Es steht Spitz auf Knopf
Transcrição
Es steht Spitz auf Knopf
title Wiener Zeitung issue 12/02/2016 page 10 "Es steht Spitz auf Knopf* Österreich erzürnt Südtirol mit geplanten Grenzkontrollen, Karas sieht Gefahr für Europa, Faymann wirbt um Wien/Brüssel. (kats) Othmar Karas ist sauer. Der ÖVP-Europaabgeordnete ist ja bekannt dafür, dass er immer wieder mit seinen eigenen Parteifreunden in Konflikt gerät. Diesmal ist es die Causa Prima der österreichisch-europäischen Beziehungen, die Karas Blut ins Wallen bringt: der Grenzzaun. Wie berichtet, spielen die Regierungsparteien mit dem Gedanken, das Modell Spielberg auf andere Grenzübergänge zu den Nachbarstaaten zu übertragen Möglichkeiten für weitere Grenzkontrollen sieht Innenministerin Johanna Mikl-Leitner im Karawankentunnel oder am Brenner. "Zäune sind kurzsichtiges Handeln und Ausdruck der Schwäche von Politik", wetterte Karas dazu in einer gemeinsamen Aussendung mit dem Südtiroler Europaabgeordneten Herbert Dorfmann. Wenn die Grenze am Brenner geschlossen würde, "stehen hundert Jahre österreichische Südtirolpolitik auf dem Spiel", meinten die beiden und warnten vor "unabsehbaren politischen, wirtschaftlichen und finanziellen Konsequenzen." Für Karas gibt es "langfristig nur gemeinsame europäische Lösungen", sagte er zur "Wiener Zeitung". Der Ball dafür liege nun bei den Mitgliedstaaten. Denn auf Brüsseler Ebene liegen laut dem Abgeordneten alle Vorschläge bereits auf dem Tisch, nur einzelne Mitgliedsländer würden diese blockieren: Italien, Griechenland und Spanien beim gemeinsamen Schutz der Außengrenzen; Ungarn, Polen, Tschechien und die Slowakei bei der Verteilung der Asylwerber auf die Mitgliedstaaten. Gefragt, ob er denn noch an eine gemeinsame europäische Lösung glaube, meinte Karas, er setze seine Hoffnungen in den EU-Gipfel kommende Woche. Aber: "Es steht Spitz auf Knopf, es gibt eine Fifty-fiftyChance. Wenn keine Lösung gefunden wird, dann gehen Errungenschaften, um die Europa Jahrzehnte gekämpft hat, den Bach hi- Ähnlich fielen die Reaktionen auf die österreichischen Gedankenspiele in Italien aus: Der Südtiroler Landeshauptmann Arno Kompatscher warnte vor einer "tragischen Situation" für Südtirol. "Wir arbeiten seit vielen Jahren an einem Wiedervereinigen der Tiroler Landesteile auf europäischer Ebene, ohne nationalstaatlich zu denken, und jetzt droht das Ganze an der Flüchtlingsthematik zu scheitern", kritisierte er im Öl-"Morgenjournal". "Regierung in Rom muss auf Drohung Österreichs regieren" Kompatschers Trentiner Amtskollege Ugo Rossi zeigte sich ebenfalls besorgt: Die "offene grenzüberschreitende Euroregion auf beiden Brennerseiten" müsse unbedingt verteidigt werden, erklärte er. "Die Gefahr ist, dass wir uns mit einem beträchtlichen Anstieg von Flüchtlingen auseinandersetzen müssen. Die Regierung in Rom muss das berücksichtigen und auf die von Österreich angekündigten restriktiven Maßnahmen reagieren", forderte Rossi. Das klingt ja fast so, als würde das Kalkül der österreichischen Regierung, die Nachbarstaaten unter Druck zu setzen, aufgehen. Eine europäische Lösung täte jedenfalls auch der Wirtschaft gut: Die verstärkten Grenzkontrollen verursachen der österreichischen Wirtschaft bereits heute täglich acht Millionen Euro zusätzliche Kosten, sagte Karas. Noch drastischere Zahlen hatte am Abend zuvor die Europäische Kommission herausgegeben: Im Fall einer Wiedereinführung flächendeckender Grenzkontrollen im SchengenRaum würden die Kosten bis zu Verständnis. 18 Milliarden Euro pro Jahr betra- eine Verlängerung über den Stichtag 15. Februar hinaus. derte deshalb von Griechenland Während auch die Grünen dieerneut mehr Anstrengungen, die se Politik scharf kritisierten und EU-Außengrenzestärker zu schüt- abermals eine europäische Lözen. Gelingt das nämlich nicht, sung einforderten, verteidigte haben Staaten wie Deutschland Kanzler Werner Faymann in der gen. Die Brüsseler Behörde for- und Österreich eine vertragliche Handhabe, die Grenzkontrollen bis zu zwei Jahre aufrecht zu erhalten, was wohl tatsächlich den Untergang des Schengen-Raums befeuern würde. Berlin verlängert Kontrollen, Wien zieht nach Das Innenministerium in Berlin hat am Donnerstag angekündigt, die Grenzkontrollen um weitere drei Monate bis zum 13. Mai verlängern zu wollen. Auch Österreich, wo sich immer mehr Soldaten zum freiwilligen Assistenzeinsatz an der Grenze melden, plant - - Aktuellen Stunde des Bundesrats das Vorgehen der Regierung in der Flüchtlingsfrage. Österreich habe im vergangenen Jahr besondere Hilfsbereitschaft bewiesen und mehr als 90.000 Menschen aufgenommen. Aber: "Österreich kann nicht das Asylrecht für ganz Europa wahrnehmen. Das schaffen wir nicht." Daher erneuerte auch Faymann seine Forderung nach einem gemeinsamen europäischen Vorgehen. Die Achse zwischen Kanzleramt und Europaparlament dürfte also stärker sein als die zwischen Brüssel und der ÖVP-Zentrale. r mmn j j IMI'I i I % Othmar Karas sieht in den Grenzzäunen eine echte Gefahrfür Europa. Foto: apa/HerbertPfarrhofer nunter." 1/1