
kaufen, das Tausende von Kilometern entfernt erzeugt und mit
Lastwagen durch das ganze Land
herangeschafft wurde, als wenn
es wir vom Bauernhof nebenan
kaufen. Alle umfassenden langfristigen Kosten von der Infrastuktur bis zu den Auswirkungen
auf die Umwelt bleiben völlig unbeachtet.
Worte eines Weisen
Tashi Rabgyas: Wenn man es mit
der heutigen Zeit vergleicht, waren die Menschen in der Vergangenheit sehr glücklich. Sie waren
der Wirklichkeit, der fundamentalen Wahrheit sehr nahe. Nun
sind die Leute kompliziert geworden, und deshalb sind sie
nicht glücklich. Sie bekommen
mehr Geld, sie haben alle Arten
von technischen Geräten. In gewisser Weise ist das Leben sehr
bequem geworden. Aber Bequemlichkeit und Luxus – diese
Dinge bringen kein Glück...”
Norberg-Hodge, Helena: Faszination Ladakh
Mit Vorwort seiner Heiligkeit, des Dalai Lama
224 Seiten mit Fotos und einer Übersichtkarte
Verlag Herder, Freiburg, Spektrum Bd.5484
ISBN: 3451054841 € 9,90
In den sich ausdehnenden städtischen Siedlungen des modernen Leh, mit Wohnungen
und kleinen Appartments im westlichen Stil, ist kein Platz mehr für traditionelle Großfamilien. Die Folge: Familien zerbrechen, soziale Bindungen lösen sich.
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Redaktionelle Bearbeitung: Michael Kent
Lehren aus Ladakhs Zerfall
Ähnlichkeiten mit unserem Schicksal, von Reiner Bischoff
D
ie Videokassette „Lernen
von Ladakh” zeigt ein
Land, das erst vor etwa
30 Jahren mit der westlichen Zivilisation Bekanntschaft machte
und nun im Begriff ist, in Zeitraffergeschwindigkeit die industrielle Revolution bis hin zu den
neuesten Erfindungen nachzuvollziehen. Das alte Ladakh ist
freilich nur teilweise mit den vorindustriellen Ländern Europas
vergleichbar. Es besaß eine nur gering entwickelte Technik, was
vor allem durch das dortige raue
Klima und den Rohstoffmangel
bedingt ist.
Doch Ähnlichkeiten sind vorhanden. Deutschland z. B. war
vor etwa 200 Jahren, also vor Beginn der industriellen Revolution, gleichfalls zu 90 Prozent
noch ländlich, und die Städte
zählten nur wenige tausend Einwohner. Das meiste wurde in
Handarbeit erledigt. Das Wirtschaften spielte sich überwiegend auf lokaler Ebene ab. Entsprechend groß war die kulturelle Vielfalt, d. h. es gab deutliche
lokale und regionale Unterschiede hinsichtlich Baustil, Kleidung, Essensgewohnheiten, Redeweise usw. Im ländlichen Bereich hielt sich das teilweise bis
in die Mitte des 20. Jahrhunderts
hinein. Verfasser dieses Buches,
Jahrgang 1939, der in Dörfern aufwuchs, konnte das alles noch
selbst miterleben: den vielfälti-
gen Bauernhof; den holzgefertigten Leiterwagen; das Flegeldreschen; das Dachdecken mittels einer langen, die Ziegel weiterreichenden Menschenkette; die wenigen Abfälle bzw. deren völlige
Wiederverwertung; die Straße als
Spielplatz der Kinder; die vielen
Leute, die ihr Leben lang nicht
aus dem näheren Umkreis ihres
Dorfes herausgekommen waren.
Das mag nach wehmütiger Erinnerung klingen, und vielleicht ist
der Bericht vom alten Ladakh in
manchem zu idealisierend bzw.
schönfärberisch. Dennoch lassen
sich einige grundsätzliche Erkenntnisse daraus gewinnen.
Ladakh hatte den großen Vorzug,
dass es nicht unter den beiden
Hauptstörquellen aller anderen
Gesellschaften zu leiden hatte –
der ungelösten Geld- und Bodenfrage. So war das seltene Wunder
einer sozial befriedeten Gesellschaft möglich. Der Boden war
gleichmäßig unter den Familien
aufgeteilt, das Geld spielte so gut
wie keine Rolle. Mit aus diesem
Grund konnte sich das Gemeinschaftsleben so ungestört entwickeln. Es gab dort weder Armut
noch übertriebenen Reichtum.
Es wird hier nicht empfohlen, auf
die Zivilisationsstufe des alten Ladakh zurückzukehren. Das ist
aus vielen Gründen ausgeschlossen. Es geht darum, besser zu er-
*Silvio Gesell, 1862-1930, Sozialreformer und Begründer der Freiwirtschaftslehre, hier
im Abbild auf einem Freigeldschein (mehr zur Lehre Gesells im Themenhefter „Geld”).
kennen, was alles in den westlichen Industriegesellschaften
schiefgelaufen ist. Es wird auch
keineswegs gefordert, das Geld
abzuschaffen. Das wäre nicht nur
ein Ding der Unmöglichkeit –
sechs Milliarden Menschen können nicht zur Tauschwirtschaft
zurückkehren – es wäre auch
nicht wünschenswert, weil die
durch das Geld ermöglichte Arbeitsteilung auch sehr viele Vorzüge hat. Das Ziel muss sein, das
Geld von einigen altererbten Mängeln zu befreien. Es geht darum,
aus dem Raubtier Geld das ungefährliche und willige Haustier
Geld zu machen, wie es der große
Sozialreformer Silvio Gesell* einmal ausdrückte.
Der Film zeigt, wie eine Menschengruppe ihr Zusammenleben gestalten sollte; man kann
auch sagen: wie eine Dorf-, Dörfer-, Stadt- und Volksgemeinschaft aussehen sollte, damit sie
über Jahrhunderte hin Bestand
hat. Freilich fand das im alten Ladakh auf einer vorindustriellen
Stufe statt. Doch wird deswegen
umso deutlicher erkennbar, welche Voraussetzungen gegeben
sein müssen, damit eine Gesellschaft sozial, kulturell und ökologisch gedeiht.
Schließlich lässt sich aus dem
Film eine sehr wichtige Erkenntnis gewinnen: Eine volkliche Gemeinschaft ist nicht nur nichts
Anstößiges, sie ist etwas höchst
Wünschens- und Erstrebenswertes. Sie ist die Voraussetzung für
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menschliches Glück. Ihre Erhaltung und gegebenenfalls Wiederherstellung steht im Einklang mit
den Schöpfungsgesetzen und
sollte eines der höchsten Ziele
menschlichen Handelns auf Erden sein. Angesichts des ganz anders gestimmten Zeitgeistes von
heute kann man solche Sätze
nicht oft genug wiederholen.
LERNEN VON LADAKH:
1. Geschwisterliche
Verbundenheit
Die Ladakhis fühlten sich wie Angehörige einer großen Familie.
Das ist nicht weiter verwunderlich, da sie tatsächlich, der gemeinsamen Herkunft wegen, einen großen Sippenverband bildeten. Ursprünglich war das bei
allen Völkern so. Sie gingen aus
Stämmen oder Stammesverbänden hervor, waren also Menschen gleicher oder ähnlicher Abkunft. Das liefert eine weitere Erklärung, weshalb gegenseitige
Hilfe im alten Ladakh ganz
selbstverständlich war: Man unterstützte Menschen, denen man
verwandtschaftlich nahe stand.
2. Soziale Sicherheit
Der Einzelne fühlte sich in der Gemeinschaft geborgen. Er musste
selber etwas geben, erhielt dafür
aber jederzeit etwas zurück. Echte Nachbarschaftshilfe beruht auf
Geben und Nehmen. In allen Lebenslagen, bei Geburt, Hochzeit,
Krankheit, Tod, stand einem die
Gemeinschaft bei. Ritualisierte
Formen der Unterstützung, d. h.
dafür geeignete Sitten und Gebräuche, bildeten sich heraus.
3. Naturbewahrung
Man war sich bewusst, dass das
eigene Überleben von der behutsamen Behandlung der natürlichen Umwelt abhing. Man wusste, dass ökologisches Fehlverhalten sofort auf einen selber zu-
13
rückschlug. Bei der kleinräumigen Wirtschaftsweise konnte
man nicht auf Ersatzlieferungen
von außerhalb hoffen. Man war
deshalb zu einem sparsamen,
schonenden, vor allem auch vorausschauenden Umgang mit den
Naturschätzen gezwungen. So
lebte man – unter dem Druck des
kargen Angebots – im Einklang
mit den Schöpfungsgesetzen und
gemäß den Nachhaltigkeitserfordernissen der rauen Bergwelt. Zugleich trat man der Natur voller
Ehrfurcht gegenüber.
4. Lokale Wirtschaftsweise
Notgedrungen mussten sich die
Ladakhis mit dem begnügen, was
Berge und Täler an Nahrung und
Rohstoffen hergaben. Diese Begrenzung war auch eine Quelle
der Freiheit: Zwar konnten im Falle von Naturkatastrophen Nahrungsmittel knapp werden, doch
lag die Entscheidung über die Versorgung mit lebensnotwendigen
Gütern im wesentlichen bei den
Ladakhis selber, und sie waren
nicht von andauernden Zulieferungen von außen abhängig. Zudem gefährdeten sie nicht ihre
Kultur und ihre Umwelt durch
unpassende Einfuhren.
5. Kultur
Die Kultur der Ladakhis entwickelte sich aus der Auseinandersetzung mit ihrer nächsten Umwelt – ihren Verwandten und Bekannten und der rauen Bergwelt.
So war die Kultur nichts sonntäglich Abgehobenes, sondern etwas, das auch den Arbeitsalltag
durchdrang. Sie bestimmte das
Verhalten eines jeden und drückte den Gebrauchsgegenständen
ihren Stempel auf. Da die
Rohstoffe für Geräte, Kleidung,
Hausbau usw. der nächsten Umgebung entnommen wurden, war
auch hier der Einklang mit der
Natur bewahrt und erschienen
die menschlichen Werke nur als
eine verschönernde Überhöhung
des natürlich Vorgegebenen.
6. Einheit von Arbeit
und Freizeit
„Arbeit und Freizeit sind eins”,
heißt es im Text: Wenn der Alltag
kulturell überhöht war, wurde er
selber schon zum Ziel und verkümmerte nicht zur lästigen Wegstrecke, die man eben zurücklegen muss. Kein Wunder, dass bei
der Feldarbeit gesungen wurde.
Auch bei uns war in früheren
Jahrhunderten die Arbeit von Gesang begleitet, wovon die zu Beginn des 19. Jahrhunderts – gerade noch rechtzeitig – gesammelten Volkslieder Zeugnis ablegen.
7. Politische
Selbstbestimmung
Die politische Ordnung, die Ladakh sich gegeben hatte, war im
besten Sinne demokratisch. Meinungsbildung und Beschlussfassung erfolgten von unten her, in
Familie und Nachbarschaft, also
unter Leuten, die sich kannten,
und in den Dorfrat wurde ein Vertreter entsandt, über den man genau Bescheid wusste und der das
Vertrauen aller genoss. Zudem
ging es im Regelfall um bloße
Sachfragen und nicht um Dauerstreit auslösende ideologische
Themen. Auch die Frauen redeten dabei mit. Voraussetzung dieser Verfahrensweise sind allerdings Kleinräumigkeit und Überschaubarkeit, die in Ladakh freilich gegeben waren.
8. Kleinräumigkeit
Die o.g. Vorzüge konnten in Ladakh nur deshalb zur Geltung
kommen, weil es in kleine, über-
»Lernen besteht aus einem Erinnern von Informationen, die
bereits seit Generationen in der Seele des Menschen wohnen.«
(Zitat von Sokrates, griechischer Philosoph, 470-399 vor Chr.)
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schaubare Einheiten gegliedert
war, die in allen wichtigen Fragen
ihre Entscheidungen selber treffen konnten und es auch mussten. Damit war eine Grundvoraussetzung gedeihlichen Zusammenlebens gegeben. Die Ladakhis waren zu einer guten Zusammenarbeit geradezu gezwungen,
weil sie die Folgen von Fehlentscheidungen – ökonomischen, politischen, ökologischen usw. –
sehr rasch am eigenen Leib zu
spüren bekamen. Sie waren dazu
imstande, weil die Verhältnisse
in einem begrenzten Raum gut
überschaubar waren und die
Menschen einander kannten.
9. Freiheit
Waren die Ladakhis frei, wenn
sie sich dermaßen unausweichlich in eine Gemeinschaft eingebunden fanden? Antwort: Freiheit besteht nicht unbedingt darin, tun und lassen zu können,
was man will, sondern stellt das
Recht dar, im Rahmen einer bewährten Lebensordnung das
Sinnvolle, Richtige und somit Gute zu tun. Die Notwendigkeit des
Überlebens in einer unwirtlichen
Umwelt zwang die Ladakhis, so
eng zusammenzuarbeiten, wie
sie es taten. Und sie gewannen dabei. Als Glied einer lebendigen
Gemeinschaft fühlten sie sich geborgen; sie waren imstande, eine
blühende Kultur zu schaffen und
waren glücklich dabei.
10. Religion
Der Mensch ist nur dann glücklich, wenn er im Leben einen tieferen Sinn erkennt. Ein solcher
Glaube gibt ihm z. B. die Kraft,
persönliche Unzulänglichkeiten
besser zu ertragen und schlimmere Zeiten leichter zu überstehen. Die Ladakhis hatten offensichtlich das Glück, mit dem
Buddhismus, wie sie ihn verstanden, eine Religion zu besitzen,
die ganz auf ihre alltäglichen Verrichtungen abgestimmt war. Sie
hielt sie zur Naturschonung an,
forderte sie zu einem freudebestimmten Leben auf und versöhnte sie mit den Missgeschicken des Lebens und dem
schließlichen Sterben. Ihre religiösen Feste dienten dazu, neue
seelische Kräfte zu sammeln.
11. Frieden
Das alte Ladakh war eine durch
und durch friedliche Gesellschaft. Bei Abwesenheit der
Geld- und Bodenproblematik gab
es kein leistungsloses Einkommen, keine Ausbeutung, keine
Aufspaltung in reich und arm. Soziale Spannungen blieben aus,
weil Wohlstand nur durch eigene Arbeit möglich war.
Abschließende Erkenntnis
Ladakh, wie es einmal war, stellte
eine Art Idealfall einer dörflichen
und volklichen Gemeinschaft
dar. Es war friedlich, umweltverträglich, kulturbewusst, insgesamt eine auf Überdauern hin angelegte und auf Höheres ausgerichtete Gemeinschaft.
Auch die Filmhersteller bedauern, dass diese alte Kultur infolge
westlicher Einflüsse unaufhaltsam zu zerfallen begonnen hat,
und wünschen sich, dass sie wieder herstellbar wäre.
Jedenfalls dürfte kaum jemand
widersprechen, dass solch ein Gemeinschaftsaufbau in seinen
Grundzügen richtig und nachahmenswert ist, auch für westliche
Völker, wobei freilich deren höhere zivilisatorische Stufe berücksichtigt werden muss.
ist das so? War es nur die Andersartigkeit der westlichen Kultur?
Wohl kaum. Es dürfte weit mehr
die Tatsache sein, dass die westliche Welt schon seit langem von einer tiefreichenden sozialen
Krankheit befallen ist. In den vergangenen 200 Jahren hat sie sich
in Gestalt der industriellen Revolution gezeigt, die so viele hässliche Begleiterscheinungen hatte,
und im letzten halben Jahrhundert ist sie offensichtlich in ihr
Endstadium eingetreten – mit
noch ungewissem Ausgang.
Der Schweizer Dichter Gottfried
Keller hat diese Krankheitsgefahren vor 140 Jahren in seiner Novelle Das Fähnlein der sieben Aufrechten deutlich angesprochen.
Den wackeren Schneidermeister
Hediger lässt er so reden: »Glücklicherweise gibt es bei uns keine
ungeheuer reichen Leute, der
Wohlstand ist ziemlich verteilt,
lass aber einmal Kerle mit vielen
Millionen entstehen, die politische Herrschsucht besitzen, und
du wirst sehen, was die für Unfug
treiben! Da ist der bekannte Spinnerkönig, der hat wirklich schon
viele Millionen.« Er sei freilich
noch ein „guter Bürger” und lebe
wie die anderen Menschen auch.
Aber: »Lass diesen Kauz ein politisches herrschsüchtiges Genie
sein ... und dann schau, was er
für einen Schaden anrichtet im
Gemeinwesen und wie er den
Charakter des Volkes verdirbt. Es
wird eine Zeit kommen, wo in unGottfried Keller, 1819-1890, Schweizer
Schriftsteller und Dichter
Woran krankt die
westliche Welt?
Die Berührung mit der westlichen Zivilisation hat Ladakh, wie
viele andere Länder der Welt zuvor, tiefgreifend und sehr zu seinem Nachteil verändert. Weshalb
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serem Lande, wie anderwärts,
sich große Massen Geldes zusammenhängen, ohne auf tüchtige
Weise erarbeitet und erspart worden zu sein; dann wird es gelten,
dem Teufel die Zähne zu weisen«
Wie Gottfried Keller sich die
Schweizer Einwohner wünschte
und wohl noch wirklich vor Augen hatte, erfahren wir aus der berühmten Rede, die der junge Karl
Hediger auf dem nationalen
Schützenfest von 1849 vor den
versammelten Eidgenossen hält:
»... aber sie [die 'sieben Aufrechten'] können über die wunderbare Tatsache des Vaterlandes nicht
hinauskommen. Zwar sind sie in
ihrer Jugend auch gereist und haben vieler Herren Länder gesehen, nicht voll Hochmut, sondern jedes Land ehrend, in dem
sie rechte Leute fanden, doch ihr
Wahlspruch blieb immer: Achte
jedes Mannes Vaterland, aber das
deinige liebe! Wie zierlich und
reich ist es aber auch gebaut! Je
näher man es ansieht, desto reicher ist es gewoben und geflochten, schön und dauerhaft, eine
preiswürdige Handarbeit! Wie
kurzweilig ist es, dass es nicht einen eintönigen Schlag Schweizer, sondern dass es Zürcher und
Berner, Unterwaldner und Neuenburger, Graubündner und Basler gibt, und sogar zweierlei Basler! Dass es eine Appenzeller Geschichte gibt und ein Genfer Geschichte; diese Mannigfaltigkeit
in der Einheit, welche Gott uns erhalten möge, ist die rechte Schule der Freundschaft, und erst da,
wo die politische Zusammengehörigkeit zur persönlichen
Freundschaft eines ganzen Volkes wird, da ist das Höchste gewonnen! Denn was der Bürgersinn nicht ausrichten sollte, das
wird die Freundesliebe vermögen
und beide werden zu einer Tugend werden!« Im besten Fall ist
ein Volk also eine lebensvolle Gemeinschaft, eine große Schicksalsgemeinschaft, die in sich vielfach gegliedert ist.
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»Bevor man die Welt verändert, wäre es
vielleicht wichtiger, sie nicht zugrunde zu richten.«
(Zitat von Paul Claudel, franz. Schriftsteller und Diplomat, 1868-1955)
Zerstörender
westlicher Einfluss
mit der Verschmutzung der Lebensgrundlagen u.v.a. ...
In Ladakh gab es jahrhundertelang die „persönliche Freundschaft eines ganzen Volkes”. Das
Eindringen westlicher Konzernwirtschaft aber hatte verheerende Folgen. Wie kam es zu dieser
Katastrophe? Durch einen banalen ökonomischen Vorgang: Von
außen strömten Güter herein, die
zu niedrigeren Preisen angeboten
wurden. Preiswerter waren sie,
weil sie unter günstigeren Voraussetzungen hergestellt werden
konnten – wegen besserer klimatischen oder sonstigen natürlichen Voraussetzungen oder wegen einer höherentwickelten Fertigungstechnik.
Ein Zweites kommt hinzu. Natürlich könnte man sagen: Die Ladakhis sind selber daran schuld.
Hätten sie die westlichen Massenwaren nicht gekauft, hätten
sie sich auf das Neue nicht eingelassen, wären sie ihrer überlieferten Wirtschaftsweise treu geblieben, dann hätten sie sich die alten Zustände bewahren können.
Doch es ist illusorisch, das zu erwarten. Die Verführungskraft
westlicher Technik und Konsumartikel – zu niedrigen Preisen – ist
einfach zu groß. Zudem werden
Coca-Cola, Blue Jeans, Pralinen,
Ton- und Videokassetten, Motorräder, Computer durch geschickte Werbefeldzüge allzu verlockend dargeboten.
Karl Marx beschrieb das im Kommunistischen Manifest (1848) zutreffend: »Die Bourgeoisie* reißt
durch die rasche Verbesserung
aller Produktionsinstrumente,
durch die unendlich erleichterten Kommunikationen alle, auch
die barbarischsten Nationen in
die Zivilisation. Die wohlfeilen
Preise ihrer Waren sind die
schwere Artillerie, mit der sie alle chinesischen Mauern in den
Grund schießt, mit der sie den
hartnäckigsten Fremdenhass der
Barbaren zur Kapitulation
zwingt. Sie zwingt alle Nationen,
die Produktionsweise der Bourgeoisie sich anzueignen, wenn
sie nicht zugrunde gehen wollen;
sie zwingt sie, die sog. Zivilisation bei sich selbst einzuführen, d.
h. Bourgeois zu werden. Mit einem Wort, sie schafft sich eine
Welt nach ihrem eigenen Bilde.«
Woran Marx noch nicht dachte:
Die niedrigen Preise heutiger Erzeugnisse werden großenteils mit
der Ausplünderung der Natur bezahlt, mit Bergen von Abfällen,
Man fühlt sich hier an den jungen Adeligen Ulrich von Rudenz
in Friedrich Schillers Wilhelm
Tell erinnert, der zu den Feinden
überlaufen will, weil er sich vom
Glanz des österreichischen Kaiserhofes hat blenden lassen. Das
einfache bäuerliche Leben zu
Hause verachtet er. Auch sein Onkel kann ihn zunächst nicht von
seinem Vorhaben abbringen. Beschwörend redet er auf seinen
Neffen ein: »Leider ist die Heimat
zur Fremde dir geworden! – Uli!
Uli! Ich kenne dich nicht mehr.
In Seide prangst du, die Pfauenfeder trägst du stolz zur Schau
und schlägst den Purpurmantel
um die Schultern, den Landmann blickst du mit Verachtung
an und schämst dich seiner traulichen Begrüßung [...] Ach Uli!
Uli! Ich erkenne sie, die Stimme
der Verführung! Sie ergriff Dein
offnes Ohr, sie hat dein Herz vergiftet.« Man kann Rudenz noch
verstehen, wenn es ihn nach
Wien trieb, denn dort erwartete
18/2006 · Sabine Hinz Verlag · Dreikönigstr. 11a · 73230 Kirchheim · Tel. (07021) 7379-0, Fax: -10 · [email protected] · www.kent-depesche.com
»Das Glück wohnt nicht im Besitze und nicht im
Gelde, das Glücksgefühl ist in der Seele zu Hause.«
(Zitat von Demokrit, griech. Naturphilosoph, 460-371 vor Chr.)
ihn eine Welt voller Glanz, die
das Herz berechtigterweise höher
schlagen ließ, weil sie noch echte
Kulturwerte zu schaffen imstande war. Aber kann man das der
westlichen Kommerzwirtschaft
noch nachsagen?
Wie dieser Lebensstil wohl einzuschätzen ist, hat der bekannte
– und umstrittene – Schweizer
Gesellschaftskritiker und Marxist Jean Ziegler gar nicht unrichtig einmal in die Worte gefasst:
»Eines Tages tritt der Kapitalismus in sein hegemonistisches*
Stadium – das heißt, in den Händen ganz weniger kommt es zu einer derartigen Konzentration
wirtschaftlicher Macht, dass der
Wettbewerb unter Kapitalisten
aufhört und sich in den verschiedenen lebenswichtigen Wirtschaftssektoren eines Landes Monopole bilden. Diese Monopole
aber haben eine natürliche Expansionstendenz. Sie müssen
weiter wachsen, neue Märkte erschließen, Rohstoffgebiete sichern, kurz, ihre Profite, ihre
Macht unaufhörlich steigern.
Dies ist nur möglich durch die Eroberung neuer, jenseits der ursprünglich nationalen Grenzen
liegender Regionen ... In den Händen der kapitalistischen Oligarchie* (Westeuropa, Nordameri*Bourgeoisie: Begriff für das wohlhabende Bürgertum. Bei Karl Marx: herrschende
Klasse der kapitalistischen Gesellschaft,
die im Besitz der Produktionsmittel ist (zu
franz. bourgeois: Bürger, zu: bourg: Burg,
Marktflecken, zu deutsch: Burg).
*hegemonisch/Hegemonie: Vorherrschaft, Vormachtstellung, die ein Staat gegenüber einem anderen oder anderen
Staaten besitzt. Überlegenheit politischer,
wirtschaftlicher o.ä. Art (zu griech. hegemon: Führer, hegemonia: Führung).
*Oligarchie: Staatsform, in der eine kleine
Gruppe die politische Herrschaft ausübt
(zu griech. oligos: wenig, gering und griech
archein: führen, herrschen).
*Imperialismus: Bestreben einer Großmacht, ihren politischen, militärischen und
wirtschaftlichen Macht- und Einflussbereich immer weiter auszudehnen (lat. imperium bzw. lat. imperare: befehlen).
ka, Japan) wird das Finanzkapital zu einer Eroberungswaffe
von ungeheurer Macht. Im Vergleich zu ihr sind die Armeen des
Dschingis Khan, Alexanders, Cäsars niedliche Spielzeugwaffen.
Dem Finanzkapital unterwirft
sich ein Volk nach dem andern.«
In der Tat ist der Imperialismus*
der Staaten nicht mehr Träger einer alternativen Zivilisation. Er
zerstört die Kultur oder die Kulturen des eroberten Volkes. Um
sie wodurch zu ersetzen? Durch
nichts. Oder – genauer – durch eine Ideologie, die den Menschen
auf seine bloße Warenfunktion
reduziert und ihn seiner eigentlichen Daseinsberechtigung, seines persönlichen Schicksals und
seiner elementaren kulturellen
Mittel beraubt.« [Zitatende]
Wollen wir die Zustände verstehen, ändern und eine bessere
Welt bauen, so müssen wir genau
diese o.g. Ideologie (er)kennen,
analysieren und als das identifizieren, was sie ist. Wir sollten uns
zudem mit den Begründern (Erfindern) dieser Ideologie und ihren Motiven (!) befassen, denn
nur dann, wenn wir erkennen können, worin genau wir gefangen
sind (waren), können wir uns befreien und eine neue Welt bzw.
Inseln des Lebens erbauen.
Michael Kent
WICHTIG: Die Texte dieser Depesche wurden dem ganz hervorragenden Buch von Reiner
Bischoff „Entmachtung der Hochfinanz” entnommen, von dem der Deutsche Rechts- und Lebensschutz-Verband (DRLV) eine zweite Sonderausgabenauflage in Höhe von 10.000
Stück hat herstellen lassen. Denn es soll mit seiner Verbreitung eben das bewirkt werden,
was der Buchtitel verspricht. Daher bietet der DRLV auch folgende Staffelkonditionen an: 1
St.: € 24,80 / 3 St.: € 49 / 5 St.: € 70 / 10 St.: € 105 / 20 St. € 170 / 50 St.: € 350 / 100 St.: € 600.
Die weiteren 390 Buchseiten (!) sind nicht minder gehaltvoll und weise als jene 18, die in dieser Depesche abgedruckt wurden. Keine Soft-Lektüre für zwischendurch, aber die Beschäftigung mit dem Material wird durch ein tiefes Verständnis der weltweiten Zusammenhänge
und einer Lösung der Geld- und Bodenfrage im klassisch-freiwirtschafltichen Sinne belohnt.
Der Verfasser und Herausgeber wendet sich auf dem Buchrücken an seine
Leser mit den Worten: »Sind Sie nicht
auch der Meinung, dass es in unserem
Land (und anderswo) so nicht weitergehen kann – und nicht darf? Spüren Sie
auch, dass die Regierenden weitgehend ratlos sind? Erblicken Sie irgendwo eine „etablierte” politische Kraft, der
Sie zutrauen das Steuer herumzureißen? Geben Sie sich noch immer der
Hoffnung hin, dass ein Regierungswechsel eine entscheidende Wende
bringen könnte? Dass ein neuer Kanzler – um nur ein paar Beispiele zu nen-
nen – die Massenarbeitslosigkeit überwinden, die Pleitewelle eindämmen, die
hohe Staatsverschuldung zurückführen, die Naturverwüstung beenden, die
allgemeine Verrohung bändigen, unser
Land aus den weltweiten Krisen heraushalten könnte? Nein, er könnte es
nicht. Ganz einfach deshalb nicht, weil
wir in einem System leben, in welchem
die Weichen eindeutig in die falsche
Richtung gestellt sind. In diesem System ist es unvermeidlich, dass einige
wenige immer reicher und mächtiger
werden, während die Mehrheit verarmt.
In diesem System ist die Wirtschaft zu
einem zwanghaften Dauerwachstum
verurteilt, bis die Rohstoffe verbraucht,
die Artenvielfalt ausgerottet und unser
aller Lebensgrundlagen vernichtet sind.
In diesem System bildet sich eine Hochfinanz heraus, die auf Globalisierung
programmiert ist, die Auflösung von Völkern und Kulturen in Kauf nimmt und
nicht zuletzt immer neue kriegerische
„Friedensmissionen” durchführt. Worin
das Wesen dieses Systems besteht,
was seine Ursachen und Folgen
sind, jedoch auch, wie dieses System wirksam zu überwinden ist – das
alles erfahren Sie aus diesem Buch.
Teil-I: Natur und Kultur in Gefahr
• Das Beispiel Ladakh • Westlicher Konzernkapitalismus • Zinsverursachte Fehlentwicklungen • Produzieren um der Rendite willen • Globalismus aus zinskritischer
Sicht • Voraussetzungen nationaler
Selbstbestimmung • Wie kommt es zu Weltwirtschaftskrisen? • Das Beispiel EU •
Kommt der Weltstaat? • Amerika – die einzige Weltmacht • Macht ohne Moral • Bessere Demokratie möglich?!
Teil-II: A) Zur Geldfrage Heutige Geldpolitik • Die entscheidende Geldrechtsverbesserung • Wechselkursproblematik • Zusammensetzung des Zinses • Buchgeldfrage • Forderung für ein neues Notenbankgesetz • Gesellschaftsentwicklung
nach der Zinsüberwindung!!
Teil-II: B) Zur Bodenfrage Das Bodenrecht verbessern • Thema Bodenschätze.
Teil-III: Die Vorgehensweise
DLRV – Deutscher Rechts- und
Lebensschutz-Verband
Geschäftstelle: Freie Republik Uhlenhof
Postfach 1, D-25884 Viöl
Tel. (04 83) 27 0 25, Fax: (04 83) 10 87
Postbank HH (200 100 20), Kto: 9641-208
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