Nr. 36 - Herder
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Nr. 36 - Herder
Nr. 36 Januar – Juni 2013 HERDER aktuell Informationen aus dem Herder-Institut in Marburg Schwerpunktthemen: Neue Vernetzungsinitiative in der Leibniz-Gemeinschaft Zeitschriftenredakteur im Porträt Leibniz-DAAD Research Fellow Nationsbildung in der Debatte Lesungen am Herder-Institut Nachrichten aus den Projekten 1 www.herder-institut.de Editorial Prof. Dr. Peter Haslinger Eine Entwicklung, die die Arbeit des Herder-Instituts in den beiden kommenden Jahren wesentlich bestimmen wird und für das Institut zukünftig neue Möglichkeiten eröffnet, hat im ersten Halbjahr 2013 ihren Schatten vorausgeworfen: Im August wird nach einer einjährigen intensiven Planungsphase nun der Erweiterungsbau des Instituts in Angriff genommen. Der Dank des Instituts gilt zum einen der Stadt Marburg, die trotz des städtebaulich sensiblen Geländes die Baugenehmigung inzwischen erteilt hat, zum anderen den Zuwendungsgebern in Bund und Sitzland, konkret dem Beauftragten der Bundesregierung für Kultur und Medien und dem Hessischen Ministerium für Wissenschaft und Kunst, die beide das Institut in dem inzwischen dringend notwendig gewordenen Anbau nach Kräften unterstützt haben. Der Erweiterungsbau, der nach seiner Fertigstellung 2015 die nun noch bestehende Lücke zwischen dem jetzigen Sammlungsturm und dem Tagungsbereich im ehemaligen Schlosscafé ausfüllen wird und einen direkten Durchgang zwischen beiden Teilen ermöglicht, wird erstens die Magazinflächen beträchtlich erweitern, so dass die bisher notwendigen Auslagerungen von Material beendet werden können. Er wird aber auch die Möglichkeiten schaffen, um durch die Neugestaltung von Begegnungsbereichen das Kontaktambiente für Gastwissenschaftlerinnen und -wissenschaftler sowie Nutzerinnen und Nutzer vor Ort noch einmal zu verbessern. Um die Beeinträchtigungen, die am Institut in den kommenden beiden Jahren durch die Bauaktivitäten phasenweise leider unvermeidbar sein werden, für Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sowie die Gäste und Besucher möglichst gering zu halten, wurde unter Leitung von Jürgen Warmbrunn, dem Baubeauftragten am Institut, nach intensiver Vordiskussion ein Maßnahmenkatalog entworfen – der 2 Inhalt aber in den kommenden Monaten hoffentlich nur sparsam zum Einsatz kommen wird. Jedoch noch eine weitere neue Entwicklung gibt es zu vermelden: Die in den letzten Monaten ins Leben gerufenen Leibniz-Forschungsverbünde erschließen auch dem HerderInstitut neue Möglichkeiten, um zu übergreifenden Themen mit anderen Leibniz-Instituten in einen intensiven Austausch zu treten. Diese Aktivitäten bauen auf zahlreichen Vorkontakten und gemeinsamen Projekten auf, schaffen jedoch eine neue Qualität der Vernetzung in den für die Leibniz-Gemeinschaft vielversprechendsten Themenfeldern. Neben den vielen laufenden Projekten, über deren Fortschritt in diesem Herder aktuell berichtet werden wird, ist jedoch last but not least noch auf ein Projekt speziell hinzuweisen, das die ausgezeichnete Zusammenarbeit mit der Justus-Liebig-Universität Gießen unterstreicht. Im Zusammenwirken zwischen dem Gießener Zentrum Östliches Europa und dem HerderInstitut konnte im ersten Halbjahr das Thematische Netzwerk „Kulturelle Kontakt- und Konfliktzonen im östlichen Europa“ gestartet werden, das trotz der hohen Konkurrenz beim DAAD eingeworben werden konnte und Nachwuchsförderung wie Gastwissenschaftlerprogramm wirkungsvoll unterstützen wird. Die enge Kooperation mit fünf Universitäten im östlichen Europa (darunter Łódź, Minsk und Cluj-Napoca) wird in den kommenden Jahren noch einmal deutlich die Bemühungen des Herder-Instituts unterstreichen, eigene Profilmerkmale durch die Kooperation mit seiner Partneruniversität Gießen offensiv weiterzuentwickeln. Seite ■ Neue Vernetzungsinitiative 3 ■ Im Porträt 4 ■ Tagungen, Ausstellungen und Lesungen 5 ■ Ereignisse und Informationen 28 ■ Nachrichten aus den Projekten 33 ■ Personalien 35 ■ Gäste am Herder-Institut 35 ■ Lehrveranstaltungen 36 ■ Vorträge, Workshops und Tagungen 37 ■ Neue Veröffentlichungen 45 ■ Terminvorschau 47 Titelbilder: Annual NISE Gathering, 14.-16. Mai Miroslav Hroch (kleines Bild) Impressum „Herder aktuell“ erscheint halbjährlich und wird herausgegeben vom HERDER-INSTITUT für historische Ostmitteleuropaforschung – Institut der Leibniz-Gemeinschaft 35037 Marburg, Gisonenweg 5-7 Tel. +49 6421 184-0 Fax +49 6421 184-139 [email protected] www.herder-institut.de Abonnementsverwaltung: Simone Cerwenka, +49 6421 184-101 Direktor: Prof. Dr. Peter Haslinger (V.i.S.d.P.) Redaktion: Antje Coburger Layout/Satz: Wolfgang Schekanski Verlag Herder-Institut Fotos: Wolfgang Schekanski, Claudia Junghänel u. a. Druck: Jürgen Haas Print Consulting e.K., Gladenbach Alle Bilddokumente befinden sich in den Sammlungen des Herder-Instituts. Nachdruck mit Quellenangabe gestattet, Beleg erbeten. Auflage: 2850 Stück Redaktionsschluss dieser Ausgabe: 5. Juli 2013 Neue Vernetzungsinitiative in der Leibniz-Gemeinschaft Das Herder-Institut für historische Ostmitteleuropaforschung in den Leibniz-Forschungsverbünden Die Leibniz-Gemeinschaft hat sich 2012 mit den Leibniz-Forschungsverbünden ein neues Instrument geschaffen, um über die Sektionsstruktur hinweg die thematische Schwerpunktbildung unter den Mitgliedern voranzutreiben und die Zusammenarbeit zwischen den einzelnen Leibniz-Instituten zu optimieren. Sie sind auf bis zu fünfzehn Jahren angelegt und verfolgen das Ziel, aktuelle wissenschaftlich und gesellschaftlich relevante Fragestellungen inter- und transdisziplinär gemeinsam zu bearbeiten. Durch die Zusammenführung von Einzelprojekten sollen neue Fragestellungen und Erkenntnishorizonte erschlossen werden. Die Forschungsverbünde sind dabei offen für die Zusammenarbeit mit Universitäten, weiteren außeruniversitären Forschungs- und Infrastruktureinrichtungen und mit Forschungsgruppen im Ausland. Ein weiteres strategisches Ziel der Forschungsverbünde ist es dabei auch, die Sichtbarkeit der Leibniz-Gemeinschaft in der Forschungslandschaft in Deutschland und international wesentlich zu erhöhen. Von den zehn Verbünden, die seit 2012 vom Präsidium eingerichtet worden sind, ist das Herder-Institut für historische Ostmitteleuropaforschung an dreien aktiv beteiligt: am Leibniz-Forschungsverbund „Historische Authentizität“, bei dem der Direktor Peter Haslinger einer von drei Stellvertretern ist, bei den „Krisen in einer globalisierten Welt“ und beim Forschungsverbund „Science 2.0“. Diese drei Verbünde werden sich in den kommenden Jahren mit folgenden Schnittpunktthemen und Forschungsproblemen befassen: Der erste Forschungsverbund geht von der Beobachtung aus, dass der Umgang mit Vergangenheit immer wieder von der intensiven Suche nach dem vermeintlich „Echten“ und dem Bestreben bestimmt wird, das „Wahre“ und „Originale“ zu erhalten. Dabei zeigt sich die Suche nach historischer Authentizität in der Konservierung von historischen Spuren, in der Entwicklung von Schulbüchern und Karten, in der Einrichtung von Denkmälern, Museen und Gedenkstätten und in Debattenbeiträgen, die auf die kulturelle Speicher- und Formungsfunktion von Sprache zielen. Der Forschungsverbund „Krisen in einer globalisierten Welt“ hingegen befasst sich mit Krisen in all ihren Ausprägungen, seien sie ökonomischer, sozialer, politischer oder ökologischer Natur. Er stellt die Frage, wie die Mechanismen von Krisen und ihre wechselseitigen Abhängigkeiten besser verstanden und Krisenphänomene auch in historischer Dimension untersucht werden können. Der dritte Forschungsverbund „Science 2.0“ fragt schließlich danach, wie sehr Wikis, Blogs, soziale Netzwerke und andere Webtechnologien Wissenschaftskommunikation strukturieren und welche Mittel besonders geeignet sind, um Erkenntnisse, Datensets und Theorieentwürfe online zu teilen. Er stellt die Fragen, wie das Internet Arbeitsgewohnheiten, Forschungs- und Publikationsprozesse in einzelnen Wissenschaftsdisziplinen verändert und wie neue Forschungsprozesse durch Technologieentwicklungen unterstützt werden können. Wie bereits aus den Themen der Forschungsverbünde deutlich wird, findet sich das Herder-Institut mit Kernaufgaben in den Kooperationsstrukturen zentral wieder. Es hat sich mit folgenden Ausgangsüberlegungen in die Planungen eingebracht: Kulturelle Überlieferungen und das national „Authentische“ in Ostmitteleuropa berühren ein seit langem intensiv betriebenes Thema und ermöglichen darüber hinaus direkte Rückbezüge auf die Geschichte der eigenen Sammlungsbestände und ihre Entstehungskontexte. Der Beitrag des Herder-Instituts im zweiten Forschungsverbund zu Krisen zielt zum einen auf Krisen und Zäsuren in Ostmitteleuropa und ihre Rückwirkungen auf staatliche und gesellschaftliche Ordnungssysteme von der Frühen Neuzeit bis heute, zum anderen auf die Umweltgeschichte Ostmitteleuropas und die sich dar- aus ergebenden Sicherheitskrisen. In den Forschungsverbund „Science 2.0“ schließlich bringt das HerderInstitut seine reichen Erfahrungen zu Fragen der transnationalen Wissenschaftskommunikation ein, die in letzter Zeit durch zahlreiche Drittmitteleinwerbungen (wie bspw. das eHumanities-Projekt „GeoBib – Frühe deutsch- bzw. polnischsprachige Holocaust- und Lagerliteratur (1933-1949). Annotierte und georeferenzierte Online-Bibliographie zur Erforschung von Erinnerungsnarrativen“ oder das im Juli anlaufende deutsch-polnisch-russische Projekt „Virtuelle Rekonstruktionen in transnationalen Forschungsumgebungen – Das Portal: Schlösser und Parkanlagen im ehemaligen Ostpreußen“) noch einmal wirkungsvoll unterstrichen worden sind. Peter Haslinger 3 Homepage der Leibniz-Gemeinschaft Im Porträt Redakteur der Zeitschrift für Ostmitteleuropa-Forschung Christoph Schutte Als im März 2010 meine Tätigkeit als Redakteur der Zeitschrift für Ostmitteleuropa-Forschung (ZfO) begann, war ich zuvor bereits mehr als zehn Jahre lang am Herder-Institut mit bibliografischer Arbeit befasst gewesen. Also führten mich die ersten Schritte in meinem neuen Büro an das Regal mit allen bisher erschienenen ZfOs. Rein äußerlich hatte sich im Laufe der 48 Jahre wenig verändert. Gut, statt „Ostmitteleuropa-Forschung“ hatte es bis 1993 „Ostforschung“ geheißen, und die Gestaltung des Umschlags hatte einige Korrekturen erfahren – nichts, was einen Bibliografen aus der Ruhe bringen konnte. Besser noch: Stets waren vier Hefte pro Jahr erschienen, stets in einem Umfang von 640 Seiten pro Jahrgang. Veränderungen hatten auf einer anderen Ebene stattgefunden: Die Autoren von Heft 1 des ersten Jahrgangs von 1952 trugen Namen wie Hermann, Fritz und Herbert und stammten aus altehrwürdigen deutschen Universitätsstädten wie Marburg, Münster und Göttingen. Das einzige weibliche Wesen, das im Impressum Erwähnung fand, hatte den Umschlag entworfen. Die Manuskripte, die nun im Jahre 2010 auf mich warteten, stammten hingegen von Gelehrten namens Sarah, Cornelia oder Erki und waren häufig aus dem ostmitteleuropäischen Ausland eingereicht worden. Zahlreiche Texte in der ZfO werden also inzwischen von Personen verfasst, die nicht in ihrer Muttersprache schreiben. Dies ist nur eine von mehreren grundlegenden Veränderungen gegenüber den 1950er Jahren, die sich in der redaktionellen Arbeit ergeben haben. Der zusätzliche Arbeitsaufwand, der dadurch entsteht, verlangt vom Redakteur sehr viel Sprachgefühl und ein breites historisches Wissen. Doch durch die zahlreichen 4 eingereichten Beiträge, die zu lesen sind, vertieft sich das historische Wissen ganz wie von selbst. Die Kooperationsbereitschaft seitens der Autorinnen und Autoren und die Möglichkeiten der elektronischen Textverarbeitung sorgen dafür, dass sich die Anforderungen an moderne redaktionelle Arbeit gut bewältigen lassen. Der zeitgenössische Wissenschaftsbetrieb stellt zudem ein Werkzeug bereit, das die Kooperationsbereitschaft auf Autorenseite noch ein wenig erhöht hat: das Zeitschriften-Ranking. Bereits in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts hatte sich in den Naturwissenschaften die Ansicht verfestigt, dass fast alle relevanten Beiträge zu einem Wissenschaftssegment quasi zwangsläufig in einer einzigen Zeitschrift erscheinen würden. Oder andersherum: Um sich kompetent über den aktuellen Forschungsstand in einer Disziplin zu informieren, genüge die Lektüre einer einzigen Zeitschrift. Um nun aber herauszufinden, welche Zeitschrift dies jeweils ist, wurden bibliometrische Verfahren ersonnen und im Zuge der elektronischen Vernetzung der Wissenschaftswelt seit den 1990er Jahren verfeinert. Hierbei werden, im Wesentlichen über Zitationsstatistiken, Zeitschriften miteinander verglichen und in Ranglisten eingestuft. Nur wer in „top gerankten“ Zeitschriften publiziert, gilt gemäß dieser Logik als führende/r Wissenschaftler/in – und auch im Bereich der historischen Wissenschaften, insbesondere in Staaten Ostmitteleuropas, hängt die Höhe des Einkommens unter anderem von der Publikation in entsprechenden Zeitschriften ab. Da die ZfO in einigen Rankings (die allerdings weniger auf bibliometrischen als vielmehr auf allgemeinen Kriterien beruhen) Spitzenpositionen einnimmt, hat sie für Autor/inn/ en aus den betreffenden Ländern eine zusätzlich hervorgehobene Bedeutung. Eine der Hauptaufgaben der konzeptionellen Redaktionsarbeit wird in den kommenden Jahren darin bestehen, das Pro und Contra bibliometrischer Rankings für die ZfO abzuwägen. Hier hätte man sich mit ganz überwiegend in englischer Sprache erscheinenden Periodika zu messen. Angesichts der Dominanz des 20. Jahrhunderts in der historischen Forschung wäre es außerdem ein Wagnis, mit dem bedeutenden Anteil mittelalterlicher und frühneuzeitlicher Beiträge, ohne die eine Zeitschrift wie die ZfO nicht denkbar ist, in derartige Ranking-Verfahren einzusteigen. Zugleich aber könnte ein solcher Schritt die Sichtbarkeit und Reputation der ZfO gerade im englischen Sprachraum erhöhen und mit sanftem Druck das regelmäßige, pünktliche Erscheinen der Hefte erleichtern. Solche Sorgen hätten die Gründungsväter der ZfO vermutlich gern gehabt. Im Vorwort des ersten Heftes von 1952 beklagte man sich: „Die meisten Forscher sind aus Armut und Heimat vertrieben, ihrer Bücher und Sammlungen beraubt. Nicht wenige hat die Not der Kriegsjahre hingerafft. […] Die zusammengeschmolzene Schar der Ungebrochenen aber sieht sich einer verwandelten Welt gegenüber, die gerade der Ostforschung doppelt oder gar dreifach gesteigerte Aufgaben stellt.“ Ob nun als Bibliograf oder als Redakteur: In der heutigen Zeit arbeitet es sich doch deutlich angenehmer. Christoph Schutte Leibniz-DAAD Research Fellow Ich arbeite am Institut als Research Fellow, das heißt abgesehen von meiner eigenen Forschung habe ich keine institutsbezogenen Aufgaben. Da ich aber ungern nur für mich forsche und das Institut gute Möglichkeiten bietet, sich zu vernetzen, blieb es nicht nur beim Lesen und Schreiben. Meine Forschungsinteressen kreisen um die Wissenschaftsgeschichte Zentraleuropas im breitesten Sinne. Nach der Promotion in Wien, wo es um personenbezogenen Wissenstransfer ging, widme ich mich jetzt mehr abstrakten Themen. Im Herbst 2012 konnte ich gemeinsam mit Klemens Kaps eine zweisprachige Sondernummer der Krakauer Zeitschrift Historyka herausgeben, die sich der „postkolonialen“ Geschichte Galiziens widmete. Gleichzeitig erschien nach langem Warten ein Band zur Nationalisierung der Wissenschaften in der Habsburgermonarchie, an dem ich ebenfalls editorisch gewirkt habe. Das jetzige Projekt, das ich am Herder-Institut begonnen habe, betrifft die Entwicklung der Wissenschaftssprachen – Polnisch, Tschechisch und Ukrainisch – zwischen 1800-1930. Ich interessiere mich dabei für die Strategien der Termi- nologiebildung, in denen ich den Ausdruck epistemischer Fragen und der Verhandlungen des Interessengebiets der Wissenschaft finde. Zudem versuche ich zu bestimmen, welche Differenzen in der Produktion und Weitergabe des Wissens dieser Prozess der Vernakularisierung bewirkt hat. Da die Sprache in der Wissenschaftsgeschichte bis jetzt kaum untersucht wurde, wird mein Projekt eine Pilotstudie sein und ich hoffe, dass es sich dann Richtung größerer Projekte entwickeln lässt. Meine Arbeit am Institut beschränkt sich aber nicht nur auf die Nutzung der hervorragenden Bibliothek. Im Oktober 2012 habe ich gemeinsam mit Peter Haslinger und Katalin Straner in Kooperation mit der Central European University in Budapest eine Tagung zu Nomadischen Konzepten in der Biologie organisiert, deren Ergebnisse jetzt in zwei renommierten englischsprachigen Zeitschriften veröffentlicht werden. Im Mai 2013 haben Fabian Link und ich in Frankfurt einen Studientag zu Übersetzung und wissenschaftlichem Wandel veranstaltet. Auch hier konnte eine Kooperation zwischen dem HerderInstitut und dem Forschungszent- rum für historische Geisteswissenschaften an der Goethe-Universität initiiert werden. Beide Veranstaltungen sollten zunächst ein Auftakt sein, Gespräche zu Nachfolgekonferenzen laufen bereits. Neben dem Herder-Institut bin ich auch der Studiengruppe Historische Epistemologie in Frankfurt angebunden und hatte die Möglichkeit, nicht nur deren Seminare zu besuchen, sondern auch das Kompaktseminar in Riezlern (Österreich), aus dem sich weitere Zusammenarbeitsmöglichkeiten ergaben. Da ich aufgrund meines früheren Aufenthalts in Marburg im Frühjahr 2012 die Leibniz Graduate School kannte, arbeite ich meistens im sogenannten „Turm“ in der Becker-Villa. Obwohl es logistisch manchmal schwierig ist – die paar Treppen zur Bibliothek sind zumindest zu Schnee- und Regenzeiten nicht ungefährlich –, die Arbeit mit den Stipendiatinnen und Stipendiaten der LGSch macht alles wett. Anregende Gespräche und produktiver Austausch über eigene Forschungen sind gerade das, was ich am Anfang des neuen Projekts gebraucht habe. Jan Surman Tagungen, Ausstellungen und Lesungen Nationsbildung in der Debatte Annual NISE Gathering im Herder-Institut Das Akronym NISE steht für National Movements and Intermediary Structures in Europe und bezeichnet ein internationales Netzwerk von Wissenschaftlern, die sich mit Nationalismusforschung sowie mit der Sozial- und Kulturgeschichte nationaler Bewegungen und anderer „intermediärer“ Formationen beschäftigen – Gruppen, Vereine, Organisationen, die systemtheoretisch zwischen der Ebene der Staats- und Verwaltungsapparate und jener der Individuen angesiedelt sind. Im Zentrum des Jahrestreffens 2013 am Herder-Institut vom 14. bis 16. Mai stand neben Überlegungen zur institutionellen Vernetzung vor allem die Debatte: Zwei thesenstarke keynotes sorgten dabei für angeregte, auch kontroverse Diskussionen. Miroslav Hroch, der durch seine sozialhistorischen Studien der Nationalbewegungen in Ostmitteleuropa bekannt geworden ist, fragte in seinem Beitrag „The Asynchronicity of National Movements“, wie sich historisch erklären lasse, dass Nationalbewe- gungen mit ganz ähnlichen sozioökonomischen Anfangsvoraussetzungen ganz unterschiedliche Verlaufsformen nähmen, während solche mit sehr unterschiedlichen Startvoraussetzungen sich trotzdem überraschend synchron entwickelt hätten. Warum traten beispielsweise die Litauer, eine Nation von Bauern, die sich an den polnischen grundbesitzenden Eliten und der russischen Imperialherrschaft abarbeiten mussten, fast genauso früh in die Startphase der nationalen Mobilisierung ein wie die Katalanen, 5 Jan Surman oben: Miroslav Hroch, der als Humboldt- Stipendiat zwischen 1965 und 1967 das Herder-Institut erstmals besucht hatte unten: Tagungsplenum die über ein ökonomisch schlagkräftiges Besitzbürgertum verfügten? Ausgehend von seinem etablierten Phasenmodell der Entwicklung nationaler Mobilisierung (A kulturelle Erweckung / B politische Mobilisierung und politische Programme / C Massenphase) stellte Hroch eine Synopse dieser asynchronen Entwicklungen vor und stellte mögliche Erklärungsansätze zur Diskussion. Er identifizierte allerdings eher die Faktoren, die nicht für Asynchronität verantwortlich zu machen seien, so wie Wirtschaftskraft, Rolle politischer Repressionen oder geografische Verteilung, und ließ seine Frage bewusst offen im Raum stehen. In den Kommentaren des Debattennachmittags zeigten Aleksej Miller (Moskau / Budapest) und Anna Veronika Wendland (Marburg) mögliche Wege auf, die angesprochenen Fragen zu beantworten. Miller verwies auf die Bedeutung der imperialen Verfasstheit, in deren Rahmen viele der osteuropäischen Bewegungen ihren Verlauf nahmen, und auf die Interaktion nationaler Aktivisten, die im imperialen Kontext voneinander lernten – diese Interaktion sei maßgeblich für bestimmte Entwicklungsmuster, auch für ihre zeitliche Versetzung gegeneinander. Wendland ging auf die Frage der in den europäischen Peripherien weit verbreiteten nationalen Indifferenz ein und fragte danach, ob nicht das Phasenmodell überhaupt revidiert werden müsse, weil 6 Asynchronität oder sogar Gleichzeitigkeit verschiedener Entwicklungsstufen innerhalb ein und derselben Nationsgesellschaft die Regel seien: Bis tief ins 20. Jahrhundert hinein beobachte man neben nationaler Mobilisierung eben auch das Scheitern oder Nichtdurchdringen von Nationalbewegungen in lokalen Zusammenhängen, und in manchen Gegenden seien die Menschen aus der vornationalen direkt in die sowjetisch-postnationale oder transnationale Phase gesprungen, ohne überhaupt nennenswert von nationaler Mobilisierung ergriffen worden zu sein. Im zweiten Vortrag der Debattensektion stellte Caspar Hirschi unter dem Titel „The Pre-modernity of Nations and Nationalism“ seine auch schon in Buchform erschienenen Überlegungen von der frühen Geburt der Nationsidee vor, die er in den Adelskulturen des Mittelalters und der Frühneuzeit verortet. Er nahm Bezug auf frühe Quellen, die seiner Auffassung nach bereits mit einem moderneähnlichen Nationsbegriff operierten, etwa wenn von Ehrbegriffen die Rede sei oder auch von allegorischen Darstellungen und Charakterlehren der vornationalen „Nationen“. Die meisten Diskutanten reagierten mit Zurückhaltung auf die- se These, gehören für die Neuzeithistoriker doch zum Nationsbegriff nicht nur seine Nachweisbarkeit in den Quellen, sondern auch eine spezifi- sche Form von komplementärer Kommunikation innerhalb verschiedener Schichten einer Nationsgesellschaft, eine schichtenübergreifende Zugehörigkeitsdefinition und ein kritisches Maß an Mobilisierungsfähigkeit. Der vormoderne Begriff der natio – dem ja durchaus Konzepte wie Stolz und Ehre, Identitätskonstrukte von Eigenund Fremdgruppe eigen waren, meinte, so ein Einwand, in der Vormoderne in der Regel einen Personenverband im ständischen System, der durch Rechtsstatus und/oder territoriale Zugehörigkeit definiert war: z.B. die Universitätsnationen oder der polnische Adel als „polnische Nation“, die von sprachlich-kultureller Zugehörigkeit sauber geschieden wurde. Dies ermöglichte einerseits hybride Konstruktionen wie natione polonus, gente ruthenus / lituanus: litauische oder aus orthodoxen ostslawischen Familien stammende Adlige, welche sich kraft ihrer Zugehörigkeit zur sozialen Formation auch der polnischen „Nation“ zugehörig fühlten. Andererseits galten polnische Bauern, die katholisch waren und polnisch sprachen, nicht als Teil der natio – sie wurden es erst mit der modernen nationalen Mobilisierung in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts, als lud (das plebejische Volk im Sinne der Grundschichten) in naród (Nationsvolk) integriert wird. Anna Veronika Wendland Das Vorrücken des Staates in die Fläche im langen 19. Jahrhundert Die Entstehung des modernen Staates ist eng mit der Ausweitung der zentralen Staatsgewalt auf die lokale Ebene des Staatsgebiets verknüpft. Diese erfolgte nicht zuletzt durch den Aufbau von Bürokratien und durch die Ausweitung der Staatstätigkeit. Betrachtet man die beteiligten Akteure, so sind zum einen die lokalen Amtsträger zu nennen, die als zunehmend professionell ausgebildete Beauftragte einer bei aller Differenzierung einheitlichen Staatsgewalt erscheinen. Sie stießen auf die traditionellen Eliten, die nicht selten noch kurz zuvor Herrschaftsträger aus eigenem Recht gewesen waren. Wollten die staatlichen Beauftragten Projekte zur Entwicklung der Gesamtgesellschaft implementieren, so konnte ihnen dies nur gelingen, wenn sie sich erfolgreich innerhalb der traditionellen lokalen Machtbeziehungen verorteten. Es erschien den Tagungsorganisatoren vom Verband der Osteuropahistorikerinnen und -historiker e.V. (VOH) lohnens- wert, den Prozess des Staatsausbaus als einen Aushandlungsprozess zwischen Agenten der Zentralgewalt und jenen der lokalen Gesellschaften, speziell der ökonomisch Mächtigen sowie sozial Einflussreichen unter ihnen, zu untersuchen. Das Vorrücken des Staates in die Fläche erscheint dabei nicht als unaufhaltsamer Vormarsch der staatlichen Bürokratie, sondern als diskontinuierlicher, vielfach kontingenter Prozess, in dem die Bedingungen der Ausübung von Autorität auf verschiedenen Feldern stets neu ausgehandelt wurden. Ziel der Tagung war es, den Staatsausbau als Prozess zu begreifen und in seinen unterschiedlichen europäischen Ausprägungen zu untersuchen. In einer ersten Kartierung wurden alle eu- ropäischen Geschichtsregionen in den Blick genommen und im Mittelpunkt des Erkenntnisinteresses standen die unterschiedlichen Konzepte des Staatsausbaus, die Felder, auf denen das Vorrücken des Staates ausgehandelt wurde, und die Akteure, die im Zuge dieser Prozesse vor Ort aufeinandertrafen. Antje Coburger Kaleidoskop aktueller Studien und Projekte zur Ostmitteleuropaforschung Das Herder-Institut lud im Rahmen der Alumni-Arbeit seine ehemaligen Gastwissenschaftlerinnen und Gastwissenschaftler zu einer wissenschaftlichen Tagung nach Marburg ein, um über aktuelle Studien und Projekte der Ostmitteleuropaforschung zu berichten. Das Themenspektrum der Tagung war sehr interdisziplinär und breit, regionale und epochale Schwerpunkte wurden gesetzt. Die Diskussionen über Fachgrenzen hinaus wurden von allen als sehr positiv und inspirierend erlebt. Prof. Dr. Peter Haslinger, Direktor des Instituts und Gastgeber der Tagung, begrüßte die Teilnehmenden mit einem Überblick über die Bedeutung und Einbindung des Her- der-Instituts in der modernen Wissenschaftslandschaft. Ina Alber, Koordinatorin des Alumni-Netzwerkes, stellte die Alumni-Arbeit des Herder-Instituts vor. Deren zentraler Bestandteil sind neben regelmäßigen Informationen und einer Vernetzung der rund 100 Alumni aus Polen, Russland, der Tschechischen Republik, Ungarn, dem Baltikum und anderen Ländern auch die im Dreijahresrhythmus stattfindenden Alumni-Tagungen. Die erste Sektion stellte Studien zur baltischen Geschichte vor. Sie behandelte vor allem frühneuzeitliche Themen zur Stadtgeschichte von Vilnius und zu den Herzogshäusern in Kurland. Außerdem wurden die Online-Archivportale ArchiBalt und „Hereditas Baltica“ (HerBalt) – „Virtueller Lesesaal für baltisches Archivgut“ vorgestellt, in denen versucht wird, mit baltischen Partnern virtuelle Lesesäle einzurichten, um teils disparate Archivbestände aus dem Baltikum virtuell und digital wieder zusammenzuführen. Die folgende Sektion beschäftigte sich mit Themen zur Geschichte Polens und den deutsch-polnischen Beziehungen. Von Reisen und Austausch handelten die ersten beiden Referate, die konfessionelle Aspekte der Migration nach Polen und die Kontexte der Entstehung von Alfred Döblins Reise nach Polen untersuchten. Aus polnischer Sicht wurde die „deutsche Frage“ nach 1945 in weiteren Vorträgen 7 Peter Haslinger begrüßt die Teilnehmer der Tagung Darius Baronas sowie die Frage der Bedeutung des Umweltschutzes in Polen zu kommunistischen Zeiten behandelt. Mit Themen der Kunstgeschichte und des kulturellen Erbes befassten sich die Beiträge der dritten Sektion. Vor allem das Baltikum und das Kaliningrader Gebiet mit seiner Kunstszene und Architektur standen im Fokus der Beiträge. Die Frage der Rückführung von Gütern und die hohe politische Brisanz, die sich hinter diesem Thema verbirgt, wurden in dieser wie auch in anderen Sektionen diskutiert. Provenienzforschung kristallisierte sich gerade für den ostmitteleuropäischen Raum als wichtiges Forschungsfeld heraus. Der erste Beitrag der vierten Sektion beschäftigte sich mit der regionalen Identität und Regionalgeschichte im Habsburgerreich am Beispiel eines Projekts zur Verflechtungs- und Beziehungsgeschichte von ethnischen und religiösen Minderheiten. Die jüdische regionale Identität in Ostpreußen wurde aus literaturwissenschaftlicher Perspektive beleuchtet, Teil eines größeren Projekts zur Autorenschaft in Ostpreußen. Außerdem wurde das Projekt „Historisch-topographischer Atlas schlesischer Städte“ am Herder-Institut vorgestellt, das für die Region Schlesien sowohl in Druck- als auch digitaler Ausgabe zu über 30 Orten je einen Städteatlas erstellt. Mit einem Blick hinter die Karten, die Entstehungskontexte und politischen Raumbilder beschäftigt sich das Kooperationsprojekt „Digitaler Atlas politischer Raumbilder zu Ostmitteleuropa im 20. Jahrhundert – DAPRO/Geoimaginaries“. Vor allem die Modelle der digitalen Erfassung und Aufbereitung zur Publikation von Materialien wurden eindrucksvoll in diesen Projektvorstellungen dargestellt. Präsentiert wurde außerdem die auf der Erforschung von Wissenskulturen und Wissenstransfer in der ostmitteleuropäischen Region basierende Leibniz Graduate School for Cultures of Knowledge in Central 8 European Transnational Contexts des Herder-Instituts. Transnationale Forschungsansätze wurden auch in anderen Studien- und Projektvorstellungen immer wieder als aktuelles Thema deutlich. Mit dem Alltagsleben im zweiten Weltkrieg befasste sich die fünfte Sektion. Das Forschungs- und Editionsprojekt „Everyday Life under German Occupation“ zeigte ebenfalls sehr deutlich die Bedeutung transnationaler Forschung. Ein Beispiel zur Alltagskultur im besetzten Europa aus Weißrussland wurde von einem Herder-Alumnus anhand der Eingaben der weißrussischen Bevölkerung vorgestellt. Eine weitere Studie beleuchtete die teils visuell verstörenden Eindrücke von Tourismus im besetzten Europa anhand von Reiseführern für deutsche Soldaten in den besetzten Gebieten. Transnationale Betrachtungsweisen eignen sich für diesen Forschungsschwerpunkt besonders. In der sechsten Sektion befassten sich die Beiträge mit Zwangsmigration und ihren Folgen – vor allem anhand von Vertriebenenzeitschriften und so genannten Hauskalendern, die als Fortsetzung vorheriger Publikationen beispielsweise im Ermland in der BRD in den 1940er und 1950er Jahren erschienen. Auch die Unterschiede im li- se wurde auch deutlich, dass sich die Migrationsforschung gerade in einem Paradigmenwechsel hin zu kulturwissenschaftlichen Ansätzen befindet. Dies wurde auch in den Beiträgen der siebten Sektion zur Diplomatie- und Politikgeschichte deutlich. Die Beiträge befassten sich in Bezug auf die russisch-polnischen Beziehungen im 17. Jahrhundert mit Fragen der symbolischen Praxis oder im Vergleich deutscher mit polnischer Parlamentarismuskritik in der Zwischenkriegszeit mit der Rolle des Staates. In der achten Sektion sorgten zeitgeschichtliche Themen wie der Abzug der Sowjettruppen im Ländervergleich oder die Konsumentenkultur in Polen in den 1990er Jahren für viel Diskussionsbedarf, da hier auch die persönlichen Erinnerungen stark mit in die Debatten einflossen. Auch die Frage des Diskurses über russisch-lettische Beziehungen in der Forschung der letzten 20 Jahre wurde weiterführend unter den Schlagwörtern Minderheitenschutz und Nationalstaatlichkeit analysiert. Das Kaleidoskop aktueller Studien und Projekte zur Ostmitteleuropaforschung zeigte zahlreiche Facetten aktuellen Forschungsinteresses auf. Es wurde aber auch Herder Alumni stellen ihre aktuellen Forschungen vor terarischen Diskurs Deutschlands und Polens zum Thema Zwangsmigration wurden in einer Präsentation beleuchtet. Auf diese Wei- deutlich, dass es aufgrund neuer Forschungsmöglichkeiten und -ansätze noch viele Desiderate gibt. Der interdisziplinäre Charakter der Tagung sorgte für neue Verknüpfungen und Ideen zwischen Themen und Fragestellungen, die in unterschiedlichen Fachrichtungen immer wieder auftauchten. Die Forderung nach der Untersuchung von Beziehungs- und Verflechtungsgeschichte statt monokausaler und singulärer Betrachtungen wurde laut, aber auch in unterschiedlichen vorgestellten Projekten eindrücklich umgesetzt. In den zahlreichen und interessierten Fragen der Teilnehmenden, die je nach Quellenlage mal mehr, mal weniger gut zu beantworten waren, wurde deutlich, wie wichtig die Bedeutung der historischen Kontexte und Akteure ist. Als roter Faden zog sich auch die Problematik der Digitalisierung und Katalogisierung und die Möglichkeiten der Realisierung durch die Tagung. Ostmitteleuropaforschung ist und bleibt ein vielfältiges Forschungsfeld, das über den regionalen Schwerpunkt hinaus viele Vernetzungsaspekte bringt. Ina Alber Neue Forschungsfelder erschließen: Internationale Tagung zur Umweltgeschichte Ostmitteleuropas Vom 18. bis 20. April 2013 hatten das Herder Institut, Marburg, das Collegium Carolinum, München und das Zentrum für Umweltgeschichte der Universität Tallinn nach Marburg zur Tagung „Knowledge about Resources. Challenges of the Exploration and Exploitation of Resources in East Central Europe in the 19th and 20th Centuries“ eingeladen. Christian Lotz, Ulrike Plath und Martin Zückert hatten die Tagung organisiert und knüpften an die Konferenz „Turning Points in Baltic and East Central European Food History“ an, die im Vorjahr in Tallinn stattgefunden hatte. Die Konferenz in Marburg näherte sich der Erkundung und Erschließung von Ressourcen in Ostmitteleuropa aus wissens- und umweltgeschichtlicher Richtung. Nach der Begrüßung durch Heidi Hein-Kircher umriss Christian Lotz in seiner thematischen Einführung die Fragestellung der Konferenz. Das Interesse der Organisatoren richtete sich auf vier Bereiche, und zwar das Verhältnis zwischen wissenschaftlichem Wissen und Alltagswissen über Ressourcen: Welche Beziehungen oder gar Spannungen zeigten sich zwischen wissenschaftlichem Wissen über Ressourcen und tradiertem (lokalem) Wissen? Wissen von Ökonomie und Ökologie der Ressourcen: Welche ökonomischen und ökologischen Aspekte der Erschließung und Nutzung von Ressourcen wurden im wissenschaftli- Tagungsleitung chen Wissen und im Alltagswissen reflektiert? Wissen über Ressourcen – Macht über Ressourcen: Welche politischen Ansprüche waren mit der Erkundung und Erschließung von Ressourcen verknüpft? Und schließlich Sprache, Wissen und Ressourcen: Welche Rolle spielen Wissenschafts- und Alltagssprachen im Umgang mit Ressourcen? Welche Transfer- und Übersetzungsprozesse prägen den Wissensaustausch zwischen Sprachen? Das Programm umfasste insgesamt fünf Panels. Das erste Panel versammelte Beiträge, die Wissen über die Ausbeutung von Ressourcen erörterten, das zweite Panel war transnationalen Austauschprozessen über Ressourcen gewidmet; im dritten Panel standen Vorstellung und Beschreibung von Ressourcen im Mittelpunkt. Das vierte Panel analysierte die Spannungen zwischen akademischem und traditionellem Wissen über Ressourcen; und das fünfte Panel bot Raum für die Vorstellung eines geplanten Forschungsprojekts über umweltgeschichtliche Dimensionen des Białowieża Nationalparks. In den Diskussionen der Vorträge kehrten zahlreiche Problemstellungen wieder, die aus der Umweltgeschichte anderer Regionen Europas bekannt sind. Dazu gehörte u.a. der Prozess, dass Wissen über und Zugriff auf Ressourcen im Verlauf des 19. und 20. Jahrhunderts immer stärker aus den traditionellen Arbeitsabläufen und lokalen Wissenskontexten herausgelöst wurden. Diesen Zusammenhang erörterte auf der Tagung u.a. der Vortrag von Julia Lajus (St. Petersburg) am Beispiel des nordrussischen Fischfangs. Politische und akademische Eliten setzten seit Ende des 19. Jahrhunderts immer stärker ihre Perspektiven und Tech9 niken der maritimen Ressourcennutzung gegenüber den Fischern vor Ort durch. Was als Steigerung der Effizienz angetreten war, rief bald erhebliche Reibungen hervor: Die Missachtung traditionellen Wissens über lokale ökologische Eigenheiten führte in einigen Fällen zu anhaltender Schädigung der Fischgründe; bei den lokalen Fischern riefen die neuen, „modernen“ Techniken immer wieder Irritationen über den staatlichen Kompetenzanspruch hervor. Darüber hinaus wurde nach mehreren Vorträgen das Verhältnis zwischen Besonderem und Allgemeinem bzw. Verallgemeinerbarem lebhaft diskutiert: Gibt es Formen des „Wissens über Ressourcen“, gibt es Herangehensweisen und Techniken des Umgangs mit Umwelt und Ressourcen, die spezifisch „ostmitteleuropäisch“ sind, oder finden sich in Ostmitteleuropa ähnliche Forschungsergebnisse wie für andere Regionen Europas und der Welt? Im Verlauf der Debatten wurde deutlich, dass Antworten auf diese Fragen, wenn überhaupt, nur anhand von vergleichenden Untersuchungen zu Ostmitteleuropa und anderen Regionen beantwortet werden können. In jedem Fall scheint Vorsicht geboten, um nicht voreilig in dem verhältnismäßig jungen Feld Umweltgeschichte Besonderheiten für Ostmitteleuropa zu konstatieren. Schon auf vielen anderen, etablierteren Forschungsfeldern sind solche „Sonderfälle“ oder „Sonderwege“ behauptet worden, die sich nach vergleichenden Untersuchungen und nach intensiven Debatten gar nicht mehr so besonders ausnahmen. Christian Lotz Nachwuchstagung zu politischen Zäsuren Politische Zäsuren wirken nicht nur auf die Entwicklung des Staates, sondern auch auf die Entwicklung der ihm angehörenden (Teil-)Gesellschaften. Ausgehend von diesem grundsätzlichen Befund lud das Herder-Institut erstmals gemeinsam mit der Slowakischen Akademie der Wissenschaften und dem Slowakischen Nationalmuseum – Museum der Kultur der Karpatendeutschen 14 Nachwuchswissenschaftlerinnen und Nachwuchswissenschaftler, die aus der Slowakei, Tschechien, Polen, Großbritannien und Deutschland kamen, zu einer interdisziplinären und internationalen Nachwuchstagung vom 23. bis 25. Mai nach Bratislava. Angeregt wurden die Debatten durch Impulsvorträge von Elena Mannová (Bratislava), die am Beispiel Bratislava verdeutlichte, dass je nach Perspektive und je nach Fragestellungen Zäsuren unterschiedlich gesetzt werden können, von Peter Haslinger (Marburg), der an der Epochengrenze des Ersten Weltkriegs zeigte, dass diese eben von weiteren, letztlich ohne ihn nicht denkbaren Zäsuren bis Anfang der 1920er Jahre begleitet wurde, so- wie von Michal Pullmann (Praha), der die politische Zäsur von 1989 in der Tschechoslowakei als nationale und europäische Konsensfindung charakterisierte. Besonders eindrücklich war die Exkursion zum beeindruckenden Chatam Sofer Memorial in Bratislava. Lässt sich im Allgemeinen feststellen, dass der Begriff der „Zäsur“ häufig verwendet wird, so gibt es noch keine tiefergehende historische Reflexion über diesen Begriff. Wie Heidi Hein-Kircher kommentierend feststellte, liegt es wohl daran, dass „Zäsur“ zu umfangreich und zu facettenreich ist. Sie stellte fest, dass auch noch unterschieden werden sollte zwischen Zäsuren, die als solche von Zeitgenossen empfunden werden, und jenen, die ex post als solche wahrgenommen, eventuell gar als solche überhaupt erst konstruiert werden. Deutlich wurde, dass „Zäsuren“ daher noch in geschichtswissenschaftlicher Hinsicht weiter bearbeitet, verglichen, systematisiert und theoretisiert werden müssen. Insgesamt behandelte die Nachwuchstagung daher ein höchst spannendes und anregendes Themenfeld – zu dessen weiterer Bearbeitung hoffentlich genügend Denkanstöße geboten wurden. Heidi Hein-Kircher 10 Politische Mobilisierung in Ostmittel- und Südosteuropa Vom 13. bis 14. Juni 2013 fand in Marburg der erste Teil einer Doppeltagung zur Politischen Mobilisierung in Ostmittel- und Südosteuropa statt, die insbesondere auf Mobilisierungsformen politischer dass sich aber auch im ̦Westen‘ grundsätzlich ähnliche Strukturen beobachten lassen. Während der anschließenden Diskussion wurde ein interdisziplinärer Konflikt evident, der im Verlauf der Tagung in Teilnehmer der Tagung Parteien und Bewegungen in Krisenzeiten abzielte. Das Herder-Institut für historische Ostmitteleuropaforschung kooperierte hierbei erstmals in dieser Form mit dem Institut für Ost- und Südosteuropaforschung (Regensburg). Die Idee zu der interdisziplinären Doppeltagung war während eines gemeinsam von Peter Haslinger (Marburg) und Ulf Brunnbauer (Regensburg) betreuten Dissertationsprojekts über die politische Mobilisierung der Sudetendeutschen Partei (1933-1938) entstanden. Zu Beginn nahm Peter Haslinger bereits eine Systematisierung des Phänomens „politische Mobilisierung“ vor und regte eine weitere Entwicklung von Modellkomponenten an. Die Politikwissenschaftlerin Petra Stykow stellte in ihrer Keynote zur aktuellen politischen Teilhabe in Ostmittel- und Südosteuropa fest, dass zwar gemeinhin die These unbestritten sei, wonach heute die politische Partizipation im östlichen Europa geringer ausgeprägt sei als im westlichen Teil des Kontinents, den augenzwinkernden Ausspruch vom „parasitären Gehabe der Sozialwissenschaften“ gipfeln sollte. So prallten unterschiedliche methodische Herangehensweisen der unterschiedlichen Fachvertreter aufeinander. Letztlich herrschte jedoch ein breiter Konsens darüber, dass man vom inter- bzw. intradisziplinären Austausch nur profitieren kann. In ihrer ersten Sektion widmete sich die Tagung dem Themenkomplex „Krise und Radikalisierung“ als aktuellem Politikphänomen und wandte zunächst ihren Blick ins gegenwärtige Ungarn. Aron Buzogány analysierte ungarische radikal-nationale Parteien und Bewegungen und betonte dabei die Rolle der zivilgesellschaftlichen Einbindung hinsichtlich des Mobilisierungserfolgs. Zudem verwies er auf historische Entwicklungskonstanten, insbesondere auf das immer wiederkehrende „Trianon-Trauma“. Philipp Karl, der am Beispiel Jobbiks („Bewegung für ein besseres Ungarn“) eine Netzwerkanalyse vornahm, hob hervor, dass die weitver- zweigten Netzwerke sowohl real als auch virtuell existieren. Jobbik erreicht damit ihre Zielgruppen bereits im vorpolitischen Raum und stellt so in alltäglichen Kontexten vielfältige Angebote zur Verfügung (z.B. Musik, Kleidung, Lebensmittel). In der Tschechischen Republik treiben dagegen gegenwärtig die politischen Parteien mit ihren polemischen Mobilisierungsstrategien die Entfremdung zwischen Politik und Gesellschaft voran – so Adam Slabý in seinem Beitrag. Damit förderten sie nicht nur das Vertiefen bestehender, sondern auch das Entstehen neuer gesellschaftlicher Konfliktlinien. Ein weiteres Fallbeispiel stellten die politischen Entwicklungen in Moldawien nach den Wahlen vom April 2009 dar. Mihai Grigore erläuterte, dass sich in den Protesten vor allem die jüngere, gebildete Generation über neue Medien wie Facebook, Twitter oder E-Mail mobilisierte. Sie seien dabei nicht nur von der Empörung über die offensichtliche Wahlfälschung motiviert worden, sondern auch von einer Sehnsucht nach Freiheit und Modernisierung. Es erfolgte ein Rekurs auf nationale Diskurse der Moldawier, zugleich wurde jedoch auch die gemeinsame Vergangenheit mit Rumänien idealisiert, das als Muster und Vorbild betrachtet wurde. Florian Peters veranschaulichte im zweiten Panel, das sich mit den symbolischen Ressourcen 11 politischer Mobilisierung befasste, dass die polnische Gewerkschaft „Solidarność“ und die um sie gruppierte Oppositionsbewegung Geschichte und Erinnerungskultur als ihre wesentlichen Mobilisierungsressourcen nutzten. Der Rekurs auf Deutungsmuster der polnischen Nationalgeschichte habe auf die polnische Bevölkerung mit den Eliten und der Parteienmobilisierung in Siebenbürgen Mitte des 19. Jahrhunderts. Ausgehend vom Jahr 1848 zeichnete sie die Mobilisierungsstrategien der ethnischen Eliten sowie die Genese politischer Parteien nach und betonte dabei die Bedeutung nationaler Symbole und Riten. Den Abschluss des Panels bildete ein „Jahren der Gefahr“ (1944-1948). Die Sozialdemokratie war nun in den nationalen Konsens integriert, während Kommunisten und Linksradikale als „Kriegsgegner“ identifiziert und daher aus dem nationalen Konsens ausgeschlossen wurden. Die entscheidenden politischen Akteure waren junge Kriegsteilnehmer, welche die Gehorsam-Be- letztlich glaubwürdiger gewirkt als die national-kommunistische Meistererzählung. Anschließend präsentierte Oleksandr Svyetlov Formen und Praktiken der Massenmobilisierung während der „Orangenen Revolution“ 2004. Auch hier stellte die junge, gut ausgebildete Generation die Trägerschicht der Proteste. In beiden Fallbeispielen war ein derart hoher Mobilisierungsgrad erreicht worden, dass er ein Bekenntnis entweder zu der einen oder zur anderen Seite erforderlich machte. Im Themenschwerpunkt „politische Mobilisierung in spät- und postimperialen Kontexten“ widmete sich Jakub Beneš den Mobilisierungsstrategien der tschechischen und der deutschen Sozialdemokratie im Habsburgerreich im Zeitraum von 1890 bis 1914. Innerhalb des eng gesteckten strukturellen und gesetzlich-konstitutionellen Rahmens erfolgte die politische Kommunikation über öffentliche Reden, Populärliteratur, ritualisierte Events sowie über Visualisierungen. Zentral war dabei die Utopie von der Erlösung des leidenden, in sozialer, politischer und kultureller Hinsicht unterdrückten Arbeiters. Anschließend befasste sich Judit Pál Beitrag über die politische Mobilisierung in sowjetischen Industriebetrieben während der Perestrojka und der Transformationskrise im Dnjestr-Tal. Anhand des Stahlwerks Rybnica (Rîbniţa) machte Jan Zofka deutlich, dass die sowjetischen Betriebsstrukturen mit ihren hierarchischen Machtverhältnissen, einer betrieblichen Daseinsvorsorge und in der Spezifik der politischen Elitenrekrutierung die strukturellen Grundlagen für die Mobilisierung der Arbeiter boten. In der vierten Sektion wurden externe Faktoren und die Mobilisierung in politischen Übergangsphasen behandelt. Stefan Thierfelder erläuterte die Mobilisierungspraktiken des Ostdeutschen Heimatdienstes in der Zeit vom Kriegsende bis zur Volksabstimmung (1919-1920). Er hielt fest, dass das ursprüngliche Handlungsmotiv der Akteure einem Bedrohungsgefühl entsprang, wobei die Verteidigung der Heimat als Territorium der Volksgemeinschaft für die Mobilisierung die entscheidende Handlungsideologie darstellte. Im Anschluss analysierte Hermann Beyer-Thoma die Neupositionierung der Sozialdemokratischen Partei Finnlands in den fehl-Struktur – aber auch ein stark ausgeprägtes Freund-Feind-Schema – verinnerlicht hatten und politisch mit effizienter Organisationsarbeit ansetzen konnten. Die politische Mobilisierung in den neuen Nationalstaaten der Zwischenkriegszeit stand schließlich im Focus des fünften Panels. Zunächst referierte Roman Holec über den Bund der slawischen Agrarjugend innerhalb der internationalen Agrarbewegung (1924-1938). Der international vernetzte Bund ermöglichte einen Ideenaustausch und Erfahrungstransfer und mobilisierte über Vorträge und Schulungen, Publikationen, Exkursionen oder Kongresse. Darüber hinaus schuf der stark slawisch ausgerichtete Bund eigene Rituale wie beispielsweise das Pflanzen sog. slawischer Linden. Florian Kührer erläuterte in seinem Beitrag die Entwicklung der Rumänischen Nationalpartei von einer Ethnopartei über eine Regionalpartei bis hin zu einer „gesamtrumänischen“ Massenpartei, wobei er auch auf die entscheidenden Akteure einging. Vasile Ciobanu setzte sich anschließend mit der allgemeinen politischen Entwicklung in Rumänien auseinander 12 und konzentrierte sich dabei auf die Aktivitäten der politischen Parteien zur Zeit der Weltwirtschaftskrise (1929-1933). Den Abschluss bildete ein Beitrag über die Mobilisierungsstrategien der Jugoslawischen Nationalpartei (1932-1935). Oskar Mulej erklärte, dass diese als einzig zugelassene Partei einerseits als Legitimationsmittel für die Herrschaft Alexanders I. fungierte, dass sie andererseits die bedeutendste Vertreterin der Idee des integralen jugoslawischen Nationalismus darstellte. Insgesamt zeigte sich, dass der mediale Wandel die Formen der politischen Mobilisierung stark beeinflusst hat. Petra Stykow regte daher die Entwicklung eines zeitlich mehrstufigen Modells an, das Trends wie die Globalisierung oder die Entwicklung neuer Medien berücksichtigen könne. In den Diskussionen wurde jedoch mehrfach davor gewarnt, die Bedeutung digitaler Netzwerke für die politische Mobilisierung zu überschätzen, da hier nach wie vor das persönliche soziale Umfeld entscheidender sei. Jedoch bietet z.B. das Internet einen weiteren Kommunikationskanal, der den Parteien einen neuen Zugang zur Jugendkultur ermöglicht, sowie auch eine Plattform, die durch ihre Anonymität radikale Äußerungen erleichtert. Auch dient die objektiv fragliche Anzahl der sog. „Freunde“ oder „Likes“ auf Facebook-Accounts den Parteien als Legitimationsbeschaffung. Grundsätzlich, zeigte sich, müssen bei der Analyse politischer Mobilisierung Aspekte wie Mentalität oder politische Kultur betrachtet werden sowie auch die Rolle des Staates und seiner Institutionen. Darüber hinaus stellen Faktoren wie sozialer Druck oder physische Gewalt entscheidende Mobilisierungspraktiken dar, die hier noch etwas vernachlässigt wurden. Dabei ist auch die Konstruktion von Identitäten und Alteritäten zu berücksichtigen, zumal gerade das Gefühl der Bedrohung ein wichtiger Faktor politischer Mobilisierung ist. Ein weiterer Punkt, der auf der Tagung noch etwas zu kurz kam, war die emotive Seite von Mobilisierungsprozessen. Hier sollte künftig auch die emotionalisierende Wirkung von Bildern stärker berücksichtigt werden. Deutlich wurde ferner, dass die Akteure in bottom-up-Protesten offensichtlich häufig junge Menschen mit guter Ausbildung sowie das gesättigte Bürgertum seien. Ulf Brunnbauer (Regensburg) merkte in seiner Zusammenfassung kritisch an, dass in den Tagungsbeiträgen ausschließlich konkrete Fallbeispiele politischer Mobilisierung analysiert wurden und dabei der vergleichende Aspekt noch zu sehr im Hintergrund stand. Insgesamt müsse man sich auf der Fortsetzungstagung in Regensburg stärker mit Verflechtungen, Ideenund Erfahrungsaustausch auseinandersetzen. In Regensburg soll dann auch die intendierte Modellbildung erfolgen. Eine Publikation der Beiträge der Doppeltagung ist angedacht. Birgit Vierling Forschungen zur jiddischen und jüdischen Literatur Am 20. Februar 2013 veranstaltete das Herder-Institut für historische Ostmitteleuropaforschung – Institut der Leibniz-Gemeinschaft in Marburg einen Workshop. Ausgangspunkte waren das im vergangenen Jahr angelaufene BMBF-Projekt „GeoBib – Frühe deutsch- bzw. polnischsprachige Holocaust- und Lagerliteratur (1933-1949). Annotierte und georeferenzierte OnlineBibliografie zur Erforschung von Erinnerungsnarrativen“ (kurz: GeoBib), das am Herder-Institut und an verschiedenen Einrichtungen der Justus-Liebig-Universität in Gießen (ZMI; Professur für Computerlinguistik; Institut für Geographie; Arbeitsstelle Holocaustliteratur) angesiedelt ist, sowie der Stipendienaufenthalt von Goda Volbikaite (Kaunas) am Herder-Institut, die ihr Projekt zu „Kaunas – eine jiddische Literaturinsel (1918-1941)“ vorstellte. Die weiteren Vortragenden beschäftigten sich aus unterschiedlichen Blickwinkeln mit jiddischsprachigen Texten beziehungsweise der Literatur aus der Feder jüdischer Autoren: Die Bandbreite reichte von judaistischen über slawistische sowie geschichtswissenschaftliche Ansätze hin zu einem abschließenden Vortrag, der aus informationswissen- schaftlicher Sicht Nutzungsszenarien für geografisch-bibliografische Suchportale für Holocaustliteratur thematisierte. So stellte Annalena Schmidt (Marburg/Gießen) einen Ausschnitt aus ihrem Dissertationsprojekt vor und erörterte die Bedeutung der Literatur als Quelle zur Verwaltung des Holocausts am Beispiel einer Studie zur „Jüdischen Sozialen Selbsthilfe“ im General- 13 gouvernement. Elisa-Maria Hiemer (Gießen/Marburg) diskutierte die Konzeption ihres Dissertationsprojekts unter dem Titel „Mitteleuropa als Raum jüdischer Selbstverortung: Deutsche, polnische und tschechische autobiographische Werke nach 1989“ und abschlie- ßend stellte Frank Binder (Gießen) seine Gedanken zu geografischbibliografischen Suchportalen vor und führte somit in die konzeptionellen Überlegungen ein, die für die Errichtung des Portals im GeoBibProjekt notwendig sind. Die unterschiedlichen Blickwinkel auf den Gegenstand des interdisziplinären Workshops haben ein breites Panorama an möglichen Fragestellungen und Methoden im Umgang mit der jiddischen und jüdischen Literatur geboten. Annalena Schmidt Cultures of Opposition – Samizdat in East Central Europe Im Workshop am 24. April wurden Synergieeffekte geschaffen zwischen verschiedenen Projekten von Gastwissenschaftler/inne/n und Forschenden am Herder-Institut sowie den Materialien der umfangreichen privaten Kollektion von Prof. Przemysław Urbańczyk mit rund 1100 Monografien und des Workshops. Daniela Sneppova (Toronto), von April bis Juni 2013 Visiting Fellow an der Leibniz Graduate School for Cultures of Knowledge in Central European Transnational Contexts, präsentierte Ergebnisse ihrer Forschungen zu Samizdat und Kunst in der tschechischen Opposition. Die konkrete Ina Alber, Gregor Feindt und Jan Lipinsky beim Workshop Zeitschriften des polnischen Untergrunds, die seit 2008 zum Bibliotheksbestand gehört. Samizdat und Oppositionskulturen sind nicht nur vergangene Phänomene, sondern als Forschungs- und Sammlungsgegenstand aktuell diskursiv umkämpft. Als Motto zum eigentlich aus dem Russischen stammenden sam izdat’ (selbst herausgeben) nannte Gregor Feindt: „you publish yourself, you write yourself, you print yourself, you distribute it yourself, and if you get punished you sit in prison alone.“ Dass Oppositionskulturen aber keine individuellen, sondern kollektive Phänomene unterschiedlicher Art waren und sind, zeigten die Beiträge 14 Materialität – das Fehlen des Papiers, das Schreiben und Vervielfältigen von Oppositionsliteratur unter ressourcenknappen Bedingungen – wurden ästhetisch durch ihre Präsentation erfahrbar. Ihre umfangreichen Materialien konnte sie in Form einer Ausstellung auch für ein nordamerikanisches Publikum zugänglich machen (siehe http://artofresistance.ca/). Ina Alber (Marburg/ Göttingen) befasste sich aus soziologischer Sicht mit den Erinnerungs- und Erzählmustern, die sich bei heutigen polnischen Zivilgesellschaftsaktivist/inn/en über die Zeit der Solidarność und Opposition wiederfinden lassen. Die Deutungsmuster der Biografien sind von Erinnerungen an die konspirativen Erfahrungen mit Untergrundliteratur – dem Lesen, Verteilen oder Vervielfältigen – und Oppositionsaktivitäten geprägt. Bei einer näheren Rekonstruktion der Lebensläufe fällt aber auf, dass viele der Deutungsmuster nicht aus damaligem Erleben stammen, sondern im Laufe der Zeit eine Vermischung persönlicher Erfahrung mit kollektiven Erinnerungsmustern stattgefunden hat. Gregor Feindt (Bonn), zum Zeitpunkt des Workshops Herder-Stipendiat in Marburg, gab einen allgemeinen Überblick über die Verfahren und Bedingungen der Samizdat-Publikationen in der tschechischen, polnischen und ungarischen Opposition im Vergleich sowie davon ausgehend eine Einschätzung der Selbstwahrnehmung der jeweiligen Gruppierungen als politische Gemeinschaft. Er lieferte eine Einführung in die Entwicklung von selbstherausgegebenen Zeitschriften in den 1970ern bis hin zu einem professionellen Untergrundverlagswesen in den 1980ern. Auch Exilpublikationen und Importe spielten eine Rolle. Die anschließende Diskussion der gesamten Beiträge zeigte, dass Samizdat mehr war, als alternative Öffentlichkeit und unabhängige Publikationen zu schaffen. Über oppositionskulturelle Verbindungen, Debatten und Strategiebesprechungen formte sich eine oppositionelle Identität. Bei der gemeinsamen Erkundung der Materialien aus der Urbańczyk-Sammlung wurden auch immer wieder die Fragen diskutiert, wie die SamizdatPublikationen, die aufgrund der ge- ringen Ressourcenausstattung aus sehr schlechtem Papier bestehen und heute kaum noch lesbar sind, bewahrt und ggf. digitalisiert wer- den können. Es wurde aber auch deutlich, dass die Entstehungskontexte der Publikationen und Sammlungen eine ebenso wichtige Quelle für das Verständnis der damaligen Ereignisse und ihrer heutigen Interpretation sind. Ina Alber Übersetzung und wissenschaftlicher Wandel „Translation“ ist in den letzten Jahren mit dem translational turn in den Sozial- und Kulturwissenschaften zu einem sowohl konzeptionellen als auch politischen ‚Hoffnungsträger‘ avanciert. Vor diesem Hintergrund fügt sich der interdisziplinäre Studientag zum Thema Übersetzung und wissenschaftlicher Wandel, der als Kooperationsprojekt des Forschungszentrums für Historische Geisteswissenschaften der Goethe-Universität Frankfurt und des Herder-Instituts am 31.05.2013 in Frankfurt stattgefunden hat, in einen hochaktuellen transdisziplinären Problemhorizont ein. Dabei reagierten die Veranstalter Fabian Link (Frankfurt) und Jan Surman (Marburg) mit der Tagung auf einen, trotz des gegenwärtig regen Übersetzungsdiskurses, noch relativ unterbelichtet gebliebenen Problemzusammenhang. Denn während die Frage nach dem Einfluss von Translation im literarischen Feld eine lange Tradition hat, genießt das Thema des transformativen Potenzials der Übersetzung für die Bereiche Philosophie und Wissenschaft in der translationsbezogenen Forschung weitaus weniger Aufmerksamkeit. Dabei zeigte sich am Studientag, dass gerade das Wissenschaftssystem für eine Analyse translationsbedingter Wirkungsprozesse besonders interessant ist, da es sich durch internationale bzw. inter(wissenschafts)kulturelle Diskursformationen, d. h. Sprachund (Wissenschafts-)Kulturgrenzen überschreitende Kommunikations- prozesse, konstituiert und damit selbst immer schon das Ergebnis von Translationsprozessen und Effekt von Grenzüberschreitungen ist. Der interdisziplinäre Charakter der Tagung, der sich aus der diskursiven Heterogenität der Vorträge ergab – etwa aus der Spätan- näre Praxis führte in gewisser Weise auf performativer Ebene die räumliche Dimension von Translation vor, die wiederum eines der zentralen Diskussionsthemen der Tagung darstellte. Denn einerseits wurde „Translation“ (als Metapher, Methode oder Begriff) in den präsen- tike (Muriel Moser / Frankfurt), aus der politischen Philosophie (Dagmar Comtesse / Frankfurt), aus der Kultur- und Wissenschaftstheorie (Kinga Kuligowska / Marburg), aus der Altgermanistik (Regina Toepfer / Frankfurt), aus den Sozialwissenschaften (Friedolin Krentel / Gießen; Göttingen) und aus der Wissenschafts- und Technikgeschichte (Catarina Caetano da Rosa / Darmstadt) –, erforderte selbst immer wieder transdisziplinäre Übersetzungsleistungen. Denn in den einzelnen Untersuchungen wurden jeweils sehr unterschiedliche Translationsbegrifflichkeiten funktionalisiert, die wiederum mit dem Reflexionsstil jeweils unterschiedlicher Wissenschaftskulturen verwoben sind. Diese transdiszipli- tierten Studien immer dann funktionalisiert, wenn (etwa Sprach-, Kultur-, Disziplin-, Generations-, Epochen-, Tabu-)Grenzen zu einem empirischen oder diskursiven Problem wurden. Andererseits zeigte sich am Untersuchungsmaterial, aber auch an der transdisziplinären Diskussionspraxis der Tagung selbst, dass Grenzen oft erst durch Translation erfahrbar und dadurch verhandelbar werden. Vor diesem Hintergrund erwies sich Translation nicht nur als empirisch interessantes Forschungsobjekt im Kontext wissenschaftlichen Wandels, sondern auch als epistemologisch produktives Instrument, um die Genese diskursiver Transformationsprozesse auszuleuchten. Lavinia Heller CBSE - Conference on Baltic Studies in Europe Vom 16. bis 19. Juni fand in Tallinn die internationale „Conference on Baltic Studies in Europe“ unter dem Generalthema „Cultures, Crises, Consolidations in the Baltic World“ an der Tallinna Ülikool (Tallinn University) statt. Es war dies bereits die zehnte Konferenz ihrer Art. Über 200 Vorträge wurden in einer entsprechend großen Zahl von „Pa- nels“ gehalten. Es gab Sektionen zu den Themen: Cultural and Biographical Studies, History and Memory, Environment and Geography, Linguistics, Literature, Folklore and 15 Arts, Media, Film and Communication, Political Studies, International Relations, Law and Economics, Sociology, Youth Studies and Gender Studies. In einer „Interdisciplinary Section“ wurden Vorträge verschiedener Thematik zusammengefasst. Vom Herder-Institut nahmen drei Mitarbeiter an der Konferenz teil. Zwei referierten in der Sektion „History and Memory“ im Panel „Archives“. Dorothee M. Goeze: A Look into the Past for Assessing the Present Age of Your Country. Considerations about the Online Project HerBalt (Hereditas Baltica), Virtual Reading Room for Archival Materials; Peter Wörster: Information Systems to Baltic Archives. The Project Aus dem Bildarchiv des Herder-Instituts: Blick vom Balkon des Uexküllschen Hauses mit der Stadtansicht Revals und dem Dom; Inv.Nr.: 148281 ArchiBalt of the Herder Institute in Marburg. Am letzten Tag der Konferenz fand die zentrale Abschlusssitzung statt. Dabei wurde der Veranstaltungsort für die in zwei Jahren stattfindende 11. Konferenz für baltische Studien in Europa 2015 bestimmt. Die Wahl fiel auf Marburg und das Herder-Institut. Peter Wörster Bitte vormerken: vom 06.09.-10.09.2015 findet in Marburg die Conference on Baltic Studies in Europe statt Wissenspraktiken und die Entdeckung des Neuen Im Zentrum der Diskussionen der Leibniz Graduate School for Cultures of Knowledge in Central European Transnational Contexts stehen seit langem die Fragen nach dem Verhältnis von Alltags- und Wissenschaftswissen, von Diskursen, Wissen und Praktiken. Daher freuten sich die Stipendiat/inn/en sehr, dass einer der ausgewiesenen Experten im Feld der Wissens- und Wissenschaftsgeschichte, Prof. Dr. Dr. Olaf Breidbach (Universität Jena), der Einladung zu einer Master Class gefolgt war. Am 13. März führte der promovierte Philosoph und Biologe zunächst mit einem öffentlichen Vortrag, zu dem viele Interessierte des Herder-Instituts und von den Universitäten in Gießen und Frankfurt gekommen waren, in das Thema unter dem Titel: „Bemerkungen zum Verhältnis von Wissenspraktiken, Konzepten und Strukturen nebst einiger Bemerkungen zur Entdeckung des Neuen“ ein. Anhand unterschiedlicher Verfahren und Methoden erläuterte er, wie Wissen in verschiedenen Erfahrungszusammenhängen gewonnen und geordnet, wie Bekanntes und Neues abgegrenzt und in bereits vorhandene Wissensbestände eingebunden wird. Anschließend wurden von den Leibniz-Gradu16 ate-School-Mitgliedern und anderen Nachwuchswissenschaftler/ inne/n gemeinsam mit Olaf Breidbach Texte zum Thema „Neue Wissensordnungen. Wie aus Informationen und Nachrichten kulturelles Wissen entsteht“ (so der Titel des 2008 erschienenen gleichnamigen Buches) sowie zur experimentellen Wissenschaftsgeschichte diskutiert. Dieser Zweig beschäftigt sich mit den, oft naturwissenschaftlichen, Praktiken der Wissenschaft, mit deren Entwicklung, Vermittlung und Veränderung und geht davon aus, dass die experimentelle Wissenschaftsgeschichte nicht nur durch theoretische Konzepte bestimmt, sondern auch in Handlungspraktiken abgebildet und durch diese geprägt wurde. Dabei standen die Fragen im Mittelpunkt, wie Wissen geordnet und strukturiert wird, welche Rolle den einzelnen Wissenschaftler/inne/n zukommt, aber auch welche Rolle die Informationsvielfalt und der -überfluss im Internet heute spielen. Für den Diskussionszusammenhang der Graduiertenschule waren besonders die Erläuterungen des Dozenten zur Wissenschaftsgeschichte und den neueren Ansätzen, die sich mit der Analyse nicht explizierten Wissens und der Entdeckung des Neuen beschäftigen, fruchtbar. Denn die Projekte der Stipendiat/inn/en greifen häufig auf Quellenmaterialen zurück, die sich mit Wissen jenseits der hegemonialen Wissenschaftsgeschichte in transnationalen Kontexten beschäftigen. Mit einem weiteren Aspekt der Wissenschaftsgeschichte wird sich eine zweite Master Class der Leibniz Graduate School befassen, die am 22. Oktober 2013 zum Thema „Universities in Transformation: Acade- Olaf Breidbach mia and Dramatic Political Change in Central and Eastern Europe during the Short 20th Century“ stattfindet. Dafür konnte Prof. Dr. Per Bolin (Centre for Baltic and East European Studies) von der Södertörns Högskola aus Stockholm als Gastdozent gewonnen werden. Im Rahmen der zwischen dem CBEES und dem Herder-Institut bestehenden Kooperation wird Per Bolin auch noch über die Master Class hinaus einige Tage zum Forschen am Herder-Institut bleiben und für Gespräche zur Verfügung stehen. Ina Alber / Stanislava Kolková Unheimliche Erinnerung an die jüdische Vergangenheit Am 12. Juni 2013 hatte das Projekt „Digitaler Atlas politischer Raumbilder zu Ostmitteleuropa im 20. Jahrhundert (DAPRO)“ zu einer Masterclass geladen, bei der Doktoranden und Postdoktoranden in regelmäßigen Abständen die Gelegenheit erhalten, mit internationalen Gastwissenschaftlern über aktuelle kulturwissenschaftliche Forschungsansätze und die eigenen Forschungsprojekte zu diskutieren. DAPRO-Gastwissenschaftlerin Zuzanna Dziuban (Konstanz / Berlin) hielt unter dem Titel „Memory as Haunting: Memory Studies and the ̦Spectral Turn‘“ eine Masterclass, die sich mit der Erinnerung an die jüdische Vergangenheit des Warschauer Stadtteils Muranów beschäftigte. Von 1940 bis zu seiner vollständigen Zerstörung im Mai 1943 existierte hier das Warschauer Getto. Nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs wurde auf dem Schutt eine neue Wohnsiedlung errichtet. Anhand neuerer Forschungsansätze des so genannten spectral turn, vor allem der Idee einer „heimsuchenden Erinnerung“ („memory as haunting“), zeigte Zuzanna Dziuban den sich im Laufe der Jahre verändernden Umgang der Stadt Warschau und der Bewohner Muranóws mit der Erinnerung an die jüdische Vergangenheit des Stadtteils. Im Vordergrund stand vor allem das „unfreiwillige Erinnern“ an die Getto-Vergangenheit des Stadtteils. Das „Unheimliche“, das dieser Erinnerung anhaftet, äußert sich unter anderem in der in diesem Zusammenhang immer wieder auftauchenden Figur des Geistes. Eben die Präsenz von Geistern aber, so Zuzanna Dziuban, muss als Indiz dafür angesehen werden, dass die Vergangenheit nicht vollständig aufgearbeitet wurde, daher gleich einem „Geist aus der Vergangenheit“ in die Gegenwart einbricht und gleichzeitig das bestehende System der nicht erfolgten Erinnerung in Frage stellt. Damit brachte die Masterclass wichtige theoretische Impulse zum Themenkomplex der Erinnerungstopografien in Ostmitteleuropa und bot eine spannende Vorschau auf den Beitrag Zuzanna Dziubans für den „Digitalen Atlas“, der im Februar 2014 unter www. geoimaginaries.org online gehen wird. Das von der Leibniz Gemeinschaft geförderte Projekt „Digitaler Atlas politischer Raumbilder zu Ostmitteleuropa im 20. Jahrhundert“, in welchem das Herder-Institut mit dem Georg-Eckert-Institut für Internationale Schulbuchforschung (Braunschweig), dem Leibniz-Institut für Länderkunde (Leipzig) und dem Institut für Wissensmedien (Tübingen) zusammenarbeitet, untersucht die Wirksamkeit von Raumbildern in politischen Handlungsprozessen während des 20. Jahrhunderts. Neben der Erstellung eines „Digitalen Atlas“, eines webbasierten interaktiven Forschungs- und Lehrinstruments über Kartografie und (geo)politische Imagination, ist ein zentrales Anliegen des Projektverbundes, internationale Gastwissenschaftler an das Herder-Institut einzuladen, die durch einen zweibis vierwöchigen Aufenthalt zum Entstehen des „Digitalen Atlas“ beitragen. Dabei bringen sie ihre Expertise in die theoretischen und inhaltlichen Diskussionen innerhalb des Projektverbundes ein und verfassen gleichzeitig, aus ihren eigenen Forschungsinteressen heraus, einen Beitrag für den digitalen Atlas. Daneben leiten die eingeladenen Gastwissenschaftler eine Masterclass, die sich hauptsächlich an Doktoranden richtet. Damit dient das Gastwissenschaftlerprogramm des DAPRO der internationalen Vernetzung des Herder-Instituts mit zu einschlägigen Themen forschen- den Wissenschaftlern. Gleichzeitig gibt das Format der Masterclass Nachwuchswissenschaftlern die Möglichkeit, mit etablierten internationalen Wissenschaftlern in einer intensiven Workshop-Atmosphäre über die neuesten Entwicklungen innerhalb der kulturwissenschaftlichen Forschung und über ihre eigenen Dissertationsprojekte zu diskutieren. Bereits 2011 und 2012 konnte das DAPRO Gastwissenschaftlerprogramm internationale Wissenschaftler wie Miloš Havelka (Prag) und Patricia Chiantera-Stutte (Bari) einladen. Ende Oktober 2013 wird Róbert Győri (Budapest) eine Masterclass zum Thema „ ̦Scientific Repudiation of the Past‘ – Hungarian Geography on the Way of Sovietization, 1945-1960“ halten. Agnes Laba 17 Presseausschnittarchiv online: Zwischen Open Access und Urheberrechtsschranken Die ersten 24 Ordner aus dem Bestand des Personenarchivs, das insgesamt ca. 4 650 Ordner mit ca. 1,5 Millionen Ausschnitten umfasst, sind online in einer Datenbank durchsuchbar (http://www. herder-institut.de/startseite/onlineressourcen/presseausschnitt- eine spezielle Datenbank programmiert, um die Presseausschnitte möglichst komfortabel durchsuchen zu können. Derzeit ist die einfache Suche nach Personen, Zeitungsname, Autor und Datum möglich. Die kombinierte Suche ist in Planung. Die vorliegende Probe- sammlung.html). Da Nutzerinnen und Nutzer im Zeitungsausschnittarchiv des Herder-Instituts am häufigsten nach Personen suchen, begann die Digitalisierung mit diesem Teilbestand, dem später dann auch das Orts- und das anhand von Sachschlagwörtern aufgebaute Archiv folgen sollen. Diese Entscheidung flankiert zudem sinnvoll die institutsweit laufenden Arbeiten für das Zentrale Personenregister, das eine abteilungs- und datenbankübergreifende Suche nach Personen ermöglichen wird. Aus dem Bestand P 0301 wurden bisher 46 Ordner (die Buchstaben A – F) digitalisiert. Der Bestand P 0301 (insgesamt 186 Ordner) enthält, alphabetisch nach Nachnamen sortiert, Presseausschnitte zu deutschen Personen, die (überwiegend bis zum Jahr 1945) Bezüge zum heute polnischen Raum hatten bzw. zu deutschen Vertriebenen aus diesem Raum. In Kooperation mit der Gesellschaft zur Förderung angewandter Informatik e.V. (GFaI), Berlin, wurde in den zurückliegenden Monaten version enthält die ersten 24 vollständig erfassten und automatisch OCR-erkannten Ordner (Buchstaben A – B), insgesamt ca. 6 000 Ausschnitte. Wegen des geltenden Urheberrechts ist die Datenbankrecherche derzeit nur innerhalb des Herder-Instituts und innerhalb der OCR-erkannten Texte möglich. Eine Integration der vorliegenden Images der Artikel als PDF ist in Planung. Kopien aus dem Bestand können wie bisher über die Forschungsbibliothek bestellt ([email protected]) werden. Auf einem Workshop mit Fachleuten und Archiven aus der Region am 10. April 2013 berichtete das Projektteam der GFaI über die laufenden Arbeiten und stellte die bisher programmierten Tools für eine möglichst automatisierte und intelligente Erkennung und Erfassung der Ausschnitte durch die Softwarelösung DaCaPo vor. Unter anderem ging es um das korrekte Zuordnen von Zeilenübergängen, Textzusammenhängen und Bildunterschriften, die OCRErkennung und das Auffinden und Blick in die Regale mit den Ordnern der Zeitungsausschnittsammlung 18 Lesen der aufgestempelten Quellen- und Datumsangaben. Die anschließende Diskussion drehte sich bald auch um urheberrechtliche Schranken bei der Online-Stellung sowie um mögliche konsortiale Lösungen, um in Lizenzverhandlungen mit den Zeitungsverlagen eine bessere Verhandlungsposition zu erreichen. Diese urheberrechtlichen Auflagen werden in der Folgetagung am 18. Juli 2013 im HerderInstitut zum Thema „Urheberrecht. Presseausschnitte, Pressespiegel, Pressearchiv, Nutzungs- und Verwertungsmöglichkeiten“ genauer analysiert. Die bisher online recherchierbaren Artikel bieten nur einen minimalen Einblick in das über 5 Millionen Artikel umfassende Pressearchiv. Weitere Kurzbeschreibungen ausgewählter Persönlichkeiten aus Politik, Wirtschaft, Wissenschaft und Kultur Polens und Estlands können bereits über den Link „Biografische Materialien zur Zeitgeschichte“ (http://www.herder-institut.de/ startseite/bibliothek/benutzung/ biografische-materialien-zur-zeitgeschichte.html) mit Angaben zum Umfang des vorliegenden Materials recherchiert werden. Für darüber hinausgehende Recherchen stehen online Systematik (http:// www.herder-institut.de/fileadmin/ user_upload/downloads/bibliothek/SystematikPA.pdf) und Index (http://www.herder-institut.de/ fileadmin/user_upload/downloads/ bibliothek/Register_Ausschnittsammlung.pdf) der Presseausschnittsammlung sowie vor Ort zur Beratung das Bibliothekspersonal zur Verfügung. Zu fast allen Themen der ostmitteleuropäischen Zeitgeschichte vor 1999 lassen sich mit Materialien aus dem Zeitungsausschnittarchiv im Lesesaal der Forschungsbibliothek interessante Einstiege über die zeitgenössische in- und ausländische Presse finden. Jan Lipinsky Deutsch-polnische Geschichte im Spiegel der Ansichtskarte „Die Beschäftigung mit deutschpolnischer Geschichte im Industriezeitalter ist für beide Seiten belastend: durch Erinnerungen an Streit und Unterdrückung, Krieg und Verbrechen, Flucht und Vertreibung ... Fast vergessen erscheint hingegen, dass es zeitweilig auch Phasen von Verständigung gab, von Hilfe, Solidarität, kultureller Kooperation. Erst ein fanatisch übersteigerter Nationalismus zerstörte im Laufe des 20. Jahrhunderts ein faszinierendes Vielvölkergemisch, wie es sich z.B. in Lodz im Zeichen der prosperierenden Textilindustrie innerhalb weniger Jahrzehnte entwickelt hatte.“ So skizziert der Einleitungstext der vom LWL-Industriemuseum Dortmund übernommenen, am 5. März im Herder-Institut eröffneten Postkartenausstellung den Hintergrund bzw. den Ausgangspunkt für das Konzept. In mehreren chronologisch angeordneten Kapiteln widmet sich die Präsentation der Entwicklung der Beziehungen, beginnend mit der Vorstellung der drei polnischen Teilungsgebiete in der Zeit um 1900: Russisch-Polen, Österreichisch-Polen, PreußischPolen. Die Abschnitte reichen dann über die verschiedenen historischpolitischen Krisen und Umbrüche bis in die jüngere Gegenwart. Aussagekräftige Motive und Texte auf den rund 200 originalen Ansichtskarten, die überwiegend aus den Beständen des LWL-Industriemuseums stammen, vermitteln die gegenseitigen Beziehungen, die Blicke auf den Nachbarn, die Stereotype und Konflikte sowie die konkreten Auseinandersetzungen. Die subjektive, auf einige zentrale Themen und Aspekte fokussierte Auswahl der Bildquellen war im Bewusstsein darüber erfolgt, dass die historischen Ansichtskarten keine objektiven Dokumente sind. Denn sie zeigen gelenkte, konfektionierte und oft von ideologischen Absichten geprägte Perspektiven – je nach Intention. „Man sieht idyllische Ansiedlungsdörfer und ,polnische Wirtschaft‘, das Posener Kaiserschloss als ,Trutzburg des Ostens‘, ̦heroische‘ Kampfszenen und die Hinrichtung von Zivilisten in Galizien, das Ghetto von ̦Litzmannstadt‘ und das brennende Warschau“, führt der Ausstellungskurator Dr. Thomas Parent im Einleitungstext aus und betont: „Es lohnt sich auch, die Beschriftungstexte der Karten etwas näher anzusehen: Um 1900 erfolgten sie nicht selten dreisprachig: in Russisch, Polnisch und Deutsch. Nach 1918 (und abermals nach 1945) wurden dann deutsche Beschriftungen auf Ansichtskarten getilgt, 1939-45 zwischenzeitlich polnische. Fazit: Intoleranz verdrängt kulturelle Vielfalt.“ Ebenso wie in den Ausstellungstexten verwies der Dortmunder Historiker in seinem faszinierenden und sehr persönlich geprägten Einführungsvortrag zur Ausstellung auf sein Spezialgebiet und das seines Museums, in dem er drei Jahrzehnte als Stellvertretender Direktor tätig war: „Ein ausgeprägtes Interesse an Industriekultur ist z. Z. in Deutschland und Polen zu beobachten. Textilmuseen in historischen Fabrikanlagen gibt es in Lodz und in Delmenhorst, funktionsfähige Dampffördermaschinen in Museumszechen in Zabrze und in Bochum.“ Diese Bezugnahme auf das Kulturerbe im heutigen Polen – und darunter insbesondere das industrielle Erbe – war der Ausgangspunkt für die Kooperation mit dem LWL-Industriemuseum, die zur Übernahme der Ausstellung nach Marburg geführt hat. Aber auch die darin vorgeführten medialen Aspekte der Bildquellen, der Postkarten und Fotos, sowie die in diesen visuell umgesetzte politische Ikonografie und Propaganda sind Gegenstand der Bestände wie der Forschungsvorhaben des Herder-Instituts, weshalb sich die Präsentation der historischen Ansichtskarten hervorragend in sein Arbeitsprogramm (und die definierten „projektleitenden Perspektiven“) einfügte. Dietmar Popp Ausstellung zu Architektur und Städtebau der Freien Stadt Danzig 1920-1939 Die bislang wenig beachtete, von besonderen politischen und gesellschaftlichen Rahmenbedingungen geprägte bauliche Gestalt und Entwicklung der Stadt Danzig in der Zwischenkriegszeit vermittel- te eine Ausstellung, die am 7. Mai im Herder-Institut mit einer Einführung durch die Kuratorin Dr. Ewa Barylewska-Szymańska eröffnet wurde. Basierend auf einer architekturhistorischen Pionierarbeit führt die Präsentation die in den 1920er/30er Jahren entstandenen vielfältigen Bauten und Ensembles anhand von Plänen und Grafiken, historischen und aktuellen Fotografien auf 45 Tafeln sowie mit drei 19 Thomas Parent bei der Eröffnung der Ausstellung Modellen vor Augen. In ihren zweisprachigen erläuternden Texten wird dabei auch auf die vom Paradigma der Moderne geleiteten zeitgenössischen Diskurse der Architekturtheorie und Urbanistik Bezug genommen. Im Jahre 1920 entstand durch Beschluss des Versailler Vertrags die Freie Stadt Danzig. Sie umfasste ein Gebiet von knapp 2000 km², das in fünf Kreise unterteilt wurde: zwei Stadtkreise (Danzig, Zoppot) und drei Landkreise (Danziger Höhe, Danziger Niederung, Großes Werder). Außer Danzig und Zoppot befanden sich auf dem Gebiet der Freien Stadt Danzig noch zwei kleinere Städte: Neuteich und Tiegenhof. Von Anfang an standen ihre Behörden vor zahlreichen Herausforderungen. Die Schaffung geeigneten Wohnraums sowie von Einrichtungen des Bildungs-, Sozial- und Gesundheitswesens (Schulen, Kindergärten, Krankenhäuser, Sanatorien) war zentrale Aufgabe. Auch die regionale Verwaltung sowie neue Firmen und Unternehmen benötigten Bürogebäude. Die Bautätigkeit in Danzig nahm stark zu und es entstanden von Grund auf ganze Viertel mit neuer Bebauung, u. a. in Langfuhr, Steegen, Zigankenberg und auch in Oliva. Die Planer schlugen neue Richtungen der Stadtentwicklung ein, indem sie interessante Visionen für die Gebiete entwickelten, die für die Wohnbebauung, Industriebetriebe und Erholung bestimmt waren. Neue Grünbereiche wurden am Meer und auf dem Gebiet der früheren Be- Ewa Barylewska-Szymańska beim Einführungsvortrag festigungen (vom Bischofsberg bis zum Zigankenberg) angelegt und die angemessene Bewirtschaftung der Hausgärten in den neuen Siedlungen angestrebt. Auch nach dem Wahlsieg der NS-Partei im Mai 1933 hatte der Wohnungsbau weiterhin Priorität, man legte aber zudem mehr Nachdruck auf den Bau von neuen Verwaltungsgebäuden und es entstanden erneut Kindergärten und Schulen, insbesondere in ländlichen Gebieten. Mit Kriegsausbruch am 1. September 1939 wurde die Freie Stadt Danzig dann dem Deutschen Reich angeschlossen und im Oktober wurde der Reichsgau Danzig-Westpreußen gebildet. Darin ging das Gebiet der Freien Stadt Danzig auf und die weitere Planungs- und Bautätigkeit stand dann unter anderen Vorzeichen. Die von den Kunsthistorikern Dr. Ewa Barylewska-Szymanska und Wojciech Szymanski vom Danziger Historischen Museum, Abteilung Uphagenhaus, konzipierte und mit Unterstützung durch das HerderInstitut realisierte Wanderausstellung möchte die Erinnerung an die architektonische und städtebauliche Tätigkeit wiederbeleben, die in der Zeit der Freien Stadt Danzig ausgeführt wurde. Wichtig ist dabei zudem die didaktische Botschaft der Ausstellung, denn die Bauwerke aus der Epoche der Freien Stadt erfreuen sich keines breiten Interesses und werden oft vernachlässigt, zumal Umbauarbeiten sie ihres ästhetischen Wertes berauben. Es ist vielleicht der letzte Moment, um sie ins Bewusstsein der Öffentlichkeit zu rücken, denn sie bilden ein wichtiges Element der Kulturlandschaft der ganzen Region. Dietmar Popp Ausstellung baltische Herrenhäuser in Lüneburg Das Herder-Institut war in enger Kooperation mit der Ausstellung „Glanz und Elend. Mythos und Wirklichkeit der Herrenhäuser im Baltikum“ verbunden, die vom Ostpreußischen Landesmuseum und von der Carl-Schirren-Gesellschaft erarbeitet und in Lüneburg (1.12.2012-14.04.2013) gezeigt wurde. Die faszinierende Welt der 20 Herrenhäuser prägte Jahrhunderte lang den ländlichen Raum im Baltikum, bis sie im 20. Jahrhundert ein Ende fand. Das Herder-Institut war mit zahlreichen Leihgaben u. a. archivalischer Originale und in großer Zahl mit Digitalisaten wichtiger Dokumente und architekturgeschichtlicher Aufnahmen aus der Dokumentesammlung und dem Bildarchiv an der Ausstellung und am Katalogband beteiligt. Peter Wörster hat sich zudem mit einem Artikel über „Vasallen – Adel – Ritterschaften: Beobachtungen zur Entstehung des baltischen Herrenstandes und seiner Geschichte vom 13. bis 17. Jahrhundert“ am Katalogband beteiligt. Mit Tschernobyl leben Lesungen und Zeitzeugengespräche in Gießen und Marburg Macher und Schuldigen überhaupt nicht ausmachen kann – jedenfalls nicht in der Weise, in der sie rasch und vordergründig schlüssig präsentiert wurden. So war es mit Tschernobyl, dem katastrophalen Ereignis, das in der Ukraine und in Weißrussland als die nach dem Zweiten Weltkrieg schwerste Krise des 20. Jahrhunderts wahrgenommen wird. Dieses Ereignis liegt inzwischen 27 Jahre zurück. Inzwischen haben andere Dinge die Erinnerung daran überdeckt – große weltgeschichtliche Wendungen, andere Katastrophen. Auch eine neue große Atomkatastrophe, Das erste (retuschierte) Bild, das vom Unfall verbrei- die gleichwohl – das wird tet wurde: KKW Tschernobyl, Block 3 und 4, Ansicht in Deutschland gerne vervon Norden, aufgenommen vermutlich am Vormittag des 26. April 1986. Quelle: Deržavne specializovane gessen – in Japan von der Erdbebenpidpryjemstvo Čornobyl’s’ka AES, Slavutyč, Ukraine eigentlichen und Tsunamikatastrophe unterschieden und in den Schatten dern ein ganz anderes Bild, das ich gestellt wird. später, schon als Forscherin in der Auch ist die Erinnerung über Ukraine, gesehen habe. Es waren Tschernobyl nicht überall dieselbe. Mühlsteine – Mühlsteine auf einem Tschernobyl ist nicht gleich TscherPlatz in Lemberg-Lviv, einer Stadt, nobyl. In Deutschland erinnern sich in der ich wegen meiner Forschundie meisten an ein diffuses Bedrogen lange Zeit verbracht habe. Ein hungsgefühl, an Salat, denn man Künstler hatte diese Mühlsteine nicht essen sollte, belastete Milch und stilisierten Menschenfiguren und Sandkästen, die die Kinder geschaffen, um daran zu erinnern, nicht benutzen durften; auch die wie die Menschen dieser Stadt im auf den Unfall folgende politische 20. Jahrhundert zwischen die MühlMobilisierung ist hierzulande als Ersteine der Geschichte gerieten und innerung präsent und kam nach Fuzerrieben wurden. kushima in erneuter Weise und mit In der Geschichte des östliden bekannten Folgeentscheidunchen Europa im 20. Jahrhundert gen zum Tragen. Das ist das deuthat es das sehr oft gegeben – das sche Tschernobyl, das deutsche Lebensgefühl der dort lebenden Fukushima. Die meisten Deutschen Menschen, unter die Räder oder schauen mit großem Unverständnis zwischen die Mühlsteine einer Gezu ihren östlichen Nachbarn, in die schichte zu geraten, die man selbst Ukraine und nach Weißrussland, die nicht gemacht hat. Täter, GewaltOpfer-Länder von Tschernobyl, die herrscher, Eroberer, Armeen aus trotzdem weiterhin auf Kernenergie anderen Ländern machten sie, auch setzen. Ganz besonders die Ukviele Mitläufer und Profiteure aus raine, die nach Frankreich und der dem eigenen Land. Mitunter gibt Slowakei der am meisten von der es aber auch solche existenziellen Kernenergie abhängige Staat der Krisen, in denen man die Täter und Nachdem ich angeboten hatte, die Einleitung für die Veranstaltungen im Herder-Institut und an der Universität Gießen zu übernehmen, da kam mir beim Nachdenken über ihren Anlass sonderbarerweise gar nicht das erste Bild der Katastrophe in den Sinn, an das ich mich eigentlich erinnere – das unscharfe Foto des zerstörten Reaktorgebäudes im Kernkraftwerk Tschernobyl – son- Welt ist. Sie ist übrigens erst nach Tschernobyl dazu geworden. Und Weißrussland wird sogar erst jetzt „einsteigen“ und baut sein erstes Kernkraftwerk – haben die denn aus ihren Erfahrungen nichts gelernt? So meint der mainstream bei uns. Aber was ist das weißrussische, was das ukrainische Tschernobyl? Rufen wir uns kurz die historischen Fakten zurück ins Gedächtnis – sie sind heute nicht mehr jedermann präsent. Das Kernkraftwerk im ukrainischen Tschernobyl, rund 100 Kilometer nördlich von Kiew, war eines der größten in der Sowjetunion, auch eines der größten in Europa und das allererste in der Ukraine. Somit spielte es eine besondere Rolle, es war ein Vorzeigebetrieb, der für seine zuverlässige Stromproduktion Orden und Auszeichnungen einfuhr. Zwischen 1977 und 1983 „Černobyl’skaja AĖS s reaktorom RBMK -1000. Pervaja na Ukraine“ [AKW Tschernobyl mit RBMK-1000-Reaktor. Das erste [AKW] in der Ukraine], Kiev 1977, Umschlag Vorderseite. Das KKW Tscher-nobyl war ein sowjetisches Prestigeunternehmen, das in solchen Broschüren populärwissenschaftlich dargestellt wurde waren in kurzen Zeitabständen vier Reaktorblöcke ans Netz gegangen, jeder mit 1000 Megawatt Leistung. Grafitmoderierte Siedewasserreaktoren, die ganz anders aufgebaut 21 Der brennende Reaktor: KKW Tschernobyl, Block 4, Nordseite, aufgenommen vom Werksfotografen bei einem Erkundungsflug am Nachmittag des 26. April 1986. Quelle: Černobyl’skij Reportaž, Moskva 1989, Tafel 7 waren als die Leistungsreaktoren im Westen, aber auch die moderneren Anlagen anderswo in der Sowjetunion. Vom Bauprinzip her waren das Anlagen aus der Frühzeit der Kernenergiegeschichte, die man weiterentwickelt und hochprojektiert hatte. Sie hatten einen großen Vorteil, der in den Ölkrisenjahren wichtig war: Sie waren günstig und schnell zu errichten. Die Sowjetunion wollte mit ihren fossilen Rohstoffen auf dem Weltmarkt Devisen verdienen. Zuhause sollte die Kernenergie die fossile Stromerzeugung sukzessive ersetzen. Daher wurden Anlagen wie jene, die man später als Tschernobyl-Reaktor bezeichnet hat, zuerst gebaut, an vielen Standorten gleichzeitig. Die Anlage hatte aber auch gravierende Nachteile, deren sich die Spezialisten durchaus bewusst waren, die aber als beherrschbar galten: Diese Reaktoren vom Typ RBMK – so die korrekte Bezeichnung – sind in der Regelung anspruchsvoll und kompliziert, sie neigen unter bestimmten Umständen aus physikalischen Gründen zu unerwünschten Leistungssteigerungen. Anders ausgedrückt, der RBMK war immer für Überraschungen gut, wie die Praktiker sagten, wenn sie unter sich waren. Systematisch wurden diese durchaus vorliegenden Erkenntnisse im Sys22 kontrollierbaren Leistungsexkursitem der sowjetischen Kernenergieon, dann auch einer chemischen wirtschaft nicht weitergegeben. Die Explosion, die den Reaktor zerstörIngenieure an der Basis der Stromten und sein Inventar an Spaltproproduktion blieben ohne wichtige dukten in die Umgebung freisetzten. Informationen aus den ForschungsDen Rest der Geschichte kennen instituten und Konstruktionsbüros, wir, es ist die Geschichte der Wolaber häufig auch ohne Informatioke von Tschernobyl, die sich über nen von besonderen VorkommnisWeißrussland und die Ukraine und sen in ihren Schwesteranlagen. Es danach über ganz Europa ausbreigab keine Fehler, aus denen man tete. Im Umkreis von 30 Kilometern hätte lernen können, denn die Fehum das Kraftwerk, teilweise auch ler wurden nicht kommuniziert. Die in weiter entfernten Gegenden, Pläne zur sicherheitstechnischen mussten die Menschen evakuiert Nachrüstung des RBMK lagen in werden, wurde das Land für Jahrden Schubladen, für die kommenhunderte radioaktiv kontaminiert. den Jahre. Aber dort lagen sie auch Um den brennenden Reaktor zu lönoch im April 1986. schen, die Ruine abzudecken, eine In der Nacht vom 25. auf den Umhüllung zu bauen und das Kraft26. April wirkte sich diese Vorgewerksgelände zu dekontaminieren, schichte fatal aus. Im Block vier um verstrahlte Häuser abzutragen des Kraftwerks Tschernobyl, dem und ganze Ortschaften zu begraben neuesten Block auf dem Gelände, und schließlich auch um das Kraftstand das Abfahren zur Revision an; werk wieder in Betrieb zu nehmen, nebenbei wollte man ein eigentlich haben rund 600 000 sogenannte Lizu den Routinen gehörendes Testquidatoren dort oder in der Umgeprogramm durchführen. Nachträglibung gearbeitet. che Ironie der Geschichte ist dabei, Diese sachliche Geschichte, in dass das Programm zur besseren der es vordergründig um Technik, Beherrschung einer Situation verPhysik und Radiochemie geht, ist helfen sollte, wie sie wir später in also zugleich auch eine Geschichte Fukushima Daiichi erlebten: des station blackout, des Totalstromausfalls auf dem Kraftwerksgelände. Während des Tests kam es aufgrund vieler unvorhergesehener kleinerer Fehler und sehr unwahrscheinlichem Z u s a m m e n t re ff e n einzelner Faktoren zu einer dieser oben genannten schwerwie- KKW Tschernobyl, Dezember 1986: „Liquidatoren“ genden Instabilitä- schreiben mit Kreide ihre Namen und Heimatstädte ten. Der Reaktor lief oder -republiken auf Bauteile des „Sarkophags“, der Abdeckung für den Unfallreaktor. Solche Abbildungen außer Kontrolle, das standen in der späten Sowjetunion repräsentativ für konnten die Opera- hunderttausende von Katastrophenhelfern. teure sehen, und was Quelle: Deržavne specializovane pidpryjemstvo Čornobyl’s’ka AES, Slavutyč, Ukraine sie taten, das einzig vieler Menschen. Das Herder-InstiRichtige, war die Betätigung der tut und der Fachbereich OsteuropäSchnellabschaltung. Diese jedoch ische Geschichte an der Universität gab aufgrund eines AuslegungsGießen haben zwei Zeitzeugen der fehlers für Bruchteile von Sekunden Katastrophe zu Lesungen und Genoch zusätzlich Reaktivität ins Syssprächen in unseren Häusern und tem, statt sie ihm zu entziehen. Das an mehreren Schulen der Region wiederum führte zu einer nicht mehr Nach dem Unfall gab es medizinische Erhebungen, denen alle Mitarbeitenden des Kernkraftwerks unterzogen wurden, die während des Unfalls dort gearbeitet hatten: Man wollte im Nachhinein herausfinden, wie hoch ihre persönliche Strahlenexposition gewesen war. Daher wurden die Mitarbeiter gebeten, akribisch aufzuführen, wann sie sich wo bewegt haben, wie lange sie wo verweilten, was sie dort taten. Diese Angaben – genannt „maršrutnyj list“, in etwa „Itinerarblatt“ – wurden dann mit den Messwerten über die Ortsdosisleistung auf dem Kraftwerksgelände und in der Stadt Pripjat in Beziehung gesetzt. Dieses Quellendokument ist das Dokument eines individuellen Weges durch das Geschehen des historischen 26. April 1986. Es ist gleichzeitig auch ein Zeugnis von der condition humaine unter den Bedingungen der Megakatastrophe: Es zeugt von den verzweifelten und teilweise auch selbstmörderischen Versuchen der Menschen, angesichts einer Situation, die sie wenige Stunden nach dem Unfall noch gar nicht einschätzen konnten, das Richtige zu tun und dabei doch ihr eigenes Scheitern und die Vergeblichkeit ihres Tuns eingestehen zu müssen. Der Zeitzeuge Anatolij Kifa, Facharbeiter aus Kiew, lebt bis heute „mit KKW Tschernobyl, Reaktor- und Blockfahrpult in Tschernobyl“, weil er als der Leitwarte von Block 1 , 1977. Ganz ähnlich sah Reservist zum Dienst in auch der Arbeitsplatz von Oleksij Breus im Block 4 aus. Privatarchiv Vitalij Kozlov, einem Spezialbataillon http://pripyat-city.ru/photo/89-stroitelstvochaeseinberufen wurde, ohne chast-v.html. genau zu wissen, welwar es umgekehrt. Der Kontrollche Aufgabe ihn erwartete und was raum stand unversehrt, aber seine überhaupt los war, ganz zu schweiVerbindungen zum Reaktor waren gen von den Gefahren, die er daabgerissen. Die Menschen hatten bei lief. Den Eingezogenen wurde nicht mehr die Kontrolle, und selbst gesagt, sie seien unter Kriegsrecht das Spezialwissen der Atomingenigestellt – was man lange Jahre geeure reichte nicht aus, um in diesen heimhielt. Die Reservisten konnten ersten Stunden zu erfassen, was da somit nur zwischen „Feind“einsatz eigentlich passiert war. und schwerer Bestrafung wählen, Oleksij Breus’ Aufzeichnungen erzählt Anatolij Kifa. Aber eins unMein Itinerar. Schicht 2, Block 4, terschied Tschernobyl für die vielen Samstag, 26. April 1986, gehen auf hier „kämpfenden“ Soldaten und einen praktischen Kontext zurück. Reservisten vom Krieg: dass der eingeladen. Finanziell unterstützt wurde die Aktion vom Internationalen Bildungs- und Begegnungswerk in Dortmund, das viele Tschernobyl-Hilfsprojekte begleitet. Oleksij Breus, der wegen Erkrankung kurzfristig hatte absagen müssen, war mit seinen in einem „Itinerar“ festgehaltenen Erinnerungen präsent. Sie wurden am HerderInstitut von Jan Lipinsky und Antje Coburger szenisch gelesen. Oleksij Breus hat die Geschehnisse im Epizentrum der Ereignisse miterlebt. Er lebte schon vor Tschernobyl mit Tschernobyl, weil das Kernkraftwerk sein Arbeitsplatz war. Die Leute, die in der Nachtschicht des 26. April 1986 im Block vier arbeiteten, waren seine Bekannten und Freunde. Er kam am Morgen des 26. April zu seiner Arbeitsstelle, die in Trümmern lag. Im normalen Leben, das an diesem Tag endete, arbeitete Oleksij im Kontrollraum des Blocks vier. Im normalen Leben waren er und seine Kollegen diejenigen, die am Schaltpult saßen und den Reaktor unter Kontrolle hatten. Nun Feind unsichtbar und schwer einzuschätzen war und dass er auch nicht sofort zuzuschlagen schien. Anatolij wurde in diese Geschichte hineingezogen, weil er seinem Land gegenüber eine Pflicht zu Oleksij Breus, Anatolij Kifa erfüllen hatte und ihr nachkam. Er schaufelte in Sichtweite des brennenden Reaktors Sand und Blei in Säcke und lud diese dann in Bündel, die aus Fallschirmen hergestellt wurden. Diese Bündel wurden von Hubschraubern aufgenommen und über dem Unglücksort abgeworfen, um das Feuer zu löschen und den Austritt weiterer radioaktiver Stoffe einzudämmen. Die Soldaten am Landeplatz mussten ihre Zelte direkt dort aufschlagen, mitten im „Beschuss“ durch die Strahlung, im radioaktiven Staub, der von den Hubschraubern aufgewirbelt wurde. Sie arbeiteten, aßen und schliefen dort und hatten in den ersten Tagen keinerlei Möglichkeiten, sich zu waschen. „Jeder von uns strahlte wie ein kleiner Reaktor“ ist eine Beschreibung, die viele der damals Beteiligten für diese Situation gefunden haben. Anatolij gebraucht sie im Gespräch, und wir finden sie auch in vielen schriftlichen Zeitzeugenberichten. Es wurde schon angedeutet: Wie im Krieg fühlte man sich damals – unter die Räder genommen von einem schrecklichen Feind. Viele der Kriegsanalogien, die später bei der Bewältigung des Reaktorunfalls zum Tragen kamen, waren daher nicht pathetisch und auch nicht nur Resultat der sowjetischen Propaganda, sondern sie entsprachen einem Lebens- und Leidensgefühl. Einberufung, Evakuierung, Kämpfen, Leiden und Sterben, Soldaten und Veteranen: Es gibt tatsächlich viele Kriegsanalogien im Geschehen von Tschernobyl. 23 Anatolij Kifa und Oleksij Breus stehen aber auch für etwas anderes. Sie stehen für die vielen namenlosen Akteure dieser Geschichte, denen wir einiges verdanken und die gleichwohl lange verkannt wurden. Der kalte Krieg, der erst nach Tschernobyl zu Ende ging, und die Systemkonfrontation haben uns ihre Sichtweisen eingeprägt. Wir sahen die Sowjetunion als Zwangsregime, in dem der Einzelne und die Einzelne nichts gilt und der Staat alles bestimmt. Wer das Land nicht aus Untergang der Tschernobyler Titanic, Gemälde von Oleksij Breus eigener Anschauung kannte – und das waren damals nicht sehr viele –, dem war schwer vorstellbar, dass es dort überhaupt individuelles Leben und Erleiden gab, das dem unsrigen ähnelte. Entsprechend wurden die vielen hunderttausend Helfer und Retter in Tschernobyl lange Zeit als Kanonenfutter, als kollektive Verfügungsmasse gesehen – weniger als Individuen, die zwischen den Mühlsteinen gleichwohl doch Entscheidungen trafen –, Menschen, die wir gemeinhin als „Helden“ bezeichnen. Wir wissen, dass in dieser Geschichte tatsächlich viel Zwang im Spiel war. Man hatte keine echte Alternative. Anatolij Kifa wurde während der Lesungen immer wieder die Frage gestellt: „Würden Sie es, auch mit den heutigen Kenntnissen, wieder tun?“ Die Antwort kam ohne Zögern: „Ich würde es wieder tun. Wir wussten damals: Wer soll es tun, wenn nicht wir?“ Unzählige taten viel mehr, als sie hätten tun müssen. Sie arbeiteten, bis sie buchstäblich umfielen. Das gilt insbesondere für die Einsätze 24 der ersten Stunden, Tage und Wochen. Leute wie Anatolij Kifa und ihr Einsatz sind seit vielen Jahren, auch dank vieler Initiativen auf westlicher Seite, bekannt geworden. Oleksij Breus hingegen steht mit seinen Erinnerungen für eine Gruppe von Menschen, die aus politischen Gründen lange im Schatten der Erinnerungskultur standen. Kurz nach dem Unfall wurde nach Schuldigen gesucht. Die Machthaber in Moskau – auch der hierzulande so geschätzte Michail Gorbačev – und die Verantwortlichen in den Leitungsetagen des militärisch-industriell-wissenschaftlichen Komplexes, dem die zivile Atomindustrie unterstellt war, setzten alles daran, keinen Zweifel am System aufkommen zu lassen. Sie brauchten Schuldige, die in der Hierarchie möglichst weit unten angesiedelt waren. Wider besseres Wissen, das bereits im Juni 1986 vorlag, wurde so die Unfallversion vom ausschließlichen Personalversagen verbreitet; Gorbačev, in dessen Macht es gestanden hätte, sich anders zu entscheiden, hat daran seinen Anteil. Diejenigen, die das Verdikt vor allem betraf, lebten nicht mehr – ihre Familien mussten damit leben, dass das Andenken ihrer Angehörigen in den Schmutz gezogen wurde. Einige leitende Ingenieure des Kraftwerks wurden 1987 in einem Schauprozess verurteilt, der ihre – nachweisbare – Mitschuld nicht fair aufarbeitete, sondern sie auf Grundlage manipulierter Akten als Hauptschuldige identifizierte. Damit war für die Regierung die Angelegenheit bereinigt. Erst ab 1990 brachten Untersuchungskommissionen allmählich die viel komplexere Wahrheit ans Licht – aber lange immer noch nicht ans Licht der Öffentlichkeit. Die Kerntechniker an der Basis jedoch – denen man lange Zeit unterstellt hat, als Einzige in der ganzen Geschichte grob fahrlässig gehandelt zu haben – haben, wie wir heute wissen, in den Tagen nach dem Unfall eigentlich alles richtig gemacht, was man im Rahmen des damaligen Wissenstandes (und der ist für den Historiker als Rahmen des Akteurs relevant) hat richtig machen können: Sie haben die drei verbliebenen Reaktorblöcke ihres Kraftwerks in einen stabilen Zustand überführt und dafür gesorgt, dass der Schaden sich nicht noch weiter ausbreitete. Wer weiß, wie interdependent solche Anlagen damals gebaut waren, kann bestätigen, dass dies keine Selbstverständlichkeit war. Diese Menschen haben für ihre durchaus individuellen Entscheidungen teuer bezahlt, als sie sich tödlichen Strahlungsdosen aussetzten, von deren Auswirkungen sie als Profis wussten. Als wir die Veranstaltungen vorbereiteten, schrieb mir Oleksij Breus einmal: „Jeder hat sein eigenes Tschernobyl. Nur – nicht jeder weiß davon.“ Tatsächlich ist jeder Erinnerungstext, jedes Erinnerungsbild eine ganz persönliche Vision der Geschichte. Häufig denken die Menschen, ihr Tschernobyl sei das Tschernobyl. Daher gibt es nicht nur eine Vielfalt von Erinnerungen – es gibt auch unzählige sich widersprechende, auch miteinander hadernde Erinnerungen, Versionen, Sichtweisen. Die meisten der damals Beteiligten hat Tschernobyl aus ihrer gewohnten Bahn geworfen. Anatolij fand nach seinem Einsatz nicht mehr ins Alltagsleben zurück, seine Ehe ging in die Brüche, er gründete später eine neue Familie. Viele der „Likvidatory“ kämpfen mit Folgeerkrankungen – und mit den postsowjetischen Behörden, welche Hilfe verweigern, Rentenansprüche nicht anerkennen. Im Herbst und Winter 2012/13 gab es deshalb große Demonstrationen der Liquidatoren, einmal wurde sogar das ukrainische Parlament gestürmt. Anatolij Kifa war einer der Aktivisten, die den Zaun durchbrachen. „Aber ich bin einer der Letzten“, sagt er, „die meisten von den Leuten der ersten Stunde sind heute zu schwach, um auf Demonstrationen zu gehen.“ Auch Oleksij Breus’ Leben hat sich nach dem Unfall radikal geändert. Drei Tage hielt er den Dienst im Kraftwerk nach dem Unfall aus, dann kam er ins Krankenhaus. Seine Krankenakte durfte er nie einsehen, von den Ärzten hörte er immer nur ausweichende Aussagen: „Sie sind praktisch gesund“. Die Dosis, die er aufgenommen hatte, war zu groß, als dass er je wieder hätte in einem Kernkraftwerk arbeiten dürfen. Er zog mit seiner Familie nach Kiew, wurde Ausbilder, später arbeitete er als Fachjournalist weiter im Kontext der Kernenergiewirtschaft. Gleichzeitig machte er seine frühere Freizeitbeschäftigung, das Malen, zu seinem zweiten Beruf. Heute ist Oleksij Mitglied einer Kiewer Künstlergruppe, deren Arbeiten sich auch immer wieder mit dem TschernobylTrauma auseinandersetzen. Außerdem engagiert er sich ehrenamtlich für das Tschernobyl-Museum in Kiew. Oleksij Breus’ Bilder – eines da- von ist hier abgedruckt – wurden als Farbdias auf den Lesungen gezeigt. Die Veranstaltungen im HerderInstitut und an der Gießener Universität haben auch neue Verbindungen gestiftet. Oleksij und Anatolij kannten sich vorher nicht. Anatolij hatte in Gießen Oleksijs Itinerar im Original gelesen und sagte mir beim Abschied: „Ich war früher sehr wütend auf die Kraftwerksleute, ich dachte, die haben uns das alles eingebrockt. Nachdem ich diesen Text gelesen habe, denke ich anders darüber. Ich würde Oleksij gerne kennenlernen.“ Im Mai trafen sich die beiden in ihrer Heimatstadt Kiew – Anatolij überbrachte die Plakate und Faltblätter der Lesungen, auf denen Oleksijs Gemälde dargestellt war. Danach schrieb Oleksij mir nach Marburg: „Wir stellten fest, dass wir uns damals zwar nicht ge- kannt haben, aber doch ganz nah beieinander waren. Als ich am 27. oder 28. April im Block drei Dienst tat, spürte ich immer wieder, im Abstand weniger Minuten – dumpfe Schläge. Das ganze Gebäude erzitterte. Das waren die Ladungen mit Sand, Blei und Dolomit, die von den Hubschraubern über dem vierten Reaktor abgeworfen wurden. Na, und diese Säcke, die haben Leute wie Tolik am Landeplatz beladen.“ Lust zum Weiterlesen? Rüdiger Lubricht (Fotografien): Verlorene Orte – Gebrochene Biografien. Dortmund 2011 – ein eindrucksvoller Bildband mit Porträts und Lebensberichten von „Liquidatoren“ und Bildern aus der Evakuierungszone von Tschernobyl. Anna Veronika Wendland Ein Spaziergang durch die Danziger Kulturgeschichte Die Veranstaltungsreihe der Lesungen am Herder-Institut wurde in diesem Jahr am 26. Februar durch Dr. Peter Oliver Loew (Darmstadt) eröffnet. Nach Begrüßung durch den führte der Autor kenntnisreich und sprachlich gewandt die zahlreichen Zuhörer in die vielschichtige Historie der Hansestadt, die wie kaum eine andere ostmitteleuropäische Leiter der Forschungsbibliothek Dr. Jürgen Warmbrunn und Einführung durch Dr. Dietmar Popp trug der am Deutschen Polen-Institut tätige Historiker und Kulturwissenschaftler aus seinen Büchern Danzig: Biographie einer Stadt und Literarischer Reiseführer Danzig: Acht Stadtspaziergänge vor. Dabei ent- Metropole geprägt ist von den jahrhundertelangen Interferenzen deutscher und polnischer Politik und Kultur. Peter Oliver Loew machte das erfahrbar durch einen reizvollen Wechsel der Perspektiven und der Folge zwischen eigenen erzählenden Textfragmenten einerseits und Zitaten von Literaten und Dichtern andererseits. Ebenso vielfältige Blicke in die Stadt bot auch die als Vor- und Nachspann laufende Diashow mit historischen und aktuellen Fotos aus dem Bildarchiv des Herder-Instituts. Diese sehr gelungene Lesung war zugleich die Finissage der Wanderausstellung „Danzig im Luftbild der Zwischenkriegszeit“, die in Zusammenarbeit vom Herder-Institut mit Danziger Kunsthistorikern und dem Verlag VIA NOVA Wrocław erstellt und seit November 2012 präsentiert worden war. So ergänzten sich auf schönste Weise die wissenschaftlich fundierte historische Dokumentation der noch unversehrten Stadt, das Kaleidoskop charakteristischer Bildmotive aus Geschichte und Gegenwart, eine Auswahl von ausgestellter Danzig-Literatur der Institutsbibliothek und das Florilegium von Texten des herausragenden Danzig-Kenners, der zugleich anerkannter Historiker wie auch versierter Schriftsteller ist. Dietmar Popp 25 Uwe Wolff sprach über Edzard Schaper, den „Dichter des 20. Jahrhunderts“ Anfang April fand im Lesesaal der Bibliothek eine weitere Veranstaltung innerhalb der Reihe „Lesun- Uwe Wolff (rechts) wurde von Peter Wörster vorgestellt gen am Herder-Institut“ statt, die wiederum ein großes Auditorium fand: PD Dr. Uwe Wolf aus Bad Salzdetfurth stellte dabei sein 2012 erschienenes Buch über den Schriftsteller Edzard Schaper vor und berichtete eindrucksvoll über seine jahrelangen Forschungen in den Archiven mehrerer europäischer Länder und von spannenden Erlebnissen mit Menschen, die Schaper auch vor dem Zweiten Weltkrieg noch persönlich gekannt hatten. Edzard Schaper (1908-1984) stammte aus der Provinz Posen, wo er seit der Kindheit das Nebeneinander von Deutschen und Polen, Protestanten und Katholiken und die damalige Grenzsituation zum Russischen Reich erlebte. Nicht zuletzt durch diese Kindheitseindrücke mag sein Leben als „Grenzgänger zwischen Ost und West“ geprägt worden sein. 1931 siedelte er nach Estland um und lebte hier als freier Journalist und Schriftsteller. Große Resonanz in ganz Europa erlebte 1935 sein Roman Die sterbende Kirche. Zu Beginn des Zweiten Weltkriegs ging Schaper nach Finnland, von dort flüchtete er nach Schweden und siedelte nach dem Ende des Krieges in die Schweiz um, wo er dauerhaft lebte und arbeitete, unterbrochen von vielen Vortragsreisen vor allem im Westen Deutschlands. 1961 veröffentlichte er den vielbeachteten Roman Der vierte König. Seine Bücher erreichten zu seinen Lebzeiten eine Auflage von über sechs Millionen Bänden und wurden in zahlreiche Sprachen übersetzt. Durch die Lektüre seiner Werke erfuhren die Leser die bildende und zugleich heilende Kraft von Dichtung, Kunst und Kultur. Seit den 1970er Jahren wurde es allerdings still um Edzard Schaper und sein Werk, die breite Öffentlichkeit hat ihn seitdem weitgehend vergessen. Als ein Mensch, dessen Passion das Schreiben gewesen ist und der wegen der Freimütigkeit seines Denkens und Schreibens sowohl vom sowjetischen Russland als auch vom nationalsozialistischen Deutschland zum Tode verurteilt worden ist, bringt Schaper das scharfe Licht des Schriftstellers in das Dunkel der europäischen Geschichte seiner Zeit. Schapers Leben und Werk öffnen einen einmaligen Blick in den Nordosten Europas – ins Baltikum, nach Finnland und Skandinavien, nach Polen und Russland. Uwe Wolff hat Schapers Leben und Werk wiederentdeckt und damit die „Jahrhundertfigur eines christlichen Schriftstellers“. Nicht wenige Zuhörer nahmen von diesem Abend im Herder-Institut die Anregung mit, sich dem Werk Edzard Schapers neu zu widmen. Peter Wörster Zum 200. Geburtstag von Richard Wagner Richard Wagner (1813-1883) war ein gefeierter deutscher Komponist, Schriftsteller, Theaterregisseur und Musikreformer. Dieses Jahr jährt sich im Mai sein Geburtstag zum 200. Mal. Weniger bekannt ist, dass Wagner zeitweilig auch im osteuropäischen Raum, namentlich in Königsberg und Riga, lebte und wirkte. Er war ein vielseitiger Künstler, rastlos getrieben von dem Streben nach Anerkennung und der Idee, das Theater zu reformieren und die Verbindung von Musik und Drama unter dem Dach seines Festspielhauses herbeizuführen. Zugleich galt Wagner auch als sehr von sich 26 Justus Noll (Klavier) und Gerd Schiebl (Violoncello) eingenommener Mensch und verfasste antisemitische Schriften. Er verstand es, die Menschen in seiner Umgebung durch seine Ausstrahlung und Musik für sich einzunehmen, erregte aber auch scharfe Kritik. Wie kaum ein anderer deutscher Künstler ist Richard Wagner deshalb bis heute ein vieldiskutierter Forschungsgegenstand bei musikalischen Kollegen, aber auch bei Schriftstellern, die sich mit seiner Ideenwelt literarisch auseinandersetzten. Die von Horst von Chmielewski und Jan Lipinsky gestaltete Lesung, die am 28. Mai im Turner- garten (Medienraum der Emil-vonBehring-Schule) stattfand, hat sich diesen Kontroversen mit Hilfe des Literaten Jarosław Iwaszkiewicz angenähert. Der gebürtige Pole Jarosław Iwaszkiewicz (1894-1980) hatte großes Interesse an Musik und Literatur vor allem aus Russland, Deutschland und Frankreich und übersetzte zahlreiche Werke ins Polnische. Insbesondere seine Prosa setzt sich intensiv mit dem Thema Musik auseinander, wobei Iwaszkiewicz besonders Richard Wagner und sein musikalisches Wirken betrachtete. Seine Erzäh- lung Tano (zu deutsch Wotan) beleuchtet exemplarisch das Wirken von Wagners Anschauungen und Musik auf das Polen des 20. Jahrhunderts und ist damit eine faszinierende Facette im deutschpolnischen Beziehungsgeflecht. Besonderer Höhepunkt der Veranstaltung war die Begleitung mit Musikbeispielen von Richard Wagner durch Dr. Justus Noll (Klavier), Michael Brauer (Tenor) und Gerd Schiebl (Violoncello). Ludwig Mehlhorn (1950-2011): Demokratische Opposition vor 1989 und deutsch-polnischer Dialog Annemarie Franke, Herder-Stipendiatin im Juni 2013 und langjähriges Vorstandsmitglied der Stiftung Kreisau, gab gemeinsam mit Stephan Bickhardt, DDR-Bürgerrechtler und heute als Theologe in Leipzig tätig, in ihrer Lesung aus zwei Büchern von und über ihren Kollegen und Freund Ludwig Mehlhorn einen beeindruckenden Einblick in die historische Kontinuität von Widerstand und Opposition. Bereits als Student, im Sommer 1970, war Ludwig Mehlhorn (19502011) zum ersten Mal mit Aktion Sühnezeichen aus der DDR nach Polen gekommen. Dort begann seine Faszination für das Nachbarland. Die Zeit seiner intensiven Kontakte nach Polen in den 1970er Jahren, zunächst vor allem mit Kreisen der katholischen Laienbewegung (KIK – Klub der Katholischen Intelligenz), später mit dem Komitee zur Verteidigung der Arbeiter (KOR), fiel zusammen mit seinem zunehmenden Engagement in Opposition zum DDR-Regime. Ludwig Mehlhorn war seit ihrer Gründung 1989/90 in der Internationalen Begegnungs- und Gedenkstätte in Kreisau (Krzyżowa) engagiert und gestaltete als Co-Autor die dort im Schloss präsentierte ständige Ausstellung „In der Wahrheit leben. Aus der Geschichte von Widerstand und Opposition gegen die Diktaturen des 20. Jahrhunderts“. Sein Tod unterbrach die Arbeit am Begleitbuch zu dieser Ausstellung. Freunde und Kolleginnen, darunter Annemarie Franke, haben sein Werk im vergangenen Jahr fertiggestellt und den Band in polnischer und deutscher Sprache herausgegeben. Collagen aus biografischen Texten, Zeitzeugenberichten, Dokumenten und Bildern liefern von Ludwig Mehlhorn komponierte Porträts von Personen des „Kreisauer Kreises“ sowie von Dissidenten und Bürgerrechtlern aus Mittel- und Osteuropa in den 1970er und 1980er Jahren. Annemarie Franke las aus den Kapiteln über Peter Yorck von Wartenburg und Jan Józef Lipski, die das Interesse für einen Besuch der Ausstellung, aber auch für ei- ne intensivere Lektüre des Buches weckten. Das zweite Buch unter demselben Titel In der Wahrheit leben erinnert stärker biografisch und mit eigenen Texten an den Bürgerrechtler Mehlhorn. Der Titel bezieht sich auf den berühmten Essay von Václav Havel von 1978, der für Mehlhorns politisches Denken und Wirken in der Opposition wegweisend wurde. Stephan Bickhardt, Herausgeber des Buches, las aus seinem biografischen Essay über den Freund Mehlhorn sowie aus dessen Text über Czesław Miłosz. Der Beitrag unter dem Titel Der geschändete Mythos – Die Reflexion von Macht und Gewalt im 20. Jahrhundert im Werk von Czesław Miłosz war zuerst 1988 in der von Bickhardt und Mehlhorn herausgegebenen Samizdat-Zeitschrift radix-blätter erschienen. In der anschließenden Diskussion war Raum für weitere Fragen zur Biografie Ludwig Mehlhorns, seiner Haltung zu Polen nach 1989 und seinem Einsatz für Demokratisierung in der Ukraine und Russland. Annemarie Franke / Ina Alber 27 Horst von Chmielewski Ereignisse und Informationen Deutsch-lettische Kooperation im Archiv Der Bundesbeauftragte für Kultur und Medien bewilligt Digitalisierungsprojekt für die Dokumentesammlung Das infolge der Umsiedlung der Deutschbalten 1939 getrennte Archiv der „Compagnie der Schwarzen Häupter zu Riga“ wird in deutsch-lettischer Kooperation Das Schwarzhäupterhaus in Riga „virtuell zusammengeführt“ und in einem gemeinsamen Archivportal online recherchierbar gemacht. Auf deutscher Seite wirken der nach dem Krieg in Bremen wiederge- gründete Verein „Compagnie der Schwarzen Häupter aus Riga“ und das Herder-Institut eng zusammen. Auf lettischer Seite ist das Lettische Nationalarchiv federführend. Die Compagnie der Schwarzen Häupter ist seit dem 14. Jahrhundert belegt. Ihr Wahrzeichen war und ist der Heilige Mauritius, der der Legende nach aus Afrika stammte. In der Stadt Riga spielte die Compagnie im öffentlichen, sozialen und kulturellen Leben über Jahrhunderte eine führende Rolle. Das Haus der Schwarzhäupter war eines der markantesten historischen Gebäude in der Altstadt, das während des Zweiten Weltkriegs zerstört, 1997/1998 aber wieder aufgebaut wurde. Der älteste Teil des Archivs gelangte im Verlauf der Umsiedlung der Deutschbalten durch die Ergebnisse der deutsch-lettischen Kulturgüterverhandlungen 1940 nach Deutschland und 1952 ins HerderInstitut Marburg. Der Teil, der 1940 nicht nach Deutschland ausgeführt wurde, befindet sich im Historischen Staatsarchiv Lettlands (LVVA) in Riga. Das jetzt vom Bundesbeauftragten für Kultur und Medien bewilligte Projekt hat zwei Ziele: 1. Die in Deutschland und in Lettland vorhandenen Teile des Archivs sollen zunächst sicherheitsverfilmt werden, wobei Lettland Duplikatfilme des „deutschen Teils“, Deutschland solche des „lettischen Teils“ erhält. 2. Die digitalisierten Teile des Archivs werden online recherchierbar gemacht. Dem Bundesbeauftragten für Kultur und Medien ist zu danken, dass das Herder-Institut damit die gute Zusammenarbeit mit dem Lettischen Nationalarchiv langfristig und „nachhaltig“ fortsetzen kann. Das Herder-Institut ist auch in diesem Sinne für Einrichtungen im Baltikum der ideale Vertragspartner. Peter Wörster Das Herder Institut auf der Leipziger Buchmesse Wie auch schon in den vergangenen Jahren präsentierte der Verlag des Herder-Instituts auf der Buchmesse in Leipzig (14.-17. März 2013) sein aktuelles Programm. Ein überdurchschnittlich hohes Interesse von Fachbesuchern, aber gerade auch von einem breiteren, historisch interessierten Publikum freute nicht nur den Verlag, sondern besonders die Autoren und Herausgeber, die zur Vorstellung ihrer frisch im Verlag des Herder-Instituts erschienenen Bücher eingeladen worden waren. Den Auftakt machte Markus Podehl mit Architektura Kaliningrada. Wie aus Königsberg Kaliningrad wurde und eröffnete damit eine neue Reihe des Instituts: die Materialien zur Kunst, 28 Kultur und Geschichte Ostmitteleuropas. Auch die Autoren des zweiten Bandes der neuen Reihe, Rudolf Jaworski und Florian Peters, waren sich hoher Aufmerksamkeit des Publikums bei ihrer Präsentation von Alltagsperspektiven im besetzten Warschau. Fotografien eines deut- schen Postbeamten (1939-1944) sicher. Ein weiteres Highlight stellte die Präsentation und Diskussion des Tagungsbandes Kampf der Karten. Propaganda- und Geschichtskarten als politische Instrumente und Iden- titätstexte in Europa seit 1918 von Peter Haslinger und Vadim Oswalt dar. In zahlreichen Gesprächen am Stand des Verlags wurde über die Tätigkeit des Herder-Instituts sowie zur Möglichkeit des Publizierens Auskunft gegeben. Mehrere Nachwuchswissenschaftler zeigten sich sehr interessiert. Konstantin Rometsch Diskussion: Buchpräsentation in Wien Im Rahmen einer gemeinsamen, außergewöhnlich gut besuchten Diskussionsveranstaltung mit der Dépendence der Polnischen Akademie der Wissenschaften in Wien und des Instituts für Kulturwissenschaften und Theater (IKT) der Österreichischen Akademie der Wissenschaften stellten Rudolf Ja- worski und Florian Peters ihr Buch einem breiten Publikum vor. Unter Moderation von Heidi Hein-Kircher diskutierten die Autoren mit Heidemarie Uhl (Wien) und dem Begründer der Zeitschrift Fotogeschichte Timm Starl (Wien) nicht nur grundsätzliche Aspekte nichtprofessioneller Fotografie und deren Be- deutung für Erinnerungsprozesse gerade an den Nationalsozialismus, sondern auch, wie die Fotografien Beyerleins, der als Leiter der „Deutschen Post Osten“ eine herausragende Stellung in der Verwaltung des besetzten Polen einnahm, zu bewerten seien. Heidi Hein-Kircher DAAD-Netzwerk im Programm „Strategische Partnerschaften und Thematische Netzwerke“ Seit April 2013 ist das Herder-Institut Partner im thematischen Netzwerk „Kulturelle Kontakt- und Konfliktzonen im östlichen Europa“, das von der Universität Gießen koordiniert wird. Das Netzwerk ist Teil der DAAD-Strategien zur Förderung von Internationalisierung in der Hochschullandschaft. Es vernetzt das HI und die JLU Gießen mit fünf Hochschulen im östlichen Europa und baut dabei auf bereits bestehende Kooperationsvereinbarungen sowie Partnerschaften auf. Neben dem Herder-Institut und der Universität Gießen sind die Universitäten in Almaty (Kasach- stan), Minsk (Belarus), Łódź (Polen), Kazan’ (Russische Föderation) und Cluj-Napoca (Rumänien) beteiligt. In diesen Regionen und urbanen Zentren stehen kulturelle Pluralität und damit verbundene Kontakt- und Konfliktszenarien sowohl im wissenschaftlichen als auch politisch-kulturellen Interesse. Dabei werden nicht nur aktuell existierende ethnisch-sprachliche, konfessionelle oder kulturelle Kontakt- und Konfliktzonen betrachtet, sondern auch solche, die in der Erinnerungs- und Identitätspolitik bzw. in historisch-literarischer Reflektion aufrechterhalten werden und dadurch gesellschaftliche Relevanz erfahren. Allen Partnern ist gemein, dass sie über thematische Schwerpunkte im Bereich Regionalismus- und Urbanismusforschung, Imperien- und Nationalismusforschung, Multilingualismus- und Sprachkontaktforschung verfügen. Durch die für vier Jahre angelegte Netzwerkarbeit sollen weitere Synergieeffekte geschaf- Netzwerkpartner beim Auftakttreffen in Gießen 29 fen werden. Forschungsziele sind die kommunikative Vernetzung von Nachwuchswissenschaftler/inne/n, die gemeinsame Reflexion methodischer Vorgehensweisen und leitender theoretischer Konzepte sowie die gemeinsame Entwicklung von Modellen und Theorien zur Beschreibung von Kontakt- und Konfliktszenarien. Wichtiges Instrument der Netzwerkarbeit ist die Förderung von Mobilität unter Nachwuchswissenschaftler/inne/n und gleichzeitig der Ausbau eines multilateralen thematischen Netzwerks. Jedes Jahr bestehen Mobilitätskapazitäten, um Doktorand/inn/en und Dozent/inn/en aus den Partneruniversitäten nach Marburg und Gießen einzuladen und gleichzeitig aber auch Wissenschaftler/innen aus Mittelhessen nach Polen, Russland, Kasachstan und Rumänien zu entsenden. Längerfristig wird ein trinationaler Studiengang mit den Partnern im östlichen Europa in den Sprach-, Literatur- und Geschichtswissenschaften für Master-Studierende aufgebaut sowie eine internationale Graduiertenschule für Promovierende etabliert werden. Nach einer Auftaktkonferenz im Oktober 2013 in Kazan’ zum Thema „Mehrsprachigkeit in politischen Umbruchsphasen“ wird es Ende November eine internationale Master Class am Herder-Institut in Kooperation mit dem International Graduate Centre for the Study of Cultures (GCSC) und dem Gießener Zentrum Östliches Europa (GiZo) zum Schwerpunkt „Regionalismusund Urbanismuskonzepte in multikulturellen Kontexten“ geben, bei der sich Promovierende aus allen Partnerländern mit Mitgliedern der Leibniz Graduate School und anderen Nachwuchswissenschaftler/ inne/n am Herder-Institut vernetzen und gemeinsam diskutieren können. Des Weiteren sind für die vierjährige Laufzeit Konferenzen, Workshops und Master Classes geplant, die sich mit den Forschungsthemen beschäftigen, aus denen Publikationen hervorgehen sollen und die einen transnationalen Wissenschaftskommunikationsraum schaffen. Ina Alber Vernetzung der Deutschland- und Europastudien WorkshopTeilnehmende in Vilnius Das Center for German Studies unter Leitung von DAAD Langzeitdozent Dr. Felix Ackermann hatte vom 14.-17. April zu einem Workshop an die EHU – die Europäische Humanistische Universität in Vilnius – eingeladen mit dem Ziel, Akteure zu vernetzen, die in Mittel- und Osteuropa Deutschland- und Europa30 studien anbieten. Hintergrund sind der Wandel von Studiengängen zu Deutschland und/oder Europa, die Bedeutung von Regionalstudien und der Rolle Deutschlands in der Wissenschaftslandschaft Ost(mittel)europas sowie die damit auch verbundenen Debatten um Deutsch als Wissenschaftssprache. Themen, die dem DAAD, der den Workshop finanzierte, aber auch dem Herder-Institut aus der alltäglichen Arbeit sehr vertraut sind. Die Teilnehmenden aus Fachwissenschaft, Hochschulpolitik, Universitätsmanagement und Hochschuldidaktik aus Polen, Tschechien, Russland, Belarus, Rumänien, der Ukraine und Deutschland debattierten über Chancen und Herausforderungen der Internationalisierung der Wissenschafts- und Hochschullandschaft allgemein und der Deutschlandund Europastudien im Besonderen. Ein Aspekt, der in einer öffentlichen Podiumsdiskussion angesprochen wurde, betraf die Frage nach der Zukunft der Wissenschaftssprache Deutsch. Von Frühförderung von Deutsch als erster Fremdsprache in litauischen Kindergärten, einem Goethe-Institut-Projekt, über die These, dass Wissenschaft, Philosophie und Kulturgeschichte ohne Deutschkenntnisse nicht verständlich und studierbar seien, bis hin zu Arbeitsmarktchancen durch Deutschkenntnisse reichten die Argumente. Neben dieser oft leidenschaftlich geführten Debatte waren aber auch organisatorische und inhaltliche Fragen wie die Möglichkeiten doppelter Studienabschlüsse, die europäische Kontextualisierung von Deutschlandstudien und die Unterschiede in den akademischen Kulturen Kernstück der Diskussion. Auch die zunehmende Digitalisierung der Hochschullehre, die Mobilität der Studierenden, gerade an einer Exiluniversität wie der EHU, aber auch in anderen Ländern, stellen die Anbietenden und Durchführenden von Deutschland- und Europastudien und die transnationale Wissensvermittlung vor neue Aufgaben. Voneinander zu lernen und Erfahrungen auszutauschen, kann bei diesen Herausforderungen sehr hilfreich sein. Bisher gibt es wenig Vernetzung der Akteure, die sich mit diesen Fragen beschäftigen. Aber der Workshop, der sehr viel Raum zur Entwicklung von Ideen in Kleingruppen und zum Austausch bot, war ein gelungener Auftakt zu einer Arbeit, die sich in den nächsten Jahren durch gemeinsame di- gitale und analoge Angebote und Veranstaltungen intensiveren soll. Das Erstellen einer gemeinsamen Homepage zur Stärkung eines transnationalen Wissensnetzwerks, gemeinsame Summer Schools für Promovierende und ein verstärkter Austausch im Rahmen der DAADStrukturen stehen für die nahe Zukunft auf der Agenda. Felix Ackermann / Ina Alber Netzwerk Sozialfürsorge und Gesundheit Das Wissenschaftliche Netzwerk „Sozialfürsorge und Gesundheit in Ost- und Südosteuropa im langen 20. Jahrhundert“ hatte vom 21.-23. März zu seinem zweiten Treffen ins Herder-Institut eingeladen. Als Impulsreferenten waren Dr. Hormoz Ebrahimnejad (University of Southampton) mit einem Vortrag „From Avicenna to Pasteur: An Inquiry into the Historiography of Medical Modernisation in Non-Western Countries“ und Dr. Anelia Kassabova (Centre for Southeast European Studies / University of Graz) zum Thema „Visualisierungen als Strategie zur Aufdeckung oder zur Vertuschung sozialer Probleme“ zu Gast. Die Teilnehmerinnen und Teilnehmer beschäftigten sich in drei Sektionen mit „diskursiven, programmatischen Propaganda-Texten“, mit „Erfahrungen und autobiografischen Narrativen“ und „Gerichts-, Justiz- und Krankenakten“. Antje Coburger GeoBib: Hinter den Kulissen und auf der Bühne Im vergangen Jahr ist das BMBFfinanzierte Projekt „GeoBib – Frühe deutsch- bzw. polnischsprachige Holocaust- und Lagerliteratur (1933-1949). Annotierte und georeferenzierte Online-Bibliographie zur Erforschung von Erinnerungsnarrativen“ angelaufen. Im April versammelten sich alle GeoBib-Beteiligten aus Marburg und Gießen – Projektleiter, wissenschaftliche Mitarbei- schäftigte man sich mit „GeoBib: auf der Bühne“ – also den Punkten, die für das spätere Aussehen und die Funktionalität der entstehenden Online-Bibliografie von Belang sind, und der Frage, was den späteren Nutzerinnen und Nutzern geboten werden soll. Im zweiten Block beschäftigte sich die Gruppe mit „GeoBib: hinter den Kulissen“ – also den internen Arbeitsabläufen terinnen und Mitarbeiter, Hilfskräfte –, um sich in einem Workshop über die aktuellen und anstehenden Arbeiten im Projekt auszutauschen. Der Workshop war in zwei Blöcke geteilt: Im ersten Teil be- im Projekt. Im ersten Teil der Veranstaltung ging es vor allem um Kartenmaterial und Geoinformationssysteme. Es wurde unter anderem über den aktuellen Stand der Kartenrecherche berichtet und ge- meinsam mit den Textbearbeitern der Holocaust- und Lagerliteratur eingeschätzt, für welche Regionen geografisches Material benötigt wird. Danach standen dann vor allem die späteren Nutzerinnen und Nutzer des Portals im Mittelpunkt. Eine Anforderungsanalyse wurde vorgestellt sowie Nutzungsszenarien, die Benutzeroberfläche sowie Such- und Findbarkeitskonzepte besprochen. Im zweiten Abschnitt des Workshops tauschten sich die Beteiligten über die Materialmenge sowie die Beschaffung aus. Dabei ging es zum einen um die primären Texte der Holocaust- und Lagerliteratur, zum anderen um die für die Erforschung der Publikations- und Rezeptionsgeschichte notwendigen Materialien. Der Workshop hat allen Projektbeteiligten, die aus sehr unterschiedlichen Disziplinen kommen – neben Historikern und Germanisten sind Geografen, Geoinformatiker, Informatiker und Computerlinguisten beteiligt –, Einblicke in die Arbeitsbereiche der Kolleginnen und Kollegen eröffnet, den internen Austausch gefördert und das Projekt nach einem knappen Jahr Laufzeit einen großen Schritt vorangebracht. Annalena Schmidt 31 Viel Marburger Lebenserfahrung im Herder-Institut Rund 30 Teilnehmerinnen und Teilnehmer des Marburger SeniorenKollegs informierten sich am 16. Januar 2013 zwischen 15 und 17 Gruppen durch die Forschungsbibliothek und die Wissenschaftlichen Sammlungen geführt wurden. Originalurkunden aus der Dokumente- Teilnehmer des Seniorenkollegs in der Dokumentesammlung Uhr über Bestände, Arbeitsbereiche und Forschungsarbeiten am Herder-Institut. Unter der Leitung von Elfriede Herrmann erhielten Seniorinnen und Senioren Einblicke in Geschichte, aktuelle Tätigkeitsfelder und laufende Projekte des Herder-Instituts, ehe sie in zwei sammlung, Fotos und Postkarten aus dem Bildarchiv, faszinierende Beispiele aus der Karten- sowie Zeitungsausschnitt- und Musiksammlung ließen Geschichte und Landeskunde Ostmitteleuropas anschaulich und lebendig werden. Bei den Seniorinnen und Seni- oren lösten die Exponate angeregte Diskussionen und Nachfragen aus. Erfahrungen eines langen Lebens konnten so erweitert oder ergänzt, für manchen auch illustriert werden. Wieder einmal zeigte sich, wie viele familiäre Spuren in die historischen deutschen Ostgebiete und damit in das heutige Ostmitteleuropa weisen. Manch einer beschloss spontan, auf der Grundlage der umfangreichen, öffentlich zugänglichen und in vielfältiger Weise erschlossenen Institutsbestände die eigenen Familien- und Ortsforschungen während eines künftigen Aufenthaltes in den Lesesälen von Bibliothek oder Wissenschaftlichen Sammlungen zu vertiefen. Das Senioren-Kolleg intensivierte damit die Beziehungen, die schon der leider viel zu früh verstorbene Hans-Werner Rautenberg als ehemaliger Institutsmitarbeiter und langjähriger Leiter des Kollegs sowie einige andere Mitarbeiter des Instituts als Referenten vor dem Kolleg geknüpft hatten. Jan Lipinsky Großes Interesse an den Archivbeständen in der DSHI Dr. Wilhelm Lenz mit alten Kollegen zu Gast Dr. Wilhelm Lenz, bis zu seiner Pensionierung Leitender Archivdirektor im Bundesarchiv Koblenz, besuchte mit alten Kollegen des 9. Wissenschaftliches Kurses der Marburger Archivschule (1967/68) am 6. Mai Marburg. Unter anderem stand eine Besichtigung im Herder-Institut auf dem Programm. Die Gäste konzentrierten sich auf die Abteilung Wissenschaftliche Sammlungen (Bilder, Karten, Dokumente) mit ihren spezifischen Beständen und Arbeitsweisen. Dr. Lenz, der auch Vorstandsmitglied der Baltischen Historischen Kommission ist, und viele seiner Archivars-Kollegen interessierten sich besonders für die DSHI, das größte Archiv zur baltischen Geschichte in Deutschland. 32 Jugend der Baltischen Ritterschaften Am 9. März besuchte eine aus 62 Personen bestehende Gruppe der Jugendorganisation des Verbandes der Baltischen Ritterschaften unter der Leitung ihres früheren Sprechers Matthias v. Schilling Marburg. Neben einer Besichtigung der Stadt und einem Jugendball im Quartier der Teutonia stand der Besuch in der Dokumentesammlung im Vordergrund. Die Gäste, die aus der ganzen Bundesrepublik zusammengekommen waren, ließen sich über die Aufgaben und Arbeiten der DSHI und über deren Bestände informieren, zu denen seit 2006 ja auch die Archivalien des Verbandes der Baltischen Ritterschaften gehören. Die Jugendlichen erfuhren von der ganz und gar dem Baltikum ge- widmeten archivischen Arbeit der DSHI und von der Bedeutung der Konzentration baltischer Archivbestände für die Forschung; sie zeigten ihr besonderes Interesse durch zahlreiche Fragen und weitere anregende Diskussionsbeiträge. Zum Abschluss konnten die Gäste auch noch eine Auswahl von originalen Archivalien in Augenschein nehmen. Paläografiekurs der Bergischen Universität Wuppertal Am 13. Juni besuchte eine Seminargruppe von der Universität Wuppertal unter der Leitung von Prof. Dr. Christoph Schubert die Dokumentesammlung. Thematisch ging es den Gästen des Master-Studiengangs „Editions- und Dokumentwissenschaft“ um die Paläografie und Kodikologie vom Hochmittelalter bis in die Neuzeit. Schwerpunkte bildeten die Entwicklung der lateinischen und volkssprachlichen Schrift, die tiefgreifenden Veränderungen in der Buchherstellung (Übergang vom Pergament zum Papier und von der Handschrift zum Druck) und die Buchillustration. Die Teilnehmenden sollten die Fähigkeit weiterentwickeln, verschiedene Buchschriften lesen, datieren und lokalisieren zu können. Prof. Schubert und die Seminargruppe bekundeten ihr Interesse, die hier verfügbaren baltischen Archivbestände für Qualifikationsarbeiten zu nutzen und somit zu einer langfristigen Zusammenarbeit zu kommen. Peter Wörster Paläografiekurs aus Wuppertal Nachrichten aus den Projekten World War II – Everyday Life Under German Occupation Erstes Jahr und Ausblick im Editions- und Forschungsprojekt In den vergangenen Jahren ist die Geschichte des Zweiten Weltkriegs vor allem als Geschichte der nationalsozialistischen Expansion und ihrer Akteure geschrieben worden. Schwerpunkte der Forschungstätigkeit waren und sind der Holocaust, die Wehrmachtsverbrechen und Zwangsarbeit. Hinzu tritt in den meisten ehemals besetzten Ländern eine starke Ausrichtung auf den Widerstand. Alltag und Überlebensstrategien lokaler Bevölkerungen unter den Bedingungen deutscher Besatzung sind hingegen in länderübergreifender Form bislang nicht dokumentiert. Das von der Leibniz-Gemeinschaft geförderte Editions- und Forschungsprojekt „World War II – Everyday Life Under German Occupation“ will helfen, diese Lücke zu schließen. Unter der Leitung von Prof. Dr. Peter Haslinger (Herder-Institut Marburg) und Prof. Dr. Tatjana Tönsmeyer (KWI Essen und Bergische Universität Wuppertal) und der Mitarbeit von Prof. Dr. Włodzimierz Borodziej (Universität Warschau) und Dr. Stefan Martens (DHI Paris) startete im Mai 2012 ein auf mehrere Jahre angelegtes Editions- und Forschungsvorhaben, dessen Fokus sich auf die lokalen Bevölkerungen in den im Zweiten Weltkrieg von der Wehrmacht besetzten Ländern richtet. Im Zentrum der Dokumentation stehen u.a. Mangelerfahrungen, Formen von Herrschaft und Gewalt sowie Zwangsarbeit, Ausbeutung, Vertreibung und Verfolgung. Die Edition wird in englischer Sprache erscheinen. Daneben wird es ein Online-Portal geben, das die Quellen sowohl in englischer Übersetzung als auch in der Originalsprache, teilweise unterstützt durch Faksimiles, abbildet. An dem Projekt beteiligt sind Kooperationspartner/innen und Expert/inn/ en aus insgesamt 15 europäischen Ländern, die sich schwerpunktmäßig oder ausschließlich mit der Geschichte des Zweiten Weltkriegs befassen. Nach einer ersten Planungsphase im Frühsommer 2012, die dem Informationsaustausch der Kooperationspartner/innen und der Präzisierung des Work Flows diente, folgte eine intensive Quellenrecherche zu zwei von insgesamt vier großen Themenbereichen, die über Werkverträge mit Researchern in 19 europäischen Ländern organisiert wurde. In Rücksprache mit den Länderexperten sammelten die Researcher mehr als 2 000 Quellen, die überwiegend aus den Kriegsjahren stammten und durch Materialien aus der Zeit nach 1945 ergänzt wurden. Berücksichtigt wurden in erster Linie bislang nicht edierte Quellen aus den Zentral-, Regional- und Ortsarchiven der jeweiligen Länder sowie Prozessüberlieferungen, zeitgenössische Medienberichte und Ego-Dokumente. Bis Jahresende 2012 konnte die Quellenrecherche mit einem ersten beeindruckenden Zwischenergebnis abgeschlossen werden. Im Anschluss an die Recherche wurden die Quellen durch die vier Herausgeber Prof. Dr. Peter Has33 Projektleitung und Kooperationspartner linger, Prof. Dr. Tatjana Tönsmeyer, Prof. Dr. Włodzimierz Borodziej und Dr. Stefan Martens geprüft und die Rechercheergebnisse im März 2013 auf einer Tagung mit allen Kooperationspartner/ inne/n besprochen. In der Folgezeit fanden länderspezifische Auswahlgespräche zwischen Herausgebern und Länderexperten statt, die dazu dienten, die für die Publikation bestimmten Quellen festzulegen und eventuelle Nachre- cherchen zu koordinieren. Bis zum Herbst 2013 wird auf der Basis der ausgewählten Quellen eine Rohversion zum ersten Themenbereich der späteren Edition erstellt werden, die alle Kriegsjahre und besetzten Gebiete berücksichtigen wird. Die Transkription der Quellentexte sowie die Kommentierung durch ausgewiesene Wissenschaftler und die Übersetzungen der Quellen ins Englische durch qualifizierte muttersprachliche Historiker sind ab 2014 geplant. Daniela Kraus Hereditas Baltica – HerBalt: „Virtueller Lesesaal“ für baltisches Archivgut Seit 2011 betreibt das Herder-Institut in Zusammenarbeit mit verschiedenen Partnern meist in den baltischen Staaten ein langfristig angelegtes gemeinsames Digitalisierungsprojekt für baltisches Archivgut. Zum Abschluss des ersten Teilprojekts mit dem Staatsarchiv in Tartu fand im Februar 2013 in Estland die vom Estnischen Nationalarchiv und vom Herder-Institut organisierte archivische Fachtagung „Verzeichnen, digitalisieren, nutzen: Baltisches Archivgut im Internet – Stand und Perspektiven gemeinsamer Projekte“ statt. Im Tagungszentrum Schloss Alatskivi bei Tartu waren Teilnehmer aus Estland und Deutschland, aus Lettland, Schweden und Russland zusammengekommen. Die Tagung führte Fachleute und Nutzer zusammen, Archivare und Bibliothekare, Historiker und Familienforscher. Die Fachleute berichteten über den Stand und die Perspektiven der Digitalisierung von Archivgut und dessen Bereitstellung im Internet in den einzelnen Ländern. Die Nutzer formulierten ihre Erwartungen an die Archive. Den zehn Referaten folgten ausführliche und oft kontroverse Diskussionen. Es wurden rasch die Möglichkeiten und Grenzen der Digitalisierung von 34 Archivgut und deren Bereitstellung im Internet deutlich. In den Gesprächen ergaben sich zahlreiche Anregungen, wie man in verschiedenen Fragen durch weitere Zusammenarbeit zusätzliche Angebote an die Forschung entwickeln könnte. Ein Tagungsband ist in Vorbereitung. installiert ist und welch bedeutenden Anteil die DSHI auch für eine tiefere Erschließung des in Estland digitalisierten Archivguts hat. Im Juni wurde die HerBalt-Datenbank erstmals freigeschaltet. Die zum Projekt gehörenden Archivalieneinheiten können jetzt über die Home- Tagungsteilnehmer in Alatskivi bei Tartu Aus der Dokumentesammlung des Herder-Instituts wurde berichtet, wie man hier die Daten des HerBalt-Projektes in die eigene Archivdatenbank einarbeitet, wie bei jeder Verzeichnungseinheit der direkte Link zu „Saaga“, dem gemeinsam genutzten Archivportal in Estland, page des Herder-Instituts recherchiert und nach Registrierung im estnischen Archivportal Saaga direkt eingesehen werden. Peter Wörster Personalien Dorothee M. Goeze M.A., Mitarbeiterin der Dokumentesammlung des Herder-Instituts, wurde im Berichtszeitraum in zwei ehrwürdige gelehrte Gesellschaften berufen: im Februar in die Õpetatud Eesti Selts – Gelehrte Estnische Gesellschaft (1838 in Dorpat/Tartu gegründet) und im Mai in die Baltische Historische Kommission (Göttingen). Damit wurden ihre Verdienste um die Sicherung, Erschließung und Nutzung von Archivalien zur Geschichte der baltischen Region und ihre zahlreichen Arbeiten über baltische, insbesondere estnische Geschichte gewürdigt. Seit 1. Januar 2013 ist Mathias Voigtmann als Projektmitarbeiter in der DFG-Forschergruppe „Gewaltgemeinschaften“ im Herder-Institut tätig. Er bearbeitet das Teilprojekt „Paramilitärische Verbände im Ostmitteleuropa der Zwischenkriegszeit – Gewalt als Gemeinschaftserlebnis am Beispiel der baltischen Freikorps“. Seit Februar 2013 hat Antje Coburger die zuvor durch Dr. Alexandra Schweiger und Johanna Schnabel geleistete Betreuung der Onlineedition „Dokumente und Materialien zur ostmitteleuropäischen Geschichte“ übernommen. Mit Achim Diener verstärkt seit dem 2. Mai 2013 ein weiterer Magazinmitarbeiter die Forschungsbibliothek des Herder-Instituts. Das Team der Verwaltung wurde am 2. Mai 2013 mit Tamara Peil vergrößert. Frau Peil ist als Sachbearbeiterin im Bereich Haushaltswesen tätig. Das durch Dr. Vytautas Petronis betreute Teilprojekt „Paramilitärische Verbände in Ostmitteleuropa (1918-1944) – Selbstbild, Gewaltpraxis, Soziale Dynamik am Beispiel des ‚Eisernen Wolfes‘ in Litauen“ innerhalb der DFG-Forschergruppe „Gewaltgemeinschaften“ ist zum 31. Mai 2013 ausgelaufen. Dr. Piotr Kuroczynski beginnt am 1. Juli 2013 im Bildarchiv des Herder-Instituts als Koordinator des Projekts „Virtuelle Rekonstruktionen in transnationalen Forschungsumgebungen – das Portal Schlösser und Parkanlagen im ehemaligen Ostpreußen“ seine Tätigkeit. Katharina Kreuder-Sonnen M.A., Gießen/Berlin (01.05.-31.07.) „Bakteriologische Wissensräume. Transfer bakteriologischen Wissens nach und in Polen, 1885-1939“ „Kaunas als eine jiddische Literaturinsel (1918-1941)“ Gäste am Herder-Institut Die Leibniz Graduate School Visiting Fellows und die Stipendiaten und Stipendiatinnen des Herder-Instituts unter unseren Gästen werden mit dem Titel ihres Forschungsvorhabens vorgestellt. Leibniz Graduate School Visiting Fellows: Prof. Dr. Daniela Sneppova, Toronto (16.04.-16.06.) „The Assassination of Culture: Censorship, Propaganda, and the Dissemination of Banned Czech Culture, 1968-89“ Dr. Esa Ruuskanen, Turku (15.05.-31.07.) „Valuing Peatlands: Changing Land Use Practices and Knowledge Transfer Regarding Bogs, Fens and Mires in Finland, Estonia and Sweden from the Late 1800s to the Mid-1900s“ Herder-Stipendiaten: Dr. Joanna Chojnicka, Poznań (01.01.-28.02.) „Discourse-historical Analysis of the Press Discourse on Ethnic Conflict in Latvia“ Dr. Magdalena Kardach, Olsztyn (01.-28.02.) „Ostpreußens Kulturlandschaft“ Dr. habil. Marek Podlasiak, Toruń (08.02.-06.03.) „Theater in Elbing in der Zeit der Weimarer Republik und der NS-Diktatur“ Goda Volbikaite M.A., Kaunas (01.02.- 31.03.) Barbara Pawełko-Czajka M.A., Wrocław (01.-31.03.) „The Political and Legal Thought of Krajowcy from Vilnius“ Krzysztof Wirkus M.A., Bytόw (01.-30.04.) „Migration der einheimischen Bevölkerung aus der Kaschubei in die deutschen Staaten im Zeitraum 1949-89“ Gregor Feindt M.A., Bonn (01.03.-30.04.) „Opposition und Nation. Politisches Denken zur Ordnungskategorie Nation in den Oppositionsbewegungen Ostmitteleuropas“ Dr. Denis Lomtev, Moskva (01.03.-30.04.) „Das Schaffen der Komponistin Ella 35 von Schultz-Adaïewsky im Kontext der deutsch-russischen Kulturbeziehungen“ Eva Reder M.A., Wien (01.04.-31.05.) „Pogrome in Polen 1918-20 und 1945/46“ Aleksandra Kmak-Pamirska M.A., Kraków (01.-31.05.) „Was bedeutet es ̦Danziger‘ zu sein? Die Identität der Danziger Katholiken in Deutschland“ Dr. Przemysław Nowak, Warszawa (01.-31.05.) „Das Papsttum und Ostmitteleuropa (10.-12. Jahrhundert)“ Kreisau für EuropäischeVerständigung im Kontext der gesellschaftlichenTransformation Polens und der deutsch-polnischen Beziehungen 1989-98“ Stipendiaten anderer Förderer: Dr. Jan Jakub Surman, W i e n / Wa r s z awa ( 01 . 10 . 2 012 30.09.2013) „Wissenschaftssprachen in Zentraleuropa im langen 19. Jahrhundert“ (Leibniz-DAAD-Stipendiat) Dr. Zuzanna Dziuban, Konstanz/Berlin (03.-14.06.) „Totalitarianism – Nazism – Holocaust“ (DAPRO-Gastwissenschaftlerin) Felix Heinert M.A., Köln (01.05.-30.06.) „Rigas jüdische Gemeinde, der ̦Deutsche Liberale Klub‘ und die Herausbildung eines transkulturellen liberalen (Diskurs-)Raumes in Riga um und nach 1905“ Austauschwissenschaftlerin mit IH PAN: Prof Dr. Izabela Skierska, IH PAN Poznań / Instytut Historii Polskiej Akademii Nauk (02.-12.06.) „Religiöse Erinnerungsorte. Das Lied ̦Bogurodzica‘ im Bewusstsein der Polen“ Annemarie Franke M.A., Grodziszcze (01.-30.06.) „Gründung und Aufbau der Stiftung Gäste mit eigenen Mitteln: Marianna Eszter Feketéné Balogh, University of Debrecen (15.-29.06.) „Hospitation in der Forschungsbibliothek des Herder-Instituts zum Kennenlernen der Arbeit einer deutschen wissenschaftlichen Spezialbibliothek“ Stipendium des Ministeriums für Menschliche Kraftquellen von Ungarn Vera Adam, Marburg (laufend während des ersten Halbjahres) „Burgen und Schlösser in Böhmen / Heraldik“ Heinrich Mrowka, Langenstein (laufend während des ersten Halbjahres) „Schweidnitz / Ostpreußen 19. Jh.“ Adrianna Michel, Bad Endbach (laufend während des ersten Halbjahres) „Polen / Dissertation“ Oliver-Frank Hornig, Wiesbaden (laufend während des ersten Halbjahres) „Schlesien“ Dr. Dr. h.c. Winfried Irgang, Weimar (Lahn) (laufend während des ersten Halbjahres) „Schlesien“ Zenonas Norkus, Vilnius (Juni) „Baltikum“ Lehrveranstaltungen Prof. Dr. Peter Haslinger Justus-Liebig-Universität Gießen ■ Wissenskulturen in der Geschichte Übung WS 2012/2013, 2 SWS Dr. Peter Wörster Dorothee M. Goeze M.A. Philipps-Universität Marburg ■ Baltische Geschichte im Spiegel von Institutionen und ihrer Amtsinhaber (Arbeit mit Archivmaterial) Übung WS 2012/2013, 2 SWS 36 Prof. Dr. Peter Haslinger Justus-Liebig-Universität Gießen ■ Decades of Crisis? Societies and Politics from Finland to the Balkans during the Interwar Period Übung SS 2013, 2 SWS Dr. Jürgen Warmbrunn Justus-Liebig-Universität Gießen ■ Marburg und die Entwicklung der russischen Wissenschaftslandschaft – Michail V. Lomonossovs Studienjahre an der Lahn Übung mit Exkursion SS 2013, 2 SWS Dr. Peter Wörster Philipps-Universität Marburg ■ Zwischen Region und Imperium. Politik, Personen, Perspektiven zwischen Riga und St. Petersburg. Die Livländischen Landtagsrezesse als zentrale Quelle zur Landesgeschichte. Ausgewählte Beispiele vom Ende des 18. bis zum Anfang des 20. Jhs. (Arbeit mit Archivmaterial) Übung SS 2013, 2 SWS Vorträge, Workshops und Tagungen In dieser Rubrik finden Sie alle Vorträge unserer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sowie alle Vortragsveranstaltungen, die am Herder-Institut stattfanden bzw. bei denen das Herder-Institut als Kooperationspartner aktiv war. 19. Januar 2013 Christian Lotz (Marburg/Stuttgart): „Kartographische Repräsentationen von Flucht und Vertreibung der Deutschen“, Workshop: „Medien der Erinnerung an Flucht und Vertreibung“, BKGE, Oldenburg 9. Januar 2013 Herder-Kolloquium, Herder-Institut, Marburg Dr. Jan Jakub Surman (Marburg): „Wissenschaft und Übersetzung, Wissenschaft in Übersetzung“ 24. Januar 2013 Christian Lotz (Marburg/Stuttgart): „Die Auflösung der Nachhaltigkeit? Internationaler forstwissenschaftlicher Austausch unter dem Eindruck industrialisierter Beschleunigung und Entgrenzung“, Kolloquium, Institut für Europäische Geschichte, Mainz 17. Januar 2013 Peter Haslinger (Marburg/Gießen) mit Ute Wardenga (Leipzig): „Neue Wege in der Konzeption historischer Atlanten: Der digitale Atlas politischer Raumbilder zu Ostmitteleuropa (DAPRO)“, Centre Marc Bloch, Berlin 18. Januar 2013 Ina Alber (Göttingen/Marburg) mit Anna Ransiek und Rixta Wundrak (Göttingen): Impulsreferat: „Zur Triangulation von biographischen und diskursanalytischen Fallrekonstruktionen“, Jahrestagung der Sektion Biographieforschung der Deutschen Gesellschaft für Soziologie, „Biographie und Diskurs“, Universität Kassel, Kassel 18. Januar 2013 Christian Lotz (Marburg/Stuttgart): „Facing a Timber-Frontier? Imperial Governments, International Conferences and the Problem of Calculating Future Prospects of Timber Supply in Northern Europe, 1850-1914“, Konferenz „Encounters of Empires. Interimperial Transfers and Imperial Manifestations, ca. 1870-1950“, Internationales Kolleg Morphomata, Universität zu Köln, Köln 31. Januar 2013 Peter Haslinger (Marburg/Gießen): Podiumsdiskussion: Panel 2 „Wissenschaftskommunikation in Europa – Entwicklungstendenzen? Erfolgsmodelle?“, Tagung „recensio. net“, München 7. Februar 2013 Kinga Kuligowska (Marburg): „Präsentation des Promotionsprojekts: „Die Emigration polnischer Intellektueller nach dem März 1968 – Eine Reise in die Denkfreiheit?“, Forschungskolloquium von Prof. Bożena Chołuj „Differenz-, Gender- und Grenzstudien“, Europa-Universität Viadrina 13. Februar 2013 Herder-Kolloquium, Herder-Institut, Marburg Dr. habil. Marek Podlasiak (Toruń): „Das Elbinger Stadttheater und sein Beitrag zur 700-Jahrfeier Elbings“ 20. Februar 2013 Herder-Institut, Marburg Workshop „Aktuelle Forschungen zur jiddischen und jüdischen Literatur“ Heidi Hein-Kircher (Marburg): Begrüßung Annalena Schmidt (Marburg/Gießen): Vorstellung des GeoBib-Projekts Goda Volbikaite (Kaunas): „Kaunas – eine jiddische Literaturinsel (1918-1941)“ Annalena Schmidt (Marburg/Gießen): „Literatur als Quelle zur Erforschung der Verwaltung des Holocaust“ Elisa-Maria Hiemer (Gießen/Marburg): „Mitteleuropa als Raum jüdischer Selbstverortung: Deutsche, polnische und tschechische autobiographische Werke nach 1989“ Frank Binder (Gießen): „Geographisch-bibliographische Suchportale – Überlegungen zu Use Cases und Dialoggestaltung“ 21. Februar 2013 Christian Lotz (Marburg/Stuttgart): „Katastrophenabwehr oder Rohstoffausbeutung? Debatten um Waldgebiete und ihre Schutzfunktion gegen Überschwemmungen und Bodenerosion im Nord- und Ostseeraum während des 19. Jahrhunderts“, Workshop „Katastrophen im östlichen Europa vom 18. Jahrhundert bis heute“, Universität Tübingen 22. Februar 2013 Anna Veronika Wendland (Marburg): „Tschernobyl vor Gericht. Ordnung, Krise und Kommunikation einer technologischen Leitkultur in der Sowjetunion“, SFB 23 „Bedrohte Ordnungen“, Universität Tübingen, Tübingen 21.-22. Februar 2013 Herder-Institut, Marburg Tagung „Das Vorrücken des Staats in die Fläche im langen 19. Jahrhundert“ des Verbands der Osteuropahistorikerinnen und -historiker (VOH) und des Herder-Instituts Workshop Jüdische Literatur 37 Podiumsdiskussion in Wien mit Bogusław Dybaś und Florian Peters Sektion I „Akteure“ Eckart Conze (Marburg): Moderation Markus Koller (Bochum): „Akteure in den Provinzen des Osmanischen Reiches – Anmerkungen zum Forschungsstand“ Norbert Franz (Walferdange): „Tätigkeitsfelder und Handlungsspielräume der ̦letzten Rädchen im Staat‘: Durchstaatlichung und Ausweitung der Staatstätigkeit in politisch-administrativen Landgemeinden Frankreichs und Luxemburgs im 19. Jahrhundert“ Hedwig Herold-Schmidt (Jena): „Herrschaft vor Ort im Spanien der Restaurationszeit (1875-1923): Staatsgewalt, Bürokratie und Klientelismus“ Zsolt K. Lengyel (Regensburg): „Der verlängerte Arm der noeabsolutistischen Staatsgewalt in Ungarn: Die Bachhusaren in den 1850er Jahren“ Sektion II „Fürsorge – Hygiene – Gesundheitswesen“ Joachim von Puttkamer (Jena): Moderation Michael Zeheter (Wuppertal): „Civilising the Unwashed Masses. Gesundheitspolitik in England und Wales“ Barbara Kalinowska-Wójcik (Katowice): „Durchstaatlichung im Dorf. Die Landgemeinden in Oberschlesien im 19. Jahrhundert“ Felix Heinert (Köln): „Das Rigaer städtische Schlachthaus, der (koschere) Viehmarkt und die Aushandlungen des Schlachtzwanges um 1900, oder: Wie ̦der Staat‘ gerufen wurde“ 38 Sektion III „Infrastrukturen und Ressourcenzugriff“ Anne Kwaschik (Berlin): Moderation Dirk Mellies (Hamburg): „Infrastrukturpolitik in einer rückständigen Provinz Preußens. Das Beispiel Pommern im 19. Jahrhundert“ Christian Lotz (Marburg): „Herausforderungen staatlicher Ressourcen-Bewirtschaftung am Beispiel von Holz im Nord- und Ostseeraum (1790-1914)“ Werner Benecke (Frankfurt/Oder): „Die russische Wehrpflicht als gesellschaftliche Veranstaltung: Über verhängnisvolle Kompromisse zwischen Staatsmacht, Dorfgemeinden und Rekruten im ausgehenden Zarenreich (1874-1914)“ Andrzej Michałczyk (Bochum): „Das Vorrücken des Staates am Beispiel der oberschlesischen Industriesiedlung Bielschowitz (1890-1914)“ Sektion IV „Repräsentationen“ Peter Haslinger (Marburg/Gießen): Moderation Gabriele Clemens (Saarbrücken): „Adel und Hochkultur in Italien“ Raphael Utz (Jena): „Der Staat als monarchisches Projekt: Maria Pawlowna und Sachsen-WeimarEisenach“ Christoph Augustynowicz (Wien): „Ausweitung und Verdichtung von Raumnutzung in der klein-polnischen Stadt Sandomierz“ Agnieszka Zablocka-Kos (Wrocław): „Zwischen Kunst und Politik: Hochschulbauten in Mitteleuropa im 19. Jahrhundert“ Podiumsdiskussion in Wien Tatjana Tönsmeyer (Essen/Wuppertal)/Jörg Ganzenmüller (Jena): „Das Vorrücken des Staates in die Fläche: Typologien eines europäischen Vergleichs“ 5. März 2013 Heidi Hein-Kircher (Marburg): Moderation der Podiumsdiskussion zum Band: Alltagsperspektiven im besetzten Warschau. Fotografien eines deutschen Postbeamten (19391944)/Perspektywy codzienności w okupowanej Warszawie. Fotografie niemieckiego urzędnika pocztowego (1939-1944), Marburg 2013 (Materialien zur Kunst, Kultur und Geschichte Ostmitteleuropas, 2), Wissenschaftszentrum Wien der Polnischen Akademie der Wissenschaften, Wien 6. März 2013 Herder-Kolloquium, Herder-Institut, Marburg Dr. Denis Lomtev (Moskva): „In Noten aufbewahrtes Kulturgut: Aus der Musiksammlung des Herder-Instituts“ 8. März 2013 Jasmin Nithammer: Vorstellung des Dissertationsprojekts: „Grenzen des Sozialismus zu Land und zu Wasser. Die tschechoslowakische Landgrenze und polnische Seegrenze im Vergleich“, 17. Münchner Bohemisten-Treffen, Collegium Carolinum, München 13. März 2013 Herder-Institut, Marburg Master Class der Leibniz Graduate School for Cultures of Knowledge in Central European Transnational Contexts „Bemerkungen zum Verhältnis von Wissenspraktiken, Konzepten und 26. März 2013 Herder-Institut, Marburg Workshop des Bildarchivs „Der fotografische Nachlass von Ernst Stewner“ zur Bewahrung und Erschließung der Fotografien Teilnehmer des Workshops: Dr. Piotr Korduba (Universität Posen) trag: „Intelligente Erfassung von Zeitungsausschnitten: Vorstellung der Softwarelösung DaCaPo“ ● Server ● Client ● Korrektor ● Korrekturprogramm 11.-13. April 2013 Herder-Institut, Marburg Herder-Alumni-Tagung 2013 „Kaleidoskop aktueller Studien und Projekte zur Ostmitteleuropaforschung“ Leibniz Graduate School Masterclass Strukturen nebst einiger Bemerkungen zur Entdeckung des Neuen“ Prof. Dr. Dr. Olaf Breidbach (Jena): Einführungsvortrag zu: „Bemerkungen zum Verhältnis von Wissenspraktiken, Konzepten und Strukturen nebst einiger Bemerkungen zur Entdeckung des Neuen“ 22. März 2013 Ina Alber (Göttingen/Marburg): „Warum reproduzierst gerade du diesen Diskurs? Zur Interdependenz von biographisch etablierten Handlungsmustern und Diskursen“, Frühjahrstagung der Sektion Wissenssoziologie der DGS „Die Diskursive Konstruktion von Wirklichkeit“, Universität Augsburg, Augsburg 22. März 2013 Workshop des Wissenschaftlichen Netzwerkes Sozialfürsorge und Gesundheit in Ost- und Südosteuropa im langen 20. Jahrhundert Herder-Institut, Marburg Dr. Hormoz Ebrahimnejad (University of Southampton): „From Avicenna to Pasteur: An Inquiry into the Historiography of Medical Modernisation in Non-Western Countries“ Dr. Anelia Kassabova (Centre for Southeast European Studies, University of Graz): „Visualisierungen als Strategie zur Aufdeckung oder zur Vertuschung sozialer Probleme“ Dr. Szymonowicz (Universität Posen für das „Zamek“) Dr. Frank Stewner (Hamburg, Sohn von Ernst Stewner) Ute Perrey (Berlin, Tochter von Ernst Stewner) Dr. Miriam Y. Arani (Frankfurt, Fotohistorikerin) Dr. Dietmar Popp (Herder-Institut) Thomas Urban M.A. (Herder-Institut) Wolfgang Schekanski (Herder-Institut) Christina Gorol M.A. (Herder-Institut) 10. April 2013 Herder-Institut, Marburg Tagung „Intelligente Erfassung von Zeitungsausschnitten am Beispiel des Presseausschnittarchivs im Marburger Herder-Institut“ Dr. Jürgen Warmbrunn (Marburg): Begrüßung, Vorstellung des HerderInstituts Dr. Jan Lipinsky (Marburg): „Vorstellung der Zeitungsausschnittsammlung des Herder-Instituts“ Dr. Wolfgang Schade (Berlin): „Vorstellung GFaI e.V., bisherige Arbeiten des Bereichs Dokumentenmanagement. Aufgabenstellung für die intelligente Erfassung von Zeitungsausschnitten“ Dipl. Ing MartinTölle, Dr. Xia Wang (Berlin): „Intelligente Erfassung von Zeitungsausschnitten: Teilaufgaben und ihre Lösung“ Dipl. Ing Martin Tölle (Berlin): Vor- 11. April 2013 Peter Haslinger (Marburg/Gießen): „Verpflichtung und Perspektiven der Entwicklung – Das Herder-Institut für historische Ostmitteleuropaforschung im deutschen Wissenschaftssystem“ Ina Alber (Marburg): „Vorstellung der Alumni-Arbeit des Herder-Instituts“ Sektion 1: Studien zur baltischen Geschichte Peter Wörster (Marburg): Sektionsleitung Darius Baronas (Vilnius): „Das Orthodoxe Vilnius: Die Entstehung und Entwicklung der Heiliggeistbruderschaft 1584-1633“ Muntis Auns (Rīga): „The Revision of Manors of the Dutchy of Curonia in 1747-1748“ Peter Wörster (Marburg): „Vorstellung des Projekts HerBalt – ̦Virtueller Lesesaal‘ für baltisches Archivgut“ Sektion 2: Studien zur Geschichte Polens und zu den deutsch-polnischen Beziehungen Anna Veronika Wendland (Marburg): Sektionsleitung 39 Workshop zum Nachlass von Ernst Stewner stellung des Projekts GeoBib – Frühe deutsch- bzw. polnisch-sprachige Holocaust- und Lagerliteratur (19331949) – annotierte und georeferenzierte Online-Bibliographie zur Erforschung von Erinnerungsnarrativen“ Alumni-Tagung Marta Kuc (Warszawa): „Der konfessionelle Aspekt deutschsprachiger Migration nach Warschau im 18. Jahrhundert“ Marion Brandt (Gdańsk): „Alfred Döblins Begegnung mit Polen im Licht der Notizen und Vorfassungen zur ̦Reise in Polen‘“ Wanda Jarząbek (Warszawa): „Die Deutsche Frage in der polnischen Politik nach 1945“ Dominik Pick (Warszawa): „Umweltschutz im Kommunismus. Die polnischen Journalisten und die Umweltproblematik“ 12. April 2013 Sektion 3: Studien zur Kunstgeschichte und zum kulturellen Erbe Elke Bauer (Marburg): Sektionsleitung Irina Belintseva (Moskva): „Die Holzarchitektur in Ostpreussen (heutiges Kaliningrader Gebiet) aus dem Zeitraum Ende 19. – Anfang 20. Jh.: Baudenkmäler und ihre Meister“ Edvarda Šmite (Rīga): „Kunstecke, Kunstvereine, Kunstleben und Kunstmarkt im Baltikum um die Wende des 19. zum 20. Jahrhundert“ Rasa Pārpuce (Rīga/Berlin): „Die im Zweiten Weltkrieg verlagerten baltischen Kulturgüter zwischen den politischen Grenzen und medialer Möglichkeiten“ Sektion 4: Studien zur Regionalgeschichte Ostmitteleuropas und zu regionalen Identitäten Jan Surman (Marburg/Warszawa): Sektionsleitung 40 Angela Ilić (Genf): „Verflechtungen und Abgrenzungen – Identitäten in regionalen Zentren der Habsburgermonarchie 1867-1918. Die Fallbeispiele Rijeka und Maribor“ Barbara Breysach (Olsztyn): „Jüdische Autorschaft in Ostpreussen zwischen Emanzipation und regionaler Identität (1840-1914)“ Anna Veronika Wendland/Agnes Laba (Marburg): „Vorstellung des Projekts Geoimaginaries / DAPRO – Digitaler Atlas politischer Raumbilder zu Ostmitteleuropa im 20. Jahrhundert“ Marc Friede (Marburg): „Vorstellung des Projekts Historisch-topographischer Atlas schlesischer Städte“ Ina Alber (Marburg): „Vorstellung der Leibniz Graduate School for Cultures of Knowledge in Central European Contexts“ Sektion 5: Studien zum Alltag im Zweiten Weltkrieg Peter Haslinger (Marburg/Gießen): Sektionsleitung Alexander Rogatschewski (St. Petersburg): „Aspekte der Organisation des deutschen Fremdenverkehrs in Europa (1938-1945)“ Daniela Kraus (Marburg): „Vorstellung des Forschungs- und Editionsprojekts ̦World War II – Everyday Life Under German Occupation. Der Zweite Weltkrieg – Alltag unter deutscher Besatzung‘“ Aliaksandr Dalhouski (Minsk): „Alltag in den Eingaben der Weißrussen während der deutschen Besatzung (1941-1944)“ Annalena Schmidt (Marburg): „Vor- Sektion 6: Studien zu Zwangsmigrationen und ihren Folgen Heidi Hein-Kircher (Marburg): Sektionsleitung Andrea D’Onofrio (Napoli): „Die Vertriebenenfrage aus der Sicht der Vertriebenenzeitschriften in Deutschland in den 40er und 50er Jahren“ Barbara Sapala (Toruń): „Die Vertriebenen-Kalender und deren Rolle im Prozess der Eingliederung“ Katarzyna Śliwińska (Poznań): „Literarische Diskurse über Zwangsmigrationen im deutsch-polnischen Vergleich“ Sektion 7: Studien zur Diplomatieund Politikgeschichte Ina Alber (Marburg): Sektionsleitung Liliya Berezhnaya (Münster): „Wann ziehen die Diplomaten die Hüte? Symbolische Praxis in den diplomatischen Beziehungen zwischen Polen-Litauen und dem Moskauer Reich im 17. Jh.“ Justyna Jurkowska (Wien): „Die Parlamentarismuskritik der Zwischenkriegszeit im deutsch-polnischen Kontext am Beispiel von Stanislaw Car und Carl Schmitt“ Sektion 8: Studien zur Zeitgeschichte Ostmitteleuropas Jürgen Warmbrunn (Marburg): Sektionsleitung Jana Kosová (Praha): „Abzug der Sowjettruppen aus dem Gebiet Deutschlands, Polens und der Tschechoslowakei (1989-1994)“ Joanna Chojnicka (Poznań): „Twenty Years of Research on the Latvian Nation-(re)building Project: an Attempt at Comparative Discourse Analysis“ Patryk Wasiak (Warszawa): Vortrag: „Consumer Culture, Home Appliances and the Lifestyle of Poles of the 1990s“ 18.-19. April 2013 Herder-Institut, Marburg Tagung „Knowledge about Resour- ces.“ Challenges of the Exploration and Exploitation of Resources in East Central Europe in the 19th and 20th Centuries“, A joint conference of the Herder Institute for Historical Research on East Central Europe – Institute of the Leibniz Association (Marburg), the Collegium Carolinum (München) and the Centre for Environmental History (Tallinn) 18. April 2013 Heidi Hein-Kircher (Marburg): Welcoming Words Christian Lotz (Marburg): Introduction Panel 1: Knowledge about the Exploitation of Resources Heidi Hein-Kircher (Marburg): Chair Peter Konečný (Banská Štiavnica): „Between Cameralism and Natural Sciences. Efforts for Exploitation of Natural Resources in Hungarian Mining, ca. 1800-1850“ Sebastian Haumann (Darmstadt): „Geology and Real-Estate. Opening up Limestone Deposits in the 19th Century“ Erki Tammiksaar (Tartu): „The Birth of the Estonian Oil-shale Industry“ Martin Zückert (München): „Regions of Resource Improvement? Czechoslovak Mountain Areas in an Agricultural Perspective“ Roman Holec (Bratislava): „Slovakia as Eldorado of Strategic Raw Materials in the First Half of the 20th Century“ Tadeus Janicki (Poznań): „Farmland and People as Essential Resources of the Second Republic of Poland in the Concepts of Polish Agrarians“ Kadri Tüür (Tartu): „Hay: from resource to problem“ 19. April 2013 Panel 2: Transnational Exchanges and Debates about Resources Christian Lotz (Marburg): Chair Esa Ruuskanen (Turku): „The German Influence on Economic Appraisal and Land Use of Bogs, Fens and Mires in Estonia and Finland, circa 1880-1940“ Jan Arend (München): „The Scientific Study of Soil as a Natural Re- source. Russia, Germany and the U.S., 1880-1930“ Maria Pavlova (Moskva): „The Neman River in the International Relations in Eastern Europe, 1920s-1930s“ Panel 3: Imagining and Describing Resources Ulrike Plath (Tallinn): Chair Karsten Brüggemann (Tallinn): „ ̦Pol’za‘ for Russia: The Benefit of the Baltic Provinces for the Empire According to Russian Late 19th Century Regional Studies“ Borbála Zsuzsanna Török (Konstanz): „Historicizing the Notion of Resources. Descriptive Statistics in East-Central Europe in the First Half of the ̦Long‘ Nineteenth-Century“ Panel 4: Academic and Traditional Knowledge about Resources Martin Zückert (München): Chair Dorin-Ioan Rus (Graz): „Conflicts between the Traditional and Scientific Knowledge of Forests in EighteenthCentury Transylvania“ Robert Gray (Keele): „Creating the Commons: Dialogues between Community, Nation and State in the Management of Natural Resource in Hungary, 1848-1918“ Julia Lajus (St. Petersburg): „Experts, State and Local Users of Natural Resources: Changes in Their Relations in Imperial and Soviet Russia“ Veronika Wendland (Marburg): „Hidden Energies. Public and Arcane Knowledge on Nuclear Technology in the Soviet Union“ Panel 5: Exploiting and Conserving Resources Thomas Bohn (Gießen): Chair Thomas Bohn (Gießen): Introduction Julian Mühlbauer (Gießen): „Resource or Reserve? Players, Interests and Changes in the History of Białowieża National Park“ Markus Krzoska (Gießen): „ ̦International Society for the Protection of the European Bison‘ after World War I as a Trial for a Synenergistic Use of Resources“ Aliaksandr Dalhouski (Gießen): „Ambivalences of German Occupation – Exploitation and Conservation in the First and Second World Wars“ Ulrike Plath (Tallinn): Final Commentary 20. April 2013 Ina Alber (Marburg/Göttingen): „Creating Knowledge About Civil Society – Democracy Promotion In Transnational Contexts“, 2nd Copernicus Graduate School Interdisci-plinary Conference: „Good Governance and Civil Society“, Nicolaus Copernicus University, Toruń, Polen. 24. April 2013 Herder-Institut, Marburg Workshop: „Cultures of Opposition – Samizdat in East Central Europe“ Ina Alber (Marburg/Göttingen): Welcome and Introduction Gregor Feindt (Bonn): „Introduction to Samizdat and some Reflections on (oppositional) Political Community“ Ina Alber (Marburg/Göttingen): „Cultures of Opposition in Biographical Narrations – Polish Memories“ Daniela Sneppova (Toronto): „Samizdat: the Art of Czech Resistance, 1968-89“ Jan Lipinsky / Jürgen Warmbrunn (Marburg): „Presentation of Samizdat Sources in the Urbańczyk- and Herder Newspaper Collection“ 2. Mai 2013 Jan Lipinsky (Marburg): „Geschichte im Netz: Datenbanken, Wissensressourcen, Onlineportale: das HerderInstitut in Marburg“, Vortrag in der Lehrveranstaltung „Zeitgeschichte und Internet“, Universität Rostock 8. Mai 2013 Herder-Kolloquium, Herder-Institut, Marburg Eva Reder M.A. (Wien): „Im Schatten des polnischen Staates – Pogrome in Polen 1918-20 und 1945/46“ 13.-14. Mai 2013 Herder-Institut, Marburg Sitzung der Sektion A der LeibnizGemeinschaft 14.-15. Mai 2013 Herder-Institut, Marburg Annunal NISE Gathering 41 14. Mai 2013 Louis Vos (Leuven), Peter Haslinger (Marburg/Gießen): Welcoming words Tour of the Herder-Institut 15. Mai 2013 Miroslav Hroch (Praha): key note: „The Asynchronicity of National Movements“ Alexei Miller (Moskva), Anna Veronika Wendland (Marburg): commentary Peter Haslinger (Marburg/Gießen): chair: general discussion Caspar Hirschi (St. Gallen): key note: „The Pre-modernity of Nations and Nationalism“ Maarten Van Ginderachter (Antwerpen): chair: general discussion 23. Mai 2013 Heidi Hein-Kircher (Marburg) und Elena Mannová (Bratislava): Begrüßung und Vorstellung Elena Mannová (Bratislava): „Pressburg – Pozsony – Bratislava: Politische Zäsuren und gesellschaftliche Brüche in einer multiethnischen Stadt“ Peter Haslinger (Marburg/Gießen): „Der Erste Weltkrieg, Demokratisierung und die kleinen Kriege in Ostmitteleuropa – Systembruch oder Kontinuität?“ Sektion: Gewalterfahrungen als gesellschaftliche Zäsuren Peter Haslinger (Marburg/Gießen): Sektionsleitung Teilnehmerinnen und Teilnehmer der Nachwuchstagung „Politische Zäsuren“ 22. Mai 2013 Annalena Schmidt (Marburg/Gießen): „Alltägliches Leben und organisiertes Sterben. Die ̦Jüdische Soziale Selbsthilfe‘ im Generalgouvernement 1939-1945“, DHI-Kolloquium, Warschau 23.-25. Mai 2013 Bratislava Internationale und interdisziplinäre Nachwuchstagung des Herder-Instituts für historische Ostmitteleuropaforschung – Institut der LeibnizGemeinschaft und des Historischen Instituts der Slowakischen Akademie der Wissenschaften in Kooperation mit dem Slowakischen Nationalmuseum – Museum der Kultur der Karpatendeutschen „Politische Zäsuren – gesellschaftliche Brüche? Zur Bedeutung politischer Zäsuren für die gesellschaftliche Entwicklung in Ostmitteleuropa im 19. und 20. Jahrhundert“ 42 Florian Krug (Potsdam): „Die russische Sprachpolitik im Königreich Polen am Vorabend des Ersten Weltkrieges und während des ersten Kriegsjahrs“ Thomas Martin (Riegelsberg): „Wie ein Phoenix aus der Asche?! Die Transformation Griechenlands von der orientalischen Okkupation zur europäischen Monarchie im 19. Jahrhundert und die Probleme eines jungen Königreichs“ Timo Leimbach (Erfurt): „Im Spannungsfeld zwischen Volksvertretung, Öffentlichkeit und Gesellschaft: Zum scheinbaren Scheitern und der realen Funktionalität des parlamentarischen Systems in der Zwischenkriegszeit“ Tomáš Králik (Bratislava): „The Monastic Nurses in Totalitarian Regime 1948-1953 in Czechoslovakia on the Example of the Order of Saint Elisabeth in Bratislava“ 24. Mai 2013 Sektion: Radikalisierung als Antwort auf Zäsuren Elena Mannová (Bratislava): Sektionsleitung Jakub Drábik (Oxford): „Perception of the Post-First World War Social Changes: The Case of Sir Oswald Mosley and the British Union of Fascists“ Sektion: Zäsuren als Katalysator für die Entwicklung von kollektiven Identitäten? Michal Pullmann (Praha): Sektionsleitung Thomas Oellermann (Praha): „Szenen einer erzwungenen Ehe – die deutsche Sozialdemokratie in den böhmischen Ländern nach 1918“ Janek Mareš (Praha): „Gender Relations in the Czech Society in the Second Half of the Nineteenth Century: Between Masculinity, Femininity and Nation“ Agáta Drelová (Exeter): „The Perception of ̦Religious freedom‘ among Slovak Catholics before and after 1989“ Sektion: Paradigmenwechsel als Antwort auf Zäsuren, 1 Heidi Hein-Kircher (Marburg): Sektionsleitung Christian Schäfer (Michendorf): „Zeit des Energiesparens? Die Bundesrepublik und Frankreich in den Ölkrisen der 1970er Jahre“ Michal Pullmann (Praha): „Konsensstiftung vor und nach 1989: Die Tschechoslowakei im europäischen Kontext“ 25. Mai 2013 Sektion: Paradigmenwechsel als Antwort auf Zäsuren, 2 Maria Palme (Jena): „Zum Paradigmenwechsel im Streben nach Wahrheit und Gerechtigkeit – Eine komparatistische Länderfallstudie der deutschen Enquête-Kommission zur ̦Aufarbeitung von Geschichte und Folgen der SED-Diktatur‘ (1992-1994) und der Südkoreanischen Wahrheitskommission „TRCK“ (2005-2010)“ Sektion: Gesellschaftliche Zäsuren – kulturelle Brüche? Elena Mannová: Sektionsleitung Lenka Abaffyová (Bratislava): „Sozialismus – Postsozialismus. Auswirkungen des Übergangs auf das Leben einer Industriestadt und ihrer Bewohner“ Gregor H. Lersch (Berlin): „Kunst und Politische Zäsuren – Das Beispiel Polnische Kunst und die deutsch-polnischen Kunstbeziehungen nach 1945“ Katarzyna Maria Walasek (Kraków): „Political Turning Points – The Collapse of the Soviet Union and Reflections on Cultural Identity of the Contemporary Russia“ 29. Mai 2013 Jasmin Nithammer (Marburg): Vorstellung des Dissertationsprojekts „Grenzen des Sozialismus zu Land und zu Wasser – Die tschechoslowakische Landgrenze und polnische Seegrenze im Vergleich“ im Kolloquium des Deutschen Historischen Instituts Warschau 31. Mai 2013 Frankfurt am Main Studientag „Übersetzung und wissenschaftlicher Wandel“ Eine Kooperationsveranstaltung mit dem Forschungszentrum für historische Geisteswissenschaften, Goethe-Universität Frankfurt am Main Fabian Link (Frankfurt) und Jan Surman (Marburg): Begrüßung Federico Italiano (München/Innsbruck): „Wissen, Raum und Performativität: Überlegungen zur (kulturellen) Übersetzung“ Muriel Moser (Frankfurt): „Übersetzungen als Vermittler von Wissen und Macht im römischen Reich am Beispiel der Res Gestae des Augustus“ Dagmar Comtesse (Frankfurt): „Politiken der Übersetzung. Jean Le Rond d’Alemberts Eléments de Philosophie“ Kinga Kuligowska (Marburg): „Die Begrüßung eines ̦Überzähligen‘? Zur Rezeption der englischen Übersetzung von Zygmunt Baumans Klasa, ruch, elita“ Regina Toepfer (Frankfurt): „ ̦Göttin des Gesangs dich rufe ich an‘. Zur Übersetzungspoetik der ersten deutschen Odyssea (1537/38)“ Christian Lotz (Marburg): „Zur Geschichte des Begriffs Nachhaltigkeit. Fallbeispiele aus deutschen, englischen, norwegischen, polnischen und russischen Lehr- und Wörterbüchern des 19. Jahrhunderts“ Friedolin Krentel (Gießen/Göttingen): „Analog/Digital? Praktiken des Übersetzens am Beispiel musealer Ordnungssysteme“ Catarina Caetano da Rosa (Darmstadt): „Das Konzept der Übersetzung in der Akteur-Netzwerk-Theorie“ 11. Juni 2013 Herder-Institut, Marburg Kolloquium der Leibniz Graduate School for Cultures of Knowledge in Central European Transnational Contexts Daniela Sneppova (Toronto): „The Assassination of Culture: Censorship, Propaganda, and the Dissemination of Banned Czech Culture, 1968-89“ Katharina Kreuder-Sonnen (Berlin/ Gießen): „Getting Microbes and People into Place. Epidemiological Statebuilding in the 2nd Polish Republic“ Esa Ruuskanen (Turku): „Valuing Peatlands: Changing Land Use Practices and Knowledge Transfer Regarding Bogs, Fens and Mires in Finland, Estonia and Sweden from the Late 1800s to the Mid-1900s“ 13.-14.Juni 2013 Herder-Institut, Marburg Doppeltagung des Herder-Instituts für historische Ostmitteleuropaforschung – Institut der Leibniz Gemein- schaft, Marburg und des Instituts für Ost- und Südosteuropa, Regensburg „Politische Mobilisierung in Ostmittel- und Südosteuropa“ 13. Juni 2013 Peter Haslinger (Marburg/Gießen): Begrüßung und Einführung Petra Stykow (München): „Politische Partizipation in Ostmittel- und Südosteuropa heute: Gibt es einen langen Schatten der sozialistischen Vergangenheit?“ Krise und Radikalisierung als aktuelles Politikphänomen Ulf Brunnbauer (Regensburg): Moderation Aron Buzogány (Speyer): „Die dunkle Seite der Zivilgesellschaft: Radikalnationale Bewegungen in Ungarn“ Philipp Karl (Budapest): „Das subkulturelle Netzwerk um Jobbik – entstanden als Antwort auf die Krise?“ Adam Slaby (Chemnitz): „Die gegenwärtige politische Mobilisierung in der Tschechischen Republik als Spiegelbild einer politisch-gesellschaftlichen Krise“ Mihai-D. Grigore (Mainz): „Moldawien zwischen Nationalismus und Europäizität. Überlegungen zu den politischen Ereignissen seit der Wahl im April 2009“ Symbolische Ressourcen politischer Mobilisierung Peter Haslinger (Marburg/Gießen): Moderation Florian Peters (Berlin): „Geschichte und Erinnerung als Mobilitäts43 Pressegespräch zur Vorstellung des Städteatlas in Nowa Sól ressourcen der polnischen Oppositionsbewegung der 1970er und 1980er Jahre“ Oleksandr Svyetlov (Rīga/Kiev): „Propaganda and Mass Mobilisation during the ‚Orange Revolution‘“ Spät- und postimperiale Kontexte Eszter Gantner (Marburg): Moderation Jakub Beneš (Birmingham): „Narrating Utopia into History: Czech and German Social Democracy in Austria, 1890-1914“ Judit Pál (Cluj): „Eliten- und Parteienmobilisation in Siebenbürgen in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts“ Jan Zofka (Leipzig): „Sowjetischer Separatismus im Dnjestr-Tal in Moldova: Grundlagen politischer Mobilisierung in sowjetischen Industrie- Parteien in den neuen Nationalstaaten der Zwischenkriegszeit Birgit Vierling (München): Moderation Roman Holec (Bratislava): „Der Bund der slavischen Agrarjugend als Bestandteil der internationalen Agrarbewegung (1924-1938)“ Florian Kührer (Wien): „Die Rumänische Nationalpartei, ihre Protagonisten und die Integration Siebenbürgens in den rumänischen Staat. Institutionelle Zentralisierung und politischer Regionalismus in der Krise“ Vasile Ciobanu (Sibiu): „Politische Parteien aus Rumänien während der Wirtschaftskrise 1929-1933“ Oskar Mulej (Ljubljana): „Mobilisierungsstrategien der Jugoslawischen Nationalpartei 1932-1935“ Ulf Brunnbauer (Regensburg): Zusammenfassung und Ausblick 16.-21. Juni 2013 Dorothee M. Goeze (Marburg): „A Look into the Past for Assessing the Present Age of Your Country. Considerations about the Online Project HerBalt (Hereditas Baltica), Virtual Reading Room for Archival Materials“, 10th Conference on Baltic Studies in Europe, Tallinn 19.-21. Juni 2013 Jürgen Warmbrunn (Marburg): „Czy ̦akademickie wieże z kości słoniowej‘ mogą mieć też swoich fanów? Na drodze do zmodyfikowanej własnej definicji biblioteki Instytutu Herdera w Marburgu“, IV Wrocławskie Spotkania Bibliotekarzy, Wrocław 20 Juni 2013 Anna Veronika Wendland gemeinsam mit Elke Bauer (Marburg): Kommentar zum Vortrag: „Personen, Orte und Verfahren zur Herstellung von Authentizität im Mittelalter und beginnender Frühen Neuzeit“ von Michael Rothmann (Hannover), Kick-offWorkshop zum Leibniz-Forschungsverbund „Historische Authentizität“, Leibniz-Institut für Europäische Geschichte, Mainz 22. Juni 2013 Anna Veronika Wendland (Marburg): „Atomogrady. – Late Soviet Nuclear Urbanism between Utopia and Disaster“, Tagung „The Peaceful Atom Compared“, Universität Heidelberg Präsentation der Sammlungen für das DAAD-Netzwerk betrieben während Perestrojka und Transformationskrise“ 14. Juni 2013 Externe Faktoren und Mobilisierung in politischen Übergangsphasen Petra Stykow (München): Moderation StefanThierfelder (Aalen): „Der Ostdeutsche Heimatdienst. Ostpreußen zwischen Weltkriegsende und Volksabstimmung 1919-1920“ Hermann Beyer-Thoma (Regensburg): „Von der ̦Waffenbrüderschaft‘ zur Abwehr des ̦Tschechoslowakischen Weges‘. Die Neuaufstellung der Sozialdemokratischen Partei Finnlands in den ̦Jahren der Gefahr‘ 1944-1948“ 44 14.-15. Juni 2013 Kinga Kuligowska (Marburg): „Im Wirrwarr der Ideologie – Leszek Kolakowski und Zygmunt Bauman im Wortgefecht mit der britischen New Left Anfang der 1970er Jahre“, Internationale Konferenz „Silence and Voices of Dissent. Communists Intellectuals in Societies of the Soviet Type“, Centre Marc Bloch, Berlin 16.-21. Juni 2013 Peter Wörster (Marburg): „Information Systems to Baltic Archives. The Project ArchiBalt of the Herder Institute in Marburg“, 10th Conference on Baltic Studies in Europe, Tallinn 28. Juni 2013 Anna Veronika Wendland (Marburg): „Der Zbruč als Phantomgrenze in der Ukraine?“, Kommentar zum Vortrag von Sabine von Loewis Neue Veröffentlichungen Zeitschrift für Ostmitteleuropa-Forschung Jerzy Grzybowski: Belarussen in den polnischen Streitkräften in Friedenszeiten (1921-1939) Das neueste Heft 62/2 der Zeitschrift für Ostmitteleuropa-Forschung versammelt ausgewählte Beiträge einer im WS 2011/12 an der Universität Leipzig veranstalteten Vortragsreihe, deren ursprünglicher Titel „Minderheitenpolitik als Interaktion? Die staatlichen Institutionen und die ‚nichtpolnischen‘ Staatsbürger (1918-1939)“ lautete. Die Überschrift wie auch die Beiträge wurden für die Veröffentlichung in der ZfO von den Gastherausgebern Christhardt Henschel und Stephan Stach leicht überarbeitet. Neben einem Besprechungsteil finden sich in dem Heft die folgenden Beiträge: Christhardt Henschel, Stephan Stach: Einleitung. Nationalisierung und Pragmatismus. Staatliche Institutionen und Minderheiten in Polen 1918-1939 Mateusz Rodak: Justizwesen und Strafverfolgungsorgane der Zwei- Andrii Rukkas: Ukrainians in Compulsory Military Service in the Polish Armed Forces (1921-1939) Cornelia Schenke: Polnische Ukrainepolitik in Wolhynien 1921-1939 Michał Gałędek: Relations between the Local Administration of the Polish Eastern Territories and Non-Catholic Religious Associations in the Second Republic ten Polnischen Republik im Umgang mit Juden Wojciech Skóra: Auswärtige Nationalitätenpolitik. Der konsularische Dienst Polens und die nationalen Minderheiten (1918-1939) Bernadetta Wójtowicz-Huber: Die griechisch-katholische und die orthodoxe Konfession als Instrument nationaler Politik im Lemkenland in Polen 1918-1939 Galizien. Peripherie der Moderne – Moderne der Peripherie? Das habsburgische Kronland Galizien hielt man im 19. Jahrhundert gemeinhin für ein „rückständiges“, von den „Errungenschaften der Moderne“ kaum berührtes „Halb-Asien“. Ein differenzierteres Bild der galizischen „Peripherie“ zeichnet der neue Band des Doktoratskollegs „Galizien“ an der Universität Wien. In den geschichts- und literaturwissenschaftlichen Beiträgen werden unterschiedliche Facetten der Moderne dieser multiethnischen und plurikulturellen Region beleuchtet. Galizien wird hier nicht zur bloßen „Peripherie der Moderne“ reduziert, sondern als nahezu idealer Verhandlungsort der „Vielfalt der Moderne“ verstanden. Im Blickpunkt stehen unterschiedliche Selbst- und Fremdzuschreibungen Galiziens innerhalb der Diskurse um ten und interreligiösen Spannungen über die unterschiedlichen Modernisierungsprozesse in Verwaltung, Politik und Militär bis hin zur Konstruktion Galiziens als postmoderner Erinnerungsraum in der Gegenwart. Elisabeth Haid, Stephanie Weismann, Burkhard Wöller (Hrsg.) Galizien. Peripherie der Moderne – Moderne der Peripherie? Marburg 2013, 216 S., 10 Abb. € 28,– ISBN 978-3-87969-379-5 die Moderne. Dabei spannt sich der Bogen von modernen Krisensymptomen, neuen nationalen Ideologien, innerjüdischen Assimilationsdebat45 Alltagsperspektiven im besetzten Warschau Der deutsche Postbeamte Hermann Beyerlein war in den Jahren 1939-1944 bei der „Deutschen Post Osten“ im besetzten Warschau beschäftigt und leitete seit 1941 das für die Besatzungsmacht kommunikationstechnisch bedeutende Fernmeldeamt. Seinen Arbeitsalltag und seine Eindrücke aus der besetzten polnischen Hauptstadt hielt er in rund 300 erhalten gebliebenen pri- vaten Fotografien fest. Der Fokus der fotografischen Aufmerksamkeit lag auf dessen unmittelbarem dienstlichem Aufgabenbereich und Privatleben und war dabei klar von der Binnenperspektive der deutschen Apartheid-Gesellschaft in Warschau geprägt. Auch Beyerleins Blick auf die polnische Außenwelt wurde maßgeblich von diesem Ausgangspunkt bestimmt. Eine Auswahl aus diesem bemerkenswerten und erstmals ausgewerteten fotografischen Nachlass wird in einer zweisprachig kommentierten Fotodokumentation präsentiert. Beyerleins Fotos zeichnen sich dadurch aus, dass sie weder die amtliche Perspektive der Besatzungsorgane und ihrer ideologisch bestimmten Propaganda noch den entgegengesetzten Blickwinkel des polnischen Widerstands wiedergeben. Vielmehr eröffnen sie interessante Einblicke in den Alltag und in die Wahrnehmungsmuster eines höheren deutschen Zivilbeamten im deutsch besetzten Warschau. Die alltagsgeschichtlich und biografisch orientierte Studie wirft somit ein neues Licht auf bislang wenig untersuchte Grauzonen des deutsch-polnischen Verhältnisses während des Zweiten Weltkriegs und erweitert unser Bild von der deutschen Besatzungsherrschaft in Polen. Rudolf Jaworski, Florian Peters Alltagsperspektiven im besetzten Warschau Fotografien eines deutschen Postbeamten (1939-1944) Perspektywy codzienności w okupowanej Warszawie Fotografie niemieckiego urzędnika pocztowego (1939-1944) Marburg 2013, 74 S., 113 Abb. € 25,– ISBN 978-3-87969-380-1 Bibliographien zur Geschichte und Landeskunde Ostmitteleuropas Mit der „Bibliographie zur Geschichte Schlesiens 2003“, die zusätzlich in der Reihe „Acta Universitatis Wratislaviensis“ erscheint, liegt ein weiteres Ergebnis der bewährten Kooperation zwischen dem Herder-Institut, dem Historischen Institut der Universität Breslau und dem Slezský ústav Slezského zemského muzea in Troppau vor. Während die Aufnahme der deutsch- und der westsprachlichen Publikationen am Herder-Institut erfolgte, wurde die in Polen und Tschechien erschienene Literatur zur Geschichte Schlesiens von den beiden dortigen PartnerInstitutionen gesammelt. Die Bibliografie für das Berichtsjahr 2003 enthält 4 275 Titel, die durch ein Personen- und ein Autorenregister sowie ein dreisprachiges Sach46 in westlichen Sprachen wurden ins Deutsche übersetzt. Die Bibliografie für das Jahr 2003 ist ein Auszug der über das Internet recherchierbaren Literaturdatenbank zur Geschichte Ostmitteleuropas (http://www.litdok.de). und Ortsregister erschlossen werden. Ausgewertet wurden allein über 700 Zeitschriften und Schriftenreihen aus der Geschichtswissenschaft und benachbarten Disziplinen. Die Sachtitel in anderen als Bibliographien zur Geschichte und Landeskunde Ostmitteleuropas 2003, Band 48 Herausgegeben von Peter Garbers und Karol Sanojca Marburg – Wrocław – Opava 2012 XLIX, 560 S. € 39,00 ISBN: 978-3-87969-368-9 Terminvorschau 27. April - 31. Dezember 2013 Rathaus Kowary (Schmiedeberg) Zeit-Reisen. Schlesien-Ansichten aus der Graphiksammlung Haselbach Eine Ausstellung des Herder-Instituts Marburg, des Schlesischen Museums zu Görlitz und des Kunstforums Ostdeutsche Galerie Regensburg, in Kooperation mit dem Architekturmuseum in Breslau, gefördert vom Beauftragten der Bundesregierung für Kultur und Medien, dem Hessischen Sozialministerium, dem Sächsischen Staatsministerium des Innern und der Stiftung für deutsch-polnische Zusammenarbeit. Die Ausstellung wird vom Deutschen Kulturforum östliches Europa präsentiert. 27. Juni - 20. September 2013 Generalkonsulat der Republik Polen in München Warschau – der letzte Blick. Deutsche Luftaufnahmen aus der Zeit vor dem Warschauer Aufstand, August 1944 Eine Ausstellung des Historischen Museums der Stadt Warschau, der Vereinigung der Polnischen Denkmalpfleger, des Bildarchivs Foto Marburg und des Herder-Instituts. 20. Juni - 30. August 2013 Hessische Landeszentrale für politische Bildung, Wiesbaden Im Objektiv des Feindes – Die deutschen Bildberichterstatter im besetzten Warschau 1938-1945 / W obiektywie wroga. Niemieccy fotoreporterzy w okupowanej Warszawie (1939-1945) Eine Ausstellung des Herder-Instituts in Marburg in Zusammenarbeit mit dem „Haus der Begegnungen mit der Geschichte“ in Warschau, der Polnischen Akademie der Wissenschaften in Warschau, dem Bundesarchiv in Koblenz und der Stiftung Preußischer Kulturbesitz mit der Bildagentur bpk sowie dem Museum Europäischer Kulturen – Staatliche Museen zu Berlin im Rahmen des Föderalen Programms der Stiftung Preußischer Kulturbesitz. 12. Juli - 11. Oktober 2013 Haus des Deutschen Ostens Zoppot, Cranz, Rigaer Strand. Ostseebäder im 19. und 20. Jahrhundert Eine Ausstellung des Herder-Instituts in Zusammenarbeit mit dem Deutschen Kulturforum östliches Europa in Potsdam und dem Lehrstuhl für Geschichte Osteuropas an der Europa-Universität Viadrina Frankfurt (Oder) 5.-6. September 2013 Berlin Nachfolgetagung der Leibniz-Gemeinschaft und der Polnischen Akademie der Wissenschaften in Zusammenarbeit mit dem Herder-Institut Wissenschaftsdialog – grenzüberschreitend. Potenziale und Herausforderungen für die Geistes-und Sozialwissenschaften / Scientific Dialogue across Boundaries. Potentials and Challenges in the Social Sciences and Humanities 10. September 2013 Herder-Institut, Marburg Lesung Ulrike Enke: „Leben“ aus der Nachlasskiste – Zum Nachlass Emil von Behrings und Behrings Biografie(n) 11.-13. September 2013 Herder-Institut, Marburg Tagung Untergangszenarien und Zukunftsvisionen in imperialen Krisenphasen im östlichen Europa 1850-1920 in Kooperation mit dem Lehrstuhl für Geschichte Ost- und Mitteleuropas an der Otto-Friedrich-Universität Bamberg, der Leibniz Graduate School for Cultures of Knowledge in Central European Transnational Contexts, dem Gießener Zentrum Östliches Europa an der Justus-Liebig-Universität Gießen und dem Leibniz-Forschungsverbund „Krisen in einer globalisierten Welt“ 3.-6. Oktober 2013 Denver, Colorado The Thirty-Seventh Annual Conference of the German Studies Association Panel: Entangled Spaces: German, Czech and Polish Territorial Contestation in the Weimar Era. 12. Oktober 2013 Frankfurt 13.00-14.00 Uhr: Präsentation und Gespräch Von der Karte in den Kopf – Wie Landkarten unsere Vorstellungen von der Welt prägen, gemeinsam mit dem Georg-Eckert-Institut für internationale Schulbuchforschung, im Rahmen des Forum Weltempfang der Frankfurter Buchmesse vom 9.13. Oktober 2013 19.-20. Oktober 2013 Kazan' Auftaktkonferenz Mehrsprachigkeit in politischen Umbruchphasen im Rahmen des DAAD-Netzwerks „Kulturelle Kontakt- und Konfliktzonen im östlichen Europa“ gemeinsam mit dem Gießener Zentrum Östliches Europa (GiZo) an der Justus-LiebigUniversität Gießen, der Staatlichen Universität Kazan’ und dem HerderInstitut, Marburg 22. Oktober 2013 Herder-Institut, Marburg Master Class der Leibniz Graduate School for Cultures of Knowledge in Central European Transnational Contexts mit Dr. Per Bolin (Södertörns Högskola) 29. Oktober 2013 Herder-Institut, Marburg Lesung zu Otfried Preußler im Rahmen der vom 24.-31.10. stattfindenden Veranstaltungswoche „Treffpunkt Bibliothek“ 30. Oktober 2013 Herder-Institut, Marburg Masterclass mit Dr. Robert Györi (Eötvös Loránd Universität Budapest) zum Thema Scientific Repudiation of the Past – Hungarian Geography on the Way of Sovietization, 1945-1960 im Rahmen des SAW-Projektes „Digitaler Atlas politischer Raumbilder zu Ostmitteleuropa im 20. Jahrhundert – Geoimaginaries“ 47 Fortsetzung der Terminvorschau 19. November 2013 Herder-Institut, Marburg Lesung Rudolf Jaworski und Florian Peters: Alltagsperspektiven im besetzten Warschau. Fotografien eines deutschen Postbeamten (1939-1944) 3. Dezember 2013 Herder-Institut, Marburg Lesung Beata Halicka: „Polens Wilder Westen“ – erzwungene Migration und die kulturelle Aneignung des Oderraumes, 1945-1948 7. Februar 2014 Regenburg Workshop Publikationskulturen im Wandel, Teil 2, organisiert vom Institut für Ost- und Südosteuropaforschung, Regensburg und dem Herder-Institut, Marburg 21.-24. November 2013 Boston, Massachusetts The 45th Annual ASEEES Convention Session: Geo-Imaginaries and Politics of Space – East Central Europe in the 20th Century 5.-6. Dezember 2013 Gießen Belarus-Workshop Sozialistische Moderne oder kommunistischer „Ökozid“? Umweltkatastrophen und lokale Identitäten im östlichen Europa des Gießener Zentrums Östliches Europa (GiZo) an der Justus-Liebig-Universität Gießen in Zusammenarbeit mit dem Herder-Institut, Marburg 14.-15. Februar 2014 Regensburg Zweiter Teil der Doppeltagung Politische Mobilisierung in Ostmittel- und Südosteuropa in Kooperation mit dem Institut für Ost- und Südosteuropaforschung, Regensburg 26.-27. November 2013 Herder-Institut, Marburg Masterclass und Workshop Regionalismus und Urbanismuskonzepte in multikulturellen Kontexten in Kooperation mit dem Gießener Zentrum Östliches Europa (GiZo) an der Justus-Liebig-Universität Gießen und dem International Graduate Centre for the Study of Culture (GCSC) im Rahmen des DAAD-Projektes „Kulturelle Kontakt- und Konfliktzonen im östlichen Europa“ 27.-29. November 2013 Berlin Jahrestagung der Leibniz-Gemeinschaft 6.-8. Dezember 2013 Herder-Institut, Marburg Jahrestagung Ethnizität als Analysekategorie der Ostmitteleuropaforschung und Mitgliederversammlung des Johann Gottfried Herder-Forschungsrates 12.-13. Dezember 2013 Herder-Institut, Marburg Jahrestagung Leibniz Graduate School Geschlecht und Wissen(schaft) in Ostmitteleuropa in Kooperation mit der Professur „Europäische Zeitgeschichte seit 1945“ der Universität Siegen 4.-7. März 2014 Herder-Institut, Marburg Tagung Wissenstransfer und urbaner Raum. Formate, Modi und Akteure des Wissenstransfers in den Städten Ostmittel- und Osteuropas 20.-22. März 2014 Gießen Dritte Tagung Deutsche Polenforschung Wissen, Verstehen, Übersetzen: Nachbarn im Dialog, veranstaltet vom Deutschen Polen-Institut Darmstadt, vom Gießener Zentrum Östliches Europa (GiZo) an der JustusLiebig-Universität Gießen und dem Herder-Institut, Marburg Herder-Institut für historische Ostmitteleuropaforschung – Institut der Leibniz-Gemeinschaft Gisonenweg 5-7 35037 Marburg Tel. +49 6421 184-0 Fax +49 6421 184-139 [email protected] www.herder-institut.de 48