Interview mit dem Künstler Camill Leberer
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Interview mit dem Künstler Camill Leberer
Interview mit Camill Leberer Wer auf Ihrer Homepage unter Biographie klickt, findet den Jahreszahlen einzelne Wörter zugeordnet wie: Katholizismus, Politik, Steine, … bis: kleiner Hund, Afrika. Waren das "Meilensteine" in Ihrem Leben, könnten Sie das ein bisschen ausführen? Camill Leberer: Ja, so in etwa könnte man das bezeichnen. Ich wollte genug Raum für Assoziationen lassen. Wenn ich zum Beispiel schreibe würde "besuchte ein katholisches Internat, was ihn prägte", stimmt das so nicht, obwohl natürlich der Katholizismus mich durchaus beeinflusst hat und für mich nach wie vor eine eher negative Konnotation hat. Mich haben jedoch vor allem die Spannungsverhältnisse geprägt. Erst das strenge, katholische Internat, dann die Spontiszene in Freiburg, als Reaktion auf die Verhärtung der Verhältnisse. Ich habe eine Lehre als Steinbildhauer absolviert, wir haben damals gegen die Kernkraftwerke demonstriert. Es war die Zeit der Häuserbesetzungen und der Molotowcocktails. Am Ende steht Afrika. Damit meine ich vor allem Westafrika, ein Land, das mich sehr fasziniert. Die Reise nach Westafrika hat mein Werk beeinflusst, hauptsächlich die Malerei. Es gibt viele Arbeiten, die den Namen der westafrikanischen Orte tragen, an denen ich war. Ich habe von T.C. Boyle den Roman "Wassermusik" gleich viermal gelesen, weil er mich so begeistert hat. Es geht darin um den britischen Afrikaforscher Mungo Park, der mehrmals versuchte die Mündung des Niger zu bereisen. Ich habe mich intensiv damit beschäftigt. An Afrika gefällt mir die Natürlichkeit, die Unberührtheit. Es geht mir jedoch nicht darum Landschaften oder Orte malerisch zu beschreiben, vielmehr stehen unterschiedliche Emotionen im Vordergrund. Sie haben in Stuttgart studiert und sind dort geblieben, was gefällt Ihnen an der Landeshauptstadt, was weniger? Camill Leberer: Ich war zwischendurch auch viel unterwegs in Düsseldorf, Berlin und Venedig. Doch in Stuttgart ist meine Familie. Hier lebe ich mit meinem Sohn und meiner Frau. Ich mag die Landschaft, es hat sich auch atmosphärisch sehr positiv entwickelt. Ich wohne direkt im Zentrum von Stuttgart. Randgebiete finde ich grauenhaft. Was ist Ihnen vom Studium noch in Erinnerung? Gab es etwas, das Sie besonders beeindruckt hat? Camill Leberer: Wir haben einmal eine Hausbesetzung gemacht. Daran erinnere ich mich gut. Nein, ernsthaft: An der Kunstakademie Stuttgart war Jürgen Brodwolf sehr wichtig für mich. Ihre mit Farbbändern und -flächen überzogenen Metall- und Glasobjekte changieren zwischen Malerei und Wandskulptur. Grenzen werden gezogen und aufgelöst. Die mit einem Werkzeug in die Oberflächen des Eisenblechs eingravierten Spuren beleben die Oberfläche und brechen die Geometrie der Farbfelder auf. Zeichnung, Architektur, Malerei, Poesie und Bildhauerei sind in Ihren Arbeiten miteinander verwoben, sehen sie das auch so? Camill Leberer: Mir ist es wichtig unterschiedliche Sachen zu machen. Ein Angestellter seiner Kunsttheorie zu sein, interessiert mich nicht. Ich möchte Offenheit, ohne dass es beliebig wird. Ich schreibe auch Gedichte und bringe darin ähnliche Themen wie in meinen Kunstwerken zur Sprache: Spiegelung, Alter Ego, Licht, Erscheinung. Präzision und Atmosphäre spielen eine große Rolle. Die Leute sollen möglichst unvoreingenommen das Material selbst erforschen. Eisen, Glas und Farbe zählen zu ihren wichtigsten Materialien. Seit 1994 definieren Sie die daraus von Ihnen geschaffenen Gehäuse (meist sind es Quader) als Vitrinen. Die farbigen Glaswände sind mal opak, mal transparent, so dass der Betrachter teilweise hineinblicken kann, aber auch mal die Sicht versperrt ist. Vitrinen haben musealen Charakter, bergen kostbare Exponate… Was steckt bei Ihnen dahinter? Camill Leberer: Für mich sind die Vitrinen wie Bühnen, auf denen etwas passiert. Im Sinne von ausgestellt sein: da wird etwas präsentiert. Man könnte auch Schaufenster sagen. Vitrine hat auch etwas Sakrales, ist das Ergebnis von Rituellem. Es geht um Symmetrie. Um offene Flächen und um den Gegensatz zwischen Fülle und Leere. Manchmal lege ich auch kleine, von mir verfasste Gedichte in diese Vitrinen. Reduzierte Poesie, die viel Raum für Assoziationen lässt, gleichzeitig aber Emotionen weckt. Wie ist das mit den Zeichnungen? Camill Leberer: Mit dem Medium Zeichnung lässt sich vieles selbstverständlicher formulieren. Die Zeichnung ist direkter, unmittelbarer, spiegelt einen fließenden Zustand. Gerade die spontan hingeschriebenen Motive mit freier Linienführung ergänzen das Formenrepertoire. Manche sind geprägt durch meine Aufenthalte in Afrika. Bei den Papierarbeiten trage ich die Farben auf Transparentpapier auf. Sie verströmen Energie. Obwohl die Titel oft Städtenamen tragen, die ich bereist habe, geht es mir um Abstraktion. Für mich ist ihr Klang entscheidend, im Sinne einer assoziativen Resonanz. Ich bilde keine konkreten Landschaften ab. Entstehen speziell für die Ausstellung Objekte? Was wird zu sehen sein? Camill Leberer: Es wird ein großes Objekt entstehen, das ich "Lichthaus" nenne. Meine Titel entlehne ich oft der Architektur (Schacht, Tunnel, Schlafsaal). Es besteht aus Vierkantstahlrohren, Eisenblech (Anmerk.SJ: nicht so sicher! Nachfragen!), Polyester, lichtdurchlässiger Wellplastik, farbigen Glasplatten und Licht, das von innen heraus leuchtet. Gerade die Lichtarbeiten erinnern entfernt an James Turrell oder auch an die Arbeiten von Bruce Nauman. Welche lebenden Künstler beeindrucken Sie? Camill Leberer: Der holländische Zeichner und Bildhauer Marc Manders, der Leipziger Schule Maler Neo Rauch, der österreichische Bildhauer Walter Pichler und der im Februar 2010 verstorbene österreichische Bildhauer Bruno Gironcoli. Wie entspannen Sie von der Arbeit im Atelier? Camill Leberer: Ich lese, höre viel Musik, am liebsten Blues, Jazz oder afrikanische Musik. Außerdem schaue ich gerne Fußball. Das Interview führte die Journalistin Ute Bauermeister im August 2010. Ein Abdruck im Rahmen der Berichterstattung über das Museum Biedermann ist honorarfrei.