Praxis- - Dietrich Hub
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Praxis- - Dietrich Hub
Seewesen Praxistraining Navigation Welcher Seefahrts-Fan hat sich das nicht schon einmal gewünscht: Auf der Brücke stehen und hautnah miterleben, wie ein Schiff gesteuert wird – und auch noch selbst Hand anlegen! Dietrich Hub hat sich diesen Traum erfüllt: Zwei Tage nahm er an einem Navigations-Seminar auf der »Kronprins Harald« teil. Seminarteilnehmer vor dem Radar W ir unterhalten uns nur leise, denn wir wollen die beiden Männer mit konzentriertem Blick voraus auf die Kieler Förde nicht stören. Die Kronprins Harald der Color Line ist immerhin 166 Meter lang und 28 Meter breit. Mit bedächtigen Bewegungen manövriert der Rudergänger die Fähre vom Norwegenkai in Kiel weg und nimmt langsam Kurs auf die Ostsee. Wir stehen hinter dem Kapitän und dem Rudergänger und nehmen wahr, wie sensibel dieses Fahrzeug mit einer Bruttoraumzahl von fast 32000 gesteuert werden kann. Momentan sind wir Seminarteilnehmer noch Zuschauer. In der nächsten Arbeitseinheit müssen wir selbst die aktuelle Position der Kronprins Harald berechnen und in die Seekarte eintragen. Tabuzone Brücke Auch als erfahrener Passagier auf Kreuzfahrtsschiffen gelangt man nur selten in den heiligsten Bereich eines Schiffes: Die Brücke ist für Passagiere normalerweise eine Tabuzone. Selbst wenn man einmal die Kommandozentrale eines Schiffes besichtigen darf hat man in dieser Viertelstunde kaum Gelegenheit, genaueres über die Arbeit der nautischen Offiziere zu erfahren. Als Teilnehmer am Seminar »Praxistraining Navigation« darf man in diesen verschlossenen Bereich vordringen. Kapitän a. D. Günther Kullack bietet auf dem Fährschiff Kronprins Harald dieses Seminar an, in dem man den Alltag auf der Brücke miterlebt. Das Seminar richtet sich in erster Linie an Segler, die einmal die Perspektive wechseln wollen, d.h. Navigation vom Blickwinkel der Brücke eines Großschiffes kennen lernen wollen. In zweiter Linie ist dieses Seminar für alle Seefahrtsbegeisterten bestimmt, die persönlich miterleben möchten, wie die Arbeit auf der Brücke aussieht. Kapitän Günther Kullack (66) fuhr früher als Offizier auf Frachtschiffen der Hamburg-Südamerika-Linie. Seit 1969 war er dann auf der Hamburg-HarwichRoute unterwegs. 1972 wurde er zum Kapitän befördert und war zuerst als Schiffsführer deutscher Bäderschiffe tätig. Danach bis zu seiner Pensionierung im Jahr 2002 kommandierte er die Prinz Hamlet und die Hamburg. Seitdem bietet er mehrmals im Jahr sein Seminar »Praxistraining Navigation« an. Bis zur Einstellung der Fährlinie Cuxhaven – Harwich führte er dieses Seminar auf der Duchess of Scandinavia durch, seit Anfang 2006 auf der Norwegenfähre Kronprins Harald. Von Ferngläsern und Peilscheiben »Welche Kennung hat der Leuchtturm Steuerbord voraus?« fragt Günther Kullack uns vier »Wachhabende«. Innerhalb der zwei Tage auf der Route Kiel – Oslo – Kiel sind die Seminarteilnehmer zweimal für mehrere Stunden auf der Brücke und arbeiten wie nautische Offiziere. Wir spähen mit dem Fernglas nach Steuerbord, zählen die Lichtblitze mit und suchen den entsprechenden Eintrag auf der Seekarte im Kartenraum. Der Leuchtturm muss erst anhand seiner charakteristischen Lichterscheinungen bestimmt werden, dann wird mittels Peilscheibe der Winkel zu diesem und zu einem anderen festen Objekt ermittelt und diese Kreuzpeilung in die Seekarte eingetragen. Wer schon den Lehrgang für einen Segelschein erworben hat, tut sich damit natürlich leichter als ein »Nochnicht-Matrose.« Kapitän a. D. Kullack erklärt geduldig wie die Peilobjekte anvisiert, und diese Peilungen danach umgerechnet werden müssen. Die Funktionsweise des Radargerätes zu verstehen erfordert ebenfalls zunächst diverse Erklärungen. Bald erkennen wir selbst: Das Radargerät »sieht« mehr als wir. Ohne Radar wäre ein Schiff im Nebel blind – der Monitor zeigt uns jedoch deutlich, wo sich um uns herum andere Schiffe befinden und mit welchem Kurs diese unterwegs sind. Die elektronische Seekarte hingegen versteht man einfacher, zumal viele Navigationsgeräte in Autos eine ähnliche Anzeige haben. 750 Seemeilen Die Überfahrt von Kiel nach Oslo beginnt um 14 Uhr. Kurz vor 10 Uhr kommen wir am nächsten Tag in Oslo an, 100 Kilometer lang ist der Oslofjord, die grandiose Annäherung auf dem Seeweg an Norwegens Hauptstadt. Manche Perspektiven kann man eben nur vom Schiff aus erleben – und am besten natürlich nun von der Brücke aus. In Oslo angekommen wartet der Omnibus für die Stadtrundfahrt auf uns. In drei Stunden sehen wir die wichtigsten Punkte der Stadt, von der HolmenkollenSkischanze bis zum Fram-Museum. Abfahrt in Oslo dann wieder um 14 Uhr und Rückkehr nach Kiel um 9.30 Uhr. 750 Seemeilen haben wir zurückgelegt, viele davon als »Wachhabende«. Trotz des »Dienstes auf der Brücke« blieb noch genügend Zeit, die weiteren Annehmlichkeiten des Schiffes zu genießen, unter anderem ein Abendes- Die »Kronprins Harsen im »Scarlet à la carte-Restaurant« ald« auf und eines im »Indigo Buffet Restau- dem Weg rant«.Gelohnt hat sich das Seminar auf nach Oslo jeden Fall. Am Ende gab es leider nur eine Urkunde und nicht die entsprechenden Streifen für die Schulterklappen. Aber immerhin verstehen wir Seminarteilnehmer nun wesentlich besser, wie die Arbeit der Schiffsoffiziere konkret aussieht. Weitere Informationen: www.praxistraining-navigation.de an Bord 3/2006 1