Demographie und Immobilienmarkt
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Demographie und Immobilienmarkt
Economic Research Allianz Group Dresdner Bank Working Paper Nr.: 58, 09.01.2006 Autor: Dr. Jürgen Stanowsky ________________________________________________________________ Demographie und Immobilienmarkt 1 Einleitung Steigende Lebenserwartung und niedrige Geburtenraten prägen die demographische Entwicklung Deutschlands seit über 30 Jahren. Ein Anstieg des Durchschnittsalters und ein Rückgang der Bevölkerungszahl sind die Konsequenzen dieser Trends. Das Statistische Bundesamt unterstellt in der mittleren Variante der 10. koordinierten Bevölkerungsvorausberechnung bis 2050 eine Nettozuwanderung von mindestens 200.000 Menschen pro Jahr, dennoch wird die Bevölkerungszahl von heute 82,5 Millionen auf nur noch 75 Millionen zurückgehen. Welche Auswirkungen wird ein potenzieller Rückgang der Wohnbevölkerung um 10 % auf den Immobilienmarkt, genauer den Markt für Wohnimmobilien, haben? Diese Frage gewinnt an Bedeutung, wenn man sich vor Augen hält, dass der Großteil des Vermögens der privaten Haushalte Immobilienvermögen ist. Sein Wert überstieg 2004 den des Geldvermögens, das rund 4.000 Mrd. EUR betrug, um 20 % und belief sich 2004 auf rund 4.800 Mrd. EUR. Sach- und Geldvermögen der privaten Haushalte* – Bruttowerte, Jahresendstände – Mrd. Euro 10.000 978 887 915 4515 4586 3307 3580 1998 1999 998 856 8.000 797 741 6.000 678 4.000 3547 4422 4768 4840 3637 3925 4064 2000 2003 2004** 4246 3944 2.000 2185 2518 2883 1994 1996 0 1992 Geldvermögen Sachvermögen Gebrauchsvermögen * Inkl. Selbstständige und Einzelkaufleute, private Organisationen ohne Erw erbszw eck. ** Sach- und Gebrauchsvermögen eigene Schätzung. Quelle: Deutsche Bundesbank. Allianz Group Economic Research 1 Im Vergleich zu anderen großen europäischen und außer-europäischen Ländern haben sich die Immobilienpreise in Deutschland in den letzten 15 – 20 Jahren sehr verhalten entwickelt. Unter reinen Renditeaspekten war ein Investment in deutschen Wohnimmobilien in den letzten 20 Jahren nicht sehr lukrativ. Die jahresdurchschnittliche Rendite betrug knapp 5 % und lag damit 1 ½ Prozentpunkte unter der von Staatsanleihen bei einem nur geringfügig geringeren Risiko. Hauspreise im internationalen Vergleich – 1987 = 100 – 450 400 350 300 250 200 150 19 87 19 88 19 89 19 90 19 91 19 92 19 93 19 94 19 95 19 96 19 97 19 98 19 99 20 00 20 01 20 02 20 03 20 04 100 Spanien Großbritannien USA Deutschland Quellen: The Economist, EcoWin, eigene Berechnungen. Allianz Group Economic Research In Deutschland verfügt knapp die Hälfte der Haushalte über Wohneigentum, ein vergleichsweise geringer Anteil, wenn man andere Industrieländer zum Vergleich nimmt. Angesichts der hohen Vermögenswerte, die in Immobilien gebunden sind, besteht jedoch großes Interesse daran, wie sich die langfristigen Entwicklungstrends auf dem Immobilienmarkt darstellen. Dieser Frage sind Ende der 80erJahre des letzten Jahrhunderts zwei amerikanische Ökonomen nachgegangen. Sie versuchten die Auswirkungen des demographischen Wandels auf die Immobilienpreisentwicklung in den USA abzuschätzen. In ihrem aufsehenerregenden Artikel „The Baby-Boom, the Baby-Bust and the Housing Market“ kamen Gregory Mankiw und David Weil zu dem Urteil, dass aufgrund der demographischen Entwicklung die Immobilienmärkte in den USA zwischen 1990 und 2010 knapp 50 % an Wert verlieren dürften. Die tatsächliche Entwicklung bis jetzt zeigte jedoch einen ganz anderen Verlauf. Dies ist ein Indiz dafür, dass der Zusammenhang zwischen demographischen Veränderungen und der Immobilienpreisentwicklung nicht ganz einfach zu erklären ist. Wie sehen nun die demographischen Einflüsse auf den deutschen Markt für Wohnimmobilien in den nächsten Jahrzehnten aus? Dieser Frage soll im Folgenden nachgegangen werden. 2 Die demographische Entwicklung Die Bevölkerungsentwicklung eines Landes wird von drei Faktoren beeinflusst: 1. Fertilität: In der Regel ausgedrückt als Anzahl der Kinder die eine Frau im Laufe ihres Lebens zur Welt bringt, wenn die durchschnittliche altersspezifische Geburtenziffer (Anzahl Kinder je Frau im Alter x) in Zukunft unverändert bleibt, diese liegt in Deutschland 2 zurzeit (2003) bei 1,34, d.h. 1.000 Frauen bringen in ihrem Leben rund 1.340 Kinder zur Welt. 2. Lebenserwartung: In der Regel ausgedrückt als Anzahl der Jahre, die ein Mensch bei Geburt wahrscheinlich erleben wird. Die aktuelle Lebenserwartung ergibt sich aus der jeweiligen Sterbetafel und stellt daher keine wirkliche Prognose dar, sondern ist eher eine Momentaufnahme der altersspezifischen Sterblichkeit in einem Land. Gegenwärtig liegt die Lebenserwartung bei Alter 0 für Männer bei 75,59 Jahren und für Frauen bei 81,34 Jahren. 3. Wanderungssaldo: Neben der natürlichen Bevölkerungsbewegung, die sich aus dem Saldo Geborener zu Gestorbenen ergibt, bestimmen Zu- und Fortzüge aus einem Land die Bevölkerungsentwicklung. 2003 wanderten rund 143.000 Menschen mehr nach Deutschland zu, als fortzogen. Treiber der demographischen Entwicklung niedrige Fertilität Weitere Lebenserwartung ab Alter 65 3 25 Männer 20 2,5 Frauen 2 15 1,5 10 1 5 0 0 51 /19 49 19 Kinder pro Frau 0,5 62 /19 60 19 72 /19 70 19 88 /19 86 19 98 /19 96 19 02 /20 00 20 50 19 60 19 70 19 80 19 90 19 00 20 Allianz Group Economic Research Damit die Bevölkerung in einem Land konstant bleibt, muss eine durchschnittliche Frau in ihrem Leben rund 2,1 Kinder zur Welt bringen (d.h. 1.000 Frauen, 2.100 Kinder). Sie ersetzt damit sich selbst und ihren Partner, hinzu kommt noch ein „Sicherheitszuschlag“ für Kinder, die sich später selbst nicht fortpflanzen können oder vorher versterben. Das letzte Jahr, in dem dieser Wert in Deutschland erreicht wurde, war 1970, ihren höchsten Wert seit dem zweiten Weltkrieg erreichte die Fertilität 1964 mit 2,54. Neben der Fertilität ist auch zu beachten, wie viele Kinder in einem Land insgesamt geboren werden. Die zahlenmäßige Besetzung der unterschiedlichen Jahrgänge potenzieller Mütter ist dafür ausschlaggebend. Denn hat sich die Fertilität einmal, wie z.B. in Deutschland dauerhaft nach unten bewegt, dann genügt nicht ein entsprechender Anstieg auf das alte Niveau, um die Bevölkerungszahl konstant zu halten. Da die Kohorten potenzieller Mütter entsprechend dünner besetzt sind, müsste die Fertilität sehr weit über den Wert von 2,1 ansteigen – sieht man einmal von Zuwanderung ab –, um in Deutschland die gegenwärtige Bevölkerungszahl von 82,5 Millionen dauerhaft zu halten. Bei einem Anstieg nur etwas über das Niveau von 2,1 dauert es einige Generationen, bis die alte Bevölkerungszahl wieder erreicht wird. 3 Für Deutschland erstellt das Statistische Bundesamt Bevölkerungsprognosen, die aktuelle ist die 10. koordinierte Bevölkerungsvorausberechnung aus dem Jahr 2003. Unterstellt wurden dabei jeweils drei Szenarien für den zukünftigen Anstieg der Lebenserwartung und die Entwicklung der Nettozuwanderung, sodass insgesamt neun Varianten vorliegen. Im Folgenden beziehen wir uns immer auf die so genannte mittlere Variante (Variante 5), die einen Anstieg der Lebenserwartung bis 2050 auf 81,1 Jahre für Männer und 86,6 Jahre für Frauen unterstellt, und von einer Nettozuwanderung zwischen rund 230.000 im Jahr 2010 und 200.000 im Jahr 2050 ausgeht. Der folgende Chart gibt die Bevölkerungsentwicklung Deutschlands im Zeitraum von 1950 bis 2050 unter diesen Annahmen für die Zukunft wieder. Bevölkerungsentwicklung (in Mio.) (in %) 80 80 60 60 40 40 20 20 0 1950 1960 0-15 1970 15 - 64 1980 1990 65 und älter 2000 2010 2020 Altenquotient* 2030 2040 0 2050 Abhängigkeitsquotient** *) Verhältnis der 65-Jährigen und älteren zu den 15- bis 64-Jährigen (rechte Achse). **) Verhältnis der 0- bis 14-Jährigen und der 65-Jährigen und älteren zu den 15- bis 64-Jährigen (rechte Achse). Quelle: Statistisches Bundesamt. Gemäß diesen Prognosen wird die Bevölkerungszahl ab dem Jahr 2012 – in dem rund 83,2 Millionen Menschen in Deutschland leben sollen – beginnen zu schrumpfen. Da die getroffenen Zuwanderungsannahmen in den vergangenen Jahren nicht zutrafen, könnte der Hochpunkt der Bevölkerungsstärke auch zu einem etwas früheren Zeitpunkt erreicht sein. Im Jahr 2050 werden dann noch rund 75 Millionen Menschen in Deutschland leben. Fällt die Zuwanderung nur halb so hoch aus, werden es rund 67 Millionen Menschen sein. Sollte die Lebenserwartung stärker ansteigen als erwartet, in der Vergangenheit war dies regelmäßig der Fall, so fällt der Bevölkerungsrückgang geringer aus, gleiches gilt bei einer stärkeren Zuwanderung. Momentan gibt es jedoch kaum Anhaltspunkte, die die Ergebnisse der aktuellen Bevölkerungsprojektion grundsätzlich in Frage stellen, sodass von einem Bevölkerungsrückgang in Deutschland in den kommenden Jahrzehnten ausgegangen werden kann. 3 Einflussgrößen der Immobilienmarktentwicklung Die Bevölkerungsentwicklung ist jedoch nicht allein bestimmend für die Entwicklung der Preise von Wohnimmobilien. Eine Reihe weiterer Faktoren, beeinflussen die Preisentwicklung, so z.B. die Finanzierungskonditionen und damit das Zinsniveau. Auf der Angebotsseite ist zum einen der Bestand und zum anderen die Neubauentwicklung von Bedeutung. 2004 gab es in Deutschland gemäß dem Statistischen Bundesamt 39,36 Millionen Wohnungen, damit entfallen rund 2,1 4 Personen auf jede Wohnung. Seit Mitte der 90er Jahre des letzten Jahrhunderts geht die Anzahl der fertiggestellten Wohnungen im Trend zurück von rund 600.000 Einheiten auf knapp 280.000 Wohnungen 2004. Beim Wohnungsbau spielt die staatliche Förderpolitik eine nicht zu unterschätzende Rolle. Änderungen der Wohnungsbauförderung im Rahmen der Abschreibungsregelungen oder durch die Einführung der Eigenheimzulage beeinflussen unmittelbar die Anzahl der Bauanträge und damit auch die der Baugenehmigungen. Fertiggestellte Wohnungen Tsd. 700 600 500 400 300 200 100 20 04 20 00 20 02 19 96 19 98 19 94 19 92 19 88 19 90 19 86 19 82 19 84 19 80 19 76 19 68 19 72 2-jährige Betrac htung 19 64 19 60 0 Quelle: Baustatistisches Jahrbuch. Allianz Group Economic Research Neben dem Neubau ist auch der Abgang von Wohnraum zu berücksichtigen. Leider gibt es darüber keine verlässliche Statistik. Durch Abriss und Umwidmung fallen ständig Wohnungen aus dem Bestand wieder heraus, grob geschätzt kann man von rund 50.000 – 60.000 Wohnungen im Jahr ausgehen. Für die Entwicklung der Nachfrage ist weniger die Bevölkerungsentwicklung entscheidend, als vielmehr die Entwicklung der Haushaltszahl, die zwar eng mit der Bevölkerungsentwicklung zusammenhängt, aber nicht mit dieser identisch ist. In aller Regel fragen Haushalte und nicht Einzelpersonen Wohnungen nach. Nur wenn alle Haushalte Einpersonenhaushalte wären, stimmten diese beiden Entwicklungen überein. Mit gut 37 % stellten Einpersonenhaushalte 2004 die größte Gruppe aller Haushalte, 1975 lag ihr Anteil noch bei 27,6 %. Dieser Trend dürfte auch in Zukunft anhalten, gleichzeitig geht die Zahl der Haushalte mit 5 und mehr Personen immer weiter zurück, von 10,6 % 1975 auf 4,1 % im Jahr 2004. Neben den Einpersonenhaushalten sind die 2-Personenhaushalte die am stärksten wachsende Gruppe. Sie machten 2004 rund 34 % aller Haushalte aus, 1975 waren es nur 28,4 %. In dieser Entwicklung spiegelt sich zum einen, dass immer weniger Haushalte Kinder haben, und solche mit Kindern immer weniger Kinder, sowie der Anstieg der Lebenserwartung. Witwen und Witwer machen einen erheblichen Teil der Single-Haushalte aus. Der Trend zu immer kleineren Haushalten wird wohl auch in den kommenden Jahren, wenn auch mit abnehmender Dynamik, weiter anhalten. 5 Haushaltsgröße – Personen je Haus halt – 3,5 3 2,5 2 1,5 1 0,5 19 50 19 61 19 70 19 85 19 91 19 95 20 00 20 05 20 10 20 15 20 20 20 25 20 30 20 35 20 40 20 45 20 50 0 Quelle: Statistisches Bundesamt, eigene Berechnungen. Allianz Group Economic Research Immer geringere Haushaltsgrößen bedeuten aber auch, dass trotz eines prognostizierten Rückgangs der Bevölkerungszahl die Anzahl der Haushalte in den kommenden 20 Jahren weiter ansteigen dürfte. Erst in fernerer Zukunft wird der Rückgang der Bevölkerung den Trend des Rückgangs der Haushaltsgröße überlagern. Alles in allem erscheint es durchaus plausibel, dass die Zahl der Haushalte im Jahr 2050 nicht wesentlich von der des Jahres 2000 abweicht. Die größte Änderung wird es allerdings in der Alterszusammensetzung der Haushalte geben. Der Anteil der Haushalte mit Haushaltsvorstand älter als 65 Jahre wird von knapp 30 % heute auf gut 40 % im Jahr 2050 ansteigen. Haushaltszahl in Deutschland (in Mio.) 45,0 40,0 35,0 30,0 25,0 20,0 15,0 10,0 5,0 0,0 1990 1995 2000 2005 2010 2015 2020 2025 2030 2035 2040 2045 2050 bis 65 Jahre ab 65 Jahre Quelle: Statistisches Bundesamt, Börsch-Supan et. al. 2003, eigene Berechnungen. Allianz Group Economic Research Neben der Zahl der Haushalte ist auch die Wohnsituation, das heißt die Wohnfläche pro Kopf und die gewünschte Anzahl der Zimmer für die Nachfrage nach Wohnimmobilien wichtig. Mit steigendem Wohlstand wuchs in Deutschland auch die Wohnfläche pro Kopf. Entfielen in den alten Bundesländern Anfang der 60er Jahre noch rund 24 Quadratmeter Wohnfläche auf jeden Einwohner sind es inzwischen rund 43 Quadratmeter. Auch der Trend zu immer mehr Wohnfläche pro Kopf dürfte sich weiter fortsetzen. Zum einen steigt der Flächenbedarf mit dem Anteil von 6 Einpersonenhaushalten, da diese in der Regel mehr Fläche benötigen als Mehrpersonenhaushalte. So werden Bad- und Küchenräume bei Mehrpersonenhaushalten intensiver (d.h. von mehr Personen) genutzt. Zum anderen steigt der Wohlstand weiterhin und damit auch die Nachfrage nach Wohnraum. Wohnfläche pro Kopf der Bevölkerung qm 45,0 40,0 35,0 30,0 25,0 20,0 15,0 10,0 5,0 0,0 1968 1972 1978 1980 1982 1987 1993 1998 2003 West Ost Quelle:Statistisches Bundesamt. Allianz Group Economic Research Ein Blick auf die Daten des Sozio-ökonomischen Panels zeigt aber auch, dass sich die Wohnfläche mit dem Alter des Haushalts (genauer des Haushaltsvorstandes) verändert. Während in jungen Jahren die durchschnittliche Wohnfläche noch vergleichsweise gering ist, steigt sie bei Haushalten im Alter von 30 bis 40 Jahren, um mit Anfang 40 ihren Höchststand zu erreichen. Haushalte, die über 50 Jahre alt sind, bewohnen dagegen kleinere Wohnungen, die Wohnfläche pro Haushalt geht ab diesem Alter wieder zurück. Aus dieser Entwicklung könnte man schließen, dass mit zunehmender Alterung der Bevölkerung in Deutschland die Nachfrage nach Wohnraum ebenfalls wieder zurück geht. Denn wenn Haushalte über 70 Jahre rund 15 % weniger Wohnfläche nachfragen als Haushalte mit 45 Jahren, dann müsste im Zuge der Alterung der geburtenstarken Jahrgänge auch die Nachfrage nach Wohnraum entsprechend rückläufig sein. Durchschnittliche Wohnfläche pro Haushalt nach Alter qm 110 100 90 80 70 60 50 West 88 85 82 79 76 73 70 67 64 61 58 55 49 52 46 43 40 37 31 34 28 25 40 Alter Ost Quellen: SOEP, Durchschnitt der Jahre 1991 – 2001. Allianz Group Economic Research 7 Der Schluss von der heutigen altersbedingten Wohnsituation auf die zukünftige Nachfrageentwicklung ist allerdings nicht zulässig. Der Zusammenhang zwischen Wohnfläche je Haushalt und dem Alter des Haushaltsvorstandes muss genauer betrachtet werden. Bei Wohnungen werden Bedarfsanpassungen eher seltener vorgenommen. So steigt nach Auszug der Kinder aus dem Elternhaus die Wohnfläche pro Kopf für viele Paare deutlich an, da Häuser oder Wohnungen zumindest nicht unmittelbar an die neue Familiensituation angepasst werden. Ein Grund dafür ist auch, dass nach langjährigen Mietverhältnissen die Wohnungsmiete oftmals deutlich unter der Marktmiete bei Neubezug liegt und sich selbst bei Umzug in eine kleinere Wohnung nicht zwangsläufig auch eine Kostenentlastung ergibt. Gerade für ältere Leute kommt ein Umzug auch oft nicht in Frage, da sie ihre gewohnte Umgebung nicht verlassen möchten. In dem Alter ab Mitte 40 werden Umzüge seltener, die in diesem Lebensabschnitt bezogene Wohnung wird oft bis ins fortgeschrittene Alter beibehalten. Wenn man also die Wohnsituation der heute 70Jährigen analysiert, muss man im Auge behalten, dass die durchschnittliche Wohnungsgröße in den späten 60er und den 70er Jahren des vergangenen Jahrhunderts nicht mit der heutigen identisch war. Dies bedeutet, dass nicht nur das Alter und das Einkommen, sondern auch die Zeitpunkte, wann Wohnungen bezogen wurden, für die Wohnsituation mitentscheidend sind. Diese so genannten Kohorteneffekte, die letztlich auf das Geburtsjahr und die durchlebte Lebensgeschichte abstellen, haben einen bedeutenden Einfluss auf die heute vorgefundene Wohnsituation. Daher wäre es falsch, die heutige altersabhängige Wohnfläche in die Zukunft zu extrapolieren. Mit ökonometrischen Methoden kann versucht werden, die Bedeutung der Kohorteneffekte vom reinen Alterseffekt zu trennen. Börsch-Supan, Ludwig, Sommer kommen zu dem Ergebnis, das ab Alter 45 die rein vom Alter bestimmte Wohnraumnachfrage nahezu konstant bleibt. Der Kohorteneffekt dagegen weist eine steigende Wohnraumnachfrage von Jahrgang zu Jahrgang auf. 4 Die voraussichtliche Entwicklung der Wohnraumnachfrage Die Prognose der Wohnraumpreisentwicklung in der Zukunft hängt von einer Vielzahl von Faktoren ab. Gerade die Angebotsentwicklung ist kaum prognostizierbar, momentan ändern sich die Förderbedingungen mit dem Wegfall der Eigenheimzulage wieder einmal. Wie die Neubauentwicklung verlaufen wird, ist auf Sicht der nächsten Dekaden nicht wirklich seriös vorhersagbar. Worüber jedoch Aussagen möglich sind, ist die Entwicklung der Nachfrage nach Wohnraum. Die demographische Entwicklung und weitere für die Nachfrage bedeutsame Faktoren lassen sich vergleichsweise zuverlässig abschätzen und in Form von Szenarien darstellen. Deutsche Bank Research und Börsch-Supan, Ludwig, Sommer haben entsprechende Szenarien berechnet und kommen zu sehr ähnlichen Ergebnissen. Im Folgenden wird auf die Ergebnisse von BörschSupan et al eingegangen. 8 Die Autoren unterstellen drei unterschiedliche Entwicklungen für die Nachfrage nach Wohnraum, auf zwei davon soll hier etwas näher eingegangen werden. Im „besten Fall“ unterstellen die Autoren ein Wachstum der Wohnraumnachfrage wie in Westdeutschland in den Jahren vor der Wiedervereinigung. Die Nachfrage in den neuen Bundesländern sollte sich bis 2050 auf das Westniveau angleichen. In diesem Fall würde die Nachfrage nach Wohnraum bis 2050 beständig ansteigen. Im zweiten Szenario – dem mittleren der Autoren – wird unterstellt, dass wie im ersten Szenario die Wohnraumnachfrage in den neuen Bundesländern bis 2050 auf das Westniveau ansteigt. Allerdings wird für die westdeutsche Nachfrage unterstellt, dass auf dem Nachfrageniveau von 1990 eine Sättigungsgrenze erreicht ist und keine weitere Steigerung stattfindet. Der Zuwachs resultiert also allein aus dem Nachfrageanstieg nach Wohnraum in den neuen Bundesländern. In diesem Fall würde die Wohnungsnachfrage in Deutschland in den nächsten 15 Jahren noch weiter ansteigen, ab Beginn der 20er Jahre jedoch wieder zurückgehen und 2050 rund 2 % unter dem heutigen Niveau liegen. Sie läge damit aber immer noch höher als im Jahr 2002. Szenarien der Wohnungsnachfrage in Deutschland – 2004 = 100 – •Szenario 1 110.0 •Trendentw ic klung w ie vor der deutschen Wiedervereinigung 105.0 •Ostdeutsche Nachfrage schließt zu der in Westdeutschland bis 2050 auf. 100.0 •Szenario 2 95.0 •Sättigung der westdeutschen Wohnungsnachfrage auf Niveau von 1990. 20 0 20 4 0 20 6 0 20 8 10 20 1 20 2 1 20 4 1 20 6 1 20 8 20 20 2 20 2 2 20 4 26 20 2 20 8 3 20 0 3 20 2 34 20 3 20 6 3 20 8 40 20 4 20 2 4 20 4 4 20 6 4 20 8 50 90.0 •Angleichung der ostdeutschen Nachfrage an Westniveau bis 2050. Quelle:Börsch-Supan, Ludwig, Sommer: Demographie und Kapitalmär kte, 2003. Allianz Group Economic Research Wie immer bei Immobilienanalysen sind durchschnittliche Betrachtungen zwar wichtig, aber nur von eingeschränkter Aussagekraft, da es große regionale Unterschiede gibt. Die Wohnraumnachfrage wird in den alten Bundesländern deutlich größer sein als in den neuen. Regionen, die zukünftig aufgrund ihrer demographischen Struktur und anderer Faktoren eher stärkere Bevölkerungsverluste aufweisen werden, finden sich vor allem in den neuen Bundesländern, in den Küstenregionen und grenznahen Randlagen. Der Süden und Südwesten der Republik dürfte dagegen von solchen Bevölkerungsrückgängen am geringsten betroffen sein. Mit der Alterung der Bevölkerung werden auch Ballungsräume gegenüber ländlichen Räumen stärker profitieren und die Wohnraumnachfrage wird dort eher zunehmen. So lassen sich z.B. Versorgungsstrukturen für ältere Menschen in Städten und Ballungsgebieten besser organisieren als auf dem Land. 9 Unabhängig von diesen regionalen Entwicklungen werden sich auch die Anforderungsprofile an das Wohnungsangebot im Zuge des Zuwachses der älteren Bevölkerung verändern. In 20 Jahren werden mehr Menschen zwischen 60 und 80 Jahre alt sein als zwischen 20 und 40. Entsprechend wird die Nachfrage nach altersgerechtem Wohnraum zunehmen. Dazu gehören möglichst ebenerdige Wohnungen, Fahrstühle im Geschosswohnungsbau und breitere Türen und Bäder, um gegebenenfalls mit Gehhilfen und Rollstühlen weiterhin in der eigenen Wohnung mobil sein zu können. 5 Fazit Der demographische Wandel und die mit ihm einhergehenden Veränderungsprozesse in der regionalen und altersmäßigen Verteilung der Bevölkerung in Deutschland werden den Markt für Wohnimmobilien erheblich beeinflussen. Die heutigen Wachstumszentren dürften auch zukünftig zu den Gewinnern gehören und Immobilien dort weiterhin eher knapp sein. In Regionen mit Bevölkerungsverlusten wird das Gegenteil der Fall sein. Die Größe und Anzahl eher dünn besiedelter Regionen in Deutschland wird tendenziell zunehmen und der Trend zu den Ballungsgebieten anhalten. Ein Zusammenbruch des Marktes für Wohnimmobilien ist jedoch nicht zu erwarten. In den nächsten knapp 20 Jahren dürfte die Nachfrage nach Wohnraum insgesamt weiter steigen und auch in 40 Jahren wenn überhaupt nur unwesentlich unter dem heutigen Niveau liegen. Vor diesem Hintergrund kann weder pauschal zu Investitionen in Wohnimmobilien geraten noch davon abgeraten werden. Letztlich kommt es auf die Lage des jeweiligen Objekts an. 6 Literatur Börsch-Supan, Axel ; Ludwig, Alexander; Sommer, Mathias: „Demographie und Kapitalmärkte“, Deutsches Institut für Altersvorsorge , 2003. Just, Tobias: „Demografie lässt Immobilien wackeln“, Deutsche Bank Research, Aktuelle Themen Nr. 283, September 2003. Stanowsky, Jürgen: „Demographie – was kommt auf uns zu?“, Allianz Group Economic Research Working Paper No. 46, Juni 2005. Statistisches Bundesamt: diverse Jahrbücher, Internetangebot: http://www.destatis.de/ 10