Performance November 2001
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Performance November 2001
November 2001 Performance DAS KUNDENMAGAZIN DER BERLINER EFFEKTENBANK NIEDERLASSUNG DER CONSORS CAPITAL BANK AG Überblick: das Vierte Finanzmarktförderungsgesetz Zwischen Alan und Anthrax: die Märkte 300 Jahre nach Leonardo da Vinci: die CargoLifter AG Performance Editorial Sehr geehrte Leserinnen und Leser Unentschlossene Zeiten an der Börse. Für die einen sind die Kurssteigerungen der letzten Wochen schon „die“ Wende, für die anderen sind sie nur ein kurzes Aufbäumen inmitten eines weltweit rezessiven Umfeldes – lesen Sie unsere Sicht der Dinge im Marktteil auf den Seiten 03-07. Klaus-Gerd Kleversaat Unentschlossene Zeiten, schwierige Zeiten. Die Rufe nach erhöhtem Anlegerschutz sind Teil der Ungewißheit. Was der Entwurf des Vierten Finanzmarktförderungsgesetzes hierzu und zu anderen Fragestellungen der deutschen Kapitalmarktgesetz- gebung vorschlägt, steht auf der gegenüberliegenden Seite 02. Als Orientierung für Anlageentscheidungen mag in der Zwischenzeit ein ordnender Blick auf die Börsensegmente nützlich sein: im FinanzGlossar auf Seite 11. Bleiben zwei Besuche in der Hauptstadt. Die Seiten 08 und 09 stehen im Rahmen unserer Serie über Berliner Unternehmen ganz im Zeichen der CargoLifter AG. „Docere et delectare – belehren und unterhalten“ will das vor wenigen Wochen eröffnete Jüdische Museum. Dreizehn chronologisch angeordnete Stationen erzählen 2000 Jahre deutsch-jüdischer Geschichte. Mehr zur Kunst des Erinnerns auf Seite 10. Eine gewinnbringende Lektüre wünscht Ihnen Ihr Klaus-Gerd Kleversaat Mitglied des Vorstandes Inhaltsverzeichnis Ausgabe November 2001 Performance Titel Editorial Seite 01 Inhaltsverzeichnis Seite 01 Jurisdiktion – Das Vierte Finanzmarktförderungsgesetz Seite 02 Marktanalyse Research – „New Economy“-Märchenstunde Seiten 03-07 Berliner Unternehmen Was macht eigentlich… – die CargoLifter AG? Seiten 08-09 Berlin Finanz-Glossar Mahnmal wider Willen? – Das Jüdische Museum Seite 10 Börsensegmente – Atomisieren, segmentieren: Wann sind Märkte neu, geregelt, amtlich oder frei? Seite 11 Impressum Gedruckt auf umweltfreundlich hergestelltem Papier. Für die Richtigkeit der Beiträge wird keine Gewähr übernommen. Alle Rechte vorbehalten. Nachdruck nur mit Genehmigung des Herausgebers. 01 Herausgeber: Berliner Effektenbank, Niederlassung der Consors Capital Bank AG, Kurfürstendamm 119, 10711 Berlin Redaktion: Christa Scholl (V.i.S.d.P.) Autoren dieser Ausgabe: Heike Noack, Anja Peinelt, Christa Scholl, Claus Vogt, Dr. Dieter Wuschick Produktion: ADDEDVALUE Redaktionsschluß: 24. Oktober 2001 Titel Jurisdiktion Das Vierte Finanzmarktförderungsgesetz Am 4. September hat das Bundesministerium der Finanzen den langerwarteten Entwurf des „Gesetzes zur weiteren Fortentwicklung des Finanzplatzes Deutschland“ (Viertes Finanzmarktförderungsgesetz) vorgelegt. Er verfolgt das Ziel, Attraktivität und Wettbewerbsfähigkeit des deutschen Kapitalmarktes im internationalen Vergleich zu steigern und ist damit wichtiger Bestandteil in der Strategie der Bundesregierung, sich mit einer Reform des Börsenund Wertpapierrechtes an den raschen Strukturwandel der internationalen Kapitalmärkte und deren Standards anzupassen und den heimischen Finanzplatz zu stärken, seine Bedeutung weltweit auszubauen. Nach den verheerenden Entwicklungen der Kapitalmärkte in den vergangenen Monaten gilt es nunmehr, das Vertrauen der Anleger durch eine Ausweitung und Präzisierung entsprechender Schutzvorschriften wiederherzustellen. Gerade das Beispiel des Neuen Marktes hat die Unzulänglichkeiten der rechtlichen Rahmenbedingungen deutlich zutage treten lassen. Ziel des Vierten Finanzmarktförderungsgesetzes ist es daher, sowohl den Anlegerschutz auszuweiten als auch das Fehlverhalten von Marktteilnehmern schärfer zu sanktionieren. Betrachtet man die von der Bundesregierung vorgeschlagenen Neuerungen im einzelnen, lassen sich insbesondere die folgenden hervorheben: Im Bereich des Börsengesetzes geht es in erster Linie darum, mehr Flexibilität bei der Gestaltung des Börsenhandels zu erreichen. Dazu wird z.B. der „Börsenhandel mit amtlicher Notierung“ eingestellt und das Segment in „Amtlicher Markt“ umbenannt. Die jetzt schon höchsten gesetzlichen Anforderungen bleiben unverändert, die Funktion des Amtlichen Maklers als solche wird allerdings abgeschafft. Als weiteres Segment hat der Geregelte Markt auch künftig Bestand. Hier sollen nach dem Gesetzesentwurf jedoch auch Wertpapiere, die bisher ausschließlich im Freiverkehr notierten, gehandelt werden können. Voraussetzung hierfür ist, daß ein ordnungsgemäßer Börsenhandel und eine ausreichende Information der Anleger gewährleistet sind. Daneben steht es den Börsen offen, einen Freiverkehr auf privatrechtlicher Basis zu organisieren. Die Börsengänge der Vergangenheit haben gezeigt, daß zwar „Veräußerungsbeschränkungen“ quasi zum Standard geworden sind, „Fälle wie EM.TV“ lassen die Überwachung solcher Verpflichtungen jedoch mangelhaft wirken. Leidtragender ist insoweit der Aktionär, der im treuen Glauben noch seine Aktien im Portfolio hält, während die Altaktionäre schon längst ihre Anteile verkauft haben. Daher muß bei zukünftigen Börsengängen im jeweiligen Verkaufsprospekt genau angegeben werden, welche Veräußerungsbeschränkungen bestehen und wie deren Einhaltung überwacht wird (z.B. mittels Verwahrung im Sperrdepot). Betrachtet man die Veränderungen im Wertpapierhandelsgesetz, betreffen die wesentlichen Änderungen die Bereiche Ad hoc-Publizität und Novellierung der Vorschriften zum Verbot der Kurs- und Marktpreismanipulation. Hiermit reagiert der Gesetzgeber auf die jüngsten Diskussionen betreffend der Defizite in diesem Bereich – wie dem Mißbrauch zu Werbezwecken und der Veröffentlichung falscher Angaben. Zukünftig sollen daher definierte Kennzahlen für eine bessere Vergleichbarkeit sorgen und somit zur höheren Verständlichkeit beitragen. Gleichzeitig sind falsche Informationen umgehend zu berichtigen. Neu ist auch, daß Verstöße gegen die Vorschriften zur Ad hoc-Publizität zukünftig als Ordnungswidrigkeit geahndet werden. Hier wurde den Anlegern sogar eine eigene Anspruchsgrundlage an die Hand gegeben. Darüber hinaus müssen sogenannte Primärinsider wie Vorstände, Aufsichtsräte und persönlich haftende Gesellschafter, einschließlich ihnen nahestehende Personen, Geschäfte in Wertpapieren des eigenen Unternehmens offenlegen und unverzüglich bekanntmachen. Die Überwachung der Einhaltung dieser Pflicht wird der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht obliegen. Verschärft werden auch die Vorschriften zum Verbot der Kurs- und Marktpreismanipulation. Während die Tathandlung als solche noch als Ordnungswidrigkeit qualifziert wird, können bestimmte Folgen zum Straftatbestand werden. Ziel dieser Neuregelungen ist es, sowohl die Funktionsfähigkeit der Wertpapiermärkte als auch einzelne Vermögenswerte im Europäischen Wirtschaftsraum zu schützen. Anja Peinelt Rechtsanwältin [email protected] Im Bereich der Termingeschäfte wurden ebenfalls umfangreiche Neufassungen vorgenommen, Kernbereich ist die Neuregelung der Aufklärungspflichten über deren spezielle Risiken. Für mehr Klarheit soll zukünftig auch die einheitliche Frist für die Wiederholung der Unterrichtung, die vor Ablauf von zwei Jahren zu erfolgen hat, sorgen. In bestimmten Fällen erübrigt sich die Pflicht zur Information, so z.B. bei juristischen Personen des öffentlichen Rechts oder Kaufleuten, da davon ausgegangen werden kann, daß sich diese Rechtsträger über die Tragweite ihres Handelns bewußt sind. Fazit: Das Vierte Finanzmarktförderungsgesetz sieht umfangreiche Änderungen in einer Vielzahl von Gesetzen vor. Neben den bereits angesprochenen wurden Neuerungen u.a. im Gesetz über Kapitalanlagegesellschaften, im Auslandsinvestmentgesetz, in den verkaufsprospektrechtlichen Vorschriften und im Gesetz über das Kreditwesen vorgenommen. Bleibt zu hoffen, daß die verfolgten Ziele auch tatsächlich erreicht werden. 02 Markt Rese „New Economy“ „Vergangenheit hört nicht auf, sie überprüft uns in der Gegenwart.” Siegfried Lenz, deutscher Schriftsteller „Wer die Vergangenheit nicht studiert, wird ihre Irrtümer wiederholen. Wer sie studiert, wird andere Möglichkeiten zu irren finden.” Helmut Schmidt, deutscher SPD-Politiker „In Deutschland ist sechs Monate Winter und drei Monate kein Frühling.” Elmar Kupke, deutscher Aphoristiker Unsere regelmäßigen Leser kennen unsere Vorliebe für Finanzmarktgeschichte. Sie wissen, welch hohen Stellenwert wir der Vergangenheit beimessen, um die Gegenwart verstehen und Prognosen abgeben zu können. Wir stellen immer wieder mit einem gewissen Erstaunen fest, wie wenig verbreitet dieser Ansatz ist. Kurzfristiges Denken ist offensichtlich an der Tagesordnung und bestimmt weiterhin maßgeblich die Voraussagen und Erklärungen zahlreicher Marktteilnehmer. der dynamische High Tech-Bereich den Rest der Wirtschaft auf den Wachstumspfad zurückführen. Ständig begegnen uns Modelle oder Argumentationsketten, die lediglich die letzten 20 Jahre Finanzmarktgeschichte der USA oder Europas berücksichtigen. Nicht ganz zufällig, so vermuten wir, umfaßt diese Zeitspanne ziemlich genau den letzten säkularen Aufwärtstrend, zufällig einer der größten Bullenmärkte aller Zeiten, der in der größten Spekulationsblase aller Zeiten kulminierte. Nachdem dann auch die „Ciscos dieser Welt“ verheerende Rückschläge und Kursverluste zu verzeichnen hatten, fabulierten sie von einer Wachstumsdelle, die in spätestens zwei Quartalen einem neuen, alle glücklich machenden Aufschwung weichen werde. Es ist sicher für jedermann problemlos nachvollziehbar, daß sich aus diesem empirischen Material keine Lehren für einen säkularen Bärenmarkt ziehen lassen. Wenn ich in einem Land wie Deutschland ausschließlich die drei Sommermonate analysiere, wie soll ich daraus Prognosen für den Winter erstellen? Oder noch provokativer und die Leistung der durchschnittlichen Finanzmarkt-Cheerleader während der letzten Jahre besser beschreibend: Wie soll ich anhand dieser ungenügenden Datenbasis überhaupt auf die Existenz des Winters schließen? Stattdessen vermute ich nach jedem kühlen Tag die unmittelbar bevorstehende Rückkehr sommerlicher Temperaturen. Dieses absurde Spielchen können wir an den Finanzmärkten seit über 18 Monaten verfolgen. Während der Hochphase der Spekulationsblase wollten die Cheerleader uns glauben machen, es handele sich um eine „New Era“, der Wirtschaftszyklus sei überwunden. Als erste, nicht zu ignorierende Zeichen eines Abschwunges sichtbar wurden, hieß es, der Technologiesektor sei aber nicht betroffen und immun. In spätestens zwei Quartalen werde 03 Dann implodierte in atemberaubender Geschwindigkeit die Internet Bubble. Jetzt hörten wir, der richtige Platz zum Aussitzen dieser kleinen Anomalie seien die großen etablierten Technologieunternehmen. Außerdem sei in spätestens zwei Quartalen der Boom zurück, nachdem kleinere Übertreibungen abgebaut sein würden. Nachdem dann klar wurde, wie schwach das Wirtschaftswachstum im zweiten Quartal 2001 ausfallen würde, hieß es, eine Rezession sei nicht zu befürchten. In spätestens zwei Quartalen usw. Nachdem jetzt offensichtlich wurde, daß sich die USA in einer Rezession befinden, versichert man uns, diese sei nur mild und kurz. In spätestens zwei Quartalen usw. usf. Früher begann die Märchenstunde mit: „Es war einmal...“. Die „New Economy“Variante lautet offensichtlich: „Es wird einmal in spätestens zwei Quartalen...“. Deflationäre Bärenmärkte Hin und wieder zumindest begegnen uns Argumentationen, die sich auf Datensätze berufen, die die Nachkriegszeit umfassen, also reichlich 50 Jahre. Ein halbes Jahrhundert Finanzmarktgeschichte, das muß doch reichen, um alle Höhen und Tiefen von Gier und Angst zu beschreiben. Leider greift auch diese Betrachtung zu kurz. Sie umfaßt zwei säkulare Bullenmärkte und einen säkularen Bären, hat also ein gewisses bullishes Übergewicht. Dieses kleine Zugeständnis an allseits beliebten Optimismus können wir problemlos verzeihen. Unverzeihbar hingegen ist das Auslassen des einzigen säkularen Abschwunges der neueren Zeit, der mit der jetzigen Situation beängstigend viele Gemeinsamkeiten aufweist, nämlich die 1930er Jahre. Diese Ära war geprägt von den Folgen des Platzens einer sehr großen Spekulationsblase. Wir müssen sie leider als eines der wenigen modernen Beispiele für einen deflationären Abschwung heranziehen. Zahlreiche exzessive Rekorde hinsichtlich Überbewertung von Aktien stammten von 1929 und hatten rund 70 Jahre lang Bestand, bevor sie überboten werden konnten. Wir haben in der Performance immer wieder Beispiele hierfür gebracht. Der säkulare Bärenmarkt der 1970er Jahre war von hohen Inflationsraten geprägt und folglich mit der aktuellen Situation nicht vergleichbar. Das zweite Vorbild eines säkularen Bärenmarktes der deflationären Variante sehen wir in der Entwicklung Japans. Dort platzte eine sehr große Spekulationsblase zur Jahreswende 1989/90. Die Auswirkungen dieses Ereignisses strangulieren die Wirtschaftskraft und das Finanzsystem der zweitmächtigsten Wirtschaftsnation der Welt noch immer. Unserer festen Überzeugung nach müßten die verantwortlichen Politiker und Notenbanker in einem ersten Schritt die drohende Gefahr, inmitten einer deflationären Abwärtsspirale zu sein, erkennen und anerkennen. Nur dann bestünde zumindest die Möglichkeit, Maßnahmen zu treffen, die diesem Szenario angemessen sein können. Andernfalls befürchten wir, um das oben verwandte Bild noch einmal aufzugreifen, dem unaufhaltsam näherrückenden Winter mit reichlich Sonnencreme und neuer Badehose ausgerüstet nicht adäquat begegnen zu können. „Buy and Sell“ statt „Buy and Hold“ Wir bleiben bei unserer immer wieder geäußerten strategischen Grundhaltung, nicht dem „Buy and Hold“Credo der Wall Street anzuhängen, sondern einen aktiven Tradingansatz zu verfolgen. Mit Hilfe unseres analyse arch -Märchenstunde Gesamtmodelles hatten wir auf diese Weise ab März 2000 auf die sich deutlich verschlechternden Börsenaussichten hingewiesen. Im Mai 2000 führten wir dann unsere Asset Allocation-Empfehlungen ein, also die Aufteilung eines Portfolios in liquide Mittel, festverzinsliche Wertpapiere und Aktien. Wir begannen seinerzeit mit der niedrigsten in den einzelnen Risikoklassen erlaubten Aktiengewichtung. Erst im Februar 2001 nahmen wir die erste Änderung vor und reduzierten den Cash-Bestand um jeweils fünf Prozentpunkte zugunsten von Goldminenaktien. Anfang März 2001 lösten wir dann die Hälfte der liquiden Mittel auf, um den Aktienanteil entsprechend zu erhöhen. Im April schließlich empfahlen wir eine weitere Erhöhung des Aktienanteils in Höhe der verbliebenen CashBestände. Wir ließen in unseren Texten keinen Zweifel daran, lediglich eine ausgeprägte Bearmarket-Rallye in einem langfristigen Abwärtstrend zu erwarten und nicht etwa den Beginn einer neuen Hausse. Unser Einstiegszeitpunkt schien zunächst gut gewählt, die Börsen begannen im Anschluß an die März-April-Tiefs eine deutliche Rallye, die den Indizes bis Ende Mai schnelle Kursgewinne in der Größenordnung von 20% bis 40% bescherten, die in den folgenden Monaten natürlich wieder abgegeben wurden. Per September wurden die März-April-Tiefs teilweise deutlich unterschritten. Unser Gesamtmodell gab allerdings bereits vor dem Anschlag auf das World Trade Center weitere klare Kaufsignale, die sich durch die kleine Verkaufspanik bis zum 21. September noch deutlich auf geradezu historisch zu nennende Werte verstärkten. Folglich haben wir in unserer Oktober-Performance unsere Asset Allocation-Empfehlungen unverändert gelassen. Wir wußten per Redaktionsschluß der letzten Ausgabe noch nicht, wo die Tiefstände sein würden. Wir schrieben: „Das Ende dieser Abgabewelle kann jeden Moment erreicht sein. Von dem dann erreichten Niveau aus ist eine Bearmarket-Rallye in der Größenordnung von mindestens 20% das Normale. Jede beginnende Aufwärtsbewegung werden wir anhand der Advance-Decline-Statistik auf ihre Tragfähigkeit hin beurteilen.“ Per Mitte Oktober waren Aufwärtsbewegungen „von mindestens 20%“ zu verzeichnen, die in einigen Indizes zumindest an den ersten wichtigen Widerstandsmarken zum Halten kamen. Diese Kurssteigerungen waren nicht von Werten der AdvanceDecline-Statistik begleitet, die den Beginn einer längeren Aufwärtsbewegung wahrscheinlich machen. Einige kurz- bis mittelfristige Indikatoren deuten aber an, daß wir die Höchstkurse dieser Bewegung noch nicht gesehen haben, sondern nach einer kurzfristigen Korrektur einen Anlauf in Richtung der 200-TageDurchschnittlinien machen werden. Da Überraschungen in einem langfristigen Abwärtstrend gewöhnlich von der negativen Art sind, nutzen wir die derzeitige Kurserholung dennoch für eine erste Entscheidung. Wir reduzieren auf dem aktuellen Niveau den Aktienanteil in den verschiedenen Risikoklassen und halten damit wieder liquide Mittel wie in der nachstehenden Tabelle nachzulesen. Eine weitere Reduzierung Aggressives Wachstum Langfristiges Wachstum Mittleres Wachstum Moderates Wachstum Den Hauptunterschied dieser beiden „Schulen“ sehen wir in der Fähigkeit, eine Spekulationsblase zu erkennen. Bekanntlich hat Alan Greenspan diese Fähigkeit ursprünglich als unmöglich, später jedoch als sehr selten vorhanden bezeichnet. Wir haben in den PerformanceAusgaben Juli und August 2000 eine Einführung in das Thema „Spekulationsblasen“ gegeben und die wichtigsten Argumente genannt. Interessierte Leser können diese Ausführungen in unserem Archiv nachlesen. Aus der Logik des Konzeptes „Spekulationsblase“ ergeben sich dann zwingend Schlußfolgerungen und Prognosen. Unsere Erwartung einer deflationären Rezession in den USA war beispielsweise eine geradezu unvermeidliche Erkenntnis, die sich aus der Dynamik einer platzenden Spekulationsblase ergibt. Ebenso unsere Prognose fallender kurzfristiger US-Zinsen unter das Tief der 1990er Jahre und natürlich unsere Arbeitshypothese eines säkularen Bärenmarktes an den Aktienbörsen. Auf der anderen Seite stehen die Cheerleader, in deren Welt die Spekulationsblase nicht vorzukom- Liquide Mittel Festverzinsliche Wertpapiere Aktien 12,5% 10% 7,5% 7,5% 35% 20% 35% 60% 47,5% 65% 52,5% 27,5% des Aktienteils in derselben Größenordnung werden wir vornehmen, sobald der S&P 500-Index in die Nähe seiner 200-Tage-Durchschnittlinie steigen sollte. Die Bubble macht den Unterschied Die überwältigende Mehrheit der Analysten, Strategen, Unternehmenslenker, Notenbanker, Marktbeobachter und -teilnehmer wurde von dem laufenden Bärenmarkt und der Rezession in den USA vollkommen überrascht. Einer geradezu verschwindend kleinen Minderheit, der wir mit unserer Arbeit angehören, ist es gelungen, frühzeitig auf die Gefahren am Aktienmarkt und auf ein überdurchschnittlich großes Rezessionsrisiko in den USA hinzuweisen. men scheint. Darunter befinden sich selbstverständlich diejenigen, die keine Kenntnis von Spekulationsblasen haben und sie folglich analytisch nicht erfassen können. Dazu zählen aber wahrscheinlich auch andere, die das Konzept sehr wohl kennen, verstehen und anwenden könnten, es aber aus Eigennutz und politischen Interessen nicht tun, nach dem Motto: „Weil nicht sein kann, was nicht sein darf“. Diese Damen und Herren haben den gesamten Bärenmarkt voll investiert und schreiend bullish in ihren Prognosen begleitet. Beide Varianten haben die Mär der „New Economy“, also den Klassiker: „Diesmal ist alles anders“ zur Rationalisierung absurd irrationaler Entwicklungen benutzt. Von dieser Seite wurden im Lauf der letzten 18 Monate „Wirtschaftsprobleme wären zu lösen, wenn man die Selbstgefälligkeit steuerpflichtig machte.” Jacques Tati, französischer Regisseur „Die wenigsten können wohl behaupten, daß sie morgens um sieben Uhr auf dem Höhepunkt ihrer geistigen Leistungsfähigkeit sind. Um diese Zeit steigt Alan „Superspan” aus der Wanne – und hat die wichtigste Arbeit des Tages bereits hinter sich gebracht. In den eineinhalb Stunden, in denen er täglich sein heißes Bad nimmt, erledigt der „mächtigste Mann der Welt" einen großen Teil seiner Aufgaben: liest Statistiken, erledigt Geschäftspost. Bei diesem Ritual, ursprünglich als Therapie gegen sein Rückenleiden XAU gedacht, fallen die „wich5% tigsten Ent5% 5% scheidungen 5% der Welt”. Morgens um sechs, sagt Greenspan, sei sein Intelligenzquotient um 20 Punkte höher als abends um sechs.” Quelle: gatrixx AG 04 Markt Rese „New Economy“ nahezu ausschließlich dramatisch falsche Einschätzungen publiziert. Wir sind gespannt, wie lange es dauern wird, bis diese „Talking Heads“ von den TV-Bildschirmen verschwinden oder wenigstens mit ihren katastrophalen Fehleinschätzungen konfrontiert werden. „Greenspan ist kein Mann der klaren Worte. Er spricht leise und monoton, Syntax und Rhetorik sind eine Zumutung – die Defizite reichen bis ins Private: Andrea Mitchell, seine zweite Frau, erzählt, Greenspan habe ihr drei Heiratsanträge machen müssen, ehe sie verstanden habe, was er meinte.” Übrigens sind auch von Alan Greenspan Analysen bekannt, die anhand der letzten großen USSpekulationsblase Ende der 1920er Jahre klar aufzeigen, was eine Bubble ist und welche verheerenden Folgen ihr unvermeidliches Platzen für eine Volkswirtschaft und ihre Finanzmärkte hat. Allerdings stammen diese Schriften Greenspans aus einer Zeit, als er noch unabhängiger Berater war und nicht Chef-Cheerleader. Quelle: gatrixx AG Die Bubble ist geplatzt, Greenspans Träume nicht Auf der Homepage der Dallas Federal Reserve Bank (www.dallasfed.org) befindet sich am 18. Oktober als Aufmacher unter der Überschrift „Greenspeak“ der Hinweis auf Alan Greenspans Rede vor dem US-Kongreß vom Tag zuvor und der Link zu seinem Redetext. Als Appetithäppchen wird folgende Passage ausgewählt, die die Macher der Seite offensichtlich für die wichtigste Aussage der Rede halten: „The level of productivity will presumably undergo a one-time downward adjustment as our economy responds to higher levels of perceived risk. But once the adjustment is completed, productivity growth should resume at rates in excess of those that prevailed in the quartercentury preceding 1995.” (Die Höhe der Produktivität wird höchstwahrscheinlich eine einmalige Anpassung erfahren, da unsere Volkswirtschaft auf das erhöhte Maß an bewußt wahrgenommenem Risiko reagiert. Aber sobald diese Adjustierung abgeschlossen ist, sollte das Produktivitätswachstum wieder aufgenommen werden und zwar in Größenordnungen, die über dem Niveau der 25 Jahre vor 1995 liegen.). Greenspans Traum von der „New Economy“, dank US-amerikanischer Technik von einem Produktivitätswunder gekennzeichnet, ist offensichtlich noch immer nicht ausge- 05 träumt. Wir haben uns mit dieser Produktivitätsthese, die wir als falsch ansehen, bereits im Oktober 2000 und dann noch einmal im Juni 2001 befaßt. Deshalb soll hier der Hinweis genügen, daß es sich unserer Meinung nach nicht um ein „Produktivitätswunder“ handelte, sondern um ein normales zyklisches Phänomen, das in den Bubble-Jahren die besondere Dynamik der Bubble Economy sowie die kreative Manipulation der entsprechenden Statistiken widerspiegelte. Das Festhalten Greenspans an seinem Produktivitätswunschtraum werten wir als klaren Hinweis auf sein Unvermögen, die von ihm zu verantwortenden Fehler einzugestehen. Mit dieser Geisteshaltung wird er zur Lösung des Problems, dessen Hauptursache seine die Spekulationsblase erst möglich machende Geldpolitik war, nicht beitragen können. Wir können in dieser Situation nur auf einen Nachfolger hoffen, der die geplatzte Spekulationsblase als eben solche erkennt und bereit ist, sich dieser unangenehmen Realität zu stellen. Das unserer Meinung nach Wichtigste dieser Greenspan-Rede sehen wir in seinen Ausführungen zu den ökonomischen Folgen des Terroranschlages auf die USA. Hier ebnet sich der alte Fuchs seine Exkulpation. So wie zahlreiche Unternehmensvorständeund Wall Street Cheerleader die Gelegenheit nutzen, ihre Fehleinschätzungen und -entscheidungen hinter dem unvorhersehbaren Ereignis zu verstecken, bereitet auch Greenspan diesen Hinterausgang vor, den er sicherlich benutzen wird, um sich von seiner Verantwortung für die Misere davonzustehlen. Sündenböcke Die in unserer August-Ausgabe beschriebene irrationale Suche nach Schuldigen, die so typisch ist in Zeiten geplatzter Spekulationsblasen, hält sich weiterhin an die historisch überlieferten Vorgaben. Die Nachrichtenagentur Reuters berichtete am 24. September von US-amerikanischen Volksvertretern, die das Short Selling, also die Spekulation auf fallende Kurse, einschränken oder gar verbieten wollen. Diese Forderung läßt sich nur mit einem ungenügenden Verständnis der Funktionsweise freier Märkte erklären. Sie können nur dann funktionieren, wenn es Käufer und Verkäufer gibt: Je mehr von beiden, desto liquider ist der Markt. Der volkswirtschaftliche Nutzen der Spekulanten ist hinreichend untersucht und allgemein bekannt, so daß wir in diese eher banale Fragestellung nicht einsteigen werden. Politikern, die solche Ideen favorisieren, würden wir allerdings gerne einen Grundkurs in Marktwirtschaft verordnen. Die Botschaft von Merrill Lynch Merrill Lynch, der größte US-Broker, hat uns in der Endphase der Spekulationsblase kontinuierlich mit dem Werbeslogan „Be bullish“ erfreut. Wenn wir uns recht erinnern, wurde diese Aufforderung erst im Mai 2001 durch das unverfänglichere „Ask Merrill“ ersetzt. Kürzlich hat das Unternehmen die Entlassung von bis zu 10000 Mitarbeitern oder 15% der Belegschaft angekündigt. Kann es sein, daß das MerrillManagement den rosigen Prognosen seiner Cheerleader nicht glaubt? „Be bearish. For internal use only“ fällt uns dazu ein. (Sei bearish. Nur für den internen Gebrauch bestimmt.). Der Fairness halber möchten wir an dieser Stelle erwähnen, daß in der großen Merrill Lynch-Welt auch für einige wenige Nicht-Cheerleader Platz war, an prominentester Stelle Robert J. Farrell, der als Senior Investment Advisor immer wieder mit brillanten Analysen hervorsticht. Das Gesamtmodell Bei den drei Komponenten unseres Modelles haben sich im Berichtszeitraum keine wichtigen Änderungen ergeben. Das Kaufsignal hat unverändert Bestand. Die monetären Rahmenbedingungen bleiben geradezu beängstigend positiv. Diese außergewöhnliche Liquiditätsschwemme spiegelt das panische Reagieren der US-Zentralbank wider. analyse arch “-Märchenstunde Geldmengenwachstum dieser Größenordnung ist selbst für „Easy Money Al“ Greenspan Neuland, der seit seinem Amtsantritt 1987 auf jede reale oder eingebildete Krise mit einem beherzten Öffnen der Geldhähne reagiert hat. Es stellt sich natürlich verstärkt die Frage, wo sich diese Inflation zeigen wird. Während der Bubble-Jahre waren es bekanntlich nicht die Gütermärkte, also dort, wo nahezu alle zeitgenössischen Ökonomen ausschließlich Inflation erkennen zu können glauben. Vielmehr äußerte sie sich in irrational steigenden Preisen für Unternehmen, also dort, wo sie im allgemeinen nicht als schlechte Inflation erkannt, sondern als steigende Aktienkurse willkommen geheißen wird. Natürlich hofft man bei der Fed, daß die Gelder auch jetzt zu steigenden Aktienkursen führen und die Wirtschaft ankurbeln. Leider zeigt die Geschichte aber, daß überschüssige Liquidität tendenziell dorthin fließt, wo Preismomentum vorhanden ist und nicht in fallende Märkte. Steigende Preise sehen wir (noch) am US-Immobilienmarkt und bei Gold. Außer extrem wachsenden Geldmengen erkennen wir zur Zeit keine Anzeichen einer klassischen inflationären Entwicklung. Wir sind weiterhin der Meinung, daß die deflationären Folgen der geplatzten Spekulationsblase stärker sein werden als die inflationären Versuche der Notenbank. Der CRB-Rohstoffindex, der uns in den letzten Jahren gute Dienste bei der Zins- und Inflationsprognose geleistet hat, befindet sich auf einem 350 Die Sentiment-Indikatoren sind im kurz- und mittelfristigen Bereich positiv, langfristig wie gehabt sehr negativ. Die fundamentalen Bewertungen sind weiterhin absurd hoch. Die Gewinne fallen noch immer schneller als die Kurse. Die ungezählten unternehmerischen Fehlentscheidungen der Bubble-Jahre werden jetzt nach und nach sichtbar. Das geradezu lächerliche Wunschdenken und die Extrapolation der wildesten Exzesse haben bei offensichtlich sehr vielen Managern zu unternehmerischen Weichenstellungen geführt, die der Realität nicht gewachsen sind. Swissair und die bereits recht zahlreichen Pleiten an Neuem Markt und NASDAQ sind vermutlich erst die Spitze des Eisberges. Beispielsweise sehen wir das Problem der Airlines nicht in dem von Terrorismus ausgelösten kurzfristigen Geschäftsrückgang. Vielmehr bestand schon vorher das systematische Problem eines zu hohen Verschuldungsgrades. Ein hoher Leverage ist in Zeiten steigender Unternehmensgewinne eine sehr lukrative Einrichtung. In Problemzeiten wirkt der Hebel aber genauso gut, nur in die andere Richtung. Offensichtlich hat die Bubble in weiten Kreisen der Unternehmenslenker dazu geführt, die Grundsätze ordentlicher Kaufleute den Grundsätzen von New Economy-Kaufleuten zu opfern. Deren erste Doktrin war offensichtlich die kurzfristige Maximierung des Aktienkurses ohne Rücksicht auf langfristige Gefahren für das Unternehmen, um sich per Optionsprogramm persönlich zu bereichern. 300 250 Fazit 200 150 100 1966 1971 1976 1981 1986 1991 1996 2001 CRB-Rohstoffindex spannenden Niveau, nämlich im Bereich seiner Tiefs der letzten 30 Jahre. Ein Bruch der Marke von 180 Zählern würde klar auf das Deflationsszenario verweisen, eine Bodenbildung mit anschließendem Aufwärtstrend hingegen das Inflationsszenario in den Vordergrund rücken lassen. Die erwartete Bearmarket-Rallye hat innerhalb weniger Wochen bereits deutliche Kursgewinne geliefert und erste Widerstandszonen erreicht. Wir halten nach einer kurzfristigen Abwärtskorrektur eine zweite Aufwärtswelle in Richtung der nächsten Widerstände in der Nähe der 200-Tage-Durchschnittlinien für wahrscheinlich. Da im langfristigen Abwärtstrend mit negativen Überraschungen gerechnet werden muß, die gewöhnlich mit fallenden Aktienkursen einhergehen, nutzen wir bereits das aktuelle Kursniveau, um in einem ersten Schritt den Aktienanteil abzubauen. Wenn die erwartete zweite Aufwärtswelle in den nächsten zwei bis drei Monaten eintrifft, werden wir sie für weitere Aktienverkäufe nutzen. Dow Jones Industrial Average Der Tiefkurs des Dow Jones vom 21. September betrug knapp 8100 Zähler. Damit kam der Kursverfall im oberen Bereich der von uns genannten Unterstützungszone von 8200 bis 7400 Punkten zu einem Halt. Die anschließende BearmarketRallye von in der Spitze 18% erreichte die Widerstände, die sich aus „Wann die Trendwende kommt, weiß weder Alan Greenspan noch irgendein Nobelpreisträger.” Peter Lynch, Fidelity Investments 11600 „Ein Blase voll Luft fürchtet spitze Nadeln.” Sorbische Redensart 11000 10400 9800 9200 8600 8000 08/99 02/00 08/00 02/01 08/01 DJIA den März-April-Tiefs ergeben. Auf diesem Niveau begann eine kurzfristige Korrektur, die wahrscheinlich noch zwei bis drei Wochen anhalten wird. Ein Kursrückgang in der Größenordnung von 40% bis 60% der vorangehenden Bewegung wäre völlig normal. Daraus ergibt sich ein kurzfristiges Abwärtspotential auf 9000 bis 8700. Natürlich können wir einen Test der Tiefstände nicht ausschließen, halten ihn aber für sehr unwahrscheinlich. Nach dieser kurzfristigen Konsolidierung rechnen wir mit einer zweiten Aufwärtswelle, die über die bisherigen Hochs von 9500 Punkten hinausführen wird. Ein ideales Kursziel dieses zweiten Schubes der Bearmarket-Rallye ergibt sich aus der fallenden 200-Tage-Durchschnittlinie. Wir interpretieren den Kursverlauf seit April 1999 als große obere Umkehrformation und die September-Einbußen als klaren Ausbruch aus dieser Formation, die ein Minimumkursziel von 7400 Punkten hat. Der langfristige Trend ist eindeutig abwärts gerichtet. Wir erwarten nach Beendigung der Bearmarket-Rallye neue Tiefkurse. „Das eine Zeitalter schlägt Blasen, das nächste läßt sie platzen.” William Cowper, englischer Lyriker (1765) 06 Marktanalyse Research „New Economy“-Märchenstunde S&P 500 Das für den Dow Jones Gesagte gilt analog auch für den S&P 500. Nach dem Ausbruch aus einer oberen Umkehrformation befindet er sich in einem langfristigen Abwärtstrend. Die Tiefs vom 21. September lagen ziemlich genau in der Mitte werden kann, sehen wir die nächste Marke bei 5400, den MärzApril-Tiefs. Die stark fallende 200Tage-Durchschnittlinie, die zur Zeit bei 5750 Punkten verläuft, wird dieses Niveau voraussichtlich Ende November erreicht haben. NASDAQ Composite 1500 Der Kursverfall dieses Indizes kam bei knapp 1400 Punkten in der Nähe der Tiefstände von 1998 zum Stehen. Die anschließende Rallye betrug am Hoch gut 25% und führ- 1400 1300 1200 1100 1000 900 08/99 02/00 08/00 02/01 08/01 der von uns genannten Unterstützungzone von 1000 bis 900 Punkten. Die anschließende Rallye führte ebenfalls in den Bereich der MärzApril-Tiefs und betrug in der Spitze 17%. Auch hier rechnen wir zunächst mit einer Fortsetzung der kurzfristigen Korrektur und einer sich anschließenden Wiederaufnahme der Bearmarket-Rallye mit einem Kursziel im Bereich der deutlich fallenden 200-Tage-Durchschnittlinie. Danach erwarten wir neue Tiefstände. Nikkei Die Bearmarket-Rallye des japanischen Aktienindizes hat das letzten 5000 S&P 500 segment bei Erreichen der 200Tage-Durchschnittlinie. Wir erkennen immer noch keine Anhaltspunkte für das Ende dieses Bärenmarktes von historischer Proportion. Nach einem Kursverfall von insgesamt über 90% erwarten wir eine – bisher allerdings nicht erkennbare – ausgeprägte Bodenbildungsphase, bevor ein neuer Bullenmarkt beginnt. Wir werden diese Entwicklung geduldig abwarten. 4400 3800 20000 3200 18000 2600 16000 2000 14000 1400 08/99 02/00 08/00 08/01 12000 NASDAQ 10000 02/01 te bereits über die März-April-Tiefs. Auch an der NASDAQ erwarten wir eine kurzfristige Abwärtskorrektur, gefolgt von einer zweiten Aufwärtswelle. Deren Kursziel bleibt die bereits letzten Monat genannte Marke von 1900 bis 2000 Zählern. 08/99 02/00 08/00 02/01 08/01 Nikkei Monat genannte Kursziel von 11500 Punkten noch nicht erreicht. Eine Bodenbildung ist nach wie vor nicht erkennbar, der langfristige Abwärtstrend mithin intakt. NEMAX XAU Das sogenannte deutsche Wachstumssegment, an dem eigentlich nur die Zahl der Pleiten und der Gewinnwarnungen wächst, hat sein September-Tief bei 694 Punkten gesehen. Damit beträgt der Kurs- Der Gold- und Silberminenindex hat Mitte Oktober etwas nachge- DAX Auch die deutsche Börse befindet sich im langfristigen Abwärtstrend. Sie hat im September-Abschwung weiterhin relative Schwäche gezeigt und kam erst im unteren Bereich der Unterstützungszone bei 3540 Punkten zum Stillstand. Die anschließende Bearmarket-Rallye war fulminant und erreichte in der Spitze ein Plus von 35%. Eine Korrektur dieser Bewegung von 40% bis 60% ergibt kurzfristige Kursziele von 5600 4800 4000 08/99 02/00 08/00 02/01 08/01 DAX Claus Vogt Leiter Research [email protected] 07 4300 bis 4100 Punkten. Danach rechnen wir analog zu den anderen Märkten mit einer zweiten Aufwärtswelle. Starke Widerstände beginnen bei rund 5000 Zählern. Falls diese große Hürde überwunden 72 62 52 7000 42 6000 08/99 02/00 08/00 02/01 08/01 5000 XAU 4000 3000 2000 1000 08/99 02/00 08/00 02/01 08/01 8000 7200 82 8000 NEMAX 6400 92 verfall seit dem Allzeithoch im März 2000 sagenhafte 92%. Die Rallye seit dem Tiefstand beläuft sich auf stattliche 44% und drückt den Gesamtverlust seit dem Top auf 88%. Erste Widerstände für eine Fortsetzung dieser Bearmarket-Rallye sehen wir bei 1100 bis 1200 Punkten, dann erst wieder bei rund 1500. Die schnell fallende 200-Tage-Durchschnittlinie verläuft bei gut 1600. Wir empfehlen den Verkauf etwaiger Bestände in diesem Spielkasino- geben und seine steigende 200Tage-Durchschnittlinie sowie die in der Grafik eingezeichnete Aufwärtstrendlinie bis jetzt erfolgreich getestet. Diese Niveaus sind einerseits ideale Marken für Neuengagements. Andererseits dürfen sie nicht deutlich unterschritten werden, da sonst der Aufwärtstrend gebrochen ist. Folglich raten wir bei Schlußkursen unter 50 Zählern zum Ausstieg aus unserer in der Februar-Performance eingegangenen 5%igen LongPosition. Berliner Unternehmen Was macht eigentlich… …die CargoLifter AG? „Ich bin kein Flugzeugfreak“ – mit diesem Bekenntnis verblüfft Dr. CarlHeinrich Freiherr von Gablenz häufig seine Gesprächspartner. Wer die so glorreiche und doch so tragische Geschichte der deutschen Luftschiffahrt wiederbeleben will – muß der nicht ein Visionär sein, ein Träumer mit großem Herzen und noch größerer Phantasie, ein romantischer Überzeugungstäter? Muß er nicht. Am Anfang der Geschichte vom CargoLifter standen nicht waghalsige Pioniere, sondern kühlrechnende Logistikexperten – wie Gablenz. Sicher, der Sohn des ersten Chefs der Deutschen Lufthansa wuchs in einem Familienklima auf, in dem Luftfahrt und Fliegen so zum täglichen Gesprächsstoff gehörten wie Autos in Wolfsburg, Wein in Bingen oder das Meer auf Norderney. Auch die anderen Gründerväter der CargoLifter AG waren keine Luftfahrtenthusiasten, sondern grundsolide deutsche Anlagenbauer. der Exporte ist die Infrastruktur meist schwach entwickelt. Für Schwerlasttransporte müssen in der Regel erst Straßen gebaut oder zumindest Brücken verstärkt, Kurven begradigt, Dämme aufgeschüttet und andere Baumaßnahmen vorbereitet werden – der Transport ist oft genauso teuer wie die ganze Anlage und kostet monatelange Vorbereitungsarbeiten. Und wenn ein Transportfahrzeug von der Straße abkommt und im Graben landet, gibt es meist keine Möglichkeit, die Fracht zu retten – die ganze Anlage muß nochmal hergestellt und antransportiert werden. Hier soll der CargoLifter Abhilfe schaffen. Mit seiner Tragfähigkeit von 160 Tonnen und seiner Länge von mehr als 200 Metern soll er riesige sperrige Güter – maximal 50 mal acht mal acht Meter – vom Hersteller direkt bis zum Einsatzort transportieren und dort punktgenau absetzen. „Wir wollen weder Personen noch Container transpor- bewährt hat. „Künftig kann man Anlagen wesentlich großzügiger dimensionieren, weil sie mit dem CargoLifter transportiert werden können“, weiß der Vorstandsvorsitzende. Doch erst einmal muß der CargoLifter produziert und zugelassen werden. Dabei sind noch viele technische Probleme zu lösen – oft sehr unerwartete. So hat sich herausgestellt, daß der Übergang von der Halle ins Freie ein höchst gefährliches Manöver ist, weil Seitenwinde das Luftschiff gegen die Hallenwand drücken und dabei schon vor dem ersten Start schwer beschädigen können. Ganze Teams von Meteorologen haben die Windverhältnisse in den märkischen Wäldern rings um die Riesenhalle untersucht und herausgefunden: Die günstigste Zeit, um den CargoLifter aus der Halle zu fahren, ist vor Sonnenaufgang. Ähnliche Probleme erwarten die Entwickler der Riesenzigarre aber auch bei vielen anderen Details des Konzeptes: Wie manövriert das Luftschiff bei großen Windstärken? Wie sollen die großen, sperrigen Lasten aus mehr als hundert Meter Höhe aufgenommen und wieder abgesetzt werden? Wie kommt die Crew ins Cockpit und wieder herunter? Was passiert, wenn die Hülle in großer Höhe vereist? Dr. Carl-Heinrich Freiherr von Gablenz Vorstandsvorsitzender CargoLifter AG Dr. Carl-Heinrich Freiherr von Gablenz hat für diese und viele, viele weitere Fragen die Besten der Luftschiffbauer in sein Entwicklungsteam geholt. Bisher haben sie alle schwierigen Themen in den Griff bekommen – aber viele werden erst auftauchen, wenn der Probeflug der ersten Zeppeline beginnt. CL 75, zum Drucktest mit Luft befüllt, in der Werfthalle Was bringt die Elite der deutschen Großindustrie dazu, in die Luft zu gehen? Es waren ganz praktische Überlegungen, die zum CargoLifterKonzept führten: Der Schwerpunkt der Investitionstätigkeit im Anlagenbau verlagert sich immer mehr in die „Dritte Welt“. Doch in den Zielländern Foto: CargoLifter AG tieren – dafür gibt es andere, kostengünstigere Möglichkeiten, versichert Gablenz. Aber für den Einsatzzweck, für den der CargoLifter konzipiert ist, haben allein die 30 Gründerfirmen bereits jetzt einen riesigen Bedarf. Der dürfte schnell ansteigen, wenn sich das System im Einsatz Immerhin: Im einem alten Fliegerhorst der russischen Streitkräfte in der Lausitz wurde die größte freitragende Halle der Welt in den märkischen Sand gesetzt – 107 Meter hoch, 210 Meter breit, 360 Meter lang. Hier sollen ab 2003 die fliegenden Riesenzigarren in Serie produziert werden. 08 Berliner Unternehmen Aber die Zeit bis dahin wird noch einmal schwer für das CargoLifterTeam. Der Börsengang hat 250 Millionen DM in die Kassen der Luftschiffbauer gespült. Aber noch einmal die gleiche Summe wird benötigt, bis der Serienstart beginnen kann. Doch nach der Krise am Neuen Markt und der Börsenflaute des laufenden Jahres werden die ersten Anleger bereits unruhig. High Tech ist plötzlich suspekt geworden, und bis 2004 ist mit einer Dividende ja nicht zu rechnen. Der Kurs der Möglich sei auch der stationäre Einsatz als „schwebender Kran” für sperrige Bauteile und Industrieanlagen. Einer der weltweit führenden Schwerlasthäfen, der Port of Houston, gehört zu den Interessenten und eine Delegation aus dem Reich der Mitte prüfte erst vor kurzem die Möglichkeiten, den CargoLifter in Südchina oder beim Bau des Transrapid einzusetzen. Die Entwickler haben den AirCrane aber auch als Zwischenschritt der Werfthalle in einem frühen Baustadium, Frühjahr 2000 CargoLifter AG Silke Rösser Potsdamer Platz 10 10785 Berlin Tel. 030-72.61.03.92.12.4 Fax 035477-65.00.21.24 [email protected] www.cargolifter.com CargoLifter AG schwebt in niedrigen Höhen um die 14 Euro – zu wenig, um eine zweite Emission attraktiv erscheinen zu lassen. In der Riesenhalle in Brand wird jetzt erst einmal eine verkleinerte Version des CargoLifters gebaut – der AirCrane, ein Fesselballon mit einer Tragkraft von 75 Tonnen. Da der „Schwebekran” über keinen eigenen Antrieb verfügt, wird er per LKW, Schiff oder Hubschrauber fortbewegt. Vor allem für Großbaustellen in entlegenen Gegenden wie Wüsten oder Urwaldgebieten sei damit ein kostengünstiger und umweltschonender Transport möglich, ohne Schneisen zu schlagen oder Straßen zu bauen, ist Gablenz überzeugt. Foto: CargoLifter AG Luftschiffentwicklung gebaut, um das Verhalten von Helium und die Druckbelastung in einer so großen Hülle zu testen. Wie das Transportluftschiff CargoLifter hat der AirCrane einen Durchmesser von 61 und eine stattliche Höhe von 85 Metern, er faßt 110000 Kubikmeter Helium. „Bereits dieser Ballon ist jetzt das größte Luftfahrtobjekt der Welt”, verkündet Dr. Carl-Heinrich Freiherr von Gablenz voller Stolz. Der Ballon soll künftig die Langstreckentransporte des CargoLifters ergänzen und gleichzeitig die Prüfverfahren beschleunigen – so wurden bereits das Blitzschutzsystem, das Heliumabfüllverfahren, der Lastaustausch beim Beladen und andere Teile des langwierigen Genehmigungsverfahrens abgeschlossen. Vor allem aber soll der AirCrane bereits ab nächstem Jahr die ersten Einnahmen bringen. Die Entwicklungskosten für das so völlig neuartige Projekt werden voraussichtlich doch höher als ursprünglich geplant. Bis zum Serienstart fehlen noch 320 Millionen Euro. Um neues Geld in die Kassen zu bekommen, sollte zunächst in diesem Jahr eine Wandelanleihe begeben und im nächsten Jahr eine Kapitalerhöhung durchgeführt werden. Aber jetzt sucht man auch nach alternativen Finanzierungsformen. Am liebsten wäre dem CargoLifter-Vorstand der Einstieg eines strategischen Partners. Eindringlich appelliert Gablenz an die deutsche Industrie: „Beim gegenwärtig niedrigen Kurs der CargoLifterAktie besteht die Gefahr, daß die US-Konkurrenz das ganze Projekt billig aufkauft und über den Atlantik holt.“ Der Mahnruf geht auch an die industriellen Partner des Projektes wie Siemens, Linde, MAN, Mitsui oder Alstom, ihre Beteiligungen aufzustocken und einen Teil der Zulieferungen vorzufinanzieren. Der US-Konzern General Electric, der die Triebwerke beisteuert, wird für einige Zeit einen Kostenaufschub gewähren, hat aber eine Beteiligung an dem Projekt bisher abgelehnt. Der CargoLifter-Lenker hofft auch auf Unterstützung durch den Staat. Mit ein wenig Neid beobachtet er die öffentliche Förderung und die Beteiligung von Risikopartnern beim Airbus A380 – dessen Entwicklung kostet mit 10,7 Milliarden US$ mehr als das Zehnfache des CargoLifter-Projektes. Aber Dr. Carl-Heinrich Freiherr von Gablenz bleibt optimistisch, daß alle Schwierigkeiten gelöst werden. „Mehr als 60000 Aktionäre haben uns trotz aller Turbulenzen am Neuen Markt die Treue gehalten. Sie wissen: Wir sind auf dem richtigen Weg.“ Dr. Dieter Wuschick 09 Berlin Mahnmal wider Willen? Das Jüdische Museum Seit dem 9. September hat Berlin wieder ein Jüdisches Museum. Zur feierlichen Eröffnung waren 850 Ehrengäste aus Politik, Wirtschaft und Kultur geladen, um als erste die Ausstellung in Daniel Libeskinds architektonischem Meisterwerk zu besuchen. Allein der noch leere Bau hatte nach seiner Fertigstellung im Januar 1999 schon mehr als 350000 Interessierte angezogen. Ein Blick zurück in die Geschichte läßt erkennen, wie schicksalhaft der Zeitpunkt der Eröffnung des ersten Berliner Jüdischen Museums in der Oranienburger Straße war: Es war der 24. Januar 1933, sechs Tage vor Hitlers Ernennung zum Reichskanzler. Nur fünf Jahre später, während der Reichspogromnacht im November 1938, wurde es von der Gestapo geschlossen, die Kunstschätze konfisziert. Erst 1971 gab es mit der Ausstellung „Leistung und Schicksal“ anläßlich des 300jährigen Bestehens der Berliner Jüdischen Gemeinde im Berlin-Museum, dem ehemaligen Collegienhaus in der Kreuzberger Lindenstraße, wieder einen ersten Ansatz, dort eine jüdische Abteilung einzurichten. Dazu kam es nicht, denn verschiedene Vertreter aus der Politik sowie der Förderverein „Gesellschaft für ein Jüdisches Museum in Berlin“ machten sich für ein eigenes Gebäude stark. Wenn üblicherweise Ausstellungen in bereits vorhandenen Häusern eingerichtet werden, ist es eine seltene Gelegenheit, eigens einen Museumsbau für einen bestimmten Zweck zu schaffen und somit eine einzigartige Einheit zwischen dem Inneren und Äußeren herzustellen. Der ursprünglich als Erweiterungsbau des Berlin-Museums geplante Neubau ist dreimal so groß wie das Collegienhaus – erkennbar ist der Grundgedanke des Anbaus heute nur noch dadurch, daß das moderne Gebäude keinen eigenen Zugang hat, sondern durch das alte Berlin-Museum unterirdisch betreten wird. Zu überzeugend waren die Pläne des 1946 in Lodz geborenen, mittlerweile in Berlin lebenden Architekten Daniel Libeskind, der unter 165 Teilnehmern im Juni 1989 die Ausschreibung gewann. Sein radikaler Entwurf „Between the Lines“ konfrontierte mit unregelmäßigen Winkeln und ungewöhnlichen Perspektiven und Projektionen von Raum und Leere: Als Sinnbild der Geschichte der Juden, ihrer Vertreibung, ihrer Vernichtung, ihren Brüchen – ablesbar sowohl in dem mehrfach abgeknickten Grundriß, der an einen zerborstenen Davidsstern erinnert, als auch in der geraden Achse, die das Gebäude von Westen nach Osten schneidet, darin eingefangen die Schnittpunkte, die jene „Voids“ („Leeren“) bilden, die verkörperte Abwesenheit der vertriebenen und ermordeten Juden in Deutschland. Auch sonst finden sich kaum konventionelle bauliche Komponenten – Fenster sind keine Fenster, sondern kreuz und quer verlaufende Schnitte, die wie Wunden anmuten, man trifft auf tote Winkel, Hohlräume, schiefe Wände. „Zwei Jahrtausende deutsch-jüdische Geschichte“, so heißt die nun erlebbare Ausstellung, die der neuseeländische Projektdirektor Kenneth C. Gorbey erklärtermaßen nicht vom Holocaust dominiert wissen will. Vielmehr sollen Buntheit und Typenfülle jüdischen Lebens als Element der einen deutschen Geschichte gezeigt werden. Vielleicht brauchte es einen Nichtdeutschen, Nichtjuden wie Gorbey, um dieses Ziel stilistisch und künstlerisch umzusetzen. Mit dem von ihm eingerichteten, berühmten Nationalmuseum Te Papa Tongarewa im heimatlichen Wellington ist es ihm schon einmal gelungen, ein wissenschaftlich fundiertes und gleichzeitig unterhaltsames Museum aufzubauen. Die Ausstellung umfaßt rund 3900 Exponate, Leihgaben und Installationen zeitgenössischer Künstler. Eine aus dem Jahr 321 stammende Urkunde, in der Kaiser Konstantin den in Köln siedelnden Juden Rechte zugestand, hat in doppelter Hinsicht große Bedeutung für das Projekt: Zum einen ist das Dokument die früheste bekannte Erwähnung jüdischer Siedler in Germanien, zum zweiten zeigt sie, daß Juden seit altersher zur deutschen Geschichte gehören. Bemerkenswert an dem Museum ist ebenso, daß es nicht nur äußerlich ungewöhnlich und modern ist, Blick in den „silbernen Blitz” Foto: Jüdisches Museum sondern dieses Konzept auch im Inneren fortgesetzt wird. Der Besucher wird auf Schritt und Tritt von multimedialen Installationen eingeladen, sich näher mit den Exponaten oder geschichtlichen Ereignissen zu beschäftigen – seien es interaktive Bildschirme, wie als Schubladen herausziehbare Tafeln oder Videos und Tondokumente. Seinem komplexen Auftrag, neben traditionellen musealen Aufgaben auch einer pädagogischen Zielsetzung zu folgen, wird das Jüdische Museum Berlin gerecht durch eine Reihe zusätzlicher Angebote: Im Rafael Roth Learning Center können die Besucher Hintergründe und Zusammenhänge deutschjüdischer Geschichte mit Hilfe einer Museumsdatenbank selbst erforschen. Darüber hinaus ist mit der Eröffnung einer Dependance des Archivs des Leo Baeck Institutes New York das bedeutendste seiner Art zur deutsch-jüdischen Geschichte zugänglich gemacht worden. In Bibliothek und Archiv lassen sich nach vorheriger schriftlicher Anmeldung Dokumente, Fotos und Erinnerungsstücke zu Einzel- und Familienschicksalen vom 18. Jahrhundert bis in die Gegenwart erforschen. Abgerundet wird das Angebot durch das Restaurant „Liebermanns“, das auch über die Museumsöffnungszeiten hinaus täglich von 9.30 Uhr-23.00 Uhr koschere jüdische Spezialitäten anbietet. Jüdisches Museum Berlin Lindenstraße 9-14 10969 Berlin Tel. 030-30.87.85.68.1 Fax 030-25.99.34.09 [email protected] www.jmberlin.de Öffnungszeiten: täglich 10.00 Uhr-20.00 Uhr (außer Heiligabend) Heike Noack Berliner Effektengesellschaft AG 10 Finanz-Glossar Börsensegmente Atomisieren, segmentieren: Wann sind Märkte neu, geregelt, amtlich oder frei? cscholl@ effektengesellschaft.de angelehnt, faktisch aber weniger streng. Schließlich hatte er bei seiner Etablierung 1987 in etwa die gleiche Grundausrichtung wie der Neue Markt zehn Jahre später: Mittelständische Wachstumsunternehmen sollten im Geregelten Markt reifen, um später den Schritt in den voluminöseren, entschieden regulierteren Amtlichen Handel zu wagen – ein öffentlich-rechtlicher 1980er Jahre-Neuer Markt ohne übertriebene TMT-Euphorie. Hauptmanko des Geregelten Marktes war immer sein geringes Um- erfüllen? Die Lösung für kleine und mittlere Gesellschaften aus traditionellen Branchen mit gemäßigtem, aber solidem Wachstum heißt seit April 1999 SMAX. Warren Buffett, der als „The World’s greatest Value Investor“ nur die Aktien kauft, bei deren Emittenten er die dahinterstehende Geschäftspolitik überblickt, hätte hier seine helle Freude. Bleibt das Freiverkehrssegment: wie der Name schon sagt mit einem weitreichenden Spektrum des Gesetzgebers an privatrechtlichem Liberalismus bei Zulassungsmoda- Börsensegmente und ausgewählte Anforderungskriterien im Überblick: Amtlicher Handel Neuer Markt Mindestbestandsdauer des emittierenden Unternehmens drei Jahre wenigstens ein Jahr, möglichst drei Jahre Mindestemissionsvolumen 1,25 Millionen Euro 5 Millionen Euro Mindesthöhe Free Float 25% wenigstens 20%, möglichst 25% – Publizitätserfordernisse nach dem Börsengang Jahresbericht, mindestens ein Zwischenbericht; Ad hoc-Publizität ist verpflichtend Rechnungslegung nach internationalen Standards (IAS, US-GAAP), Jahresbericht, Quartalsberichte; Ad hoc-Publizität ist verpflichtend Jahresbericht, mindestens ein Zwischenbericht; Ad hoc-Publizität ist verpflichtend tion seines Aktienportfolios und zur Einschätzung seines persönlichen Risikoprofils. Everybody’s Darling war lange Zeit der Neue Markt. Seine Konzeption unterscheidet zwischen der öffentlich-rechtlichen Zulassung von Aktien zum Geregelten Markt und der privatrechtlich festgelegten Notierungsaufnahme der zugelassenen Werte im Neuen Markt – das eine geht nicht ohne das andere und heißt im Ergebnis, daß die Papiere im Freiverkehr gehandelt werden. Gut zu wissen für jene Unternehmen, die in diesen Tagen auf dem Delisting-Index der Deutschen Börse AG für den Neuen Markt stehen: Sie bleiben am Geregelten Markt zugelassen. Dessen Regelwerk indes ist zwar stark an das des Amtlichen Handels Geregelter Markt – 250000 Euro SMAX Freiverkehr – – – Empfehlung: 250000 Euro 20% – Jahresbericht, Quartalsberichte; Ad hoc-Publizität ist verpflichtend Jahresbericht; zumeist freiwillige Verpflichtung zur Ad hoc-Publizität satzvolumen. Ein Defizit, das der Amtliche Handel nicht kennt, schließlich rekrutieren sich aus seinen Reihen alle DAX30- und die in ihrer Bedeutung gleich nachfolgenden 70 MDAX-Unternehmen, beide zusammengefaßt im DAX100. Als deutsches Börsensegment mit der längsten Historie ist der Amtliche Handel umfassend gesetzlich geregelt, von der jeweiligen Landesregierung bis zum 65. Lebensjahr bestellte Amtliche Kursmakler zeichnen für die Kursfeststellung verantwortlich. litäten und Transparenzanforderungen – ohne daß der Anlegerschutz deswegen geringer wäre als in anderen Segmenten: Dafür sorgen die Handelsüberwachungsstellen. Größtmögliche Vielfalt für den Privatanleger ist das Motto: Allein an der Berliner Wertpapierbörse sind über 10000 Titel aus mehr als 60 Ländern notiert. Skontroführende Makler wie die bundesweit führende Berliner Freiverkehr (Aktien) AG als 100%ige Tochter der Berliner Effektengesellschaft AG ermitteln die Kurse. Was nun mit den Unternehmen, die einerseits nicht in die „Innovationsschublade“ des Neuen oder Geregelten Marktes passen und andererseits die erhöhten Anforderungen des Amtlichen Handels wie einen Mindestkurswert der einzuführenden Aktien von 2,5 Millionen DM nicht Fazit: Eine für den Anleger verständlichere Struktur der Börsensegmente ist mehr als überfällig – bleibt zu hoffen, daß das Vierte Finanzmarktförderungsgesetz diese „Licht ins Dunkel bringen“-Mission erfüllt. Bitte entlang der Linie abtrennen Christa Scholl Leiterin Investor und Public Relations Berliner Effektengesellschaft AG Anatomisch betrachtet sind Segmente Teile eines großen Organs, mathematisch sind sie als Kreisoder Kugelabschnitte definiert. Und an der Börse? Handelsusancen, Grad der Regulierung und Umfang der Publizitätspflichten für die notierten Unternehmen nutzen die deutschen Finanzmärkte als Kriterien, um mehrere Börsensegmente zu qualifizieren: im Aktienkassamarkt der Freiverkehr, der Neue und Geregelte Markt und als Königsdisziplin der Amtliche Handel. Für den privaten Anleger eine von vielen möglichen Leitlinien zur Diversifika-