im archiv ermittelt
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im archiv ermittelt
Dossier Kriminalität Aus der Berliner Zeitung vom 29. Juni 2012 Aus dem Tages-Anzeiger (Zürich) vom 27. Dezember 2012 Kripo im Visier Im Archiv ermittelt Serie Polizeireporter blicken hinter die Kulissen des kriminaltechnischen Instituts und stellen den Recherche Ein Redakteur beleuchtet ungeklärte Tötungsdelikte Berufsalltag verschiedener Fachabteilungen vor – von der Spurensicherung bis zu den Waffenexperten. und recherchiert bisher unbekannte Details. Drehbuch Zeitung Berliner Zeitung Auflage 139.800 Kontakt Andreas Kopietz Telefon 030 – 23 27 55 27 E-Mail [email protected] Idee Mittlerweile gibt es Dutzende TV-Serien, die die Arbeit der Kriminalpolizei nachspielen. Das brachte Andreas Kopietz, Polizeireporter der Berliner Zeitung, auf die Idee, einmal hinter die Kulissen der echten Kripo zu blicken. „Ich wollte wissen, wie viel Wahrheit in den TV-Serien steckt, und zugleich diese spannenden Berufe genauer vorstellen“, erklärt der Reporter. Vorbereitung Zunächst sprach er verschiedene Fachabteilungen des kriminaltechnischen Instituts des Landeskriminalamtes an. „Anfangs waren alle eher skeptisch“, sagt Kopietz. Daraufhin stellte er seine Idee dem Polizeisprecher vor, der den Leiter des kriminaltechnischen Instituts überzeugen konnte. Dem Institutsleiter legte Kopietz eine Liste der 6 Kriminalität Dossier Abteilungen vor, über die er berichten wollte – von der Spurensicherung über die Phantombild-Zeichner bis hin zu den IT-Experten und Waffenspezialisten. Daraufhin erhielt er vom Institutsleiter Kontakte zu möglichen Ansprechpartnern. Recherche Zwischen ein bis drei Stunden sprachen Kopietz und sein Kollege Lutz Schnedelbach, der ebenfalls einige Serienteile schrieb, mit den einzelnen Abteilungen. „Wir besuchten zuerst jene Mitarbeiter, die uns gegenüber aufgeschlossen waren. Mit der Zeit wollten dann immer mehr Polizeibeamte von ihrer Arbeit erzählen“, sagt Andreas Kopietz. Umsetzung Als die ersten Teile vorproduziert waren, startete das Blatt mit der zwölfteiligen Serie „Die Spur des Verbrechens“, die immer freitags erschien. Sofern möglich, erklärten die Reporter die Arbeit der Abteilungen an einem konkreten Ermittlungsfall. Die Namen der Opfer und die Orte des Verbrechens wurden nicht genannt. Wo es thematisch passte, stellten Kopietz und Schnedelbach dem Text ein Interview oder einen Infokasten bei. Auch technisches Equipment wurde präsentiert, vom Laserscanner bis zur Drohne. Die Zeitungsseiten wurden mit dem Serienlogo und einem Online-Hinweis versehen. Multimedia Die gesamte Serie war über die Zeitung Tages-Anzeiger Auflage 188.600 (nach WEMF/SW) Kontakt Stefan Hohler Telefon 0041 – 442 48 44 54 E-Mail [email protected] Idee Nachdem der Tages-Anzeiger ein ungelöstes Tötungsdelikt aus der Region umfassend in einer Serie thematisiert hatte, kam der Polizeireporter Stefan Hohler auf die Idee, nach ähnlichen Fällen aus den vergangenen Jahren zu suchen. Recherche Er bekam relativ schnell die Zusage der Staatsanwaltschaft, entsprechende Akten einsehen zu dürfen. Weil diese nicht herausgegeben werden, recherchierte er zusammen mit seiner Kollegin Monica Müller im Archiv der Staatsanwaltschaft. „Wir Stefan Hohler lasen die 20 bis 50 Seiten arbeitet als Polistarken Abschlussberichte zeireporter beim und machten uns Notizen“, Tages-Anzeiger. sagt Hohler. Außerdem sprachen die beiden mit den damals zuständigen Staatsanwälten. Umsetzung Innerhalb einer Woche erschienen die sieben Serienteile. In Teil eins bis sechs stellten die Reporter jeweils einen Ermittlungsfall vor. „Diese waren zwischen fünf bis zehn Jahren alt, abgeschlossen, aber noch nicht verjährt“, erklärt Hohler. In den Artikeln wurde die Tat beschrieben, die Berichte wurden mit bislang unveröffentlichten Details aus den Akten angereichert. Am Ende des Artikels stand die Telefonnummer der Polizei, an die Hinweise zum Fall gerichtet werden konnten. Ein Foto des Opfers, eines vom Tatort sowie eine Karte, auf der der Fundort der Leiche oder der Fluchtweg des Täters eingezeichnet waren, ergänzten die Zeitungsseite. Für den siebten Serienteil sprachen die Reporter mit dem Leitenden Staatsanwalt über seinen Berufsalltag. Aufwand Das Lesen der Akten habe mehrere Tage in Anspruch genommen. „Auch die Autorisierung der Artikel durch die Staatsanwaltschaft – die aus Gründen des Opferschutzes nötig war – hat etwas Zeit in Anspruch genommen“, sagt Hohler. Multimedia Die Serienteile erschienen allesamt auf der Homepage. Homepage abrufbar und wurde mit Fotos und Texten ergänzt. Reaktionen „Die einzelnen Serienteile waren am Tag der Veröffentlichung online immer die meist angeklicktesten Artikel“, berichtete Kopietz. Auch Andreas Kopietz arbeitet als Polizeireporter bei der Berliner Zeitung. die Resonanz der Polizei sei groß und durchweg positiv gewesen. Zudem habe er ein paar positive Leserbriefe erhalten. drehscheibetipp drehscheibetipp Ein Kriminalpolizist schaut sich jeweils eine Folge verschiedener TV-Krimiserien an und erklärt, was der Realität entspricht und was nicht. drehscheibe Drehbuch Mordfälle in der Region: Wie viele gab es in den vergangenen Jahrzehnten? Wie viele wurden nie aufgeklärt? Mit Grafik. Nummer 10, 1. September 2013 7 15 Tages-Anzeiger – Donnerstag, 27. Dezember 2012 Zürich Ungeklärte Tötungsdelikte (1) Die Tote am Stinkberg Ein Leichenfund bei der Abfalldeponie Riet in Oberwinterthur gibt der Polizei ein grosses Rätsel auf. Die Spurensicherer finden kaum Blut, obwohl Ursula F. durch einen gewaltigen Hieb auf den Kopf getötet wurde. Ursula F. Die 53-jährige Deutsche wohnte in Überlingen am Bodensee. 10 km Wohnort Ursula F. DEUTSCHLAND 1 Überlingen Bo verm u eg rW tlich e 2 de ns ee Fahrt mit Bus nach Meersburg 3 Winterthur Fundort Leiche Oberwinterthur – Deponie Riet TA-Grafik ib «Der Schädel wurde mit grosser Wucht zertrümmert; es muss ein grosser Hass geherrscht haben.» Kriminalpsychologe und Profiler Der oder die Mörder transportierten die Leiche der 53-jährigen Ursula F. zu einem Birkenwäldchen an der Deponiestrasse in Oberwinterthur. Foto: Dominique Meienberg Von Monica Müller und Stefan Hohler Oberwinterthur / Überlingen (D) – Am 4. Oktober 2005 fährt ein Werkarbeiter gegen 9 Uhr mit dem Traktor die Deponiestrasse entlang. Sie führt zur Abfalldeponie Riet, im Volksmund Stinkberg genannt. Er entdeckt eine Handtasche am Strassenrand, hält an und steigt aus – dann sieht er sie: Auf dem nassen Boden im Unterholz liegt eine zierliche blonde Frau. Sie trägt hellbraune Stiefeletten, blaue Jeans, einen dunkelroten Rollkragenpullover und eine hellbeige Jacke. Erst auf den zweiten Blick wird dem Arbeiter klar, dass die Frau im schmalen Birkenwäldchen tot ist. Ihr Kopf ist zerschmettert. Einen Raubmord schliesst die Kantonspolizei Zürich schnell aus. In der Handtasche ist das Portemonnaie des Opfers mit sämtlichen Papieren. Am folgenden Tag gibt die Polizei die Identität des Opfers bekannt: Ursula F., 53-jährig, Deutsche. Die Frau war alleinstehend und wohnte in der deutschen Gemeinde Überlingen am Bodensee. Bruchstückweise gelangen in den nächsten Wochen und Monaten Details aus dem Leben der gelernten Hauswirtschaftsgehilfin ans Tageslicht: Die Frau war seit Jahren schwer drogensüchtig und verkehrte in Winterthur am Rondell beim Stadtgarten, wo sich damals Drögeler und Randständige trafen. Als sie ermordet wurde, stand sie unter Methadon, einem Heroin-Ersatzstoff. Kein typischer Junkie Ursula F. entsprach nicht dem Bild des ungepflegten Junkies. Laut Bekannten war sie sehr ordentlich, staubsaugte ihre Zimmer zweimal täglich und lebte zurückgezogen in einer Wohnung ihrer inzwischen verstorbenen Eltern. Mit den Nachbarn hatte sie kaum Kontakt. Die letzten Jahre vor ihrem Tod arbeitete sie teilzeitlich in der Altenpflege in Überlingen. Nett und hilfsbereit sei sie gewesen, erinnert sich eine ehemalige Mitarbeite- rin. In der idyllisch gelegenen 22 000-Einwohner-Gemeinde mit der mittelalterlichen Altstadt wussten nur wenige von ihrer Drogensucht. Den Stoff beschaffte sich die 53-Jährige stets in Winterthur am Rondell. Eines ist für die Polizei rasch klar: Der Leichenfundort am Stinkberg war nicht der Tatort. In der Erde finden die Spurensicherer kaum Blut, obwohl die zierliche Frau durch die gewaltigen Hiebe auf den Kopf viel Blut verloren hatte. Ihre Leiche war vermutlich mit einem Auto zu dem schmalen Birkenwäldchen an der Deponiestrasse nahe der Autobahnausfahrt Oberwinterthur transportiert worden. Ex-Freund als Mörder vermutet Die Polizei rekonstruiert den letzten Tag der Verstorbenen. Am Nachmittag des 3. Oktober 2005 verliess Ursula F. ihre Wohnung nahe den Bahngeleisen in Überlingen und fuhr mit dem Ortsbus nach Meersburg am Bodensee. Um 17.45 Uhr sah sie der Buschauffeur. Die Polizei vermutet, dass die Frau mit der Fähre nach Konstanz/Kreuzlingen fuhr und von dort im Zug weiter nach Winterthur. Für diese Version gibt es aber keine Zeugen, die Polizei findet bei der Toten auch kein Bahnbillett. Sicher ist: Am späten Abend um 22.55 Uhr versuchte Ursula F. einen Bekannten anzurufen. Die letzte Ver bindung ihres Handys mit einer Antenne war circa drei Kilometer vom Lei chenfundort in Oberwinterthur entfernt. Noch am Tag des Leichenfunds verhaftet die Polizei einen 40-jährigen Mann, ihren Ex-Freund. Einige Tage später erhält die Polizei zwei anonyme Schreiben, die beide den Ex-Freund als «Mörder» bezichtigen. Der Ostschweizer ist der Polizei als drogen- und alkoholabhängiger Mann bekannt. Wie seine Freundin verkehrte er am Winterthurer Rondell. Der 40-Jährige streitet die Tat ab und wird in Untersuchungshaft ge- setzt. Knapp drei Wochen später entlässt ihn die Staatsanwaltschaft, weil sie ihm die Tat nicht nachweisen kann. Auf eine zweite heisse Spur verweisen Taschentücher, welche die Polizei bei der Toten findet. An ihnen haften DNASpuren einer Frau aus der Ostschweiz. Die Frau und ihr Ehemann gehörten zum Umfeld der Ermordeten. In der Mordnacht versuchte Ursula F., den Ehemann auf dem Handy zu erreichen. Das Telefonat um 22.55 Uhr war ihr letzter Anruf. Ursula F. hatte Teilzeit in der Pension des Ostschweizer Ehepaars gearbeitet. Anfang Dezember 2005 verhaftet die Polizei die Schweizer Eheleute, die dann etliche Monate in Untersuchungshaft verbringen. Die Staatsanwaltschaft muss das Ehepaar aber wieder auf freien Fuss setzen, weil sie ihnen den Mord nicht anlasten kann. Eine dritte Mordtheorie skizziert ein von der Zürcher Polizei beigezogener externer Kriminalpsychologe und Pro filer. Er vermutet ein «gruppendynamisches Tötungsdelikt mit mehreren Tatbeteiligten», wenn er sagt: «Der Schädel wurde mit grosser Wucht zertrümmert; es muss ein grosser Hass geherrscht haben.» Die Art und Weise, wie die 53-Jährige am Fundort hingelegt wurde, habe eine Symbolik, die auf ein Beziehungsdelikt hinweise. Bei der Toten fand die Polizei eine Handschaufel mit ihrer DNA. Wollte sie mit der Schaufel Drogen vergraben? Hatte sie ein krummes Ding gedreht oder jemanden verpfiffen? Hatte sie Feinde in der Drogenszene? «Ursel hatte zwei Gesichter» Ein Bekannter der Getöteten demontiert das Bild der anständigen und freundlichen Drogensüchtigen. «Die Ursel hatte zwei Gesichter. Sie konnte scheissfreundlich sein, aber auch unglaublich brutal.» Geistig und verbal sei sie allen überlegen gewesen, und sie habe ihr Umfeld stets manipuliert, um das zu bekommen, was sie wollte. Immer wieder musste die Polizei ausrücken, weil Ursula F. oder Nachbarn die Notfallnummer wählten. Aus Angst, ihr damaliger gewalttätiger und xmal vorbestrafter Freund könnte sie totschlagen. Obwohl der 13 Jahre jüngere Mann ihr physisch überlegen war, habe sie ihn in der Hand gehabt, sagt der Bekannte: «Die Ursel konnte die Leute zur Weissglut treiben.» Der Bekannte vermutet, dass beide gedealt haben und sie das Geld verwaltete. Das Paar ging schliesslich getrennte Wege. Ursula F. begann ihre Drogenlaufbahn schon sehr früh – mit 12, 13 Jahren, verlautet aus dem Umfeld der Familie. Mit 18 Jahren kam sie in München erstmals mit harten Drogen in Kontakt. Als Jugendliche machte sie eine Entziehungskur nach der anderen. Mit dem Methadon-Programm kehrte in den letzten Jahren vor ihrem Tod etwas Ruhe in ihr Leben ein. Sie hatte über ein Integrationsprojekt den Sprung in die Arbeitswelt als Pflegerin alter Menschen geschafft. Trotzdem fuhr sie immer wieder in die Schweiz nach Winterthur, um sich dort Drogen zu beschaffen und einen Kick zu besorgen. Am 17. November 2005 wird der Fall der ermordeten Deutschen in der Sendung «Aktenzeichen XY … ungelöst» im ZDF vorgestellt. Die Polizei sucht in der Sendung einen wichtigen Zeugen: Einer Bekannten hatte Ursula F. erzählt, sie wolle mit einem Schweizer im Wohnmobil nach Spanien reisen. Aber auch die Lösung dieses Rätsels bringt die Polizei nicht weiter. Der gesuchte Mann – es war ein Deutscher und kein Schweizer – kannte Ursula F. von früher. Kurz vor der Tat waren sie im September zusammen im Wohnmobil nach Frankreich gefahren. Aber nach vier Tagen kehrten die beiden bereits wieder zurück: «Es war mir zu viel geworden mit ihr», sagte der Mann. Nach der Sendung meldet sich eine Zuschauerin telefonisch bei der Polizei und bringt einen neuen Verdächtigen ins Spiel – ihren eigenen Ex-Freund. Dieser habe sie gezwungen, sich in der Nähe des Leichenfundortes zu prostituieren. Er sei ein Waffennarr und äusserst brutal. Die Polizei verhaftet den Mann, doch auch diese Spur bringt die Ermittlungen nicht weiter. Mögliche Mitwisser in Gefahr Anlässlich des zweiten Jahrestags des Tötungsdelikts bittet die Kantonspolizei Zürich erneut Zeugen, sich zu melden. Diesmal konzentriert sie sich explizit auf die dritte Mordtheorie, die von einem gruppendynamischen Tötungsdelikt ausgeht. Die Polizei warnt mögliche Mitwisser oder Beteiligte, dass auch sie sich in Gefahr befinden könnten und rät ihnen, mit der Polizei Kontakt aufzunehmen. Doch der Zeugenaufruf bleibt ebenso erfolglos wie die anderen zuvor. Die Kantonspolizei Zürich hat, oft zusammen mit den deutschen Kollegen, rund 100 Personen als Verdächtige überprüft oder als Zeugen oder Auskunftspersonen befragt. Doch sie kommt nicht weiter. Auch die hohe Belohnung von 10 000 Franken bringt keine brauchbaren Hinweise. Der Mordfall bleibt ungelöst. Ursula F. ist im Friedhof Überlingen beigesetzt. Eine unauffällige Namenstafel aus Marmor ziert ihr Urnengrab. Hinweise zum Fall nimmt die Kantonspolizei Zürich (044 247 22 11) entgegen. Serie Ungeklärte Tötungsdelikte Nächste Folgen: Teil 2: Der Mörder kam mit dem Velo Teil 3: Die Vermissten vom Sihlquai Teil 4: Blutiger Mord an der Tankstelle Teil 5: Die Kehle durchtrennt Teil 6: Der Tote aus dem Niemandsland Teil 7: Interview mit Staatsanwalt Ulrich Weder Dossier: www.mordfaelle.tagesanzeiger.ch