Erleuchtung in der Schweiz - Felix-Klein
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Erleuchtung in der Schweiz - Felix-Klein
kleine zeitung Zeitung in der Schule mit der Frankfurter Allgemeinen Zeitung für Deutschland Gefährliche Geschäfte Das Rad der Lehre drehen Kassel hebt ab Der umstrittene Flughafen in Kassel hat seine Fans L Begegnung mit einem Dealer D u wirst nie wieder normal leben können, wenn du einmal so tief drin warst, so viel Geld verdient hast.“ Michael (Name geändert) lehnt sich gelassen in das weiche Leder der Rückbank eines neuen BMWs. Der Wagen parkt an einem Waldrand, irgendwo im hessischen Nirgendwo. Hauptsache keine ungebetenen Mithörer. In der Branche, in der er sich mit einem monatlichen Einkommen von bis zu 40 000 Euro zu den „großen Fischen“ zählen kann, verliere man definitiv den Bezug zum Geld, gibt der Arbeitslose aufrichtig zu. „Man wird süchtig. Der Rubel darf niemals aufhören zu rollen.“ Der Mittzwanziger wirkt vollkommen entspannt. Nur sein kritischer Blick, der immer wieder am Diktiergerät hängen bleibt, lässt Nervosität vermuten. Es ist der Blick eines berechnenden Großdealers. Spuren zu hinterlassen, wäre fatal. „Nicht jeder kann von heute auf morgen einfach ins Geschäft einsteigen, da brauchst du schon einen Namen. Die Leute müssen Angst haben und wissen, was passiert, wenn sie nicht rechtzeitig zahlen.“ Fortsetzung Seite 2 In dieser Ausgabe Schöne Bescherung Abi nicht geschafft, Bewerbungsfrist versäumt, aus dem Praktikum geflogen, die Lehrstelle verloren: Markus gibt trotzdem nicht auf. Schule und Beruf, Seite 10 Raus aus den Federn Die Hoffmann GmbH fertigt Federn für alle Lagen. Nicht nur Matratzenhersteller zählen zur Kundschaft, sondern auch Airbus mit seinem A380. Wirtschaft, Seite 5 Rein in die Klamotten Angeblich sollen Frauen 287 Tage ihres Lebens vorm Kleiderschrank stehen und sich fragen: „Was ziehe ich heute bloß an?“ Onbelle will das ändern. Wirtschaft, Seite 7 Eingreiftruppe Die Jugendhilfe springt ein, wenn in den Familien nichts mehr geht und die Kinder darunter zu leiden haben. Mensch und Gesellschaft, Seite 8 Bergpatrouille Ein Schweizer Unternehmer bildet nicht nur Gebirgsgrenadiere aus, sondern ging auch selbst mit auf heikle Mission in den Anden. Sport und Spaß, Seite 11 © IZOP-Institut, Aachen Nr. 4/Dezember 2015 Im Tibet-Institut im schweizerischen Rikon studieren junge Mönche die Grundlagen von Mathematik, Physik, Chemie und Biologie und suchen nach Gemeinsamkeiten von modernen Naturwissenschaften mit dem Dharma. Das vieldeutige Wort bezeichnet hier die Lehre Buddhas und wird dann meistens großgeschrieben. Vairocana, einer von fünf transzendenten Buddhas, hilft ihnen dabei. Foto Buddha-Museum, Traben-Trarbach Erleuchtung in der Schweiz D In einem Kloster bei Zürich leben acht tibetische Mönche ichter Nebel liegt über dem Tal. Riesige Laubbäume zeichnen sich schemenhaft vor dem dunklen Himmel ab. Das entfernte Rauschen der Töss ist zu vernehmen. Im hügeligen Voralpengebiet im Osten des Kantons Zürich auf 800 Metern Höhe steht auf einer erhöhten Waldlichtung das klösterliche Tibet-Institut. Acht Mönche und ein Abt wohnen hier, unter ihnen der Ehrwürdige Acharya Pema Wangyal. Als drittes Kind einer tibetischen Flüchtlingsfamilie wurde er in Odisha, Indien, geboren und besuchte die Bundesschule in Masuri, das um die 1700 Kilometer nördlich liegt. „Meine Familie war finanziell nicht in der Lage, viele Kinder zu erziehen“, erklärt der kleinwüchsige Tibeter. „Sie wollten ihren zweiten Sohn als etwas Besonderes sehen.“ Wangyal ist in weinrote Tücher gekleidet. Das schwarze, kurzgeschnittene Haar betont sein eher breites, rundes Gesicht. „Damals in den 1970ern war die Schule in Masuri die Nummer eins des Tibetischen Exillebens in Indien.“ Mit elf Jahren wurde Wangyal Mönch im Kloster Thubten Sangag Choeling in Darjeeling. „Anfangs weinte ich bei jedem Abschied von der Familie“, erzählt er. „Oft fehlte das Geld, weshalb ich sie bis zu zwei Jahre nicht zu Gesicht bekam.“ Im Wald verstreut wiegen sich bunte Gebetsflaggen in der sanften Herbstbrise. „Die Mantras und Gebete werden dauernd vom Wind durchgelesen, wodurch positive Schwingungen verbreitet werden“, erläutert Wangyal. Ein schmaler Weg schlängelt sich zum unteren Eingang des Instituts. Der moderne Bau des Instituts weist unverkennbar tibetische Merkmale auf: Dicke Säulen stützen das von einem flachen Dach überdeckte, weiß gestrichene Gebäude. Über dem Eingang thront prächtig golden, von zwei knienden Gazellen umgeben, das Rad der buddhistischen Lehre. Im Gebetssaal ist es dunkel. Sanft flackern die Kokosfettkerzen. Es duftet nach Weihrauch. Auf der Treppe, die zu den privaten Gemächern der Mönche führt, erklingen Schritte. Jemand knipst das Licht an. Jetzt entfaltet der Raum seine volle Pracht. Fortsetzung Seite 2 Sportstunde mit Asylbewerbern In Planegg bei München fanden 200 Flüchtlinge in der Turnhalle eines Gymnasiums Quartier E ine Turnhalle als Schlafzimmer. Schultoiletten als Badezimmer – und die muss man mit 200 Fremden teilen. Mahlzeiten können nur zweimal am Tag eingenommen werden, da Rücksicht auf die Ramadan haltenden Moslems genommen werden muss. Aber nicht nur die Sitten, auch die Sprachen sind verschieden. Die Kommunikation ist daher schwierig. Wie soll man Zustände solcher Art unter Kontrolle bringen? So ein Job müsste doch sicherlich gut bezahlt sein. Paolo Puosi hat genau diese Aufgabe und macht es gerne – ehrenamtlich. Der dunkelhaarige, eher kleine Italiener folgte 1990 seiner großen Liebe in die bayerische Hauptstadt und ist Impressum ..................................... 12 Nachschlag und Nachlese .............. 2 Mensch und Gesellschaft ............... 8 Sportlehrer an einem Gymnasium. Seit Juli 2015 kümmert sich der 53jährige zweimalige Vater um neu angekommene Asylbewerber aus den Ländern Mali, Kongo, Syrien, Afghanistan, Senegal, Nigeria, Burma, Eritrea, Albanien und Pakistan. Die ausschließlich männlichen Flüchtlinge im Alter von 18 bis 30 Jahren sind übergangsweise in der gymnasialen Dreifachturnhalle des Feodor-Lynen-Gymnasiums in Planegg bei München untergebracht. Puosi agiert als Koordinator. Zu der Aufgabe kam der Hilfsbereite durch seine Mitgliedschaft im örtlichen Benefizverein „Würmtaler Asylhelferkreis“. „Als Koordinator muss ich den Kontakt zum Landratsamt Kult und Kultur ........................... 3 Jugend und Wirtschaft............... 4 Freizeit und Fernweh.................. 9 und mit der Gemeinde und Firmen pflegen, die gerne erfolgreiche Asylbewerber bei sich in die Lehre nehmen, den Helferkreis strukturieren und Kontakt zu den Securitybeauftragten halten“, erklärt Puosi. Seine erste große Aufgabe bestand darin, eine Struktur in die rund 80 freiwilligen, einheimischen Helfer aus allen Berufsbranchen zu bringen. „Wir haben verschiedene Teams, wie das Medizin- oder das Sportteam aufgebaut, um die Aufgabenbereiche zu trennen und so effektiver zu arbeiten. Im Medizinteam sind beispielsweise die ehrenamtlichen Ärzte tätig.“ Anfangs musste Puosi noch bei verschiedenen Gruppen mithelfen. Fortsetzung Seite 2 Schule und Beruf ................ 10 Sport und Spaß ....................11 Vermischtes......................... 12 ange Menschenschlangen stehen am Check-in-Schalter. Sie wollen dem stressigen Alltag entfliehen und freuen sich auf Sonne, Strand und Meer. Das Flughafenbistro ist gut besucht, die Leute sitzen bei Kaffee und Kuchen während sie darauf warten, dass ihr Flieger aufgerufen wird. Auf dem Spielplatz des Flughafens spielen kleine Kinder auf einem Holzflugzeug und können so einmal selber Pilot sein. Montags ist immer ein anstrengender Tag am Kassel Airport, wie man am Informationsschalter des Flughafens hört. An diesen Tag geht jeweils um 14.10 Uhr und 14.40 Uhr ein Flieger der Fluggesellschaft Germania nach Heraklion auf die griechische Insel Kreta und nach Antalya im Südwesten der Türkei. Abends um 19.30 Uhr hebt noch eine Maschine Richtung Palma de Mallorca ab. Insgesamt starten und landen am Flughafen in der Woche zurzeit 12 Verkehrsflugzeuge, ausschließlich betrieben von Germania. Während die einen darauf warten einzuchecken, kommen aus der Ankunftshalle braun gebrannte Menschen. Sie alle waren auf der griechischen Insel Kreta. „Nächstes Jahr fliegen wir wieder von Kassel aus nach Griechenland“, sagt ein Rentnerpaar. Ein anderes Paar aus Südniedersachsen berichtet hingegen, dass sie den Flughafen als eine Verschwendung von Steuergeldern ansehen und sich nur aufgrund der im Vergleich zu Hannover und Paderborn günstigeren Preise für Kassel entschieden hätten. Der Flughafen stand schon mehrfach öffentlich in der Kritik, nicht nur aufgrund seiner Kosten in Höhe von 271 Millionen Euro, sondern auch deshalb, weil die Region Nordhessen bereits ausreichend mit naheliegenden Flughäfen versorgt ist und der Flughafen deshalb von den Kritikern als überflüssig angesehen wird. Nur 57 Kilometer Luftlinie weiter befindet sich der Flughafen Paderborn-Lippstadt, aber auch bis zum Flughafen Hannover sind es nur 110 Kilometer, und der Flughafen Frankfurt ist mit 153 Kilometern nicht viel weiter vom Flughafen Kassel entfernt. Dass der Flughafen als überflüssig angesehen werden kann, spiegelt sich auch im Passagieraufkommen wieder. Im Jahr 2014 sind etwa 30 000 Passagiere touristisch geflogen und 20 000 sind aus privaten oder geschäftlichen Gründen geflogen. Es kam zu insgesamt 26 500 Flugbewegungen. Zum Vergleich: In Frankfurt gibt es am Tag rund 1350 Flugbewegungen, und etwa 200 000 Passagiere werden dort täglich abgefertigt. Trotzdem ist der Flughafen bei den Menschen aus Kassel und Umgebung beliebt. „Es herrscht hier eine familiäre Atmosphäre, kurze Anreise, eine schnelle Abfertigung des Gepäcks. Außerdem kann man kostenlos parken. Auf anderen Flughäfen bezahlt man fürs Parken einen Haufen Geld“, sagt ein junges Paar, das sich auf dem Urlaub in Antalya freut. Tobias Müller-Eigner Felix-Klein-Gymnasium, Göttingen kleine zeitung Nachschlag und Nachlese Seite 2/Ausgabe 4/Dezember 2015 Zeitung in der Schule mit der Frankfurter Allgemeinen Zeitung für Deutschland Sportstunde mit Asylbewerbern Fortsetzung von Seite 1 Inzwischen diene er nur noch als Dirigent. „Wir haben eine Struktur geschaffen, die gut funktioniert. Am Anfang war das schwierig, weil ich nicht wusste, welche Probleme auf uns zukommen werden. Und seit wir ein breites Bild haben, von dem, was die Menschen brauchen, vom Sprachunterricht bis zum Klopapier, können wir besser agieren.“ Es gibt Dolmetscher für Englisch, Französisch, Spanisch, Italienisch, Farsi, Paschtun und Arabisch. „Mit diesen Sprachen erreichen wir eine gewisse Anzahl, die dann die Informationen in ihrer eigenen Sprache an Gleichsprachige weitertragen können. Und so klappt die Kommunikation eigentlich von Tag zu Tag besser“, erläutert der sonnengebräunte, aus Apulien stammende Puosi. Kulturdifferenzen erschweren den reibungslosen Ab- lauf. Beispielsweise gab es schon Konfrontationen zwischen Albanern und Schwarzafrikanern, als ein Senegalese in ein Waschbecken urinierte, da er den Zweck des für ihn fremden Alltagsgegenstands falsch interpretiert hatte. Nachtruhe ist ab 22 Uhr. Ansonsten haben die Flüchtlinge nicht viel zu tun. Nach drei Monaten darf ein Asylbewerber für 1 Euro einer Beschäftigung nachgehen, zum Beispiel in der Turnhalle putzen oder auf dem Gelände Müll sammeln. Ansonsten betreiben viele Sport, erkunden mit gesponserten Fahrrädern die Umgebung oder lernen Deutsch. „Jeden Tag, wenn ich komme, höre ich immer ein paar Worte mehr, wie ‚Hallo‘, ‚Auf Wiedersehen‘, ‚Tschüss‘, und das freut mich natürlich“, sagt Puosi. Jonah Lego Elsa-Brändström-Gymnasium, München Erleuchtung in der Schweiz Fortsetzung von Seite 1 Zentral positioniert steht der reich geschmückte Thron des Dalai Lama, auf dem einem sein Foto entgegenlächelt. Zur Rechten befindet sich ein Tisch, auf dem sich Schalen mit frischen Früchten, silberne Gefäße, randvoll mit Wasser, Kokosfettkerzen und farbenprächtige Blumen aneinanderreihen. Ein etwas zerbrechlich wirkender, alter Mann schreitet schweigend um die Ecke zu dem großen, goldenen Gong. Tiefe Vibrationen durchdringen die Stille. Drei weitere Mönche und der Abt nehmen hinter niedrigen Tischen auf karminroten Sitzkissen Platz. Auch ein älterer Schweizer nimmt an der Morgenmeditation teil, die öffentlich zugänglich ist. Nach dem Tibetaufstand in Lhasa im Jahr 1959 suchten mehr als hunderttausend Tibeter Zuflucht im nepalesischen und indischen Exil. Die Schweiz nahm 1961 als erstes westliches Land tausend tibetische Flüchtlinge auf. Wangyal scherzt: „Den Schweizern gefiel es wohl, dass wir ebenfalls aus den Bergen stammen.“ Im Oktober 1964 boten die Gebrüder Jacques und Henri Kuhn den Tibetern in Rikon Arbeit in ihrer Metallfabrik an. Produziert wurden Töpfe und Pfannen. Der Dalai Lama schickte fünf Mönche in die Schweiz zur seelsorgerischen Betreuung der Tibeter – eine schwierige Aufgabe. „Den Tibetern in der Schweiz fehlt es oft an Zeit. Die jungen bringen eher wenig Interesse für die Kultur auf. Ihr Blick ist mehr auf Politik und Arbeit gerichtet.“ Die Fabrikantenfamilie Kuhn stellte auch das Land und den Großteil der finanziellen Mittel für das Kloster zur Verfügung. 1968 fand die Klosterweihe statt. Der Dalai Lama kommt regelmäßig zu Besuch. Wangyal ist seit 2001 Mitglied des Indo-Tibetan Friendship Movement. „Wir veranstalten beispielsweise Demonstrationen gegen die Unterdrückung durch China. Ein Freund wollte, dass ich da mitmache, also ging ich hin und fand es eigentlich ganz okay.“ Seine dunklen Mandelaugen lächeln. „Viele Kurse des Tibet-Instituts werden mehr von Schweizern besucht als von den rund achttausend Tibetern in der Schweiz.“ Manchmal kommen Leute auch mit falschen Vorstellungen her. Wangyal erinnert sich amüsiert: „Einige dachten tatsächlich, Mönche fassten keine Frauenhände an.“ Von vielen Tibetern besucht wird das Institut an den Feiertagen, wie etwa an Losar, dem Neujahrsfest im Februar. „Während die Erwachse- nen beten, spielen und schreien die Kinder. Die jüngere Generation hilft mit den Vorbereitungen in der Küche.“ Der Vorsänger richtet sein Mikrofon und stimmt einen tiefen Singsang an, in den die Übrigen einstimmen. Die Augen geschlossen oder auf einen bestimmten Punkt fixiert, wiegen sie ihre Oberkörper sanft zum monotonen Gesang. Als Vertreter der Kagyu-Schule, einer der vier Hauptrichtungen des tibetischen Buddhismus, kam Pema Wangyal im Jahr 2006 im Rahmen des Projekts „Science meets Dharma“ in die Schweiz. Das Ziel: den Tibetern in den Exilklöstern die westliche Wissenschaft näherbringen. Die jungen Mönche werden wöchentlich mehrere Stunden in den Grundlagen von Chemie, Physik, Mathematik und Biologie unterrichtet. „Schon Buddha lehrte über die Atome“, sagt Wangyal. Gemäss seiner Lehre bestehen alle wahrnehmbaren Objekte aus einer Vielzahl von dharmas oder dhammas, wie sie im Pali, einer Variante des Altindischen heißen. Diese sind kleinste Bausteine der Erfahrungswelt, die in ständiger Bewegung sind, woraus für Buddhisten folgt, dass nichts Bestand hat. Ihr Wissen eignen sich die Mönche auch im Selbststudium oder durch Debatten mit den anderen Mönchen an. Dazu kommt die Sprachschulung in Deutsch und Englisch. Die öffentliche Bibliothek ist mit mehr als zwölftausend Titeln eine der größten tibetischen Bibliotheken weltweit. Neben den alltäglichen Ritualen, wie etwa den gemeinsamen Gebeten, oder dem Studium in den Zellen, haben die Mönche auch noch andere Aufgaben: „Ist jemand todkrank, so lassen uns die Familienangehörigen für ihn beten, oder wir werden in das Haus der Familie eingeladen, wo wir einen Tag lang für sie beten.“ Die Mönche läuten die Gebetsglocken, die auch erklingen, wenn den Bodhisattvas und Buddhas geopfert wird. Der Abt zieht eine hölzerne Gebetskette aus einer Schleife an seinem Gewand hervor und wickelt sie in besonderen Handstellungen um die Finger. Langsam klingt der Singsang ab. Noch zweimal erhebt der Vorsänger seine Stimme, dann erheben sich die Mönche, um ihr Frühstück einzunehmen, das anders als das tibetische oder indische Mittag- und Abendessen westlich ist: Butterbrot mit Marmelade. Michelle Gugger Kantonsschule Zürcher Oberland Wetzikon Obwohl Rauchen tödlich sein kann, ist Tabak legal – warum nicht auch Gras?, fragt sich mancher. Gefährliche Geschäfte Fortsetzung von Seite 1 Dann braucht man später zumindest nicht mehr regelmäßig in den Wald zu fahren, Leute auszuziehen und auszupeitschen.“ Michael lacht. Der Fahrer des Wagens auch. Verfliegender Zigarettenrauch hüllt die idyllische Szene sanft ein. Michael macht zwar Scherze, meint es jedoch todernst. Auf seinem Gesicht formt sich ein leicht schiefes und doch selbstsicheres Grinsen. Gewalt ist in seinem Alltag eben ein gängiges Mittel und ganz normal. „Für mich ist es ein geiles Leben, ich kann machen, was ich will.“ Der Hesse dealt hauptsächlich Gras, Hasch, Kokain, Amphetamin und Ecstasy. Längst vertickt er seine Stoffe nicht mehr selber klischeehaft in der U-Bahn-Station an die Endkonsumenten. Er hat sich hochgearbeitet. Heute ist er nur noch damit beschäftigt, den Verkaufsgewinn von seinen sorgsam ausgewählten „Läufern“ einzusammeln und Stoffe auf Kommission nachzubestellen. Bei der Auswahl der Ware legt Michael viel Wert auf beste Qualität zu besten Preisen, denn das seien die zwei entscheidenden Faktoren, um sich dauerhaft in der Branche etablieren zu können. Auf Michaels Gesicht zeichnet sich der Anflug eines Lächelns ab, als er gesteht, er glaube an Karma. Regelmäßig spendet er Geld an gemeinnützige Einrichtungen. Auf die Frage, ob er aufgrund seiner illegalen Geschäfte mit teils süchtigen Konsumenten ein schlechtes Gewissen habe, reagiert er gelassen. Schließlich verkaufe er nur, was er auch selber kenne und verzichte zum Beispiel auf Heroin. „Dermaßen kaputte Menschen werden nicht nur schnell gewalttätig, sondern können auch oft ihre Stoffe nicht mehr bezahlen.“ Michael ist mit seiner Auffassung, Konsumenten seiner Drogen würden nur psychisch süchtig, nicht physisch, und seien daher jederzeit selbst für sich verantwortlich, nicht alleine. Auch Sascha (Name geändert), ehemaliger Händler aus Ostdeutschland, teilt diese Auffassung. „Ob der Edeka-Mitarbeiter dem Alkoholiker die Flasche Wodka oder ich dem Technofan sein Speed verkaufe, macht moralisch gesehen keinen Unterschied. Meine Konsumenten waren meist nicht süchtig.“ Er hat mit seinen 19 Jahren alle Drogen, die er verkaufte, vorher auch selbst genommen. Mit 11 Jahren trank er das erste Mal Alkohol. Danach probierte er Gras mit 15 auf einer Feier, kurz darauf folgte Speed. Im Alter von 16 Jahren lernte Sascha die Wirkung von Pilzen kennen. Nebenher hat er mit einem guten Abiturschnitt die Schule abgeschlossen. „Früh übt sich, wer einmal erfolgreich im Geschäft werden will“, sagt Michael. „Die Stoffe bekommt man auf verschiedenen Wegen. Gras wird vor allem im Inland angebaut, anderes muss entweder eingeschmuggelt oder selbst hergestellt werden.“ Kleinere Händler wie Sascha beziehen ihre Ware von Bekannten, die sie von anderen Bekannten haben und so weiter. „Fast schon eine Regel ist, dass dich jeder Verkäufer verarscht, wenn du ihn nicht persönlich kennst. Sogar ich habe bei großen Idioten Gras und Speed mit Damiana gestreckt. Oder mit Koffein. Keine Ahnung, ob das gesund ist. Wir haben hier meist mit harmlosem Zeug wie Fructose gestreckt. Sachen wie Haarspray im Gras oder Brix, eine Mischung aus Flüssigkunststoff und Zucker, in der das Kraut gewälzt wird, kommen aber auch immer öfter vor.“ Deutsche Konsumenten sind im Spiel zwischen Justizsystem und Dealer meist die hilflosen Verlierer. Sogenanntes „Drug Checking“, also das Prüfen illegaler Substanzen auf dessen Reinheit und den Wirkstoffgehalt, ist in einigen europäischen Nachbarländern beispielsweise häufig vor namenhaften Clubs anzutreffen. In Deutschland finden sich solche Anlaufstellen nur extrem selten. Frederic, ein 24 Jahre altes Mitglied der Hanf-Initiative-Frankfurt (HAI), findet das bedenklich. „Hier könnte man die Konsumenten erreichen und gegebenenfalls Hilfestellung für den Ausstieg aus der Szene anbieten. Leider macht die deutsche Politik viel zu wenig, um gegen das Problem gefährlich gestreckter Drogen vorzugehen.“ Die HAI spricht sich unter anderem deswegen für die Legalisierung von Industrie- und Medizinalhanf aus. Ohne sich aus seiner entspannten Sitzposition auf einem metallenen Stuhl im Hinterhof des stillen Frankfurter Cafés zu lösen, blickt Frederic von seiner vierten Tasse Café Latte auf. „Warum bestraft man Menschen für Selbstschädigung, die sich dessen bewusst sind und niemand anderem schaden?“ Er sieht zu Ingrid Wunn, der 54-jährigen Gründerin der Hanf–Initiative, herüber. „Legal, illegal, scheißegal!“, sagt Ingrid Wunn. Ihre Hand zittert, als sie die Tasse Kaffee zum Mund führt. „Solange die Konsumenten problemlos an ihren Stoff Foto Gregor Brzezinski kommen, sehen sie keine Notwendigkeit, sich den mit dem Kampf für Legalisierung verbundenen Stress anzutun. Man wird sofort verdächtigt, selber Drogen zu konsumieren, und dann kommen die Vorurteile.“ Die Gründerin versucht selbst die nur geringfügig aktive Beteiligung der Frankfurter Szene an ihrer Initiative irgendwie positiv zu sehen. Wild mit den Händen gestikulierend scherzt sie, die meisten Leute wären nach einem Gruppentreffen mit der Initiative so geschockt, dass sie nie wieder vorbeikämen, sie hätten schließlich eine „fröhliche Kifferrunde“ und keine produktive Arbeitsgemeinschaft erwartet. Abermals umfasst sie mit beiden Händen leicht zitternd ihre Tasse. Ingrid Wunn leidet unter einer seltenen Erkrankung und nimmt, in Absprache mit ihrem Arzt, legal Medical Marihuana zur Linderung ihrer Beschwerden ein. „Legalisierung? Natürlich verstehe ich, dass die Leute sich das nicht verbieten lassen wollen. Aber das heißt ja nicht, dass Kiffen gut ist. Das Zeug braucht man im Leben nicht, wozu also legalisieren?“ Sascha, der ehemalige Drogenhändler, will heute mit Drogen aller Art nichts mehr zu tun haben. „Ich war auf Piece und eine Zeit lang jeden Tag zu jeder Stunde high. Das wird gerne verharmlost, ich finde es zumindest bedenklich. Für mich war Amphetamin aber das Bösartigste. Irgendwann war ich paranoid und habe kaum noch gepennt. Die Dealer, die ich kannte, haben das alle nicht gerne gemacht. Einige haben Familie und brauchten das Geld. Viele sind selber süchtig. Ich glaube, eigentlich hätten die meisten Dealer lieber ein geregeltes Einkommen und nicht die ganze Zeit Angst davor, aufzufliegen.“ Michael dagegen liebt sein Leben und vor allem das Geld. Doch auch er gibt zu, dass es das Ziel eines jeden großen Dealers sei, irgendwann alles legal abzuwickeln. „Die Legalisierung von Cannabis wäre dazu der falsche Weg. Sie würde einerseits mein Geschäft schädigen und andererseits den Nachfrageschwerpunkt auf härtere Drogen verschieben. Und die sind schlechter an die breite Masse verkäuflich.“ Der Motor des BMWs beginnt zu brummen. Der Wagen setzt sich in Bewegung. Steinchen spritzen unter den Reifen weg über den Waldweg, sodass für kurze Zeit eine Fährte aus Staub den BMW verfolgt. Marie-Friederike Naumann Marienschule, Fulda kleine zeitung Kult und Kultur Seite 3/Ausgabe 3/September 2014 Zeitung in der Schule mit der Frankfurter Allgemeinen Zeitung für Deutschland Die guten Geister der Stadt ehren Sonne, Mond und Sterne Die Stadt Göttingen ist stolz auf ihre Universität und die acht aus ihr hervorgegangenen Nobelpreisträger S tadt, die Wissen schafft – dieses Motto hat sich Göttingen zum Programm gemacht, was vor allem an seiner auch weit über Deutschland hinaus bekannten Universität Georgia Augusta liegt. Sie genießt einen sehr guten Ruf und kann sich mit vielen bekannten Persönlichkeiten brüsten. Die Beliebtheit der Universität ist für die Göttinger ständig zu spüren. Nicht umsonst wird die Stadt immer wieder als Studentenstadt bezeichnet. Wer durch die Innenstadt läuft, begegnet besonders im Bereich des Campus vielen jungen Leuten, die die Stadt bereits seit Jahrzehnten prägen. Das liegt vor allem daran, dass es in den zwanziger und dreißiger Jahren des vergangenen Jahrhunderts dem bedeutenden Mathematiker Felix Klein gelang, viele Wissenschaftler, die für ihre herausragenden Forschungsergebnisse mit dem Nobelpreis, zumeist in naturwissenschaftlichen Fächern, geehrt wurden, nach Göttingen zu holen. Unter ihnen befinden sich Persönlichkeiten wie Max Born (Physik), Otto Hahn (Chemie) und Max Planck (Physik). Acht der mehr als vierzig Nobelpreisträger, die Verbindungen zur Universität Göttingen hatten, sind auf dem alten Göttinger Stadtfriedhof begraben. Um ihnen zu gedenken, wurde anlässlich des 125-jährigen Jubiläums des Friedhofs vor einigen Jahren ein Nobelrondell errichtet, das über die Geschichte des Nobelpreises und dieser acht Preisträger informiert. „Schön, dass noch heute, lange Zeit nach ihren großen Erfolgen, an das Wirken der Wissenschaftler erinnert wird“, sagt die Besucherin Petra Schrader, die das Rondell betrachtet, das die Form des Gauß’schen Siebzehnecks aufweist und so gleichzeitig dem Mathematiker Carl Friedrich Gauß ein Denkmal setzt. In der Mitte steht eine Säule mit einem Bild von Alfred Nobel, in dessen Namen bis heute die berühmten Ehrungen verteilt wer- Wie ein Festival durch Drogen beinahe zum Desaster wird B Das Nobelrondell auf dem Göttinger Stadtfriedhof erinnert an die dort begrabenen Nobelpreisträger. den. Das Rondell liegt am Rande des Stadtfriedhofs in einer ruhigen Ecke direkt an einem kleinen Teich mit Seerosen. Es wurde am Ende eines breiten Weges errichtet und hebt sich von den umliegenden Grabstätten ab. Ohne das Rondell würde kaum jemandem klar sein, welche bekannten Persönlichkeiten an verschiedenen Stellen auf dem Friedhof begraben sind, da die Gräber unscheinbar und teilweise auch ziemlich verwildert sind. Nur dem genauen Betrachter springt der eine oder andere bekannte Name ins Auge, doch auch jener ist ohne einen Plan des Geländes mit entsprechenden Kennzeichnungen nahezu aufgeschmissen. Aufgrund dieser erfolgreichen Wissenschaftler zog die Göttinger Universität auch in den darauffolgenden Jahrzehnten hochkarätige Forscher an. Zurzeit sind drei Nobelpreisträger in Göttingen wohnhaft, die eng mit der Universität verbunden und in verschiedenen Bereichen dort tätig sind. Manfred Eigen studierte in Göttingen Physik und Chemie und erhielt im Jahr 1967 den Nobelpreis für Chemie für die Untersuchung von sehr schnellen chemischen Reaktionen, was zu der Zeit einen großen Durchbruch darstellte. 1991 folgte der Nobelpreis ebenfalls für Chemie für Erwin Neher, der die Funktion von Ionenkanälen innerhalb von Zellen erklären konnte. Die jüngste Ehrung wurde 2014 dem Chemiker Stefan Hell zuteil. Seit Ende der achtziger Jahre verfolgte er die Idee, dass es möglich sein müsse, die Auflösungsgrenze von Mikroskopen erheblich zu unterschreiten, um noch genauere Abbilder der untersuchten Präparate bekommen zu können. Wie er in einem von der Max-Planck-Gesellschaft veröffentlichten Interview berichtet, war es zunächst sehr schwer, Wissenschaftler von seiner Idee zu überzeugen und Mittel dafür zu bekommen, auch weil sein Thema mehrere naturwissenschaftliche Bereiche in sich vereinte, er also in kein Institut wirklich hineinpasste und zudem keinen Mentor hatte, der auf einem ähnlichen Gebiet arbeitete. Nach langem Suchen bekam er 1997 die Chance, fünf Jahre lang in Foto Pauline Schrader Göttingen zu forschen und sich und seine Idee zu beweisen. Nach mehr als zehn Jahren intensiver Arbeit gelang es ihm schließlich, mithilfe eines praktischen Experiments den endgültigen Beweis für seine Idee zu liefern, wofür er dann mit dem Nobelpreis ausgezeichnet wurde. Neben seiner Arbeit als Leiter der Abteilung Nanobiophotonik und einer Honorarprofessur an der Universität Göttingen setzt sich Stefan Hell für Nachwuchswissenschaftler und -wissenschaftlerinnen ein. Dieses große Engagement liegt wohl vor allem daran, dass er selbst es zu Beginn nicht leicht hatte, mit seiner Idee Fuß zu fassen und er deshalb jungen Menschen mit tollen Ideen helfen möchte, diese umzusetzen. Menschen wie Hell hat die Universität Göttingen ihren Ruf zu verdanken, und dass sowohl jedes Semester viele Studenten dort ein Studium beginnen als auch viele wissenschaftliche Mitarbeiter an den Instituten arbeiten wollen. Pauline Schrader Felix-Klein-Gymnasium, Göttingen Auf der koreanischen Welle reiten Die südkoreanische Popmusik versetzt die Fans weltweit in Begeisterung / Manche lernen dafür sogar Koreanisch D urchdrehen, kreischen, weinen, lachen und mitsingen. So sind die Fans. Nicht wegen Hollywood-Musik oder Bollywood-Musik, sondern wegen K-Pop. Knallig, gestyllte Boy- und Girlgroups, abstrakte und mit Choreographie gestaltete Musik-Videos und um Liebe, Freundschaft und Familie handelnde Themen sind kennzeichnend für K-Pop, was für Korean Popular Music steht und ein musikalisches Genre bezeichnet, das sich in den 1990er Jahren in der koreanischen Musikwelt entwickelte. Heute wird die Mischung aus Hip-Hop, Soul und Rock weltweit gehört. Wenn man über K-Pop spricht, kommt einem vielleicht der koreanischer Sänger Psy in den Sinn, der für seine Single „Gangnam Style“ und für seine verrückte Choreographie auf der Videoplattform Youtube berühmt wurde. Doch es gibt noch andere Gruppen, die die Welt mit ihrer Musik zu erobern versuchen. Dafür braucht man jedoch Geduld und viel Fleiß. So werden die Sängerinnen und Sänger bis zu sieben Jahre lang von einem koreanischen Unterhaltungsunternehmen ausgebildet. Sie werden in Sprachen, in Tanzen, in Singen und sogar in Manieren und Benehmen trainiert. Die Auszubildenden bekommen in dieser Zeit Punkte für ihre Fortschritte. Erst wer viele Punkte erreicht hat, wird in eine Gruppe miteinbezogen und wird öffentlich als Sänger bekanntgegeben. Doch auch nach der harten Probezeit ist es für die Sänger nicht einfach. Denn die zahlreichen Trainings, die sie absolvieren, werden von der Agentur bezahlt. Doch dieses Geld wird vom Lohn der Sänger abgezogen, so bekommen sie wenig Geld, müssen dafür aber hart arbeiten. Ob sie mehr oder weniger bekommen, hängt dann von den Fans ab. Die zahlreichen Auszeichnungen, die die koreanischen Gruppen und Sänger heimholen, zeigen die wachsende Popularität von K-Pop. So gewann zum Beispiel die Boyband Exo 2013 den Titel „World’s Best Song“. Die aus acht jungen Frauen bestehende Girlband Girl’s Generation, auch einfach GG, SNSD oder SoShi genannt, holte sich neben vielen anderen Auszeichnungen zuletzt die für das beste Video des Jahres 2014. Viele Menschen werden von der koreanischen Popmusik beeinflusst und schließen sich den anderen K-Pop-Fans an. Sie sind verrückt nach K-Pop, genau wie Sinthu Selvaranjan. Knallig, schwarz und weiß hängen überall an den Wänden ihres Schlafzimmers viele Poster von koreanischen Gruppen. Nicht einmal eine kleine Lücke ist erkennbar. Von Socken bis zu Haarspangen ist alles mit Fotos und Namen der Gruppen eingraviert. Aus dem weißen Kopfhörer, den die langen, offenen, schwarzen Haare verdecken, drängt laute Musik in den Raum. Die etwa 1,60 Meter große, 20jährige Tamilin arbeitet als Lehrling in Hirslanden, einem Spital in Zürich. Von montags bis mittwochs geht sie zur Arbeit und von donnerstags bis freitags zur Schule. An Wochenenden muss sie für die bevorstehenden Prüfungen lernen. Es ist alles nur stressig, doch K-Pop ist die einzige Erlösung aus ihrem überfüllten Alltag. „Ohne K-Pop weiß ich nicht, wie ich leben würde.“ Sinthu Selvaranjan kommuniziert jeden Tag mit anderen Fans aus allen Ländern, hauptsächlich geht es um K-Pop und die Neuigkeiten in der koreanischen Popmusik, doch ab und zu schreiben sie auch über ihr eigenes Leben, was sie so heute gemacht haben und lernen sich so gegenseitig kennen. Viele vereinbaren Termine, an denen sich alle Fans aus ihrem Land treffen und kennenlernen können. Einige gehen sogar extra nach Korea, um Konzerte zu besuchen und ihre Lieblingsgruppen live zu sehen. „Die meisten von uns können weder flüssig Koreanisch sprechen noch verstehen, doch für uns ist die Musik die gemeinsame Sprache.“ Mit K-Pop kommen viele Fans auch mit mit koreanischer Kultur in Kontakt. Um die Songtexte zu verstehen, lernen sie Koreanisch, doch auch Englischkenntnisse werden verbessert. „Ich komme aus Sri Lanka“, sagt Sinthu Selvaranjan. „Meine Kultur ist ganz ähnlich wie die der Koreaner. Ich fühle mich verbunden mit ihnen durch Musik und durch Kultur.“ Aber für die Fans aus anderen Kontinenten ist die koreanische Tradition eine komplett andere Welt, und dies treibt sie dazu, diese näher kennenzulernen. Suvathika Selvaranjan Kantonsschule Limmattal, Urdorf ereits zum neunten Mal fand das Sonne-Mond-Sterne-Festival nahe des kleinen Ortes Saalburg-Ebersdorf, direkt an der Bleilochtalsperre, dem volumenmäßig größten Stausee Deutschlands, statt. Das Motto war: „Simmung machen und die Menschen in eine andere Dimension befördern.“ Das scheint weitgehend gelungen, wenn auch in einem anderen Sinn als gemeint. Denn am Ende des Festivals gab es 200 Anzeigen auf Grund von Drogenbesitzen, die Polizei geht aber von einer weitaus größeren Dunkelziffer aus. Dabei sei durch die Freizeitangebote am Stausee die Zeit zwischen den Auftritten der DJs auch anders zu überbrücken gewesen, sagt Luisa Helten, die zum ersten Mal das Festival besuchte. Unter den DJs, die zum Thema Electro Lieder mischten, befanden sich namhafte Größen wie Calvin Harris, Steve Aoki, Alle Farben und Robin Schultz. Die Anzahl der Besucher erhöhte sich im Vergleich zum Vorjahr von 35 000 auf 65 000. Auf Grund dieser Menschenmassen waren die Campingplätze und das Festivalgelände überfüllt. Dennoch erlebte Luisa den Großteil der anderen Festivalbesucher als offen und freundlich. Nur wenige waren ihrer Meinung nach unfreundlich, was aber an dem übermäßigen Alkoholkonsum gelegen haben kann. Alkohol war an diesen Tagen aber nicht die einzige Droge. Die Folgen aus einem so gewaltigen Konsum zeigten sich am letzten Abend. Zu diesem Zeitpunkt wunderten sich die Teilnehmer über einen Helikopter, der oberhalb eines der Campingplätze kreiste, sie wussten allerdings noch nichts von dem schweren Unfall, der sich ereignet hatte. Erst als Luisa zuhause war, erfuhr sie, dass ein stark betrunkener Mann mit einem Pocketbike in ein Zelt gefahren sei. Dabei verletzte sich die im Zelt befindliche Frau schwer und musste sofort in das nächstgelegene Klinikum geflogen werden. Aber nicht nur deswegen war der Festivalbesuch für Luisa ein unvergesslichen Ereignis. Die Live-Acts wurden auf dem riesigen Festivalgelände auf verschiedenen Bühnen vorgetragen, in einem der Partyzelte trat Robin Schultz auf. Rücksichtsvoll begegneten die anderen Luisa dabei nicht, weshalb sie sich nicht lange in der Menschentraube am Eingang aufhielt. Zu ihrem Glück wurden sie und drei andere durch einen Seiteneingang ins Zelt gelassen. Noch während das letzte Lied gespielt wurde, verließen einige darunter auch Luisa das Zelt, um sich auf den Weg zur Mainstage zu machen. Der Hauptact stand auf dem Programm, sein Name Calvin Harris. Seine Electro-Musik erfüllte jeden Winkel des Festivals, und man hatte das Gefühl, es hielte sich jeder nahe der Bühne auf. Selbst auf dem Stausee waren hunderte Boote zu erkennen, die sich Calvin Harris nicht entgehen lassen wollten. Zum krönenden Abschluss wurde ein Feuerwerk von einem großen Schiff aus entfacht, dies erleuchtete das gesamte Festivalgelände. Ein besseres Finale kann man sich nicht vorstellen, schwärmt Luisa. Auch wenn es einige schlechte Erlebnisse in der Zeit gab, würde sie auch nächstes Jahr erneut teilnehmen. Patrick Feulner Felix-Klein-Gymnasium, Göttingen Jugend und Wirtschaft kleine zeitung Seite 4/Ausgabe 4/Dezember 2015 Ein Projekt des Bundesverbandes deutscher Banken und der Frankfurter Allgemeinen Zeitung Der Höhenflug der Werbung Marketing am Rande des Weltalls: Eine Idee will hoch hinaus U nser erfahrenes Team von Stratoflights bringt Ihre Marke mit einem Stratosphärenballon in bis zu 40 000 Meter Höhe und hält diese magischen Momente mit Kameras fest! Profitieren Sie vom weltweit ersten und erfahrensten Anbieter für kommerzielle Stratosphärenflüge!“ So beschreiben die drei Gründer Marvin Rissiek, Tobias Lohf und Marcel Dierig ihre Dienstleistung auf ihrer Internetseite. Lohf studierte Mechatronik, Dierig Wirtschaftswissenschaften und Rissiek Medieninformatik und Gestaltung, als sie ihre Firma gründeten. Alles begann mit ihrem Hobby, auf YouTube Kurzfilme hochzuladen. Dafür suchten sie eine neue Projektidee. „Wir wollten möglichst hoch hinaus“, beschreibt Lohf die Idee für ihr erstes Video aus der Stratosphäre. Sie entwarfen eine Sonde aus Styropor mit Kamera, die an einem Wetterballon hochfliegen und per Fallschirm runterkommen sollte. So machten sie ihre ersten Aufnahmen aus 25 Kilometer Höhe und stellten diese auf YouTube ein. Über Nacht hatten sie mehr als 100 000 Klicks. Auch SternTV wurde aufmerksam und wollte für seine 1000. Jubiläumssendung am 7. März 2012 ein Video von einem Spielzeugmännchen mit einer SternTV Fahne in der Stratosphäre. Stratoflights hatte seinen ersten Kunden. Inzwischen haben sie 30 bis 40 Aufträge im Jahr und erzielen einen Umsatz von 175 000 Euro. Weitere Unternehmen wurden aufmerksam: AMD, Heineken oder Škoda, aber auch Fernsehsender. „Wir machen jede Woche oder jede zweite einen weiteren Flug“, erklärt Lohf. Zu den Lieblingskunden gehören Werbeagenturen. Bucht man einen Flug bei Stratoflights, so wird in Zusammenarbeit mit dem Firmenkunden eine Geschichte entwickelt, und dann werden die Aufnahmen des Produkts in der Stratosphäre gemacht. Die Kosten für ein solches Paket liegen im vierstelligen Bereich. Die Materialkosten für eine Sonde betragen etwa 300 Euro (150 Euro für das Helium, 50 Euro für Styropor, Schnüre, den Fallschirm etc., und 100 Euro für den Wetterballon). Stratoflights hat auch einen Onlineshop, in dem alles Nötige gekauft werden kann, um selbst eine Sonde zu bauen und in die Stratosphäre zu befördern. Außerdem wurde ein Tutorial erstellt und auf YouTube hochgeladen, in dem erklärt wird, auf was man achten sollte. Zum Beispiel braucht man eine Flugverkehrskontrollfreigabe von der Deutschen Flugsicherung. Ein Herr asiatischer Herkunft ist Lohf besonders in Erinnerung geblieben. „Er wollte von uns, dass wir zwei Wackelkopffiguren von ihm und seiner zukünftigen Frau in die Stratosphäre schicken und ein Bild davon machen, damit er ihr mit diesem Bild einen Hochzeitsantrag machen kann.“ Im deutschsprachigen Raum gibt es nur zwei weitere Unternehmen, die diese Dienstleistung anbieten. Sie heißen Stratoxx und Weltraumwerbung. „Trotzdem sind wir von Stratoflights aufgrund unserer Referenzen und unserer Erfahrung Marktführer auf diesem Gebiet“, sagt Lohf. Adam Szmidt Gymnasium Ohmoor, Hamburg Astrein soll das Sägen sein Metallsplitter in Baumstämmen sind für Sägewerke eine große Gefahr A uf der Tagesordnung des letzten Treffens des Waldbauernverbandes war wieder ein Thema hoch im Kurs: Der Verkauf der erst kürzlich gefällten mehr als einhundertzwanzig Jahre alten Eichen. Obwohl sehr schön gewachsen, will sie nun kein Sägewerk kaufen. Grund dafür sind kleinste Metallsplitter im Inneren des Baumstamms, die äußerlich nicht erkennbar sind. Johann Dirks, Forstamtsrat der Landwirtschaftskammer Niedersachsen, erklärt: „Ich habe schon viel mit solchem Holz zu tun gehabt. Auch in Gesprächen mit meinen Kollegen aus ganz Deutschland wurde deutlich, dass es überall Regionen gibt, wo besonders viele Baumstämme mit Metallsplittern versetzt sind. Das können sogar noch Granatsplitter aus dem letzten Weltkrieg sein, die bei den starken Gefechten ins Holz gelangt sind. Aber natürlich gibt es auch viele Nägel oder Reste von Drahtzäunen, die im Holz stecken.“ Inzwischen sind die meisten Splitter sehr gut im Holz verwachsen und deshalb nicht erkennbar. Sägewerke und Spanplattenhersteller haben daher Regionen für sich festgemacht, aus denen sie kein Holz kaufen, da ihnen die Gefahr zu groß ist, dass diese kleinen Metallsplitter ihnen beim Aufsägen die Maschinen kaputt machen. Einzige Verkaufsmöglichkeit für die Waldbauern sind dann kleine, regionale Sägewerke. Doch die kaufen das Holz nur zu einem sehr geringen Preis. Holzhändler Hans Georg Bunjes meint: „Bevor ich neues Holz kaufe, frage ich immer erst nach, wo- her das Holz stammt. Erkenne ich dann eine mögliche Gefahr für meine Maschinen, nehme ich das Holz gar nicht oder nur stark verbilligt. So komme ich an Eichenstämme, die eigentlich mehr als 500 Euro kosten. Ich kann sie dann deutlich unter diesem Wert abnehmen.“ Für einzelne Regionen und Waldbauern entstehe so jedoch ein hoher wirtschaftlicher Verlust, betont Dirks. Bei der Verarbeitung dieser Baumstämme entwickeln die Sägewerke mitunter eigene Methoden, um ihre Maschinen zu schützen. „Ich stelle mich an das Gatter der Sägemaschine und beobachte jeden einzelnen Baumstamm, während er bearbeitet wird. Sobald sich das Holz leicht lila verfärbt, halte ich meine Maschinen sofort an. Die Verfärbung deutet nämlich auf Metallsplitter hin. Leider ist dieses Verfahren ganz schön zeitaufwendig und nicht immer erfolgreich“, erläutert Bunjes. Bei großen Sägewerken kann so ein Stopp schnell einen Verlust von mehreren Hundert Euro bedeuten. Die 1994 gegründete Cassel Messtechnik GmbH in Dransfeld hat nun eine Maschine entwickelt, die jeden Baumstamm vor der Bearbeitung untersucht. So lässt sich leicht überprüfen, ob der Stamm überhaupt Metallsplitter enthält. Neben der Entwicklung von Metalldetektoren für die Holzindustrie entwickelt Cassel Messtechnik auch andere Kontrollmaschinen für andere Industriebereiche. Der Umsatz liegt im zweistelligen Millionenbereich. Die Anlage von Cassel Messtechnik kann gut in den Sägeplatz integriert werden. Über ein Förderband gelangen die Baumstämme zum sogenannten Shark Octa, der vor der eigentlichen Sägemaschine installiert ist. Der achteckigen Durchlassöffnung folgt ein hochfrequentes elektromagnetisches Wechselfeld. Im Innen- und Außenbereich des Stammes können so Metallteile erkannt werden. Durch einen Metallsplitter, es reicht schon eine Größe von sechs Millimeter Durchmesser, erfährt das Wechselfeld eine Änderung, die an eine Auswerteelektronik weitergeleitet und aufbereitet wird. Der Sägewerksbetreiber kann daraufhin etwa einen Meter aus dem Stamm heraussägen, in dem der für die Maschinen gefährliche Splitter enthalten ist. Der restliche Baumstamm wird über weitere Förderbänder zur eigentlichen Sägeanlage transportiert und kann dann aufgesägt werden. Im Gegensatz zu anderen Firmen, die ähnliche Metalldetektoren herstellen, ist das Messfeld des Shark Octa mehr als zehnmal so stark. Er kostet etwa 34 000 Euro und wird vor allem in Deutschland verkauft. Einige Maschinen stehen sogar in amerikanischen Sägewerken. Peter Richter, Vertriebsleiter von Cassel Messtechnik, berichtet: „Momentan werden zwei neue Metal Shark Octa produziert. Der eine wird anschließend in Süddeutschland installiert. Die andere Anlage wird nach Frankreich exportiert.“ Julia Klenke Gymn. Bad Zwischenahn-Edewecht Sie produzieren Töne aus Tuben Wo die Linke recht behält Blasinstrumente sind auf dem Vormarsch D ie Wenzel Meinl GmbH hat seit mehr als 200 Jahren Ahnung vom Tuten und Blasen. 1810 gegründet, erlebte Meinl nach dem Zweiten Weltkrieg einen wirtschaftlichen Aufschwung, als der Vertrieb in Geretsried neu errichtet wurde. Seitdem sind die Instrumente aus den Philharmonien dieser Welt, wie etwa den New Yorker Philharmonikern oder der Philharmonie Marseille, nicht mehr wegzudenken. Bis Ende 2012 befand sich der Vertrieb in Familienbesitz, bevor er in die Buffet Group überging. Die Exportquote liegt bei 50 bis 60 Prozent, davon gehen knapp 30 Prozent in die USA und 15 Prozent nach Japan. Laut Geschäftsführer Ferdinand Kleinschmidt liegt der Umsatz bei etwa 2,5 Millionen Euro. Man sei Marktführer im Bereich der Tuba. Die jährlich 250 produzierten Tuben machen 70 Prozent des Umsatzes aus, der Rest entfalle auf kleinere Instrumente und Jagdhörner. Dabei decke man zusammen mit der Marke B&S etwa 75 bis 80 Prozent des Profibereichs und rund 60 Prozent des Amateurbereichs im Bereich Tuba ab. Für die Herstellung werden laut Kleinschmidt nur die Kupferbleche bezogen, und zwar aus Deutschland, mitunter auch die Ventile, der restliche Fertigungsprozess wie das Erstellen der Grundformen und das Zusammenbauen der Instrumente werde von Hand durchgeführt. „Die Montage für eine Tuba dauert 40 bis 80 Stunden ohne die Fertigung einzelner Teile“, sagt Kleinschmidt. Ob vergoldet, versilbert, mit vier oder fünf Ventilen versehen, unterschiedlich angepassten Mundrohren, unterschiedlich schweren Teilen oder mit speziellen Lacken versehen: „Eigent- lich ist alles möglich, oder besser gesagt, wir versuchen, alles möglich zu machen“, sagt Kleinschmidt. Der Preis einer Tuba liegt zwischen 8000 und 30 000 Euro. Die Materialkosten machen 20 bis 30 Prozent des Endpreises aus. Das teuerste Serieninstrument sei eine B-Tuba, bei der fast alle Instrumententeile in traditioneller Herstellungsweise produziert werden, mit einem Preis von 24 000 Euro. Die Tuba mit den höchsten Produktionskosten von 30 000 Euro sei eine als Einzelstück gebaute Doppeltuba gewesen. Sie habe sich allerdings nicht durchgesetzt. Auch Instrumente für Showacts stelle die Firma her, wie zum Beispiel ein Sousaphon mit einem nach unten gerichteten Schallbecher für die Le SnobSegway Band. Rund 20 Arbeiter beschäftigt das Unternehmen, die neben der Herstellung auch für die Betreuung der Musiker verantwortlich sind, damit das optimale Instrument hergestellt werden kann. Unterstützt wird das Unternehmen durch das eigene Melton Tuba Quartett, in dem Ulrich Haas seit knapp 30 Jahren Mitglied ist. Haas ist auch Dozent an der Folkwang-Hochschule in Essen und Tubist bei den Duisburger Philharmoniker. „Wenn neue Sachen auf den Markt kommen, die für uns interessant sind, dann bekommen wir Instrumente zugestellt, die wir dann im Quartett testen, und wir geben dann unsere Meinung dazu ab und dann wird darauf reagiert“, erzählt er. „Der Blechblasinstrumentenmarkt ist nicht besonders schnelllebig, aber die Tendenz geht immer mehr zu kompakteren Tuben“, fügt Kleinschmidt an. Stefanie Mattern Landgraf-Ludwigs-Gymnasium, Gießen D Produkte für Linkshänder bilden eine nicht zu unterschätzende Nische as mache ich doch mit links“, heißt es, wenn eine Tätigkeit so einfach ist, dass man sie sogar mit der linken Hand meistert. Auch andere Sprüche wie „Der hat doch zwei linke Hände“ und „Die ist ja mit dem linken Fuß zuerst aufgestanden“ wecken negative Assoziationen. „Rechts“ hingegen wird mit „recht“ und „richtig“ verbunden. Früher wurden linkshändige Kinder durch Zwang zu Rechtshändern und damit zur „Normalität“ umgeschult. „Aus Gesprächen mit Besuchern unseres Ladens kennen wir viele persönliche Geschichten. Das reicht bis zu traumatischen Erlebnissen, bei denen die Betroffenen als Kinder geschlagen, ihre Arme an Stuhllehnen festgebunden oder gar eingegipst wurden“, sagt Heiko Hilscher, Geschäftsführer der Linkshänder & Co. GmbH in Erfurt. Hinsichtlich der Umschulung habe es keine Unterschiede zwischen DDR und BRD gegeben. „Ein echtes Umdenken fand erst in den achtziger Jahren statt, in beiden Teilen Deutschlands.“ In einer an Rechtshändern orientierten Welt sind Alltagsgegenstände für die Benutzung mit der rechten Hand konzipiert: Lineale, Scheren, Messer, Computermäuse, Korkenzieher, Automaten, Eiscremeportionierer, Bohrmaschinen und so weiter. Die Liste lässt sich beliebig fortsetzen und führt bis zu Tassen (hält man den Griff in der linken Hand, befindet sich das Motiv oft auf der Rückseite). Jeder Linkshänder weiß, wie schwierig ein Dosenöffner sein kann, der mit der linken Hand nicht funktioniert, da sich das Schneidrad auf der falschen Sei- te befindet. Für Schreibwaren gilt jedoch: Linkshänderscheren, Füller und Lineale finden sich heute in fast jedem Schreibwarenladen. Hilscher zufolge war dies 1998 noch anders: Damals hatte er versucht, für seine Geschäftspartnerin Gabriela Reppert eine Linkshänderschere zu kaufen. So kam er auf die Idee, Produkte für Linkshänder anzubieten. Der Versandhandel startete am 13. August 2003, dem Internationalen Linkshändertag, mit 185 Produkten. Doch es sollte nicht beim Onlineshop bleiben. Man wollte die Produkte auch in einem Laden anbieten. Dieser hatte zunächst nicht die optimale Lage. 2010 konnte man dann auf die Krämerbrücke in Erfurt umsiedeln, die viele Touristen anlockt. Das Sortiment beläuft sich auf mehr als 600 Produkte. Dazu zählen Scheren, Messer, Spitzer, Dosenöffner, Schreibtischunterlagen, Gartenscheren, Geldbörsen, Tastaturen und Computermäuse. Von den Tastaturen habe man in vier Jahren 1000 Stück verkauft und von den Zollstöcken 2000 in drei Jahren. Beliebt ist auch die Linkshändertasse, von der jährlich 2000 Stück verkauft werden. Der Aufschrift entsprechend ist diese wirklich „nur für Linkshänder“ geeignet: Benutzt man sie mit rechts, sorgen drei kleine Löcher am oberen Rand für „unerwünschten Flüssigkeitsverlust“. Der Linkshänder-Laden bezieht seine Produkte von vielen Anbietern, unter anderem von Schneider, Lamy, Pelikan, Kahla Porzellan und Stabilo. „So etwas wie Laufkundschaft gibt es im Internet nicht“, betont Hilscher. Und genau darin bestehe der Vorteil des Ladengeschäfts. Die meisten Kunden seien ob des vielfältigen Angebotes überrascht. Und natürlich ist es auch von Vorteil, dass Kunden im Laden Produkte ausprobieren können. Laut Hilscher liege der Jahresumsatz bei etwa 150 000 Euro. Dabei trage der Onlineshop in einem größeren Umfang bei, da die Besucher des Ladens tendenziell kleinere Waren wie Scheren oder Schäler unter 10 Euro, also typische Mitbringsel, kaufen. Es handele sich aber um den einzigen „echten“ Linkshänderladen in Deutschland. Die Preise reichen von 50 Cent für eine Ersatzklinge für einen Schäler bis zu 1351 Euro für eine Tisch-Bohrmaschine. Das zweitteuerste Produkt, eine Uhr, koste 229 Euro (der Unterschied zu normalen Uhren liegt übrigens in der Platzierung der Krone). Dass Linkshänderprodukte grundsätzlich teurer wären als die für Rechtshänder, kann Hilscher nicht bestätigen. Da ein großer Teil des Sortiments von bekannten Markenherstellern produziert wird, sind die Preise bei diesen Anbietern identisch mit denen der Rechtshänderartikel. Hinter der Linkshänder & Co. GmbH steht ein Team von drei Personen. Petra-Marion Ertingshausen trägt die Verantwortung für den Onlineshop und betreut die Kunden des Ladengeschäfts. Hilschers Geschäftspartnerin Gabriela Reppert ist für die Programmierung und die Datenbanken verantwortlich. Heiko Hilscher selbst kümmert sich neben der Geschäftsführung um das Design und die Gestaltung, das Marketing und die Durchführung von Linkshänder-Seminaren. Lisa Brenner Rosenstein-Gymnasium, Heubach Jugend und Wirtschaft kleine zeitung Seite 5/Ausgabe 4/Dezember 2015 Ein Projekt des Bundesverbandes deutscher Banken und der Frankfurter Allgemeinen Zeitung Die Feder ist nicht nur der Matratze Kern Um sich in allen Lagen des Lebens pudelwohl zu fühlen E ntspannen in allen Lebenslagen ist ein Bedürfnis, dem heute immer mehr Bedeutung zukommt. Das Ziel heißt deshalb: Besser Sitzen und Liegen in allen Bereichen des täglichen Lebens! Die Feder ist dabei der Kern des Ganzen!“ Damit wirbt die Hoffmann GmbH aus Seßlach in Oberfranken auf ihren Prospekten. Das Unternehmen hat sich auf die Herstellung von Federkernen spezialisiert. In vielen bekannten Transportmitteln wie dem französischen Schnellzug TGV, der London Underground oder dem Airbus 380 findet man Federkerne aus Seßlach. Die Firma wurde 1948 von Otto Hoffmann gegründet und wird heute von dessen Sohn Gerhard geführt. Es ist das einzige Unternehmen, das von vielen Federkernherstellern im Coburger Raum übriggeblieben ist und Bonell-, Taschen- und Zylinderfederkerne herstellt. 1995 expandierte man nach Polen. Dort arbeiten 65 Mitarbeiter, die ausschließlich Bonellfederkerne herstellen. In Deutschland sind 60 Leute beschäftigt, die alle drei Federkernarten fertigen. Laut Florian Lendner vom Controlling wurden 2014 mehr als 100 Millionen Federn verkauft, die einen Umsatz von 13 Millionen Euro ergaben. Hoffmann hat einen Marktanteil von etwa 15 Prozent. Bonellfederkerne, nach ihrem englischen Erfinder benannt, werden aus einzelnen vergüteten, das heißt induktiv gehärteten, Taillenfedern, die mittels eines Spiraldrahts mitein- Wer gerät da nicht ins Träumen? ander verbunden werden, gefertigt. Sie werden in einer Höhe von 65 bis 160 Millimeter hergestellt. Taschenfederkerne bestehen aus Einzelfedern, die in Einzelsäckchen aus Polypropylenvlies eingeschweißt sind. Diese Taschen sind in einer Richtung aneinanderhängend und bilden die sogenannten Federschlangen. Setzt man diese durch Verkleben zusammen, erhält man den Taschenfederkern. Er wird in einer Höhe von 35 bis 200 Millimeter Höhe herge- Das goldene Vlies Mit Nonwovens und Filtermedien ist Gutsche im Reinen E in Fußbodenbelag als Filtermaterial? Schwer vorstellbar. Doch Eugen Gutsche schaffte es Anfang der 60er Jahre zusammen mit einem Filteranlagenbauer, Nadelfilze so zu modifizieren, dass sie die bisher eingesetzten Gewebe um Längen übertrafen. Das neue Material trat alsbald seinen weltweiten Erfolgszug an. Heute gebe es in großindustriellen Anwendungen kaum noch Prozesse, in denen nicht Nadelfilze eingesetzt würden – Gutsche sei ein Weltmarktführer, sagt Michael Gutsche, Geschäftsführer der MGF Gutsche GmbH & Co. KG in Fulda. Der Erfolg sei einem Zusammenspiel aus wachsendem Umweltbewusstsein und den daraus resultierenden strengeren Emissionsgrenzen zu verdanken. So heizten die Müllverbrennungsanlagen in den 80er Jahren eine öffentliche Debatte an. Die Nadelfilztechnologie habe einen wichtigen Beitrag dazu geleistet, die Emissionen so zu reduzieren, dass heute alle in Deutschland betriebenen Anlagen zusammen nur noch einen Wert von zwei Gramm Dioxin ausstößen. Da der Nadelfilz aus unterschiedlichen Faserpolymeren mit verschiedenen Eigenschaften bestehen kann, können die Filter individuell gestaltet werden. Gutsche porotex hat eine hohe Temperaturbeständigkeit für Müllverbrennungsanlagen. Die Sonderausrüstung antafin wird wegen ihrer öl-und wasserabweisenden Eigenschaften zur Filtration klebriger Stäube eingesetzt, etwa in der chemischen und der Lebensmittelindustrie. Den größten Absatz (etwa 20 Prozent) findet Gutsche derzeit in Asien, vor allem China hat einen wachsenden Bedarf. 2006 wurde dort der zweite Produktions- und Vertriebsstandort gegründet, in dem 70 der weltweit 200 Mitarbeiter arbeiten. In Fulda werden nicht nur Filtermedien, sondern auch High Performance Nonwovens hergestellt. Diese nicht-gewebten Vliesstoffe machen rund 20 Prozent des Umsatzes aus – Tendenz steigend. Sie werden durch Vernadelung synthetischer Fasern hergestellt und eignen sich vor allem zur Verbindung mit anderen Oberflächen. Die Nonwovens sind überall zu finden – in Autos der Premiumklasse sind teilweise 10 bis 15 Quadratmeter verarbeitet. Sie verstecken sich im Amaturenbrett, im Laderaum und an vielen anderen Stellen, wo sie sowohl zur Verbesserung des Komforts als auch aus optischen Gründen verwendet werden. Auch in Outdoorbekleidung oder Schutzanzügen sowie im Flugzeugbau findet man sie. Doch was macht die Gutsche Filtermedien so besonders? Es ist das Polytetrafluorethylen (PTFE), dem Gutsche seine Weltmarktführerschaft verdankt. Die PTFE-Filze werden vor allem in der Müllverbrennung verwendet, auch in Japans 1000 Anlagen. Darüber hinaus setze Gutsche, laut Geschäftsführer, mehr auf Produkte der Sorte „taylor-made“ als auf solche von der Stange. Das sei zunächst zwar deutlich aufwendiger in der Herstellung, überzeuge allerdings auf längere Sicht durch eine größere Zuverlässigkeit und längere Lebenszeit der Produkte. Der Quadratmeterpreis reiche von 70 Cent bis zu 25 Euro. 2014 erwirtschaftete Gutsche einen Rekordumsatz von mehr als 48 Millionen Euro. Anne Vogel Internat Schloss Hansenberg, Geisenheim Foto Heinz Lohmann stellt. Zylinderfederkerne werden in einer Höhe von 40 bis 230 Millimeter gefertigt und im Gegensatz zu den anderen Federn fast komplett von Hand produziert. Diese Seßlacher Kerne sind zum Beispiel in den Sitzen von Oldtimern wie dem Mercedes 190 SL verbaut, aber auch bei LKW. „Die Federkerne der Matratzen in den DAF-LKW werden von uns hergestellt“, berichtet Lendner. 1994 war Hoffmann das erste Unternehmen, das Taschenfederkerne ab einer Höhe von 40 Millimeter in Serie produzierte. Dafür erhielt die Firma ein Patent. Seit 2010 beliefert man auch einen Zulieferer für Flugzeugsitze. Hoffmann hat dort in den vergangenen vier Jahren 49 950 Federkerne geliefert, was ebenso vielen Sitzen in A380 Flugzeugen entspricht. „Je nach Airbus-Typ ist der Zylinderfederkern gerade mal so groß wie ein Stück Papier im Format DIN-A5 mit einem Gewicht von 80 Gramm“, erzählt Lendner. Im Moment sind 166 A380 Flugzeuge im Einsatz mit durchschnittlich jeweils etwa 555 Sitzen. „In den Anfängen produzierte die Federkernbranche Zylinderfederkerne für Polsterungen aller Art. Im Zuge des technischen Fortschritts und der raschen Entwicklung der Sitz- und Liegemöbelindustrie folgten Bonellfederkerne und daraufhin der Taschenfederkern“, erklärt Lendner. „Die Federkerne werden in einem Drei-Schicht-Betrieb hergestellt und wurden 2010 mit dem Oeko-TexZertifikat ausgezeichnet.“ Bekannte deutsche Kunden sind der Matratzenhersteller Malie Mecklenburgisches Matratzenwerk oder der Sitzund Objektmöbelhersteller Walter Knoll. Lokal arbeitet der Sitzmöbelspezialist aus Seßlach seit mehr als 30 Jahren vor allem mit der Albert Ponsel GmbH & Co. KG zusammen, die zwei Drittel ihrer Federkerne von dort bezieht. Konkurrenten sind in Deutschland die Agro International GmbH & Co. KG und die Eichsfelder Polster-Zubehör GmbH. Die neueste Erfindung der Hoffmann GmbH ist der Mikro-Taschenfederkern mit 35 Millimeter Höhe. Mit ihm werden vor allem Fahrzeugsitze, Bürostühle und Caravan-Matratzen ausgestattet. Neben der Federkernabteilung gibt es in der Unternehmensgruppe noch die Abteilung Zaun- und Landschaftsgartenbau. Dieser Bereich erwirtschaftet etwa 15 Prozent des Umsatzes. Felix Fischer Arnold-Gymnasium, Neustadt b. Coburg Manchmal geht ein Buchsbaum flöten Der Flötenbauer Martin Praetorius W enn ich hier nun ein falsches Maß einstelle, fange ich nochmal komplett von vorne an“, sagt Martin Praetorius aus Beedenbostel bei Celle. Nach fünfzehnjähriger Lehrzeit bei der Moeck Musikinstrumente Verlag GmbH in Celle beschloss Praetorius vor 23 Jahren, seine eigenen Instrumente zu bauen. Heute ist er einer von fünf nicht-industriellen Renaissanceund Barockflötenbauern weltweit. Er schätzt seinen Marktanteil bei handgemachten Renaissanceblockflöten auf etwa zehn bis fünfzehn Prozent. Bei den Dulcianen sei er derzeit wohl derjenige von ebenfalls fünf Dulcianbauern auf der Welt, der die meisten Aufträge bekomme. Barockblockflöten bestehen aus zwei bis drei Teilen und werden von Praetorius aus Buchsbaum gefertigt. Eingesetzt werden sie meist als Soloinstrumente. Die Renaissanceblockflöten dagegen sind aus einem einzelnen, höchstens zwei Holzstücken gefertigt und klingen im Ensemble wie eine Holzorgel. Sie werden meist aus Berg-Ahorn gebaut. Dulciane werden heute meist von Liebhabern geblasen. Sie sind die Vorläufer des Fagotts. Außerdem sind sie tiefer, als ihre Länge vermuten lässt, da die Luft im Instrument nicht ein Mal hindurchströmt, sondern es gibt zwei parallele Innenbohrungen. Schalmeyen aus dem Mittelalter klingen dagegen laut und scharf und werden wie die Dulciane auch mit einem Doppelrohrblatt angeblasen. Sie sind die Vorgänger der heutigen Oboe. Mitunter baut Praetorius auch wirklich historische Flöten aus Museen nach. „Industrieflöten sind auf einem sehr hohen Niveau und klingen alle ähnlich. Ein optimales Instrument wird so oft wie möglich kopiert, man könnte auch sagen ‚geklont‘. Handgemachte Flöten können auf den Kunden ausgerichtet werden, was die Grifflochlage und Klappengröße betrifft.“ Bei der Fertigung wird aus einem eckigen, etwa fünf Jahre getrockneten Holzstück auf der Drechselbank erstmal die Innenbohrung mit einem Räumer fertiggestellt. Diese Bohrung hat unregelmäßige Verläufe, die sehr bedeutsam sind für den Klang. Dann wird die äußere Form von Hand gedrechselt und zum Schluss sehr fein geschliffen. Jeder kleinste Fehler an der Drechselbank kann dazu führen, dass die Flöte verstimmt wird. Anschließend wird das Instrument mit Öl imprägniert. Dann schnitzt Praetorius das Labium in den Flötenkopf. Je nach dessen Form klingt der Ton scharf, weich, kräftig oder sanft. Ebenfalls wichtig ist der Windkanal, der die Luft zum Labium führt. Hierzu hat Praetorius eine eigene Maschine entwickelt. Danach wird der Block eingebaut, der die Flöte zum Kopf hin verschließt und nur für den Windkanal einen kleinen Spalt lässt. Schließlich werden die Grifflöcher gebohrt, genau an die richtige Stelle und mit dem richtigen Durchmesser. „Bei Instrumenten, für die ich bisher noch keine genauen Maße entwickelt habe, stelle ich gelegentlich vorher Probeinstrumente her. An denen probiere ich aus, wie ich welche Komponente verändern muss, um einen schönen Klang zu erreichen.“ Ganz am Ende steht das Stimmen selber. Praetorius investiert etwa zehn Arbeitsstunden für eine Sopranflöte und vierzig für einen Bass-Dulcian. Das Holz bekommt er unter anderem von den Niedersächsischen Landesforsten. Berg-Ahorn bietet sich besonders an und kostet pro Kubikmeter inklusive Sägen und Transport 1000 Euro. Ein Kubikmeter Buchsbaumholz kostet um die 27 000 Euro. Bis der Kunde ein Instrument in seinen Händen hält, muss er wegen der langen Auftragsliste 15 Monate warten. An einem großen Instrument baut Praetorius bis zu einem Monat, an kleineren Instrumenten einige Tage. So fertigt er fünfzig Instrumente im Jahr. „Am liebsten baue ich Renaissanceblockflöten, da diese im Zusammenklang gut wirken.“ Die Instrumente werden bis nach Korea und Australien verschickt. Die kleinsten Instrumente sind ab 830 Euro, die größten für 3785 Euro zu haben. Die Materialkosten für eine Bassflöte, das Holz und Messing für die Klappen am Instrument, betragen etwa sechzig Euro. „Insgesamt kann man davon leben, verdient aber weniger, als wenn man in der industriellen Instrumentenfertigung beschäftigt ist“, meint Praetorius. Ganz nebenbei hat der Instrumentenbauer noch eine ganz andere Erfindung gemacht: einen Milchschäumer, mit dem man ohne Elektrizität innerhalb von zwanzig Sekunden einen Liter Milch in Milchschaum verwandeln kann. Auf die Idee gekommen ist Praetorius dadurch, dass gute milchschäumende Maschinen entweder zu teuer oder nicht effektiv genug waren. Seit 2012 hat er etwa 2500 Exemplare verkauft. Ein Milchschäumer kostet zwischen 25 und 38 Euro. Laura Ostermann Campe-Gymnasium, Holzminden Jugend und Wirtschaft kleine zeitung Seite 6/Ausgabe 4/Dezember 2015 Ein Projekt des Bundesverbandes deutscher Banken und der Frankfurter Allgemeinen Zeitung Ohne sie steht die Feuerwehr auf dem Schlauch Rud. Prey produziert Anlagen für die Schlauchpflege J eden Tag rückt die Feuerwehr zu Bränden aus. Aber nach dem Einsatz fängt die Arbeit oft erst richtig an. Denn die gebrauchten Schläuche müssen auf Löcher geprüft, gepflegt und getrocknet werden. Schließlich kann man sie nicht einfach auf eine Wäscheleine hängen. Deshalb hat die Rud. Prey GmbH & Co. KG aus Kiel Schlauchtrocknungsanlagen entwickelt. „Die Nachfrage nimmt stetig zu“, sagt Timo Rapp, Leiter der Abteilung Feuerwehrtechnik. Rud. Prey wurde 1892 gegründet, von 1908 an baute man Aufzüge, auch die für das Marine-Ehrenmal in Laboe. Die Idee zur Schlauchaufhängeanlage hatte der Feuerwehrmann Siegfried Dornbusch 1951. Zuvor hatte man die Schläuche noch mit Muskelkraft in einen Turm gezogen und zum Trocknen gehängt. Dornbusch erfand einen Schlauchaufzug und wandte sich damit an Rud. Prey, wo ein Prototyp entstand. Dieser war in der Kieler Berufsfeuerwehr bis 2006 in Betrieb. 1983 kam ein neuer Typus, an dem man zwei Schläuche zugleich aufhängen konnte. Als Ergänzung hat man dann eine Voll- und eine Halbstraße entwickelt. In der 22,6 Meter langen Vollstraße werden die Schläuche gewaschen, geprüft und an die automatische Aufhängeanlage übergeben, um von dieser in den Turm zum Trocknen gezogen zu werden. Nach dem Trocknen wird der Schlauch gewickelt, erklärt Rapp. Die Anlage pflegt bis zu 54 Schläuche in der Stunde. Später hat Rud. Prey dann die erste Prozessstraße entwickelt, bei der die Trocknung nicht mehr durch den Turm erfolgt, sondern durch eine integrierte Trocknungsanlage. Sie fertigt in einer Stunde bis zu 38 Schläuche ab. Von der heute besonders gefragten Kompaktanlage, die einen Raum von gerade einmal 9 Quadratmeter beansprucht, sind bereits 1000 Anlagen verkauft worden. 85 Prozent aller Anlagen von Rud. Prey sind laut Rapp auch nach 30 Jahren noch in Betrieb. Während der Nutzung verbraucht die Kompaktanlage nur 0,151 Kilowatt je Schlauch, und der Kunde muss für die Fertigstellung von 100 Schläuchen bloß 2,43 Euro an Stromkosten aufwenden (bei 15 Cent je Kilowattstunde). Während die Prozessstraße „insgesamt 140 000 Euro kostet, kostet die Kompaktanlage gerade mal 50 000 Euro“, sagt Rapp. Rud. Prey beschäftigt 125 Mitarbeiter. Davon arbeiten rund 50 als Servicetechniker und Monteure in der Aufzugtechnik, die immer noch den Unternehmensschwerpunkt darstellt. Dennoch gewinnt die Feuerwehrtechnik immer mehr an Bedeutung. Der Kreisfeuerwehrverband Dithmarschen verwendet die Rud. Prey Prozessstraße vom Typs PRO 4 „schon seit August 2013 und hat schon etwa 5000 Schläuche mit ihr getrocknet“, sagt Birte Pries vom Verband. Hierzulande hat Rud. Prey „in der Branche der Schlauchtrocknung etwa 44 Prozent Marktanteile“, meint Rapp, wobei man mit der Prozessstraße PRO 4 eine Monopolstellung genieße. Mehr als 90 Prozent wird in Deutschland abgesetzt. In vielen anderen Ländern wisse man zu wenig von dieser Technologie und bevorzuge eigene Methoden, erklärt Rapp. Die Firma produziert etwa 30 Anlagen im Jahr, darunter gut 20 Kompaktanlagen. Die Kunden von Rud. Prey fertigen im Jahr durchschnittlich 4500 bis 6000 Schläuche ab. „Von 10 Millionen Euro im Jahr 2009 stieg der Umsatz bis 2013 auf 12 Millionen Euro. Der Umsatz verteilt sich zu etwa 80 Prozent auf die Aufzugstechnik und zu etwa 20 Prozent auf die Feuerwehrtechnik“, berichtet Prokurist Manfred Hamann. Christopher Schaarschmidt Friedrich-Schiller-Gymnasium, Preetz Sie mahlen alles grau in grau Die größte Vertikalmühle der Welt kommt von Pfeiffer K auft man im Baumarkt Zement, so kann es gut sein, dass dieser von einer Mühle der Gebr. Pfeiffer SE in Kaiserslautern hergestellt wurde. Pfeiffer ist mit 25 Prozent Marktanteil einer der größten Vertikalmühlenhersteller der Welt, erklärt der Leiter des Finanz- und Personalwesens Christoph Geupel. Pfeiffer hat auch die größte Vertikalmühle der Welt gebaut, die MVR 6700 C-6 in Barroso, Brasilien. Um Zement zu bekommen, muss zuerst Kalkstein abgebaut werden. Dieser wird durch Brecher zerkleinert. Dann wird das Gestein zu Rohmehl vermahlen, das in einem Ofen bei 1450 Grad geschmolzen und zu Klinker gebrannt wird. Ist der Klinker abgekühlt, kommt die Vertikalmühle zum Einsatz. Hierzulande stehen sie meist in der Nähe von Steinbrüchen. Durch Zugabe von Wasser und dem Fließmittel Glenium kann dann endlich Beton entstehen. Pfeiffer ist ein 1864 gegründeter Familienbetrieb. Bereits vor dem Ersten Weltkrieg sei die Firma hauptsächlich international aktiv gewesen, erläutert Geupel. Weitere, kleinere Niederlassungen befinden sich heute in China, Indien und Nordamerika. Mit rund 500 Mitarbeitern fertigt Pfeiffer jährlich durchschnittlich 25 Vertikalmühlen. Man verstehe sich als Technologieführer bei den ganz großen Mühlen, da es „momentan kein anderes Unternehmen gibt, das so leistungsstarke Mühlen produziert“, erklärt Geupel. Aus Sicht von Timo Theisinger, einem Mitarbeiter aus der Produktion, sei das Multidrivekonzept der Mühlen ein besonderer Vorteil. In den Mühlen seien mehrere Antriebsmotoren verbaut, sodass die Ausfallsquote sehr gering bleibe. So könne „beim Verschleiß einer Mahlwalze diese problemlos ausgetauscht werden, ohne dass die ganze Mühle abgeschaltet werden muss“. Laut Geupel sei der deutsche Markt so gesättigt, dass das Auslandsgeschäft 97 Prozent des Umsatzes ausmache. In Deutschland gebe es bereits rund 25 Zementwerke, die ihr Umfeld ausreichend mit Zement versorgen. „Darüber hinaus beträgt die Lebensdauer einer Mühle etwa 50 Jahre, was den Bedarf ziemlich einschränkt“, sagt Projektmanagerin Carina Stenzhorn. Der Umsatz liegt bei gut 100 Millionen Euro. „In den Schwellenländern besteht eine ständige Nachfrage.“ Die meisten Bestellungen kommen aus Indien, Indonesien und Südostasien. Die Mühlen werden individuell und in der Größe nach den Wünschen der Kunden gefertigt. Die Preisspanne reicht dabei von 500 000 bis 15 Millionen Euro. Die Mühle in Barosso produziert statt der sonst üblichen maximalen 300 Tonnen 450 Tonnen Zement in der Stunde. Konrad Glade Albert-Schweitzer-Gymn., Kaiserslautern Weihnachten ist kugelsicher W Inge’s Christmas Decor liefert Glaskugeln an renommierte Kaufhäuser wie das KaDeWe eihnachten steht vor der Tür, doch bei der Inge’s Christmas Decor GmbH beginnt die Produktion von Glaskugeln und anderem Weihnachtsschmuck viel früher, um sie rechtzeitig weit über die Grenzen des Firmensitzes Neustadt bei Coburg hinaus auszuliefern. Die 125 Mitarbeiter sind acht Monate lang mit der Produktion des Schmucks beschäftigt, der dann in einem Zeitraum von nur 8 bis 10 Wochen ausgeliefert werden muss. Im September und Oktober wird der meiste Schmuck verkauft. Zu den Kunden zählen renommierte Kaufhäuser wie das Galeries Lafayette in Paris, das Harrods in London oder das Berliner KaDeWe. Auch im Münchner Hofbräuhaus oder der Bayerischen Staatskanzlei war der Schmuck bereits zu sehen. Das Sortiment gliedert sich in zwei Marken: zum einen die IngeGlas Manufaktur, die handgearbeitete, hochwertige und in Deutschland produzierte Glasornamente umfasst, zum anderen die Marke Magic - The spirit of christmas, für die „Produktion von konsumiger, preiswerter Importware“, so die Angabe des Herstellers. Bei der Marke Inge-Glas Manufaktur setzt man auf Handar- beit und die Erhaltung regionaler Arbeitsplätze vor allem im Bereich der traditionellen Glasbläser. „Bei handgemachter Ware sind wir deutschlandweit Marktführer“, sagt Geschäftsführer Tilo Hannemann. Die Stellung als Marktführer und den europaweiten Marktanteil von etwa 25 Prozent erklärt Hannemann so: „Vor 30 Jahren waren die USA der wichtigste Absatzmarkt für handgemachte Glasschmuckherstellung. Das führte dazu, dass sich viele Unternehmen hauptsächlich auf die USA konzentrierten. Mit den Wirtschaftskrisen in den Jahren 2001 und 2008 wurde der Markt in den USA allerdings stark abgeschwächt, was diesen Unternehmen enorme Schwierigkeiten bereitete. Wir allerdings hatten uns schon frühzeitig auf andere, innereuropäische Märkte konzentriert und konnten so diesen Rückgang kompensieren.“ Deshalb stehe heute Inge’s Christmas Decor in Deutschland „mit Ausnahme weniger kleiner Handwerksbetriebe und Importeure konkurrenzlos“ da. Der Exportanteil liegt heute bei 30 Prozent, vor allem nach Österreich, Italien und die Schweiz. „Der Anteil der USA macht nur 8 Prozent des Gesamtexportes aus“, berichtet Hannemann. Zugleich nimmt die Bedeutung des Standortes Asien immer weiter zu. Im Jahr 2014 erzielte man einen Umsatz von 14,1 Millionen Euro. Das Unternehmen ist zudem in der Christmas Trend Group und der Seasons Trend Group vertreten. Es handelt sich um Zusammenschlüsse von Herstellern für Geschenkpapier, Kerzen, Geschenkbändern, Dekoservietten und -accesoires und Glasschmuck, die sich zum Ziel gesetzt haben, jedes Jahr als „Empfehlung und Trendscout“ zu fungieren. Dies geschieht zum einen für die Winterund Weihnachtssaison als Christmas Trend Group, zum anderen für die Frühlings- und Sommersaison als Seasons Trend Group. Da bei letzterer auch nach Osterschmuck verlangt wurde, gab dies den Anstoß für Inge’s Christmas Decor, eine Kollektion von „außersaisonalem“ Schmuck zu entwickeln. Diese gibt es seit vergangenem Jahr und umfasst mittlerweile etwa 100 Artikel für Frühling, Sommer, Ostern und Valentinstag. Eine weitere neue Produktreihe ist der Tabaluga-Glasschmuck, Lizenzartikel in Zusammenarbeit mit der Tabaluga Enterprise GmbH von Peter Maffay. Jonas Arnold Arnold-Gymnasium, Neustadt bei Coburg Das Potsdamer Plätzchen Wo man Geschichte gebacken bekommt W onach schmeckt eigentlich der Potsdamer Platz? Diese Frage stellte sich Sylvie Assig, als sie sich die Backmischung für ihre Kekse ausdachte. Auch Constanze Lohbeck fand, dass man Berliner Architektur einen Geschmack geben sollte. Daraus entstanden zwei Geschäftsideen, die die Hauptstadt um einige Souvenirs reicher und leckerer machen. Vorsichtig schichtet Assig Mehl und Haferflocken in ein langes Glas. Seit 2012 stellt sie Backmischungen für Plätzchen her. Hinter jeder steckt ein bisschen Geschichte Berlins. So sind die Zutaten der „Plätzchen der Luftbrücke“ Hafer, Schokolade und Rosinen, denn genau mit diesen Lebensmitteln versorgten die Alliierten Westberlin während der Berlin-Blockade 1948/1949. Auf dem Potsdamer Platz stand die erste Ampel Europas, weshalb diese Backmischung rote Cranberries, gelbe Äpfel und grüne Kürbiskerne enthält. „Ich beginne immer damit, so viel Wissen und Assoziationen wie möglich zu einem Platz zu sammeln. Die Idee, Wissen anschaulich darzustellen, ist mein täglich Brot. Ich unterrichte Deutsch als Fremdsprache“, erzählt die Gründerin von Backflasch. „Dann suche ich nach Zutaten, die sich eignen könnten, dieses Wissen darzustellen, und versuche, ein Rezept daraus zu stricken.“ Die Idee entstand, als Assig ein Geschenk für einen Freund brauchte, der gerade seine Wohnung am Platz der Luftbrücke einweihte. Ein leeres Gurkenglas wurde mit Rosinen und anderen Zutaten gefüllt. Als immer öfter Anfragen von Freunden und Familie kamen, wurde ihr klar, dass es sich hierbei um eine ausbaufähige Geschäftsidee handelt. „Am Anfang habe ich alles selbst gemacht.“ Mittlerweile arbeitet die gelernte Kulturwissenschaftlerin mit der Lichtenberger Werkstatt für Behinderte zusammen, die bei der Konfektionierung der Flaschen hilft. Zur Saison im Herbst und Winter wächst das Team bei Backflasch auf sechs bis acht Mitarbeiter. Zu kaufen gibt es die liebevoll verzierten Gläser auf Wochenmärkten in Berlin, in zahlreichen Geschäften und im Online-Shop der Firma. Ein Glas kostet zwischen 10 und 15 Euro, und die Auswahl ist groß; es gibt 11 Orte in verschiedenen Geschmacksrichtungen. Das Backen ist kinderleicht. Man muss nur etwas Butter und ein Ei zur Backmischung geben. Die 600-ml-Gläser ergeben 60 bis 80 Kekse, bei einigen Backmischungen sind sogar Förmchen zum Ausstechen dabei. Das „Berliner Brot“ und die „Oberbäumchen“ verkaufen sich am besten. Der Jahresumsatz liegt eigenen Angaben zufolge bei 60 000 Euro, im vergangenen Jahr sei er um 30 Prozent gestiegen. „Viele unserer Kunden leben in Berlin oder haben einen starken Bezug zu der Stadt“, erklärt die Gründerin. Bei den Backmischungen handelt es sich um kein typisches Touristen-Produkt: „Dafür ist es für Gäste, die mit dem Flieger unterwegs sind, oft zu schwer, und viele Plätze sind zu Kiez-bezogen.“ Auf Details legt auch Constanze Lohbeck wert. Seit 2004 backt sie Architektur in Form von Plätzchen aus Mürbeteig. Angefangen hat alles, als die Gründerin der Stadt Plätzchen GbR 1996 als junge Designerin nach Berlin kam und feststellte, dass es neben der Currywurst kein Produkt gab, das die Hauptstadt treffend charakterisierte: „In einer Zeit, als das neue Berlin entstand, und jeder sich für die neue Architektur in Berlin zu interessieren begann, kam mir die Idee, Architektur und Souvenir miteinander zu verbinden.“ 2003 begann sie in ihrer Küche eine Backform zu entwickeln, die Berliner Sehenswürdigkeiten detailgetreu abbildete, und einen Teig, der diese Elemente auch nach dem Backen zeigte. Von ihren 2000 Euro Startkapital kaufte sie sich unter anderem einen professionellen Backofen. Die ersten Plätzchen wurden in der Buchhandlung „Berlin Story“ in der Straße Unter den Linden verkauft, mittlerweile gibt es sie in zahlreichen Geschäften in einigen Städten Deutschlands und im Internet. 2007 stieg die Architektin Petra Vondenhof-Anderhalten als Geschäftspartnerin mit ein. „Im Prinzip machen wir alles alleine“, erzählt Lohbeck „hin und wieder, vor allem vor Weihnachten, unterstützen uns Freunde und Familie.“ Nicht nur Touristen kaufen die Plätzchen, sondern auch Berliner, die diese gerne weiterverschenken. „Die Produkte gibt es ab 10 Euro, und man bekommt eine formschöne Dose, ein Booklet, das Kurzinformationen in deutscher und englischer Sprache zu den Gebäuden liefert und sechs bis sieben köstliche Mürbeteigplätzchen“, berichtet die gelernte Produktdesignerin. Man kann sich zwischen Orten wie der Museumsinsel, dem Pariser Platz oder dem Gendarmenmarkt entscheiden. Die Mischung „Pariser Plätzchen“ beinhaltet das Brandenburger Tor, das neue Kanzleramt und den Reichstag. Insgesamt stehen knapp 20 Berliner Sehenswürdigkeiten zur Auswahl. Mit der Zeit wurden noch acht weitere Städte wie Frankfurt mit seinem Hauptbahnhof und der Alten Oper sowie Köln in das Sortiment aufgenommen. „Es war von Beginn an klar, dass sich die Formenherstellung für die Produktion von beliebigen Motiven eignet“, erzählt Lohbeck, denn mittlerweile stellt sie auch Plätzchen nach Wunsch her und beliefert Deutschland und Europa. „30 Prozent unserer Aufträge bestehen aus Bestellungen für individuelle Anfertigungen für Eventagenturen, Firmen und Institutionen, wie zum Beispiel dem Bundesrat oder Landesvertretungen, die die Kekse gerne als Giveaway nutzen.“ Zu den Kunden von Stadtplätzchen gehören Siemens, die Commerzbank und BMW. Das Motto lautet: „Wir kriegen alles gebacken.“ Mehrere Zehntausend Plätzchen jährlich werden bei Stadtplätzchen gebacken. Der Umsatz lag im Jahr 2014 nach eigenen Angaben bei knapp 35 000 Euro. Julia Smagiel Kath. Schule Liebfrauen, Berlin Jugend und Wirtschaft kleine zeitung Seite 7/Ausgabe 4/Dezember 2015 Ein Projekt des Bundesverbandes deutscher Banken und der Frankfurter Allgemeinen Zeitung Frauen haben nicht alle Kleider im Schrank Da kommt das Konzept einer Fashion-Flatrate gerade recht D er eigene Kleiderschrank ist immer viel zu klein, und das richtige Outfit ist ohnehin nie dabei. Einer Studie des britischen Modehauses Matalan aus dem Jahr 2009 zufolge verbringen Frauen durchschnittlich 287 Tage ihres Lebens vor dem Kleiderschrank mit der Frage „Was ziehe ich heute bloß an?“ Aufgrund der ständig wechselnden Trends hat frau dort scheinbar nie das Richtige hängen. Genau dort setzen die beiden Jungunternehmerinnen Nicole Stein und Nina Blasberg an. Seit April 2014 betreiben sie den Fashion-Verleih onbelle GmbH. „Es ist ganz einfach. Die Kundin erhält zu einem monatlichen Fixpreis eine Box mit Kleidung und kann diese dann so lange tragen, wie sie möchte. Nach dem Zurückschicken erhält sie eine neue. Wir bieten damit einen unendlichen Kleiderschrank“, erklärt Blasberg. Mit ihrem Konzept der FashionFlatrate sind sie nach eigenen Angaben derzeit die einzigen in Deutschland. Bei einem Amerikaaufenthalt entdeckte Blasberg die ungewöhnliche Geschäftsidee bei dem amerikanischen Unternehmen Le Tote, das im August 2012 gegründet wurde und laut des Blogs PSFK in den ersten drei Monaten bereits 10 000 Kundinnen anwerben konnte. Blasberg, die zuvor für das Rocket Internet Start-Up Paymill gearbeitet hatte, war überzeugt: „Etwas, das so gut in Amerika funktioniert, wollten wir auch in Deutschland ausprobieren.“ Die Anziehungskraft der Kleider sorgt beim weiblichen Geschlecht für einen erhöhten Stoffwechsel. Zusammen mit Nicole Stein entwickelte sie das Konzept weiter. „Bei uns kann man sich zwischen zwei Boxen entscheiden. Für 25 Euro erhält man drei Accessoires aus der Accessoires-Box. Und für monatlich 49 Euro werden zwei Kleidungsstücke und zwei Accessoires in der Fashion-Box verschickt“, sagt Blasberg. 90 Prozent der Kundinnen bestellen die Fashion Box. Es sei wichtig, auch eine preiswertere Variante anzubieten. „Unsere Kundinnen sind Manche Mucke ist aus Pappe selbstbewusste Frauen, häufig Studentinnen, meist zwischen 18 und 35 Jahren.“ Man orientiere sich an den aktuellen Styles und Trends, beispielsweise auf der Bread & Butter Messe in Berlin, achte jedoch auch auf das Angebot von Le Tote. Gerade zu Beginn habe man auf ähnliche Marken wie etwa Little Mistress gesetzt, die man direkt von den Modelabels zum Einkaufspreis beziehe. Dann konnte das Sortiment stetig erweitert werden. Nun gibt es nicht Foto Heinz Lohmann nur Kleider, sondern auch Hosen, Röcke, Pullover und Cardigans. „Insgesamt haben wir im Moment etwa 10 000 Teile, inklusive Accessoires“, erläutert Blasberg. Zwar kann die Kundin verschiedene Kleidungsstücke favorisieren, was aber letztlich in die Box kommt, bleibt eine Überraschung. „Wir orientieren uns natürlich an den Wünschen jeder Kundin.“ Auch kann diese die Box sofort wieder zurückschicken und erhält dann gleich wieder eine neue. Für den monatlichen Fixpreis erhält die Kundin so viele Boxen, wie sie möchte, aber erst nachdem sie die alte wieder zurückgeschickt hat. So können theoretisch zwar ständig neue Boxen angefordert werden, in der Praxis fordere eine Kundin im Durchschnitt jedoch nur zwei Boxen im Monat an. Nachdem die Kleidung zurückgeschickt wurde, wird sie professionell gereinigt und dann weiterverschickt. „Ein Kleid kann etwa sechs Mal verliehen werden. Entweder wird es herausgekauft oder nach Abnutzung kostenlos abgegeben“, meint Blasberg. Für den Fall, dass einer Kundin ein Kleidungstück besonders gut gefällt, kann sie es nämlich zum Mitgliederpreis herauskaufen. Und falls doch mal ein Knopf abreißen sollte oder das Kleidungsstück sonst beschädigt wird, gibt es für 5 Euro eine Versicherung. Die Fashion-Flatrate komme gut an. Bis Dezember 2014 konnte man bereits 500 zahlende Kundinnen verbuchen, bis Mitte 2015 waren es schon 800. Das entspreche einem Umsatz von etwa 350 000 Euro seit Gründung des Unternehmens bis Juni 2015. „Wir können von onbelle leben“, meint Blasberg. Für die Zukunft will man sich nicht nur auf dem deutschen Markt stabilisieren, sondern auch ins Ausland expandieren. Zunächst sollen die Schweiz und Österreich hinzukommen, später auch Frankreich und England. Die Fashion-Flatrate auch auf Männer auszuweiten plane man vorerst nicht. Johanna Wiegand Kath. Schule Liebfrauen, Berlin Dieser Ghettoblaster lässt sich schultern Sie bringen den Laden ins Rollen as macht man, wenn man gute Musik hören möchte, einem das Design der Anlage aber nicht gefällt? Man macht es wie Axel Pfaender und gestaltet seine eigene. Weil dem Berliner das Aussehen seines Soundsystems nicht gefiel, schnappte er sich ein Stück Pappe und verkleidete die Anlage damit. Daraus entstand sein Unternehmen Berlin Boombox, das drei Mitarbeiter hat. Sie produzieren eine Faltvorlage aus Wellpappe, die wie ein Ghettoblaster aussieht. „Anfangs war ich ziemlich skeptisch. Nach ein paar Minuten hatte ich die Box aufgebaut, drei Batterien eingesetzt und mein Handy angeschlossen. Es klappte! Allerdings ist mir beim Musikhören aufgefallen, dass sie von der Soundqualität nicht mit herkömmlichen Boxen mithalten kann“, sagt der Kölner Schüler Antonio Russo. Mit ihren 850 Gramm ist die Boombox ein wahres Fliegengewicht zu ihrem Original aus Plastik. Die Finanzierung der ersten Ghettoblaster erfolgte mithilfe von Kickstarter.com. Im ersten Jahr wurden dann 3000 Faltvorlagen verkauft, für 65 Euro das Stück. Laut Pfaender trage sich Geschäft mittlerweile von selbst. Zwischen Juni 2012 und Dezember 2014 seien etwa 11 500 Geräte verkauft worden für rund 425 000 Euro. 2014 lag die Exportquote bei 80 Prozent. Der Großteil der Ware geht an Firmen in Frankreich, Italien und Großbritannien. Besonders beliebt war die AdidasBoombox, eine limitierte Ausgabe, die nach kurzer Zeit bereits ausverkauft war. „Die Internetseite von Berlin Boombox ist cool und spricht besonders Jugendliche an. Sie ent- enn es abends dunkel wird, gehen die Rollläden runter. Die Technologie, die dahintersteht, sieht man meist nicht. „Es ist schade, dass unsere Produkte, die in fast jedem Haus eingebaut sind, niemand so direkt kennt, da sie alle in der Wand verschwinden“, sagt Alexander Vogt, Assistent der Geschäftsführung der Selve GmbH & Co. KG. Das Unternehmen ist nach eigenen Angaben Weltmarktführer im Bereich der Rollladen-Gurtwickler. Der Betrieb wurde 1866 in Lüdenscheid gegründet. Damals entwickelte man noch verschiedene Drahtwaren, um 1910 kam der Bezug zu Rollläden hinzu, und seit den neunziger Jahren konzentriert man sich nur noch auf die Rollläden und den Sonnenschutz. Selve hat zwei Produktionsstandorte: In Lüdenscheid arbeiten 190 Mitarbeiter und in Bad Arolsen 35, die Gurtwickler herstellen. Selve hat mechanische und elektronische Produkte im Sortiment. Zu den mechanischen zählen die klassischen Gurtwickler, die entweder in oder an der Wand montiert sind. Nach Unternehmensangaben bilden sie weiterhin einen Grundpfeiler des Produktprogramms und sorgen für steigende Marktanteile in diesem Bereich. Es sind industrielle Betriebe, Montagefirmen, Handwerker, Fensterhersteller und ähnliche Unternehmen, die die Gurtwickler nachfragen. Insgesamt kommt Selve auf mehr als 3000 Kunden. Früher bauten kleine Unternehmen Rollläden selber, heute kaufen sie häufig das fertige Gesamtpaket. W hält außerdem viele Videos, die den Aufbau der Boombox erläutern“, mein Russo. Es gibt unterschiedliche Designs der Boombox. Die Bandbreite reicht vom unbedruckten Modell über den eigenen Entwurf bis hin zu aufwendigen, vorgefertigten Designs, die in Zusammenarbeit mit einzelnen Künstlern entstanden sind. „Ich bin zufällig auf die Boombox gestoßen, als ich ein soziales Netzwerk durchstöbert habe. Sie ist für mich als Schülerin gut bezahlbar. Sie ist sehr leicht und kann überallhin mitgenommen werden“, sagt die 17 Jahre alte Samuela Orefice. Die Produktion des Ghettoblasters findet in Berlin statt. Die Berlin Boombox kann am Ende ihrer Lebensdauer einfach in die blaue Tonne gesteckt werden, da sie fast ausschließlich aus recycelter Pappe besteht. Es bleibt nur ein geringer Teil an Elektro- und Plastikmüll übrig, etwa der Metall-Drehknopf oder der Klinkenstecker. Dank des Klinkensteckers ist die Boombox kompatibel zu so gut wie allen technischen Geräten. Das Starter-Set, das um die 60 Euro kostet, beinhaltet auch die AudioTeile. Falls später einmal nur das Gehäuse der Box kaputtgeht, kann dann für ungefähr 20 Euro nur ein neues Gehäuse bestellt werden. Aufgrund ihres geringen Gewichts und ihrer kompakten Maße nehmen Jugendliche sie gerne mit, um draußen Musik zu hören. Zu beachten ist jedoch, dass es sich um Pappe handelt, und die Boombox besser nicht bei Regen benutzt werden sollte. Mira Grebenar Maximilian-Kolbe-Gymnasium, Köln Selve ist Weltmarktführer im Bereich der Rollladen-Gurtwickler W Die Nachfrage nach elektronischen Produkten hat unterschiedliche Gründe: „So möchten manche ältere Menschen ihre Gurtwickler gegen Antriebe austauschen, weil sie es nicht mehr schaffen, den schweren Rollladen von Hand zu bewegen. Ansonsten werden diese Produkte in neu oder renovierte Häuser eingebaut – weil diese Technik heutzutage zu erschwinglichen Preisen verfügbar ist. Ein anderer großer Bereich sind öffentliche Gebäude wie Krankenhäuser, Schulen, Verwaltungs- und Bürogebäude“, berichtet Vogt. 80 Prozent aller Wickler werden mithilfe von drei Fertigungsautomaten in Bad Arolsen hergestellt. „Gurtwickler, die nur in geringen Stückzahlen verkauft werden, werden flexibel von Hand hergestellt“, fügt Vogt hinzu. „Der große Vorteil von Selve ist, dass wir Automaten haben, die einmalig viel Geld gekostet haben, aber dann auch in großen Stückzahlen zu günstigen Herstellerkosten produzieren.“ Die Herstellung eines Gurtwicklers nimmt etwa 10 Sekunden mit dem Automaten in Anspruch, mit der Hand um die 2 Minuten. Die Herstellung muss man sich etwa so vorstellen: Als erstes werden die Federn des Wicklers abgelängt und die Enden der Feder bearbeitet. Nachdem sie in die Federdose eingezogen wurde, wird der Deckel aufgesetzt, es folgt die Fertigungsmontage des Wicklers, ein Hightech-Automat erledigt die Endmontage. Der Automat vervollständigt die Federdose mit einem Schrägwinkel und einer Grundplatte mit Klemmer. So werden mit die- sem Automaten 600 Wickler in der Stunde produziert. Pro Tag sind es 20 000 Gurtwickler. Mehr als 4 Millionen Stück werden so jährlich von Selve hergestellt. In dem Bereich Gurtwickler werden 400 verschiedene Produkte hergestellt. Man unterscheidet zwischen Mini-Gurtwicklern und Neubau-Gurtwicklern. Es gibt auch Gurtwickler, die auf die Wand („Aufputz“) geschraubt werden, und Gurtwickler, die quasi in der Wand („Unterputz“) eingebaut sind. Selves Umsatz lag im vergangenen Jahr bei 40 Millionen Euro. Der Anteil der mechanischen Produkte betrug 50 Prozent. Gurtwickler kosten je nach Variante zwischen 5 und 15 Euro, ein Funkantrieb für Rollläden kostet mehr als 200 Euro. Je kräftiger ein Antrieb, desto teurer. Die Exportquote liegt bei 30 Prozent. „Spannend ist die komplette Ausstattung großer Gebäude zum Beispiel in Singapur, Dubai oder Australien.“ So ist der Office Tower in Brisbane nach Angaben von Vogt mit 3100 Selve-Antrieben ausgestattet. Selve hat mit dem iveo Home Server ein Produkt im Angebot, mit dem von überall auf der Welt die Rollladenanlage zu Hause überprüft und bedient werden kann. Anfang 2016 kommt mit dem commeo Home Server ein neues Produkt auf den Markt, mit dem man dann über eine App via Handy oder Tablet Rollläden, Markisen oder andere Geräte der Haustechnik bedienen kann. Nazife Nur Karakale Tannenbusch-Gymnasium, Bonn kleine zeitung Mensch und Gesellschaft Seite 8/Ausgabe 4/Dezember 2015 Zeitung in der Schule mit der Frankfurter Allgemeinen Zeitung für Deutschland Dicke Luft über Portugal Wenn in dem Land der Wald brennt, kommt nicht immer die Feuerwehr. Dafür gibt es oft einfach zu viele Brände gleichzeitig E ine pechschwarze Rauchwolke erstreckt sich hoch in den Himmel. Aschepartikel verteilen sich mit dem Wind in der ganzen Region, sodass sich die Asche in den naheliegenden Siedlungen niederschlägt. Unter einer dunklen Rauchsäule verbreitet sich das Flammenmeer abwärts in Richtung des Stausees. Nicht einmal das kleinste Blümchen kann sich vor der Glut retten. Wo sich sonst mittelhohe Büsche und bis zu 15 Meter hohe Laubbäume befinden, bleiben nur noch verkohlte Stämme und Äste zurück. Ort des Geschehens ist ein kleines, portugiesisches Dorf namens Guilhofrei, das knapp 1000 Einwohner umfasst. Es gehört zum Kreis Vieira do Minho und liegt im Distrikt Braga im Norden Portugals. Das Feuer befindet sich im Wald in der Nähe des Ermal-Stausees, der den Fluss Ave staut. Mit Traktoren und Pickups transportieren Jugendliche und Männer das Wasser aus dem See zum Feuer. Mit Schläuchen und Wassereimer versuchen sie gemeinsam, das Feuer von allen Seiten aus zu stoppen. Es handelt sich dabei aber nicht um Feuerwehrkräfte, sondern es sind hauptsächlich die Bewohner der Siedlung, die dem Schauspiel ein Ende setzen wollen. Etwa die Hälfte der Anwesenden sind Auswanderer, die sich gerade in den Sommerferien bei ihrer Familie befinden. Die meisten von ihnen leben aus wirtschaftlichen Gründen in der Schweiz und in Frankreich. Gemeinsam können diese Leute den Ausfall der Feuerwehr kompensieren, die mit anderen Waldbränden beschäftigt ist. Denn mehrere Brände wüten gleichzeitig in der Region. In Portugal gibt es jährlich mehr Waldbrände als in jedem anderen Ein Pfarrhaus wird zum Heim für Flüchtlingsfamilien I Trübe Aussicht: Auch in Guilhofrei wird immer wieder der Wald angezündet. europäischen Staat. Im Hochsommer bleibt selten eine Woche ohne Waldbrand. Die Feuerwehr hat alle Hände voll zu tun, sodass kleinere Brände von den Einwohnern gelöscht werden müssen. Unter den Freiwilligen, die das Feuer aufhalten, befindet sich Jorge Silva. Der 37-jährige Portugiese bedient seinen leicht rostigen Traktor und unterstützt damit die anderen beim Löschen. Der mittelgroße Automechaniker lebt mit seiner Familie in Vila Boa, dem südlichen Teil des Dorfes. Für ihn ist es nichts Neues, dass ein Waldbrand in seinem Dorf ausbricht. In dieser Woche muss Jorge Silva schon zum zweiten Mal mithelfen, einen Brand aufzuhalten. „In Guilhofrei gibt es jährlich meistens zwei Arten von Bränden, nämlich im Sommer und zur Osterzeit. Die Sommerbrände sind teilweise die Folge von Fahrlässigkeit, meistens jedoch das Resultat von Racheakten und Auflehnungen aus politischen Gründen“, sagt der Portugiese. „Brände im Frühling und im Winter sollen der Weidensäuberung dienen. Sowohl das eine als auch das andere sind Verbrechen.“ Trotz verschärfter Sanktionen wie Freiheitsstrafe und Zivildienst kommt es immer wieder zu Waldbränden. Jedes Jahr werden Dutzende von Personen wegen Brandstiftung festgenommen, doch die Vorfälle halten an. Ein wichtiger Faktor dafür ist die extreme Trockenheit in Portugal, vor allem in der Mitte und im Norden des Landes. Oftmals reicht eine kleine Zigarette, damit es zu einem kleinen Brand kommt. Das scheint aber vielen Einwohnern egal zu sein. „Man sollte den Leuten schon früher beibringen, wie man die Umgebung schützen kann. Die Schule Foto Jorge Gonçalves muss anfangen, den Kindern zu sagen, wie wichtig Natur und Umwelt sind und dass die Atmosphäre nicht beschädigt werden sollte“, sagt Jorge Silva. „Eine weitere Lösung wäre es, wenn man im Winter anfangen würde, sich um die Weiden zu kümmern. So würden die Büsche gar nicht erst groß wachsen und viele würden diese nicht mehr anzünden.“ Es ist sehr wahrscheinlich, dass es auch in den kommenden Jahren immer wieder zu Waldbränden in der Region kommen wird. Für die Einwohner ist es fast schon selbstverständlich, dass im Sommer hin und wieder mal ein kleines Feuerchen ausbricht. Bis sich das Umweltbewusstsein in allen Köpfen durchgesetzt hat, wird es auch so bleiben. Jorge Gonçalves Kantonsschule Limmattal, Urdorf Operation am offenen Herzen In der Jugendhilfe am Rohns in Göttingen finden viele Kinder die Zuwendung, die ihnen zuhause versagt bleibt N eunzig Mitarbeiter kümmern sich in der Jugendhilfe am Rohns in Göttingen um 104 Kinder oder Jugendliche und ihre Eltern. Da ist zum einen die Förderschule mit dem Schwerpunkt soziale und emotionale Entwicklung, die für Kinder geeignet ist, die einen sonderpädagogischen Förderbedarf haben. Diese Kinder sind in der Regel so auffällig an öffentlichen Schulen, dass sie irgendwann suspendiert werden, weil die Lehrer sich nicht mehr in der Lage fühlen, diese Kinder zu unterrichten, da sie zu viel stören. Dann wird ein Antrag an die Landesschulbehörde gestellt. Die Jugendhilfe am Rohns ist eine von drei privaten Förderschulen in Göttingen mit der Besonderheit, dass höchstens acht Schüler in eine Klasse dürfen und von einem Lehrer und einem Sozialpädagogen betreut werden, so dass der Unterricht fortgeführt werden kann, wenn es einem Kind an Konzentration mangelt und es eine zusätzliche Betreuung benötigt. Der zweite Bereich ist die Tagesgruppe für Kinder aus sozial schwierigen Familien, deren Eltern sich nicht ausreichend um ihre Kinder kümmern. Hier haben die Mitarbeiter die Aufgabe, weiter an dem Sozialverhalten zu arbeiten, die Kinder zur Therapie zu bringen, da die Eltern oft nicht ihrer Rolle nachkommen, und Familienarbeit zu leisten. Dies bedeutet, dass sie Wie die Kirche Flüchtlingen Platz macht in die Familien gehen und mit ihnen zum Beispiel Rituale für die Kinder einführen, damit die Eltern lernen, ein Verständnis für ihre Kinder zu bekommen und verantwortungsbewusster werden. Der dritte und größte Bereich der Jugendhilfe am Rohns mit mehr als 70 Plätzen sind die Mutter-KindGruppen. Die Mütter kommen ebenfalls durch das Jugendamt dorthin, wenn Kindeswohlgefährdung vorliegt oder die Mütter teilweise noch 13 bis 14 Jahre alt sind und aus schwierigen Familienverhältnissen stammen. Die Angestellten versuchen eine gute MutterKind-Bindung aufzubauen oder zu fördern, damit sie mit ihren Kindern zusammenbleiben können. Manchmal passiert es aber auch, dass die Jugendhilfe das Zusammenbleiben von Mutter und Kind untersagt, sodass das Familiengericht entscheidet und sie gegebenenfalls für meist ein bis drei Jahre getrennt werden müssen. Wenn das Zusammenleben jedoch klappt, gibt es das Prinzip der Verselbständigung, auch Trainingswohnen genannt, bei dem die Mütter nur einen Teil des Tages unterstützt werden, eine Ausbildung machen oder zur Schule gehen und einen Beruf erlernen, damit sie sich später einmal selbst finanzieren können. Aber auch danach gibt es mehrere Besprechungen in der Woche, um bestimmte Probleme zu klären, aber auch von Erfolgen zu berichten. Regine Schünemann ist die Leiterin der Einrichtung. Ihr Aufgabenspektrum ist vielfältig: Sie muss dafür Sorge tragen, dass die Wohnungen in einem guten Zustand bleiben und dass die Gruppen immer voll belegt sind, damit auf der anderen Seite auch das Geld zur Verfügung steht. Gesetze müssen eingehalten werden, sie muss darauf achten, dass die Mitarbeiter nicht körperlich verletzt werden, da manche Kinder auch um sich schlagen, oder auch entscheiden, wer aus dem Heim raus muss oder wann das Jugendamt eingeschaltet werden muss. Die Kinder können in der Schule einen Sonderschul- oder einen Hauptschulabschluss machen, mit dem sie wieder auf eine öffentliche Schule gehen können. Auf Antrag ist es aber auch an der Schule der Jugendhilfe am Rohns möglich, den Realschulabschluss zu machen. Zudem gibt es noch zwei Erziehungsstellen, das bedeutet, dass eine Mutter eine pädagogische Ausbildung hat und ein Kind aufnimmt, das normalerweise ins Heim kommen würde. Dafür gibt es jedoch besondere Gründe, weshalb dieses Kind nicht in eine Wohngruppe soll. Der Frau, die 24 Stunden für das Kind verantwortlich ist, wird eine halbe Stelle bezahlt. Die Jugendhilfe begleitet die beiden Frauen beratend, da es sich natürlich um problematische Kinder handelt. Sie hatten zum Beispiel ein Kind, das mit einem schweren Herzfehler geboren wurde und zusammen mit der Mutter in der Mutter-Kind Gruppe war. Die Mutter hatte jedoch nach drei Wochen die Einrichtung verlassen und das Kind zurückgelassen. Dieses Kind sollte mit einem halben Jahr am Herzen operiert werden, doch es ging ihm immer schlechter, da es spürte, dass die Mutter nicht mehr da war. Das Kind musste operiert werden und lag 48 Stunden lang mit einem offenen Herzen in der Klinik. Da hatte Regine Schünemann die Idee, eine Kollegin zu fragen, die Waldorf-Pädagogin ist, selber vier Kinder hat und gerne eine Stelle haben wollte. Somit hat sie sich, seitdem sie das erste Mal in der Klinik war, wie eine Mutter um das Kind gekümmert, ist mit ihm in die Reha gefahren und hat es fühlen lassen, dass es zu jemandem gehört und nicht alleine ist. Mittlerweile ist das Kind vier Jahre alt, kerngesund und hat sich gut entwickelt. Es ist für Kinder eben wichtig, geliebt zu werden und den Rückhalt der Eltern zu haben, um sich zu einem selbstbewussten Menschen zu entwickeln. Wer als Baby schon Gewalt und Liebesentzug erfährt, ist später kaum in der Lage, Liebe an seine eigenen Kinder weiterzugeben. Jolina Specht Felix-Klein-Gymnasium, Göttingen ch finde das gut, so kann sogar ein kleines Dorf wie unseres diesen armen Menschen helfen“, sagt Julia Gröneweg. Die 82-Jährige bezieht sich auf ein großes Ereignis im Dorf Harkebrügge im Oldenburger Münsterland: Das Pfarrhaus wurde umgebaut, sodass drei Wohnungen für Flüchtlingsfamilien geschaffen wurden. Es handelt sich bei diesen Familien um Flüchtlinge aus Syrien, die vor dem dort herrschenden Bürgerkrieg und Terror geflüchtet sind. „Gerade bei Familien finde ich es sehr wichtig, dass sie vernünftig untergebracht werden, wegen der Kinder“, fügt sie hinzu. Das Pfarrhaus stand schon länger leer, da Harkebrügge keinen eigenen Pfarrer mehr hat, sondern sich mehrere umliegende Gemeinden zu einer Pfarrgemeinde zusammengeschlossen haben. Simone Lammers, die bei den Renovierungsarbeiten geholfen hat, erzählt: „Es wurde schon öfter überlegt, was nun mit dem Haus passiert. Ob es zu einem Dorfgemeinschaftshaus umgebaut wird oder eventuell sogar abgerissen wird, war unklar.“ Doch durch die Flüchtlingskrise und den fehlenden Raum für Asylbewerber entwickelte sich die neue Idee. „Das Haus wurde früher nicht nur vom Pastor bewohnt, sondern auch eine Haushälterin lebte dort, also war genug Platz vorhanden, es musste nur renoviert werden“, erklärt die 45-jährige Blondine. Die Idee wurde vorwiegend positiv aufgenommen und von den meisten Dorfbewohnern unterstützt, aber es gab auch einige wenige Kritiker. „Die meisten negativen Dinge, die ich gehört habe, waren für mich vollkommen unverständlich. Wie kommt man nur auf solche absurden Gedanken“, fragt sich die zierliche Julia. „Ich habe gehört, wie jemand meinte, es bestehe eine Gefahr, da die Wohnungen recht nah am Kindergarten liegen. Das hat mich schockiert. In diese Wohnungen sollen Familien einziehen, die selber Kinder haben. Das sind normale Menschen“, erzählt sie fassungslos. Auch die 20-jährige Annika Schütte kann das nicht nachvollziehen. „Ich habe besonders auf Facebook oftmals Kommentare gelesen, bei denen man meiner Meinung nach nicht mehr von negativer Kritik reden kann. Das war Hass, meist mit sehr schlechten Argumenten begründet, wenn man das überhaupt Argument nennen kann“, beschreibt die Studentin, die in Harkebrügge geboren ist und nun in Osnabrück lebt. „Man kann zur Flüchtlingskrise denken, was man möchte, aber dieser unbegründete Hass auf Menschen, die einfach nur Hilfe benötigen, das kann ich nicht verstehen“, sagt sie. „Gott sei Dank sind aber die meisten hier im Dorf positiv gestimmt. Es ist doch schön, wenn man helfen kann“, steuert Simone bei. „Auf jeden Fall hilft ein fester Wohnsitz, um die Asylbewerber zu integrieren, und vielleicht folgen ja bald andere unserem Beispiel. Es gibt doch bestimmt genug leerstehende Häuser und ganz sicher genug Menschen, die helfen wollen, man muss ihnen nur die Möglichkeit geben zu helfen“, schließt Julia Gröneweg hoffnungsvoll. Insa Gröneweg Albertus-Magnus-Gymnasium Friesoythe kleine zeitung Freizeit und Fernweh Seite 9/Ausgabe 4/Dezember 2015 Zeitung in der Schule mit der Frankfurter Allgemeinen Zeitung für Deutschland Der Unternehmer als Gipfelstürmer Karl Schlegel ist nicht nur Manager, sondern Bergführer, Skifahrer und Paraglider D ie kornblumenblaue Haglöfs-Jacke sticht einem ins Auge. Karl Schlegel steht in Jeans und mit einem schwarzen Aktenkoffer vor dem Starbucks Café am Zürcher Hauptbahnhof. Heute hat er mehr Zeit für ein spontanes Treffen als früher, denn er lebte nicht nur ein, sondern zwei Leben gleichzeitig. Das eine spielte sich in den Büroräumen einer internationalen Firma ab, das andere in den Bergen. „Nie habe ich nur einen Gedanken daran verschwendet, eines dieser Leben aufzugeben“, sagt er bestimmt, „das eine vervollständigte das andere.“ Da war zum einen sein Job als CEO bei einem weltmarktführenden Technologie-Unternehmen im Rheintal zwischen Lichtenstein und dem Säntismassiv, das Komponenten für den Zutritt zu Vakuumräumen herstellt. Da war zum anderen seine Tätigkeit als Bergretter, vor allem im Bezirk Sargans, aber auch in den südamerikanischen Anden. Schlegel, der auch ein Bergführerpatent hat, brachte nicht nur selber Menschen in Sicherheit, sondern gab als Instruktor der Gebirgsgrenadiere sein profundes Wissen an mehr als 10 000 Soldaten aus aller Welt weiter. Die Soldaten lernten unter seinen Anweisungen, sich über Fels und Eis zu bewegen, übten, wie man sein Überleben in den Höhen sichert, wie man sich in Schneehöhlen orientiert und was beim Sturz in eine Gletscherspalte zu tun ist. Seine Reputation war so hoch, dass der Chef des peruanischen Geheimdienstes ihn und zwei weitere Bergführer aus der Schweiz beizog, um Entführungsopfer der Drogenmafia im Eis der Anden unter permanenter Lebensgefahr ausfindig zu machen und zu retten. „Wir schliefen in der Wildnis, wo wir Wache schieben mussten und nie wussten, ob und aus welcher Ecke einer auf uns zielt. Das war wirklicher Stress, und wir hatten zeitweise auch Angst, da wir wussten, dass uns in diesen entfernten Ecken keiner schnell helfen würde.“ Zur Ausrüstung gehörten dabei nicht nur Pistolen und Eispickel, sondern auch geladene Kalaschnikows. Nach vierwöchiger Suche blieb der Erfolg aber leider aus. Denn nichts wurde gefunden. Das Schweizer Team durfte wieder in seine Heimat zurückfliegen. Erst als der Flieger in Lima abhob, hatten die drei Bergführer das Gefühl, sicher zu sein. „Im Vergleich dazu sind alle Aktionen im Schweizer Militär ein Spiel gewesen“, beteuert er. Eine Besonderheit des schweizerischen Militärs findet er, dass jeder sein ziviles Wissen in die Armee mitbringt. Denn anders als bei einer Berufsarmee hat die Schweiz eine Milizarmee, das heißt, jeder hat neben seiner Funktion im Heer auch noch einen zivilen Beruf. Der jährlich stattfindende Militärdienst dauert jeweils nur drei Wochen. „Da macht es sich bezahlt, dass der eine Kenntnisse aus der Landwirtschaft mitbringt und der andere Erfahrungen aus der Medizin. So hat die Ausbildung ein hohes Niveau und ist sehr effizient“, sagt er mit einem breiten Lachen. Karl Schlegels eigentliche Profession war aber seine Tätigkeit als CEO der Firma VAT. Er hat dieses Unternehmen zehn Jahre lang zum weltweit führenden Hersteller von Vakuumventilen mitentwickelt. VAT ist heute dreimal größer als der nächste Konkurrent und wächst profitabel. In jedem I-Phone stecke mindestens ein von VAT gefertigtes Teil. Schlegel bekennt dazu: „Es ist etwas sehr Nüchternes, es war nicht Liebe auf den ersten Blick.“ Er knickt den Strohhalm in seinen Händen zweimal um und erzählt weiter, dass für ihn der Reiz in einer Branche mit Wachstum lag. Auch technisch war dieses Gebiet anspruchsvoll. Doch eine Möglichkeit, die Welt zu verändern, was ihm am Herzen liegt, bestand in diesem Arbeitsbereich nicht. Privat unternimmt Schlegel leidenschaftlich gerne Skitourenrennen abseits der Pisten. Schon dreimal hat er bei der „Patrouille des Glaciers“, dem mit vier- bis fünftausend Teilnehmern weltweit größten und härtesten Bergsteigerskirennen, mitgemacht. Dieses Rennen findet alle zwei Jahre statt. Um für solche Rennen zu trainieren, steht er jeweils um drei oder vier Uhr morgens zuhause in Sargans auf, geht raus in die Kälte, schnallt sich die Skier an und besteigt den 2800 Meter hohen Pizol. „Das macht eine Höhendifferenz von 1700 Metern. Zehn Minuten warmlaufen, dann nimmt man einen Rhythmus an und kommt so in einen richtigen Flow“, erklärt er. Im Frühling genießt er die Morgensonne und schwärmt: „Ich habe mich dann glücklich und von der Zivilisation entrückt, privilegiert und dankbar gefühlt, dass ich das neben meinem Job so erleben darf.“ Punkt acht saß er dann bereits in der ersten Besprechung im Büro. Im Sommer besucht er bis zu dreimal in der Woche Klettergärten: „Wenn ich an die Felswand komme, habe ich innert 30 Sekunden alles vergessen.“ Nach der Pensionierung will der 62-Jährige nicht nur mit dem Gleitschirm hoch hinaus. Er möchte kleinere und mittelgroße Unternehmen in Kirgistan aufbauen und unterstützen, indem er der Industrie sein Wissen weitergibt, und er hofft, dass mit seiner Hilfe viele Leute Arbeitsstellen oder Ausbildung erhalten. All dies macht er ehrenamtlich, „free of charge“, wie Schlegel es nennt. Er sprudelt vor Freude, während er von seinen Plänen erzählt. Seine Familie habe ihn immer und bei all seinen Entscheidungen unterstützt und stehe auch heute noch dicht hinter ihm. Er habe auch stets versucht, einen Ausgleich zwischen seinen Hobbys und der Zeit, die er mit seiner Familie verbrachte, zu finden. „Qualität statt Quantität“, findet er. Das Training für die Wintersaison hat für Karl Schlegel bereits begonnen. Er möchte zehn bis zwölf Rennen laufen, was relativ viel ist, da man sich nach jedem Rennen Zeit nehmen sollte, sich wieder zu regenerieren. Insbesondere plant er, an der berühmten Sellaronda teilzunehmen, einer Skitour, die über die vier Pässe Sellajoch, Pordoijoch, Campolongopass und Grödner Joch in Südtirol führt und die im Sommer auch mit dem Fahrrad absolviert werden kann. Schlegels wichtigstes Saisonziel ist allerdings die Verteidigung des zweiten Ranges bei der „Patrouille des Glaciers“ in der Kategorie seines Teams. Und wer weiß, vielleicht reicht es beim 60 Kilometer langen Rennen von Zermatt nach Verbier über Gletscher, die bis 3600 Meter hoch sind, sogar für die Goldmedaille. Shannon Eckhardt Kantonsschule Zürcher Oberland Wetzikon Wahrzeichen im Nebel: die Golden Gate Bridge Treffen der Nationen Eine Abschlussfahrt quer durch die Vereinigten Staaten W ir reisten mit dem Bus einen Monat lang von der Ostküste zur Westküste und wieder zurück zur Ostküste“, berichtet Simran Karnik begeistert. Die Inderin wohnt in dem Bundesstaat Maharashtra im Nordwesten des Subkontinents. An der Bustour durch die Vereinigten Staaten haben Austauschschüler verschiedener Nationen teilgenommen, die ihr Auslandsjahr bereits in Amerika verbracht hatten. Die Reise war somit die Abschlussfahrt der Austauschschüler. „Das Schöne war, dass zwischen Jugendlichen unterschiedlichster Nationen in dieser Zeit echte Freundschaften entstanden sind und dass gemeinsam viele atemberaubende Städte Amerikas bereist wurden“, betont der Taiwaner Chun-Kung Chiu. Wo man eher eine ruhige Kugel schiebt Boßeln ist in Nordeutschland ein beliebtes Freizeitvergnügen W enn ich ehrlich bin, habe ich bis heute noch nicht begriffen, wie die Regeln eigentlich sind. An der Reaktion der Gruppenmitglieder erkennt man aber schnell, wie man geworfen hat, bei mir schütteln sie meistens den Kopf oder verdrehen die Augen“, erzählt die erfahrene Boßelerin Bettina Toben aus Friesoythe im Landkreis Cloppenburg. Boßeln ist eine gesellige Freizeitbeschäftigung, die tatsächlich als anerkannte Sportart gilt. Ziel ist es, die mit Blei gefüllte Gummi- oder Holzkugel stets weiter als die gegnerische Gruppe zu werfen. „Für ein allgemeines Wohlbefinden und fortschreitende Heiterkeit sorgen die mit Getränken und Snacks bestückten Bollerwagen während des Ganges“, versichert Kerstin von Hammel. Sie selber boßelt seit 15 Jahren und hat schon viel Lustiges auf dem Weg erlebt, wie zum Beispiel, dass eine Kugel im Graben versenkt wurde und der „Angler“ danach fürchterlich stank, weil er im Graben, der mit Abwasser verunreinigt war, landete. Beim Boßeln steht nicht der sportliche Aspekt im Vordergrund, sondern die damit einhergehenden Aktivitäten, vor allem das gesellige Trinken. „Da wir mittags schon anfangen, auf Grund des benötigten Tageslichts, ist ein Ende des Abends trotz herrschender Partylaune wegen alkoholbedingter Ausfälle seitens der Gäste meistens früh in Sicht“, sagt Bettina Toben. Wenn der Gang von fast vier Kilometern über die wenig befahrenen Wegstrecken außerhalb von Friesoythe beendet ist, kehren die Teilnehmer in eine Gaststätte, die von dem amtierenden Kohlkönigspaar ausgewählt wurde, ein. Dort wird nach dem gemeinsamen Kohlessen das neue Königspaar gekürt, hierbei sollte man annehmen, dass diese Ehre den erfolgreichsten Boßlern zuteil wird, dem ist aber nicht so. Das Kohlkönigspaar steht im Normalfall schon lange vorher fest und wurde von den Organisatoren der Tour bestimmt. „Als Kandidaten kommen hier vorzugsweise besonders trinkfeste Boßler und Boßlerinnen in Frage“, fügt Kerstin belustigt hinzu. Die Bekanntgabe der Namen obliegt dem amtierenden Königspaar des letzten Jahres und wird meist mittels eines vorhergehenden Rätselratens kundgetan. Wohin im nächsten Jahr geboßelt wird, wird dem neuen Königspaar überlassen und bleibt bis dahin geheim. Wann man auf keinen Fall mitboßeln sollte, wissen Kerstin und Bettina ganz genau. Möchte man aus gesundheitlichen oder anderen Gründen keinen Alkohol trinken, hält man die Veranstaltung nur schwer durch. Friederike Toben Albertus-Magnus-Gymnasium Friesoythe Fotos Vanessa Jentgen Freundschaften und Zusammenhalt der Teilnehmer wurden dadurch gestärkt, dass alle fünf Tage die Zimmerverteilung gewechselt wurde, wobei darauf geachtet wurde, dass immer vier Jugendliche verschiedener Nationen sich ein Zimmer teilten. Gemeinsam wurden Städte wie San Francisco, Las Vegas oder auch Washington besucht. „Natürlich mussten wir jeden Tag sehr lange Bus fahren, manchmal bis zu neun Stunden täglich“, berichtet die Belgierin Maureen Monjardez. „Doch die langen Fahrten wurden dadurch erträglich, dass am Ende der Fahrt beispielsweise der Grand Canyon oder Hollywood auf einen wartete. Außerdem waren auch die unterschiedlichen Landschaftswechsel, die wir auf den Fahrten erlebten, etwas ganz Besonderes. So wechselte sich zum Beispiel das Bild einer Großstadt mit dem einer Wüste ab. Des Weiteren haben wir die Fahrzeit beispielweise mit Kartenspielen verbracht.“ „Einmal hatten wir Jugendlichen ein gemeinsames Picknick, zu dem ein Mann mit einem kleinen Alligator eingeladen war, sodass jeder, der wollte, den Alligator in den Händen halten konnte, was ein einzigartiges Erlebnis war“, erzählt die 18-jährige Inderin Simran. „Eine besondere Erfahrung war es auch, als alle 105 Teilnehmer der Fahrt zusammen in einer umgebauten Kirche in Fort Stockton im Bundesstaat Texas auf Luftmatratzen schliefen“, fährt sie, über ihre Brille hinweg schmunzelnd, weiter fort. Dem 17-Jährigen Taiwaner Chun-Kung Chiu hat besonders der Riverwalk in San Antonio gefallen, den er mit Venedig vergleicht. Für Maureen, die 19-jährige, blonde Belgierin, waren die Universal Studios in Hollywood das Highlight, bei denen man hinter die Kulissen der Filmproduktion schauen konnte. Aber auch Wyoming sagte ihr zu. Dort wurde ein Rodeo besucht, und alle Austauschschüler nahmen an einer Wildwasserbootfahrt teil, bei der sie „pitschnass“ wurden, aber viel Spaß hatten. Gerne würde sie, mit ein bisschen mehr Zeit, an diese Orte zurückkehren. „Denn um diese Fahrt in einem Monat bewältigen zu können, gab es relativ wenig Zeit, sich die jeweiligen Städte genauer anzusehen.“ „Es sind nicht nur die Reiseziele, die eine Reise unvergesslich machen, sondern vor allem die Mitreisenden“, erinnert sich der leidenschaftliche Gitarrenspieler Chun-Kung Chiu. „Es ist zwar schade, dass diese Zeit nun vorbei ist, doch weine nicht, weil es vorbei ist, sondern lache, weil es möglich war.“ Sarah Griesoph Albertus-Magnus-Gymnasium Friesoythe Schule und Beruf kleine zeitung Seite 10/Ausgabe 4/Dezember 2015 Zeitung in der Schule mit der Frankfurter Allgemeinen Zeitung für Deutschland Aus der Traum V Wenn Berufsträume wie Seifenblasen zerplatzen Laufbahn auf dem Acker: Sportunterricht an einer afrikanischen Schule Foto Friedemann Bieber Sich in Afrika fit fürs Studium machen Ein Freiwilliges Soziales Jahr in Ghana D as war mit die beste Entscheidung meines Lebens bis jetzt“, erklärt Friederike Kösjan begeistert. Die braunhaarige, junge Frau aus Markhausen im Landkreis Cloppenburg absolviert seit August 2015 in Ghana ein Freiwilliges Soziales Jahr. Zusammen mit Tessa Grunke aus Aurich, die sie dort kennengelernt hat, betreut sie Kinder in einem Heim. „Ich wollte wieder zurück nach Afrika“, sagt die 18jährige Ostfriesin, die bereits im Alter von 15 Jahren für drei Monate in Gambia zur Schule gegangen ist. Sowohl Tessa als auch Friederike wollen mit Kindern zusammenarbeiten und haben durch die Organisation Weltsicht die Möglichkeit bekommen, dieses im Ausland zu tun. „In der ersten Woche hatten wir ein Orientierungsseminar in Kumasi mit weiteren Freiwilligen zusammen“, erklärt Friederike. Hier wurde den Jugendlichen die Umgebung gezeigt, und sie bekamen erste Einweisungen in ihre Projekte. „Die Verteilung in die Familien gestaltete sich bei uns beiden anfangs schwierig“, berichtet die blonde Tessa, „da wir erst in einem Dorf waren, wo das Zimmer unbewohnbar war, sodass wir zurück in die Stadt kamen.“ In ihrer neuen Gastfamilie, die sich bei der Partnerorganisation RVO Services Ghana angemeldet hat, wohnen die beiden Abiturientinnen in einem Gästehaus mit eigener Küche und eigenem Badezimmer. „Wir leben hier wie in einer WG noch mit zwei anderen Freiwilligen zusammen“, sagt Friederike. „Die Gastfamilie ist sehr nett. Einmal am Tag kocht sie warmes Essen für uns.“ In ihrem Projekt beschäftigen sich beide mit Kleinkindern und unterstützen die Lehrerin im Unterricht, indem sie mit den jüngsten Kindern im Heim spielen und spielerisch versuchen, ihnen erste Buchstaben beizubringen. Die 1,70 Meter große Tessa sagt: „Wir haben beispielsweise schon das bekannte Lied Kumbaya mit den Kindern eingeübt.“ Die Kommunikation stellt sich jedoch manchmal als schwierig dar, da die Kinder fast ausschließlich Twi sprechen und die beiden jungen Frauen viele Übungen mehrmals, teilweise mit Händen und Füßen, erklären müssen. Neben täglichen Einkäufen und dem Besuch im Fitnessstudio reisen Tessa und Friederike häufig. „An den Wochenenden versuchen wir immer möglichst viel von der Umgebung zu sehen, beispielsweise waren wir schon in Accra und an vielen Stränden“, schwärmt Friederike, die später Gesundheitsmanagement studieren möchte. „Natürlich gehen wir auch ab und zu mal in Discos, feiern oder treffen uns mit Ghanaern, die wir bereits kennengelernt haben“, fügt Tessa hinzu. „Ich habe es noch nie erlebt, dass Menschen so offen gegenüber Fremden waren“, berichtet die 19-jährige Friederike. Die beiden Jugendlichen haben keine Probleme damit, neue Leute kennenzulernen. „Es leben echt wenig Weiße hier in Kumasi, sodass wir fast eine Art Attraktion sind und jeder uns anspricht“, schildert Tessa und lacht. „Bis jetzt geht das noch“, erklärt Friederike auf die Frage, ob sie ihre Familie vermisst. „Wir haben eigentlich immer was zu tun und sind abgelenkt und haben uns zudem schnell an die Lebenssituation hier gewöhnt“, ergänzt Tessa, die nach ihrem Aufenthalt in Ghana Fitnessökonomie studieren möchte. Nach fast zwölf Monaten werden die beiden Ende Juli 2016 zurück nach Deutschland fliegen. „So viele Erfahrungen wie hier hätte ich, glaube ich, an keinem anderen Ort sammeln können“, erklärt Friederike lächelnd. Jessica Tellmann Albertus-Magnus-Gymnasium Friesoythe Als Schüler bis tief in die Nacht arbeiten Adrian Hille macht Abitur und betreibt eine eigene Computerfirma L eise ertönt das Geräusch einer Computertastatur, ein tiefer Atemzug folgt gleich darauf. Zwischen Bergen von Papier und Computerzubehör steht ein Laptop. Vor ihm sitzt ein schwarzhaariger Mann, mit konzentriertem Blick auf den Bildschirm. Adrian Hille ist 19 Jahre alt und hat bereits eine eigene Firma. Schon als er klein war, begeisterte er sich für Computer und wollte sein Hobby zum Beruf machen. Dieser Schritt folgte schneller als er es selbst gedacht hätte. 2013 gründete er seine Firma Hille Technology und führt diese nun neben der Schule. Wie er das neben seinem Abitur alles schafft, wird er nicht selten gefragt. Er selbst entgegnet darauf gelassen: „Jeder hat doch ein Hobby neben der Schule. Meines ist eben gleichzeitig mein Beruf.“ Seine Arbeit besteht aber nicht nur darin, Computer zu verkaufen oder zu reparieren. Zu den Tätigkeiten gehören das Erstellen und Bearbeiten von Webseiten sowie das Designen und Drucken von Flyern und Visitenkarten. Da Adrian vormittags seinen Pflichten in der Schule nachgeht, muss er manchmal bis in die Nacht hinein arbeiten, um alle anstehenden Aufträge erledigen zu können. Dabei trete auch schon mal der eine oder andere Fehler auf. „Am schwierigsten ist es für mich, wenn ich nicht der erste Informatiker bin, der an einem Computer oder einer Webseite arbeitet, denn dann kommt es gehäufter zu Problemen, die man nicht auf Anhieb lösen kann.“ Auch Verwandte und Bekannte fragen ihn oft, wenn sie Probleme mit ihren technischen Geräten haben. „Ich helfe dann natürlich gern, denn es macht mir ja Spaß“. Der Abiturient sagt aber auch, dass es nicht immer einfach sei, ein gutes Zeitmanagement hinzubekommen. Oft müsse er auch am Wochenende arbeiten, wenn alle anderen sich vergnügen. Seine Freunde haben dafür zumeist Verständnis, wenn auch nicht immer. Durch ein erfolgreich absolviertes Jahr in Michigan erlangte Adrian Hille in Englisch gute Sprachkenntnisse. Insbesondere freute er sich aber über die Hilfe von Wolf-Dieter Otte. „Er ist ein entfernter Verwandter von mir und vor ein paar Jahren nach Amerika ausgewandert. Als Professor für Informatik gab er mir zusätzlich Motivation, meinen Traum zu verwirklichen.“ Nach der Schule möchte Adrian Informatik studieren. „Informatik ist schließlich die jüngste Wissenschaft, demnach wird der Beruf des Webdesigners und Programmierers eine relativ lange Lebensdauer haben.“ Vivien Häser Augustum-Annen-Gymnasium, Görlitz or ein paar Jahren machte Markus (Name geändert) seinen erweiterten Realschulabschluss mit einem Schnitt von 2,6 – keine Glanzleistung, aber das sollte damals auch nicht den Höhepunkt seiner Schulkarriere darstellen. Sein Plan war, an einem beruflichen Gymnasium mit dem Schwerpunkt Sozialpädagogik das Abitur zu schaffen, um ebendies studieren und seinem Traumberuf, Streetworker, nachgehen zu können. Die Arbeit mit sozial benachteiligten Menschen hätte ihn gereizt, vor allem mit jungen Erwachsenen, die „ihr Leben nicht sofort auf die Reihe kriegen – so wie ich nun selbst einer bin, welche Ironie“. Der in einem kleinen Dorf bei Göttingen lebende, heute 21-Jährige dachte, er könnte es bewerkstelligen durch Pauken, erzählt er voller Elan, man kann erahnen, wie motiviert Markus war, sogar Stoff vorgearbeitet habe er, das Interesse und das Ziel waren ja da. „Doch dann habe ich so ziemlich die dümmste Entscheidung überhaupt getroffen“, schnaubt er und schüttelt den Kopf. Um seine nicht guten, aber akzeptablen Noten zu verbessern, wiederholte er freiwillig die 11. Klasse – eigentlich keine schlechte Idee, wären ihm im nächsten Jahr nicht seine persönlichen Probleme über den Kopf gewachsen: Eine schwierige Beziehung zu einer Manisch-Depressiven sowie der plötzliche Tod einer guten Freundin hätten ihn runtergezogen, er hätte sich nicht mehr auf die Schule konzentrieren können, und schließlich hätte die Faulheit gesiegt, gibt er zu. Wütend und enttäuscht sei sein Vater gewesen, damals brüllte er Markus an, dass er ihn auf die Straße setzen würde, doch seine Mutter wollte ihn weiter unterstützen, sah sie doch, wie panisch er wurde, als ihm klar war, dass er sein Abitur nicht schafft. Schnell jedoch kam ihm eine neue Idee: Einen handwerklichen Beruf wollte er erlernen und später in seinem eigenen Betrieb zur Wiedereingliederung straffällig gewordener Jugendlicher beitragen. Wegen versäumter Fristen bekam Markus aber zunächst keine Stelle. Also begann er im Sommer 2013 ein Praktikum in einem Kinderhort, um zumindest „in der sozialen Schiene zu bleiben“. Bereits zu diesem Zeitpunkt hatte er Angst, keinen Ausbildungsplatz mehr zu bekommen, gab es in seinem Lebenslauf doch praktisch eine zweijährige, durch den Misserfolg auf dem Beruflichen Gymnasium bedingte Lücke, und so bewarb er sich sofort wieder für das nächste Ausbildungsjahr, und zwar für Berufe wie Lagerlogistiker, KfzMechaniker oder Metallbauer. Nach drei Monaten allerdings flog er aus dem Praktikum raus, weil die Mütter Bedenken hatten, ihre Kinder von einem ungelernten, männlichen Praktikanten betreuen zu lassen. Die Väter dagegen hätten sich gefreut, dass ihre Jungs auch mal einen männlichen Betreuer hatten. Nach diesem zweiten Scheitern dachte seine Mutter, er sei nicht zum Praktikum erschienen oder hätte sich mit der Chefin angelegt. „Da war ich nur noch sauer auf die ganze Welt, der Rauswurf war vollkommen ungerechtfertigt“, erzählt Markus. Nach tränenreichen Diskussionen hätten ihm seine Eltern geglaubt. Also bewarb er sich weiter – mit Erfolg: Elf Betriebe wollten ihn schließlich als Auszubildenden, seine Entscheidung fiel auf einen Betrieb in der Nähe, in dem er Fachkraft für Lagerlogistik lernen wollte. Das sei zwar nicht sein Traumberuf gewesen, er habe sich aber redlich Mühe gegeben, viele Überstunden gemacht und zunächst auch positives Feedback von seinen Mitarbeitern bekommen – bis zu dem Tag, etwa fünf Monate nach Beginn der Ausbildung, als er zusammen mit dem zweiten Auszubildenden ins Büro gebeten wurde, wo auf ihn eingeredet wurde, sofort die ihm vorgelegten Papiere zu unterschreiben, was er auch in der Aufregung tat und somit seine Kündigung und die Verzichtserklärung auf rechtliche Schritte billigte. Den angeblichen Grund der Kündigung, sein mehrmaliges Fehlen in der Berufsschule, könne er durch Atteste und Beglaubigungen der Lehrkraft widerlegen, sagt Markus. In Wahrheit habe die neue Unternehmensführung statt Auszubildende lieber billigere Hilfskräfte beschäftigen wollen. Rechtsgültig war die Kündigung durch die unüberlegte Unterschrift trotzdem, sodass Markus zur Agentur für Arbeit musste. Die empfahl ihm, sich bei einer sogenannten berufsvorbereitenden Bildungsmaßnahme anzumelden, um dort im besten Fall schnell an einen Betrieb vermittelt zu werden. Doch die Teilnahme an der Maßnahme brachte nicht den erhofften neuen Ausbildungsplatz, sondern ließ Markus nur noch mehr resignieren. Beschäftigungstherapie sei das meiste gewesen, mehrmals in der Woche musste er mit Holz, Metall oder Speckstein basteln, ellenlange Tests durchführen, die nur zu den Akten gelegt wurden. Es wäre effektiver gewesen, meint er, von zuhause aus Bewerbungen zu schreiben, zumal er dann nicht gezwungen war, die Teilnahme an der Maßnahme in seinen Lebenslauf zu schreiben, die sowieso schon einen schlechten Eindruck bei den Betrieben mache. Alles in allem gewann Markus den Eindruck, dass die Teilnehmer offensichtlich nur aus der Arbeitslosenstatistik herausgehalten werden sollten und der private Träger der Maßnahme sie möglichst lange dort halten wollte, um so an Geld vom Staat zu kommen. So beschloss er, nachdem die Unterstützung vom Staat für die Teilnahme an der Maßnahme von monatlich etwa 300 Euro ausgelaufen war, diese zu beenden, um zuhause noch intensiver Bewerbungen schreiben zu können – allerdings kamen nur Absagen zurück, und obwohl er es wegen seines lückenhaften Lebenslaufes fast nicht anders erwartet hätte, war er trotzdem enttäuscht. Da sei er froh gewesen, durch familiäre Kontakte wenigstens an ein Praktikum als Berufskraftfahrer zu kommen. Nun hofft er, in den nächsten Wochen mit dem LKW-Führerschein beginnen zu können und danach in dem Betrieb eingestellt zu werden. „Ich sehe keine andere Möglichkeit mehr, aber ich kann schließlich nicht rumsitzen und nichts tun, das würde mich kaputtmachen.“ Sein Vater habe wieder eindeutige Worte gefunden: „Wenn du das versiebst, fliegst du raus.“ Markus will dieses Mal erfolgreich sein, obwohl dieser Job mit seinem ursprünglichen Traumberuf nichts zu tun hat. Er sieht die Schuld dafür aber auch bei sich selbst, er sagt, er hätte sich noch mehr in der Schule anstrengen müssen. Mit seinem Schicksal hadert er trotzdem, aber seine Einstellung bleibt positiv: „Es kann ja nur nach vorne weitergehen, die Vergangenheit kann ich nicht mehr ändern, meine Zukunft schon.“ Antonia Fidler Felix-Klein-Gymnasium, Göttingen Sport und Spaß kleine zeitung Seite 11/Ausgabe 4/Dezember 2015 Zeitung in der Schule mit der Frankfurter Allgemeinen Zeitung für Deutschland Kämpfen bis zum Umfallen Brazilian Jiu-Jitsu findet immer mehr Anhänger A uf dem Boden rennen Männer und Frauen auf allen Vieren einem BoxHandschuh hinterher, wie Hunde einem Ball. Es ist eine Aufwärmübung zum Brazilian Jiu-Jitsu (BJJ) im 360 Martial Arts Trainingszentrum in Altstetten bei Zürich. Eine Trainingseinheit ist in drei Phasen gegliedert: In einer ersten Phase wärmen sich die Kämpfer auf, wobei Kraft, Ausdauer und Motorik angesprochen werden, in der zweiten Phase führt der Lehrer, meistens ein Braun- oder Schwarz-Gurt eine neue Technik vor, und in der dritten Phase treten die Schüler schließlich paarweise gegeneinander an. „Bei diesem kontinuierlichen Lernprozess“, erzählt Dino Carta, ein Braun-Gurt, „wird man immer wieder gefordert. Denn es werden Kraft, Ausdauer, Selbstbeherrschung, Beweglichkeit, Konzentration und Gedächtnis gleichzeitig trainiert. Außerdem fördert es die Motivation zur gesunden Ernährung.“ Das Training habe ihn von Alkohol und Drogen abgehalten, „da man stets fit für die nächste Einheit sein muss“. Für den mittelgroß gebauten, kahlköpfigen Lehrer des Trainingszentrums ist Jiu-jitsu nicht nur eine Sportart sondern auch eine Lebensphilosophie. Leidenschaftlich erklärt der 38-Jährige, dass man diese innere Sicherheit, die einem hilft, keine Furcht vor Konfrontationen zu haben, wie sie auch im Geschäftsleben vorkämen, bekommt, indem man sich mit seinen Emotionen und Ängsten auseinandersetzt. „Als ich als Informatik-Supporter bei Swisscom mit einem Kunden zu tun hatte, der vom ganzen Team wegen seiner strengen Art gefürchtet wurde und er an meiner Körpersprache merkte, dass seine Art bei mir keinerlei Angst oder Verunsicherung auslöste, wollte er nur noch mit mir zusammenarbeiten. Wahrscheinlich hat er durch meine ruhige, aber gezielte Art automatisch Vertrauen zu mir aufgebaut.“ BJJ kann aber auch der Selbstverteidigung gegen Angreifer, Räuber oder Gangster dienen. Marco Garic, ein 27-jähriger Projektleiter, der im Kanton Glarus aufgewachsen ist, und Blau-Gurt, teilt diese Meinung. Der in Schlieren im Kanton Zürich ansässige junge Mann ist durch BJJ lockerer und selbstbewusster geworden. Außerdem achtet er auch auf seine Ernährung und versucht, möglichst viele Proteine und Vitamine zu sich zu nehmen, um viel Energie für das nächste Training zu haben. Und während er beim Training viele Verletzungen erlitten hat, wie zum Beispiel einen Sehnenriss im kleinen Finger, verletzt er sich im Kampf selten, doch eine Halskehre durch eine Wurflandung auf das Genick ist bei ihm bereits vorgekommen. Doch im Allgemeinen sei das Verletzungsrisiko im BJJ, verglichen mit anderen Kampfsportarten, gering, da weder Schläge noch Tritte erlaubt sind. Der Kampf beginnt zwar im Stehen, wird jedoch gleich nach dem „Takedown“ auf dem Boden weitergeführt. Trotzdem fallen immer wieder Leute während des Kampfes in Ohnmacht. Auch Dino Carta gibt zu: „Im ersten Jahr bin ich zwei Mal in Ohnmacht gefallen, denn manchmal ist das Ego und der Stolz eines Mannes zu groß, um abzuklopfen und aufzugeben.“ Der Jiu-Jitsu-Lehrer meint, dass die meisten am Anfang ihre Grenzen nicht kennen, und dies ein Hauptgrund für Verletzungen sei. Für Frauen stellt der Stolz, der bei dieser Sportart schnell zum Verhängnis werden kann, ein weniger großes Problem dar, wie Karima Ennebbali bestätigen kann. Dafür haben Frauen eher Berührungshemmungen, da man im BJJ mit seinem Gegenüber immer einen engen körperlichen Kontakt hat. „Aber da muss man einfach durch“, erklärt die 25-jährige, aus Marokko stammende Sekretärin, die in Zürich lebt. Man bleibt stets professionell und alle wissen, dass keinerlei böse Absichten dahinterstecken. Trotzdem werden auch Kurse angeboten, bei denen Frauen nur gegeneinander antreten. „Wenn man dabei bleiben und das Gelernte nicht vergessen will, erfordert es viel Geduld und Disziplin, um oft ins Training zu gehen“, sagt die 1,76 Meter große Karima. „Es macht mir Spaß, die eigenen Fortschritte zu beobachten und motiviert mich, weiterhin dranzubleiben.“ Seit einiger Zeit findet das BJJ weltweit immer mehr Anhänger. Dino Carta ist für Kämpfe schon nach Lissabon, Holland und Sardinien gereist. Gibt es ein Geheimrezept zum Erfolg? Ambition, Geduld, Disziplin und komplette Hingabe seien ausschlaggebende Faktoren. „Man muss seinen inneren Schweinehund überwinden und weitermachen, obwohl die Kräfte am Ende sind“, erklärt Dino Carta. Viviana D’Agrosa Kantonsschule Limmattal, Urdorf Sixpack mit Profil: Dieser Traktor macht sich von jedem Acker. Foto Gregor Brzezinski Die Traktoren ziehen mächtig an Alle vier Jahre veranstaltet der Oldtimerclub Altenoythe ein Treffen für Freunde alter Gefährte A uch dieses Jahr kam wieder gutes Feedback von allen Seiten“, sagt Gerd Henken, der Schriftführer des Oldtimerclubs Altenoythe. Denn wieder einmal tuckelten hunderte Traktoren in das Gewerbegebiet Pirgo in Altenoythe, wo alle vier Jahre das Oldtimertreffen des Oldtimerclubs Altenoythe stattfindet. Seit mehr als zwanzig Jahren können Oldtimerfreunde aus dem Oldenburger Münsterland und darüber hinaus dann alte Autos, Motorräder, aber auch den ältesten Traktor, den Stock C-218, bestaunen. In diesem Jahr war es das siebte Treffen dieser Art. „Die Planung beginnt schon etwa ein Jahr vor der Veranstaltung“, erklärt Henken, der auch im Vorstand sitzt. So muss man erstmal den Termin und den genauen Platz des Treffens festlegen. Des Weiteren muss man sich um das Programm, Verkaufsstände, Toiletten und vieles andere kümmern, wofür hauptsächlich der Vorstand und der Festausschuss, aber auch andere Helfer des Oldtimerclubs Altenoythe, zuständig sind. Wenige Tage vor dem Oldtimertreffen geht es ans Aufbauen. Dann kommen noch mal alle Helfer zusammen. Schon einige Tage vor dem Oldtimertreffen stehen auswärtige Oldtimerfreunde mit ihren Traktoren und Wohnanhängern auf dem großen Platz im Gewerbegebiet. Einige davon kommen sogar aus den Niederlanden und nehmen eine stundenlange Fahrt auf sich. „Ja, manche fahren einen ganzen Tag lang, aber sie übernachten dann hier auch mehrere Tage“ sagt Gerd Henken. Am Samstag um 14 Uhr geht es los. Nach und nach kommen immer mehr Traktoren. Diese können sich die Oldtimerfreunde in Ruhe anschauen, aber sie auch in Aktion, beispielsweise beim Transport von Bäumen erleben. Hierbei werden die Traktoren auf einen Acker gefahren und vor einen schweren Baumstamm gebunden, den sie dann über den Acker ziehen. Bei dieser Aktion ist es besonders interessant, wenn ein Traktor sich festfährt und dann von anderen Traktoren freigezogen werden muss. Nebenbei kann man sich dann an den Verkaufsständen etwas Warmes zu essen holen oder sich gemütlich hinsetzen und einen Kaffee trinken und ein Stück Kuchen essen. Am Ende des Tages gibt es eine öffentliche Fete mit einem DJ. „Der Eintritt ist frei“, betont der 44-jährige Henken, der als kaufmännischer Angestellter arbeitet. Am zweiten Tag kommen vor allem Eltern mit ihren Kindern zum Oldtimertreffen. Es gibt viele Attraktionen, wie zum Beispiel eine Hüpfburg oder einen 70 Meter hohen Kran mit einer Gondel, aus der man das ganze Oldtimertreffen von oben sehen kann. Das Highlight ist das vom Oldtimerclub Altenoythe selbstgebaute Wackelboot. „Dies ist ein Boot, das zwei verschiedene Radnaben hat und somit hin und her wackelt. In dem Wackelboot können dann mehrere Kinder sitzen, die dann von einem Traktor über einen Platz des Oldtimertreffens gezogen werden“, erklärt Gerd Henken. Während des Aufenthaltes kann man unter anderem auch Stände besuchen, bei denen man Kfz- und Ersatzteile für Oldtimer-Restaurationen kaufen kann. Gegen 16 Uhr verlassen viele Traktoren mit ihren Besitzern das Oldtimertreffen, weil sie noch einige Stunden nach Hause fahren müssen. Jedoch bekommt jeder, der mit seinem Traktor da war, noch einen Pokal zur Erinnerung an das Oldtimertreffen 2015 in Altenoythe. Insgesamt etwa 400 Traktoren und Standmotoren sowie insgesamt 3000 Besucher haben 2015 das Oldtimertreffen besucht. Dann wird bereits schon am Sonntagabend und dann weiter am Montag aufgeräumt und „natürlich hoffen wir in vier Jahren wieder auf so gute Besucherzahlen, aber jetzt genießen wir erstmal die anderen Oldtimertreffen in der Umgebung“, sagt Gerd Henken lächelnd. Lars Moormann Albertus-Magnus-Gymnasium Friesoythe Zirkeltraining im Galopp Sich immer im Kreis drehen und trotzdem zum Ziel kommen: Für Voltigierer wie Hessenmeisterin Sofia Hahners muss das kein Widerspruch sein E s ist nicht genug, zu wollen, man muss auch tun.“ Dieser Spruch von Johann Wolfgang von Goethe bezeichnet Sofia Hahners Motivation. Die blonde, siebzehnjährige Schülerin, die in Fuldas Stadtrandgemeinde Künzell lebt, ist die amtierende Hessenmeisterin im Voltigieren. Man könnte Voltigieren als Turnen auf dem Pferd beschreiben, wobei sich das Tier in verschiedenen Gangarten bewegt. Früher wurde Voltigieren oft als Einstieg in den Pferdesport genutzt, doch mittlerweile wird es auch als Leistungssport betrieben. Sofia Hahner begann 2004 in einer „Schrittgruppe“ beim Reit- und Fahrverein Vorderrhön in Künzell. Der Verein war im vorherigen Jahr mit drei Pferden an den Bauernhof ihres Vaters gezogen. Damals turnte sie alle Übungen der Pflicht und Kür im Schritt auf dem Pferd. Durch hartes Training erarbeitete sie sich eine gute turnerische Leistung und trainiert zurzeit zwei Mal in der Woche in der M-Gruppe des RFV Vorderrhöns. Außerdem arbeitet sie zwei Mal wöchentlich an ihrer Einzelkür nach einem Trainingsplan, den sie mit ihrer Trainerin entwickelt hat. „Mich beeindruckt, dass sich die Leistungen im Voltigiersport von Jahr zu Jahr steigern“, sagt Sofia Hahner. „Früher war es etwas Besonderes, einbeinig auf dem Pferd zu stehen, und heutzutage begeistert man schon einmal gerne mit einem FlickFlack oder Salto auf oder von dem galoppierenden Pferd herunter. Voltigieren unterscheide sich insofern noch von anderen Sportarten, als man immer im Team mit Pferd und Longenführern und auch anderen Voltigierern arbeiten müsse. Durch ihre Ausdauer hat Sofia es mittlerweile schon weit geschafft. Am Ende des Jahres 2005 ist sie in die M-Gruppe des Vereins gewechselt und startete 2006 auf Turnieren mit. Dabei hatte sie neue Pflichtübungen und musste alles im Galopp auf dem Pferd turnen. Außerdem war sie in der Kür der Obermann und stand dabei teilweise auf dem Rücken ihrer Mitvoltigierer. Drei Jahre später hatte sie ihren ersten Start als Einzelvoltigiererin. 2011 turnte sie die beste Pflicht beim nationalen Fünf-Länder-Vergleich. Die gute Beziehung zu dem Pferd Taris hat zum Erfolg beigetragen, weil Sofia und ihre Trainerin Alexandra Taris gemeinsam ausgebildet haben. Mit 15 Jahren wurde Sofia Deutsche Jugendmeisterin in München. In diesem Jahr musste Sofia ihr Pferd verlassen, da die Besitzerin in einen anderen Stall wechselte. Auch das Ersatzpferd, das dem Verein gehört, durfte wegen eines Sehnenschadens nicht mehr laufen. Dennoch wurde Sofia mit einem neuen Pferd Hessenmeisterin und für die Deutsche Senioren-Meisterschaft nominiert. Für ihre Kür lässt Sofia sich von Videos international erfolgreicher Voltigierer inspirieren. „Da die Küren immer anspruchsvoller werden, sollte das Thema spannend gestaltet werden, dies erreicht man mit dem passenden Outfit und der passenden Musik“, erklärt Sofia, die selbst auch schon die böse Königin Ravenna aus „Snow White and the Huntsman“ imitierte. „Voltigieren gehört zu den vielfältigsten Sportarten, die ich kenne“, sagt Sofia. „Man arbeitet mit Tieren zusammen, man turnt in einem Team, ist gelenkig, hat einen gut trainierten Körper und verbessert seinen Gleichgewichtssinn. Wer Adrenalinschübe mag, muss nicht vom Zehn-Meter-Turm springen, sondern kann immer wieder neue Übungen auf dem Pferd ausprobieren. Aber vor allem macht es unglaublich viel Spaß.“ Dadurch ist für ausreichend Nachwuchs gesorgt, der unter anderem auch von Sofia trainiert wird, deren eigene Erwartungen an sich von Saison zu Saison steigen. „Wenn man einmal vorne an der Spitze war, möchte man natürlich öfter das Vergnügen haben, so wird man kritischer mit sich.“ Eine Schwierigkeit ist, dass ihre Trainerin und Freundin aufgrund ihres Studiums wegzieht. Nun sucht Sofia nach einem neuen Trainer. Annika Felzmann Freiherr-vom-Stein-Schule, Fulda Vermischtes kleine zeitung Seite 12/Ausgabe 4/Dezember 2015 Zeitung in der Schule mit der Frankfurter Allgemeinen Zeitung für Deutschland Sie kann auch andere Saiten aufziehen Profi-Musikerin Astrid Schöning spielt E-Gitarre in verschiedenen Formationen und schreibt Lieder, die sie dann selbst singt D as erste Mal vor einem großen Publikum habe ich in Stuttgart gespielt. Plötzlich stehst du auf der Bühne und 10 000 Augenpaare schauen dich erwartungsvoll an. Dein Herz rast. Das ist ein wahnsinniges Gefühl“, erzählt Astrid Schöning atemlos und mit funkelnden Augen. Die 23-Jährige begleitet den Künstler Bollmer mit ihrer Gitarre. Dieser ist mit der Musikgruppe Unheilig auf Tournee. „Dabei sind wir ja nur die Vorband. Trotzdem rastet das Publikum total aus. Ich war ziemlich erschrocken“, lacht Astrid Schöning, „und dann haben wir nach unserem Auftritt sogar noch Autogramme verteilt.“ Bollmer ist aber nicht der Einzige, mit dem Astrid Schöning Musik macht. Sie spielt noch Bass in der Band Hotel Schneider und arbeitet an eigenen Songs und Texten. Besonders stolz ist Astrid auf ihr SoloProjekt „She’s a woman“, für das sie ihre Lieder selbst schreibt und singt. Das hört sich nach viel Arbeit an. Auf die Frage, ob das nicht viel Stress bedeutet, nickt Astrid Schöning zustimmend und erklärt: „Man muss viel planen, vor allem wenn man in zwei Bands gleichzeitig spielt. Die Treffen, die Proben, der private Unterricht und auch das Werben in sozialen Netzwerken wie Facebook sind sehr zeitaufwendig.“ Astrid wohnt und arbeitet in Berlin, kommt aber aus Augustendorf, einem kleinen, ländlichen Dorf in der Nähe von Friesoythe im Landkreis Cloppenburg. „Natürlich habe ich neben den Touren und meiner Arbeit in Berlin nicht oft Zeit, nach Hause zu kommen. Daher ist Mobilität von großer Bedeutung“, erklärt sie, „aber ich bekomme auch viel Unterstützung von meinen Eltern.“ Schon als Kind war Astrid musikalisch veranlagt. „Seit meinem achten Lebensjahr spiele ich Gitarre“, erzählt sie, „Keyboardspielen habe ich mir über die Jahre selbst beigebracht. In Berlin hatte ich zudem zwei Jahre Gesangsunterricht.“ Nach ihrem Abitur wollte Astrid Schöning eigentlich zunächst Musikmanagement studieren. Durch Zufall erfuhr sie von einem einjährigen Musikerlehrgang in Berlin. Dies war zwar nichts, was staatlich anerkannt wird, aber ihr zuständiger Lehrer hat ihr dort viel über Songwriting beigebracht und ihr Einblicke in viele Musikrichtungen gegeben. Danach hat Astrid Schöning noch ein zweijähriges Praktikum in einem Tonstudio gemacht. „Diese beiden Abschnitte meines Lebens haben mir viele Kontakte eingebracht. Diese sind für die Musikbranche elementar“, betont sie. „Der Kreis der Leute, die in Deutschland professionelle Musik machen, ist sehr klein. Berühmte Sänger und Bands wie Casper, K.I.Z oder Kraftklub haben alle den gleichen Produzenten.“ Trotzdem braucht man viel Talent und auch Glück, um in der Musikszene erfolgreich zu werden. „Das Musikgeschäft ist eine Achterbahnfahrt“, sagt Astrid Schöning und gibt zu, dass sie am Anfang etwas blauäugig war. „Fehler und Tiefpunkte sind notwendig, um die Astrid Schöning hat am Albertus-Magnus-Gymnasium in Friesoythe ihr Abitur gemacht. Branche besser kennenzulernen. Auch ich habe schon sehr negative Erfahrungen gemacht.“ Die Band Serge beispielsweise, in der sie früher Gitarre gespielt habe, habe sich plötzlich aufgelöst. Das Schlimme daran war für sie, hilflos zusehen zu müssen, wie sie sich trennt. „Es gibt Momente, da weiß man halt nicht mehr weiter. Da ist es gut zu wissen, dass meine Familie hinter mir steht.“ Enttäuscht ist Astrid Schöning über Foto Tanya Davidow die Vorgehensweise der Plattenfirmen. „Viele berühmte Künstler und Bands aus den Charts sind nur noch Gebilde der Musikindustrie. Es geht um Vermarktung, Musik wird zum kommerziellen Produkt gemacht“, erklärt Astrid traurig. Sie wird nachdenklich bei der Frage, was Musik denn für sie bedeute. „Wenn ich selbst auf einem Konzert bin, schaue ich mir gerne das Publikum an. Die Leute sind so glücklich und scheinen von ihren Problemen und dem Alltagsstress gelöst zu sein. Wenn ich auf der Bühne stehe und spiele, versuche ich dem Publikum dieses Gefühl zu vermitteln. Menschen so emotional berühren zu können“, erzählt sie strahlend, „das macht Musik für mich aus.“ die Farben und das Direkte mit dem Stift. Es ist fast wie gezeichnete Malerei.“ Sie sitzt in ihrer gemütlichen Wohnküche und umfasst mit ihren Händen die heiße Teetasse. Ruhig fährt sie fort: „Es ist auch so etwas wie unser Lebensmotto, die künstlerischen und die landwirtschaftlichen Interessen irgendwie zusammenzubringen und das Künstlerische überall ins Leben einfließen zu lassen.“ Dies ist nur eine Besonderheit, mit der Sybille Voigt-Nenneckes Ponyhof sich von herkömmlichen Reitanlagen unterscheidet. Auf ihrem Hof gibt es keine Einsteller, also Pferde von Privatpersonen, und die Schulpferde nehmen auch nicht an Turnieren teil. Lebhaft erklärt die Reitpädagogin: „Mir ist wichtig, dass keine Konkurrenz zwischen den Mädchen entsteht. Ich möchte diesen typischen Zickenkrieg nicht.“ Die täglichen Reitgruppen sind darum fest zusammengesetzt, und meistens sind die Kinder auch über das Reiten hinaus befreundet. Außerdem wird speziell betreuter Reitunterricht für die ganz jungen Reitanfänger ab fünf Jahren angeboten. „Meistens gibt es diese Möglichkeit für kleine Kinder nur auf Ferienreithöfen. Bei uns bemühen wir uns das ganze Jahr um eine Ferienhofstimmung“, fügt Sybille Voigt-Nennecke stolz hinzu. Eine weitere wichtige Angelegenheit ist ihr das Erhalten selten gewordener Ponyrassen. Aus diesem Grund sind knapp ein Drittel ihrer Schulpferde Dartmoorponys. Das ist eine alte englische Ponyrasse, die für ihr freundliches Gemüt, ihre guten Reiteigenschaften und ein elegantes Aussehen bekannt ist. Einen Jugendtraum hat die Pferdeliebhaberin sich indessen mit dem Kauf einiger Islandpferde erfüllt. „Ich wollte immer gerne Islandpferde haben und konnte sie mir früher lange nicht leisten.“ Heute sind die langen Ausritte mit ihrem persönlichen Reitpferd Grund zur Freude und Erholung in einem oft anstrengenden Alltag. Der Schlüssel zum eigenen Reitbetrieb war die Geburt ihres ersten Kindes während des Bildhauerstudiums. In der durch die Mutterschaft bedingten Studiumsunterbrechung überwog die Leidenschaft für Pferde und Sybille Voigt-Nennecke entschloss sich, doch Reitlehrerin zu werden. Dazu absolvierte sie die nötigen Abzeichen und eignete sich ebenfalls erweiterte pädagogische Fähigkeiten an. „Letztendlich bin ich genau da gelandet, wo ich gelandet wäre, wenn ich das alles vielleicht schon eher gemacht hätte“, gibt Sybille Voigt-Nennecke lachend zu. Zufrieden sagt sie: „Es ist eine tolle Arbeit und eine sinnvolle Arbeit, über die ich mich sehr freue und die mir auch viele schöne und zwischenmenschliche Erlebnisse schenkt.“ Zum Beispiel unterrichtet meine Tochter Vera in der Reittherapie ein vierjähriges Mädchen, das blind und Spastikerin ist. Eigentlich kann es sich nur an Vera klammern, aber auf dem Pferderücken entspannt es sich dann langsam immer mehr. Das mitzuerleben, ist sehr berührend.“ In manchen Fällen liegt das Glück der Erde eben wirklich auf dem Rücken der Pferde. Maike Lüken Albertus-Magnus-Gymnasium Friesoythe Wo Lebenskünstler fest im Sattel sitzen Sybille Voigt-Nennecke ist Künstlerin, Landwirtin und Reitlehrerin D ie Liebe zu Pferden besaß ich schon, bevor ich denken konnte“, sagt Sybille Voigt-Nennecke lächelnd und erklärt, dass sie bereits als Kleinkind auf dem Arm ihrer Großmutter aufgeregt auf jedes Pferd am Zaun gezeigt hat. Die Tochter des berühmten Werbefachmanns Jürgen Scholz wurde 1959 in Mülheim an der Ruhr geboren und wuchs in ländlicher Umgebung von Düsseldorf auf. Ihre Familie hatte nichts mit Pferden zu tun, und außer der glühenden Liebe zu Pferden deutete wenig darauf hin, dass die emphatische Frau später einmal einen eigenen Ponybetrieb und Biolandhof in Schleswig-Holstein betreiben würde. „Ich bin die ganze Kindheit über geritten, mit zehn bekam ich die ersten zehn Reitstunden geschenkt und mit zwölf mein erstes eigenes Pony. Pferde haben meine Jugend gerettet“, erzählt Sybille Voigt-Nennecke ernst. „Meine Eltern haben sich getrennt, als ich sechs Jahre alt war, und nach der Scheidung habe ich bei meinem Vater weitergelebt. Er hatte oft wenig Zeit für mich, und Pferde und Reiten waren meine Zuflucht. Später war das auch eine Motivation für mich, Kindern die Möglichkeit zu geben, auf meinem Hof dieses Freiheitserlebnis mit dem Pferd und so ein bisschen den Traum vom eigenen Pony zu erleben.“ Gemeinsam mit ihrem Mann Paul Nennecke betreibt Sybille Voigt-Nennecke seit 15 Jahren einen Biolandhof mit integriertem Reitbetrieb in der Ortschaft Götheby, einem Ortsteil der Gemeinde Fleckeby im Kreis RendsburgEckernförde in Schleswig-Holstein. Zuvor war sie bereits aus Herzensgründen ins nördlichste Bundesland Deutschlands gezogen und lebte auf einem Bauernhof in Kappeln an der Schlei. Dort hielt sie allerdings nur privat Pferde. Nach dem Umzug nach Götheby zu ihrem zweiten Mann Paul Nennecke entwickelte sich aus einigen Unterrichtsstunden für Bekannte nach und nach der Ponyhof. Die Unterrichtsstunden stellen dabei einen wesentlichen Betriebszweig des Hofes dar. Derzeit besitzt die Frau mit den dichten grauen Lo- Impressum kleine zeitung Herausgeber: IZOP–Institut zur Objektivierung von Lern- und Prüfungsverfahren, Heidchenberg 11, 52076 Aachen Redaktion: Norbert Delhey (Jugend schreibt), Titus Maria Horstschäfer (Jugend und Wirtschaft) Förderung des Projektes „Jugend und Wirtschaft“: cken etwa 20 Ponys und unterrichtet auf ihrem Hof bis zu 60 Kinder im klassischen englischen Reitstil, der am meisten verbreiteten Reitart in Deutschland. „Zusätzlich lege ich großen Wert auf die Selbständigkeit meiner Ponykinder und lehre sie Harmonie zwischen Pferd und Mensch. Die Begeisterung der Kinder und ihre Entwicklung zu tollen Reitern und Menschen zu beobachten, macht einen großen Reiz meiner täglichen Arbeit aus und entschädigt für die viele anstrengende Stallarbeit“, sagt Sybille Voigt-Nennecke und setzt zwinkernd hinzu: „und für das frühe Aufstehen“. Die dreifache Mutter führt zwar einen „Ein-FrauBetrieb“, erfährt aber viel Unterstützung durch ihre Familie und Reiterfreunde aus der Umgebung. Bevor Sybille Voigt-Nennecke sich endgültig für den Reitlehrerberuf entschieden hatte, wollte sie mit 16 Jahren bereits die Schule abbrechen und eine Bereiterlehre anfangen. Dies ist die Grundausbildung und Voraussetzung für die meisten Berufe, die mit Pferden zu tun haben. Ihre Mutter setzte sich allerdings dagegen durch, und so folgte nach dem Abitur zunächst ein einjähriges Erzieherseminar. Anschließend begann die Hobbykünstlerin ein Bildhauerstudium in Alfter bei Bonn. Später setzte sie das Studium in Basel fort. „Mein Vater war Grafiker, und wir haben immer gezeichnet. Von ihm habe ich auf jeden Fall diese künstlerische Ader geerbt.“ Zurzeit arbeitet Sybille Voigt-Nennecke, deren Mann ebenfalls malt, bevorzugt mit Ölpastellkreide auf großformatigen Leinwänden. „Ich liebe Annika Jessen Lornsenschule Schleswig