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D 8512 52. Jahrgang Nr. 30 Montag, 1. August 2016 NACHRICHTEN POLITIK Eingeschlossen Teile der syrischen Stadt Aleppo sind abgeschnitten und belagert. Die VN warnen vor einer humanitären Katastrophe. Seite 4 BUNDESWEHR Die Gelbe Schleife Sie steht als Symbol für den Wunsch nach mehr gesellschaftlicher Anerkennung von Soldaten – ihre Geschichte. Seiten 6/7 Im Fokus SPORT Sportsoldatinnen Die erste deutsche FrauenTurn-Mannschaft seit der Wiedervereinigung hat große Ziele für Olympia. Seite 10 Neu: ia-App Die Med eswehr. der Bund In dieser Woche geht es weiter: Auch die dritte von sechs Folgen soll weiter mit den Mythen um das Kommando Spezialkräfte, dem KSK, aufräumen. Im Video „Mit Olli beim KSK – Kommandospezialkräfte der Bundeswehr (3/6)“ geht es für Hauptfeldwebel Oliver Bender nun in die Nahkampfhalle. Der QR-Code unten führt ohne Umwege zum Video. BW CLASSIX: Ob Rettungsaktionen oder Lebensmittellieferungen in die Hungergebiete Afrikas – das Video „Classix: 25 Jahre Bundeswehr Info Filmschau“ aus dem Jahre 1986 zeigt die vielfältige Arbeit der damaligen Medienzentrale der Bundeswehr. (eb) Die Aufklärungsdrohne HERON 1 liefert gestochen scharfe Bilder – in Israel werden Bundeswehrsoldaten daran ausgebildet. Seite 8 Dieser Link führt zum Video „Mit Olli beim KSK“. Weitere Beiträge unter www.youtube.com/bundeswehr. [email protected] Foto: Bundeswehr/Susanne Hähnel; Montage: Bundeswehr/Daniela Prochaska VIDEO DER WOCHE: 2 aktuell INTERN 1. August 2016 Foto:Bundeswehr/Kieron Kleinert BILD DER WOCHE Im Feuerkampf: Bei einer Gefechtsübung üben Fallschirmjäger des Fallschirmjägerregiments 26 aus Zweibrücken das Nehmen einer Hot Landing Zone – einer vom Feind besetzten Landezone auf dem Truppenübungsplatz Altengrabow. Die Landezone wird anschließend gesichert, um eigene Kräfte und schwere Ausrüstung nachzuführen. IMPRESSUM Herausgeber und verantwortlich für den Inhalt: Bundesministerium der Verteidigung Presse- und Informationsstab Stauffenbergstraße 18, 10785 Berlin Redaktionsanschrift: Redaktion der Bundeswehr Bundeswehr aktuell Reinhardtstraße 52, 10117 Berlin Telefon: (0 30) 886 228 - App. Fax: (0 30) 886 228 - 20 65, BwFw 88 41 E-Mail: [email protected] Leitender Redakteur: ( -2420): Vivien-Marie Bettex (vmd) Vertreter: ( -2421) Hauptmann Patricia Franke (pfr) Produktionsunterstützung: ( -2422) Hauptfeldwebel André Sterling (ste) Obergefreiter Daniel Wieland Elisa Sollich Politik: Jörg Fleischer (jf, -2830) Streitkräfte/Einsatz: Major Anika Wenzel (akw, - 2861), Oberstleutnant Peter Mielewczyk (pm, - 2820), Major Katharina Zollondz (kzo), Kapitänleutnant Victoria Kietzmann (kie) Zoom/Sport: Björn Lenz (ble - 2840), Regierungsamtmann Stefan Rentzsch (sr), Gabriele Vietze (vie) Personal/Soziales/Vermischtes: Christiane Tiemann (tie -2850) Hauptmann Philipp Ahlers (pah) Mediendesign: Daniela Hebbel ( - 2650), Oberleutnant Sebastian Nothing, Daniela Prochaska, Eva Pfaender aktuell als E-Paper und als PDF: Auf www.bundeswehr.de abrufbar Satz: Bundesamt für Infrastruktur, Umweltschutz und Dienstleistungen der Bundeswehr, DL I 4 Zentraldruckerei BAIUDBw Intranet: http://zentraldruckerei.iud Druck: Westdeutsche Verlags- und Druckerei GmbH Kurhessenstr. 4-6, 64546 Mörfelden-Walldorf Erscheinungsweise: Wöchentlich montags Auflage: 45 000 Exemplare Verteilung innerhalb der Bundeswehr: SKA GrpRegMgmtBw/ Mediendisposition Kommerner Straße 188 53879 EUSKIRCHEN DEUTSCHLAND E-Mail: SKAMediendisposition@ bundeswehr.org ISSN: 1618-9086 Für unverlangt eingesandte Manuskripte, Filme, Fotos und Zeichnungen wird keine Gewähr übernommen. Namensbeiträge geben die Meinung des Verfassers wieder. Sie entsprechen nicht unbedingt der Auffassung der Redaktion oder des BMVg. Nachdruck nur mit Genehmigung der Redaktion. Leserbriefe per E-Mail werden nur mit wirklichem Namen und Adresse berücksichtigt, außerdem behält sich die Redaktion das Recht auf Kürzung vor. ZITAT EDITORIAL „Zwei Länder wollen mit dem Heer entsprechende Übungen durchführen. Ich halte das für wichtig.“ Roter Sand, das grüne Band des Nigers und vor allem menschenleere Weiten: Der erste Eindruck nach dem Aussteigen aus dem Flugzeug in Mali beeindruckt. Gut dreieinhalb mal so groß wie Deutschland ist der westafrikanische Staat. Seit Anfang des Jahres sind rund 500 Bundeswehrsoldaten in der Region um Gao im Einsatz. Vor allem für die Aufklärung ist die enorme Fläche eine große Herausforderung. Mehr als 90 verschiedene Terrorgruppen werden in der Region vermutet – zudem gilt das Länderdreieck Mali – Niger – Algerien als Flüchtlingsdrehscheibe. Ein umfassendes Lagebild ist deshalb nicht nur zur Erfüllung des Auftrages essentiell – auch die Sicherheit der deutschen Soldaten und Verbündeten hängt entscheidend davon ab. Mehr als 80 Blauhelm-Soldaten sind seit 2013 in Mali getötet worden – der Einsatz in Westafrika gilt als der aktuell gefährlichste. Ab November werden nun die Aufklärungsmöglichkeiten deutlich erweitert: Dann werden Drohnen vom Typ Heron 1 erstmals für die Bundeswehr in Afrika zum Einsatz kommen. Sie haben sich bereits über Afghanistan bewährt. Bundeskanzlerin Angela Merkel auf der Pressekonferenz am vergangenen Donnerstag zum Thema Innere Sicherheit. KALENDERBLATT Vor 15 Jahren: Am 1. August 2001 werden mit der eingetragenen Lebenspartnerschaft gleichgeschlechtliche Paare in Deutschland erstmals rechtlich anerkannt. Derzeit leben mehr als 78 000 Menschen in einer eingetragenen Lebenspartnerschaft. Vor 40 Jahren: Am 1. August 1976 kommt es zu einem schweren Unfall auf dem Nürburgring: 40 lange Sekunden sitzt Niki Lauda bewusstlos in seinem brennenden Ferrari. Seinen Helm hatte er bei dem Aufprall verloren. Nur 42 Tage später, fährt Lauda beim Großen Preis von Italien auf den vierten Platz. Vor 90 Jahren: Am 6. August 1926 durchschwimmt Gertrude Caroline Ederle als erste Frau den Ärmelkanal in der Rekordzeit von 14 Stunden und 31 Minuten. Die 19-jährige Ederle bricht damit den bestehenden Rekord der 56 Kilometer langen Strecke zwischen Gris-Nez in Frankreich und Dover, England, um über zwei Stunden. Vor 140 Jahren: Am 2. August 1876 erschießt Jack McCall heimtückisch den Westernhelden „Wild Bill“ Hickok beim Poker. Sein vor dem Tod gehaltenes Blatt wird unter Spielern als Dead Man’s Hand bekannt. Vor 225 Jahren: Am 6. August 1791 wird in Berlin das Brandenburger Tor freigegeben. Das klassizistische Bauwerk entsteht in dreijähriger Bauzeit auf Anregung des preußischen Königs Friedrich Wilhelm II. (eb) Ende Juli hat das Bundesamt für Ausrüstung, Informationstechnik und Nutzung (BAAINBw) einen Vertrag mit Airbus abgeschlossen. Danach findet die Ausbildung der Drohnenbediener in Israel beim Hersteller Israel Aerospace Industries statt. Die Vorteile: Neben erfahrenen Fluglehrern mit umfassenden Systemkenntnissen können praktische Übungen über ähnlichem Gelände wie im Einsatzland stattfinden (Seite 8). Für die deutschen Soldaten in Mali bedeutet der schnelle Einsatz der Heron 1 – die Entscheidung fiel erst im April – auch mehr Schutz. Und er macht Hoffnung auf die anstehende Einführung des Nachfolgemodells Heron TP des gleichen Herstellers. Björn Lenz Ressortleiter Technik 1. August 2016 MINISTERIUM / HINTERGRUND aktuell 3 „Es gibt immer Angriffe“ Generalmajor Ludwig Leinhos leitet den neuen Organisationsbereich Cyber- und Informationsraum – Ein Interview. 5E A1 8F 8A B1 A8 F0 0A A2 F0 4A 1D B1 0A A2 F0 4A 1D 9E 8A B1 A8 F0 B1 4A deD r Spitze des AufA 3an 1 A 3 Sie stehen 1E 5F 8A B1 A8 F8 1A A2 F0 baustabs Cyber- und Informati1E E8 onsraum. Welche Aufgabe hat 5F der Aufbaustab? A1 Die Ministerin hat das Thema 8A Cyber- und Informationsraum B1 8E prominent platziert: Durch den A 8 Abteilung 8A Aufbau einer im Ministerium, die sich mit dieser TheF8 B1 matik beschäftigt und durch die 1A Aufstellung eines A 8 eigenen OrgaA2 nisationsbereichs. Der AufbausF 0 tab mussFjetzt, nach der Entschei0 dung der Ministerin, die Arbeiten 0A soweit führen, dass die ministerielle AbteilungAund 2 der Organisationsbereich in engen Zeitlinien F 0 können. Daraufgestellt werden 5A B0 1D A8 1C B1 B1 A3 5E F0 A8 F0 7F 0A F8 0A 5F 8F A2 0A 8A A2 B1 F0 A8 21 A3 A2 F0 4A 3D 0E B0 B8 A3 F0 0A 66 B1 F0 4A B1 1D A3 1E F8 0A E8 1E A2 5F F0 4A 4A 1D 1D A1 8E und den Möglichkeiten, in die Systeme hineinzuwirken. Foto: Bundeswehr/Sebastian Wilke; Grafik: Bundeswehr/Daniela Prochaska 1D 8 F A 887 8E C8 A3 A 8 F0 BB 19 F 0 0A A8 C 1 A2 F0 F0 A0 A0 0 A DA 25 4 A 1D F 0 3AB2 F1 3B 8C 8F C3 B9 C1 A0 20 Leiter des Aufbaustabs: Generalmajor Ludwig Leinhos erklärt den Ansatz der neuen Cyberabwehr. über hinaus hält er auch inhaltlich die gesamten Themen rund um das Feld Cyber zusammen. mationstechnik abhängig und müssen uns da auch entsprechend schützen. Sind moderne Streitkräfte heute verwundbarer als früher? Alle unsere Prozesse – im zivilen, wie auch militärischen Leben – sind irgendwo mit IT verbandelt. In vielen Bereichen ist es so, dass wir keine oder nur noch sehr kostenintensive Alternativen haben. Aber trotz all der Vorteile ist die Informationstechnik verwundbar. Sie haben zu Hause ja auch kein Interesse daran, dass jemand Ihr Onlinebankkonto leer räumt. Also müssen entsprechende Schutzmechanismen eingebaut werden. Übertragen auf das Militär trifft es dort genauso zu. Wir sind in der Bundeswehr in sehr, sehr vielen Bereichen von der Infor- Würden Sie die Informationstechnik im Moment noch als eine Achillesferse der Bundeswehr betrachten? Es ist keine Achillesferse, denn wir fangen nicht bei null an. Aber das Thema ist inzwischen so weitflächig zu betrachten, dass wir unsere Kräfte und Mittel konzentrieren müssen. Um möglichst das Beste herauszuholen, aber auch um es entsprechend prominent zu platzieren. Prominent platzieren heißt auch, dass wir einen Kümmerer für diese neue Domäne haben, unter dessen Führung für das Fachpersonal entsprechende Karrierepfade entwickelt werden und natürlich auch die Weiterentwicklung in diesem Bereich vor- angetrieben wird. Das können Sie mit einem Inspekteur an der Spitze besser umsetzen, und das trägt dem wachsenden Stellenwert der Informationstechnik und dem Bereich Cyber- und Informationsraum insgesamt Rechnung. Was können die Cyber-Kräfte zum Schutz der Truppe tun? Die Hauptaufgabe ist der Schutz des IT-Systems der Bundeswehr. Dazu gibt es technische Möglichkeiten, aber auch die Nutzer müssen sensibilisiert werden. Und wir müssen unsere Bemühungen zum technischen Schutz der Systeme weiterentwickeln. Denn je mehr man auf der Abwehrseite macht, umso findiger werden auch die Angreifer. Das bedeutet, es ist immer ein Wechselspiel zwischen Schutz Gab es bisher Cyber-Attacken auf die Bundeswehr? Jeder der Informationstechnik nutzt, zum Beispiel einen Computer betreibt und vernetzt ist, wird attackiert. Die Masse der Angriffe wird in der Regel durch Schutzmechanismen abgefangen. So ist es auch bei der Bundeswehr. Aber es gibt auch ernstzunehmende Angriffe, die durch uns beobachtet und detektiert werden und die weitergehende Aktionen erfordern. Das bedeutet die Bedrohung im Internet ist eine reale, sie ist immer da und es gibt immer Angriffe. Wie sehen Sie die Rolle des zukünftigen Organisationsbereich Cyber im gesamtstaatlichen Zusammenspiel? Das Klientel, welches sich mit dem Thema Cyber beschäftigt, ist eine begrenzte Ressource. Gesamtstaatlich gesehen haben wir diese Ressourcen in verschiedenen Ressorts wie dem Bundesministerium der Verteidigung und im Bundesministerium des Innern und aber auch auf Seite der Industrie. Ich denke es kommt darauf an, dass wir nicht nur über Zuständigkeiten diskutieren, sondern dass wir Mechanismen entwickeln, die Ressourcen zum Zwecke der Verteidigung gegen Cyber Angriffe gemeinsam so gewinnbringend und effizient wie möglich einsetzen. Die Fragen stellte Victoria Kietzmann. Das vollständige Interview finden Sie auf www.bundeswehr.de 4A Lernen für den Wiederaufbau 1D Die Ausbildungsinitiative der Bundeswehr bietet anerkannten syrischen Flüchtlingen eine zivile Ausbildung. Berlin. Der Aufbau einer Friedensperspektive ist essentiell für Krisenregionen wie Syrien. Dazu gehören nicht nur das Beenden militärischer Auseinandersetzungen und das Schaffen der notwendigen politische Rahmenbedingungen. Ganz pragmatisch geht es auch darum, Kenntnisse für den Wiederaufbau zu vermitteln. Bereits im Februar dieses Jahres hat die Bundesministerin der Verteidigung eine zivile Ausbildungsinitiative für syrische Flüchtlinge angekündigt. Eine Form der Hilfe zur Selbsthilfe. Die Initiative, die in Kooperation mit der Bundesagentur für Arbeit angeboten wird, richtet sich an anerkannte syrische Flüchtlinge, die wieder in ihre Heimat zurückkehren und einen Beitrag zum Wiederaufbau ihres Landes leisten wollen. Bis dahin sollen die erworbenen Fertigkeiten ihnen auch helfen, sich besser in den deutschen Arbeitsmarkt zu integrieren. Ein Beschäftigungsverhältnis mit der Bundeswehr ergibt sich für die Teilnehmenden daraus nicht. An den Standorten Delmenhorst, Meppen, Ingolstadt, Bogen, Greding und Berlin werden die Flüchtlinge ab Ende August ausgebildet. Dabei sollen sie in kombinierbaren Modulen zivil nutzbare Fertigkeiten in den Foto: Bundeswehr/Sebastian Wilke 5A Berlin. In modernen Gesellschaften, wie die der Bundesrepublik Deutschland, sind Menschen, Institutionen und Organisationen vernetzter denn je. Die zunehmende Digitalisierung bietet viel Freiheit und große Chancen, gleichzeitig aber auch eine große Angriffsfläche. Die Bundeswehr passt sich dieser Entwicklung an und hat den nächsten Schritt A 4getan. B1 Mit den Plänen zur Bündelung B8 3 der Cyber- undAIT-Fähigkeiten hat 5E Verteidigungsministerin Ursula 1E von der Leyen im April die AufA1 stellung eines5 neuen OrganisaF 8F tionsbereichs bekannt gegeben: 8 A Informationsraum 8A Cyber- und (CIR). Hier beginnt die Arbeit B1 B1 von Generalmajor Ludwig LeinA8 hos. Als LeiterAdes 8 Aufbaustabes 0 CIR ist erF verantwortlich für den F 8 Aufbau einer neuen ministeriel 0A len Abteilung und eines komplett A2 0A neuen Organisationsbereichs. Im F 0erklärt Interview A 2 er die Hauptaufgabe 4der Cyberkräfte und die A 0 neuen Orgakünftige RolleF des 1D nisationsbereichs. Starthilfe: Die Bundeswehr unterstützt syrische Flüchtlinge. Bereichen Handwerk (Grundlagen Schreinerei, Schlosserei, Malerei), Bau (Holz-, Mauerwerks- und Stahlbau, Schweißen), Technik (Grundlagen der Kfz-Technik, IT-Grundkenntnisse, elektrische Grundlagen) und Sanität (Erste Hilfe, Retten und Transport, Pflege) erwerben. Die Ausbildung kann bis zu zwölf Wochen dauern. Ausbildungssprache ist deutsch. Bei Bedarf werden die Flüchtlinge von einem Sprachmittler unterstützt. Nach Abschluss der Ausbildung erhalten die Teilnehmer eine mit der Bundesagentur für Arbeit abgestimmte qualifizierte Teilnahmebescheinigung. (eb) aktuell POLITIK / HINTERGRUND Ärzte ohne Grenzen: Krisenalarm für Nigeria Genf. Angesichts der humanitären Katastrophe im Nordosten Nigerias hat die Hilfsorganisation Ärzte ohne Grenzen (MSF) die Vereinten Nationen (VN) aufgefordert, für die Region den höchsten Krisenalarm auszurufen. Mehr als 500 000 Menschen lebten dort unter unhaltbaren Bedingungen, erklärte die Organisation. Grund für die angespannte humanitäre Lage sind Kämpfe zwischen Regierungstruppen und der Islamistenmiliz Boko Haram. Derzeit gilt der „höchste Dringlichkeitsstatus“ der VN nur für die Länder Syrien, Irak und Jemen. (eb) 1. August 2016 In der Falle In der syrischen Stadt Aleppo verschärft sich die humanitäre Lage – eine Belagerung droht. Foto: Getty Images/George Ourfalian 4 Trümmerfeld: Nach jahrelangen Kämpfen sind große Teile der syrischen Stadt Aleppo verwüstet. Foto: ddp images/Xinhua Von Simon Klingert Kabul. Die Zahl ziviler Opfer hat in Afghanistan im ersten Halbjahr einen neuen Höchststand erreicht. Zwischen Anfang Januar und Ende Juni wurden bei Gefechten, Anschlägen und anderen Gewalttaten 1601 Zivilisten getötet und 3565 weitere verletzt, wie die VN-Mission in Afghanistan (UNAMA) am vergangenen Montag mitteilte. Damit verzeichnen die VN einen Anstieg um vier Prozent gegenüber dem Vorjahreszeitraum und den höchsten Stand seit Beginn der Zählung ziviler Opfer in Afghanistan im Jahr 2009. (eb) Foto: ddp images/Newscom China: Kritik an US-Raketenschild Laos. China hat die geplante Stationierung eines US-Raketenabwehrsystems in Südkorea erneut scharf kritisiert. Mit den Plänen untergrabe Südkorea „die Grundlage für das Vertrauensverhältnis“ beider Länder, sagte Chinas Außenminister Wang Yi vor einem Treffen mit seinem südkoreanischen Kollegen am Sonntagabend am Rande des ASEAN-Gipfels in Laos. Südkorea und die USA hatten Anfang Juli gemeinsame Pläne für die Stationierung eines Raketenabwehrsystems in Südkorea verkündet. (eb) Berlin. Zahllose ausgebrannte Fahrzeugwracks säumen den Weg entlang der Castello Road in die Rebellenhochburgen der syrischen Stadt Aleppo. Die letzte Versorgungsroute in den Osten der Stadt ist seit Anfang Juli unterbrochen. Zwischen 250 000 und 275 000 Einwohner sind dort von der Außenwelt abgeschnitten. Die Vereinten Nationen (VN) warnen: Im Fall einer Belagerung droht eine weitere Verschärfung der humanitären Lage in der Stadt. Die Lebensmittelvorräte in den eingeschlossenen Stadtteilen reichen VN-Partnerorganisationen zufolge nur noch bis Mitte August. Grundnahrungsmittel wie Weizen, Zucker und Salz wurden schon Tage nach der Unterbrechung der Versorgungsroute knapp. Auch frisches Obst und Gemüse seien nicht mehr verfügbar, berichtet die Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch (HRW). Neben Nahrungsmitteln mangelt es HRW zufolge außerdem an medizinischen Hilfsgütern und Treibstoff für Fahrzeuge und Generatoren – eine wichtige Stromquelle für Trinkwasserpumpen und die wenigen medizinischen Versorgungseinrichtungen in den östlichen Stadtteilen. „Mittelalterlich und beschämend“ Der von den Rebellen kontrollierte Teil von Aleppo läuft nun Gefahr, zum größten belagerten Gebiet in Syrien zu werden. Neu ist diese Entwicklung nicht: Viele der Bürgerkriegsparteien in Syrien belagern gegnerischer Gebiete. Nach Angaben der VN leben in Syrien etwa 600 000 Menschen in 18 als „belagert“ oder „schwer zugänglich“ eingestuften Gebieten. Eines davon: Madaya, eine Ortschaft mit 20 000 Einwohnern 40 Kilometer nordwestlich von Damaskus. Nach sechs Monaten Belagerung durch Regierungstruppen starben dort nach Angaben der Hilfsorganisation Ärzte ohne Grenzen im vergangenen Dezember 23 Menschen an Unterernährung. „Wir hoffen, dass es nicht auch in Aleppo soweit kommt“, sagte eine Vertreterin des Amts für die Koordinierung humanitärer Angelegenheiten (OCHA). Die Unterorganisation der Vereinten Nationen koordiniert die Liefe- dass auch zivile Infrastruktur ins Visier der Konfliktparteien rückt. Glaubt man dem Nahost-Experten Joshua Landis von der Universität Oklahoma, steckt dahinter Kalkül: „Der syrische Machthaber Baschar al-Assad versucht, die Moral der Rebellen zu brechen. Dazu lässt er auch zivile Einrichtungen wie Krankenhäuser, Schulen oder Bäckereien bombardieren“, so Landis, Regierungstruppen Rebellengruppen kurdische Milizen „Islamischer Staat“ rung von Hilfsgütern in belagerte Gebiete. Um diese durchführen zu können, forderte VN-Nothilfekoordinator Stephen O’Brien am vergangenen Dienstag vor dem Sicherheitsrat der Vereinten Nationen pro Woche eine zweitägige humanitäre Waffenruhe in Aleppo. Die internationale Gemeinschaft dürfe nicht akzeptieren, dass der Osten der Stadt zu einem weiteren belagerten Gebiet werde. „Das wäre mittelalterlich und beschämend“, sagte O’Brien. Unterdessen kündigte der russische Verteidigungsminister Sergej Schoigu am vergangenen Donnerstag die Errichtung von drei Versorgungskorridoren durch syrische Regierungstruppen an, um die Einwohner in den eingeschlossenen Stadtteilen mit Lebensmitteln und medizinischem Material zu versorgen. Neben der angespannten Versorgungslage beklagen die VN und Hilfsorganisationen, Grafik: liveuamap.com/Bundeswehr/Sebastian Nothing | Stand: 28. Juli 2016 Mehr zivile Opfer in Afghanistan der auch die US-Regierung in Syrien-Fragen berät. Zuletzt wurden nach Angaben von UNICEF Ende Juli vier Feldkliniken und eine Blutbank im Ostteil der Stadt bombardiert. Bei weiteren Luftangriffen auf Aleppo wurden am vergangenen Montag syrischen Aktivisten zufolge zwölf Zivilisten getötet. Rebellen geschwächt Die „Tiger Forces“, eine berüchtigte Spezialeinheit der syrischen Armee, war am 7. Juli von den Mallah-Farmen auf die am nordöstlichen Stadtrand von Aleppo gelegene Castello Road vorgerückt. Wenige Tage später konnte die schlagkräftige Eliteeinheit unter Oberst Suhail al-Hassan ein Teilstück der zweispurigen Umgehungsstraße unter ihre Kontrolle bringen. Trotz anhaltender Gegenangriffe von Rebellengruppen stießen Einheiten der syrischen Armee und die verbündete Kurdenmiliz YPG von den Stadtvierteln Khalidiya und Scheich Maksud aus Richtung Norden vor. Am vergangenen Donnerstag zogen sich die Rebellen aus dem angrenzenden Stadtteil Beni Zeid zurück. Seither ist der Osten der Stadt vollständig eingekesselt. Dass die Rebellen die Belagerung durchbrechen können, hält der Syrien-Experte Landis für unwahrscheinlich. Islamistische Rebellengruppen wie Jabhat al-Nusra und Ahrar al-Sham hätten lange Zeit von verdeckter Unterstützung aus der Türkei profitiert. „Doch der Sicherheitsapparat in der Türkei ist in Folge des Putschversuches unter Beschuss. Es ist daher fraglich, ob die Milizen in Aleppo weiter Unterstützung erhalten werden“ sagte Landis der Redaktion der Bundeswehr. Belagerung statt Sturmangriff Landis rechnet nicht mit einem großangelegten Angriff durch Regierungstruppen auf die Rebellenhochburgen in der Stadt: Den syrischen Streitkräften fehle die Truppenstärke und die Moral, um die drohenden Verluste beim Häuserkampf auszugleichen. Wahrscheinlicher sei, dass das Regime eine Strategie ähnlich wie in Ghouta oder in Homs verfolgen werde: „Man belagert, bombardiert und stranguliert die oppositionellen Kräfte so lange, bis sie einwilligen, ihre Hochburgen in Aleppo aufzugeben“, sagt der Syrien-Experte. Unter Vermittlung der Vereinten Nationen hatten Aufständische und das Regime einen Deal vereinbart, der im vergangenen Dezember Hunderten Zivilisten und Kämpfern nach einer drei Jahre andauernden Belagerung den Abzug aus der Rebellenhochburg Homs ermöglichte. 1. August 2016 EINSATZ / BUNDESWEHR Jede Minute zählt Von Florian Scholzen Fotos: Bundeswehr/KFOR Gleicher Standard wie in Deutschland hat den gleichen Standard wie ein deutsches Kreiskrankenhaus, inklusive einer Intensivstation. Dorthin folgt den Transporten auch Oberst Siegfried Zeyer, der Kommandeur des 44. Deutschen Einsatzkontingents KFOR. Er ist mit dem bisherigen Verlauf der Übung zufrieden. „Das ging alles sehr schnell und koordiniert vonstatten. Auch die Zeit vom Eingang der Unfallmeldung in der Operationszentrale, bis zum Eintreffen der Rettungskräfte war erfreulich kurz“, so Oberst Zeyer. Oberfeldarzt Andreas S., der Leitende Sanitätsoffizier bei dieser Übung, pflichtet ihm bei: „Ich war 25 Jahre in der Luft- und Bodenrettung der Bundeswehr tätig, und mit diesen Erfahrungen kann ich sagen: Eine saubere Leistung!“ Auch der Ersthelfer erntet Lob. „Sie haben alles richtig gemacht! Man glaubt gar nicht, wie anstrengend es ist, aber das ist es auch in der Realität“, sagt der Oberfeldarzt weiter. Bergekräfte kommen zum Einsatz Einsatzübung: Verkehrsunfall mit Soldaten (o.), Rettungskräfte versorgen die Verwundeten vor Ort und im Einsatzlazarett (M. u. U.). Kurz darauf sind alle Verletzten versorgt und bereits im Rettungs- Fotos: Bundeswehr/Dritan Hoti (2) Inzwischen haben die Feldjäger gemeinsam mit der Kosovo Police die Unfallstelle abgesichert. Auch der Notarzt samt Rettungswagen sowie zwei Feuerwehrfahrzeuge sind eingetroffen. Der Notarzt sichtet die Verletzten und teilt sie ihrer Hilfsbedürftigkeit nach ein, während die Feuerwehrleute beginnen das Dach des alten Opel abzutrennen. Dadurch können sie die Unfallopfer besser erreichen und sie schneller versorgen. Um die Übung so realistisch wie möglich aussehen zu lassen, wurden alte Autowracks beschafft. Ein Aufwand, der sich im Ernstfall bezahlt machen kann. 5 Fregatte wird Führungsplattform Im Kosovo wird beim „Fürsorglichen Leoparden“ die Rettungskette geübt. Prizren. Ein „Fürsorglicher Leopard“ rettet Menschenleben? Klingt zunächst ungewöhnlich. Bei der gleichnamigen Rettungsübung des deutschen KFOR-Kontingents wurde das Zusammenspiel zwischen der Operationszentrale und den Rettungs- und Bergekräften geübt. Der Ersthelfer ist noch immer außer Atem: „Ich habe mich der Unfallstelle genähert, sie abgesichert und Verbindung zu den drei verletzten Soldaten und dem Zivilisten aufgenommen.“ Nachdem er sich einen groben Überblick verschaffen konnte, setzte er den Notruf an die Operationszentrale ab, die unverzüglich alle Rettungskräfte alarmierte. Als Ersthelfer am Unfallort versorgte er die Verletzten nach seinen Möglichkeiten. aktuell wagen unterwegs ins Einsatzlazarett im Feldlager Prizren. Es Damit ist die Situation aber noch nicht entschärft: An der vermeintlichen Unfallstelle blieb das „KFOR-Fahrzeug“ in zwei Teilen zurück. Nun treffen die Bergekräfte ein, der Technische Offizier des Kontingents übernimmt. Seine Soldaten heben mit einem Kran die Unfallfahrzeuge auf einen Lkw vom Typ „Multi“. Dann wird die Fahrbahn gereinigt und der angefallene Müll eingesammelt. Erst danach kann die Straße wieder für den Verkehr freigegeben werden. Berlin. Die niederländische Fregatte „De Ruyter“ wird ab September 2016 die deutsche Fregatte „Karlsruhe“ als Führungsschiff bei der Seeraumüberwachung in der Ägäis ablösen. Die Standing NATO Maritime Group 2 ist eine von vier ständigen maritimen Einsatzverbänden der NATO und operiert vor allem im Mittelmeer. Sie sammelt unter anderem Informationen über Schleuseraktivitäten in den Gewässern zwischen Griechenland und der Türkei. Aktuell wird sie von der deutschen Fregatte „Karlsruhe“ unter Flottillenadmiral Kay-Achim Schönbach geführt. Auch nach dem Wechsel des Flaggschiffs zur niederländischen Fregatte bleibt der Auftrag bis Ende des Jahres weiter unter deutscher Führung. (eb) Rettungseinsatz für die „Werra“ Tripolis. Der Tender „Werra“ hat erneut 122 in Seenot geratene Personen an Bord genommen. Durch das Force Headquarter wurde das deutsche Marineschiff und das norwegische Schiff MV „Siem Pilot“ angewiesen, zwei Rettungsboote, rund 90 Kilometer nordwestlich vor Tripolis, zu untersuchen und Seenotrettung zu leisten. Die Schlauchboote wurden als Hindernis für die Schifffahrt klassifiziert und im Anschluss an die Rettung von beiden Schiffen versenkt. Die „Werra“ hat alle Geretteten an das norwegische Schiff übergeben. Insgesamt wurden seit Beginn der Beteiligung deutscher Schiffe an der Seenotrettung im Mittelmeer seit Mai 2015 17 358 Menschen durch Soldaten der Bundeswehr gerettet. (eb) Fahrzeugbergen in der Savanne Koulikoro. Einen halben Meter stecken die Hinterräder des Geländewagens im roten Sand der Savanne fest. Mit Wagenheber, Spaten und Holzbrettern versuchen malische Soldaten das Fahrzeug zu bergen – zum Glück nur eine Übung. Oberstabsfeldwebel Björn W. beobachtet seine Kameraden aus Mali genau. Er ist Ausbilder im „Combat Support Supply Training Team“ (CSSTT), dem Logistikausbildungskommando der Mission und für die Kraftfahrausbildung „seiner Jungs“ verantwortlich. „Wir geben nur Hinweise und Hilfestellungen. Ziel ist es, dass die malischen Kameraden das Problem selbständig lösen“, erläutert der 45-Jährige. Foto: Bundeswehr/EUTM Mali Das multinationale Ausbildungsteam bei der Kraftfahrausbildung in Mali. Mittendrin: Oberstabsfeldwebel W. bei der Ausbildung. Zusammen mit Kameraden aus Estland, Belgien und Schweden führt der Münsterlän- der die anspruchsvolle Ausbildung durch. In der Grundlagenausbildung wird auf technische Daten und Leistungsmerkmale des Fahrzeugs eingegangen, sowie auf das Fahren bei Dunkelheit und im Konvoi. In der Praxisausbildung warten weitere anspruchsvolle Trainingseinheiten auf die Fahrschüler. Beispielsweise ist mit dem Fahrzeug ein Parcours zu durchfahren – aber nur im Rückwärtsgang. Für die Ausbilder ist es wichtig, dass die Ausbildungsinhalte immer mit taktischem Bezug vermittelt werden, um auch in militärischen Lagen das Fahrzeug sicher zu beherrschen. „Denn ‚Fahren‘ und ‚Fahren können‘ sind zwei unterschiedliche Dinge“- da ist sich Oberstabsfeldwebel W. sicher. Nicht nur für die Fahrschüler, sondern auch für die Aus- bilder ist es eine Herausforderung. „Wir haben uns zunächst selbst innerhalb des Ausbilderteams an den Fahrzeugen ausgebildet“, erklärt Oberstabsfeldwebel W. Die westafrikanische Gluthitze und Schwierigkeiten in der Kommunikation machen es zudem nicht leichter. Mit Hilfe eines Dolmetschers und Skizzen kann so trotzdem eine abwechslungsreiche Ausbildung gestaltet werden. Mittlerweile finden die Ausbildungen nicht mehr nur im „Koulikoro Training Centre“ (KTC) statt. Auch im 230 Kilometer entfernten Ségoe bilden multinationale Ausbildungsteams nun die malischen Soldaten aus. (mwa) 6 aktuell BUNDESWEHR aktuell Die Gelbe Schleife 7 „Soldaten haben Anerkennung verdient. Ich finde gut, dass die Schleife das ausdrückt.“ Ein sichtbares Zeichen für mehr gesellschaftliche Anerkennung der Soldaten. Lina Dombek, Kleve „Ich ziehe den Hut vor den Soldaten, die diese schwierigen Aufgaben auf sich nehmen.“ Jeanne van Dijk, Kleve Von Philipp Ahlers Fotos Jonas Weber Berlin. Unzählige Menschen. Wartende, lesende, telefonierende Menschen. Unzählige Koffer und Taschen. Beschäftigtes Gemurmel – geschäftiges Treiben. Plötzlich ein Klatschen. Ein einzelnes, zaghaftes Klatschen durchbricht die Monotonie des Flughafenterminals. Die ersten Menschen schauen aus ihrer Routine auf, lächeln und stimmen ein. Mit jedem neuen Klatscher schwillt der Applaus weiter an. Ohrenbetäubend. Euphorisch. Die heimkehrenden Soldaten reagieren schüchtern. Manche werden rot oder schauen zu Boden. Wieder andere lächeln einfach nur glücklich. Diese Szene aus dem Werbespot „Welcome home“ lief während des Superbowl im Jahr 2003. Er ist eines der wichtigsten Sportereignisse in den USA. Das Finale der nordamerikanischen Footballliga NFL sehen im Schnitt rund 110 Millionen Menschen. Eine große Brauerei bedankt sich bei den amerikanischen Truppen für ihren Dienst: „Thank you.“ Danke. Damit ist alles gesagt. Nicht ohne Pathos Solche Szenen kann ma n pathetisch finden. In Deutschland finden sie selten statt. Und wenn, dann meist fernab der Öffentlichkeit, an den militärischen Terminals der Flughäfen. Schon seit Jahren wünschen Soldaten mehr gesellschaftliche Anerkennung für ihren Einsatz und die Härten. Härten, die sie, ihre Freunde und ihre Familien während der monatelangen Einsätze durchstehen müssen. In den zahlreichen Auslandseinsätzen von Afghanistan über den Irak bis nach Mali können Soldaten jederzeit in Extremsituationen geraten, die durch körperliche und seelische Belastungen zu schwerwiegenden Verwundungen bis hin zum Tod führen können. Das unterscheidet den Soldatenberuf von anderen. Ein international weit verbreitetes Zeichen der Anerkennung ist die „Gelbe Schleife“, das „Yellow Ribbon“. Warum ausgerechnet eine gelbe Schleife? Die Schleife als Symbol ist nicht neu. Zu den bekanntesten „Ribbons“ gehören die rote „AIDS/HIV-Schleife“ und die pinke „Brustkrebs-Schleife“. Weitere sind lila, schwarz oder besitzen ein Zebra-Muster. Die Bedeutungen können sich je nach Land und Kulturkreis unterscheiden. Auch zur Herkunft der Gelben Schleife gibt es einige Erzählungen. Das Gedicht „She wore a yellow ribbon“ existiert in verschiedenen Formen seit mindestens vier Jahrhunderten. Es wurde von puritanischen Siedlern nach Amerika gebracht. Darin geht es um die Liebe. Und es geht um eine Frau, die auf die Rückkehr ihres geliebten Mannes wartet und die Frage: „Wird sie ihm treu bleiben?“ Die Puritaner trugen gelbe Schleifen an ihrer Uniform. Einer weiteren Legende nach stammt die Gelbe Schleife aus dem amerikanischen Sezessionskrieg. Ein in Gefangenschaft geratener Soldat habe seine Geliebte gebeten, ein gelbes „Ich halte das für eine coole Idee, weil auch das, was dahinter steht, gewürdigt wird. Soldaten als Menschen sehen, weil auch der persönliche Aspekt wichtig ist.“ Julia Niedermeier, München „Die gelbe Schleife ist eine gute Sache. Es ist wichtig, dass Soldaten für ihren Einsatz wertgeschätzt werden.“ Loretta von Plettenberg, Berlin „Ich finde es wichtig, dass die Soldaten für das Leben danach unterstützt werden. Es gibt durchaus Erlebnisse, die man so nur in Einsätzen erlebt.“ Jürgen Peter, Dietzenbach Tuch an eine Eiche zu binden, sollte sie ihn wirklich noch lieben. Gelb ist auch die traditionelle Waffenfarbe der US-Kavallerie. So trugen viele Soldaten damals entgegen der Anzugsordnung gelbe Halstücher, um sich gegen den Staub zu schützen. Ein beliebtes Marschlied aus dem Jahr 1917 handelt ebenfalls von einem gelben Halstuch. Die Frau im Lied trägt es für ihre große Liebe, die weit, weit weg ist. Support our troops Der Stoff wurde in den 1970er Jahren wieder aufgegriffen. So gelang endgültig der öffentliche Durchbruch. Mit dem Lied „Tie a Yellow Ribbon Round the Ole Oak Tree“ schrieben Irwin Levine und L. Russell Brown einen Welthit, der unter anderem von Tony Orlando eingesungen wurde. Darin fordert ein heimkehrender Veteran seine Frau auf, ein gelbes Band an einen Baum zu binden, als Zeichen dafür, dass sie ihn immer noch zurück will. In dem Lied findet er bei seiner Heimkehr hunderte gelber Schleifen. Auch im Zuge der Geiselnahme von Teheran im Iran, dort wurden 52 US-Diplomaten 444 Tage lang als Geiseln festgehalten, galt sie als Symbol der Solidarität. Während der Golfkriege Anfang der 1990er Jahre erschien die Gelbe Schleife dann immer öfter zusammen mit dem Slogan „Support our troops“. Seit 2007 gibt es die Gelbe Schleife auch in Deutschland. Durch die schweren Gefechte in Afghanistan, besonders nach den Karfreitagsgefechten im Jahr 2010, erlangt die Gelbe Schleife auch in Deutschland traurige Aufmerksamkeit. Sie ist Symbol der Solidarität und Anerkennung und verbreitet sich schnell. Einige Politiker und verschiedene Organisationen tragen bei öffentlichen Veranstaltungen die kleinen Pins mit der gelben Schleife am Revers. „Netzwerk der Hilfe“ Seither haben sich zahlreiche zivile Verbände, Organisationen und Initiativen unter Moderation des Bundesministeriums der Verteidigung im „Netzwerk der Hilfe“ zusammengeschlossen, um den verdienten Rückhalt in der Gesellschaft zu fördern, aber auch konkrete Hilfe und Unterstützung zu leisten. Hierzu gehören die Unterstützung von Hinterbliebenen, Begleitung von Soldaten, die infolge ihres Dienstes nicht mehr einsatzfähig sind, Betreuungsangebote für die Familien oder Hilfe für Soldaten mit einsatzbedingten posttraumatischen Belastungsstörungen. Innerhalb des Netzwerkes hat sich im Juni 2014 die vierte Arbeitsgruppe mit dem Namen „Maßnahmen zur Erhöhung der gesellschaftlichen Wertschätzung“ gegründet, deren Kernaufgabe die Vermittlung von Verständnis für die Angehörigen der Bundeswehr und deren Wertschätzung in der Gesellschaft ist. Die Arbeitsgemeinschaft hat mittlerweile 19 Mitglieder. Die Arbeitsgruppe selbst hat bereits zahlreiche kleine und größere Maßnahmen auf den Weg gebracht, die eine Steigerung der gesellschaftlichen Anerkennung verfolgen. Dazu gehört auch die Nutzung und Verbreitung des Symbols der Gelben Schleife. Die Gelbe Schleife ist ein internationales Symbol für die Verbundenheit mit Soldaten, die im Ausland und fern der Familien für ihr Land ihren Dienst leisten. Entscheidend für die heutige Bedeutung der Gelben Schleife ist, dass sie ein überparteiliches und politisch wertungsfreies Symbol darstellt. Es kann von jedem als Ausdruck der Solidarität für diejenigen, die sich für die Gemeinschaft einsetzen, getragen werden. „Die Soldaten müssen den Kopf hinhalten. Die Politik müsste endlich mehr Geld ausgeben. Die Soldaten verdienen eine gute Ausrüstung: Flugzeuge, Panzer und gute Verpflegung.“ „Die Bundeswehr ist schon unverzichtbar, um unsere Sicherheit zu gewährleisten. Aber als Außenstehender kann man das gar nicht so gut nachvollziehen wie jemand, der selber mal beim Bund war.“ Achim Seybold, Glött Fotos: Bundeswehr/Jonas Weber (9) ; Grafik: Bundeswehr/Sebastian Nothing Erwin Krist, Glött 8 aktuell BUNDESWEHR 1. August 2016 Neues CyberCluster entsteht Die neue Y ist da Die Eurofighter-Pilotin Nicola Baumann will als erste deutsche Frau auf die Internationale Raumstation ISS. Was ihre Motivation ist und wie ihre Chancen stehen, lesen Sie in der Augustausgabe von Y – Das Magazin der Bundeswehr. Besonders interessant im Ressort Politik: der Nordafrika-Korrespondent von „Die Welt“ Alfred Hackensberger analysiert die Lage im Bürgerkriegsland Libyen und Tom Göller erklärt die wichtigsten Fakten zu TTIP. Außerdem: Y besuchte die Truppe bei EUTM Somalia und war bei den Ölaufklärern des Marinefliegergeschwaders 3 über der Nordsee dabei. Augen am Himmel In Israel werden Bundeswehrsoldaten an der Drohne Heron 1 ausgebildet. Von Matthias Boehnke Ein Shemer. Lautlos und für das menschliche Auge nicht zu sehen: So zieht das ferngesteuerte Luftfahrzeug Heron 1 im Himmel seine Kreise. Heron dient als begleitendes System. Bereits 2010 nutzte die Luftwaffe das ferngesteuerte Luftfahrzeug Heron 1 des israelischen Herstellers IAI im Einsatz in Afghanistan. Es ist in der Lage, vor Konvois zu fliegen und Gefahren frühzeitig zu erkennen. So können Soldaten rechtzeitig relevante Ziele und Gefahren entdecken, identifizieren, beobachten und verfolgen. Elf intensive Wochen Ausbildung in Israel Ab November 2016 soll das System ebenfalls in Mali der UN Mission MINUSMA (Multidimensionale Integrierte Stabilisierungsmission in Mali) eingesetzt werden. Hauptmann F. und Oberleutnant C. sind auf dem Weg zu ihrem letzten Ausbildungsflug. Hinter ihnen liegen elf intensive Lehrgangswochen in Israel. Durch die Fluglehrer wurde ihnen beigebracht, das Luftfahrzeug zu fliegen und die Aufklärungstechnik sicher zu bedienen. In den ersten vier Wochen erlernen die Teilnehmer den komplexen Aufbau der Bodenkontrollstation und des ferngesteuerten Luftfahrzeuges sowie deren Bedienung. „Gar nicht so einfach für einen Objektschützer der Luftwaffe, sich nun im dreidimensionalen Raum zurechtzufinden“, beschreibt Hauptmann A. die Herausforderung für ihn und scherzt: „Deswegen hatte ich in der Schule Physik relativ früh abgewählt.“ Seine Aufgabe im Team: Tactical Operator. Er bedient die Kameras, berechnet alle wichtigen Daten wie Größe und Geschwindigkeit und bewertet die Lage. Er sitzt an seiner Konsole direkt neben der des Piloten. Dieser steuert das Flugzeug an einer speziell ausgelegten Benutzeroberfläche oder mittels eines Steuerknüppels. Vollautomatische Starts und Landungen Danach beginnt mit der Simulatorphase die praktische Ausbildung. Die Sicherheit im Umgang mit dem Luftfahrzeug und den jeweiligen Sensoren soll damit geschult werden. Neben der normalen Bedienung werden verschiedene Notverfahren simuliert, die im Betrieb eines Luftfahrzeuges auftreten können. Mit einem einwöchigen Teamtraining endet die grundlegende Ausbildung in Israel. Der Heron 1 ist fähig, vollautomatisch zu fliegen. Starts und Landungen erfolgen im normalen Flugbetrieb ausschließlich vollautomatisch. Für die Navigation wird GPS benutzt und die Drohne fliegt dann eine vorprogrammierte Route. Die maximale Einsatzhöhe beträgt etwa 9000 Meter, wobei die typische bei circa 3000 Meter liegt. Durch ihre flexible technische Ausstattung kann sie Tag und Nacht aufklären. Zur Steuerung werden die Befehle entweder über eine direkte Funkverbindung, wozu Sichtverbindung notwendig ist, oder über einen Satellitendatenlink übertragen – große Entfernungen oder bergiges Gelände sind damit kein Problem. Für die frischausgebildeten Drohnenpiloten ist es aber dennoch eine Umstellung. „Es fehlen die typischen Eindrücke aus einem Flugzeug: Vibrationen, G-Kräfte, Gerüche und Geräusche“, erklären sie. „Aber dafür kann man zum Beispiel mit der Infrarot-Kamera bei Nacht sehen oder mal eben einen Techniker in die Bodenstation rufen, wenn es größere technische Probleme gibt.“ Ein Videobeitrag der Bundewehr zum Drohne Heron 1 unter: www.youtube.com/bundeswehr Kick-off für mehr Behaglichkeit Soldaten testen bis Ende 2017 das neue Mobiliar für mehr als 50 000 Stuben. Berlin. Mit dem neuen Mobiliar für die Unterkünfte der Truppe, wie es in der Agenda Attraktivität beschrieben wird, geht es voran. Auf einer Kick-off-Veranstaltung wurde am vergangenen Donnerstag in der Julius-Leber-Kaserne in Berlin offiziell die Testphase gestartet. Elke Nitsch und Jens Altenburg vom federführenden Bundesamt für Infrastruktur, Umweltschutz und Dienstleistungen (BAIUDBw) in Bonn, hatten das Treffen organisiert und dazu 27 Vertreter aus der Truppe und die sie unterstützenden Bundeswehr-Dienstleistungszentren in Berlin versammelt. Die Entscheidung über den Produzenten der Möbelserie steht noch aus. Eine Firma aus Franken und eine aus Westfalen sind in der entscheidenden Schlussrunde. Die Entscheidung wird Foto: Bundeswehr/Christian Thiel Koblenz. Mit dem neu geschlossenen Vertrag „Zwischenlösung Bekleidungsmanagement“ zwischen dem Bundesamt für Ausrüstung, Informationstechnik und Nutzung der Bundeswehr (BAAINBw) und der LH Bundeswehr Bekleidungsgesellschaft (LHBw) wird die LHBw ihr bestehendes Geschäftsmodell an modernen Standards in vergleichbaren Dienstleistungsunternehmen ausrichten. Die LHBw GmbH ist der Dienstleister der Bundeswehr im Bereich der Bekleidung und persönlichen Ausrüstung. Der Vertrag mit einem Gesamtvolumen von circa 850 Millionen Euro tritt am 1. August 2016 in Kraft und läuft bis zum 31. Dezember 2020. Mit diesem sollen die Versorgungssicherheit, die Qualität der Waren und Dienstleistungen sowie die Wirtschaftlichkeit der Leistungserbringung gesteigert werden. (eb) Volle Konzentration: Die Piloten der Bundeswehr (l.) steuern das Luftfahrzeug Heron 1 (o.). Foto: Bundeswehr/Jonas Weber Neuer Vertrag für Bekleidungsmanagment Fotos: Bundeswehr/Susanne Hähnel (2) Neubiberg. Das größte Forschungszentrums für den CyberRaum der Bundeswehr entsteht. Das gab die Präsidentin der Universität der Bundeswehr München Professor Merith Niehuss bei der Pressekonferenz zum Thema „Cyber-Defence” am vergangenen Donnerstag bekannt. Auf dem Campus wird in den nächsten Jahren ein neues bundesweit einzigartiges Cyber-Cluster entstehen sowie ein neuer internationaler Master-Studiengang „Cyber-Sicherheit“ etabliert. (eb) Testphase gestartet: Veranstalter Jens Altenburg ist zufrieden (r.). bis Jahresende fallen, wer den millionenschweren großen Auftrag erhalten wird, um mehr als 50 000 Stuben in der Bundeswehr zu möblieren. Das Wachbataillon BMVg in Berlin, das Panzergrenadierlehrbataillon 92 in Munster, das Karrierecenter der Bundeswehr in Mainz, das Artilleriebataillon 295 in Stetten am kalten Markt und die Sanitätsakademie der Bun- deswehr in München sind ausgewählt, in ihren Unterkünften insgesamt 50 Stuben mit dem neuen Mobiliar einzurichten und auf Herz und Nieren ein Jahr lang zu testen. Während die jeweils zuständigen Dienstleistungszentren mit ihren Liegenschaftsmitarbeiter dafür sorgen, dass die Stuben durch externe Monteure entsprechend eingerichtet werden, wird unter Führung von Professor Thorsten Ober von der Hochschule Rosenheim und dem dort beheimateten Institut für Möbeltechnik bis zum Ende des Jahres 2017 genau hingeguckt, ob sich das Mobiliar im Praxisbetrieb bewährt. Unterstützt wird er vom erfahrenen Gutachter in Sachen Möbeltechnik Wilfried Gatzke aus Hamburg. Dieser Praxisbetrieb ist bestimmt von so unterschiedlichen Einflussfaktoren, wie etwa dem dienstlichen Leben in der Grundausbildung, oder dem Zusammensein in einer Stammeinheit, in Lehrgangseinrichtungen und Bewerberunterkünften. Die dort untergebrachten Soldaten sollen das neue Mobiliar bewerten, damit bei Aufnahme der Großserie die Kinderkrankheiten beseitigt sind. (dibu) ZOOM aktuell 9 Deutschla nds verge ssene Verbrechersyndikate Fotos: ullstein Bild (4) E “ N I E R E V G N I R „ E DI 1. August 2016 Nach der Gewalt: Neugierige am Schlesischen Bahnhof in Berlin, wo es zu einer Straßenschlacht zwischen dem „Ringverein Immertreu“ und Hamburger Zimmerleuten kam. Von Björn Müller D ie Anfänge von Deutschlands einst mächtigstem Verbrechernetzwerk sind bescheiden. Im Jahr 1890 trifft sich eine Handvoll Kleinkrimineller in der „Schnurrbartdiele“, einer Spelunke nahe dem Hackeschen Markt in Berlin. Die Versammelten beraten darüber, wie sich die soziale Misere der Ganoven und ihrer Familien verbessern ließe. Nach Haftentlassungen stehen die meisten vor dem Nichts. Am Ende gründet sich der „Reichsverein ehemaliger Strafgefangener“. In diesen Jahren finden sich Selbsthilfegruppen von Kriminellen zusammen, ganz im Zeitgeist der „Vereinsmeierei“ des Deutschen Kaiserreichs. Nach außen firmieren die Ganovengruppen oft als Spar- und Lotterievereine. Im Volksmund heißen sie bald „Ringvereine“, mit Bezug auf den engen internen Zusammenhalt. Versicherung für Kriminelle Die Aufgabe der „Ringvereine“ ist zunächst die soziale Absicherung ihrer Mitglieder. Einbrecher, Zuhälter und andere Kriminelle zahlen fünf bis zehn Prozent ihrer Gewinne in die Vereinskasse. Aus dieser werden dann ihre Familien versorgt, sollten sie in Haft geraten. Bezahlt werden auch Arztbesuche oder das Begräbnis. Wer aus dem Gefängnis kommt, erhält über das Vereinsnetzwerk einen Job, oft im Gastronomiegewerbe. Dort gibt es einen ständigen Bedarf an Servicekräften wie Spucknapfleerern oder Rausschmeißern. Die „Ringvereine“ geben sich gerne klangvolle Namen wie „Apachenblut“ oder „Deutsche Kraft“. Von Sozialvereinen entwickeln sie sich zu einem effizienten Netzwerk organisierter Kriminalität, das in Deutschland davor und danach seinesgleichen sucht. Die „Ringvereine“ kontrollieren vor allem die Prostitution und mittels Schutzgeld auch Restaurants und Amüsierbetriebe. Einige spezialisieren sich auf den aufkommenden Rauschgift- handel. Zentrum der „Ringvereine“ ist Berlin. Ende der 1920er Jahre sind schätzungsweise 62 Vereine mit rund 1600 „Brüdern“ in der Hauptstadt tätig. Aber auch in weiteren Städten, wie Kassel und Dresden, gibt es die Verbrechervereine. Sie organisieren sich reichsweit in regionalen Strukturen wie dem Norddeutschen- und Mitteldeutschen Ring. Als eine Art Dachverband fungiert der „Ring Großdeutschland“. Inwieweit die Deutschen Gangs- ter auch international vernetzt sind, ist bis heute nicht erforscht. In der New York Times vom 13. Januar 1929 heißt es: „German gangs are probably better organised than any others“. Die „Ringvereine“ sind straff geführt mit einem Vorstand, Kassenwart und klaren Vereinsregeln. Diese legen beispielsweise Geldstrafen fest, wenn ein „Bruder“ einer offi- ziellen Vereinsfeier fernbleibt. Diese finden meistens unter einer Vereinsfahne nebst Wahlspruch in Stammlokalen statt. Auf die Blüte folgt der abrupte Fall Ihre Blütezeit erleben die Ringvereine in der Weimarer Republik. In dem von politischen neiden, Hasser „Lass Neiderhassen, was Gott uns gönnt, muss man un s lassen. “ und Wirtschaftskrisen gebeutelten Staat wächst der Polizei die Verbrechensbekämpfung über den Kopf. Mit ihrer Disziplin und Fürsorge sorgen die „Ringvereine“ für ein wenig Einhegung der Kriminalität und erfahren eine gewisse Duldung der Staatsmacht. Es gibt sogar Kontakte dorthin. Eine „halb-offizielle Fühlung“ nennt das Karl ZörIn Haft: Albrecht Höhler (l.u.M.) wurde bekannt wegen der Tötung des SA-Führers Horst Wessel. Er war giebel, Berlins Polizeipräsident Mitglied im „Ringverein Immertreu“. Wahlsprüche waren unter den „Ringvereinen“ verbreitet (rechts). von 1926 bis 1930. Das Ende der „Ringvereine“ kommt abrupt und brutal, als die Nazis 1933 an „Die Schlacht am Schlesischen Bahnhof“ die Macht kommen. Im Zuge der „Gleichschaltung“ werden die Am 29. Dezember 1928 kommt es im Gebiet um zuvor hatte ein Hamburger Zimmermann einen missliebigen Organisationen aufden heutigen Ostbahnhof in Berlin (damals Schle- „Bruder“ des „Ringvereins Nordpiraten“ erstogelöst. Mithilfe der Vereinsregissischer Bahnhof) zu einer Massenschlägerei mit chen. Die Berliner Ringe wollen Rache und schiter verfolgen SS und Gestapo die Toten. Rund 200 Berliner Ringbrüder und 40 Ham- cken ein Rollkommando zur Kneipe der HandRingbrüder gnadenlos und brinburger Handwerksgesellen prügeln sich. Zum Ein- werker. Als „Schlacht am Schlesischen Bahnhof“ gen sie in Konzentrationslager, satz kommen Totschläger, Messer, abgebrochene betiteln die Zeitungen den beispiellosen Vorfall. wo die Meisten ermordet werFlaschenhälse. Am Ende wird sogar geschossen. Durch ihn wird erstmals die breite Öffentlichkeit in den. Versuche, die „Ringvereine“ Der Anlass: Bei einer Wirtshausprügelei am Tag Deutschland auf die „Ringvereine“ aufmerksam. nach dem Zweiten Weltkrieg wiederzubeleben, bleiben erfolglos. 10 aktuell SPORT „Rio rocken“ Turnerinnen der Bundeswehr wollen ins Finale. Frankfurt/Main. Mit begeisternden Eindrücken von Pop-Queen Beyoncé bestiegen die Hauptgefreiten Elisabeth Seitz und Sophie Scheder kürzlich mit dem restlichen Olympia-Team der deutschen Turner den Flieger nach Rio de Janeiro. Die Show des Superstars in Frankfurt/Main war sowohl musikalisch als auch atmosphärisch ganz nach dem Geschmack der Riege von Chefbundestrainerin Ulla Koch. „Wenn sich alles immer nur um den Wettkampf dreht, kann das auch zur Belastung werden, und man ist nicht mehr locker genug“, sagt Seitz: „Das Konzert war deshalb nochmal ein schönes Highlight.“ Das Olympiafinale fest im Blick Der tatsächliche Höhepunkt wartet auf die Sportsoldatinnen natürlich erst in Rio. „Wir sind völlig auf die Qualifikation fokussiert“, blickte die 19-jährige Scheder vor dem Abflug schon auf den wegweisenden Wettkampf. Als erste deutsche FrauenMannschaft nach der Wiedervereinigung will das Duo mit seinen Kameradinnen, zu denen auch die künftige Sportsoldatin Pauline Schäfer zählt, ein olympisches Team-Finale erreichen. „Das ist für uns alle das Wichtigste, alles andere sind Zugaben“, beschreibt Scheder die Ambitionen. Zugleich wollen die Turnerinnen in möglichst viele Einzelgeräte-Finals einziehen. Die frühere Gesamtweltcup-Siege- rin Seitz rechnet sich bei ihren zweiten Sommerspielen nach London 2012 mindestens ebensolche Endkampf-Chancen am Stufenbarren aus wie OlympiaDebütantin Scheder. Das Finale am Schwebebalken hat sich auch die Weltmeisterschafts-Dritte und angehende Sportsoldatin Schäfer für ihre olympische Premiere zum Ziel gesetzt. Die Aufgabe fordert Top-Leistungen Die Vorbereitung lief nahezu optimal. Bis auf eine Erkältung blieben Kochs Schützlinge sorgenfrei, und bei der Generalprobe in einem Länderkampf in Chemnitz zeigten alle beeindruckende Leistungen. Auch der im Turnen mitunter schwer herzustellende Zusammenhalt stimmt. „Der Mix ist optimal, wir sind wirklich eine Einheit“, meint Seitz. Mit Blick auf die persönlichen Eitelkeiten ihrer Turnerinnen ist Trainerin Koch vom Teamgeist geradezu verzückt: „Wir haben fünf Prinzessinnen, und die Mannschaft ist die Queen.“ Bei allem Selbstvertrauen verlangt die Aufgabe am Zuckerhut mehr als nur eine Topleistung in der Halle. Schäfer, die 2015 mit Bronze die erste WM-Medaille für eine deutsche Turnerin am Schwebebalken seit 34 Jahren gewann, will bis zum Ende der Wettkämpfe auf Tunnelblick schalten: „Elisabeth hat uns von London erzählt. Es werden sicher unzählige Eindrücke auf uns einprasseln. Da muss man gut aufpassen, fokussiert zu bleiben.“ Nach Rio steht für die 19-Jährige, die schon den nach ihr Fotos: Bundeswehr/Roberto Pfeil (5) Von Dietmar Kramer Fotos Roberto Pfeil Auf den Balken – fertig – los: Das Trio der Bundeswehr-Turnerinnen hat eine perfekte Vorbereitung für die Olympischen Spiele in Rio hinter sich und geht fokussiert in die Wettkämpfe in Brasilien. benannten Seitwärts-Salto mit halber Drehung kreierte, die Aufnahme in die Sportfördergruppe Todtnau an. Schäfer ist für die Unterstützung der Bundeswehr dankbar: „Das ist ein guter Weg auch wegen der vielen Möglichkeiten. Als Sportsoldat kann ich mich aber vor allem ausschließlich auf den Sport konzentrieren.“ Aber das ist noch Zukunftsmusik: „Erst wollen wir Rio rocken.“ Die wichtigsten 4000 Meter der Karriere Frankfurt/Oder. Der deutsche Bahnradsport ist wieder dort, wo er hingehört: auf der olympischen Bühne. Die deutsche Verfolgungsmannschaft der Männer ist in Rio angekommen und hat alle Chancen, am 11. und 12. August im Velodrom unter die besten Sechs zu kommen. Für ihr Ziel trainierten Oberfeldwebel Henning Bommel, Stabsunteroffizier (FA) Kersten Thiele, die Hauptgefreiten Nils Schomber und Domenic Weinstein sowie Stabsunteroffizier (FA) Theo Reinhardt als Reservefahrer zuletzt besonders hart. Bei den Sportlern, die im Olympiastützpunkt Frankfurt/ Oder den letzten Schliff erhielten, herrscht Vorfreude und absolute Konzentration. „Olympia ist der größte und wichtigste Sportwettkampf der Welt und für mich als Sportsoldat etwas ganz Besonderes“, sagt Bommel. Der 33-jährige Deutsche Meister von 2015 stellt hohe Ansprüche an sich: „Von mir erwarte ich, dass ich in der Form meines Lebens bin und einen super Wettkampf abliefern kann.“ Zudem verlassen sich die Sportler auf den Teamgeist, der die Bahnradsportler eng zusammengeschweißt hat. Auch die Bundeswehr leistet ihren Beitrag zum Erfolg der Spitzensportler. „Die Bundeswehr stärkt mir den Rücken und gibt mir die Freiheit, die ich brau- Foto: Bundeswehr/Dmitri Steitz Die Bahnrad-Verfolgungsmannschaft startet mit fünf Sportsoldaten bei den Olympischen Spielen. Highspeed: Nils Schomber startet in Rio für die Bundeswehr. che, um meinen Sport machen zu können. Das ist sehr angenehm“, sagt Thiele. Der 23-jährige Göt- tinger ist seit 2011 Sportsoldat. Beim Weltcup 2015 im kolumbianischen Cali gewann er Gold im Zweier-Mannschaftsfahren. Die 4000-Meter-Mannschaftsverfolgung gilt als die Königsdisziplin des Bahnradsports. Neben der Leistung jedes Einzelnen ist die perfekte Abstimmung untereinander entscheidend. Genau das ist die Stärke des Bundeswehr-Quintetts. „Alle sind gesund und ich bin positiv gestimmt, dass wir schnell sein werden“, sagt Bundestrainer Sven Meyer. Er hat seine Mannschaft intensiv vorbereitet. In Rio gilt es für die Sportsoldaten nun, die wichtigsten 4000 Meter ihrer Karriere mit über 60 Kilometern pro Stunde in möglichst unter vier Minuten zu fahren. Dann ist auch eine Medaille drin. (ds) 1. August 2016 SOZIALES / PERSONAL aktuell 11 Unterwegs als mobiler Berater René Hartig beantwortet als Infotruck-Feldwebel Fragen zur Karriere bei der Bundeswehr. acht Jahre in Uniform auf dem Buckel haben. Nur wer weiß, wie sich ein Auslandseinsatz anfühlt, kann glaubwürdig beraten.“ Er selbst war zwischen 1998 und 2010 vier Mal im Auslandseinsatz – alles in allem 558 Tage. Diese Zeiten sind vorbei, dafür ist er jetzt oft wochenlang in Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen unterwegs, getrennt von seiner Familie. Vor allem in der Findungs- und der Bewerbungsphase, jeweils rund vierzehn Wochen vor und nach den Sommerferien, verbringt er seine Zeit größtenteils im Truck und in Hotels. Gotha. Nein, studieren wolle er nicht, erklärt der 17-jährige Elias, der mit seinen Eltern zum Karrieretruck auf dem Tag der offenen Tür in der FriedensteinKaserne in Gotha gekommen ist. Aber eine Ausbildung zum KfzMechatroniker, das wäre was für ihn. Für Hauptfeldwebel René Hartig, der als „Leiter mobile Einsatzmittel“ oder kurz Infotruck-Feldwebel, Fragen zur Karriere bei der Bundeswehr beantwortet, ist der Elftklässler der perfekte Gesprächspartner: Der junge Mann weiß schon ungefähr, was er will, hat aber noch ein paar Fragen. Systematisch klopft Hartig Elias’ Interessen ab, fragt, ob er lieber eine Uniform tragen oder doch die zivile Laufbahn einschlagen möchte und erklärt ihm die verschiedenen Optionen – vom freiwilligen Wehrdienst bis hin zu den verschiedenen Laufbahnen als Soldat. Authentisch und ehrlich informieren Wie immer nennt er dabei Karrierechancen, verschweigt aber auch die Schattenseiten nicht: Wo der spätere Dienstort ist, wisse zum Beispiel niemand – zudem könnten Interessenten ziemlich sicher mit Auslandseinsätzen rechnen. „Wir skizzieren Fotos: Bundeswehr/Sebastian Wilke (4) Von Judith Bexten Fotos Sebastian Wilke Mobile Karriereberatung: Der 22-Tonnen schwere Infotruck im neuen Design, mit olivgrünen Polygonen und aktuellem Kampagnen-Slogan. Hauptfeldwebel René Hartig (u.M.) gehört zum Beraterteam. ehrlich, was auf die Bewerber zukommt“, erklärt Hartig. „Wir“, das sind beim Tag der offenen Tür außer Hartig noch Hauptfeldwebel Mark Baumgart, Hauptfeldwebel Christina Kretschmann und Regierungsamtsrätin Cornelia Michel. Zu viert beantworten sie die vielfältigen Fragen der Besucher: Von der Schülerin, die sich erst einmal grundsätzlich informieren will, bis zum Bewerber auf Wiedereinstellung. „Ich kann im Vorfeld nicht sagen, was an einem Tag wie diesem passiert“, sagt Hartig. Aber das ist es auch, was ihm Spaß an der Arbeit macht – seiner Traumverwendung, wie er betont. „Ich bin viel unterwegs und lerne viele Leute kennen“, freut er sich. Und die Zusammenarbeit mit Detlef Morgenstern, dem Fahrer des Trucks, funktioniere bestens. Das ist wichtig, denn nur, wenn jeder Handgriff sitzt, können die beiden den Truck reibungslos am jeweiligen Standort aufbauen. Je nach Zweck und Untergrund dauert das bis zu zweieinhalb Stunden. Die Berufe, zu denen Fragen kommen können, kennt Hartig aus dem Effeff; Fragen zur Truppe kann der Gebirgsjäger zum großen Teil aus eigener Erfahrung beantworten. „Das ist der Grund, warum alle militärischen Karriereberater mindestens Ober- aber meist Hauptfeldwebel sind, also wenigstens Truck wird zum Klassenzimmer Steht der Truck beispielsweise in den Berufsorientierungswochen an einer Schule, wird er mithilfe von 26 Stühlen zum Klassenraum. 45 Minuten dauert jeweils ein Vortrag. Meist berät das mobile Team fünf bis sechs Stunden lang. In die Tiefe gehen können die mobilen Einsatzleiter dabei allerdings nicht. „Wir wecken das Interesse bei den jungen Leuten und leiten sie an die zuständige Karriereberatung weiter.“ Wenn dann ein paar Monate später ein junger Kamerad auf ihn zukommt, stolz seine Uniform zeigt und sich für die Beratung bedankt – „dann wissen wir, dass wir alles richtig gemacht haben“, freut sich Hartig. Auf Achse – ein Truckerleben bei der Bundeswehr Leipzig. Ohne Detlef Morgenstern wäre der Infotruck-Feldwebel René Hartig aufgeschmissen: Der 56-Jährige ist „Kraftfahrer und Medienhelfer“ und fährt den 22 Tonnen schweren Leipziger Infotruck. Außerdem hat er die Technik unter der Motorhaube und im Innenraum des Trucks fest im Griff. Seit 2006 macht er das bereits – mit Leidenschaft. „Ich bin gern unterwegs“, sagt der ausgebildete Meister der Kfz-Instandsetzung. „Ich habe auch mal in der Werkhalle gearbeitet, aber das war nichts für mich.“ Der Sachse war schon bei der Nationalen Volksarmee (NVA) Kraftfahrer, wo er zehn Jahre lang als Zeitsoldat gedient hat, und als Zivilbeschäftigter geblieben ist. Nach der Wende bewarb er sich bei der Bundeswehr und wurde direkt übernommen. Foto: Bundeswehr/Sebastian Wilke Detlef Morgenstern sitzt am Steuer des 22-Tonnen schweren Info-Trucks der Bundeswehr. Anfangs fuhr er nur aushilfsweise die Trucks. Heute gehört er zur Stammbesatzung. „Technik hat mich schon immer interessiert“, sagt er. „Durch die Truckarbeit lerne ich zudem viele Leute kennen – das macht mir Spaß.“ Wenn er nicht den 279-PS starken Info-Truck über die Straßen Mitteldeutschlands bewegt, ist der bekennende Familienmensch, Ehemann und Vater von einem Sohn, 33, und einer Tochter, 31, auch gern zu Hause oder in seinem liebevoll gepflegten Garten, trifft sich mit der Verwandtschaft und freut sich über ein gutes Essen: „Ein schöner Grillabend oder auch ein Teller Makkaroni mit Gulasch, dazu kann ich nicht nein sagen.“ Früher ist Detlef Morgenstern in seiner Freizeit viel Fahrrad gefahren, aber derzeit beansprucht ein neues Hobby ihn nahezu komplett: Gemeinsam mit seiner Frau, seiner Tochter und deren Partner hat er sich ein älteres Haus zugelegt, das die Familie jetzt gemeinsam ausbaut. Immer mit dabei: die große Verwandtschaft, zu der er ein enges Verhältnis pflegt. Und die Hündin Sophie, die sich freut, wenn er zwischen den Infotruck-Einsätzen mal daheim ist. „Dann gehen wir ausgiebig laufen, das hält uns beide fit!“ (jub) Welches Talent besitzen Sie? Auf andere eingehen und gegebenenfalls einen anderen Weg gehen, als man sich eigentlich vorgestellt hat. Welche Eigenschaft schätzen Sie an einem anderen Menschen am meisten? Wenn jemand offen und ehrlich ist. Welche Person bewundern Sie am meisten? Ich bewundere meine Frau, weil sie das Familienleben so gut im Griff hat, obwohl ich so viel unterwegs bin – und weil sie Verständnis dafür hat, was ich tue. Was macht sie stolz? Meine Familie und was aus meinen beiden erwachsenen Kindern geworden ist. Auf welchen Gegenstand können Sie in Ihrem täglichen Leben nicht mehr verzichten? Auf mein Handy, damit bin ich für meine Familie immer erreichbar, auch wenn ich unterwegs bin. Jeden Abend um neun Uhr wird angerufen. Was würden Sie mit einem Millionengewinn machen? Ich würde uns Extra-Wünsche für das Haus erfüllen. 12 aktuell VERMISCHTES 1. August 2016 Von Antje Laenen Selbstlosigkeit ist selten der Antrieb Doch so nobel die Umstellung vom Haben zum Teilen erscheint, unproblematisch ist das Konzept nicht gänzlich. Es hapert an der Umsetzung und den kommerziellen Interessen der Anbieter. Das Übernachtungsportal „Airbnb“ ist dafür ein prominentes Beispiel. Weltweit können Privatleute hier Wohnraum vermieten. Es locken die Tipps von Einheimischen am Küchentisch statt der bunten Touristenführer 016 30/2 Von der Vision des Teilens Grafik: Bundeswehr/Daniela Prochaska Berlin. Mit „BlaBlaCar“ zum Urlaubsort, statt im Hotelbett wird via „Airbnb“ übernachtet und falls das Strandkleid nicht mehr passt, kann es über „Zamaro“ gegen ein anderes getauscht werden. Während der eine bei solchen Begriffen zum Wörterbuch greifen will, ist der andere schon Teil der sogenannten „Share Economy“ (engl.: Ökonomie des Teilens). Rund um den Globus wird getauscht, geliehen, geteilt. „Sharing“ ist en vogue. Das Konzept ist einfach: Fremde stellen sich gegen Geld oder immaterielle Güter gegenseitig Dienstleistungen oder Gegenstände zur Verfügung. Über das Internet finden sich Anbieter und Interessenten schnell wie nie. Im Vordergrund stehen dabei die zwischenmenschlichen Beziehungen. Die Lobeshymnen auf das „Sharing“ werden von der Realität eingeholt. in der Hotellobby. Die Intention von Privatpersonen, ihr Schlafzimmer mit Fremden zu teilen, ist aber leider oft finanzieller, selten selbstloser Natur. Neben dem gesellschaftlichen Aspekt wird die Ökonomie des Teilens oftmals für ihre Nachhaltigkeit gepriesen, das Auto zum Makel erklärt. Durchschnittlich stehen die Reifen 23 Stunden am Tag still, heißt es. Warum ein Auto kaufen, wenn im Stadtgebiet rund um die Uhr Mietautos bereitstehen? Vor allem Angebote wie „DriveNow“, „Car2Go“ oder Mitfahrgelegenheiten wie „BlaBlaCar“ werden in Deutschland immer populärer. Per Smartphone-App oder Internet werden verfügbare Fahrzeuge und Fahrer angezeigt. Auch der Fuhrparkservice der Bundeswehr stellt ein eigenes Carsharing-Angebot bereit. „BwCarsharing“ steht nicht nur Angehörigen der Bundeswehr, sondern jedem, der im Besitz eines Führerscheins ist, zur Verfügung. Mittel zum Zweck – nutzen statt besitzen Dabei will die „Share Economy“ mit ihrem vorgeblich moralischen Ansatz punkten: der löbliche Gedanke des Teilens. Der gemeinschaftliche Konsum erweitert nicht nur unseren Bekanntenkreis, sondern hilft überdies Umwelt und Geldbeutel. Prominente Verfech- terin der Idee ist die Amerikanerin Rachel Botsman, die die neue Ökonomie mit dem Blick in den Werkzeugkasten erklärt: „Es werde nicht der Bohrer per se benötigt, sondern das Loch in der Wand. Der Bohrer muss dazu nicht zwingend gekauft werden, er kann auch geliehen werden. Es geht um Nutzen, statt Besitzen. Dieses Verhalten ist ressourcensparend, deswegen umweltbewusster. Mit Foodsharing beispielsweise könnte der übrig gebliebene Gemüseeintopf auf des Nachbarn Teller anstatt im Mülleimer landen.“ Doch nicht nur aus finanzieller Sicht hat die Sharing-Medaille zwei Seiten: Einerseits wird zwar am neuen Auto gespart, andererseits wird das nun vorhandene Geld in neue Gegenstände investiert, beispielsweise in einen neuen Fernseher oder in ein anderes Handy. Oder auch einen Flug nach Übersee. Die Auswirkungen auf Umwelt und Kontostand sind dadurch nicht geringer. Das heißt, die Einsparung von Ressourcen wird an anderer Stelle wieder aufgewogen. Haben sich zwei Tauschfreudige auf Plattformen wie „Zamaro“ gefunden, müssen die Kleider versandt werden. Der Unterschied an Verpackungsmengen und Transportwegen ist im Vergleich zu herkömmlichen Onlineshops marginal. Ähnlich ergeht es auch dem Gartenfreund, der erst mit dem Auto zum geliehenen Rasenmäher fahren muss. So hebt sich das „Leihen statt Kaufen“-Potential wieder auf. „Sharing is caring“ – ist das so? Auch „Airbnb“ steht immer öfter in der Kritik. Negative Auswirkungen auf das ohnehin schon knappe Angebot von Wohnraum in Großstädten werden dem Unternehmen zur Last gelegt. Kommerzielle Anbieter stellen über die Seite Zimmer zur Verfügung, die sie so eher vermieten können, als auf Hotelplattformen. Da bleibt wenig übrig vom vertrauensvollen Charakters des Teilens. SUDOKU Vi el G Senden Sie die vier Lösungszahlen, lück die sich aus den farbigen Feldern ! ergeben, per E-Mail mit dem Betreff „Sudoku 30/2016” und Ihrer Postanschrift an: [email protected] Einsendeschluss: Sonntag dieser Woche Zu gewinnen: APC Mobile Power Bank 10 000 mAh Dieser externe Zusatzakku für Smartphones und Tablet-PCs bietet bis zu vier Ladevorgänge für unterwegs. Lösung 28/2016: 5 1 7 2 Gewonnen hat: Franz Xaver Forster Spielregeln: Füllen Sie das Raster mit den Zahlen von 1 bis 9. In jeder Zeile und jeder Spalte darf jede Zahl nur einmal vorkommen. Zudem kommt auch in jedem 3 x 3 Feld jede Zahl nur einmal vor. Doppelungen sind nicht erlaubt. Aus allen richtigen Einsendungen wird der Gewinner ausgelost. Der Rechtsweg ist ausgeschlossen.