zukunft jetzt | Nr. 2/2016 | Ausgabe Oldenburg Bremen

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zukunft jetzt | Nr. 2/2016 | Ausgabe Oldenburg Bremen
AUSGABE 2.2016
www.deutsche-rentenversicherung.de
Das Magazin der Deutschen Rentenversicherung
Frauen
heute
Zwischen Job und Familie
Generation Y
Interview mit „Zeit“-Autorin
Kerstin Bund
Chronisch kranke Lunge
Dank Reha endlich
wieder durchatmen
Inhalt
Gleiche Chancen für
Männer und Frauen? Titelfoto: J. Wagner; Fotos: F. Jaenicke; DEutsche Rentenversicherung Oldenburg Bremen
Viele Paare kennen das. Beide sind erfolgreich im
Beruf, tragen Verantwortung. Doch sobald sich
Nachwuchs ankündigt, stecken meist die Frauen
zurück. Das hat Folgen für die Alterssicherung.
Gesetze, Tarifverträge und die Leistungen der
Sozialversicherungsträger sollen hier auch einen
Ausgleich schaffen. Kindererziehung zum Bei­
spiel steigert die spätere Rente – auch wenn in
dieser Zeit keine eigenen Beiträge gezahlt wer­
den. Doch das allein reicht nicht. Für Männer und
Frauen gilt: Wer im Alter finanziell unabhängig
sein will, muss während des Berufs­
lebens die Grundlagen dafür schaf­
fen. Dazu gehören eine gute Aus­
bildung und ein Vollzeitjob. In part­
nerschaftlichen Beziehungen soll­
ten sich die Partner die Familien­
arbeit teilen.
In diesem Heft stellen
wir Ihnen Frauen zwi­
schen Job und Familie
vor und zeigen Ihnen,
wie die Rentenversiche­
rung bei der Planung
Ihrer Altersvorsorge
helfen kann.
Peter-Oliver Weber,
Geschäftsführer der
Deutschen Rentenversicherung
Oldenburg-Bremen
Ausgabe 2.2016
LEBEN
4 Panorama: Wie Frauen und
Männer den Tag nutzen
6 Familien: Wofür es Pluspunkte in der Rente gibt
8 Frauen im Beruf: Zwischen
Job, Familie und Ehrenamt
13 Meine Zukunft: Warum Pilotin
Kira Weidlin ihren Beruf liebt
16 Dialog: Autorin Kerstin Bund
über die Generation Y
VOR ORT
20 Unternehmenskultur: Beruf
und Familie vereinbaren
22 Jubiläum: 125 Jahre Rentenversicherung
VORSORGE
24 Altersvorsorge: Frauen
wünschen Flexibilität
GESUNDHEIT
28 Rehabilitation: Endlich
wieder durchatmen
32 Prävention: Perspektiven
für Pflegekräfte
34 zukunft NETZ
34 Impressum
zukunft jetzt 3
Leben
Ein ganz normaler Tag
Wie 30- bis 44-jährige Männer und Frauen
mit Kindern ihre Zeit verbringen
Durchschnittlicher Zeitaufwand
(in Stunden) pro Tag von Paaren
mit Kindern
Schlafen
7:58
Mahlzeiten
1:33
Körperpflege und Persönliches
1:26
Erwerbsarbeit
5:29
Haushalt und Familienbetreuung
Männer verbringen mehr
Zeit im Beruf und arbeiten
weniger im Haushalt
als Frauen. Was wie ein
Klischee aus vergangenen
Zeiten erscheint, ist noch
immer Realität. Das bele­
gen jedenfalls Zahlen des
Statistischen Bundes­
amts. Sie zeigen, wie sich
das tägliche Zeitbudget
von Paaren mit Kindern
unterscheidet.
3:02
darunter Kinderbetreuung
0:52
Ehrenamt
0:16
Soziales Leben und Unterhaltung
1:31
Sport, Hobbys, Spiele
0:41
Mediennutzung
2:24
4 zukunft jetzt
Ausgabe 2.2016
Leben
8:13
1:41
1:35
2:27
5:52
1:42
0:13
1:40
2:20
Ausgabe 2.2016
Illustration: E. Nohel
0:34
Quelle: Zeitverwendungserhebung 2012/2013,
Statistisches Bundesamt Wiesbaden 2015
zukunft jetzt 5
Leben
5
Pluspunkte für Familien Wer Kinder erzieht oder
Angehörige pflegt, hat oft
Nachteile beim Einkom­
men. Das wirkt sich auch
auf die Rente aus. Es gibt
aber Regelungen, die
wenigstens teilweise für
einen Ausgleich sorgen.
1
Kindererziehungszeit
Zeit für seine Kinder zu haben, ist eine tolle
Sache – und steigert die Rente. Für jedes Kind
bekommt der Elternteil, der sich hauptsächlich
um die Erziehung des Nachwuchses geküm­
mert hat (meist die Mutter), „Entgeltpunkte“
auf seinem Rentenkonto gutgeschrieben: für
bis 1991 geborene Kinder jeweils zwei Punkte,
für ab 1992 geborene Kinder jeweils drei
Punkte. Jeder Punkt ist so viel wert wie der
Rentenanspruch eines Beschäftigten, der
durchschnittlich verdient (2016: circa 36 300 Euro Jahresverdienst).
Schon ein bis 1991 gebore­
nes Kind steigert die
Rente im Alter um mehr
als 58 Euro in den alten
und mehr als 54 Euro
in den neuen Ländern –
jeden Monat! 2
Berücksichtigungszeit
und Niedrigverdienste
Neben der Kindererziehungszeit wirkt sich die Kinderberücksichtigungs­
zeit positiv auf die Rente aus. Sie umfasst in der Regel die Zeit von der
Geburt des ersten bis zum 10. Geburtstag des jüngsten Kindes. Meist
steigert sie die Rente nicht unmittelbar. Diese Zeit hilft aber, zusammen
mit anderen Zeiten die für eine Rente notwendige Mindestversiche­
rungszeit zu erreichen. Zudem werden geringe Arbeitseinkünfte von
Müttern oder Vätern, die innerhalb der Kinderberücksichtigungszeit
arbeiten, bei der Rentenberechnung höher bewertet.
6 zukunft jetzt
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Leben
3
Versorgungsausgleich
4
Trotz bester Vorsätze: Nicht jede Ehe hält,
bis einer der Partner stirbt. Das erfahren in
Deutschland jedes Jahr mehr als 160 000 Paare.
Dann werden die während der Ehe von beiden ExPartnern gesammelten Rentenansprüche vom Familiengericht ermittelt und je zur Hälfte auf die Geschiedenen
aufgeteilt. Das gilt auch für die Ansprüche auf eine betriebliche
Altersversorgung oder eine private Vorsorge (etwa Riester-Rente).
Häufig profitieren Frauen von diesem Versorgungsausgleich. Bei der
gesetzlichen Rente bekommen sie dann einen Zuschlag. Der macht
sich bei Altersrenten im Schnitt mit rund 250 Euro monatlich bemerkbar.
Pflege von Angehörigen
Fotos: wdv/J. Lauer; Illustrationen: E. Nohel
Mehr als 1,9 Millionen Pflegebedürftige werden in häuslicher Umgebung gepflegt –
nicht selten von der Tochter oder Schwiegertochter. Da diese Arbeit nicht nur
körperlich und psychisch stark belastet, sondern viel Zeit kostet,
zahlt die Pflegekasse des Pflegebedürftigen für die „Pflegeperson“ Rentenbeiträge – sofern diese nebenher nicht
mehr als 30 Stunden pro Woche arbeitet. Je zeitaufwendiger und anstrengender die Pflege, desto höher
die Beiträge. Ein Jahr nicht erwerbsmäßige Pflege
(mindestens 14 Stunden pro Woche) eines Pflegebedürftigen, der in Pflegestufe I eingruppiert ist, steigert die
spätere Rente – nach heutigen Werten – monatlich um
knapp 7,50 Euro in den alten und 6,90 Euro in den neuen
Ländern. In „zukunft jetzt“ 3/2016 berichten wir ausführlich
über die Pflegereform und die neuen Pflegegrade ab 2017.
5
Witwen-/Witwerrente
Auch wenn ihre Bedeutung langsam zurückgeht: Noch immer bekommen
mehr als 4,7 Millionen Frauen nach dem Tod ihres Ehepartners oder der
eingetragenen Lebenspartnerin eine Witwenrente – gegenüber etwa 625 000
Männern, die eine Witwerrente erhalten. Die Witwenrente ist vor allem wichtig, wenn die Frau eines Verstorbenen nur kurze Zeit in ihrem Leben
erwerbstätig war und/oder wenig verdient hat. Sie umfasst 55 Prozent des
Rentenanspruchs des Verstorbenen plus Zuschlag für jedes Kind (wenn beide
Partner vor dem 2.1.1962 geboren wurden und die Ehe vor dem 1.1.2002 geschlossen wurde: 60 Prozent). Übrigens: Stirbt der geschiedene Partner einer
Mutter oder eines Vaters minderjähriger Kinder, erhält der hinterbliebene Partner
auf Antrag unter Umständen eine Erziehungsrente.
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zukunft jetzt 7
Leben
» Ich hätte eine halbe Million Euro auf
einer Messe im Koffer haben können.
Es hat einfach keiner mit mir geredet.«
Felicia Ullrich (50) lebt mit ihren Söhnen und ihrem
zweiten Mann in Solingen. Sie ist Geschäftsführende
Gesellschafterin einer Druckerei und eines Verlags, die
sie vor knapp 20 Jahren zusammen mit ihrer Schwester
von ihrem Vater übernahm. Sie legt viel Wert auf
familienfreundliche Arbeitsbedingungen.
Zudem verdienen Frauen das Gleiche wie Männer.
„Aber nur, weil ich darauf achte“, sagt Ullrich. Zunächst
nahmen viele Männer der Branche sie nicht ernst. „Ich
war zum Beispiel auf einer Fachmesse, um eine neue
Druckmaschine zu kaufen, und die Mitarbeiter am Mes­
sestand haben mich ignoriert“, erzählt sie.
Sie hat zwei Söhne, die elf und 16 Jahre alt sind. Bei bei­
den Kindern hat sie nach wenigen Wochen wieder voll
gearbeitet. Am meisten ärgert es sie, dass in der Gesell­
schaft die klassische Rollenverteilung verankert sei.
„Kindergärtnerinnen und Lehrer wenden sich immer an
mich, wenn es was zu organisieren gilt, nie an meinen
Mann. Umgekehrt sind alle begeistert, dass er die Kinder
von der Schule abholt. Es ist offensichtlich überhaupt
nicht selbstverständlich, dass beide ihren Teil zur Erzie­
hung beitragen.“
Alexandra Bernhardt (34) arbeitet in Erfurt als DesignIngenieurin und engagiert sich ehrenamtlich im Jugend­
hilfeausschuss der Stadt. „Nach dem ersten Kind habe ich
für ein Jahr ganz ausgesetzt und dann in Teilzeit gearbei­
tet. Inzwischen hat mein Mann seine Arbeitszeit auf 30
Stunden reduziert, damit ich wieder voll einsteigen konn­
te.“ Kritisiert werde sie dafür nicht. Im Gegenteil. „Bei uns
ist die Akzeptanz für arbeitende Mütter sehr hoch.“
Dennoch sind auch in den neuen Ländern die Rollen klar
verteilt: „Von meinen männlichen Kollegen reduziert kaum
einer seine Stunden, um mehr Zeit für seine Kinder zu
haben“, sagt Bernhardt. Das Unternehmen, in dem sie
arbeitet, sei sehr familienfreundlich eingestellt. Teilzeit sei
kein Problem, sie könne auch von zu Hause arbeiten und es
gäbe für Mitarbeiter Plätze in einem Kindergarten. „Trotz­
dem habe ich keine Chance auf eine Führungsposition, so
lange ich wegen der Kinder nicht bereit bin, Überstunden
und Dienstreisen zu machen.“
8 zukunft jetzt
Ausgabe 2.2016
Leben
Zeit für mehr
Frauen-Power
Der Weg zur Gleichberechtigung ist immer noch lang –
aber erste Schritte zu mehr Chancengleichheit sind getan Weil Frauen ihre Karriere
eher für die Familie unter­
brechen oder in Teilzeit
arbeiten, ist es für sie
schwerer als für Männer,
auch gut bezahlte
Positionen zu erreichen.
leiche Bezahlung für gleiche Arbeit, gleiche Karrierechancen für Frauen und
Männer, eine ausgewogene Aufgabenverteilung im Haushalt und bei der Kindererziehung: In der Arbeitswelt und in vielen Familien ist das noch immer nicht die Realität. Zwar
hat sich in den vergangenen Jahrzehnten in
Sachen Gleichberechtigung bereits manches
getan. So können beispielsweise Familie und
Beruf besser vereinbart werden. Von gleichen
Bedingungen kann jedoch weiterhin keine Rede sein.
G
Verteilung der Arbeitszeit
» Jeder muss
herausfinden,
mit welcher Rolle
er sich in der Familie
am wohlsten fühlt.«
Ausgabe 2.2016
Frauen und Männer legen gleichermaßen hohen Wert auf eine Berufstätigkeit. Dennoch sind es häufiger Frauen, die nach der Geburt des ersten Kindes für längere Zeit ihre Arbeitszeit reduzieren. „Vor allem bestimmen dann Konstellationen mit einer Vollzeitbeschäftigung des Vaters und einer Teilzeitbeschäftigung der Mutter das Bild, wobei aber der zeitliche Umfang dieser Teilzeitarbeit stark variiert.“ Das hat das Institut für Demoskopie Allensbach 2015 in einer Studie im Auftrag des Bundesfamilienministeriums (BMFSFJ) festgestellt. Zwar wünschten sich viele Eltern kleiner Kin-
zukunft jetzt 9
Leben
» Auf das Potenzial von
hoch qualifizierten Frauen
können Unternehmen heute
nicht mehr verzichten. «
der eine längere Teilzeitphase des
Vaters, so das Ministerium. Auf seiner Webseite stellt das BMFSFJ fest:
„60 Prozent aller Paare mit kleinen
Kindern wünschen sich heute eine
partnerschaftliche Arbeitsteilung, in
der beide Eltern die Chance haben,
sowohl für die Familie da zu sein als
auch Aufstiegsmöglichkeiten im Be-
ruf zu haben. Doch nur 14 Prozent leben dieses Modell auch.“
Teilzeitarbeit hat laut einem Report
des Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Instituts (WSI) bei der
Hans-Böckler-Stiftung seit Anfang
der 1990er-Jahre stark zugenommen. Sie ist jedoch zwischen den Geschlechtern sehr unterschiedlich ver-
teilt: „Im Jahr 2012 ist in Deutschland rund jede zweite aktiv erwerbstätige Frau (47 Prozent) in Teilzeit beschäftigt, aber nur jeder zwölfte
Mann (8 Prozent)“, heißt es in der
Studie. 2014 waren es neun Prozent.
Zudem seien insbesondere Mütter in
Ostdeutschland „deutlich seltener
teilzeitbeschäftigt“.
Lisa Bauer (24) lebt in Düsseldorf und hat ihre be­
rufliche Laufbahn gerade begonnen. Sie hat gerade
die Ausbildung zur Kauffrau für Bürokommunikation
abgeschlossen und wohnt mit ihrem Freund zusam­
men im Düsseldorfer Stadtteil Urdenbach. Eine eher
ländliche Gegend, die aber ideal wäre, um dort Kin­
der großzuziehen.
„Später möchte ich eine Familie“, sagt sie. „Ich
würde mich auch hauptsächlich um die Kinder
kümmern wollen, damit ich sie aufwachsen sehe.“
Ihr Partner solle sich aber schon an den Aufgaben
beteiligen. Über ihre Karriere denkt sie derzeit
wenig nach, weil sie gerade ihre erste feste Stelle
angetreten hat. Trotzdem findet sie es unfair,
dass ihr Kinderwunsch die beruflichen Chancen
verschlechtern könnte.
10 zukunft jetzt
» In einer Familie
würde ich mich
hauptsächlich um
die Kinder kümmern
wollen. «
Ausgabe 2.2016
Leben
Karin Schwartz (39) ist seit drei
Jahren Vorstandsmitglied der
Sparda-Bank Südwest und lebt mit
ihrem Mann in Schornsheim.
Sie hat ihre Karriere ohne Quote
gemacht. Leicht hat sie es aber
nicht. „Es gibt schon noch viele
Männer, die mit Frauen in Füh­
rungspositionen nicht umgehen
können“, sagt sie. Viele Frauen
würden ihr auch vorwerfen, keine
Kinder zu haben. Für diesen Druck
von beiden Seiten braucht sie ein
gesundes Selbstbewusstsein.
Nach einer Ausbildung bei der
Sparda und einem berufsbeglei­
tenden BWL-Studium bekam sie
von Vorgesetzten den Hinweis, sie
möge doch noch den diplomierten
Bankbetriebswirt draufsatteln –
Ausgabe 2.2016
die Voraussetzung für einen
Vorstandsposten. Heute ist sie
gemeinsam mit ihren Vorstands­
kollegen für 800 Mitarbeiter
verantwortlich. Derzeit plant sie
die Einführung von Heimarbeits­
plätzen, was im Bankenwesen
eine mutige Entscheidung ist.
„Ich denke, es wird höchste Zeit,
dass Unternehmen mehr tun müs­
sen, wenn sie gute Kräfte binden
wollen.“ Gleichzeitig glaubt sie,
dass es auch Aufgabe der Frauen
sei, sich stärker durchzusetzen.
„Wenn ein Mann und eine Frau sich
intern auf eine Stelle bewerben,
für die beide noch Qualifikationen
erwerben müssten, sagt die Frau:
'Ich lerne das.' Und der Mann sagt:
'Ich kann das.'“
Weil Frauen ihre Karriere eher für die Familie
unterbrechen oder in Teilzeit arbeiten, ist es für
sie schwerer, ähnlich gut bezahlte Positionen
wie Männer zu erreichen.
Bezahlung von Frauen
und Männern
Frauen verdienten nach Angaben des Statistischen Bundesamts 2014 über alle Berufe und
Branchen hinweg rund 21 Prozent Bruttostundenlohn weniger als Männer – allerdings mit
deutlichem West-Ost-Gefälle: In den alten Ländern waren es im Schnitt 23 Prozent, in Ostdeutschland acht Prozent. Bei vergleichbaren
Tätigkeiten und Qualifikationen verdienten
Frauen „7 Prozent weniger als Männer“, wobei
der geschlechtsspezifische Verdienstabstand
laut WSI umso mehr wächst, je verantwortungsvoller die Position ist.
zukunft jetzt 11
Leben
» Die jungen Frauen
haben heute mehr
Möglichkeiten,
müssen aber auch
mehr kämpfen. «
Um langfristig das Prinzip „Gleicher
Lohn für gleiche Arbeit“ durchzusetzen, plant die Bundesregierung ein
Gesetz zur Lohngerechtigkeit. Zugleich will sie mit den Sozialpartnern
eine Initiative starten, „um die Muster von struktureller Entgeltungleichheit in Tarifverträgen zu erkennen und zu überwinden“. Rückenwind erhofft sie sich dabei von
vielen Frauen, die laut einer aktuellen Studie zu über 90 Prozent gleichen Lohn für gleiche Arbeit fordern.
Als Ulla Werth (64) ihre beiden Töchter
bekam, stellte sich die Frage, ob ihr Mann
einen Teil der Betreuung übernimmt,
noch nicht. „Ich war acht Jahre lang
überwiegend zu Hause“, sagt sie, „und
habe mich dabei stundenweise in den
kaufmännischen Bereich eingearbeitet.“
Die gelernte Lacklaborantin machte
Stenokurse, lernte Schreibmaschine und
Buchhaltung. Später arbeitete sie 23
Jahre Vollzeit im Bereich Ausbildung in
der Firma, in der sie gelernt hatte.
Heute ist sie Rentnerin und vermittelt
ehrenamtliche Tätigkeiten im Wupper­
taler Zentrum für gute Taten und betreut
zusätzlich junge Menschen, die Pro­
bleme bei der Suche nach einem Aus­
bildungsplatz haben. „Ich bin zufrieden“,
sagt sie. „Aber manchmal wünsche ich
mir doch, dass ich früher einige der heu­
tigen Möglichkeiten gehabt hätte.“
Die wichtigsten Ursachen für die
Gehaltsunterschiede sind laut BMFSFJ:
unterschiedliche Branchen und
Berufe, in denen Frauen und
Männer tätig sind,
hergebrachte Rollenbilder,
längere familienbedingte
Erwerbsunterbrechung,
schlechtere Karrierechancen, unter anderem, weil Führungskräfte
in Teilzeitjobs selten sind.
•
•
•
•
Viele Frauen stehen also vor einem
praktischen Problem, das die Studie
„Biografiemuster und Alterseinkommensperspektiven von Frauen“ des
12 zukunft jetzt
Bundesfamilienministeriums so zusammenfasst: Frauen seien heute
selbstbewusster, Entscheidungen in
der Partnerschaft würden mehrheitlich gemeinsam getroffen. In der Praxis landeten die negativen Folgen jedoch hauptsächlich bei den Frauen,
so das BMFSFJ: „Frauen bekommen
Kinder, geben ihren Job auf, verlieren infolgedessen ihr eigenes Einkommen und berufliche Perspektiven. Wollen sie wieder in den Beruf
einsteigen, dann oft auf einer niedrigen Stufe mit schlechterer Bezahlung
und ungünstigen beruflichen Entwicklungschancen.“
Seit Mai 2015 soll ein Gesetz für die
„gleichberechtigte
Teilhabe
von
Frauen und Männern an Führungspositionen in der Privatwirtschaft
und im öffentlichen Dienst“ sorgen.
Laut Statistischem Bundesamt stellen
die Frauen in Deutschland aktuell
zwar knapp 51 Prozent der Bevölkerung. In den Führungspositionen
deutscher Unternehmen blieb der
Anteil von Frauen in den vergangenen Jahren aber nahezu unverändert
bei nur knapp 30 Prozent – und damit unter dem Durchschnitt der Europäischen Union (EU).
Der Frauenanteil in den Aufsichtsräten börsennotierter Unternehmen
hat sich in den vergangenen zehn
Jahren verdoppelt. Dennoch gelang
es erst durch ein Gesetz, dass seit Beginn dieses Jahres 30 Prozent der
neuen Aufsichtsratsposten in etwa
100 großen Unternehmen mit Frauen besetzt werden müssen. Derzeit
sind es laut einer aktuellen Studie 22
Prozent. Allerdings lag der Frauenanteil in den Vorständen von DAXUnternehmen (inklusive MDAX,
SDAX, TecDAX) Mitte 2015 gerade
einmal bei fünf Prozent. Sogar nur eines der 160 gelisteten Unternehmen
hatte eine Geschäftsführerin.
Ausgabe 2.2016
Fotos: wdv-O. Szekely; J. Wagner
Besetzung von
Führungspositionen
Leben
uf die Idee mit dem Fliegen
kam Kira Weidlin schon als
Kind: „Mein Vater ist Pilot – und
meine Mutter Stewardess. Etwas klischeehaft, ich weiß“, sagt sie und
lacht. Seit fünfeinhalb Jahren fliegt
die 28-Jährige für Lufthansa, derzeit
als Co-Pilotin.
Bei der Frage, warum sie sich gegen das ursprünglich geplante BWLStudium entschieden hat, muss
Weidlin nicht lange überlegen. „In
welchem anderen Beruf könnte ich
jeden Tag die Sonne sehen?“ Immer
wieder neue Orte kennenzulernen,
die Welt aus einer anderen Perspektive zu betrachten – das macht für sie
die Faszination des Jobs aus. „Im
letzten Monat bin ich nach Jordanien
geflogen und konnte das erste Mal im
Toten Meer schwimmen. So etwas
vergisst man nicht so schnell.“ Pilotin zu sein heißt, mit wenig Routine
A
» Im Cockpit macht es keinen Unter­
schied, ob man Frau oder Mann ist. «
zu leben. „Die Schichtwechsel haben
natürlich ihre Nachteile: Treffen muss
ich manchmal sehr spontan ausmachen. Dafür wird es nie langweilig.“
Im Cockpit fällt Weidlin auf – einfach,
weil sie eine Frau ist. Nur sechs Prozent
der Piloten bei Lufthansa sind weiblich.
„Da schauen die Fluggäste vor dem
Start zweimal hin. Es kam auch schon
der flotte Spruch: ,Gut gelandet für eine
Frau.‘“ Davon lässt sie sich aber
nicht aus der Ruhe bringen.
Den Frauenmangel in ihrem Beruf
kann sich Weidlin nicht wirklich erklären. „Vielleicht liegt es an den vielen technischen Fragen in den Einstellungstests, die Bewerberinnen
abhalten?“ Im Umgang mit Kollegen
ist das Geschlecht zumindest kein
Thema. „Piloten haben bestimmte
Charakterzüge. Wir sind weniger
problem-, eher lösungsorientiert“,
erzählt sie. „Beim Flug ist es unwichtig, ob Mann oder Frau neben dir
sitzt, da muss es einfach zwischenmenschlich funktionieren.“
Kiras großer Traum ist ein ganz
bestimmtes Flugzeug – der Airbus
A380. „Derzeit fliege ich noch Kurzstrecke mit dem A320. Langfristig
wäre es mein Traum, die Lizenz für
den größeren A380 zu machen. Ich
bin gespannt, wie das wird.“
Foto: wdv-O. Szekely
Jeden Tag
Sonne
Frauen im Cockpit? Noch
immer eine Seltenheit. Kira
Weidlin arbeitet als Pilotin.
Ausgabe 2.2016
zukunft jetzt 13
Leben
Leben
geht auch anders
Wie die Generation Y Job und Privatleben vereinbaren will
ls „Generation Y“ werden die
Geburtsjahrgänge von circa
1980 bis 1995 bezeichnet. Laut
Studien rückt für diese Generation
die Freude an der Arbeit und deren
Sinn stärker ins Zentrum. Sie fordert
eine bessere Balance zwischen Beruf,
Familie und Freizeit und ist bereit,
dafür auf Statussymbole zu verzichten. „Zeit“-Redakteurin Kerstin Bund
hat diese Generation in ihrem Buch
„Glück schlägt Geld – Generation Y:
Was wir wirklich wollen“ unter die
Lupe genommen.
A
Was war der Grund für Ihr Buch?
Angefangen hat es mit einer Recherche für eine Titel-Geschichte in der
„Zeit“, die außergewöhnlich viel Resonanz gefunden hat – positiv und
negativ. Die Jüngeren fanden sich
darin wieder, die Älteren waren eher
skeptisch. Danach hat sich bei mir
ein Literaturagent gemeldet, der
mich fragte, ob ich nicht daraus ein
Buch entwickeln möchte. Zunächst
16 zukunft jetzt
war ich unsicher, aber nach internen
Gesprächen wurde ich für zwei Monate von meiner Arbeit für dieses
Buch freigestellt.
Woher stammt der Begriff
„Generation Y“?
Zunächst ist es nichts anderes als der
alphabetisch-logische Nachfolgebegriff für „Generation X“, der durch
den 1991 erschienenen, gleichnamigen Roman von Douglas Coupland
bekannt wurde. Der Nebeneffekt ist,
dass der Buchstabe „Y“ im Englischen als „why“ – warum – ausgesprochen wird. Das passt ganz gut zu
dieser Generation, die einiges hinterfragt und anders machen möchte.
Unter „bedingt leistungsbereit“ verstehe ich, dass sich die Generation Y
nicht mehr alles bieten lassen will;
sie ist nicht bereit, alles zu akzeptieren, was der Arbeitgeber verlangt.
Sie hinterfragt einiges, stellt gewisse
Bedingungen und hat Ansprüche.
Ihre Mitglieder fordern zum Beispiel eine bessere Vereinbarkeit von
Familie und Beruf, einen Beruf, der
nicht nur das Einkommen sichert,
sondern auch eine gewisse Sinnhaftigkeit mitbringt. Sie hoffen, dass sie
ihre Arbeit zu einem gewissen Grad
selbstbestimmt machen können.
Wenn diese Bedingungen erfüllt
sind, dann ist auch die Generation Y
sehr leistungsbereit.
Von der Generation Y heißt es, sie
sei nur bedingt leistungsbereit.
Kann sie tatsächlich ohne Fleiß
ihre Ziele erreichen?
Nein. Ich glaube auch nicht, dass diese Generation – im Gegensatz zu
manchem Vorurteil – wirklich faul ist.
Leben und arbeiten in Einklang brin­
gen. Sehen Sie dafür schon Ansätze?
Ich sehe Ansätze, aber wir sind noch
längst nicht am Ziel. Es gibt immer
mehr Unternehmen, die erkennen,
dass Arbeitnehmer auf die genannten Bedingungen Wert legen – übriAusgabe 2.2016
Leben
gens nicht nur die jungen, sondern
auch die älteren. Doch die jüngeren
trauen sich, es etwas stärker einzufordern. Wir stehen aber erst am Beginn
eines Wandels in der Arbeitswelt.
Sie befürchten künftig Führungs­
losigkeit in Unternehmen, wenn diese
Führungspositionen nicht in Teilzeit
anbieten. Ist das realistisch?
Fakt ist, dass sich auch viele Führungskräfte Teilzeitmodelle wünschen. Und
es gibt auch schon Unternehmen, die
solche Modelle anbieten. Daran sieht
man: Auch bei den Führungskräften
besteht ein Bedarf, mehr Teilzeit zu arbeiten. Viele denken aber im Moment
noch, dass das mit ihrer Karriere nicht
vereinbar sei. Derzeit sitzen noch die
„Babyboomer“ in den Chefsesseln –
und die sind in der Regel ganz anders
sozialisiert. Aus ihrer Sicht ist Vollzeitarbeit von Führungskräften logisch,
weil viele noch die Ochsentour machen
und sich gegen viele Widerstände
durchsetzen mussten.
Ausgabe 2.2016
ZUR PERSON
Kerstin Bund ist seit 2009 Redakteurin
der Wochenzeitung „Die Zeit“und sorg­
te 2014 mit ihrem Buch „Glück schlägt
Geld – Generation Y: Was wir wirklich
wollen“ für Aufsehen. Die 1982 in Böb­
lingen geborene Wirtschaftsjournalistin
studierte Kommunikationswissenschaft
und Wirtschaft. Für ihre Arbeit wurde sie
unter anderem mit dem Ernst-Schnei­
der-Preis für Wirtschaftsjournalismus
ausgezeichnet. Seit 2015 arbeitet und
lebt sie mit ihrer Familie in München.
zukunft jetzt 17
dann machen sie was anderes.
Auch die Organisation des Engagements ist anders. Viel läuft über soziale Medien, statt auf die Straße zu
gehen, Protestschilder zu basteln
und durch die Gegend zu ziehen.
» Die neuen Statussymbole sind Selbstbestim­
mung, Autonomie, Mitsprache, Eigenverant­
wortung und Sinn in der Arbeit. «
Kerstin Bund
Babyboomer legen Wert auf
Statussymbole wie Dienstwagen
oder Handy. Spielt das für die
Generation Y keine Rolle mehr?
Das würde ich so deutlich nicht sagen. Die Generation Y ist durchaus
eine materialistische Generation.
Aber die klassischen Statussymbole
reichen nicht mehr aus, um junge
Leute dauerhaft zu motivieren und
zu Höchstleistungen anzuspornen.
Ein angemessenes, leistungsgerechtes Gehalt ist zwar wichtig, aber
nicht mehr alles.
Die neuen Statussymbole sind zunehmende Flexibilität, die Art und
Weise, wo, wie und wann man arbeitet, Selbstbestimmung, aber auch Autonomie, Mitsprache, Eigenverantwortung, ein gewisser Einfluss der eigenen Arbeit und Sinn in der Arbeit.
Hat die Generation Y keine Ideale?
Die Generation Y ist eine pragmatische, realitätsnahe Generation, wenn
man sie etwa mit den „68ern“ vergleicht. Sie ist auch eine Generation
von Individualisten. Das heißt aber
nicht, dass alle Egoisten sind. Die
Welt, unsere Gesellschaft wird indivi18 zukunft jetzt
dualistischer. Deswegen gibt es bei ihr
auch nicht das, was man nach außen
als gemeinsame Bewegung wahrnehmen könnte.
Die „68er“ sind auf die Straße gegangen und haben Hörsäle besetzt –
das war eine Masse, die man von außen wahrnehmen konnte. In meiner
Generation kämpft jeder ein bisschen für sich und versucht, sich möglichst gut einzurichten. Das ist nicht
immer positiv, ich kritisiere das
auch. Diesen großen Wurf in meiner
Generation gibt es nicht. Der Sozialforscher Klaus Hurrelmann hat uns
deshalb auch als „Egotaktiker“ bezeichnet, das trifft es ganz gut.
Die Generation Y gehört also
nicht zu denen, die sich zum Beispiel
für Flüchtlinge einsetzen?
Doch, aber auf eine andere Art und
Weise. In meinem Freundeskreis engagieren sich viele in dieser Frage,
nur treten sie nicht als eine große Bewegung auf. Sie engagieren sich
mehr lokal und projektbezogen, aber
auch nicht jahrelang in einem einzigen Projekt, sondern vielleicht für
ein paar Monate richtig intensiv –
Viele Paare der Generation Y nähern
sich ab der Geburt des ersten Kindes
dem Rollenverhalten der 1950er­
und 1960er-Jahrgänge an. Warum?
Es gibt den schönen Satz: „Ein Paar
geht als modernes Paar in den Kreißsaal hinein und kommt als 1950erJahre-Paar wieder raus.“ Ich bin
selbst erst vor Kurzem Mutter geworden und kann das leider ein Stück
weit bestätigen. In meinem Freundeskreis ist es wirklich so, dass es zu einer Retraditionalisierung der Rollen
kommt. Viele Frauen bleiben erst einmal zu Hause – und wenn sie wieder
arbeiten, dann allenfalls in Teilzeit.
Auch wenn die Frau
die bessere Ausbildung hat?
Da gibt es dann doch einen Unterschied. Ich habe einige Freundinnen,
die mehr verdienen und bessere Jobs
haben als ihre Partner. Die stehen
jetzt auch vor der Entscheidung für
Kinder und sagen schon: „Die Elternzeit müssen wir mindestens zur Hälfte aufteilen.“ Zum Beispiel so, dass jeder sechs Monate zu Hause bleibt.
Ich genieße durchaus mein jetziges
Jahr Elternzeit, ich hoffe aber, dass
ich danach sowohl Mutter als auch
Journalistin sein kann. Das ist mein
Anspruch. Ich habe Kollegen mit
Kindern, bei denen beide Elternteile
jeweils zu 80 Prozent arbeiten. Ich
finde, das ist ein recht charmantes
Modell.
Sie sprechen auch die Rentenpolitik
an. Einerseits betonen Sie, der Gene­
rationenvertrag sei eine gute Sache.
Ausgabe 2.2016
Leben
Auf der anderen Seite beklagen Sie
das Rentenpaket, das 2014 beschlos­
sen wurde. Warum?
Generationenvertrag heißt ja, dass
die Generation, die heute arbeitet,
für die Generation sorgt, die gestern
gearbeitet hat. Das halte ich für ein
sehr gutes, solidarisches Modell. Und
damit ist meine Generation total einverstanden.
Aber die Rente mit 63 und „Mütterrente“ sind Beschlüsse, die hauptsächlich zu Lasten der Jüngeren und
generell zu Lasten der arbeitenden
Generation gehen. Das ist Klientelpolitik. Aber es gibt kaum eine Stimme
in der Politik, die die Interessen der
jüngeren Generation vertritt. Dabei
sagt jeder Rentenexperte, das Rentenpaket sei nicht zu finanzieren.
Fotos: F. Jänicke
Aber auch Ihre Mutter
profitiert von der Mütterrente?
Ich gönne jeder Frau ihre Mütterrente und jedem Arbeitnehmer, der mit
63 in Rente gehen kann, diese zusätzlichen Euros. Ich weiß auch,
dass viele sehr hart gearbeitet haben
und sich die Rente mehr als verdient
haben. Trotzdem muss man das gesamte System im Blick behalten. Es
gibt zum Beispiel sehr viele Menschen, die gern länger arbeiten würden. In Deutschland gilt Arbeit immer noch als „Schreckgespenst“.
Man sollte also Altersgrenzen
aufbrechen?
Ich finde, man sollte sie zumindest
flexibilisieren. Wer länger arbeiten
will, den sollte man auch länger arbeiten lassen. Was spricht dagegen?
Zumal es zahlreiche Studien darüber
gibt, dass Menschen, die in den Ruhestand gehen, häufig ein sinnstiftendes
Element verlieren und zum Teil gar
nicht wissen, was sie mit sich anfangen sollen oder gar krank werden.
Ausgabe 2.2016
Mit „Generationentandems“ wollen
sie das Verhältnis zwischen der
Generation Y und der älteren
Generation im Betrieb verbessern.
Haben Sie da Beispiele im Blick?
Ich bin ein großer Fan von gemischten Teams. Denn es wäre der falsche
Weg, wenn man Generationenkonflikte schüren würde. Bei der „Zeit“
haben wir zum Glück eine sehr große
Altersspanne – vom Praktikanten, der
Anfang 20 ist, bis hin zum verstorbenen Altkanzler Helmut Schmidt, der
weit über 90 Jahre alt war. Wir hatten
manchmal vier Generationen an einem Redaktionstisch sitzen – und
man profitiert total voneinander. Die
Jungen profitieren von der Erfahrung
und auch der Gelassenheit der Älteren, die Älteren vom etwas frischeren
und unbedarften Blick der Jüngeren.
Das ist der schönste Weg, auch Vorurteile auszuräumen, die es in beiden
Richtungen gibt.
„Die Babyboomer sind viele,
aber uns gehört die Zukunft.“
Was verstehen Sie darunter?
Das meinte ich in Bezug auf die
Arbeitswelt und die Familien. Im Moment ist die Arbeitswelt noch geprägt
durch die Babyboomer, die in den
Chefetagen sitzen. Die prägen die Arbeitskultur und setzen die Rollenvorbilder. Ich bin überzeugt: Wenn meine Generation mehr Verantwortung
in Unternehmen hat – das dauert
aber noch ein paar Jahre, weil wir
noch ziemlich jung sind – wird sich
einiges verändern, zum Beispiel beim
Väter-Verhalten.
Gerade junge Väter heute sind viel
aktiver, als das noch unsere Väter
waren. Heute ist es total normal, dass
Väter Windeln wechseln, Elternzeit
nehmen, beim Geburtsvorbereitungskurs dabei sind oder mit dem
Kind zum Babyschwimmen gehen.
kompakt
Renten steigen kräftig
Über die kräftigste Rentenanpassung
seit mehr als 20 Jahren dürfen sich
die rund 20,8 Millionen Rentnerinnen
und Rentner freuen. Zum 1. Juli 2016
steigen ihre Bezüge um 4,25 Prozent
in den alten und 5,95 Prozent in den
neuen Ländern. Wichtigste Ursachen
der Rentensteigerung sind der starke
Anstieg der Verdienste und die weiter
gestiegene Zahl der Beschäftigten.
Mütterrente ist rechtens
Die Beschränkung des Rentenan­
spruchs für die Erziehung vor 1992
geborener Kinder („Mütterrente“) auf
zwei Entgeltpunkte pro Kind ist verfas­
sungsgemäß. Das hat das Landesso­
zialgericht Nordrhein-Westfalen ent­
schieden (Az.: L 21 R 374/14). Für
nach 1991 geborene Kinder werden
drei Entgeltpunkte gutgeschrieben.
Volle Rente trotz Scheidung
Eine Alters- oder Erwerbsminderungs­
rente, die wegen eines Versorgungs­
ausgleichs gekürzt wurde, kann unter
Umständen wieder ungekürzt gezahlt
werden. Dies ist möglich, wenn der
frühere Ehegatte, zu dessen Gunsten
der Versorgungsausgleich durchge­
führt wurde, verstirbt und weniger als
drei Jahre lang Rente erhalten hat.
Rente für Freiwilligendienst
Wer sich im Bundesfreiwilligendienst
(„Bufdi“) zum Beispiel für die Integra­
tion von Flüchtlingen engagiert, stei­
gert damit auch die spätere Rente.
Der persönliche Rentenanspruch er­
gibt sich aus der Höhe des Taschen­
gelds und eventueller Sachleistungen.
zukunft jetzt 19
Vor Ort
Alexander Braun und Tochter Nellie: „Ich finde es toll, dass Papa mich aus dem Hort abholen kann.“
Beruf und Familie vereinbaren
Die familienbewusste Unternehmenskultur und Personalpolitik
der Deutschen Rentenversicherung Bund
ellie hüpft an der Hand ihres
Vaters über den Flur: „Ich finde
es toll, dass Papa mich am Nachmittag aus dem Hort abholen kann.“
Alexander Braun arbeitet Teilzeit
und nutzt damit eine der familienfreundlichen Maßnahmen der Deutschen Rentenversicherung Bund.
N
Prämierte Familienpolitik
Familie und Beruf zu vereinbaren,
hat bei der Deutschen Rentenversicherung Bund Tradition. Das Unternehmen wurde schon 1999 als erster Arbeitgeber des öffentlichen
Dienstes mit dem anerkannten Qualitätssiegel „audit berufundfamilie“
20 zukunft jetzt
für ein familienfreundliches Unternehmen ausgezeichnet und erhielt
dieses Zertifikat seitdem mehrfach.
„Die familienbewusste Personalpolitik gehört zu unserer Unternehmenskultur“, betont auch Armin
Walter. Mit seinem Team entwickelt
er familienfreundliche Maßnahmen
der Deutschen Rentenversicherung
Bund. „Seit 2011 wird die Familienpolitik unseres Unternehmens vom
Netzwerk ‚Erfolgsfaktor Familie‘
unterstützt“, sagt Armin Walter. Das
Netzwerk ist eine zentrale Plattform
des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend,
das Informationen rund um das
Thema Familienfreundlichkeit in
Unternehmen bündelt.
Familienfreundliche
Maßnahmen
Als eine der vielen familienfreundlichen Maßnahmen der Deutschen
Rentenversicherung Bund sind nach
wie vor die Teilzeitangebote gefragt.
Mehr als ein Drittel der Gesamtbelegschaft, davon 90 Prozent Frauen,
arbeitet in einem der zahlreichen
Teilzeitmodelle. Dabei ist Alexander
Braun als teilzeitarbeitender Vater
bei Weitem kein Einzelfall. „Der
Anteil der Männer in Teilzeitarbeit
in unserem Unternehmen wächst
Ausgabe 2.2016
Vor Ort
stetig“, betont Armin Walter. „Denn
Männer möchten zunehmend mehr
Zeit für die Familie haben und die
Teilzeitmodelle werden für verschiedene Lebensmodelle und Lebensphasen genutzt. Neben der Kinderbetreuung spielt auch die Vereinbarkeit von Beruf und Pflegeverantwortung eine große Rolle.“ Wichtig ist,
dass die Teilzeitangebote für die
verschiedenen Lebensphasen befristet werden können. Dadurch ist eine
problemlose Rückkehr in die Vollzeitbeschäftigung möglich.
Fotos: Deutsche Rentenversicherung Bund/Terbach
Gelungener Neustart
Doch das Teilzeitmodell ist nur eine
der Maßnahmen zur flexiblen
Arbeitszeitgestaltung. Neben Telearbeit und Homeoffice haben die
Beschäftigten ebenfalls die Möglichkeit, ein Sabbatical zu beantragen
und die freie Zeit für die Familie,
ein Studium oder einen Auslandsaufenthalt zu nutzen. Auch die
Arbeitsorte können flexibel gestaltet
werden. So erledigen beispielsweise
Betriebsprüfer im Außendienst
einen Teil ihrer Arbeit in einem zu
Hause eingerichteten Büro.
Wichtig ist es ebenfalls, für einen
guten Start nach Elternzeit, Sabbatical oder Pflegezeit zu sorgen. So
werden die Beschäftigten der Deutschen Rentenversicherung Bund auf
Wunsch bereits vor dem ersten
Arbeitstag in den beruflichen Wiedereinstiegsprozess eingebunden.
Im Angebot sind neben Informationsveranstaltungen, die in der Freistellungsphase genutzt werden
können, unter anderem persönliche
Informationsgespräche sowie Ausbildungsteams oder Lerninseln.
Im Notfall
„Viele kennen diesen Fall: Die übliche Betreuung für ein Kind fällt aus
Ausgabe 2.2016
Das Team um Armin Walter koordiniert die familienfreundlichen Maßnahmen
der Deutschen Rentenversicherung Bund.
und eine Notfallbetreuung muss
ganz schnell organisiert werden“,
sagt Armin Walter. Für kurzfristige
Notfälle stehen Eltern-Kind-Arbeitszimmer zur Verfügung, die auf
Anregung der Gleichstellungsbeauftragten in vielen Gebäuden vorhanden sind. „Und auch ein bundesweites, kostenfreies Beratungs- und
Vermittlungsangebot zur Kinderbetreuung und zur Pflegenotfallbetreu-
ung für Angehörige kann von den
Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern
genutzt werden“, so Walter.
Ein solcher Notfall ist bei Alexander
Braun noch nicht eingetreten. Durch
die Teilzeitarbeit kann er die Betreuung seiner Tochter sicherstellen.
Lächelnd greift er nun die Hand von
Nellie. Nach seiner Arbeit im Büro
haben beide jetzt Zeit für einen
gemeinsamen Spielplatzbesuch.
∏ ERFOLGSFAKTOR FAMILIE
„Erfolgsfaktor Familie“ ist ein Unternehmensnetz­
werk des Bundesministeriums für Familie, Senioren,
Frauen und Jugend. Die bundesweite Plattform bün­
delt das Wissen und die Erfahrungen kleiner, mittle­
rer und großer Unternehmen zu familienbewusster
Personalpolitik und ermöglicht den Austausch zu
diesem Thema. Mit ihrer Mitgliedschaft setzt die Deutsche Rentenver­
sicherung Bund ein sichtbares Zeichen, dass sie sich für eine bessere
Vereinbarkeit von Beruf, Familie und Pflegeverantwortung engagiert.
www.erfolgsfaktor-familie.de
Informationen über die familienbewusste Unternehmenskultur und
Personalpolitik bei der Deutschen Rentenversicherung Bund erhalten Sie
unter www.deutsche-rentenversicherung-bund.de (Suchtipp „Vereinbar­
keit von Beruf und Familie“).
zukunft jetzt 21
Vor Ort
125 Jahre Sicherheit für Generationen
DRV Oldenburg-Bremen feiert Jubiläum
Die Rente ist ihm eine
Herzensangelegenheit:
Den Argumenten des Fest­
redners Dr. Norbert Blüm
(2. v. r.) schlossen sich die
Bremer Senatorin Prof.
Dr. Eva Quante-Brandt,
Oberbürgermeister Jürgen
Krogmann, Niedersach­
sens Sozialministerin
Cornelia Rundt sowie die
Vorstandsvorsitzenden
Cornelius Neumann-Redlin
und Marita Rosenow an.
or 125 Jahren waren 55 000
Versicherte die ersten, die von
der Deutschen Rentenversicherung
Oldenburg-Bremen profitierten.
Heute betreut sie 850 000 Versicherte und zahlt rund 257 000 Renten monatlich. Jetzt feierte die DRV
ihren 125. Geburtstag im Oldenburger Schloss. Die Festrede hielt der
ehemalige Bundessozialminister
Dr. Norbert Blüm.
„Mit der heutigen Veranstaltung
wollen wir daran erinnern, dass wir
seit 125 Jahren in der Region
zuverlässig für die solidarische
Alterssicherung der Menschen da
sind“, sagte die DRV-VorstandsvorsitzendeMarita Rosenow bei ihrer
Begrüßung und warf einen Blick
zurück auf den historischen Werdegang.
V
22 zukunft jetzt
Waren es 1891 fünf Mitarbeiter, die
sich um die Rente und die Heilverfahren für Arbeiterinnen und Arbeiter kümmerten – nur diese konnten
damals eine Altersrente mit 70 Jahren beanspruchen – so beschäftigt
die DRV Oldenburg-Bremen heute
über 1 000 Mitarbeiterinnen und
Mitarbeiter bei einem Etat von
2,8 Milliarden Euro.
Selbstständigkeit bewahrt
Rosenow erinnerte daran, dass die
DRV Oldenburg-Bremen in ihrer
Geschichte stets um den Erhalt der
Selbständigkeit bangen musste. Mit
einer Reorganisation 1994/95 wurden effektive und effiziente Verwaltungsstrukturen geschaffen. Nur so
gelang es, bei der Neustrukturierung der gesetzlichen Rentenversi-
cherung durch ein Organisationsreformgesetz die Eigenständigkeit zu
bewahren.
„So wurde 2005 aus der LVA Oldenburg-Bremen die Deutsche Rentenversicherung (DRV) Oldenburg-Bremen und nicht die DRV Niedersachsen-Bremen“, stellte Rosenow fest
und bedankte sich für die damalige
politische Unterstützung bei den
anwesenden Bundes- und Landtagsabgeordneten sowie der Niedersächsischen Sozialministerin Cornelia Rundt, der Bremer Gesundheitssenatorin Prof. Dr. Eva QuanteBrandt und dem Oldenburger Oberbürgermeister Jürgen Krogmann.
Der Erhalt der Selbständigkeit sei
eine richtige Entscheidung gewesen, machte die Vorstandsvorsitzende deutlich: „In den BenchAusgabe 2.2016
marking-Vergleichen der Deutschen
Rentenversicherung nehmen wir
gute Plätze ein und in der Kundenzufriedenheit sind wir Spitze.
Grund genug, sich über die Situation zu freuen und das Trägerjubiläum zu feiern.“
Fotos: Deutsche Rentenversicherung Oldenburg-Bremen
Zukunftsfragen
beantworten
Der alternierende Vorstandsvorsitzende Cornelius Neumann-Redlin
erinnerte die Politik daran, sich den
drängenden Zukunftsfragen der
Rentenversicherung zu stellen. Es
reiche nicht aus, in finanziell guten
Zeiten die Beitragszahler mit teuren
Rentenpaketen zu belasten und das
Problem des demografischen Wandels mit der Folge eines sinkenden
Rentenniveaus nicht anzugehen.
Das hohe Maß an sozialer Sicherung im Alter sollte auch für die
Zukunft gehalten werden.
Der ehemalige Bundessozialminister
Dr. Norbert Blüm verwies in seiner
Festansprache darauf, dass die
Deutsche Rentenversicherung zwei
Weltkriege, Inflation, Währungsumstellungen und Wirtschaftskrisen
überstanden hat. Es wurden Millionen von Flüchtlingen und Aussiedler
eingegliedert und im Rahmen der
deutschen Einheit das System der
gesetzlichen Rentenversicherung in
den neuen Bundesländern erfolgreich eingeführt – immer getreu dem
Wahlspruch: „Sicherheit für Generationen“.
In der öffentlichen Diskussion brauche die gesetzliche Rentenversicherung daher ihr Licht nicht unter
den Scheffel zu stellen, sondern
sollte den Mut aufbringen und klare
Positionen zum Umlageverfahren
und zum Generationenvertrag einnehmen, sagte der ehemalige Bundesminister.
Ausgabe 2.2016
Mit dem leitenden Arzt Dr. Wolfram Franke (3. v. l.) und Verwaltungsleiter Udo Federlein
(rechts) freuten sich Sabine Dittmar (MdB), Oberbürgermeister Kay Blankenburg sowie
die Vorstandsvorsitzenden Marita Rosenow und Cornelius Neumann-Redlin über 50 Jahre
Marbachtalklinik Bad Kissingen.
Ein halbes Jahrhundert
medizinische Rehabilitation
Festakt zum Jubiläum der Marbachtalklinik
or fünfzig Jahren wurden die
ersten Patienten in die Marbachtalklinik Bad Kissingen aufgenommen. Beim Festakt blickte Vorstandsvorsitzende Marita Rosenow
auf die Geschichte der früheren
„Kurklinik“ zurück. „Die Wirtschaftswunderjahre hatten ihre Spuren
hinterlassen. 90 Prozent der Patienten mussten diätisch verpflegt werden und litten an Magen-, Darmund Lebererkrankungen. Die Therapieangebote waren noch übersichtlich: „Bettruhe, Diät sowie Trinkkuren und viel Bewegung. Dazu
Kneipp-Güsse, medizinische Bäder,
Massagen, Gymnastik und SchreitBäder.“ Die Patienten waren in
Zweibettzimmern untergebracht,
bescheidene Freizeitaktivitäten fanden in Aufenthaltsräumen statt.
V
Von der Kur zur Reha
Seit den siebziger Jahren entwickelte sich die Kur zur Rehabilitation
mit der ganzheitlichen Behandlung
der Patienten. 1974 wird das
Schwimm- und Bewegungsbad in
Betrieb genommen. Seit 1979 heißt
die Marbachtalklinik nicht mehr
„Kurklinik“. Nach Rückschlägen
Anfang der achtziger Jahre wird sie
1987 Schwerpunktklinik für Verdauungs- und Stoffwechselkrankheiten.
Ab März 1997 nahm die psychosomatische Abteilung ihren Dienst auf
– die Geburtsstunde der heutigen
Marbachtalklinik. Der Bettenanteil
der psychosomatischen Abteilung
wird kontinuierlich ausgebaut und
lag 2003 bei 60 Prozent. 2007 bestätigt der Vorstand nach eingehenden Untersuchungen diesen Kurs.
Die Marbachtalklinik wird zur rein
psychosomatischen Klinik.
Rosenow lobte Klinikleitung sowie
das ganze Team, dem es stets gelungen sei, sich flexibel Änderungsprozessen im Reha-Geschäft anzupassen. „Die Patienten standen im Mittelpunkt Ihrer engagierten Arbeit“,
bedankte sie sich.
zukunft jetzt 23
Vorsorge
Ein ungleiches
Spiel
Frauen haben im Alter oft weniger Rente als
Männer. Das liegt an vielen Faktoren.
»Gemessen am Ziel einer eigenständigen
Alterssicherung haben westdeutsche Frauen
vielfach noch Nachholbedarf.«
Brigitte L. Loose, Deutsche Rentenversicherung Bund
24 zukunft jetzt
Ausgabe 2.2016
Vorsorge
Die Gehaltsfrage
Keine Frage, immer mehr Frauen arbeiten.
Ihre Erwerbstätigkeit ist hoch: Deutsche
Frauen hatten 2014 mit 73 Prozent die
zweithöchste Erwerbstätigenquote aller
Frauen in der EU nach Schweden (78 Prozent). Zum Vergleich: 2005 arbeiteten nur
rund 60 Prozent der Frauen.
Auch beim Einkommen holen Frauen auf,
aber verdienen immer noch weniger als
Männer. Der Bruttostundenlohn von Frauen
war laut Statistischem Bundesamt im Jahr
2015 um 21 Prozent niedriger als der ihrer
männlichen Kollegen. Dass Frauen in anderen Branchen arbeiten als Männer, ist nur
ein Grund. Vergleicht man Männer und
Frauen mit ähnlicher Tätigkeit und Qualifikation, beträgt der Gehaltsunterschied immer noch rund sieben Prozent.
Je qualifizierter Frauen sind, desto mehr
verdienen sie. Denn Bildung lohnt sich:
Jedes Jahr mehr Schule, Berufsausbildung
oder Studium bringt laut einer Studie des
Instituts für Arbeitsmarkt und Berufsforschung (IAB) durchschnittlich fünf Prozent
mehr Einkommen.
Und bei der Bildung fahren Frauen auf
der Überholspur: 2014 hatten von den 25bis 29-jährigen Frauen bereits 30 Prozent
einen hohen Bildungsabschluss, von den
gleichaltrigen Männern waren es lediglich
25 Prozent. Gut möglich also, dass sich die
Einkommenskluft zwischen Männern und
Frauen weiter schließt.
Doch trotz Aufholjagd sind die Hauptfaktoren für eine geringere Rente und
Altersvorsorge immer noch die Beschäfti-
Ausgabe 2.2016
gung und das Einkommen. Eine solide Beschäftigung mit einem langjährigen Einkommen ist der Sockel jeder Altersvorsorge. Sie
sorgt für eine auskömmliche gesetzliche
Rente und dafür, dass Frauen sich das Sparen für das Alter leisten können.
Gesetzliche Rente
Egal, ob Mann oder Frau: „Für die weitaus
meisten Arbeitnehmer ist die gesetzliche
Rente die Haupteinnahmequelle im Alter. Sie
ist damit für viele Menschen die wichtigste
Säule der Altersvorsorge“, sagt Sabine
Heyer. Sie ist Beraterin bei der Deutschen
Rentenversicherung Nordbayern und hält
Vorträge über Altersvorsorge speziell für
Frauen. Sie weiß: „Viele machen sich Gedanken, wie sich die Kindererziehung, Teilzeit, ein Minijob oder eine Scheidung auf die
Rente auswirken.“
Kindererziehung
„Müttern werden in der gesetzlichen
Rentenversicherung für die Geburt von Kindern bis 1991 zwei Jahre Kindererziehungszeit, für Geburten ab 1992 drei
Jahre anerkannt. Das bedeutet: Ihre Rente
steigt in dieser Zeit genauso stark wie die
eines Durchschnittsverdieners“, so Sabine
Heyer.
„Die Herausforderungen beginnen oft erst
nach den ersten Kinderjahren“, sagt Brigitte
L. Loose von der Deutschen Rentenversicherung Bund: „42 Prozent der zwischen 1942
und 1961 geborenen Mütter in den alten
Ländern sind ,Langzeiterziehende‘. In den
neuen Ländern ist das anders: Dort steigen
zukunft jetzt 25
Vorsorge
»Für die weitaus meisten Arbeitnehmer
ist die gesetzliche Rente die
Haupteinnahmequelle im Alter.«
Sabine Heyer, Deutsche Rentenversicherung Nordbayern
Teilzeit
Und das am besten in Vollzeit. Doch
davon sind Frauen noch weit entfernt: 2014 war fast jede zweite
erwerbstätige Frau von 20 bis 64
Jahren in Teilzeit tätig (47 Prozent).
Unter den Männern betrug dieser
Anteil nur neun Prozent. Als Hauptgrund nennen Frauen die Betreuung
von Kindern sowie Pflegebedürftigen
(29 Prozent). Die ungleiche Verteilung der Erziehung spiegelt sich
schon in den ersten Monaten wider:
26 zukunft jetzt
Männer beziehen rund drei Monate
Elterngeld, Frauen zwölf.
Minijob
Auch bei den Minijobs führen Frauen: Rund vier Millionen Frauen üben
eine geringfügige Beschäftigung aus
– aber nur rund 2,6 Millionen Männer. Ein Minijob ist auf 450 Euro pro
Monat gedeckelt – klar, dass da nur
geringe Rentenansprüche gedeihen.
Richtig kritisch ist ein Minijob ohne Rentenbeiträge: Seit 2013 sind alle neuen Minijobs rentenversicherungspflichtig. Doch dieser Beitrag
in die Rentenkasse lässt sich
abwählen, was oft keine gute Idee
ist. Denn die Rentenbeiträge gelten
als Pflichtbeitragszeiten. Diese brauchen viele Frauen, um Ansprüche
auf eine Rente zu sammeln. Nicht
selten begründen Minijob-Rentenbeiträge überhaupt erst einen
Anspruch auf eine Rente. Eine
Abwahl der Rentenversicherungspflicht kann später zu einem Eigentor werden.
Scheidung
„Bei einer Scheidung werden die
Altersvorsorge-Ansprüche im Rahmen des Versorgungsausgleichs ge-
teilt“, erklärt Sabine Heyer. Alles,
was im Laufe der Ehejahre zusammen an gesetzlicher Rente, Betriebs- oder Riester-Rente erwirtschaftet wurde, wird fair verteilt
(siehe Seite 7). Dennoch: Getrennte
Haushalte sind teurer als gemeinsame. Deswegen bleibt von der Rente
später weniger übrig als in einem
Zweier-Haushalt. Scheidungen mit
allen ihren Begleiterscheinungen
sind oft eine finanzielle und emotionale Katastrophe.
Fazit
Finanzielle Unabhängigkeit im Alter
beginnt mit finanzieller Unabhängigkeit im Berufsleben. Eine gute Ausbildung und ein Vollzeitjob sind die
besten Voraussetzungen – flankiert
von einer partnerschaftlichen Beziehung, in der auch der Mann die Kindererziehung übernimmt.
∏ INFO
Die Deutsche Rentenversiche­
rung informiert unabhängig zur
Altersvorsorge. Termine unter der
kostenfreien Servicerufnummer
0800 1000 4800.
Ausgabe 2.2016
Fotos: wdv-B. Rüttger; Deutsche Rentenversicherung Nordbayern
rund 53 Prozent der Frauen sehr
schnell wieder in Vollzeit ins Berufsleben ein.“
Das hat Konsequenzen für die gesetzliche Rente: Ostdeutsche Frauen
verfügen in der gesetzlichen Rentenversicherung aufgrund ihrer langfristigen Erwerbstätigkeit in der
Regel über eine ausreichende Absicherung. Auch bei westdeutschen
Frauen ist Altersarmut aktuell kein
Massenphänomen, aber „gemessen
am Ziel einer eigenständigen Alterssicherung haben westdeutsche Frauen vielfach noch Nachholbedarf“,
warnt Loose. Um mehr Rentenansprüche aufzubauen, müssten sie früher ins Berufsleben zurückkehren.
Ihre Krankheit ist lebens­
gefährlich, ihr Ehrgeiz groß:
Die Reha stärkt Cornelia Hubers
Durchhaltewillen und sorgt für
eine neue Balance im Leben.
28 zukunft jetzt
Ausgabe 2.2016
Gesundheit
Endlich wieder
durchatmen
Cornelia Huber leidet unter einer chronischobstruktiven Bronchitis mit Lungenemphysem –
unterkriegen lässt sie sich davon aber nicht.
o schnell bringt Cornelia Huber
eigentlich nichts aus der Puste:
Anpacken ist sie gewohnt, arbeitet sie doch in einer Papierfabrik.
Die harte Arbeit macht sie schon seit
10 Jahren. Doch bei ihr wurde COPD
mit Lungenemphysem diagnostiziert.
Hinter dem Kürzel steht das Krankheitsbild
„chronisch-obstruktive
Bronchitis“: also eine dauerhafte Einengung und Entzündung der Atemwege in der Lunge. Ein Emphysem ist
eine irreversible Schädigung der Lungenbläschen. Patienten wie sie leiden
im Alltag an Atemnot.
Dass sie nicht mehr so kann, wie
sie will, belastet die 53-Jährige vom
Tegernsee privat wie beruflich. Ihre
körperlich schwere Tätigkeit wird
sie dauerhaft nicht mehr schaffen.
Erst recht nicht nach den beiden
leichten Schlaganfällen im letzten
Jahr. „Solche Begleiterkrankungen
sind nicht selten bei COPD-Patienten“, erklärt Dr. Konrad Schultz,
Chefarzt der Klinik Bad Reichenhall
der Deutschen Rentenversicherung
Bayern Süd. Dort absolviert Cornelia
Huber eine Reha.
Trotz ihrer Probleme ist Huber
weder niedergeschlagen noch würde
sie lamentieren: Auf ihre Gesundheit
angesprochen, sagt sie Sätze wie
S
Ausgabe 2.2016
„In Selbstmitleid zerfließen hilft ja
nix“, „I bin keine, die den Kopf in den
Sand steckt“ oder „Da muss i halt
durch“. Gesunder Pragmatismus
gepaart mit bayerischer Sturheit –
gute Voraussetzungen für eine Reha.
Sport mit ABS
Denn die Therapiepläne von COPDPatienten haben es in sich: Patientenschulungen,
Atemphysiotherapie,
Entwöhnungskurs für Raucher und
ganz viel Sport. Sport? Manche
Patienten reagieren ängstlich: Wenn
man schon beim normalen Gehen
aus der Puste kommt, wie wird es erst
bei intensiver Belastung? „Atemnot
fühlt sich im Brustkorb an, als ob
man auf der Autobahn die Handbremse voll zieht“, erklärt ein Patient.
Doch die Angst wird den Patienten
genommen. Sie lernen eine Art AntiBlockier-System (ABS) für die Lunge:
die „Lippenbremse“. Dabei soll die
Luft durch die locker aufeinandergelegten Lippen gegen einen leichten
Widerstand langsam ausströmen.
Durch die Lippenbremse erzeugen
Patienten einen Gegendruck in der
Lunge, das Zusammenpressen der
Atemwege wird verhindert. Dadurch
verringert sich die Atemnot spürbar.
„Sie werden ruhiger und weniger
» Ich werde einiges in
meinem Leben ändern
müssen. Vor allem mit
dem Rauchen will ich
aufhören. «
Cornelia Huber, COPD-Patientin
zukunft jetzt online
Einen Film über Reha für COPDPatienten finden Sie im E-Paper von
„zukunft jetzt“ unter www.deutscherentenversicherung.de
zukunft jetzt 29
Gesundheit
Hilfe auf hohem Niveau
Der Chefarzt der Klinik Bad Reichenhall der
Deutschen Rentenversicherung Bayern Süd,
Dr. Konrad Schultz, ist sich sicher: Eine Reha kann
den meisten COPD-Kranken nachhaltig helfen.
¿Ist die chronisch-obstruktive Bronchitis eine
Volkskrankheit?
Ja. COPD ist weltweit die dritthäufigste zum Tode
führende Krankheit. In Deutschland ist jeder Achte
über 40 Jahren und jeder Vierte über 70 Jahren von
COPD betroffen. Eine vollständige Heilung ist leider
nicht möglich.
¿Aber wie kann dann eine Reha helfen?
Eine Reha kann den Krankheitsverlauf deutlich positiv beeinflussen. Das ist wissenschaftlich eindeutig
bewiesen: 67 randomisierte Studien zeigen, dass
Reha die Zahl der Krankenhausaufenthalte senkt,
Atemnot lindert, die Lebensqualität und Leistungsfähigkeit erhöht und die Krankheitskosten senkt.
¿Sind Frauen von COPD genauso oft
betroffen wie Männer?
Ja. Noch vor 30 Jahren war COPD eine Männerkrankheit. Inzwischen haben die Frauen leider
aufgeholt – allerdings nicht bei der Beanspruchung
einer Reha. Wir stellen erstaunt fest, dass in unserer
Klinik wesentlich mehr Männer eine Reha antreten
als Frauen. Das ist umso trauriger, weil Daten
zeigen, dass Frauen mitunter sogar noch besser von
der Reha profitieren als Männer. Woran das liegt,
wird derzeit erforscht. Ich würde mich sehr freuen,
wenn Frauen häufiger und früher in Reha kämen.
Info: Mehr Informationen über die Klinik
unter www.klinik-bad-reichenhall.de
30 zukunft jetzt
Psychologe Albert Hirschbichler
hilft, die Mechanismen hinter
der Nikotinsucht zu entlarven.
verkrampft atmen“, erklärt Physiotherapeut Georg Dumberger
Cornelia Huber: „Üben Sie die
Lippenbremse häufig, damit
sie bei Bedarf automatisch abläuft.“
Neben der Lippenbremse gibt
es ein zweites Hilfsmittel: die
„Borg-Skala“. Anhand einer
zehnstufigen Skala sollen Patienten ihr Belastungsempfinden wiedergeben. „Der Wert
sollte zwischen vier und sechs
liegen“, erklärt Therapeutin Silke Wingart, die das ErgometerTraining leitet: „Der Sport soll
schon etwas anstrengend sein,
um die Ausdauer auszubauen.“
Dass das Training bereits in der
zweiten
Woche
anschlägt,
merkt Huber an Kleinigkeiten:
„Beim Treppensteigen komme
ich die Stufen leichter und
schneller hoch.“
Cornelia Huber liebt Sport.
Egal, ob er der Ausdauer, dem
Muskelaufbau
oder
ihrem
Gleichgewichtssinn dient. Inzwischen kann sie selbst unter
erschwerten Bedingungen minutenlang die Balance halten.
Eine wie sie lässt sich eben
nicht so schnell aus dem Gleichgewicht werfen.
Sie trainiert ehrgeizig und
scheut sich nicht vor Mühen:
Gefragt, ob sie noch eine weitere Übung beim Zirkeltraining,
im Kraftraum oder eine Stufe
mehr auf dem Ergometer treten
kann, antwortet sie stets „Ja“
oder wenigstens „Schaun’ wir
mal“. Zumindest probiert will
sie es haben. Da ist sie wieder,
die Portion Sturheit.
Keine Vorwürfe
Nur in einem Punkt fehlte in der
Vergangenheit Beharrlichkeit:
Bei der Zigaretten-Abstinenz.
Ob sie das Rauchen wirklich
überwindet, werden erst die
nächsten Monate zeigen. Wie
schwierig das Aufhören ist, lässt
sich beim Besuch eines Kurses
zur Raucherentwöhnung erahnen. Dort wird viel diskutiert –
aber kein Vorwurf gemacht.
Jeder der COPD-Patienten weiß,
dass das Rauchen den Krankheitsverlauf
drastisch
verschlechtert. Doch Psychologe
Dr. Albert Hirschbichler ist sich
sicher: „Man kann nur mit und
Ausgabe 2.2016
Gesundheit
Fotos: wdv-B. Rüttger
nicht gegen den Patienten ein Umdenken erreichen.“ Im
Kurs lernen Patienten Handlungsstrategien für den Weg
aus der Abhängigkeit. Zusätzlich stellt die Klinik kostenlos
medikamentöse Entwöhnungshilfen, wie etwa Nikotinpflaster. Bei manchen Patienten hat man das Gefühl, dass
einfach nur der letzte „Klick“ fehlt – wie etwa bei Mitpatientin Wallburga Ittlinger: „Die Geburt meiner Enkelin
war für mich der Auslöser, mit dem Rauchen aufzuhören
– ich will sie doch aufwachsen sehen.“ Ein Lächeln geht
durch die Runde, auch Cornelia Huber berührt die Vorstellung sichtlich. Ihre Kinder sind Mitte 20. Hat es bei ihr
„Klick“ gemacht?
Am Nachmittag hat Chefarzt Dr. Schultz eine gute Nachricht für sie. Gerade musste sie einen Lungenfunktionstest
absolvieren. „Die Werte sind gut: Sie werden keine
Sauerstofftherapie benötigen.“ Huber kann wortwörtlich
aufatmen: Sie wird weiterhin arbeiten können und muss
nicht vorzeitig in Rente. Aber sie wird sich eine weniger
anstrengende Tätigkeit in der Fabrik suchen. Zudem hätte die Sauerstofftherapie bedeutet, dass sie ein Atemgerät samt Schlauch an der Nase mit sich tragen müsste.
Dann lieber Sportschuhe.
Die trägt sie am Nachmittag auch wieder beim
Vibrationstraining. Sie steht auf einer vibrierenden Bodenplatte wie eine Skiabfahrtsläuferin. Vor allem ihre
Oberschenkelmuskulatur wird kräftig „durchgerüttelt“
und so effektiv gestärkt. Gefragt, ob sie eine Stufe härter
testen will, antwortet Cornelia Huber: „Na klar!“
Eine andere Antwort hätte man nicht erwartet.
Beim Ergometertraining erhält Cornelia Huber
zusätzlich Sauerstoff durch die Nase. Dauerhaft wird
sie aber ohne Sauerstofftherapie auskommen.
Ausgabe 2.2016
zukunft jetzt 31
Gesundheit
�
Das kleine Mädchen
und der Laubhaufen
Ein spezielles Präventionsprogramm eröffnet KrankenhausAngestellten eine neue Perspektive für ihre Arbeit
ielsicher wählt Christina Held aus
den vor ihr ausgebreiteten Fotos das
Bild eines Mädchens neben einem
großen Laubhaufen aus. „Das Foto hat mich
am meisten berührt“, sagt die 55-jährige
Krankenschwester. Warum sie das Foto so
anspricht, erfährt sie erst später. Und auch
die anderen Teilnehmerinnen und Teilnehmer müssen sich noch ein wenig gedulden.
Sie alle sind Beschäftigte von Kliniken im
Umkreis und Teilnehmer des Präventionsprogramms BETSI, das die Deutsche Rentenversicherung
anbietet
(www.deutsche­
rentenversicherung.de/prävention)
Z
�
� ZRM-Trainerin Sandra
Hauser und Christina Held
� Held mit Sporttherapeut
Hartmut Grudno � BETSILeiterin Dr. Christa Hoerner
BETSI steht für „Beschäftigungsfähigkeit teilhabeorientiert sichern“. Der Titel klingt sperrig, die Ziele lassen sich aber schnell erklären:
Die Gesundheit, Arbeitskraft und Lebensqualität der Teilnehmer soll gesteigert und langfristig gesichert werden. Es baut auf dem Zürcher Ressourcen Modell (ZRM®) der Verhaltens- und Psychotherapeuten Maja Storch
�
32 zukunft jetzt
und Frank Krause auf. Im Rahmen dieses
Präventionsprogramms lernen Teilnehmer,
sich ihrer Bedürfnisse bewusst zu werden,
sich auf ihre Ressourcen zu besinnen, diese
zu erweitern und die Lust am Sport (wieder)
zu entdecken. Vor rund fünf Jahren wurde
das Programm eigens für Mitarbeiter in Krankenhäusern entwickelt. Zunächst verbringen
die Teilnehmer eine Woche ganztätig ambulant in der Klinik Hüttenbühl der Deutschen
Rentenversicherung Bund in Bad Dürrheim.
Bedürfnisse erkennen
„Das Besondere am Programm ist, dass wir
uns nicht in erster Linie auf Probleme fokussieren, sondern die Teilnehmer in Kontakt mit
guten Gefühlen bringen. Es wird danach gesucht, was Menschen gerne wollen, nicht was
ihnen Sorgen bereitet. Das erzeugt Motivation“, erklärt Programmleiterin Dr. Christa
Hoerner. Im Mittelpunkt steht ein persönliches Ziel – eines, von dem jeder Teilnehmer
aus sagen kann: „Da will ich hin.“
Ausgabe 2.2016
Gesundheit
Doch oft sind die eigenen Bedürfnisse
unter einer Schicht aus Stress,
Alltag und Frustrationen verdeckt.
„Gerade Menschen in Pflegeberufen
stellen das Wohl anderer über ihr eigenes. Bei uns lernen sie, hinzuspüren,
was sie brauchen und ihnen Freude
bereitet“, so Hoerner. Um den eigenen
Bedürfnissen auf die Schliche zu kommen, helfen die Bilder. Sie sind ein
Türöffner ins Unbewusste. Christina
Held erkennt im Foto: Auch sie will mit
Stolz auf ihre Arbeit schauen können –
so wie das Mädchen neben dem Laubhaufen: „Es stimmt schon, ich habe oft
nur das gesehen, was ich nicht geschafft habe.“
„Im Seminar geht es darum, das Ziel
im Kopf zu verankern. Dann werden
Alltagssituationen vorbereitet, in denen das Ziel wirksam werden soll“,
erläutert Christa Hoerner. Das könne
ein Gespräch mit einem Vorgesetzten
sein oder der Umgang mit Stress.
Dabei wird der Blick dafür geschärft,
welche Veränderungen in der eigenen Kontrolle liegen und wo Gelassenheit im Umgang mit Realitäten
angesagt ist.
Fotos: wdv-B. Rüttger
Sport macht stark
Das Präventionsprogramm beinhaltet
neben Schulungen zum Selbstmanagement auch Kurse zur Persönlichkeitsentwicklung, zu gesunder Ernährung und viel Sport. „Wir bieten Wirbelsäulengymnastik, Aquafitness und
Walking an“, erzählt Hartmut Grudno, leitender Bewegungstherapeut
der Klinik Hüttenbühl. Vor allem das
Walking sei beliebt: „Man muss nicht
trainiert sein – man braucht nur guten
Willen. Gleichzeitig gibt es keine Körperzelle, die nicht von diesem Ausdauersport profitiert.“ Wichtig sei nur,
dass die während der Woche begonnene sportliche Betätigung nicht verebbe.
Ausgabe 2.2016
Mit Ausdauer zum Ziel
Ohnehin: Die eine Woche in der Klinik
Hüttenbühl ist erst der Anfang. Wieder
zurück am Arbeitsplatz sorgen die Arbeitgeber für den sportlichen Anschluss – das ist Teil des Programms:
Christina Held und ihre Kollegen vom
Schwarzwald-Baar-Klinikum etwa treffen sich einmal in der Woche zum
Training – was nicht nur einen sportlichen Grund hat. „Es ist sowohl Teil des
Präventionsprogramms als auch der
Wunsch der Mitarbeiter, eine Betriebssportgruppe zu gründen, damit der
Zusammenhalt bestehen bleibt“, freut
sich Isabelle Farca, Projektleiterin in
der Personalabteilung des Klinikums.
Auch andere Arbeitgeber wie das
Robert-Bosch-Krankenhaus in Stuttgart loben das Angebot: „Wir haben
das Programm evaluiert: Viele Teilnehmer haben uns gesagt, dass sie
sich nun mehr Zeit für sich nehmen,
Sport treiben und in Stresssituationen
entspannter reagieren“, so Pflegedirektorin Ursula Matzke.
Zusätzlich gibt es drei Nachbereitungstermine in der Klinik und einen
Refresher-Tag. Treffen in Kleingruppen fördern die Motivation. Erfolge
sollen gefestigt werden – ganz im Sinne
der „Salutogenese“: „Hinter diesem
Ansatz steckt, dass man sich Faktoren
widmet, die Menschen gesund halten“,
erklärt Christa Hoerner. Bei Krankenschwester Christina Held hat die Prävention gewirkt: „Ich sehe Veränderungen im Job jetzt positiver, weiß
meine Leistungen besser zu würdigen
und bin mir jetzt noch sicherer: ich
liebe meinen Job.“
zukunft jetzt online
Einen Film über ein weiteres
Präventionsprogramm finden
Sie im E-Journal auf www.deutscherentenversicherung.de
kompakt
Herzinfarkt von Frauen
Entgegen landläufiger Meinung zäh­
len Herzinfarkte auch bei Frauen zu
den häufigsten Todesursachen. Nach
Angaben der Deutschen Herzstiftung
kündigt sich ein Herzinfarkt bei Frau­
en aber häufig durch sogenannte un­
spezifische Symptome an – zum Bei­
spiel durch starke Kurzatmigkeit,
Übelkeit, Erbrechen oder Beschwer­
den im Oberbauch.
Keine gesunde Alternative
Hersteller von E-Zigaretten behaupten
oft, diese seien gesünder als normale
Glimmstängel und könnten zur Tabak­
entwöhnung beitragen. Laut Krebsfor­
schungszentrum Heidelberg ist das
Gegenteil der Fall: Das Nikotin mache
abhängig und fördere das Wachstum
bestehender Tumore. Zudem steht Ni­
kotin im Verdacht, Krebs zu erzeugen.
Weitere Inhaltsstoffe von E-Zigaretten
reizen die Atemwege und können Al­
lergien hervorrufen. Seit dem Frühjahr
2016 dürfen E-Zigaretten nicht mehr
an unter 18-Jährige verkauft werden.
Alles erlaubt
Mit der Diagnose Diabetes Typ 2
ändert sich einiges. Die Ernährung ist
davon aber nicht unbedingt betroffen.
Ausgewogen sollte sie zwar sein,
strenge Vorschriften oder Verbote
sind laut dem Ärztlichen Zentrum für
Qualität in der Medizin (ÄZQ) aber
nicht nötig. Wer sich unsicher ist, was
auf den täglichen Speiseplan gehört,
sollte seinen Arzt ansprechen und
gegebenenfalls über eine Ernäh­
rungsumstellung nachdenken.
zukunft jetzt 33
zukunft NETZ
Perspektiven ausloten
Keine Zeit zu verlieren
Wer noch auf der Suche nach
einem Ausbildungsplatz ist, dem
kann das Lehrstellenradar der
Handwerkskammern unter die
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Informationen zu freien Lehrstellen
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möchte, lassen sich über die
Suchfunktion freie Plätze finden.
Das Lehrstellenradar funktioniert
online und mobil per App – mit
Android und iOS.
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Den Mindestlohn gibt es schon
weit über ein Jahr. Damit
Beschäftigte auch davon profi­
tieren können, müssen sie ihre
Arbeitszeiten genau erfassen.
Komfortabler geht das mit der App
„einfach erfasst“ des Bundes­
ministeriums für Arbeit und Soziales. Per Start- und
Stopp-Funktion lassen sich Beginn und Ende des
Arbeitstages sekundengenau registrieren – ganz
bequem per Fingertipp. Und um Pausenzeiten fest­
zuhalten, genügt ein Druck auf die Pausentaste.
Vergisst man das, zieht die App automatisch die
gesetzliche Pausenzeit ab. Die gesammelten Arbeits­
zeiten gehen auf Wunsch per E-Mail auch direkt an
den Arbeitgeber. Die kostenlose App gibt es für iOS,
Android und Windows.
www.der-mindestlohn-wirkt.de
> Service > App zur Zeiterfassung
Schritt für Schritt
IMPRESSUM
Herausgeber: Deutsche Rentenversicherung Bund. Chefredakteur: Dr. Dirk von der Heide (Deutsche Rentenversicherung Bund,
Ruhrstraße 2, 10709 Berlin). Redaktion: Dr. Heiko Fiedler-Rauer, Christine Rütters (DRV Bund), Michael John, Natascha Krämer, Dr. Michael Krause, Sabina Ptacnik, Stefan Thissen (wdv OHG). Redaktion der Seiten 22 und 23 „Vor Ort“: Thomas Rathmann, Deutsche Rentenversicherung Oldenburg-Bremen, Huntestraße 11, 26135 Oldenburg.
Verlag: wdv Gesellschaft für Medien & Kommunikation mbH & Co. OHG, HRA 3087 AG Bad Homburg, Dieselstraße 36, 63071 Offenbach,
Telefon: 069 981 904-0, Fax: 069 981 904-896, E-Mail: [email protected]. Bildredaktion: Achim Hubener; Gestaltung: Jochen Merget, Susanne Weser; Anzeigen: Walter Piezonka. Es gilt Anzeigenpreisliste Nr. 10/2016. Vertrieb: Bernd Kremer. Abo-Service:
Nurgül Kalkandelen. Kostenfreies Abo: zukunft jetzt, Dieselstraße 36, 63071 Offenbach, Telefon: 069 981 904-821, Fax: 069 981 904-896,
E-Mail: [email protected]. Druck: Mohn Media Mohndruck GmbH, Carl-Bertelsmann-Straße 161M, 33311 Gütersloh. zukunft jetzt erscheint quartalsweise im 11. Jahrgang. Nachdruck – auch auszugsweise – mit Genehmigung des Verlags.
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∏ Beilagenhinweis:
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und Beilagen stellen weder
ein Leistungsangebot noch
die Meinung oder eine
Empfehlung der Deutschen
Rentenversicherung dar.
Ausgabe 2.2016
Fotos: Getty Images/George Manga; stocksy/Alberto Bogo; stocksy/Curtis Kim
10 000 Schritte am Tag, das empfehlen Gesundheitsexperten.
Darüber freut sich besonders der Rücken, aber auch der
restliche Körper. Denn zum langen Sitzen ist er nicht
geschaffen. Allerdings verlangt die moderne Arbeits­
welt oft enormes Sitzfleisch. Die Schrittzähler-App der
BG Verkehr hilft dabei, für Ausgleich zu sorgen. Sie
bietet nicht nur einen Überblick darüber, wie viele
Schritte man täglich zurücklegt. Mit einer Erinne­
rungsfunktion spornt sie außerdem dazu an, regel­
mäßig in Bewegung zu bleiben. Tagesziele lassen sich
individuell setzen – je nach persönlicher Fitness, die mit
jedem Schritt gesteigert wird. Wohlbefinden inklusive!